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Mary darf nicht sterben

von Tom Crispa (Autor:in)
329 Seiten
Reihe: Pat & Ally, Band 2

Zusammenfassung

In einem Londoner Theater im Westend häufen sich seltsame Unfälle. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Premiere des neuen Musicals »Mary« dem Theater aus der Schuldenfalle helfen soll! Kellyanne Malloy, eine junge Security-Angestellte, hat einen Verdacht. Der nächste Unfall endet tödlich und die Serie scheint nicht abzureißen. Pat und Ally ermitteln undercover. Die Lage droht zu eskalieren, denn auf einmal wird es persönlich

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1

Er zog den Reißverschluss wieder hoch und drückte die Spülung. Für einen Augenblick sah er noch dabei zu, wie die gelbe Flüssigkeit in dem schmutzig-grauen Urinal von rostbraunem Wasser umhergewirbelt wurde, bis sie mit einem gurgelnden Gluckern als Mischung im Abflussrohr verschwand. Beim Hinausgehen drückte er abermals den metallenen kleinen Hebel nieder. Das wimmernde Geräusch, das der Ventilkopf von sich gab, bis die Feder ihn wieder in die Ausgangsstellung brachte, erinnerte ihn irgendwie entfernt an den Kraftraum. Wesentliche Teile seines jungen Lebens hatte er dort inzwischen verbracht. Er fühlte sich dort heimisch, geradezu geborgen. Wenn er dort die schweren Gewichte stemmte, entfuhr ihm bisweilen bei einem der letzten Sätze eines Durchganges auch ein ähnlich stöhnendes Wimmern.

Vor dem blechernen Waschbecken machte er halt, drehte den Wasserhahn auf, schloss ihn aber kurzerhand wieder. Er nahm das Stück Stoff vom Haken, das ursprünglich aus beigefarbenem Frottee bestanden haben musste. Anstelle einen Aufhänger zu befestigen war es rüde durchbohrt worden. Ein fingerdickes ausgefranstes Loch dokumentierte den Stellenwert, den man an diesem Ort Pflege und Hygiene beimaß. Wie er vermutet hatte, war das Tuch völlig verdreckt, in der Mitte feucht und stank nach Schweiß. Damit würde er seine Hände jedenfalls nicht abtrocknen. Der kleine dicke Pete war doch eine echte Drecksau! Wie oft hatte er ihm gesagt, dass Wasser und Seife eine bessere Idee waren, als den Arbeitsschweiß unter den Achseln einfach mit dem Handtuch wegzuwischen.

Mit spitzen Fingern hängte er den Lappen zurück und verzichtete abschließend auf das Händewaschen.

Pete war ihm zwar ein echter Kumpel, aber in vielen Dingen verstand er ihn einfach nicht. Die Wände des Klos waren zugepflastert mit Playmate-Centerfolds. An die Fotos der nackten Girls ließ Pete kein Stäubchen kommen, aber ein sauberes Handtuch war wohl zu viel verlangt. Er fragte sich, wie Pete jemals eine Frau abbekommen wollte, zuckte aber letztlich die breiten Schultern. Ihm konnte es im Grunde egal sein. Er wusste jedenfalls, worauf es ankam, und lächelte sein Spiegelbild an.

Pete hatte sich über ihn lustig gemacht, als er vor Wochen den großen Spiegel vom Sperrmüll angeschleppt und hier montiert hatte. Der Spiegel wirkte wie ein Fremdkörper an diesem Ort. Er war leicht geneigt an der Wand befestigt, sodass Bill sich in voller Größe darin bewundern konnte. Oft hatte er sich geärgert, dass er mit 1,68 Metern nicht so groß wie die meisten seiner Altersgenossen war, aber hier war es sogar von Vorteil. Mehr hätte der Spiegel in der Enge des Raumes ohnehin nicht erfassen können.

Aus der Werkstatthalle drang belanglose Popmusik durch die leicht geöffnete Tür, ab und zu blubberte ein Moderator irgendetwas genauso Belangloses, nur gelegentlich durch irgendwelche Verkehrsmeldungen unterbrochen. Seinetwegen war diese Berieselung nicht nötig. Pete hatte es aber so eingerichtet, dass mit dem Einschalten des Hallenlichtes automatisch sein Lieblingssender anging und über drei Lautsprecher verteilt einen gleichmäßigen Geräuschteppich über die schmuddelige Werkstatt legte.

Bill pumpte seinen Brustkorb auf und bemerkte zufrieden, wie sich die Brustmuskeln unter dem zu engen Muscle-Shirt nach oben wölbten. Dabei drehte er leicht über die Hüfte nach rechts und links. Nach einem kleinen Schritt zur Seite spannte er seinen rechten Bizeps. Sein Spiegelbild zeichnete eine dicke Vene auf das Glas, die sich windend und krümmend vergeblich einen Ausweg suchte. Der Muskelberg drückte sie jedoch unbarmherzig nach oben gegen die bis zum Bersten gespannte Haut.

»Ja, Sir, so muss das aussehen!«, sprach er sich anerkennend zu, wobei er mehrfach den Arm lockerte und wieder anspannte.

Aus der Halle drang das Quietschen der Schlupftüre an sein Ohr.

»Pete, bist du das?«, rief er nach hinten durch den Türspalt. Keine Antwort. Die Musik hatte derzeit Pause und den Nachrichten Platz gemacht.

»Pete?« Er öffnete die Tür und schaute prüfend in der Halle umher. Die metallenen Drei-Meter-Tore waren allesamt geschlossen, die Schlupftüre allerdings ebenfalls. Etwas natürliche Helligkeit kam durch die Oberlichtstreifen der in die Jahre gekommenen Tore und aus einigen trüben Acrylglassegmenten im Wellblechdach. Von den Leuchtstoffröhren war beinahe die Hälfte ausgefallen. Eine Röhre leistete noch erbitterten Widerstand und bemühte sich ärgerlich brummend Licht zu spenden, der Starter brachte aber nur ein sehr klägliches Flackern zustande. Unter ihr stand der olivgrüne Range Rover des alten Perkins mit geöffneter Motorhaube. In der Mitte klaffte die Inspektionsgrube, der dritte Stellplatz war mit Ausnahme der bereit gelegten Felgen und Reifen ebenfalls frei.

Niemand war zu sehen. Merkwürdig. Die Schlupftüre war leicht verbogen, die Scharniere rostig und sie gab eigentlich ein sehr charakteristisches Quietschen von sich. Gerade so, wie er es gehört zu haben glaubte.

Samstagabends kam nie ein Kunde. Deshalb hatte Bill auch die Werkstatt für sich und verdiente sich nebenbei ein paar Pfund dazu. Diesmal sollte er die rund hundert Felgen abstrahlen und wieder einlagern. Es war eine Arbeit nach seinem Geschmack. Die Felgen und Reifen waren Pete zu schwer, aber für ihn war es ein leichtes und dazu willkommenes Nebenbei-Training, für das er auch noch bezahlt wurde. Das erste Drittel hatte er aus dem angrenzenden Schuppen schon herübergeholt. Die Nachrichten waren zu Ende und hatten Glenn Millers Moonlight Serenade die Lautsprecher überlassen.

Bill lauschte durch die Orchesterklänge hindurch in die Halle. »Hallo?« Die Zweige der großen Buche klatschten von außen an Tor drei und Regen hatte eingesetzt.

Der Niederschlag war schon den ganzen Tag von den meisten sehnlich erwartet worden und begann sich nun einzurichten. Vielleicht war auch nur die Türe aufgeweht und wieder zugefallen, überlegte Bill. Er hatte sich wohl getäuscht. Womöglich hatte er sie vorhin doch nicht richtig geschlossen. Fast ein wenig enttäuscht ging er zu dem Spiegel zurück. Gerne hätte er einem Eindringling mal gezeigt, wozu diese Muskeln imstande waren. Rasch zog er das spartanische Shirt über seinen Kopf und begann, nur noch in seiner Jeans zu posen.

Er fühlte sich mächtig, unbesiegbar und mit jedem Pumpen seiner Oberkörpermuskulatur geradezu einem Rausch näher kommend.

Der Regen prasselte inzwischen in einer Lautstärke auf das Blechdach, dass vom Radio fast nichts mehr zu hören war. Auch das Leerlaufgeräusch des Kompressors nicht. Der Hochdruckreiniger wartete immer noch geduldig auf seinen weiteren Einsatz und summte unbeachtet vor sich hin.

Bill sah missmutig zur Decke. Es klang, als schütte ein Lastwagen langsam und gleichmäßig Rollsplitt auf ein gigantisches Kuchenblech. Scheiß Regen, dachte er. Der Blick auf sein Spiegelbild besserte seine Laune sofort wieder.

Vielleicht sollte er der Kleinen heute Abend mal zeigen, was er zu bieten hatte? Ja, das war eine ausgezeichnete Idee! Dazu musste er allerdings rechtzeitig mit seiner Arbeit fertig sein. Er seufzte, spannte abermals den rechten Bizeps an, gefolgt von dem linken, schließlich beide und verabschiedete sich mit einem Kuss auf die erneut malträtierte Vene. Dann betrat er mit nacktem Oberkörper wieder die Fahrzeughalle. Die angelehnte Tür schwang nach rechts auf.

Bill konnte ein reflexhaftes Zusammenzucken nicht verhindern, als hinter ihm eine Gestalt in Regenkleidung hervortrat. Sein kurzes Erschrecken verflog rasch und verwandelte sich in aufrichtige Überraschung.

»Was machst du denn hier? Ich hätte dich ja so gar nicht erkannt!«, rief er gegen das Geprassel an. Sein Gegenüber antwortete nicht, sondern lenkte stattdessen geschickt seinen Blick in die gewünschte Richtung. Bill grinste breit und war zweifelsfrei von der vielversprechenden Beute begeistert. Sein Gegenüber bemerkte es mit großer Genugtuung.

Genau ließ es sich nicht mehr auseinanderhalten, ob die Überraschung über das, was er sah oder das, was er nicht hatte kommen sehen, seinen vorletzten Gesichtsausdruck charakterisierte. Der heftige Hammerschlag, der seine linke Schläfe auf Anhieb durchdrang, brachte seine Mimik ohnehin gehörig durcheinander.

Eigentlich waren weitere Schläge geplant gewesen, aber der Muskelberg taumelte umgehend nebst festeckendem Hammer nach hinten weg und entzog sich aktuell weiterer Behandlung. Bill drehte sich, offensichtlich orientierungslos, um die eigene Achse. Von einem Schreien war kaum etwas zu hören, vielleicht war es auch eher ein Röcheln gewesen? Um hier Gewissheit zu bekommen, hätte jemand den Regen, das Radio und vielleicht sogar den Kompressor abstellen müssen. Die mutmaßlichen Lautäußerungen Bills in dieser Lage durfte man getrost als ein eher nachgelagertes Problem betrachten. Bill zeigte sich nämlich hinsichtlich seines geplanten Ablebens völlig uneinsichtig und zunächst auch wenig kooperationsbereit.

Dass das Wetter hingegen höchst erfreulich mitspielen würde, war ein ebenso angenehmer wie nützlicher Zufall gewesen. Bill, der Unbesiegbare, zeigte sich letztlich nach einigem Zick-Zack-Kurs doch noch so entgegenkommend, an den Rand der Grube und nicht anderswo in der Halle umherzutaumeln. Ein kleiner, aber kräftiger Schubs, und er landete unsanft in besagter Vertiefung. Bis hierhin lief alles fast zu glatt. Kaum gedacht, schon bereut, denn Bill wollte allen Bemühungen zum Trotz partout nicht sterben. Unerhört. Er versuchte sich aufzurichten. Seine Hände griffen suchend, aber erfolglos nach einem Halt. Der Hammer steckte immer noch fest, es war kaum Blut zu sehen.

Auch wenn man über Bill vielleicht böse hätte sagen können, dass in seinem Schädel nur eine Tasse Wasser und ein eingeweichtes Brötchen vorzufinden wären – das Risiko war einfach zu groß, dass sich dieser Schwachkopf erinnern würde, wer ihm diesen kleinen Streich gespielt hatte. So jedenfalls konnte man nicht einfach weggehen und ihn seinem Schicksal überlassen.

Wie bedauerlich, dass es angesichts der unerwartet einge-tretenen Konstellation keinen echten Plan B gab. Die Gestalt in der Regenkleidung sah sich daher etwas ratlos um und griff leicht unschlüssig nach der Lanze des in der Nähe im Leerlauf tuckernden Reinigers. Unter dem Licht einer tatsächlich sogar funktionstüchtigen Leuchtstoffröhre zeichneten sich bei genauem Hinsehen die Konturen perfekt sitzender hautfarbener OP-Handschuhe ab. Fingerabdrücke würde es nicht geben. Soweit schon mal gut. Nachdenklich wog sie die Dreckfräse prüfend in beiden Händen, richtete sie dann in etwa vier Zentimetern Abstand auf einen am Boden liegenden Reifen und löste aus. Nach wenigen Sekunden bildeten sich Blasen und Gummiteile spritzten seitlich weg. Beeindruckend.

Autoreifen waren hart, Bill war hart. Zeit für einen Vergleichstest.

»Sag schön Aaah«, rief die Gestalt in die Grube. Im Grunde mehr zu ihrer eigenen Befriedigung, denn Bill konnte sie so oder so nicht mehr hören. Es war zu laut und er hatte sowohl aufgehört zu zappeln als auch zu kämpfen. Aus seinen weit aufgerissenen Augen ließ sich nicht mehr ablesen, ob und was er noch verstand.

Die Gestalt wartete einen jener noch reflexhaft wiederkehrenden Momente ab, in denen Bill vor Schmerzen oder wie ein sterbender Fisch japsend den Mund aufriss, und nutzte den Augenblick, um den Kopf der Dreckfräse dort zu platzieren. Sie wandte vorsorglich ihr Gesicht ab und betätigte den Zugschalter. Bereits nach wenigen Sekunden rutschte die Lanze mangels Halt ab. Ein Blick in die Grube offenbarte, dass einhundertzwanzig bar Überdruck die Welt rasch von Schmutz jeglicher Art befreien konnten, auch wenn dabei bisweilen eine durchweg unappetitliche Sauerei mit einherging.

