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Die Kriegertexte / Die Kriegerschule

von Samuel Widmer Nicolet (Autor:in)
168 Seiten

Zusammenfassung

In 24 kurzen Kriegertexten fast Samuel Widmer die Essenz der Lehre von Don Juan Matus, welche uns durch die Werke von Carlos Castaneda übermittelt wurde, zusammen. Die vom Autor gemachten Erfahrungen auf dem langen Weg des Kriegers fliessen als Einsichten in die Aussagen von Don Juan ein und vermischen sich mit diesen zu einer unteilbaren Einheit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Teil I

Die Kriegertexte

WorldWide Magic Movement

WorldWide Magic Movement

Inzwischen hat die Finanzkrise unsere Welt verändert. Noch scheint es niemand richtig zur Kenntnis zu nehmen: Die schwierigsten 25 Jahre der Menschheitsgeschichte bisher haben angefangen. Die Finanzkrise ist nur der Anfang. Und auch sie ist noch lange nicht durchgestanden. Andere Zusammenbrüche werden folgen, ökologische vor allem.

Wie soll man in solch schwierigen Zeiten überleben?

Wie soll man dem Irrsinn der Menschen und ihrer Führer entgehen?

Einmal mehr bleibt nur der Weg des Kriegers, der sich allein und unbeirrt aufmacht, sich auf die einzige, unserem Menschsein würdige Herausforderung vorzubereiten, auf seine unvermeidliche Begegnung mit dem Unermesslichen.

Wenn die Menschen wissen möchten, was Gerechtigkeit von ihnen verlangt, wie man die Welt neu einrichten müsste, dass für das Wohlergehen aller gesorgt ist, alles ins Lot kommt und keine Entgleisungen in die eine oder andere Richtung uns mehr vom rechten Weg abbringen, es wäre ganz einfach. Sie müssten sich einfach die Frage stellen. Das tun sie nämlich nicht. Sie wollen es gar nicht wissen. Sobald sie es wissen wollen und sich die Frage ernsthaft stellen, liegen die Antworten in jeder Situation offensichtlich auf der Hand.

Meine Erfahrung als Psychotherapeut ist, dass man jedes Problem aus der Welt schaffen kann, wenn man zusammen offenen Herzens und unvoreingenommen spricht. Aber sprechen muss man miteinander und offenen Herzens sein und auch unvoreingenommen. Sonst geht nichts. Das ist die Art des Kriegers.

Zwei erste von vierundzwanzig Kriegertexten, die wir in den nächsten Monaten veröffentlichen wollen, erinnern uns an die Art des Kriegers, an seine Makellosigkeit und seine Freude daran, die ihm als Einziges einen Ausgleich schaffen können inmitten des Untergangs einer verrückten Welt.

Kriegertext A/I

Woher das Konzept des Kriegers stammt, weiss ich nicht. Es scheint ihm etwas Universelles anzuhaften. Persönlich habe ich es durch die Werke Carlos Castanedas beziehungsweise durch die durch diesen vermittelte Lehre des Yaqui-Indianers Don Juan Matus kennen gelernt.

Es hat mich sofort überzeugt. Es begleitet mich seither durch mein Leben. Vor allem in den in diesem Buch5 beschriebenen Situationen des Unverstanden- und Ausgegrenztseins, erwies es sich als unschätzbare Hilfe, um nicht unterzugehen oder sich in unsinnigen Querelen zu verwickeln. Es fasst den Weg der Selbsterkenntnis und ihre angewandte Disziplin im täglichen Leben bündig zusammen.

Der Krieger ist kein Soldat. Die Autoritätsabhängigkeit und der unbedingte Gehorsam des letzteren sind ihm völlig fremd. Sein Kampf ist nicht der Krieg in irgendeiner Gegnerschaft und Gefolgschaft, sein Kampf ist ein Kampf mit sich selbst, mit dem Selbst, das er zu überwinden trachtet, um völlige Freiheit zu finden. Sein Kampf ist ein Ringen um Einheit. Darin steht er allein.

Der Krieger weiss, dass er sich nicht ändern kann; trotzdem versucht er es beharrlich. Sein Lohn schliesslich ist nicht die Änderung, sondern der Wandel, der daraus kommt, dass seine Beharrlichkeit eine Energie aufgebaut hat, die alles verändert.

Im Gegensatz zum Durchschnittsmenschen ist der Krieger niemals enttäuscht, wenn es ihm nicht gelingt, sich zu verändern. Das ist genau das, was ihn von diesem unterscheidet. Keine Reaktion. Der Weg des Kriegers ist der Weg des fröhlichen Scheiterns. Dies ist der Weg der Makellosigkeit. Und der Wandel, den er schliesslich, wenn er genügend Kraft aufgebaut hat, erlebt, ist der Verlust der menschlichen Form, das Wiederfinden des ganz Ursprünglichen, des unkonditionierten Geistes, der nicht in Gewohnheitsmustern gefangenen, freien Energie. Freiheit.

Und Freiheit besteht nicht darin, sich frei entscheiden, frei wählen zu können, sondern darin, frei wahrnehmen zu können, die Freiheit zu haben, alles zu sehen.

Der Krieger ist immer ein Aussenseiter. Er will ausserhalb stehen. Die gewöhnlichen Menschen fürchten ihn, verachten ihn, bewundern ihn aber auch, aber sie verstehen ihn nicht; und letztlich bleibt er für sie unverständlich und unerreichbar.

