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Die Verstoßenen

von Maya Shepherd (Autor:in)
213 Seiten
Reihe: Radioactive, Band 1

Zusammenfassung

Nach dem Dritten Weltkrieg gleicht die Erde einem Trümmerfeld. Die letzten überlebenden Menschen haben sich in Sicherheitszonen verbarrikadiert, um sich vor der radioaktiven Strahlung zu schützen. Ein Überleben ist nur nach strengen Regeln und Gesetzen möglich. Es gibt weder Eigentum noch einen eigenen Willen. Die Legionsführer nehmen den Menschen jede Entscheidung ab. In dieser Welt ist kein Platz für Gefühle. Die Menschen leben nur noch um zu funktionieren, deshalb tragen sie Nummern statt Namen. D518 ist eine von ihnen. Geboren in dieser zerstörten Welt, hat sie nie ein anderes als dieses von Kontrolle bestimmte Leben kennengelernt. Dies ändert sich schlagartig, als sie von Gegnern der Regierung entführt wird. Alles, woran sie bisher geglaubt hat, stellt sich als eine Lüge heraus.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


RADIOACTIVE

Die Verstoßenen

Roman

E-Book

3. Auflage

Copyright © 2012 Maya Shepherd

Marion Schäfer, c/o SP-Day.de Impressum-Service, Dr. Lutz Kreutzer, Hauptstraße 8, 83395 Freilassing

news@mayashepherd.de

Neuauflage: 2017

Korrektorat: Martina König

Umschlaggestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

www.mayashepherd.de

Für Robert,

der immer an mich geglaubt hat

I’m waking up to ash and dust
I wipe my brow and I sweat my rust
I’m breathing in the chemicals
I’m breaking in, shaping up, then checking out on the prison bus
This is it, the apocalypse

[…]

Welcome to the new age […]

I’m radioactive

(Imagine Dragons – Radioactive)

VORWORT

Die ersten Atomwaffen fanden im August 1945 ihren Einsatz. Sie setzten so viel Energie frei, dass die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki fast vollständig zerstört und hunderttausende Menschen getötet wurden. Bereits die ersten Kernwaffen hatten eine Explosionsenergie, die mehr als zehntausend Tonnen gewöhnlichen Sprengstoffs entsprach.

Doch die Entwicklung schreitet täglich voran. Die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen TNT, hingegen hatte 1961 die sowjetische Zar-Bombe, die bei einem atmosphärischen Kernwaffentest gezündet wurde, bereits eine Sprengkraft von 57.000 Kilotonnen TNT. Die Welle der Verwüstung, die so eine Bombe anrichten könnte, ist kaum vorstellbar. Trotzdem entwickelt sich die Technik stetig.

Viele Länder treiben die nukleare Rüstungsindustrie immer weiter voran. Die USA sind hierbei Spitzenreiter. Sie befinden sich im Besitz von über 11.000 Atombomben, dicht gefolgt von Russland mit 10.000 Kernwaffen. Aber auch China, Frankreich, Großbritannien, Nord-Korea, Indien, Pakistan und Israel sind offiziell im Besitz atomarer Waffen. Der Iran bestätigte bisher nicht den Besitz solcher Bomben, doch gibt es Messungen, die anderes belegen. Während das Regierungsgebiet des Iran immer kleiner wird, steigert sich die militärische Stärke der Atommacht Israel immer mehr. Dieser Zustand könnte dazu führen, dass der Iran seine einzige Chance, sich zu verteidigen, in einem nuklearen Angriff sieht. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad beginnt jede seiner Reden mit dem Ruf »Tod Israel!«. Selbst Friedensnobelpreisträger Barack Obama zeigt sich auf die Äußerungen des Irans immer kriegerischer: »Amerika ist fest entschlossen, zu verhindern, dass der Iran an atomare Waffen gelangt. Ich werde keine Möglichkeit ausschließen, um dieses Ziel zu erreichen.« Die Botschaft ist deutlich.

Was die USA dabei jedoch nicht bedenken: Die Auswirkungen des Einsatzes einer Atombombe begrenzen sich nicht nur auf ein einzelnes Land, sondern reichen viel weiter. Die Rakete würde zwar den Erzfeind Israel treffen, aber auch Länder wie Ägypten, Indien, die Türkei und Russland wären betroffen. Denn: Ein Krieg zwischen zwei Atommächten geht die ganze Welt etwas an, keiner ist von den Schäden ausgeschlossen. Es ist ein Krieg gegen die Menschheit.