Vom Gesicht und allem Weichgewebe war so gut wie nichts mehr übrig. Jedenfalls nicht an den ursprünglich dafür vorgesehenen Stellen. Aus dem blutigen Brei herausragend zeigten nur das restliche Gebiss, der Unterkiefer und Teile der Wirbelsäule, dass nach dem Abrutschen der Fräse dort die Überreste eines Menschen lagen. Blut und Gewebe sowie einige Zähne waren auf der Innenseite der Grube nach oben gespritzt und hatten dort neuen Halt gefunden, die Regenjacke hatte auch etwas abbekommen. Mit dem Blick in die Tiefe war klar – der Gerichtsmediziner würde seinen Spaß haben!

Die Gestalt war zufrieden, setzte schon zum Gehen an, beschloss aber spontan, nochmals umzukehren. Der Gedanke an die Gerichtsmedizin hatte sie auch an die Kriminalbeamten denken lassen. Eine falsche Spur zu legen wäre doch auch ganz nett. Ein eifersüchtiger Liebhaber oder eine verschmähte Geliebte? Eine Abrechnung unter Ganoven? So setzte sie die Lanze nochmals auf eine andere Stelle von Bills geschundenem Körper, nicht ohne vorher noch besser in Deckung zu gehen, und befreite ihn kurzerhand von seinen primären Geschlechtsmerkmalen. Sollten sie doch selbst sehen, was sie daraus machten.

Für Bill oder dessen Überreste würde es sicher keine Rolle mehr spielen.

Dankenswerterweise schüttete es draußen immer noch wie aus Kübeln. Wer nicht musste, würde heute nicht unterwegs sein. Nicht mal Hundebesitzer würden bei diesen Wetterbedingungen eine Gassirunde drehen. So wäre es eine geschenkte und durchaus willkommene Gelegenheit, Blut- und Spritzreste einfach während des Spazierganges zum Auto von den himmlischen Wassergaben fortspülen zu lassen.

Kurz vor der Schlupftüre befand sich einer der Lautsprecher, den man an dieser Stelle trotz Regengeprassels erstaunlich gut vernehmen konnte. Das Radio spielte einen Hörerwunsch: Ennio Morricones Spiel mir das Lied vom Tod.

Wie überaus passend, lächelte die Gestalt, hörte sich noch die erste knappe Minute an und trat dann hinaus in den Regen, den der Wind inzwischen in Schräglage vor sich her peitschte.

Auf dem unebenen Platz hatten sich in den Vertiefungen bereits zahlreiche Pfützen und kleine Seen gebildet. Weit und breit war wie erhofft keine Menschenseele zu sehen. Der Abend war noch jung und bot jedwede Möglichkeit, sich auch anderen Ortes noch trefflich zu amüsieren.

Mission completed.

Die Gestalt lächelte zufrieden und ließ für den Rückweg keine der Wasserlachen aus. Binnen Minuten würde jede Spur weggewaschen sein.

2

Eine besondere Nacht. Es war gleich wieder soweit. Ihr Herz klopfte wie wild. Ein Adrenalinschub erfüllte ihren Körper, gefühlt sogar bis in die Haarspitzen. Sie wusste, wie wichtig das Timing war. Jeder Fehler zog unweigerlich unerwünschte Konsequenzen nach sich. Keinesfalls würde sie leichtfertig oder nachlässig werden. Weder heute noch sonst.

Wie immer wartete sie also auf das Zeichen. Sechs Takte der Reprise, dann sprang sie mit leicht federnden Schritten aus der rechten Seitenbühne auf die Hauptbühne. Im ohrenbetäubenden Applaus, der noch weiter anzuschwellen begann, verbeugte sie sich nach rechts, nach links und wieder in die Mitte. Sie schloss kurz die Augen, um wie ein ausgetrockneter Schwamm die bewegende Atmosphäre in sich aufzusaugen.

Bravorufe wurden laut.

Sie schickte einen Luftkuss über die flach vor den Mund gehaltene Handfläche in den Zuschauerraum und verbeugte sich abermals knicksend tief und demutsvoll. Die Arme waagerecht ausgestellt, die Finger leicht gefiedert. Kleiner Finger nach oben, Daumen und Mittelfinger abgesenkt, Zeigefinger und Ringfinger waagerecht.

Gelernt.

Geprobt.

Und hunderte Male gezeigt.

Das Klatschen wurde wie auf ein geheimes Zeichen hin rhythmischer und schwoll zu einem Crescendo an. Es bestand kein Zweifel, dass eine Zugabe gefordert wurde und der Dirigent nur noch auf ihren Blickkontakt wartete. Sie richtete sich auf, winkte hoch in den zweiten Rang.

Den Olymp durfte man nie vergessen. Dort saßen schließlich auch Fans, wenn auch mit kleinerem Geldbeutel. Der Blick ging zum Dirigentenpult, als ihr Smartphone unwirsch zu brummen begann und einen schrillen Signalton dazu absonderte. Obwohl sie damit gerechnet hatte, zuckte sie dennoch beim ersten Ton leicht zusammen.

Sie seufzte kurz, rannte von der Bühne hinaus in die dunklen Seitenkulissen, stieß im Lauf mit voller Kraft die schwere eiserne Feuerschutztür auf und sprintete den hell erleuchteten Flur entlang.

3

»Nie wieder!«, klang es undeutlich aus dem Badezimmer.

»Was sagst du?«

»Nie wie…« Der Rest ging in einem wenig erbaulichen Geräusch unter.

»Du musst dich schon entscheiden, ob du mit mir sprechen oder kotzen möchtest«, rief Pat spöttisch, zuerst entfernt aus der Kochnische, lehnte aber kurz darauf bereits mit dem Rücken am Türrahmen zum Badezimmer.

»In dieser Bude gibt es keinen Kaffee«, stellte sie ernüchtert fest. »Und jetzt muss ich meine Aussage von gestern Abend korrigieren.«

»So?«, klang es etwas gequält aus den Niederungen des gefliesten Etablissements.

»Yep. Du siehst richtig Scheiße aus. Total weiß. Passt zu den Kacheln. Soll ich mal ein Foto machen?«

»Untersteh dich!« Ally warf eine Klopapierrolle nach ihr. Pat wich aber geschickt aus und die Rolle kullerte Blatt für Blatt abrollend in den Wohnbereich.

»Ich hab’ doch gesagt, ich vertrag’ nix«, murmelte sie in die Kloschüssel, die sie mit beiden Händen umklammerte, als wollte sie sie an der Flucht hindern.

Pat lugte an dem zerzausten roten Haarschopf vorbei in die Keramik.

»Sieht aber nicht so aus, als käme da noch was.«

»Mir reicht’s jetzt auch.«

»Wie lange machst du das schon? Ich hab’ heute Nacht gar nichts gehört.«

»Du hast ja auch geratzt wie ein Bär im Winterschlaf. Mich hat es so ab vier Uhr mit Unterbrechungen hierher verschlagen.«

»Kopf hoch, waren ja nur drei Stunden«, meinte Pat und grinste sarkastisch.

»Jaaa, danke, hab’ dich auch lieb!«

»Na los, komm hoch. Ich päppel dich wieder auf.« Pat reichte ihr die Hand und zog Ally in einem Rutsch auf die Beine.

Ally sah in den Spiegel über dem Waschbecken und schaute in ein bleiches Gesicht mit farblosen Lippen.

»Hast recht. Hab’ schon mal besser ausgesehen.«

»Na los, komm schon«, damit bugsierte Patricia ihre Freundin hinaus ins Wohnzimmer. »Setz dich aufs Sofa!«

Ally gehorchte, rollte sich aber gleich auf die Seite, zog die nackten Beine an und umklammerte mit beiden Händen die Knie.

»He, du Bild des Jammers. So viel haben wir doch gar nicht getrunken.« Sie breitete eine Decke über Ally aus, die sie aus dem Schlafzimmer organisiert hatte.

»Für mich waren anderthalb Flaschen Wein – oder waren es zwei –?«, sie grübelte einen Augenblick, »eben zu viel, zumal ich vorher nichts gegessen hatte.«

»Klassischer Anfängerfehler«, konstatierte Pat und besah sich das geleerte Flaschensortiment. »Du hattest eineinhalb und ich auch. Drei leere Flaschen, keine Reste. Ging prima auf.«

»Nur, dass du jetzt hier fit wie ein Turnschuh herumspringst und in meinem Kopf die Amboss-Polka gespielt wird.«

»Du Arme. Willst du eine Tablette?«, erkundigte sich Pat.

Ally nickte, war sich aber nicht sicher, ob Pat sie schon wieder aufzog oder tatsächlich bemitleidete.

»Hast du welche?«

»Bad. Spiegelschrank.« Selbst das Reden schien jetzt auf einmal zu viel.

Pat förderte eine neue Medikamentenschachtel zutage und kam mit einem halbgefüllten Wasserglas zurück. Sie drückte eine Tablette Paracetamol aus der Blisterpackung, hielt sie Ally hin, zog sie aber, bevor sie zugreifen konnte, wieder weg.

»Wie schwer bist du?«

»Neunundsechzig Kilo, warum?«

»Dann nimmst du besser zwei.«

»Wie du meinst.«

»Die sind bitter, also schön in einem Stück runter damit und gut nachspülen!«

»Ja, Mama.« Ally schnitt eine Grimasse.

»Soso, die junge Dame bekommt wohl schon wieder Oberwasser. Dann kann ich mich ja mal um ein Frühstück kümmern. Mal sehen, wie gut deine Bodyguards spuren.«

»Was haben die denn damit zu tun?«

»Wirst du schon sehen.«

Pat wuselte im Zimmer herum, zog ein paar Schubladen und Schranktüren auf, was Ally widerstandslos geschehen ließ. Bewaffnet mit Kugelschreiber und einem Block, den sie auf ihrem Streifzug ergattert hatte, setzte sie sich auch aufs Sofa und schob mit ihrem Po Allys inzwischen ausgestreckte Beine zur Seite.

»Zwei, nein drei große Becher Kaffee. Milch. Vier Croissants und vier Käsebrötchen«, diktierte sie sich selbst und brachte zeitgleich ihre Wunschliste zu Papier.

»Willst du noch was dazu oder was ganz anderes?«

»Wer soll das denn essen?«, stöhnte Ally.

»Na, du und ich natürlich.«

Ally bekundete ihre Abneigung zu Ess- und Trinkbarem mit einem gespielten Würgegeräusch.

»Da gibt es kein Pardon. Ich nenne das Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.«

Pat öffnete das Fenster und stieß einen gellenden Pfiff aus.

Ally hatte keine Ahnung, was und wie Pat jetzt anstellen würde, es war ihr auch egal. Der Kopf dröhnte wie Big Ben zur vollen Stunde und ihr war einfach nur noch übel.

 

Der gestrige Regen hatte die sommerlichen Temperaturen über Nacht deutlich abgesenkt. Ein kühler Luftzug erfüllte den Raum und sie holte die Decke etwas dichter an sich heran. Durch halbgeschlossene Lider sah sie Pat gestikulieren, etwas nach unten werfen und das Fenster wieder schließen. Pat schien mit sich zufrieden und ließ sich auf das Sofa fallen.

»Kaffee und Frühstück kommen«, strahlte sie.

4

Sie hatte die Zeit auf der Bühne inzwischen bereits auf das maximal Mögliche ausgedehnt. Infolgedessen ignorierte sie notgedrungen wie zuletzt immer die Prüfung der weiteren Zimmer und Ateliers auf dieser Etage. Irgendwann würde sie auffliegen, aber nicht jetzt, nicht heute.

Sie sprintete weiter den schnurgeraden Flur entlang. Die Gummisohlen ihrer schwarzen Sportschuhe gaben beim Abstoßen von dem grob genoppten Kunststoffboden jeweils helle quietschende Laute von sich. Fünf Meter vor ihrem Ziel hielt sie noch im Laufen bereits den Scanner in der Hand und schaute prüfend auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Acht Sekunden zu früh! Sie zog die Kopfhörer aus den Ohren, wartete, bis die rückwärts laufenden Ziffern des Countdown-Timers 00:00:00 zeigten und hielt dann den Scanner an den Strichcode, der mit Nieten an der Wand fixiert war. Das Gerät quittierte mit einem hellen Piep, dass der Lesevorgang erfolgreich vollzogen war.

Zufrieden nickte sie sich selbst zu und sog mit einem tiefen Atemzug die Luft ein. Es roch, zwar noch schwach, aber dennoch, wieder nach dem billigen Essigreiniger, den sie zutiefst verabscheute.

»Bäh«, sagte sie in die Stille und setzte ihren Kontrollgang in regulärem Tempo fort. Offensichtlich war sie heute schneller gerannt. Wenn sie das Timing noch weiter optimierte, bedeutete dies morgen acht Sekunden längeren Applaus. Andererseits fürchtete sie auch zu überreizen. Während sie weiterging, Tür um Tür öffnete, das Licht anschaltete, sich umsah und das Licht wieder löschte, stockte sie beim dritten Raum und schüttelte den Kopf. Nein, man sollte den Bogen wirklich nicht überspannen. Es war auch so schon heikel genug. Sie stöpselte die Kopfhörer aus dem Handy und wickelte sie im Gehen zu einem kleinen Bündel zusammen, das sie behutsam in einer der zahlreichen Taschen ihrer Uniform versteckte. Das Handy schaltete sie vollständig ab und schob es in die Innentasche der dunkelgrauen Jacke. Der Applaus hatte Pause.