Für das, was mit jemandem geschieht, der mit ihm in Kontakt gekommen ist, ist der Krieger nicht verantwortlich.

Der Krieger hat verstanden, dass es seine Verantwortung ist zu entscheiden. Die Kraft seiner Entscheidungen ist alles, was er hat. Und trotzdem weiss er, dass er keine Wahl hat, dass seine Entscheidung darin besteht, dem zu folgen, was ihn ruft.

Meditation ist für ihn das Verstehen der Trennung, die durch Wahl und Entscheidung eines unfreien Willens verursacht wird. Sein Weg der Meditation ist das Verstehen des Wünschens und Verlangens und nicht die Überwindung des einen Verlangens durch ein anderes.

Innere Stille ist das, was der Krieger sucht, denn von ihr aus entfaltet sich alles Unerklärliche. Sie wird gesammelt und wirkt akkumulativ. Wenn der Krieger innere Stille genügend lange aufrechterhalten kann, bricht die Interpretation der sensorischen Daten, die auf ihn durch die Sinne einstürmen, zusammen und er kehrt zur wahren Natur seiner selbst und aller Dinge zurück. Darin liegt für ihn Freiheit.

Für die Unendlichkeit ist Freiheit das einzig lohnende Unternehmen. Alles andere als das Streben nach Freiheit, ist für den Krieger Betrug.

Kriegertext A/II

Der Kampfschauplatz des Kriegers ist, im Gegensatz zu dem des Soldaten, selbst gewählt. Dieser ist vorwiegend ein innerer, schicksalsbedingt wird er aber auch zum äusseren. Der Krieger benutzt die Situationen seines Lebens zum Lernen; er anerkennt sie als Herausforderungen, die er annimmt und denen er sich stellt. Er kennt darin kein Klagen, kein Ausweichen, kein Leid, keine Abhängigkeit. Er ist das pure Gegenteil des gewöhnlichen Soldaten.

Was er lernt, was er lernen will, worauf er seine unverbrüchliche Absicht richtet, ist die

Überwindung des Selbst. Diese erreicht er durch ein vollständiges Verständnis seiner selbst, durch eine gründliche Rekapitulation seines ganzen Lebens.

Ein Krieger weiss, dass er nur ein Mensch ist. Er bedauert, dass das Leben zu kurz ist, um nach allen Dingen greifen zu können. Aber für ihn ist dies kein Problem; es ist nur schade.

Der Krieger strebt die vollkommene Freiheit an, er will eine freie Energie sein. Die Freiheit vom Selbst, welche Liebe ist, versteht er als die einzige wirkliche Freiheit.

Seine Werkzeuge auf diesem Weg sind vollkommene Ehrlichkeit mit sich selbst und Beharrlichkeit im Ringen um seine unverbrüchliche Absicht. Seine Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit sowie seine Beharrlichkeit bilden seine Makellosigkeit.

Die Tat des Kriegers ist es, seine persönliche Kraft von Gewohnheit und Schwäche abzuziehen und stattdessen in seiner Absicht als Krieger zu sammeln. Der Krieger hat aufgehört, seinen Mitmenschen in ihren Hochs und Tiefs länger zu folgen.

Alle Menschen dieser Erde wählen nur einmal. Sie wählen, entweder Krieger zu sein oder gewöhnliche Menschen zu bleiben. Eine zweite Wahl existiert nicht.

Die einzige Freiheit des Kriegers liegt darin, makellos zu sein. Makellosigkeit ist in sich Freiheit; sie bringt aber auch Freiheit, die Freiheit von der menschlichen Form. Sie ermöglicht dem Krieger zu sehen, währenddessen der Durchschnittsmensch sich entscheidet, sich nicht zu erinnern, was er sieht.

Sehen ist ein unmittelbares körperliches Wissen.

Der grundlegende Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Menschen und einem Krieger ist, dass der Krieger alles als Herausforderung annimmt, während der normale Mensch alles entweder als Segen oder als Fluch auffasst. Seine grundlegende Eigenschaft besteht darin, unbeirrt von aller Angst mit seinen Unternehmungen fortzufahren.

Der Durchschnittsmensch ist sich nur gewahr über alles, wenn er denkt, er sollte es sein; der Zustand des Kriegers hingegen ist, sich zu jeder Zeit über alles gewahr zu sein.

Der Krieger fühlt alles, die ganze Welt, sonst verliert diese ihren Sinn.

Wenn die Kraft es ihm erlaubt, wird der Krieger am Ende seines Weges ein Wissender. Er weiss dann, dass man die Menschen nicht verändern kann. Er weiss es, weil er sieht. Sobald ein Mensch sehen lernt, ist er allein in einer Welt, in der es nichts gibt ausser Verrücktheit.

Für den Krieger verliert irgendwann alles seine Wichtigkeit. Trotzdem lebt er weiter, weil er seine Absicht hat. Sein gezähmter Wille, der ganz und dienbar geworden ist, lässt ihn ertragen, dass für ihn nichts mehr eine Rolle spielt.

Wenn der Krieger ein Sehender wird, muss er nicht mehr länger wie ein Krieger leben. Sein Sehen macht, dass er ausserhalb von allem steht. Aber, wie ein Krieger zu leben, kommt zuerst. Für das, was ein Krieger tut, gibt es keine Schritte, keine Methode, es gibt nur die persönliche Kraft.