Die Auswirkungen einer Atombombe sind in vier Zonen zu gliedern:

Zone 1 – Vernichtung allen Lebens

Zone 2 – 50 % der Menschen sind sofort tot, nur wenige Gebäude sind unzerstört. In den ersten Stunden leiden die Überlebenden an Übelkeit. Nach einer Woche kommt es zu Entzündungen und Blutungen, die schließlich zum Tod führen können.

Zone 3 – 25 % der Menschen sind sofort tot. Nach drei Wochen kommt es durch die Qualen von Blutungen, Übelkeit, Haarausfall und hohem Fieber schließlich zum Tod, dem nur 50 % der Überlebenden entgehen.

Zone 4 – 35 % Schwerverletzte. Zahlreiche Gebäude sind beschädigt. Wenn es in den ersten drei Monaten zu keiner Infektion kommt, ist ein Überleben wahrscheinlich.

Spätfolgen: verseuchter Boden, Krebserkrankungen, Missgeburten …

Die Reichweite dieser Zonen ist abhängig von der atomaren Sprengenergie der Nuklearwaffen, die von Jahr zu Jahr stärker werden.

Bereits die Energie aller heutigen Atombomben weltweit würde nicht nur ausreichen, um die ganze Menschheit oder sogar die komplette Erde auszulöschen, sondern um noch vier bis fünf weitere Planeten zu zerstören …

(Stand : Dezember 2012)

01. UNWISSENHEIT BEWAHRT FRIEDEN

Meine korrekte Bezeichnung lautet E518. Ich bin eine Überlebende der fünften Generation.

Exakt um 07:00 Uhr öffne ich die Augen und blicke zu den grauen Leuchtplatten an der Decke. Noch sind sie gedämmt, während sie im Verlauf des Tages immer heller werden, bis sie sich abends automatisch abdunkeln und schließlich um 22:00 Uhr gänzlich erlöschen. Genau neun Stunden sind die als optimal berechnete Schlafdauer für den Körper einer Heranwachsenden.

Ich setze mich auf und schlage die weiße Bettdecke zurück, schwinge meine Beine über den Bettrand, sodass meine Füße in der Luft baumeln, und beginne, meine Arme und meinen Rücken zu strecken. Während des Schlafs wird die Muskulatur nicht beansprucht und ist deshalb morgens verkürzt und schlecht durchblutet. Sie verträgt in diesem Zustand keine Belastung. Durch das Dehnen und Strecken wird sie wieder mobilisiert. Gerade heute ist es wichtig, dass ich in Topform bin. Ich kann mir nicht ausgerechnet heute einen Leistungseinbruch in meiner Statistik leisten. Dieser Tag ist der wichtigste meines Lebens, denn er wird meine Zukunft bestimmen.

Meine Füße berühren den grauen Fliesenboden. Die Kälte lässt mich für einen Moment zurückzucken, wie jeden Morgen. Die Fliesen verhalten sich genauso wie die Deckenplatten. Am Morgen sind sie kalt, wärmen sich durch Strom über den Tag auf, sodass sie am Abend eine angenehme Wärme erreichen und ab 22:00 Uhr wieder abkühlen. So ist der Kreislauf.

Leise tapse ich barfuß zu der gegenüberliegenden Seite meines Zimmers. Die morgendliche Dusche ist genauso unerlässlich wie das Dehnen der Muskulatur. Ich streife mir das rote, knielange Nachthemd über den Kopf und stecke es in den Wäscheschacht neben der Dusche. Ein Plopp, und es ist verschwunden. Durch Luftzug und -druck wird es nun in die Wäscherei weitergeleitet, wo es zusammen mit der Kleidung der restlichen Bewohner gereinigt und am Abend neu zugeteilt wird.

Manchmal frage ich mich, wie oft ich wohl schon dasselbe Nachthemd getragen habe, ohne es gewusst zu haben. Es macht im Grunde keinen Unterschied, da alle Nachthemden in Größe, Farbe und Material identisch sind. Trotzdem würde es mich interessieren. Die Überlegung beherrschte mein Denken schon, als ich noch zu den Gelben gehörte. Es war kurz vor Erreichen des Heranwachsendenalters, als ich bei einem der Nachthemden leicht den Saum an einer Ecke auflöste. Ich hatte gehofft, es so wiedererkennen zu können.