Als nächstes kamen die Toiletten dran. Prüfen, ob die Lichter aus waren oder irgendwo Wasser lief. Sie hoffte inständig, dass nicht irgendein Depp in einem der übersprungenen Räume eine Kaffeemaschine angelassen hatte. Das würde für sie selbst auch richtig Ärger geben. Zurückzugehen kam aber nicht in Frage. Die Zeiten zwischen den Kontrollpunkten waren eng getaktet. Die maximale Toleranz betrug vier Minuten und durfte nur überschritten werden, wenn man eine Beobachtung machte, die dann im Wachbuch festgehalten und dem Facility-Management gemeldet werden musste. Dazu musste sie sich über Funk an den Wachleiter wenden und berichten. Kam sie zu spät an einem Kontrollpunkt an, wurde das registriert und sie beim zweiten Mal verwarnt. Überschritt sie die Zeit um eine weitere Minute ohne Funkmeldung, galt sie und jeder andere, der die Runde drehte, als überfällig und erzeugte einen internen Alarm. Dann rückten zwei Alarmfahrer aus der Zentrale an und man steckte mächtig in der Scheiße. Das war ihr zu Beginn bereits einmal passiert. Den seinerzeitigen Kontakt mit dem Wachleiter würde sie ewig in Erinnerung behalten. Nichts, was man sich wirklich wünschte.

 

Sie war jetzt im Vorraum des Herren-WC angekommen und betrachtete sich dort kritisch im Spiegel.

Aus einer zwar größenmäßig gut sitzenden Funktionsuniform blickte sie eine junge sommersprossige Frau mit grünen, hellwachen Augen an. Jede weitere Form von Weiblichkeit, mit Ausnahme eines sehr ansprechenden femininen Gesichtes, wurde zu ihrem Leidwesen von Jacke und Hose kaschiert. Ihre schulterlangen kastanienbraunen Haare waren zu einem breiten Zopf geflochten, der an ihrer rechten Seite nach vorne über die Brust hing. Sie trug kein Make-up, lediglich etwas transparentes Lipgloss, das einen leicht feuchten Schimmer auf ihre vollen Lippen zauberte. Sie hatte es nach einer Party einmal versehentlich vor Dienstbeginn nicht abgewischt und dann bemerkt, wie ihr älterer Schichtkollege Mason Villiers immer wieder verstohlen hingesehen hatte. Seitdem benutzte sie es hin und wieder mit voller Absicht. Sie testete bisweilen solche subtilen Spiele, so wie sie Spielen als ihren Lebenszweck erachtete; das war ihr Wunsch, ihr Ziel, ihre Bestimmung. Nirgendwo wollte sie lieber sein als hier. Hier im Theater.

 

Aus dem Funkgerät knarzte Masons Stimme: »Bühnentechniker im Haus«.

Ohne den Blick von ihrem Spiegelbild abzuwenden löste sie das Teil aus ihrem Gürtel – »Verstanden. Ende« – und klemmte es wieder an seinen vorgesehenen Platz. Ein rascher Seitenblick auf die Armbanduhr zeigte 3:45. Zwischen ein und fünf Uhr morgens hatten alle Personen ausschließlich durch den Nachteingang Zutritt und mussten sich anmelden. Ohne dass aus der Wachstube die Außentür freigeschaltet wurde, kam in dieser Zeit im Grunde niemand unbemerkt rein oder raus. Seit den Vorkommnissen der letzten Wochen wurde das inzwischen auch akribisch eingehalten und überwacht. Auch für sie bestand durchaus die Möglichkeit, einen ›Unfall erleiden zu können. Aber Mason würde auf sie aufpassen. Bei diesen Gedanken war ihr die Konzentration abhanden gekommen und der Blick kurzzeitig verschwommen.

»Bin ich wirklich eine Schlampe?«, fragte sie leise ihr Gegenüber, ohne auf eine Antwort hoffen zu können. Was denkt wohl Mason darüber?

 

Mason. Sie lächelte bei dem Gedanken an ihn. War er wirklich scharf auf sie? Seine verstohlenen Blicke ließen eigentlich wenig Raum für Zweifel. Ihre Zunge glitt provokativ über die Oberlippe. Er war so anders, nicht so …

Bei der Erinnerung, wo sich diese Lippen vor einem Vierteljahr befunden hatten, presste sie sie verbittert und missmutig zu einem Strich zusammen. Gewiss, es war ihre Entscheidung gewesen. Zumindest dachte sie es. Sie hatte sich vorgenommen zu diesem Theater zu kommen, egal wie.

Zwei erfolglose Castings, nur immer am Choreographen gescheitert. Aber dessen Tage waren gezählt, zumindest wenn es nach ihr ging. Geduld und Ideenreichtum waren gefragt. Wenn nicht durch den Haupteingang, dann eben hintenrum. Wie hieß es so schön – viele Wege führen nach Rom! Ihre Karriere machte dann eben einen kleinen Umweg über den nächtlichen Wachdienst. Ein Job, für den sie jedoch keinerlei Qualifikation aufzuweisen hatte. Aber wer wusste das schon und wen interessierte es, wenn sie erst mal die Uniform trug und drinnen war?

 

Ihre innere Uhr hatte mittlerweile ein ziemlich präzises Timing entwickelt und machte sie ungefragt aufmerksam, wenn etwa eine Minute vergangen war. Sie machte sich also wieder auf den Kontrollgang, aber die Gedanken sprangen zu ihrem Einstellungsgespräch zurück, während sie nun weiter Raum um Raum kontrollierte. Wie so oft machte sie sich dann wieder insgeheim Vorwürfe. Nicht wegen des Abteilungsleiters, der gar nicht mal so schlecht aussah. Es war eben nur, na eben … ein verdammter Blowjob gewesen. Hätte er es doch dabei bewenden lassen! Aber nein, das blöde Schwein hatte ja sein Maul nicht halten können und sich über ihre besonderen ›Fertigkeiten‹ ausgelassen. Seinetwegen hatte sie zwar die Einstellung erhalten, aber ebenso den Stempel Schlampe und in der Folge reichlich Mühe, den Männern der Firma klarzumachen, dass sie eben keine war. Ihre Fäuste ballten sich. Sie hätte ihn dafür umbringen können. Wie zur Hölle hatte er sie dazu bekommen?

 

Aus der links vor ihr liegenden Abzweigung des Ganges hörte sie Schritte näher kommen. Sie nahm rasch die schwere Stabtaschenlampe aus der Gürtelhalterung und das Funkgerät in die andere Hand. Der Flur war hell erleuchtet, aber man konnte diese Lampe auch gut als Schlagwaffe einsetzen. So hatte es ihr Mason empfohlen, falls sie mal in Bedrängnis geraten sollte.

»Sicherheitsdienst – wer ist da?«, rief sie energisch.

Angst hatte sie keine, es musste ja der angekündigte Techniker sein, aber der wusste nicht, dass es der Sicherheits- Leitstand stets per Funk kommunizierte. Und so hinterließ sie jedenfalls einen wachsamen Eindruck bei einer nächtlichen Begegnung. Es sollte sich ruhig rumsprechen, dass sie sehr aufmerksam und pflichtbewusst war. Wer wusste schon, ob es sich nicht auch auf solchem Wege irgendwann mal auszahlte?

Ein unangenehmer Gedanke durchzuckte sie. Was, wenn er es doch nicht war, denn in dieser Etage hatte er eigentlich nichts verloren. Schon gar nicht zu dieser Stunde. Mitten in diese Überlegung hinein bog der Mann gerade um die Ecke und antwortete laut: »Jona Fitz, Bühnentechnik!«, dabei lächelte er ihr zu und ging zielstrebig an ihr vorbei.

Ein Impuls, eine Idee, eine Eingebung – ehe sie das klar hatte, hörte sie sich rufen: »Halt! Mr. Fitz, was machen Sie hier oben?«

Der Mann stoppte abrupt und drehte sich um.

»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, fauchte er gänzlich unerwartet und ging bedrohlich langsam die fünf Meter zurück, die beide bereits getrennt hatten.

Sie weigerte sich, der in ihr aufkommenden Panik nachzugeben und umklammerte die Stablampe noch fester. Er sollte nichts von der Furcht erahnen, die sie bereits ergriffen hatte. So reckte sie also ihr Kinn hoch und versuchte dem Blick des Mannes standzuhalten, der sie um mehr als eine Haupteslänge überragte. Auch wenn sie nicht zurückgewichen war und noch immer inmitten des Flures stand, sich nicht schützend mit dem Rücken zur Wand gedreht hatte, strahlte sie offensichtlich nicht die von ihr beabsichtigte Selbstsicherheit und Gelassenheit aus.

Fitz lächelte spöttisch auf sie herunter.

»Nun, wollen Sie mich etwa aufhalten?« Er beugte sich weiter vor, als könne er das Namensschild von oben nicht lesen. »Miss Malloy oder Mrs.

In ihren Ohren begann der Puls so heftig zu pochen, als würde jemand ihr Trommelfell als Bongos benutzen. Sie hatte mit ihren 22 Jahren schon zu viel mit Männern erlebt, als dass sie sich von jedem dahergelaufenen weiter nach Belieben einschüchtern und als Freiwild betrachten lassen wollte. Allzu gerne wäre sie eine der starken Heldinnen, die sie im Kino immer bewunderte und die so einen frechen Typen mal eben durch den Flur geworfen oder ihm den Arm verdreht hätten. Stattdessen blieb ihr höchstens die Variante, ihm die Lampe auf dem Kopf zu zertrümmern, was wohl eine Reihe von Scherereien nach sich gezogen hätte. So schluckte sie auch diesen Frust im buchstäblichen Sinne hinunter und ärgerte sich zudem, dass ihre Kehlkopfbewegung dabei allzu deutlich sichtbar gewesen sein musste. Fitz schien nämlich ihre Unsicherheit zu bemerken und auszukosten. Er machte keine Anstalten, sich wegzubewegen.

Aber … wurde sie nicht gerade bedroht? Zumindest könnte sie sich bedroht fühlen. Schlagartig fielen ihr die diversen Sabotagen der letzten Zeit ein. Könnte nicht Fitz …? Ihr Zeigefinger lag immer noch leicht auf der Sendetaste des Funkgerätes. Sie müsste nur vier Sekunden gedrückt halten und das Signal würde als Überfall-Alarm gewertet und über den Leitstand sogar Polizeieinheiten auf den Plan rufen. Alternativ könnte sie sich fallen lassen, was nach sechzig Sekunden durch den Totmannmelder den gleichen Effekt haben würde.

Gestärkt durch die Erkenntnis, dass eigentlich sie am längeren Hebel saß, ohne dass sich der unverschämte Typ dessen bewusst war, blickte sie Fitz auf einmal fest in die Augen, während sie das Funkgerät anhob.

»Ich habe hier ein Problem mit einem Mr. Fitz, der sich ohne Erklärung im 4. OG aufhält und Widerstand leistet.«

Mit absoluter Sicherheit hätte sie sich im Nachhinein anders entschieden, hätte sie die Konsequenzen absehen können.

So aber stach sie, wie ein altes Sprichwort sagt, gewissermaßen der Hafer.

›Zeig’s ihm, lass dir nicht immer alles gefallen! Mach ihm richtig Scherereien‹, flüsterte ihr die Versuchung ins Ohr. Und sie gab dieser im gleichen Moment ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden nach.

»Ich werde bedroht!«, rief sie laut in das Gerät.

Zu ihrer trotz allem grenzenlosen Überraschung verpuffte die Großspurigkeit des Mannes wie eine Seifenblase.

Fitz wurde weiß wie die Wand.

»Das stimmt doch gar nicht – so war das doch gar nicht gemeint, ich …«

Der Rest des Satzes war nicht verständlich, da der Lautsprecher lautstark dazwischen quakte: »Verstärkung auf dem Weg.«

»Bitte stoppen Sie das doch, das ist doch alles ein wirklich schreckliches Missverständnis.«

Ein völlig anderer Mann stand auf einmal vor ihr, er wirkte auf einmal ein ganzes Stück kleiner, irgendwie zusammengefallen, lamentierte und gestikulierte. Sie hörte ihm aber gar nicht zu. Je mehr er sich wand, umso mehr genoss nun sie seine Mimik.

Die Freude währte indes kurz, höchstens zwei Minuten, während derer sie stets auf der Hut war, falls er es sich doch anders überlegte und sie wirklich angreifen würde. Beim Blick auf ihre Hand realisierte sie, dass sie immer noch fest die Lampe umschloss. So fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Durch den somit unterbrochenen Augenkontakt tat ihr Gegenüber etwas zwar Verständliches, aber dennoch Unkluges. Während er weiter auf sie einredete, ergriff er sie an beiden Oberarmen und schüttelte sie leicht, um ihre Aufmerksamkeit zurückzuerlangen.

»Ich wollte nicht unangemessen reagieren, es tut mir leid. Vielleicht war ich ein bisschen zu forsch, aber immer hacken alle auf mir herum und jetzt auch noch Sie. Das war doch nur ein unglücklicher Moment, das müssen Sie mir glauben.«

›Unglücklicher Moment‹ – dieses Satzfragment beschrieb gewissermaßen prophetisch die nächsten Sekunden. Mason Villiers schoss um die Ecke, sah, wie Fitz seine Kollegin an den Armen hielt und stürmte nach vorne. Fitz hatte Masons wütenden Gesichtsausdruck richtig gedeutet. Er ließ sofort los, riss seine Hände zur Seite, als hätten sie auf einer heißen Herdplatte gelegen, und sprang einen Meter weg.

Mason holte im Lauf aus und zertrümmerte Fitz’ Nase. Sein nächster Schlag ging ins Leere, da Fitz wie ein gefällter Baum zu Boden gestürzt und auf seinem Hinterkopf gelandet war. Masons Gesicht zeigte Fassungslosigkeit. Entweder hatte er noch nie jemanden geschlagen oder er war ob der heftigen Wirkung des Schlages völlig erstaunt. Die Verblüffung machte umgehend der Sorge Platz, als er zu Kellyanne Malloy hinübersah, die mit offenem Mund auf die Szene blickte.

»Kelly, alles in Ordnung mit dir?«

Sie schaute ihn mit großen Augen an.

»… mit Ihnen«, schob er verlegen hinterher, da er ihren Blick nicht richtig deuten konnte und sie bisher immer noch das Sie gepflegt hatten.