Als Sehender hat der Krieger nicht länger ein aktives Interesse an seinen Mitmenschen. Er ist von allem losgelöst.

Der Krieger hat grossen Respekt vor der sexuellen Energie, der einzigen Energie, über die wir verfügen. Er benutzt und kontrolliert sie mit grosser Sorgfalt und viel Respekt. Die Energie weiss nichts von einem Geschlechtsakt nur zum Vergnügen.

Die einzige Möglichkeit des Kriegers, Energie zu sparen, ist das Tilgen von unnötigen Gewohnheiten. Der Krieger sieht und achtet die Magie, die in seiner Natur liegt. Er weiss, dass die Sexualität von der universellen Kraft dazu gedacht ist, die Glut der Bewusstheit weiterzuverschenken. Darum setzt er sie behutsam ein; er geizt mit ihr, um genügend Energie zum Sehen zu haben. Er weiss und sieht, dass unser Leben etwas Ungeheuerliches ist.


5 Bezieht sich auf ein neues Buch von Samuel Widmer Nicolet zum Inzesttabu, für das diese Kriegertexte zuerst verwendet wurden (siehe Vorwort).

WorldWide Magic Movement

Zum Krieger bildet sich letztlich jeder selbst aus. Unterstützen kann man sich gegenseitig darin durch Ermutigung, durch gutes Beispiel, durch vorgelebte Makellosigkeit. Aber keiner kann dem anderen helfen, keiner kann einem anderen etwas abnehmen. Jeder tut seinen Schritt, den er zu tun hat, selbst. Jeder schaut für sich genau hin im Prozess der Selbsterkenntnis, um zu sehen, was erfasst sein will, oder eben nicht.

Das ist ja auch das Schöne am Weg des Kriegers, die Unabhängigkeit, die Selbstständigkeit, das Alleinstehen, das er bringt, die Freiheit. Der Krieger lebt zwar in Gemeinschaft, für Gemeinschaft, aber er steht darin allein. Er trägt seinen Trupp, genauso wie er von diesem getragen ist.

Die universelle Wahrheit der Kriegereinsichten musst du kosten wie einen Leckerbissen. Satz für Satz muss du sie würdigen. Jede Aussage in dir überprüfen und mit dir herumtragen für lange Zeit, wenn sie sich in dir entfalten soll. Die tiefste Wahrheit ist auch nur ein flüchtiger Gedanke, der nichts bewirken kann, solange du nicht die Kraft hast, ihn in deinem Leben zu einer gelebten Wirklichkeit heranwachsen zu lassen.

Kriegertext A/III

Don Juan Matus sagt: „Ein Krieger fühlt sich nie in die Enge getrieben. Sich in die Enge treiben zu lassen, bedeutet, dass man Charaktereigenschaften oder persönlichen Besitz hat, die blockiert werden können. Ein Krieger hat nichts auf der Welt, ausser seiner Makellosigkeit. Und Makellosigkeit kann nicht bedroht werden.“

Makellosigkeit ist letztlich alles, was dem Krieger bleibt. Das Wissen um seine Makellosigkeit ist seine Freude. Sie zu verfehlen, wäre sein definitives Scheitern. Die äusseren Entwicklungen des Lebens verlieren unter diesem Gesichtspunkt an Bedeutung. Er erkennt, dass wir alle sterben werden und lebt aus diesem Wissen heraus. Er sieht, dass Kräfte, die wir weder wirklich kennen noch beherrschen, letztlich über unser Schicksal entscheiden. Darum fügt er sich diesen, richtet sich nach ihnen, schaltet seine Absicht mit ihnen gleich.

„Aushalten (endure). Verzichten (abstain). Und sich erinnern, dass man sterben wird“, das persische Sprichwort enthält für den Krieger nicht nur Worte.

Die Kunst des Kriegers ist die Kunst der Wahrnehmung, welche die Kunst des Träumens ist. Er sieht, dass der Kern unseres Wesens Wahrnehmung und die Magie unseres Seins Bewusstheit ist. Er hört auf damit, sich an Dinge zu klammern und zu besitzen.

Jeder, der ein Krieger werden will, muss sich von dieser Fixierung befreien.

Der Krieger richtet seine Kraft stattdessen auf den Flug ins Unbekannte, den er Träumen nennt; er öffnet die Blase seiner Wahrnehmung und entfaltet deren Flügel. Die Kunst des Pirschens hilft ihm dabei. Sie befähigt ihn, aus jeder Situation das Beste herauszuholen.

Der Krieger schult seine Aufmerksamkeit, bis er fähig ist, sich stundenlang jeder beliebigen Aufgabe ohne jede Ablenkung zuzuwenden.

Andere gernzuhaben, um selbst gerngehabt zu werden, ist für einen Krieger nicht alles, was ein Mensch tun kann.

Der Krieger kennt seine Bedürfnisse. Er kümmert sich um sie. Er versteht sich darauf, dafür zu sorgen, dass sie gestillt werden; aber er ist von nichts abhängig.

Krieger tun nichts, nur um sich zu amüsieren. Ihre Handlungen sind diktiert von Notwendigkeit.

Krieger handeln nicht, um einen Vorteil zu erringen wie der Durchschnittsmensch. Sie handeln, weil der Geist sie ruft.

Krieger sagen niemals etwas nur so daher, sie achten sorgfältig auf alles, was sie zu anderen sagen.