Doch die Aufsicht der Wäscherei bemerkte es und meldete es meiner Erzieherin. Sie schimpfte mit mir und sagte, dass ich kein Recht hätte, Dinge zu zerstören. Es wäre wichtig, dass alles gleich ist, denn nur in der Einheit wären wir stark. Sie informierte sogar eine Legionsführerin und zwang mich, zu wiederholen, warum ich das Hemd kaputt gemacht hatte. Doch anders als die Erzieherin tadelte mich diese nicht. Sie reagierte auf eine Weise, wie ich es nur selten in der Sicherheitszone erlebt habe: Sie lächelte.

Ihr Lächeln brachte mein Herz zum Klopfen und löste ein Zucken in meinen eigenen Mundwinkeln aus. Der Blick meiner Erzieherin war eine Genugtuung für mich. Ihre Augen wurden so groß, dass sie ihr beinahe aus dem Kopf gefallen wären. Aus meinem Mund kamen ungewohnte Laute, wie das Klingeln der Pausenglocke, aber irgendwie schöner. Ich glaube, man nennt es Lachen.

Die Legionsführerin in ihrem weißen Anzug sagte mir eine große Zukunft voraus, denn meine Gedanken würden Intelligenz beweisen. Auch wenn ich mich nicht an ihre Bezeichnung erinnern kann, so werde ich nie ihr hübsches Gesicht vergessen. Wie alle anderen hatte auch sie blaue Augen, doch bei ihrem Lachen bildeten sich kleine Grübchen in ihren Wangen. Es war das erste Mal, dass ich mit einer Legionsführerin sprach. Heute will ich ihr beweisen, dass sie Recht hatte.

Warmer Wasserdampf hüllt meinen Körper ein und mit den Händen fahre ich über meinen kahlen Kopf. Aus dem Bildungsunterricht weiß ich, dass die Menschen früher fließendes Wasser zum Duschen benutzten. Sie verschwendeten es, ohne auch nur einmal an diejenigen zu denken, die nach ihnen kommen würden. Die Wasserressourcen der Erde sind zu knapp, um es für die Dusche zu vergeuden. Wasserdampf weitet die Poren, sodass alle Geruchsstoffe aus dem Körper treten. Fließendes Wasser ist dafür nicht nötig.

Nach dem Dampf folgt Trockenluft, die mit einem neutralisierenden Stoff durchsetzt ist. Es ist nicht angebracht, Menschen an ihrem Geruch unterscheiden zu können. Unterschiede führen zu Diskriminierung.

Nackt trete ich aus der Dusche und gehe an der glatten Metallwand entlang zum Versorgungsschacht. Er besteht aus zwei Klappen. Eine enthält einen frischen roten Anzug, den ich mir schnell überstreife. Schwarze, glänzende Stiefel runden mein Äußeres ab. Es ist mein letzter Tag als Rote.

Die andere Klappe ist leer, wird jedoch von einem blauen Lichtstrahl erleuchtet. Als ich meinen Arm hineinhalte, schaltet das Licht auf Rot um. Meine Hand wird in diesem Augenblick gescannt, sodass meine Blutwerte analysiert werden können. Es ist wichtig, dass die Nahrung eines jeden Bewohners der Sicherheitszone speziell auf die eigenen Bedürfnisse angepasst wird. Der Körperhaushalt eines Menschen variiert je nach Tagesform und körperlicher Belastung.

Nach etwa einer Minute schaltet das Licht bereits auf Grün um und ich ziehe meine Hand zurück. Die Klappe schließt sich für wenige Sekunden und als sie sich wieder öffnet, befindet sich ein Tablett mit Cerealienwürfeln, Vitamintabletten, Eiweißkapseln und einem Glas Wasser darin. Ich hebe es heraus und setze mich in der Mitte meines Zimmers auf einen Plastikstuhl an den dazu passenden Tisch. Beides ist fest mit dem Boden verankert. Alles hat seinen vorgesehenen Platz.

Die Cerealienwürfel dienen dem Sättigungsgefühl und liefern Energie. Bei normaler Belastung reichen für eine Frau fünf und für einen Mann acht Stück aus. Heute habe ich jedoch sechs Würfel zugeteilt bekommen.