Sie nickte stumm. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Er hatte sie verteidigt! Tatsächlich, wie von ihr vermutet, wie insgeheim erhofft. Noch nie hatte sich jemand für sie geprügelt.

»Wow!«, hörte sie sich sagen. Sie fühlte sich lebendig wie nie. Ein Gefühl, rauschhaft, wie unter Drogen. Zu dem Adrenalin mischte sich unerwartet eine sexuelle Erregung, die man ihr hoffentlich nicht ansah. Mason war gefühlt zwar fast doppelt so alt wie sie, aber in diesem Augenblick hätte sie ihren Beschützer an Ort und Stelle vögeln wollen.

Fitz röchelte, anscheinend war er bewusstlos. Blut lief aus Nase und Mund, er drohte zu ersticken. Auch unter seinem Hinterkopf bildete sich langsam eine kleine Blutlache. Mason schaute zwischen Kelly und Fitz hin und her und schien überfordert. Kellyanne hingegen erfasste die Lage und die Konsequenzen blitzschnell, war in Gedanken schon bei einem später unvermeidlich erscheinenden Verhör und ergriff somit die Initiative.

»Dreh ihn auf die Seite, damit er nicht erstickt!«, kommandierte sie und stellte befriedigt fest, dass er umgehend gehorchte. Nachdem sich Fitz in Seitenlage befand und weiter vor sich hin blutete, beorderte sie Mason zu sich.

»Zeig deine Hände!«

Er tat wie geheißen.

»Gut, noch kein Blut dran. Später fasst du ihn noch mal an. Dann kann alles blutig werden, weil du ihm Hilfe geleistet hast. Jetzt gilt Folgendes: Hörst du zu, genau zu?!«

Mason nickte.

»Dieser Mann da hat mich angegriffen, dazu braucht es Spuren an meinen Armen. Du fasst mich gleich so fest an wie möglich, am besten so, dass es richtige Blutergüsse gibt. Danach schlägst du mir ins Gesicht. Ab dann hat sich alles genauso zugetragen wie vorhin, ich rufe um Hilfe, du befreist mich aus der Umklammerung und schlägst ihn, er fällt unglücklich und du rufst den Rettungsdienst!«

Mason nickte.

»Hast du verstanden?«, insistierte sie.

»Ja, alles klar«, bestätigte er, wirkte aber dennoch etwas neben der Spur.

»Dann los jetzt!« Damit stellte sie sich in Positur.

Mason wirkte ratlos.

»Los, Oberarme!«

Er verstand und ergriff sie.

»Fester!«

Er drückte etwas mehr.

»Fester!«

Er drückte zögerlich noch etwas mehr.

»Fester! Ich bin kein zerbrechliches Ei. Du drückst jetzt bis ich genug sage.«

»Meinst du das ernst?«

»Ich sag’s nicht nochmal!«, fauchte sie ihn giftig an und Mason drückte zu. Ihre Arme fühlten sich jetzt wie in einer Schraubzwinge. Sie begann kürzer zu atmen, aber der Schmerz war immer noch gerade so auszuhalten. Sie spürte buchstäblich den Boden unter den Füßen nicht mehr. Mason hatte sie hochgehoben, ohne es zu bemerken.

»Genug!«, keuchte sie schließlich und Mason setzte sie sanft ab.

»Und jetzt noch der Schlag ins Gesicht. Sieh zu, dass du nicht mein Ohr triffst, dann bleibt das Trommelfell ganz!«

»Ist das wirklich nötig?«

»Los, mach schon. Die Geschichte muss nachprüfbar sein.« Schützend hielt sie die linke Hand vor ihr Ohr.

»Flache Hand und alles, was du drauf hast.« Sie nickte ihm aufmunternd zu und verlagerte ihr Gewicht auf das linke Standbein.

Mason holte aus und schlug wie befohlen mit aller Kraft zu.

 

Der stechende Schmerz auf ihrer Wange und der Hand bekam keine Gelegenheit, sich angemessen bemerkbar zu machen, denn ihre fünfundfünfzig Kilo hatten der seitlich auftreffenden Kraft nichts Wirksames entgegenzusetzen. Der Schlag fegte sie von den Füßen und katapultierte sie mit dem Kopf voran seitlich an die Wand.

 

Für Kellyanne Malloy, 22, Security-Kraft, ging das Licht aus.

5

Pat hatte sich zwischenzeitlich frisch gemacht und auch im Wesentlichen angezogen, als sich der Türsummer krächzend bemerkbar machte.

»Der klingt ja scheußlich«, stellte sie fest, ohne eine Reaktion aus der Sofaecke zu erwarten.

Da Ally in der Tat keinerlei Anstalten machte, sich auch nur zu bewegen, huschte sie barfuß zur Tür und lugte durch den Spion. Sie erkannte den jungen Personenschützer, dem sie vor etwa zwanzig Minuten ihre Wunschliste und dazu Geld hinuntergeworfen hatte. Der Mann balancierte in einem der dafür üblichen Papp-Gestelle drei große Becher Kaffee und einen kleineren, der höchstwahrscheinlich die Milch enthielt. Pat öffnete in Jeans und T-Shirt, bereit, dem Boten ein freundliches Lächeln zu schenken. Der sah jedoch ungerührt und zielstrebig an ihr vorbei in den Raum.

»Ist alles in Ordnung, Ma’am?«, fragte er besorgt in das Zimmer, als er seinen Schützling zusammengerollt auf dem Sofa liegend entdeckte.

Ally kannte das Procedere, wusste, dass er nun den aktuellen Security Code erwartete und rief: »Ja, Patricia, zero.«

Pat fühlte sich angesprochen und drehte sich um.

»Was – Null?«

»Nicht du!«

»Hä?«

»Danke, Ma’am. Ich wünsche guten Appetit und einen schönen Tag!«

Pat wandte sich konsterniert wieder dem Mann zu, der ihr nun entspannt den Kaffee überreichte. Er schien mit Allys Antwort hinreichend zufriedengestellt, drückte Pat die Brötchentüte nebst Wechselgeld in die andere Hand und verschwand zügig in Richtung Treppenhaus.

Sie schüttelte den Kopf, konnte gerade noch »Danke« in den leeren Flur rufen, drehte sich und drückte die Tür hinter sich mit der Fußsohle zu.

»Frühstück ist da. Ach ja, selber Null!« Sie schnitt eine Grimasse und balancierte die Beute in Richtung Tisch.

Ally richtete sich langsam auf.

»Vielleicht doch keine schlaue Idee, Patricia als Codeword zu nehmen«, stöhnte sie. »Das zero heißt Null Probleme, also alles okay.«

Pat grinste. »Ja, ja. Jetzt habe ich es auch getickt.«

Sie stellte die Becher ab und riss die Papiertüte auf. Dann biss sie herzhaft in eines der Käsebrötchen, nuschelte mit vollem Mund: »Auf Prinzessin, zurück ins Leben!« und reichte Ally auch ein Brötchen.

Ally lächelte gequält und drehte das Teil unschlüssig in den Händen. Pat hatte inzwischen etwas Milch in ihren eigenen Becher gegossen, mit dem Kugelschreiber umgerührt und abgetrunken.

»Na los jetzt. Hör auf die Kater-Expertin. Rein mit dem Ding und Kaffee hinterher!«

Ally biss ein Stück ab, erst zaghaft, schien dann aber doch zunehmend Gefallen an dem knusprigen Baguette zu finden.

Nach einer guten Viertelstunde waren die Backwaren wie von Pat kommandiert verputzt und der Kaffee beinahe geleert. Tabletten und Frühstück hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und Pat stellte zufrieden fest, dass Allys Lebensgeister wieder an Bord waren. Der Blick war wieder klar und sie machte nun einen vollständig wachen Eindruck.

»Wie peinlich«, meinte Pat plötzlich mit Blick auf Allys rechten Unterarm.

Ally folgte ihrem Blick und sah die Verfärbung der Spuren, die Pat bei ihrer ›Festnahme‹ dort hinterlassen hatte.

»Ich hab’ ja gestern schon gesagt, du hast einen Griff wie ein Schmied!«

»Leute festzunehmen gehört zum Job, Ma’am. Konnte ja nicht wissen, dass Mylady so zerbrechlich sind …«

Gerade noch rechtzeitig sah sie in Allys Augen den Schalk aufblitzen und dass sie sich zum Sprung anspannte. Diesen Blick hatte sie schon einmal gesehen.

»Stop! Schon gut, schon gut. Mit Rücksicht auf die nette Einrichtung hier lassen wir das heute mal aus!«

»Schade! Bin ich so durchschaubar?«

»Nö, eigentlich nicht. Aber mir reicht’s vorerst«, dabei zog sie ihr T-Shirt hoch und sah über ihre Schulter zu der blaugelben Verfärbung in Höhe der Lendenwirbelsäule.

Ally war zwischen Anteilnahme und Spott hin- und hergerissen, entschied sich aber dann doch für eine Seite.

»Schön blöd, eine Waffe hinten in den Gürtel zu stecken und dann draufzufallen«, lästerte sie.

»Gefallen zu werden«, korrigierte Pat.

»Gefallen zu werden … gibt’s denn so einen Ausdruck überhaupt?«

»Wie soll das sonst heißen?«

»Liebevolle Retourkutsche für dein Knie in meinem Rücken!«

»Das ist ja wohl kein Vergleich!«

Ally legte den Kopf schräg.

»Okay, dann lass mal sehen«, forderte Pat auf, ging um den Tisch und zog Allys Shirt hoch.

»Ups«, entfuhr es ihr, als ein großes blauschwarzes Hämatom zum Vorschein kam. Rasch ließ sie den Saum fallen.

»Äh, da ist gar nichts zu sehen. Alles, wie es ein sollte.«

Ally zog rügend eine Augenbraue hoch und Pat brummte: »Na gut. Sagen wir mal, wir sind quitt.« Sie hob die Hand zum High-Five und Ally klatschte ab.

»Sind wir. Gut, soweit fein, was machen wir als nächstes?«, fragte sie aufgeräumt, doch letztlich eher rhetorisch, denn ehe Pat antworten konnte, schnupperte sie an ihrer Achselhöhle und verzog das Gesicht.

»Okay – duschen!«, gab sie sich die Antwort und erntete von Pat, die gerade den restlichen Kaffee in sich versenkte und mithin den Mund voll hatte, ein ›Daumen hoch‹.

Während Ally im kleinen Badezimmer verschwand und kurz darauf gleichmäßiges Wasserrauschen das Wohnzimmer des kleinen Appartements durchdrang, räumte Pat auf und spülte auch noch die Gläser des vorigen Abends. Den Müll stellte sie in einer Plastiktüte mitnahmebereit neben die Wohnungstüre. Dann ging sie zum Fenster zurück und schaute nachdenklich nach unten auf den silbergrauen Wagen.

Hinter ihr kam Ally in ein Badetuch gewickelt aus dem Badezimmer.

»Na, was gibt es da zu sehen?«, erkundigte sie sich gut gelaunt, während sie ihren Kopf mit nassen Haaren kurz auf Pats Schulter legte und auch nach unten blickte.

»Ey, du tropfst!«

»Weichei!« Ally blieb, wo sie war.

»Weißt du, also mal ehrlich, irgendwie tust du mir schon irgendwie leid.«

Ally trat seitlich neben sie und grinste.

»Muss ich das irgendwie irgendwie verstehen …?«

Pat schaute sie einen Augenblick lang irritiert an, dann fiel der Groschen.

»Mann!« Sie schubste Ally gegen die Schulter. »Machst du dich schon wieder über mich lustig?!«

»Irgendwie schon«, kicherte sie und hüpfte einen Schritt zurück, bevor sie den nächsten Schubs bekommen konnte.

»Mylady sind ja schon wieder ganz schön gut drauf«, spottete Pat. »Äh, äh, äh – Klappe halten!«, befahl sie mit ausgestrecktem Zeigefinger, als Ally gerade Luft holen wollte. »Colmberg, Sie sind wieder albern!«

»Yesss, Officer! Womöglich Restalkohol, Officer?«

Pat lächelte nur kurz. »Ich meine es schon ernst.«

»Was denn eigentlich?«, erkundigte sich Ally nun aufrichtig, ohne jeden Anflug einer Blödelei, und trat wieder ans Fenster.

Pat deutete mit einem Kopfnicken nach unten.

»Na, dass du Personenschützer brauchst. Ich würd’ mir schon komisch vorkommen, wenn dauernd einer an meinem Hintern klebt und jeden meiner Schritte überwacht.«

Ally schwieg, wusste auch nicht so recht, was sie dazu noch hätte sagen sollen.

»Meinst du, du kannst deinen Dad dazu bewegen, das Team da unten vielleicht einfach abzubestellen?«, setzte Pat nach. »Schließlich bin ich ja auch noch da!«

Ally blies die Backen auf und lies die Luft entweichen.

»Ich versuche ja, unauffällig zu bleiben, aber nach unserem letzten Einsatz lässt mein Vater erstmal nicht locker. Vielleicht könnte ich es in zwei oder drei Wochen nochmal versuchen. Aber so …« Pat zuckte mit den Schultern und lehnte sich einen kurzen Moment lang mit der Stirn gegen die Fensterscheibe, an der sich immer mehr kleine Regentropfen erst zu Rinnsalen verbündeten und dann der Schwerkraft nachgaben.

»Früher dachte ich immer, viel Geld zu haben wäre total cool. Finde ich eigentlich heute auch noch. Aber wenn es soviel ist wie bei dir, dass man schon wieder um seine Sicherheit besorgt sein muss, find’ ich es doch eher ätzend. Obwohl …«, ihre Augen funkelten auf einmal spitzbübisch und sie hielt die Hand auf, »das Frühstück zahlt dann mal die arme Studentin, okay?«

Ally griff nach der ausgestreckten Hand und zog Pat in Richtung Sofa.

»Setzen!«, sagte sie mit tiefer Stimme und nahm selbst Platz.

»Patricia Farquharson … Hey, hörst du mir zu?« Ally winkte, als müsse sie ihr Gegenüber aufwecken oder zumindest etwas aufmerksamer machen.