Auf Sentimentalitäten, Nostalgie und Melancholie lässt sich der Krieger nicht ein.

Der Krieger betrachtet es als seinen Fehler, wenn er mit anderen nicht auskommt. Er nimmt sie, wie sie sind. Sie können nicht anders, währenddessen er sich helfen kann. Nichts ist für ihn ein Fluch oder ein Segen wie für den Durchschnittsmenschen; alles ist lediglich Herausforderung.

Der Krieger handelt, ohne eine Belohnung zu erwarten, für nichts und wieder nichts. Er liebt, für nichts und wieder nichts.

Das Rückgrat eines Kriegers ist Demut und Effizienz, handeln, ohne etwas zu erwarten, und alles aushalten können, was ihm auf seinem Weg begegnet.

Der Krieger weiss, dass er die ihm angeborene Energie nicht vermehren kann, sein Anliegen und seine Kunst sind daher, diese Energie umzuverteilen.

Der Krieger gehört zu einem Trupp von Kriegern. Es ist die Kraft selbst, die diesen Kriegertrupp zusammenstellt und die einzelnen Mitglieder auswählt. Die Wege der Kraft sind auch dem Krieger unergründlich.

Kriegertext A/IV

Der Krieger ist frei von Vorurteilen, Voreingenommenheiten, Ideologien. Er hat sich befreit von allen Mustern der Konditionierung. Er hat aufgehört, durch eine Brille von Geboten und Verboten auf die Wirklichkeit zu schauen. Er schaut und sieht unmittelbar Wirklichkeit.

Darum ist er erfüllt von der Intelligenz des Ganzen. Allem wendet er sich zu, als sei es das erste und einzige Mal. Darum erkennt er unschuldig wie ein Kind, was wahr, was falsch und was wahr im Falschen ist. Unbeirrt durch die Verirrungen des menschlichen Geistes durchbricht er alle Illusionen, alle Unwahrheit und alle Heuchelei. Er hat gelernt, wenn nötig, auch ganz allein zu stehen mit dem, was wirklich ist.

Sehen ist ein besonderes Gefühl zu wissen, etwas ohne Spur eines Zweifels zu wissen. Sehen heisst, das Herz aller Dinge freizulegen, das Unbekannte zu erleben und einen flüchtigen Blick ins Unkennbare zu erhaschen.

Es ist völlig ausgeschlossen, dass ein Seher sich beim Sehen irrt, sofern er es nicht mit seinen Emotionen verunreinigt, obwohl er nicht sagen kann, warum dies so ist. Ob er sein Sehen richtig interpretiert, ist eine andere Frage. Am besten ist ihm geraten, wenn er bezüglich aller Interpretation zurückhaltend ist.

Der Krieger hat Losgelöstheit gefunden. Sie erlaubt ihm das Innehalten. Deshalb beeindrucken ihn die Handlungen der Menschen nicht länger. Er hat keine Erwartungen mehr. Ein tiefer Frieden beherrscht sein Leben. Er weiss, dass sein Schicksal unabänderlich ist und die Herausforderung darin besteht, wie weit er innerhalb dieser Grenzen gehen kann.

Der Krieger kann warten, geduldig warten. Er weiss, worauf er wartet; er wartet auf seine Absicht. Schliesslich wird die Zeit kommen, wo sich alles erfüllt. Er lernt sein Wollen und sein Wünschen auf nichts zu reduzieren. Das, was den Menschen unglücklich macht, ist sein Begehren.

Der Krieger braucht alle Zeit und Energie, die er hat, um die menschliche Dummheit in sich zu besiegen. Das ist das, was zählt. Er hat keine Zeit für kleinliche Kämpfe. Er vergeudet seine Kraft nie; sein Kampf findet in der eigenen Brust statt. Was die Leute sagen, ist nicht wichtig; daraus kommt kein Wohlergehen.

Die Suche des Kriegers gilt einzig der letztlichen Befreiung, die kommt, wenn er völlige Bewusstheit erlangt.

Krieger bemühen sich, ein Ziel zu erreichen, das mit den Zielen des Durchschnittsmenschen nichts zu tun hat. Sie streben danach, die Unendlichkeit zu berühren und sich ihrer bewusst zu werden.

Die Grenzen, die dem Krieger gesetzt sind, werden durch die universelle Kraft bestimmt. Innerhalb dieser Grenzen muss er makellos handeln. Er ist ein Gefangener der Kraft.

An Makellosigkeit fehlt es, wenn wir das Gefühl haben, unsterblich zu sein und endlos Zeit zu haben.

Makelloses Tun lädt die Kraft des Kriegers immer wieder auf.

Wählen und entscheiden sind für Krieger nicht wirklich Akte des Wählens und Entscheidens, sondern Akte, sich elegant den Aufforderungen der Unendlichkeit zu fügen.

Was dem Krieger hilft, die Welt anzuhalten – eine Vorbedingung, um Wirklichkeit sehen zu können –, ist das Erwachen für die Zeichen, die ihm die Welt gibt. Er schärft seine Wahrnehmung.

Um Energie zu gewinnen, die für das Sehen, das Erwachen für den Geist notwendig ist, gibt er überdies seine persönliche Geschichte auf. Um sie aufzugeben, muss er dies zuerst wollen.