Sieben Minuten.

Die Vitamintabletten bieten Schutz vor Krankheiten und verbessern die Gesundheit. Allein ihnen verdanken wir es, dass unsere Körper jeden Tag volle Leistung bringen können und nicht durch Bakterien oder Viren geschwächt werden.

Zwei Minuten.

Die Eiweißkapseln gibt es nicht täglich, sondern nur vor und nach körperlicher Höchstbelastung. Eiweiß stärkt die Knochen und Sehnen.

Eine Minute.

Ich spüle die Tabletten mit Wasser runter. Es hat Zimmertemperatur und fließt weich durch meinen von der Nacht trockenen Hals.

Nach genau zehn Minuten stelle ich alles zurück in die Klappe, die sich automatisch schließt und das Tablett zurück in die Essensausgabe leitet. Ich brauche keine Uhr, um die Zeit berechnen zu können. Unsere Körper lernen, permanent im Hintergrund die Sekunden zu zählen und zu Minuten zu verbinden. Es ist wichtig, sich an optimale Zeiten zu halten, um einen optimalen Ablauf garantieren zu können. Organisation und Planung sind das ganze Leben. Wir haben Glück, dass die Legionsführer beides für uns übernehmen.

Meine Hand legt sich auf den Scanner an der Tür. Das rote Licht misst erneut den Handabdruck sowie meine DNA, bevor die Tür mit einem leisen Ruck aufgleitet und eine freundliche Computerstimme verkündet: »Ausgang gewährt.«

Meine Schritte gehen in denen der anderen unter. Punkt 07:30 Uhr gleiten alle Türen auf und der rote Flur füllt sich mit der fünften Generation der Heranwachsenden. Wir sind eine Einheit, jeder gleicht dem anderen bis ins kleinste Detail. Die roten Anzüge und die schwarzen Stiefel sind dabei nur zwei von vielen weiteren Merkmalen. Das Licht der Deckenplatten spiegelt sich auf unseren glatten, haarlosen Köpfen. Unsere Augen erstrahlen alle in der Farbe RAL 5012, Lichtblau, während unsere Haut eher den Farbton RAL 3012 aufweist, Beigerot. Selbst unsere Schrittgeschwindigkeit ist identisch. Im gleichen Takt bewegen wir unsere Füße über den grauen Boden, bestehend aus Stahlplatten. Die Wände sind weiß und mit einem einzelnen roten Streifen gekennzeichnet.

Von der roten Zone gelangen wir in das Atrium. Es ist das Zentrum der Sicherheitszone, alle Wege und Flure führen dorthin. Egal ob sie nun rot, gelb, braun, blau, grün oder weiß sind. Weiß ist die Farbe der Legionsführer. Es ist verboten, ihren Flur zu betreten, zumal einem der Zugang ohnehin verwehrt würde. Aber allein der Versuch ist strafbar. Keiner hat es bisher versucht, aber ich bin sicher, derjenige würde sofort verstoßen werden. Der Weg zu ihrem Flur führt über eine Empore, die in der Mitte des Atriums thront und endet vor einer mit einem Tastenfeld gesicherten Tür.

Jede Farbe steht für eine Bewohnergruppe innerhalb der Legion. Gelb für die Kleinkinder. Rot für die Heranwachsenden. Braun für diejenigen, die einer Helfertätigkeit nachgehen. Blau für die Kämpfer der C-Klassifizierung. Grün für Ärzte und Forscher.

Das Atrium ist nicht nur das Zentrum, sondern auch der schönste Ort der Sicherheitszone. Es ist kreisrund und die Wände bestehen aus Bildern längst vergessener Zeiten, die sich über den ganzen Saal ziehen. An manchen Tagen zeigen sie Wälder mit Pflanzen, Bäumen, Tieren und Moos am Boden. Sie bewegen sich, so als ob man nur seine Hand ausstrecken müsste, um die Blätter oder das Fell berühren zu können. An anderen Tagen zeigen sie mächtige Großstädte mit Wolkenkratzern, die einen ganz schwindelig werden lassen. Sie können weichen Sandstrand und türkisblaues Meer zeigen oder Berge mit schneebedeckten Spitzen. In diesen Bildern sind die schönsten Seiten der Erde festgehalten, die es so nie wieder geben wird. Sie erinnern uns täglich daran, was unsere Vorfahren zerstört haben. Die mächtigen Wolkenkratzer wurden beim Dritten Weltkrieg dem Erdboden gleichgemacht. Das Meer ist verseucht, die Tiere, die wir auf diesen Bildern sehen, sind schon lange tot und die Bäume und Pflanzen verdorrt.