Pat räusperte sich. »Ja, entschuldige, natürlich!«

»Also, Pat, wir müssen zum Thema Geld doch nochmal etwas klarstellen.«

Pat nickte.

»Ich habe dir gestern so viel über mich erzählt wie keinem anderen Menschen zuvor. Jedenfalls nicht nach so kurzer Zeit und schon gar nicht so umfassend. Und ja, ich bin mir völlig bewusst, was ich gesagt habe. Ich vertrage zwar Alkohol nicht in diesem Umfang, wie du ja bemerkt hast, aber ich bin nicht so betrunken gewesen, dass ich mich nicht erinnern könnte. Du kennst also meine Herkunft und weißt auch um das Vermögen meiner Familie.«

Sie hielt inne und blickte an Pat vorbei auf einen imaginären Horizont.

»Vielleicht hätte ich das alles besser nicht getan. Nicht so umfassend jedenfalls. Aber … Nun, für mich bist du eben eine Vertraute, wie ich sie mir immer gewünscht habe. Es kommt mir vor, als wärest du geradewegs vom Himmel gefallen, wenn es nicht so kitschig klingen würde. Und glaub’ mir, ich bin wahrlich weder eine Plaudertasche, noch eine, die ihr Herz auf der Zunge trägt.« Sie sah Pat direkt in die Augen.

»Es wundert mich selbst, dass du mir nach dieser kurzen Zeit so nah bist, so vertraut erscheinst, als würden wir uns schon ein Leben lang kennen. Eine Freundin.«

Pat saß mit großen Augen da.

»Meine Freundin«, betonte Ally mit einer kleinen Kunstpause hinter ›Meine‹.

»Wenn ich dich damit überrumpelt oder gar überfordert habe, bitte ich dich hiermit um Verzeihung!«

Pat schüttelte heftig den Kopf.

»Wie? Was? – Was für’n Quatsch! Hast du nicht!« Sie zögerte etwas. »Es… es … es ist nur dieser scheißgroße Haufen Kohle …«

»… und ich will nicht, dass er zwischen uns steht!«, erwiderte Ally.

»Na, soll er doch auch nicht. Ich versteh’ nur nicht, wie du das aushältst, was du damit alles machen, alles bewirken könntest! Also … also, wie du dann hier sitzen und Studentin und … und … Praktikantin beim Yard spielen kannst …«, sprudelte es aus ihr heraus.

»… ohne lieber die Welt zu retten«, fiel ihr Ally ins Wort und erntete ein heftiges Nicken als Zustimmung.

»Genau!«

»Mmh. Wie soll ich das erklären?«

Sie blickte zur Decke, um sich zu sammeln, und fuhr kurz darauf fort:

»Okay, also stell’ dir mal vor, du wärest Ärztin und gerade am Operieren. In diesem Augenblick rettest du, wenn alles klappt, einem Menschen das Leben. Du könntest natürlich aber auch in einem Entwicklungsland, sagen wir mal in einem Buschkrankenhaus, mit deinem Fachwissen in der gleichen Zeit, die eine Operation benötigt, auch viele andere Leben durch Sprechstunden und die richtigen Medikamentengaben retten. Oder von mir aus auch lehren oder forschen. Der Punkt ist aber nun der: du kannst dich sinnvollerweise nur auf eine Sache konzentrieren, das ist die, die du im Augenblick tust. Idealerweise ist es auch diejenige, die dich erfüllt, dir Antrieb und Auftrieb gibt, Großes, vielleicht sogar Größeres zu leisten.«

Pat schien ihr nur mit Mühe zu folgen.

»Wenn du nicht mit Herz und Verstand bei dieser einen konkreten Sache bleibst, die gerade dran ist, wird weder das eine noch das andere ein gutes Ende nehmen.«

Pat nickte.

»Und dein Operationssaal ist gerade Scotland Yard …?!«

»Sozusagen. Wie ich dir gestern gesagt habe, kommt in ein paar Jahren dann anderes auf mich zu, aber erst dann und nicht jetzt!«

Pat kaute auf ihrer Unterlippe herum.

»Okay, schön, klingt aber für mich alles trotzdem noch ziemlich verwirrend, und …« Sie hatte zwar zugehört, aber nicht wirklich richtig verstanden, was Ally ihr damit hatte sagen wollen.

Das ganze Thema war ihr unangenehm.

»Also gut, wie hilft uns das weiter?«, fragte sie nach, in der Hoffnung, etwas für sie Greifbareres, Umsetzbares heraushören zu können.

»Gut, dass Sie fragen, Officer«, strahlte Ally sie gutgelaunt an.

»Wir blenden das Thema Geld und meine Familie einfach komplett aus. Hier und jetzt bin ich Studentin im Auslandspraktikum und komme nur mit dem Geld aus, das dafür angemessen ist. Das heißt, ich lade dich zum Frühstück ein, wir gehen auch mal zusammen essen und ich schmeiße auch mal eine Runde für dein Team.«

Pat wuschelte sich mit beiden Händen kräftig durch die Haare, als könne sie damit ihre Gedanken besser sortieren.

»Meinetwegen. Wenn du meinst, dass das hilft. Ich dachte vorhin für einen kurzen Augenblick, du hältst mich womöglich für geldgeil.«

»Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«

»Na, wenn du auch so anfängst – Patricia Farquharson …«, ahmte sie Allys Tonfall nach.

Ally sah sie kurz an, revanchierte sich einen imaginären Kaugummi kauend und intonierte, beginnend mit Pat’s Lieblingsvokabel: »Darling, weißt du, Darling, sonst noch Fragen, Probleme oder Wünsche? Ich hab’ nämlich sonst nix zu tun!«

Pat lachte.

»So’n Scheiß hast du dir gemerkt?«

»Klar, war schon irgendwie witzig, wie du den Security-Mann am Flughafen genau so angeblafft hast?«

»Red’ ich wirklich so?«

»Na, irgendwie schon.«

»Wenn du jetzt noch einmal irgendwie sagst, hau ich dich!«

Ally presste die Lippen aufeinander, aber ihre Augen leuchteten verräterisch.

»Na los, sag’ schon, ehe du platzt«, ermunterte Pat sie.

»Ich mein’ ja nur, wir sollten irgend …«, hier folgte eine dramaturgische Pause, »… wann mal überlegen, was wir mit diesem angebrochenen Tag und der kommenden Woche machen.«

Pat seufzte und nickte.

»Oh Mann, stimmt schon. Sollten wir. Mmh, bis die Suspendierung aufgehoben ist, hab’ ich eh frei. Und was ist mit dir ? Willst du nicht doch wieder zurückkommen?«

»Nach Typen wie Falchuk sehne ich mich nicht, aber mit dir und auch den anderen aus Ellis’ Truppe würde ich schon gerne weitermachen. Nur zu Kreuze kriechen werde ich bei dem Kerl mit Sicherheit nicht!«

»Würd’ ich auch nicht«, pflichtete Pat ihr grimmig bei. »Nicht bei so einem Arschloch. Die Frage bleibt halt nur, wie wir dich gegen den Fiesling wieder in den Yard zurück kriegen. An ihm vorbei wird’s ja leider kaum gehen.«

 

In dieser zu Ende gegangenen Nacht hatte Kellyanne Malloy um drei Uhr siebenundfünfzig aufgehört zu atmen und damit ungewollt eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die alle morgendlichen Gedankenspiele der beiden Frauen obsolet machen würde.

6

Detective Inspector Aiken seufzte tief. »Warum hast du nichts Anständiges gelernt?« Die Worte seiner Mutter kamen ihm wieder in den Sinn. Sie hatte nie etwas für seine Arbeit übrig gehabt. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater, der richtiggehend stolz auf ihn war. Bei diesem Gedanken erschien ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Er blickte durch die Windschutzscheibe auf den grauen, immer noch regenverhangenen Himmel. Dort, wo die Scheibenwischer kurz vor dem Abschalten Platz geschaffen hatten, begannen sich bereits wieder kleine Tröpfchen zu sammeln, zu kollaborieren und nach und nach ihren Halt zu verlieren.

»Hilft ja nichts«, sagte er halblaut vor sich hin und öffnete die Wagentür. Schwülwarme Luft strömte ihm entgegen.

Peters, sein Sergeant, hatte es vorgezogen zu schweigen und abzuwarten. Bisweilen nahm sich sein Chef ein, zwei Minuten, bevor sie einen Tatort betraten. Er hatte es zwar zu Beginn seines Jobs immer etwas befremdlich gefunden, sich mit Blaulicht und Sirenengeheul einen schnellen Weg zu einem Einsatzort zu bahnen, um dann nicht gleich herauszuspringen, sondern innezuhalten, inzwischen konnte allerdings selbst er dem durchaus etwas abgewinnen. Ruhe in eine ansonsten hektische Umgebung hineinzubringen war sicherlich nicht die schlechteste Übung.

Der Adrenalinpegel nach der schnellen Fahrt senkte sich bereits spürbar. Der Blick wurde klar für das Kommende. Scott Peters schob sich aus dem Fahrersitz und ließ einen Moment lang ebenfalls seinen Blick über den Platz schweifen.

Zwei reguläre Streifenwagen und ein weißer Kleintransporter der Kriminaltechnik standen nebeneinander auf dem unansehnlichen Vorplatz einer in die Jahre gekommenen Werkstatt. Links, vor einem der rostigen, hellblauen Schiebetore parkte der schwere Audi-Kombi des Notarztes. Ein Krankenwagen hatte sich längs davor gesetzt, wendete gerade und trat, anscheinend beladen, den Rückweg an, was den Blick auf ein weiteres Fahrzeug freigab. Der daytonagraue Sprinter der Gerichtsmedizin war nun klar zu erkennen.

Augenblicke später drängelte sich der Krankenwagen mit auf- und abschwellendem Geheul in den morgendlichen Verkehr. Von diesem Fahrzeug abgesehen flackerte oder drehte sich nirgendwo eines der Blaulichter, was Scott Peters daran erinnerte, das eigene ebenfalls abzuschalten. Außer den Funksprüchen, die unverständlich das Innere der verschiedenen Fahrzeuge akustisch füllten, bot sich nun ein geradezu ruhiges, friedliches Bild. Es nieselte nur noch leicht.

»Vorsicht, Sir!«, rief Scott seinem Vorgesetzten zu, nachdem er ausgestiegen war. Diesem waren allerdings die überall verstreuten wassergefüllten Löcher und Mulden auch nicht entgangen. So balancierten beide halbwegs trockenen Fußes zwischen den Pfützen hindurch zum leidlich gepflasterten löchrigen Vorplatz und traten durch das aufgeschobene Fahrzeugtor ein.

Der Wachhabende kannte sie beide und trug sie wie üblich mit Uhrzeit der Ankunft auf seinem Klemmbrett ein. Sie begrüßten sich mit einem kurzen Nicken und wurden zum ranghöchsten Uniformierten weitergereicht, der ihnen einen raschen Überblick zur Lage verschaffen sollte. Der Beamte mit den drei Winkeln auf der Uniform kam ihnen aus der Halle so zügig entgegen, als wolle er sie abfangen.

»Guten Morgen, Sir! Ich bin Sergeant Wooley.«

»Guten Morgen, Sergeant Wooley.«

Aiken bemühte sich immer um eine etwas persönlichere Ansprache und wo immer es ihm möglich war, nutzte er die Gelegenheit dazu.

»Armer Kerl.« Wooley deutete mit dem Kopf in Richtung des bereits außer Sicht befindlichen Transporters, dessen Signale zunehmend schwächer herüberklangen.

»Der Werkstattbesitzer, Pete, Peter Fishbuster. Schwerer Schock, hat das Opfer vor einer halben Stunde gefunden«, beantwortete Wooley eine nicht gestellte Frage, als wolle er sich dabei etwas in Erinnerung rufen.

Aiken zog eine Augenbraue hoch. Ihn interessierte derzeit durchaus mehr, weswegen er hier war, als der Schockzustand des Finders der Leiche. Für den war später noch genügend Zeit.

»Nun, Sergeant, was haben wir?«

Diese stereotype Frage nervte ihn zwar selbst immer ein wenig, ihm war aber in seinen fast fünfzehn Dienstjahren auch nichts Besseres eingefallen, was ihn ohne Umschweife zu den benötigten Erkenntnissen an einem Tatort gebracht hätte.

»Sir, ehe Sie weitergehen …«

Er stellte sich den beiden Kriminalbeamten nun tatsächlich in den Weg. DI Aiken stutzte, blieb aber, ebenso wie DS Peters, stehen.

Wooley war die Situation sichtlich unangenehm und er rang nach Worten.

»Was ist denn nun, Wooley?«, mischte sich Scott ein.

»Nun, es ist … Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, denn sicherlich haben Sie schon sehr viel gesehen, allerdings ist es äh …«

Aiken beugte sich zur Seite und sah an Wooley vorbei, wie sich einer der Uniformierten grünlich-bleich und vornübergebeugt einhändig an einem Range Rover abstützte. Ein Sanitäter in der Hocke schien ihm gerade gut zuzureden. Wooley folgte seinem Blick und drehte sich um.

»So schlimm also?«, fragte der Inspector.

Wooley nickte schwer und sah zu Boden. »Wie soll ich sagen – ein regelrechtes Gemetzel, Sir.«

Aiken nickte, klopfte dem Sergeant im Vorbeigehen verständnisvoll zweimal auf den Oberarm und begab sich direkt zur Grube, an deren Rand zwei Kriminaltechniker in weißen Schutzanzügen zugange waren. Zumindest waren sie ursprünglich mal weiß gewesen. Scott folgte ihm. Beide sahen nach unten, dann kurz zueinander und schließlich wieder zu Wooley.

»Verstehe völlig, was Sie meinten. Danke für Ihre Umsicht, Sergeant Wooley.«

Aiken erfasste nun nochmals systematisch das sich ihm darbietende verstörende Bild. Scott wechselte auf die andere Seite und tat es ihm gleich.