Demselben, Energie zu gewinnen und für die Zeichen der Welt offen zu sein, dient auch sein lebenslanges Bemühen, die eigene Wichtigkeit zu überwinden. Dabei hilft ihm vor allem, dass er in allen Situationen den Tod als Ratgeber nimmt. Das Bewusstsein seines Todes erinnert den Krieger wie nichts sonst daran, dass nichts wirklich wichtig ist. Sich wichtig zu fühlen, macht einen schwerfällig, unbeholfen und eingebildet. Ein Wissender muss leicht und beweglich sein.

Vor allem aber übernimmt der Krieger für alles, was er tut und was mit ihm ist, für sein ganzes Leben die Verantwortung. Das heisst, dass er kein Selbstmitleid hat, sich nie als Opfer fühlt und seine Entscheidungen, einmal getroffen, weder anzweifelt noch bereut.

Um all dies zu erreichen, versteht sich der Krieger als Jäger, das heisst, dass er selbst darüber entscheidet, wann er wofür erreichbar und wann er unerreichbar ist. Dies bedeutet, die Welt immer nur dosiert zu berühren und sich nie etwas vorzunehmen, was zu gross für ihn ist. Der Krieger erschöpft weder sich noch andere.

Ein Jäger zu sein, heisst aber auch, Gewohnheiten immer wieder zu durchbrechen. Um seine Kontinuität zu zerbrechen, tut der Krieger alles, was er tut, so, als wäre es seine letzte Schlacht auf Erden.

Um sich zugänglich für Kraft zu machen, befasst er sich mit dem Träumen und dem Pirschen.

Der Krieger geht mit Kraft um, um schliesslich ein Wissender zu werden. Persönliche Kraft ist eine Stimmung. Der Krieger schafft sich seine eigene Stimmung.

Ein Krieger kann zwar verletzt, aber nicht beleidigt werden. Für einen Krieger liegt in den Handlungen seiner Mitmenschen nichts persönlich Beleidigendes, solange er selbst in der richtigen Stimmung handelt.

Es ist nicht einfach, die Stimmung eines Kriegers in sich zu errichten. Es ist eine Revolution; es ist die grossartige Tat eines Kriegergeistes.

Makellosigkeit besteht für den Krieger darin, dass er seiner persönlichen Kraft vertraut.

Das Sehen ist die letztliche Vollendung eines Wissenden, aber zum Sehen gelangt der Krieger nur, wenn er durch Nichttun die Welt angehalten hat.

Sehen bedeutet, Energie durch Abtrennung des sozialbedingten Teils der Wahrnehmung unmittelbar wahrzunehmen.

WorldWide Magic Movement

“Makellosigkeit ist letztlich alles, was dem Krieger bleibt. Sie zu verfehlen, wäre sein definitives Scheitern.“

Was für schöne Sätze! Was für tiefe Weisheiten! Sofern du den Zugang zu ihnen findest allerdings. Scheitern liegt für den Krieger nie im Äussern, Scheitern liegt im unkorrekten Umgang damit. Daher kann nichts und niemand dem Krieger seine Makellosigkeit rauben, die letztlich zu seiner Befreiung wird.

Das WWMM ist noch ein junges Kind, noch nicht einmal ganz geboren, eine zarte Pflanze. Aber schon gibt es Stimmen, die seinen Untergang voraussagen.

Bewegungen, die auf Entwicklungen über Jahrtausende angelegt sind, wachsen langsam wie Bäume. Schnelllebigkeit, Leichtgewichtigkeit, Oberflächlichkeit, die Attribute unserer Zeit, haben darin keine Bedeutung.

Also nur Geduld, bevor 100 Jahre vergangen sind, sollte man nicht urteilen über etwas, was sich drauf vorbereitet, in 1000 Jahren zu wirken.

Der Krieger lebt aus der Kraft der Unschuld, dem Immer-Neuen, das gleichzeitig das Ewig-Währende ist. Dieses immer gerade neu Geborene hat eine durchschlagende Kraft, die alle in verstaubten Gewohnheiten und unwesentlichen Gedanken Verfangenen überrumpelt und in ihnen daher Widerstand und Neid weckt. Davon bleibt der Krieger unbeeindruckt. Wie ein Kind explodiert er in die Welt hinein. Er ist das Leben.

Kriegertext A/V

Was macht dich zum Krieger, was baut deine persönliche Kraft auf, damit du schliesslich die Welt anhalten kannst?

Die persönliche Geschichte aufgeben, die eigene Wichtigkeit verlieren, den Tod als Ratgeber benutzen, Verantwortung übernehmen, unerreichbar sein, die Gewohnheiten des Lebens unterbrechen, sich der Kraft zugänglich machen und die Stimmung eines Kriegers finden!

Die Augen des Kriegers sind wie die Augen eines Kindes. Unschuldig. Während das Kind noch in naiver Unschuld alles hinterfragt, blickt der Krieger aber aus einer Freiheit, die er sich erkämpft hat. Seine Unschuld ist voller Wissen; sie ist nicht naiv. Er hat alles gesehen, alles erfahren, alles erlitten. Aber er ist darüber hinausgegangen, hat allem Leid in sich ein Ende gemacht und kennt darum ein Schauen, das wieder alles würdigen kann wie beim ersten Mal.

Der ausgewachsene Krieger sieht. Man kann ihn nicht täuschen.