Neben den farbigen Fluren gibt es auch noch die grauen. Sie führen zu Gemeinschaftsräumen wie den Trainingsräumen, der Wäscherei, der Essensvergabe, dem Archiv, der Arena, der Aula und den Laboren. Einer dieser Räume wird mein zukünftiger Arbeitsplatz sein, entscheidend dafür sind meine heutigen Testergebnisse. Durch Leistungstests erhalten wir eine Zuordnung für unsere Helfertätigkeit. Seit wir im Alter von zehn Jahren die gelben Anzüge gegen die roten austauschten, trainieren wir für nichts anderes mehr. Heute, etwa acht Jahre später, erhalten wir unsere Ergebnisse.

Wir haben uns in zwei Reihen in der Aula aufgestellt. Die Männer rechts und die Frauen links. Wir sind alle gleich groß – Idealmaß. Die Legion sorgt über unsere tägliche Tablettenzufuhr dafür, dass wir alle gleich aussehen.

Auf dem Podium stehen drei Legionsführer. Einer von ihnen ist eine Frau, doch es ist nicht dieselbe, mit der ich als Gelbe gesprochen habe. Ich würde sie wiedererkennen. Ihre weißen Anzüge heben sich deutlich von der schwarzen Steinwand hinter ihnen ab. Der Älteste von ihnen tritt vor und räuspert sich.

»Willkommen! Heute ist der erste Tag eurer Zukunft. Die Ergebnisse eurer Tests sind vorhersehbar anhand eurer Leistungen der letzten Jahre, trotzdem kann ein Punkt mehr oder weniger im Einzelfall entscheidend sein. Egal, welcher Stelle ihr zugewiesen werdet, ihr alle habt eine unerlässliche Aufgabe zu erfüllen, die das Leben der letzten Menschen garantiert. Ihr könnt euch sicher sein, dass wir, die Legionsführer, euch der am besten geeigneten Stelle zuweisen werden. Es gibt keine Fehler oder Schwankungen. Gebt euer Bestes, denn nur das Beste ist gut genug!«

Mit einem kurzen Nicken tritt er zurück und betätigt den roten Knopf hinter sich. Genau 99 Kabinen fahren aus dem Boden herauf. Rechts 50, Links 49. Die Kabinen sind nummeriert und jedem von uns zugeordnet. Meine ist Nummer 18, passend zu meiner Bezeichnung E518.

Kaum dass ich die Kabine betreten habe, schließt sich die Tür hinter mir. Der Raum ist gerade mal so groß, dass ich mich auf einen runden Hocker setzen kann und einer Art Glaswand entgegenblicke. Sie ist nur minimal dunkler als die grauen Wände, die mich umschließen. Trotzdem sehe ich mich nur verschwommen in ihr. An der Decke befindet sich eine einzige Leuchtplatte, deren Licht so grell ist, dass es meine Augen blendet. Ich kann die anderen weder hören noch sehen. Mein Universum ist auf diese winzige Zelle zusammengeschrumpft.

Ich erwarte, dass mich die freundliche Computerstimme begrüßen wird, um mir meine Aufgaben zuzuweisen, doch es bleibt still. Ich merke, wie etwas mit meinem Körper passiert, das ich mir nicht erklären kann. Meine Hände werden ganz feucht und mein Herz schlägt schneller, als es sollte. Ich habe das Gefühl, dass der Herzschlag so laut ist, dass er von den dichten Wänden widerhallt und bis in meine Ohren pocht. Meine Kehle wird plötzlich ganz trocken und ich beginne, tief ein- und auszuatmen. Das Licht scheint zu flackern und der Boden zu beben. Ich strecke meine Hände aus, doch die Kammer ist sogar zu klein, um meine Arme komplett ausbreiten zu können. Das Metall fühlt sich kühl unter meinen Fingerspitzen an.