 

»Den Ärzten zufolge ist – vorbehaltlich der Obduktion – der Tod durch den Hammerschlag nicht so schnell eingetreten, dass er von der anschließenden Verstümmelung nicht doch etwas mitbekommen haben könnte«, machte sich Wooley nun nochmals bemerkbar, ehe die Detectives den Notarzt und den Pathologen befragen konnten. Sie erfuhren von ihm, dass ein 570 g schwerer Maurerhammer mit einem Stahlstiel in Form einer Stimmgabel sichergestellt werden konnte. Er verfügte über eine Klinge mit gehärteter Schneide zum Formen, Anritzen und Zuschlagen von Materialien, drang also ohne übermäßigen Kraftaufwand vergleichsweise leicht in einen menschlichen Schädel.

»Die Verstümmelung macht das Ganze bizarr, nicht?«, erkundigte sich Scott, als könnte er die Gedanken seines Vorgesetzten lesen.

»Ja, sie ist … zumindest befremdlich

»Eine Botschaft, Sir? Aber welche?«

»Wenn ich das wüsste, käme ich auch auf ein Motiv.«

»Der Hammer steckte ja noch beim Eintreffen des Gerichtsmediziners. Der Schlag muss trotz allem mit einer solchen Wucht ausgeführt worden sein, dass selbst für einen Laien erkennbar gewesen sein musste: das Opfer würde das nicht überleben. Wozu also die Verstümmelung? Um sicher zu gehen, hätten ja auch einfach weitere Schläge gereicht. Für mich sieht das nach einer Bestrafung aus.«

»Mag sein. Kann sein, muss aber nicht. Nur – wenn es einer aus dem Milieu war, der meint, er müsste ihm unbedingt das Gesicht wegpusten, wozu dann noch seinen Schwanz? Und warum genau diese zwei Stellen?«

»Haben Sie schon einmal einen Weg mit dem Hochdruckreiniger gesäubert, Sir?«

»Nein, wozu? Sollte ich?«

»Die Dinger haben so viel Power in dem gebündelten Wasserstrahl, dass sie zwar die schlimmsten Verschmutzungen lösen, allerdings …«

»Allerdings was

»Allerdings fliegt Ihnen auch ein nicht unerheblicher Teil um die Ohren. Kurz gesagt: es spritzt wie Sau!«

Der DI nickte.

»Wie hier zu sehen. Das ist gut, das ist sogar sehr gut! Unser Täter muss also einiges abbekommen haben.«

Scott nickte ebenfalls zustimmend.

»Vielleicht hat er auch deshalb mittendrin aufgehört?«

»Wäre möglich, glaube ich aber eher nicht.« Er sah sich nach dem Arzt um und winkte ihn zu sich herüber.

Sowohl Notarzt als auch Pathologe hatten derzeit nichts Neues zu berichten. Von dem Besitzer wusste man auch nur so viel, dass er direkt nach dem Auffinden am Morgen einen schweren Schock erlitten, es immerhin aber noch geschafft hatte, einen Notruf abzusetzen. Sie würden ihn etwas später in der Klinik aufsuchen; womöglich hatte er sich in der Zwischenzeit wieder etwas gefangen und konnte weiterführende Informationen zum Opfer geben.

Bisher wusste man nur, dass es sich um den 26-jährigen William Jonas Wilson aus East London handeln musste, der nach seiner noch erkennbaren Statur zu urteilen Kraftsportler und offenkundig in der Werkstatt beschäftigt gewesen war. Man hatte in dem kleinen Aufenthaltsraum eine Lederjacke mit Geldbörse und einen Führerschein gefunden. Den Umständen und einer ersten fragmentarischen Äußerung des Besitzers vor seinem Abtransport zufolge war er somit jedenfalls kein Einbrecher, sondern berechtigt auf dem Gelände. Die Werkstatt machte überdies nicht den Eindruck, als habe hier eventuell ein missglückter Überfall stattgefunden, denn es war weit und breit nichts von Wert zu erkennen, was eine solche Annahme gestützt hätte.

»Na los, gehen wir, hier können wir nichts mehr machen. Warten wir Obduktion und Kriminaltechnik ab, vielleicht ergibt sich daraus noch etwas Neues. Ansonsten bleibt uns dann wohl nur der übliche Hintergrundcheck in seinem privaten Umfeld«, beschloss Aiken und dankte Wooley beim Weggehen nochmals.»Ich tippe auf jemanden, den er gut kannte. Würde mich wundern, wenn es irgendwelche Abwehrverletzungen gibt. Einen Fremden hätte der bestimmt nicht so nahe herangelassen«, gab Scott seine Einschätzung ab.

»Kann sein«, pflichtete Aiken halblaut bei.

So richtig bei der Sache war er nicht. Den Sonntagmorgen hatte er sich anders, bevorzugt erotischer vorgestellt. Was musste der Autoschrauber auch ausgerechnet am Feiertag herkommen um eine Leiche zu finden, Montag wäre noch früh genug gewesen, dann hatten sie beide ohnehin Dienst. Zu ärgerlich, dass gleichzeitig sowohl der Kriminaldauerdienst KDD als auch die erste und dritte Mordkommission alle Hände voll zu tun hatten, sonst müssten die sich als Wochenend-Bereitschaft erstmal die Schweinerei hier ansehen und bearbeiten. Er bemühte sich, diese Gedanken beiseite zu schieben und sich lieber auf den restlichen Tag zu freuen, je nachdem, was davon noch übrig bleiben würde.

Neben ihrem Wagen zündete er sich einen Zigarillo an und blies den Rauch gen Himmel. Der Wind riss inzwischen unbarmherzig die Wolken in große Fetzen und trieb sie vor sich her. Die durchbrechende Sonne tauchte den Platz ebenso kurz wie unsystematisch in gleißendes Licht, wiederum gefolgt von raschem Abdunkeln. In den wenigen Minuten, die das Rauchen in Anspruch nahm, fasste er den Entschluss, heute Scott die unvermeidlichen Routinejobs aufzudrücken und sich so schnell als möglich wieder in die Arme seiner Liebsten zu verdrücken.

 

Kurz vor dem Einsteigen sah der DI nochmals zu der Halle zurück. Nicht, dass es ihm gleichgültig wäre. Ein Mensch war ums Leben gekommen, auf relativ unschöne Weise.

Doch es war nur einer von vielen Todesfällen, die es zu untersuchen galt. Auch wenn ihm ein solches Urteil nicht zustand – laut ausgesprochen hätte er es ohnehin nicht –, aber er fragte sich, wen es wohl wirklich kümmerte, ob dieses Muskelpaket nun noch lebte oder nicht? Er war sich ziemlich sicher, dass sie nicht allzu viel herausbekommen würden. Wettschulden vielleicht, eine offene Rechnung zwischen Bodybuildern oder auch den sogenannten Autoschraubern. Ihn interessierte das alles nicht sonderlich. Er würde diesen Fall so oder so bald zu den Akten legen und dann nie wieder etwas von Wilson hören.

 

Eine geradezu vorbildliche Fehleinschätzung, die man ihm auch im Nachhinein nicht zum Vorwurf machen konnte.

7

Wie so oft in den letzten beiden Jahren zog er sich, sobald es ihm möglich war, in die Abgeschiedenheit des altehrwürdigen Prowess-Clubs zurück. Gerne auch unter der Woche, zumeist aber am Sonntagvormittag. Man residierte seit 1857 inmitten Londons, blieb aber stets und ausnahmslos unter seinesgleichen. Der nie versiegende Verkehrslärm und das werktäglich geschäftige Treiben draußen auf den Straßen hatten nicht den Hauch einer Chance, durch die alten Mauern nach innen zu dringen. Nach anfänglichem Widerstand hatten die Mitglieder seinerzeit zugestimmt, innen, hinter die respektablen Außenfenster, schalldämmende Glasscheiben einsetzen zu lassen. Das lauteste Geräusch war seitdem nur noch das Ticken des behäbigen Regulators neben dem Kamin. Ansonsten herrschte nahezu völlige Ruhe, von gelegentlich leisem Gemurmel unterbrochen, wenn eine Bestellung aufgegeben wurde oder man einander begrüßte, wobei man es durchaus auch mit einem Kopfnicken bewenden ließ.

 

Die Zeit schien hier still zu stehen, zumal das Interieur mit den schweren Samtvorhängen und dicken Orientteppichen den berechtigten Eindruck vermittelte, es stamme aus dem vorletzten Jahrhundert. Für derlei oberflächliche Betrachtungen hatte Commander Brad Falchuk weder sonst noch besonders heute einen Sinn. Er hatte, wie ihm seine Gattin so oft in rüdem Ton mit eigener Wortschöpfung vorwarf, wieder einmal eine ›Kacklaune‹, die sich auch nicht aufbessern ließ, indem er jemanden zur Schnecke machte. In diesen Räumen geziemte sich derlei nicht. Nicht einmal für ihn, denn bei allem Unmut wusste er stets sehr genau, wo er seine Grenzen zu setzen hatte.

 

Schwarze Seele, hallte es in seinem Kopf. Sie wiederholte das stets mehrfach, wobei er sich nie darüber klar geworden war, ob sie das machte, um ihn erneut zu demütigen, oder sich bereits so viel von ihrem Verstand weggesoffen hatte, dass dabei ihr Kurzzeitgedächtnis in Mitleidenschaft gezogen worden war.

»Schwarze Seele. Du hast eine schwarze Seele. Du Versager!« Wie eine Schallplatte mit einen Sprung folgte dann der Griff nach der Flasche. Eingießen, an die Lippen heben, ins Glas sprechen. »Ich hätte auf meine Mutter hören sollen.« Einundzwanzig, zweiundzwanzig – kleiner Schluck.

Als eine geborene Mandeville, beinahe buchstäblich mit silbernem Löffel im Munde geboren, könnte sie es sich erlauben, den Brunnen am Trafalgar-Square mit Whisky zu befüllen, ohne ihren Lebensstil im geringsten beeinträchtigt erleben zu müssen. Geld im Überfluss.

Ihr Geld.

Lebensstil. Mmh. Der Gedanke daran, wie sie in dem Brunnen ersoffen umhertrieb, gefiel ihm. Verdammt, es gab so viele Halunken in London, konnte sich denn nicht einer erbarmen und sie entsorgen?

›Ent-Sorgen‹ – welch wunderschöner Klang. Er hätte dann keine Sorgen mehr. Und schließlich müssten ja nicht alle Verbrechen aufgeklärt werden …

Er seufzte. Leider fehlte ihm die Courage, es selbst zu regeln. Auf den Wohlstand, der mit dieser Verbindung einherging, wollte er natürlich nicht verzichten. Nachdem man ihn zum zweiten Male nicht zum Deputy Assistant Commissioner gemacht hatte, bezog er seine tägliche Genugtuung aus der Furcht, die er im Yard zu verbreiten pflegte. Dort zitterten alle vor seinen Ausbrüchen. Und das war gut so. Wenigstens dort hatte er das Sagen. Diejenigen, die sich widersetzten, konnten seiner besonderen Aufmerksamkeit sicher sein. So wie diese rothaarige deutsche Praktikantin.

Beim Gedanken an die Demütigung, an diese Dreistigkeit, die sie sich vor seinen Leuten herausgenommen hatte, knirschte er mit den Zähnen.

Für diese unverfrorene Schlampe war ihm noch nichts Passendes eingefallen, weil er sehr vorsichtig sein musste. Sie hatte offenbar sehr einflussreiche Freunde, mit denen er es sich besser nicht verscherzen sollte. Was ihm besonders zu schaffen machte, war der Umstand, dass er beim besten Willen nicht herauszufinden vermocht hatte, wo genau diese Freunde saßen, beziehungsweise, wie weit ihr Einfluss reichte. Immerhin jedenfalls so hoch, dass ihm der Commissioner unmissverständlich klar gemacht hatte, auf ganz besonders dünnem Eis zu stehen, wenn er die Angelegenheit nicht zügig bereinigte.

Er näherte sich gerade dem Gedanken, sie einfach aus seinem Gedächtnis zu streichen und ungeschoren davonkommen zu lassen, als das Schicksal Sir Percy Guinyard seinen Weg kreuzen ließ.

Sir Percy gehörte zu den wenigen Menschen auf Gottes Erden, die Falchuk bewunderte. Er genoss stets seine Nähe und Gesellschaft, wenn sie sich im Club begegneten.

Seine Laune besserte sich daher sprunghaft, als er den Grandseigneur der vier größten Westend-Theater auf sich zukommen sah. Schlohweiße Haare umrahmten seinen Hinterkopf und bildeten einen willkommenen Kontrast zu dem schwarzen Zweireiher mit Weste und der unvermeidlichen Fliege. Sein zerfurchtes, bulliges Gesicht mit den buschigen grauen Augenbrauen hellte sich auf, als er den Commander erblickte.

Das darauf folgende Lächeln gab den Blick auf die unverwechselbare Lücke zwischen den Schneidezähnen frei. Falchuk hatte sich oft im Stillen gefragt, ob der Freund mit seinen 74 Jahren eigentlich immer noch die eigenen Zähne hatte. Musste wohl so sein, sonst hätte er bestimmt die breite Lücke wegmachen lassen. Oder doch nicht?

Egal. Falchuk sprang auf und Sir Percy hatte sogleich seine Hand ergriffen, schüttelte sie ausgiebig und legte ihm parallel dazu seine Linke auf die Schulter.

»Na, wie geht’s meinem Lieblingspolizisten? Was machen die bösen Jungs in London?« Er klopfte ihm dreimal auf die Schulter, ohne eine Antwort abzuwarten, und drehte sich zu dem herbeigeeilten Maître d’hôtel herum.

Es verstand sich von selbst, dass der Leiter des Servicepersonals Sir Percy persönlich umsorgte.

»Ich nehme mal das gleiche wie mein alter Freund hier.«

»Sehr wohl, Sir.«

Alter Freund – die Worte träufelten wie Honig in seinen Gehörgang. Er sah sich verstohlen um. Alle hatten es mitbekommen! Das hätte mal seine Frau hören sollen, aber die …

»Kummer?«, vernahm er sichtlich erschrocken die Frage.