Er täuscht sich nie. Er erkennt alles als das, was es ist. Er verurteilt nichts, beschönigt nichts, reagiert auf nichts. Alles begleitet er mit Gleichmut und Stille. Sein Schauen ist rein, es kommt aus der tiefsten aller Tiefen. Sehen und Handeln sind für ihn eine untrennbare Bewegung. Was er tut, trifft die Wirklichkeit. Darum ist gut, was er tut. Es führt immer zum Guten, bringt immer Heilung.

Ein Krieger ist in allem tadellos, auch mit sich selbst geht er sorgsam um; er ist auch in Bezug auf sich selbst sehr aufmerksam.

Für den Krieger ist es leichter, sich unter maximalen Stressbedingungen makellos zu verhalten als in Alltagssituationen. Darum schätzt er dieses Übungsfeld des ganz Gewöhnlichen. Nur unter vollkommenen Bedingungen vollkommen zu sein, würde bedeuten, ein Papierkrieger zu sein.

Die Freiheit, welche das Mysterium des Seins ihm schliesslich gewährt, nämlich im Augenblick seines Todes die Bewusstheit zu behalten, ist für ihn keine Selbstverständlichkeit, sondern die minimale Chance, die der Durchschnittsmensch in seiner Verirrung vertut.

Ein Krieger ist sich immer aller Möglichkeiten, aller Konsequenzen, die sein Handeln haben könnte, bewusst. Er akzeptiert, dass auch die schlechteste für ihn gelten könnte, entscheidet sich aber, an die seiner innersten Wahl zu glauben.

Krieger verstehen unter Disziplin keine strengen Routinen. Sie meinen damit die Fähigkeit, unerwarteten und gewichtigen Umständen mit Gleichmut entgegentreten und gelassen den Unkalkulierbarkeiten begegnen zu können. Disziplin ist für sie ein vorsätzlicher Akt, der sie befähigt, alles, was ihren Weg kreuzt, ohne Bedauern und ohne Erwartungen in sich aufzunehmen.

Für sie ist Disziplin eine Kunst, die Kunst sich der Unendlichkeit stellen zu können, ohne mit der Wimper zu zucken; und zwar nicht, weil sie stark sind, sondern, weil sie tiefe Ehrfurcht empfinden. Disziplin ist die Kunst, Ehrfurcht zu empfinden.

Der Krieger hat keine Skrupel, alles, was er will, zu nehmen und zu benutzen. Die Welt ist sein Jagdgrund, geschaffen, um benutzt zu werden. Allerdings ist er auch nicht beleidigt, wenn er selbst genommen und benutzt wird.

Worauf der Krieger auf seinem Weg setzt, ist Mässigung und Stärke. Was er gewinnt, ist Standhaftigkeit und Ausgeglichenheit. Sein Ziel ist die Ganzheit des Selbst, das Ausbreiten der Flügel seiner Wahrnehmung, die Freiheit.

Im Leben eines Kriegers gibt es nur eine offene Frage: Wie weit kann er auf dem Weg des Wissens und der Kraft gehen?

Der Krieger tut mehr als sein Bestes, er zwingt sich, seine Grenzen zu überschreiten – immer. In der Absicht des Kriegers hat es keinen Platz für Niederlage. Ihm steht nur ein einziger Weg offen: das Gelingen all dessen, was er unternimmt. Krieger werden nie besiegt, sie kennen nur das Gelingen.

Ein Krieger muss die Welt lieben, damit sie ihm ihre Wunder zeigt. Ruhig, gesammelt, gleichgültig und gereift unter den Angriffen des Unbekannten, wagt er sich schliesslich ins Undenkliche vor.

Die Welt des Kriegers ist eine Welt des Alleinseins, aber Liebe ist in ihr für immer.

Kriegertext A/VI

Der Tod ist der einzige weise Ratgeber, den der Krieger hat. All seine Entscheidungen fällt der Krieger im Bewusstsein seines unvermeidlichen Todes. Ohne das Bewusstsein des Todes ist alles gewöhnlich, banal. Ohne das Bewusstsein der Präsenz unseres Todes gibt es keine Kraft und kein Geheimnis. Nur deshalb, weil der Tod uns umschleicht, ist die Welt für einen Krieger ein unergründliches Geheimnis. Sobald die Dinge unübersichtlich werden, denkt der Krieger an seinen Tod, denn der Tod ist das Einzige, was seinen Geist mässigt.

Der Krieger hat einen Spalt zwischen den Welten entdeckt, zwischen der alten und der neuen Geschichte, zwischen der Welt der Konditionierung und dem unberührten Paradies, das uns umgibt und das unser wahres Erbe ist. Der Krieger weitet diesen Spalt zu einem ganzen Universum aus, um in ihm zu leben.

Der Spalt besteht zwischen allem, was in unserer Wahrnehmung ruht und unserer Reaktion darauf. Der Durchschnittsmensch kann Wahrnehmung und Reaktion auf das Wahrgenommene nicht trennen; er hält sie für eine Bewegung, in der er gefangen ist. Die Reaktion kommt aus dem Gedächtnis, welches sich auf Wissen und Erfahrung stützt und daher immer Stückwerk sein muss und der Vergangenheit angehört.