»Phase 1: eröffnet.«, knattert es plötzlich blechern aus der Glaswand mir gegenüber. Alles ist gut. Es gibt keine Veränderungen, keine Bedrohung. Alles läuft wie geplant. Kein Grund, in Panik zu geraten!

»Wissenstest, kristalline Intelligenz.«

Das ist einfach. Der erste Test dient nur dazu, unser Wissen abzufragen. Vor mir erscheint ein Monitor. Verschiedene Fragen mit unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten tauchen nacheinander vor mir auf. Durch Berührung logge ich die richtigen Antworten ein.

Wie hieß der erste Legionsführer? Was sind die Ursachen für Krieg? Welches Land begann den Dritten Weltkrieg? Wofür ist Eisen da? Wo sitzt das Herz?

Die Antworten sind fest in meinem Kopf verankert, und auch wenn ich nicht erfahre, ob ich die Fragen richtig beantwortet habe, bin ich mir dessen sicher. Es ist nicht wichtig, die Fragen zu verstehen, sondern nur, ihre Antworten zu wissen. Vergangenheit ist vergangen und wird deshalb nicht analysiert. Wissen dient dazu, weitergegeben zu werden. Es ist konstant und unveränderbar.

»Phase 2: eröffnet. Problemlösetest, fluide Intelligenz.«

Dieser Abschnitt ist schon schwieriger, weil die Antworten nicht vorgegeben sind. Es ist nichts, was man auswendig lernen kann, sondern es kommt auf die eigene Intelligenz an. Wer ist in der Lage, Probleme zu lösen? Wer hat die Regeln der Legion verstanden? Wer kann sie anwenden? Wir müssen frei sprechen.

»Ein Bewohner der Sicherheitszone beschließt, seinen Anzug künftig nur noch mit einem anstatt zwei Ärmeln zu tragen, um sich zu individualisieren. Wie reagieren Sie?«

»Andersartigkeit führt zu Neid, und Neid führt zu Krieg. Der Bewohner wird so lange isoliert, bis er zur Vernunft kommt, um den Frieden zu wahren.«

Die Frage scheint auf mich abgestimmt zu sein. Vielleicht wollen sie testen, ob ich etwas aus meinem Fehlverhalten als Gelbe gelernt habe. Nie werde ich die Predigt meiner Erzieherin vergessen. Doch schon bald werden die Fragen kniffliger.

»Sie sind als Helfer im Archiv eingeteilt worden. Bei der Sortierung alter Bücher stoßen Sie auf ein lebendiges Tier: eine Maus aus der Gattung der Altweltmäuse, lateinisch Murinae. Was tun Sie?«

Angestrengt lasse ich den vorgegebenen Sachverhalt vor meinem inneren Auge ablaufen. Noch nie in meinem Leben habe ich eine lebendige Maus gesehen, geschweige denn ein anderes Tier. Wir alle kennen sie nur aus dem Bildungsunterricht oder von Dokumentationen über die alte Erde, vor dem Dritten Weltkrieg, vor uns. Tiere sind Überträger von Krankheiten. Ich kenne die richtige Antwort, doch habe ich Zweifel, sie auszusprechen. Wieder werden meine Hände unangenehm feucht, eine Reaktion meines Körpers, die ich nicht verstehe.

»Ich … ich verstecke sie«, antworte ich wahrheitsgemäß. Es bringt nichts, zu lügen, da die Kammer unseren Schweißausstoß misst und die Legionsführer eine Lüge somit ohnehin bemerken würde. Die richtige Antwort wäre vermutlich gewesen, meinen Fund einem Legionsführer zu melden.

»Warum tun Sie das?« Es ist das erste Mal, dass der Computer auf eine meiner Antworten reagiert. Mein Herz beginnt erneut wild zu schlagen. Ich bin dabei, mir meine hart erarbeitete Leistung mit einem Schlag zu zerstören.

»Sie ist das letzte lebende Exemplar ihrer Art. Deshalb ist sie wertvoll. Aber Einmaligkeit führt zu Unfrieden, und Unfrieden zu Krieg.«

»Möchten Sie Krieg, E518?«

»Nein! Wenn ich die Maus verstecke, erfährt niemand von ihr. Unwissenheit bewahrt Frieden.«

Das Licht erlischt und ich sitze im Dunkeln. Angespannt lausche ich auf irgendein Geräusch, abgesehen von meinem eigenen Atem. War die Antwort so falsch? Brechen sie jetzt meine Prüfung womöglich ab? Warum konnte ich nicht meinen Mund halten?