Anscheinend hatte sich seine Miene beim kurzzeitigen Gedankenausflug an seine Gattin unbewusst verfinstert.

»Wie? Oh, nein, nein, alles bestens. Äh’, und bei Ihnen, Sir Percy?«

Zwei eintreffende Whisky Sour verlangten zunächst nach ihrer Aufmerksamkeit.

»Perfekt wie immer«, lobte der Ältere den Maître lächelnd.

Es war nicht ganz klar, ob er damit die ebenso diskrete wie gekonnte Servierleistung meinte oder den Umstand, dass soeben unaufgefordert für den Commander ein weiterer Drink gereicht worden war. Falchuk bemerkte nämlich erst beim Abräumen, dass er sein erstes Glas bereits geleert hatte.

»Cheers!«

Sir Percy hob das Glas und wartete, bis der Commander es ihm gleichtat. Sie prosteten sich zu und nahmen einen kräftigen Schluck, sahen sich abermals kurz an und Falchuk platzierte den Drink neben sich auf dem Beistelltischchen.

Der Weißhaarige hingegen hielt den Whisky-Tumbler so fest zwischen den Händen, als würde er dadurch einen Halt finden. Er seufzte tief, nippte kurz und entledigte sich dann ebenfalls des Glases, indem er es in kurzer Reichweite auf der breiten Lederlehne absetzte.

»Sehen Sie, Brad«, begann er, »ich bin schon sehr lange in diesem Metier. Das Musiktheater war schon von Kindesbeinen an meine Leidenschaft.«

»… und heute sind Sie nicht nur hochgeachteter Mäzen der Branche in unserem Land, sondern auch stolzer Besitzer ebenso moderner wie altehrwürdiger Theater!«, ergänzte sein Zuhörer bewundernd.

»Tja, sie sind gewissermassen meine Kinder, meine Familie. Und wie es in Familien so oft anzutreffen ist, gibt es nun eines, das sich zum Sorgenkind entwickelt.«

»Wie das denn?«

»Das New Ambassador, mein erst jüngst dazu erworbenes Musical-Theater, hatte in den letzten Wochen immer mehr, nennen wir sie mal vorsichtig ›Unfälle‹, und nach Vorsatz riechende Vorfälle im Backstage.«

»Ich habe gar nichts davon gehört.«

»Nun, das ist auch gut so. Meine Leute haben bislang alles unternommen, um wenig Aufsehen zu erregen. Das meiste ging als Panne, Versehen oder eben unglücklicher Unfall durch. Hier und da wurde in den sogenannten sozialen Medien berichtet und auch die Presse machte die eine oder andere Notiz. Inzwischen brodelt aber die Gerüchteküche in einem für uns sehr bedenklichen Maße, was uns eine schlechte Publicity bescheren könnte.«

»Gab es Verletzte?«

»Nur wenige, ein Mädchen brach sich das Handgelenk, ein anderes das Becken und erlitt zudem eine schwere Gehirnerschütterung. Glücklicherweise waren keine noch schwereren Verletzungen darunter.« Er stöhnte. »Bis gestern Nacht!«

Falchuk war ganz Ohr, wartete aber, bis sein Gesprächspartner von selbst fortfuhr.

»Eine junge externe Sicherheitsfrau unseres Dienstleisters wurde bei einem Kontrollgang augenscheinlich von einem Haustechniker angegriffen und schwer verletzt. Der Mann galt als äußerst zuverlässig, ist schon seit gut fünf Jahren bei der Truppe. Er liegt im Krankenhaus, befindet sich im Koma, wie ich hörte.«

Der Commander wirkte etwas unschlüssig, wusste nicht so recht, wie er reagieren sollte, und wartete vorsorglich einfach ab.

»Sehen Sie, Brad, ein Unfall kann schon mal passieren. Aber in dieser Häufung und vor allen Dingen, wenn man sich die einzelnen Umstände im Detail ansieht … das passt alles nicht zusammen. Ich glaube nicht an solche Zufälle. Hier betreibt jemand gezielt Sabotage!«, dabei sah er grimmig auf und erwartete Zustimmung.

Falchuk nickte leicht abwesend, weil ihm immer noch nicht klar war, was von ihm erwartet wurde.

»Ist die Polizei eingeschaltet?«, versuchte er Zeit zu gewinnen.

»Ja, ja, natürlich, seit heute Nacht. Es muss ein ziemliches Aufgebot da gewesen sein. Jedenfalls kam auch ein Kamerateam von ITV. Es wird wohl heute Abend gesendet.«

»Aber endet Ihre Sorge dann nicht? Ich denke, den Täter haben sie doch sicherlich heute in flagranti erwischt, oder?«

»Könnte sein. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass dies nicht der Fall ist. Und glauben Sie mir, darauf kann ich mich meistens verlassen, sonst wäre ich schließlich niemals so weit gekommen!«

»Mmh, gewiss.«

Beide schwiegen und beschäftigten sich mit ihren Drinks. Sir Percy atmete schwer und machte den Eindruck, dass das Thema für ihn keineswegs abgehakt war. Falchuk hingegen war aus seinem Dienstalltag ganz andere Sorgen gewohnt und betrachtete die ganze Angelegenheit im Stillen als Bagatelle. Oder hielt die Sache zumindest für reichlich übertrieben und aufgebauscht. Es war ihm allerdings schon wichtig, mit Sir Percy auf gutem Fuß zu stehen und ihm sogar durchaus gerne behilflich zu sein. Einen Gefallen zu tun. Womöglich einen großen Gefallen, dann wäre er ihm vielleicht sogar etwas schuldig?!

Sein Kinn in die linke Hand gestützt musterte er gerade ausgiebig das sorgenvolle Gesicht seines Trinkgenossen, als ihn ein Gedanke durchzuckte.

Eine Idee. Eine glänzende Idee, wie er sogleich befand.

»Sir Percy!«

»Bitte?«

»Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen ein Undercover-Team zur Verfügung stelle? Zumindest solange, bis sich Ihre Sorgen zerstreuen?«

»Wie bitte, verdeckte Polizei? Ja … ginge das denn?«

»Ich bitte Sie, für einen guten Freund …«, hier machte er um des Unterstreichens willen bewusst eine Pause, »mache ich das Unmögliche natürlich möglich. Wozu bin ich sonst Police-Commander?!«

Sir Percy schaute ebenso ungläubig wie erfreut und brachte strahlend seine Zahnlücke zum Aufblitzen. Falchuk musste sich immer wieder bewusst von deren Anblick losreißen, weil sie automatisch wie ein Magnet den Blick anzog.

»Mein lieber Brad, wie soll ich Ihnen nur danken? Es wäre mir eine außerordentliche Beruhigung, diese Angelegenheit in so kompetenten Händen zu wissen.«

»Also gilt das als abgemacht. Ich benötige dann nur noch einen Ansprechpartner in Ihrem Theater, mit dem die Legende besprochen wird. Es müsste in jedem Falle der Topmanager sein. Und natürlich …«, er sah sich verschwörerisch um, legte mit einem »Pst« den Zeigefinger auf die Lippen, »… kein Wort zu niemandem!«

»Meine Lippen sind versiegelt«, kicherte der Weißhaarige und machte eine Geste, als würde er sie mit einem Reißverschluss zusammenfügen.

Das ist auch gut so, dachte Falchuk bei sich. Wenn sich herumspräche, was er da gerade für einen Unfug zugesagt hatte, gäbe es eine Menge Klärungsbedarf im Yard. Beamte für solche Kinkerlitzchen abzuziehen wäre zumindest grober Unfug und schlichtweg unverantwortlich. Undercover-Spezialisten waren zudem immer Mangelware. Nicht aber, wenn sein Plan aufging, dann wäre er so oder so der Nutznießer. Ihm schwebten da zwei besonders spezielle Spezialistinnen vor.

Wenn du einen Feind nicht besiegen kannst, umarme ihn, erinnerte er sich einmal gelesen zu haben. Oder schiebe ihn ab, ergänzte er in Gedanken.

In ebenso seltener wie bester Stimmung hob er sein Glas, um mit gedämpfter Stimme einen Toast auszubringen.

»Sir Percy!«

»Commander!«

»Auf die Maulwürfe!«

»Auf die Maulwürfe!«, erwiderte dieser leise und schloss zufrieden und genussvoll die Augen. Wer wäre als Alibi wohl besser geeignet als die Polizei? Er hatte Falchuk schon bei ihrer ersten Begegnung richtig eingeschätzt – als einen irgendwann nützlichen Deppen.

8

Detective Constable Ralph Byrd hatte bisher geduldig gewartet, ob das Herumtigern zu irgendeinem nutzbringenden Ergebnis führen würde. Außer der Erkenntnis, dass etwas mit seinem Bein ganz und gar nicht in Ordnung war, zeichnete sich da leider wenig ab. Mason Villiers war immer noch so aufgewühlt wie vor dreißig Minuten.

Sie hatten die Kantine im Erdgeschoss als Rückzugsraum gewählt. Um diese Zeit naturgemäß menschenleer. Das kalte Neonlicht leuchtete noch den letzten Quadratzentimeter eines schmucklosen Funktionsraums aus. Kunststoffboden, Kunststoffstühle, Tische mit grauen Resopalplatten, leere Glasvitrinen, die auf die Beschickung mit Speisen warteten. Welch ein grober Kontrast zu der plüschigen Ausstattung des Zuschauerraums!

 

Villiers war vierunddreissig Jahre alt, dunkelblond und hatte blaue Augen. Soweit stimmte die Erscheinung mit den Ausweispapieren überein. 1,88 m groß, sehr athletisch, ca. 85 kg, notierte er sich seine zusätzlichen Beobachtungen. In der Datenbank lag nichts gegen ihn vor. Gewissermaßen war er ein unbeschriebenes Blatt. Der DC beschloss, dem Ganzen wieder etwas mehr Struktur zu geben.

»Mr. Villiers, bitte …«, hallte seine Stimme leicht in dem Raum.

Mason stoppte und sah den Officer fragend an.

»Bitte, Mr. Villiers, setzen Sie sich. Sie machen uns ganz nervös und das Herumlaufen als Stressabbau scheint ja auch nicht wirklich zu funktionieren.«

Mit freundlichem Gesicht und einer einladenden Geste deutete er auf den Stuhl gegenüber und schob Villiers Ausweis auf dem Tisch in die gleiche Richtung.

Mason hatte nicht den Eindruck, dass der uniformierte Beamte, der hinter dem Detective in der Nähe der Tür postiert war, durch irgendetwas hätte aus der Ruhe gebracht werden können. Vermutlich hatte der Detective ihn mit dem ›uns‹ einfach nur nicht ausgrenzen wollen? Unwillkürlich fuhr er sich über Mund und Kinn, spürte das Kitzeln des Dreitagebartes, den Kelly als so attraktiv befunden hatte. Kelly …

»Mr. Villiers?«

»Wie? Oh, ja, mmh, sicher.« Noch halb in Gedanken zog er den Plastikstuhl heran und nahm Platz. Mechanisch steckte er die ID-Card wieder an ihren Platz.

»Ihr Bein …«

»Was ist damit?«

»Nun, es ist bei jedem Schritt seitlich ausgedreht. Haben Sie sich heute verletzt?«

Mason schien von der Frage aufrichtig überrascht. Dieser atypische Gang war ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass er keine Sekunde mehr daran dachte, wie er auf andere wirken könnte. Er lächelte etwas verlegen.

»Nein. Nein, nicht heute Nacht. Das ist Jahre her.«

Byrd sagte nichts, schaute ihn aber erwartungsvoll an. Offenbar war er noch nicht zufriedengestellt. So schob er nach: »Alte Sache, Arbeitsunfall und dann schlecht verheilt. Eine Knochenbruch-Heilungsstörung. Tolles Wort, nicht?«

Byrd nickte. »Werde es mir für den nächsten Scrabble-Abend merken.«

»Na ja. Jedenfalls hatte sich damals nicht nur an den Bruchstellen Knochengewebe gebildet, sondern auch an verschiedenen Stellen in der Muskulatur. Nennt sich Kallusbildung. Wie auch immer – seitdem ist die Beinrotation eben physikalisch so erzwungen, wie Sie es offensichtlich beobachtet haben. Aber hier geht es doch nicht um mich. Gibt es denn etwas Neues von Miss Malloy?«

»Doch, natürlich geht es auch um Sie. Ganz besonders sogar!«, erwiderte der Beamte ausweichend.

»Ich verstehe nicht …«

»Nun, Sie sind derzeit unser einziger ansprechbarer Zeuge.«

Mason ließ den Kopf hängen.

»Wenn ich doch nur noch schneller bei ihr gewesen wäre!«

»Und dann – was wäre dann geschehen, was wäre dann anders gewesen?«

Mason zuckte innerlich etwas zusammen. Bildete er sich das ein oder war der Ton eben schneidender, forschender geworden? War der Constable misstrauisch oder hörte er nun schon die Flöhe husten? In jedem Falle schien Vorsicht angebracht zu sein. Er war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, sondern sich an Kellys Weisungen zu erinnern. Es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren, zumal er immer noch nicht wusste, ob sie überleben würde. Man hatte ihn daran gehindert, mit ins Krankenhaus zu fahren.

»Nur für meine Notizen«, lächelte Byrd unverfänglich, schaltete ein Diktiergerät ein und legte es zwischen sich und Villiers. Er tat dies so beiläufig, dass Mason nicht einmal der Gedanke kam zu widersprechen.

Wozu auch?

Als könnte er Gedanken lesen, ergänzte der Constable lächelnd: »Sie werden ja hier nicht als Beschuldigter befragt.« Den Begriff Verhör vermied er wohlweislich.

»… zumindest derzeit nicht«, fuhr er fort, ohne seine Mimik zu ändern.

Mason begann sich zu sorgen. Hatte der DC nun einen Witz machen wollen oder ahnte er etwas? Mason verwandte seine ganze Energie darauf, sich zu sammeln und dabei möglichst nichts von seiner inneren Unruhe auf dem Gesicht zu zeigen. Er räusperte sich.