Der Krieger lernt im Prozess der Selbsterkenntnis, seine inneren Prozesse so zu verlangsamen, dass er schliesslich still sein kann. Aus einem stillen Gehirn erkennt er unmittelbar den Spalt zwischen Wahrnehmung und Reaktion auf das Wahrgenommene. Seine innere Stille erlaubt es ihm, dort innezuhalten und den Spalt zu weiten. Seine Handlung kommt nicht mehr als Reaktion aus der Vergangenheit, aus Erfahrung, das zu Wissen führt, aus Wissen, das sich im Gedächtnis niederschlägt, sondern aus der Tiefe der Stille eines reinen Sehens. Er lernt den Spalt zwischen den Welten so weit aufzuspannen, dass er darin ein ganzes Leben leben kann, eine völlig neue Geschichte, die nicht von Gewohnheit, nicht von den Mustern irgendwelcher Vergangenheit lebt, sondern von unmittelbarer Wahrnehmung und Handlung von Augenblick zu Augenblick.

Das, was anhält in ihm, wenn der Krieger die Welt anhält, ist das, was die Leute ihm und uns allen ständig über die Welt sagen.

Der Krieger wählt sein Schlachtfeld selbst. Alles Unnötige lässt er beiseite. Er kompliziert die Dinge nie; er bleibt in allem ganz einfach. Und immer ist er bereit, sein letztes Gefecht zu führen, denn jede Schlacht ist ein Kampf ums Leben.

Entspannt und locker, ohne etwas zu fürchten, geht er seines Wegs, denn er weiss, dass die Kraft, die uns alle leitet, ihn nur in dieser Entspannung unterstützen kann.

Für den Krieger gibt es nur das Hier und Jetzt. Alles andere sind Gedanken, nicht wirklich.

Der Krieger repräsentiert die Freiheit. Um ein Krieger zu sein, ist ein endloser Kampf zu führen, der bis zum letzten Augenblick des Lebens währt.

Das, was den Krieger jung erhält, ist, dass er seinen Verstand überwindet.

Der Krieger befreit sich aus dem Gefängnis des Materiellen, des Körpers. Er befreit das Gefühl, das Bewusstsein, das darin eingeschlossen ist.

Krieger trachten ihr Leben lang danach, die dünne Hülle menschlicher Annahmen zu zerreissen, um Wirklichkeit zu sehen.

Sein individuelles Schicksal erkennt der Krieger als belanglos, jedenfalls solange wie er es mit äusserster Hingabe akzeptiert.

Ein Krieger ist immer auf der Hut vor der Grobheit menschlichen Verhaltens. Er ist magisch und rücksichtslos, ein Einzelgänger mit feinstem Geschmack und Betragen. Seine Rücksichtslosigkeit verbirgt er, aber sein Handeln ist nicht durch Freundlichkeit bestimmt, sondern durch die Schulung des Kriegers.

Rücksichtslosigkeit oder vielleicht besser Mitleidlosigkeit ist das Gegenteil von Selbstmitleid. Für Krieger ist Rücksichtslosigkeit nicht grausam. Rücksichtslosigkeit ist das Gegenteil von Selbstüberschätzung, welche auch nur getarntes Selbstmitleid ist. Rücksichtslosigkeit, Mitleidlosigkeit ist Nüchternheit.

WorldWide Magic Movement

Ein Auto zu beherrschen ist etwas, was viele Menschen zu geniessen wissen. Seine Kraft zu spüren, diese kontrollieren zu können, das Fahrzeug im Griff zu haben. Ein Anfänger zu sein, dem es noch geschehen kann, dass das Vehikel plötzlich macht, was es will, dass nicht er es steuert, sondern es ihn überrumpelt, ist hingegen kein gutes Gefühl. Das kennen wir alle.

Ein Krieger erlebt den Umgang mit seinem Körper ähnlich wie den mit dem Auto. Er fühlt sich nur gut, wenn er darüber befindet, wann er anhalten und wann er vorwärts gehen soll. Seine Gedanken, seine Gefühle, seinen Antrieb, seine Anziehungen, seine Sehnsüchte, über all das hat er die Herrschaft. All das gehorcht ihm. Nicht er ist davon getrieben und willenlos herumgeschleudert wie der Durchschnittsmensch, nein, er steuert seinen Geist, seine Emotionen, seine Energie, sein materielles Fahrzeug so, wie er es will. Und genauso wie beim Auto ist es ihm eine grosse Freude, dass das Gefährt präzis auf sein Wollen reagiert, dass seine Kraft sich seinem Willen fügt. Er ist nicht länger ein Spielball seiner eigenen Kräfte wie der normale Mensch, er hat gelernt, mit ihnen makellos umzugehen.

Viele, die an diesen Dingen interessiert sind, versuchen, diese „Selbstbeherrschung“ über Disziplin und Kontrolle zu erreichen. Über den „kleinen“ Willen, den Eigenwillen. Dies erweist sich als Irrweg. Es ist die Disziplin der Achtsamkeit, der vollkommenen Bewusstheit in alle Richtungen, die schliesslich Erfolg hat; darin gibt es keine Unterdrückung, keinen Zwang, kein Müssen und Sollen, sondern nur Freiheit. Es braucht dazu den „grossen“ Willen, die Absicht des Universums, der man sich gebeugt und angeschlossen hat.

Kriegertext A/VII

Da der Krieger nicht mit Bildern lebt, sondern mit Fakten, nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der energetischen Wirklichkeit des Augenblicks, wandert er immer wieder frei aus den Räumen heraus, in die ihn die Vorstellungen der anderen gefangen nehmen wollen. Er bleibt unfassbar. Er lebt in einer anderen Welt, die der Durchschnittsmensch nicht betreten kann. In dessen Welt erscheint der Krieger als fixierte Form, aber dahinter, in der seinen, bewegt er sich frei wie ein Vogel.