Doch dann geht das Licht wieder an und der Computer fährt fort, als wäre nichts gewesen.

»Phase 3: eröffnet. Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstest.«

Ich bin überrascht. Auf diesen Teil der Prüfung wurden wir nie vorbereitet.

»E518, welcher der heutigen Legionsführer hat über seiner Augenbraue eine Narbe?«

Die Frage ist ein Widerspruch in sich, weil wir alle gleich sind. Jedenfalls sollten wir es sein, doch ich weiß, dass es nicht so ist. Es sind Kleinigkeiten, aber sie sind da, wenn man danach sucht. Ich schließe meine Augen und rufe mir das Bild der drei Legionsführer auf dem Podium vor Augen. In der Mitte stand der älteste von ihnen. Er hatte tiefere Falten um die Augen als die anderen. Links von ihm stand die Frau. Sie hat nicht gelächelt, aber selbst wenn sie es getan hätte, hätte sie keine Grübchen gehabt. Ich hätte gesehen, wenn sie eine Narbe an der Augenbraue gehabt hätte. Es muss der Mann rechts gewesen sein. Nur ihn habe ich nicht beachtet.

»Aus meiner Sichtweise: der rechte Mann«, antworte ich und die Tür der Kammer gleitet auf. Verwundert drehe ich mich um und sehe, dass die Türen der anderen Heranwachsenden ebenfalls geöffnet sind. Alle Intelligenztests enden zeitgleich.

»Phase 4: eröffnet.«

Schweiß rinnt meinen Rücken hinab. Feine Perlen bilden sich auf meinem Schädel und laufen über mein Gesicht. Sie verfangen sich in meinen Augenbrauen, doch je länger ich laufe, umso feuchter werden sie, bis sich schließlich der erste Tropfen löst und mir in die Augen gleitet. Es brennt, aber ich renne weiter.

Erst fing es langsam an, doch steigert sich das Tempo pro Minute. Die Kontrolluhr des Laufbands zeigt 20 Minuten und 32 Sekunden an. Ich habe kaum noch Kraft, aber trotzdem gebe ich nicht auf. Die körperlichen Leistungstests sind nicht gerade meine Stärke. Wir fingen mit Squash an, aber ich fürchtete mich zu sehr vor dem zurückschießenden Elektroball, sodass ich als eine der Ersten rausflog. Das gibt nur wenige Punkte im Abwehr- und Reaktionsverhalten für mich.

Nach der Ausdauer werden sie die Angriffsfähigkeiten testen, um die Krieger unter uns herauszufiltern. Diese tragen Blau und die Bezeichnung C. Nur wenige Frauen schaffen es in die Abteilung und ich werde sicher keine von ihnen sein. Umso wichtiger ist es, dass ich mich wenigstens in der Ausdauer beweise. Genügend Durchhaltevermögen ist viel wert.

21 Minuten und 01 Sekunde. Das Tempo steigert sich erneut. Ich beiße so fest auf meine Zähne, dass sie knirschen. Das Mädchen neben mir stolpert und stürzt. Ihr Aufprall ist so fest, dass ich die Erschütterung unter mir spüre. Ihr Gesicht ist fast so rot wie ihr Anzug und sie hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Arm. An ihrer Etikettierung lese ich E523, doch mehr noch als die Zahlen und Buchstaben, die ohnehin nur noch heute gültig sind, prägt sich mir der kleine Pigmentfleck direkt unter ihrem linken Auge ein. Sie ist für mich nicht länger eine Fremde, sondern ich würde sie nun jederzeit wiedererkennen. Sie blickt mir mit fest zusammengekniffenen Lippen entgegen. Ich sehe Wut in ihren Augen. Sie hat versagt und gönnt es mir nicht, dass ich besser bin als sie. Deshalb sollen in unserer Welt alle Menschen gleich sein. Doch die Leistungstests beweisen, dass dies nicht so ist.