»Also, wie bereits Ihren uniformierten Kollegen vorhin gesagt, funkte Miss Malloy gegen Viertel vor Vier, dass sie ein Problem mit Mr. Fitz habe, der sich ohne Erklärung im vierten OG aufhielt.«

»Warum war das ungewöhnlich?«

»Nun, im Vierten sind nur Personal und Verwaltung, also das Management untergebracht. Mr. Fitz ist ein Bühnentechniker, der da oben nichts verloren hat.«

Byrd schien verwundert und hob fragend seine Augenbrauen.

»Na, jedenfalls nicht nachts um vier! Oder?«

Byrd schien verstanden zu haben.

»Und weiter?«

»Dann war einen kurzen Augenblick, vielleicht so zehn Sekunden, Pause und dann kam der Notruf: ›Ich werde angegriffen!‹«

»Verstehe. Und dann?«

»Was dann? Dann bin ich natürlich losgerannt.«

»So gut es Ihnen möglich war …«

»Wie? Natürlich, was denken Sie denn?!«

»Sie haben nicht Alarm geschlagen oder über Funk mitgeteilt, dass Verstärkung kommt?«

Mason stutzte und schien aus dem Konzept geraten zu sein.

»Äh, doch.«

»Doch – was?«

»Ich habe so etwas gefunkt wie ›bin auf dem Weg‹ oder ›Verstärkung ist unterwegs.‹«

»Geht es etwas genauer?«

»Mann, was spielt das denn für eine Rolle?«, fauchte er unvermittelt und bereute es in der gleichen Sekunde.

»Ich versuche nur, mir ein genaues Bild zu machen, Sir«, erklärte der DC nun erkennbar frostig.

»Ja, mmh, verstehe, Sie haben natürlich recht«, versuchte Mason eine Beschwichtigung. »Also, ich denke, ich habe gesagt: ›Verstärkung ist auf dem Weg.‹«

»Und die Verstärkung waren Sie, niemand sonst?«

Mason riss sich nun sehr am Riemen, um nicht abermals unangemessen zu reagieren.

»Ja, nur ich.«

»Haben Sie nicht Ihre Zentrale informiert?«

»Zu diesem Zeitpunkt nicht.«

»Was genau ereignete sich dann weiter in besagtem Obergeschoss?«

Mason hatte inzwischen seine Spur wiedergefunden und antwortete auf alle Fragen, wie Kelly es ihm aufgetragen hatte. Er war sich sicher, seine Sache gut gemacht zu haben, denn der Beamte schaltete nach einer guten Viertelstunde das Aufzeichnungsgerät aus und klappte sein Notizbuch zu. Gerade als er sich innerlich zu entspannen begann, jagte ein kalter Schauer seinen Rücken herunter.

Er hatte sich nicht verhört: »So, und nun begleiten Sie mich bitte nochmals nach oben, wir schauen uns jetzt an, ob die Spurenlage zu Ihren Angaben passt. Officer!« Er winkte den Uniformierten heran und machte sich Richtung Treppenhaus auf den Weg. Mason stoppte ihn.

»Nicht da lang, kommen Sie hier herüber«, dabei öffnete er eine Schwingtür zum Küchenbereich, auf der in großen Lettern Zugang nur für Küchenpersonal prangte.

Die Beamten schienen etwas verwundert, folgten ihm aber und erkannten durch den nun freien Blick einen chromglänzenden Lastenaufzug.

»Das Bein …«, sagte Mason, als sei eine Erklärung nötig, und rief den Lift herbei, der sich summend auf den Weg zu ihnen machte. Währenddessen erkundigte sich Mason: »Betreibt die Polizei eigentlich immer so einen großen Aufwand?«

Byrd lächelte.

»Groß würde ich das nicht nennen. Aber bei derart massiven Gewalteinwirkungen mit ungewissem Ausgang sondiert zumindest mal der Kriminaldauerdienst die Lage und sichert bei Bedarf Spuren.«

Mason nickte und sie stiegen schweigend ein. Er zog es vor, das Gespräch besser nicht zu vertiefen. Der Lift beförderte sie leise summend nach oben. Kurz darauf glitten die Türen auf. Mason ging als Erster in den kleinen Vorraum und hielt die nächste Schutztür auf. Frischer Essigduft schlug ihnen entgegen.

Byrd betrat den Flur und stöhnte laut auf.

»Das ist doch jetzt nicht wahr, das ist doch jetzt wirklich nicht wahr. Ich glaub’, ich spinne!«

Da der Streifenbeamte gleichzeitig auch an ihm vorbeigegangen war, ließ Mason den Türflügel los und betrat ebenfalls den Korridor.

Die drei Männer sahen in wenigen Metern Entfernung einen Reinigungswagen, einen feucht glänzenden Boden und eine Frau, etwa Anfang dreißig, mit gelben Gummihandschuhen, die mit einem Schwamm gerade die letzten Blutspuren von der Latextapete wischte. Die Frau hielt mitten in der Bewegung inne und sah die Neuankömmlinge verdutzt an.

»Sind Sie irre?!«, blaffte der Detective. »Das ist ein gesperrter Tatort!«

»Nie rozumiem«, rutschte es ihr heraus.

»Blanka ist Polin«, erklärte Mason ebenso sinnlos wie überflüssig, da sie sich bereits korrigierte.

»Entschuldigung, ich verstehe nicht?!«

Byrd holte Luft, besann sich aber plötzlich eines Besseren und sah sich um.

»Wie k-o-m-m-e-n Sie h-i-e-r-h-e-r?«, fragte er gedehnt, betont langsam, und gestikulierte dazu.

Blanka zeigte mit dem tropfenden Schwamm in der Hand und ausgestrecktem Zeigefinger auf die Tür, aus der die drei gerade gekommen waren.

Der Detective schnaubte, drehte auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes auf die Tür am rechten Ende des Flurs zu, öffnete sie und fand über Kreuz angebrachtes Sperrband »POLICE LINE DO NOT CROSS«. Er knallte die Tür zu und kehrte ebenso rasch zurück, dabei warf er dem Uniformierten einen sehr verärgerten Blick zu.

»Lassen Sie mich raten. Am anderen Eingang finde ich VOR der Tür den als Wache abgestellten Kollegen.«

Der Beamte nickte. »Es konnte ja keiner wissen, dass es hier einen Aufzug gibt.«

Byrd verdrehte die Augen und entgegnete sarkastisch: »Natürlich nicht. Man sieht sich auch nicht vorher um, ehe man einen Bereich sperrt. Machen war ja nie.«

Der Beamte schwieg, es war das Beste, was er jetzt tun konnte.

»Spurensicherung und -abgleich können wir uns jetzt sparen«, sagte Byrd halblaut. Dann pfiff er gellend beidseitig mit Zeige- und Mittelfinger im Mund. Sofort ging die Türe am linken Ende des Ganges auf und ein Officer steckte seinen Kopf durch.

»Auf ein Wort, Officer«, rief Byrd und setzte sich in Bewegung.

 

Mason war erleichtert, dass Byrd dermaßen verärgert und mit seinen Kollegen beschäftigt war. Hauptsache er kam nicht auf den Gedanken, Blanka weiter auszufragen. Sie hätte sonst womöglich berichtet, dass er sie mit der Reinigung beauftragt hatte.

»Kann ich dann gehen?«, rief er Byrd nach, um sich möglichst rasch aus dem Staub zu machen.

Der Detective stoppte kurz, wandte sich um.

»Ja, okay. Wir sind dann für heute hier fertig. Sie können also nach Hause.«

Mason nickte. »Gut, danke.«

Byrd sah ihn allerdings immer noch unverwandt an, als wäre er mit etwas doch noch nicht ganz im Reinen. Genau genommen musterte er Mason geradezu aus der kurzen Distanz.

»Nur eines noch …«

»Ja?« Mason schluckte.

»Mr. Villiers – betreiben Sie eigentlich Bodybuilding?«

9

DS Scott Peters drehte sich weg, schaute aus dem leidlich geputzten Fenster in den strahlend blauen Himmel und begann lautlos zu zählen: »21, 22, 23, 24, …« Bei 25 ging das Gejammer hinter ihm wieder los.

»Ich halt das nicht aus, ich halt das nicht aus. Ich weiß gar nicht, wie ich da jemals wieder arbeiten soll. Mein Gott, der arme Bill, so ein netter Kerl und so jung, so sinnlos, so …«

Der Rest vermischte sich wie die Male zuvor mit Schluchzen und Nase hochziehen und verblasste zu einem Hintergrundrauschen. Scott rollte mit den Augen und fasste endgültig den Entschluss, hier schnellstens abzubrechen. Es war wirklich mehr als sinnlos, die reinste Zeitverschwendung.

 

Die Sedierung hatte am Spätnachmittag nachgelassen und man hatte ihm problemlos gestattet, mit dem Patienten zu sprechen, zumal der gegen Abend sowieso nach Hause entlassen werden würde. Sie hatten ihn aufgrund der Schwere seines Schockzustandes sicherheitshalber einige Stunden hierbehalten. Nun saß er auf dem Bettrand und kreiste mit mehr oder minder dem gleichen Text um die Vorkommnisse des frühen Vormittages. So viel stand nun fest: Er hatte seinen Mitarbeiter und Kumpel Bill als Erster tot aufgefunden. Irgendeine verwertbare Aussage war ihm aber nicht zu entlocken. Scott hatte keinen Zweifel, dass Pete Fishbuster nichts verbarg, auch nichts zurückhielt, dazu schien er zu schlicht gestrickt und zudem leicht durchschaubar. Als Detective wurde er aber nicht dafür bezahlt weiter dabei zuzusehen, wie ein Werkstattbesitzer in Selbstmitleid ertrank. Sein Job war hier getan.

Der Fundort war polizeilich wieder freigegeben und man hatte Mr. Fishbuster die Adressen von verschiedenen Tatortreinigern zur Verfügung gestellt.

Er drehte sich um, legte Pete kurz die Hand auf die Schulter und sagte: »Kopf, hoch, das wird schon wieder!«, mit der gleichen Sachlichkeit, wie er Hinterbliebene nach einer überbrachten Todesnachricht seines Mitgefühls versicherte.

Ohne die nötige emotionale Distanz war der Job schlicht nicht durchzuhalten. Dann schloss er mit der üblichen Formel: »Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich jederzeit an!«, und überreichte seine Visitenkarte. Pete griff mit der Linken danach. Mit der anderen Hand drückte er den zu einem feuchten und ziemlich unappetitlichen Klumpen zusammengeknäulten Taschentuchrest ebenso abwechselnd wie sinnlos in die tränengefüllten Augen. Scott bemerkte dabei abermals die schwarzen Einlagerungen rund um die Fingernägel der kleinen, rissigen und unsauberen Hände. Lauter Trauerränder, schoss ihm der thematisch passende Vergleich zu den dreckigen Fingernägeln durch den Kopf. Statt eines Händedrucks beließ er es aus hygienischen Gründen bei einem kurzen Kopfnicken – »Alles Gute für Sie!« – und machte sich auf den Rückweg zum Yard.

Hinter ihm schneuzte sich Fishbuster laut und deutlich, Scott drehte sich sicherheitshalber nicht um. Er wollte gar nicht wissen, worin der Mann gerade seinen Naseninhalt entleert hatte.

 

Beim Verlassen des Fahrstuhls in der Eingangshalle stieß er beinahe versehentlich mit DC Byrd zusammen. Beide waren gleichermaßen überrascht, einander hier zu sehen.

»Hallo Constable.«

»Ein fröhliches Hallo zurück, Searge. Ähm, haben Sie denn schon übernommen? Man hat mir gar nichts gesagt.«

»Was denn übernommen?«

»Die zusammengeschlagene Security-Frau aus dem Theater?«

»Nö, davon weiß ich nichts. Ich habe einen Zeugen aufgesucht, der seinen Kumpel heute früh in der Werkstatt tot aufgefunden hat.«

»Ach, die Sache. Ja, um die konnten wir uns wegen des anderen Falls nicht kümmern. Sorry, dass man Sie aus dem Wochenende gerissen hat«, meinte er sachlich, ohne einen Anflug echten Bedauerns.

Peters brummte etwas Unverständliches und machte Anstalten weiterzugehen, drehte sich aber letztlich doch nochmal halb herum.

»Was ist denn jetzt mit der Frau?«

Byrd schien erfreut, sein Wissen weitergeben zu können, und sprudelte los.

Kurz danach bereute Peters gefragt zu haben, fand aber keine Gelegenheit den Redefluss zu unterbrechen, ohne dabei grob unhöflich zu werden. Er fühlte sich an die Zeit erinnert, in der er als junger Constable seinen Vorgesetzten berichten musste, und so rauschte das meiste nicht wirklich wahrgenommen an ihm vorbei. Glücklicherweise war an seinem Gesicht nicht abzulesen, dass er mit den Gedanken gänzlich woanders war.

»… na, jedenfalls ist sie wohl jetzt wieder bei Bewusstsein, das arme Ding. Ist dem Tod ja buchstäblich von der Schippe gesprungen. Vielleicht erlauben die Ärzte ein paar kurze Fragen.«

Peters wagte zur Vermeidung einer Peinlichkeit nicht nachzufragen, weswegen sie wohl dem Tode nah gewesen war. Womöglich hatte Byrd ihm das gerade ausführlich erklärt.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783946914037
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Theater Detektivin Polizistin britische Krimis

Autor

  • Tom Crispa (Autor:in)

Tom Crispawurde 1976 in der Nähe von Köln geboren. Heute lebt er als freier Texter mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und zwei Hunden in einem Cottage in der Nähe von Inverness, Schottland. Im Rahmen einer Einweihungsfeier lernte er die Tochter seiner Nachbarn kennen.Ein ungewöhnlicher Einsatz dieser Polizeibeamtin inspirierte ihn zu seinem ersten Kriminalroman: "Psychologen schmunzeln nicht"
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Titel: Mary darf nicht sterben