Er muss vorsichtig sein, denn die Bilder der Gedankenwelt sind mächtig und können ihn zu Fall bringen. Darum bleibt er unsichtbar, ausser er hat seine Gründe, und unerreichbar, sofern nicht ein innerer Ruf sein Erscheinen fordert.

Wo immer es ihm möglich ist, steuert er die Bilder seiner Mitmenschen zu seinem Vorteil. Dort, wo dies nicht gelingt, akzeptiert er die Realität, die sie schaffen, als sein Schicksal. Letztlich erlebt er dies aber als lästiges Spiel, welches ihm die Schattenwelt der Unwirklichen aufzwingt; viel lieber zeigt er sich in seiner Wahrheit: authentisch, klar, ein ungetrübtes Licht.

Ein Krieger wählt die Dinge, die seine Welt ausmachen. Sie sind seine Schilde. Sie schützen ihn vor den Kräften, mit denen er umgehen lernt. Die Dinge, die ein Krieger wählt als Schilde, sind die Dinge eines Wegs mit Herz. Alles andere weist er zurück.

Der Krieger beugt seinen Kopf vor niemandem, aber er erlaubt auch keinem anderen, seinen vor ihm zu beugen.

Der Krieger weiss, dass es in der Welt nur ganz wenige Dinge gibt, die wirklich erklärt werden können. Er geht den Weg des Kriegers, weil er weiss, dass es keinen anderen Weg zu leben gibt.

Wenn er nicht weiter weiss, zieht der Krieger sich zurück und beschäftigt sich eine Weile mit etwas anderem. Er vergeudet aber keinen Augenblick; jeder zählt. Er beabsichtigt zu siegen, darum verdichtet er die Zeit.

All dies beinhaltet die Kunst des Pirschens. Sie befähigt den Krieger schliesslich, sich nie in den Vordergrund zu drängen.

Das Ergebnis seines Pirschens macht, dass er sich niemals ernst nimmt. Er lernt, über sich zu lachen. Weil er nicht fürchtet, ein Narr zu sein, kann er jeden zum Narren halten.

Er hat unendliche Geduld, er ist nie in Eile, regt sich nie auf. Und er entwickelt eine unbegrenzte Fähigkeit zur Improvisation.

Zum Wissen haben Krieger, in welcher Form auch immer, eine Liebesbeziehung.

Der Pirscher kann die Zeit betrachten, wie sie auf uns zukommt. Anders als der normale Mensch schaut er nicht ständig zurück auf das Vergangene, sondern vorwärts auf das Kommende.

Die Kraft hält immer ein Quäntchen Glück für den Krieger bereit; seine Kunst ist es, so flüssig zu sein, dass er es nicht übersieht und packen kann.

Wenn ein Krieger Trost braucht, sucht er jemanden, dem er seine Not in allen Einzelheiten darlegen kann.

Der Krieger geht um mit Kraft. Sein Merkmal ist das Wechselspiel zwischen kontrolliertem, geplantem Ausdruck und kontrolliertem Ruhigsein.

Ein Wissender wird seinen Mitmenschen niemals Schaden zufügen, aber auch sie werden ihm nicht schaden können, weil er sieht; solange es nicht sein Schicksal ist, ist er geschützt.

Ein Krieger will nie etwas anderes oder ein anderer oder an einem anderen Ort sein, als an dem er gerade ist.

Das Kriterium dafür, dass der Krieger seinem Ich abgestorben ist, besteht darin, dass es für ihn keinen Unterschied mehr macht, in Gesellschaft seiner Freunde oder allein zu sein.

Krieger haben nur einen Bezugspunkt, die Unendlichkeit. Alles andere, ihre bisherige Lebensweise, lassen sie hinter sich. Sie sind keine Personen; die Kontinuität ihres Lebens muss abreissen, damit die innere Stille einsetzen und ein aktiver Teil ihrer Struktur werden kann.

Zu sterben, als Gestorbener weiterzuleben, heisst für den Krieger, alles in seinem Leben losgelassen, alles fallengelassen zu haben, was er hat und was er ist. Sterben ist für den Krieger das Gegenmittel zum Sich-gehen-Lassen.

Der Krieger kennt Liebe als die einzige Antriebskraft für die Fortsetzung seiner physischen Existenz.

Es ist leicht den Geist eines freien Menschen in sich zu wecken, aber nur ein Krieger kann ihn festhalten.

Kriegertext A/VIII

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739365923
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Oktober)
Schlagworte
Carlos_Castaneda Don_Juan_Matus Kriegerschule Spiritualität Kriegertexte

Autor

  • Samuel Widmer Nicolet (Autor:in)

Samuel Widmer Nicolet (Lüsslingen - Schweiz), hat als Arzt und Psychiater europa-, wenn nicht weltweitwohl die grösste Erfahrung in der Anwendung psycholytischer Substanzen, sowohl in der Psychotherapie wie im Prozess des spirituellen Erwachens. Speziell hat er sich zusammen mit seiner Partnerin Danièle Nicolet auch um eine Verknüpfung von Psychotherapie und psycholytischer Arbeit mit dem tantrischen Weg gekümmert, was unter anderem zum Entstehen einer wachsenden Gemeinschaft geführt hat.
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Titel: Die Kriegertexte / Die Kriegerschule