Mein Blick gleitet von dem Mädchen zu meiner anderen Seite. 22 Minuten und 13 Sekunden. Es ist ein Junge – ich kenne ihn. An seinem rechten Schneidezahn fehlt eine Ecke. Er hat sie als Gelber bei einem Streit um einen Schraubenzieher verloren. Als dieser gegen seinen Mund knallte, schoss Blut aus seiner Lippe. Das hat die anderen Kinder so sehr geängstigt, dass alle zu weinen begannen – mich selbst eingeschlossen. Wir dachten, alle müssten nun sterben. Blut ist ein Vorbote von Krieg, und Krieg bedeutet Tod.

Seitdem erkenne ich den Jungen. Ich weiß nicht, ob er sich auch an mich erinnert oder ob ich für ihn nur eines der vielen Mädchen bin, jedenfalls lässt er sich von meinem Blick nicht beirren. Stur blickt er auf die graue Wand gegenüber und rennt.

24 Minuten und 06 Sekunden. Meine Kehle brennt und ist so rau. Selbst das Schlucken schmerzt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals und schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. Piiiiiep … Das ist das Alarmsignal meines Pulsmessers. Er zeigt 140 Schläge pro Minute an, unter 120 wären optimal. Wenn ich es nicht schaffe, meinen Puls zu verringern, scheide ich aus. Ich versuche, ruhig durch die Nase zu atmen.

Piiiiiep … 24 Minuten und 20 Sekunden. Puls 145. Meine Augen wandern über die anderen Läufer. Ich zähle 25, davon nur drei Frauen, mich eingeschlossen.

Piiiiiiep … 24 Minuten und 29 Sekunden. Puls 146. Ich will wenigstens unter die letzten 20 kommen.

Piiiiiiep … 24 Minuten und 32 Sekunden. Puls 144. 24 Läufer. Die Legionsführerin steuert auf mich zu. Ich muss meinen Puls senken.

Piiiiiiep … 24 Minuten und 41 Sekunden. Puls 142. Sie setzt bereits zum Sprechen an, doch das laute Piepen bleibt aus. Mein Pulsmesser zeigt 139 Schläge an. Nur eine Einheit mehr und ich wäre ausgeschieden. Erstaunt hebt sie beide Augenbrauen, sagt aber nichts.

24 Minuten und 59 Sekunden. 22 Läufer. Meine Beine fühlen sich wie aus Blei an, so schwer, dass ich jeden Moment zusammenbrechen könnte. Eine Eiweißtablette wird nicht reichen, um meine Muskeln wieder auf Vordermann zu bringen.

25 Minuten und 12 Sekunden. Das Tempo wird noch schneller.

Piiiiiiiiep … Puls 142. 21 Läufer. Vor meinen Augen wird es schwarz. Ich spüre noch den Aufschlag, bevor alles ganz still wird.

Der unangenehme Geruch von verbranntem Plastik und scharfem Reinigungsmittel steigt mir in die Nase. Er ist so scharf, dass sich meine Nase kräuselt und ich die Augen aufschlage. Über mir sehe ich die Gesichter eines Legionsführers in Weiß und eines Mannes in Grün. Er zieht das Fläschchen zurück, das er gerade noch unter meine Nase gehalten hat. Mit der linken Hand hält er mein Handgelenk umschlossen, das er nun behutsam zu Boden gleiten lässt.

»Sie hätte nie aufgegeben. Ihr Körper hat es deshalb für sie übernommen«, erklärt er dem Legionsführer.

»Was für eine Dummheit! Ein Mensch sollte seine Grenzen kennen«, empört er sich, als wäre ich gar nicht da.

»Sie ist ehrgeizig und willensstark«, verteidigt mich der Grüne, ohne mich jedoch zu beachten.

»Ehrgeiz führt zu Unruhe und ein Wille ist dazu da, gebrochen zu werden.« Die Stimme des Legionsführers ist kälter als die Fliesen meines Zimmerbodens am Morgen. Sein Etikett zeigt A489. Ich werde es mir merken. Er ist gefährlich.

Der Mann in Grün nickt und reicht ihm eine Flasche mit einer hellgrünen Flüssigkeit. »Das wird sie stärken.«

Der Legionsführer nimmt das Getränk entgegen. »Du wirst hier nicht mehr gebraucht.«

Der Grüne geht und die lichtblauen Augen des Legionsführers richten sich wie Speerspitzen auf mich. Mit seiner kalten Hand zieht er mich wieder auf die Beine. Mein Bauch fühlt sich leer und flau an und meine Beine wollen mein Gewicht kaum tragen, so schwach fühle ich mich. Ich spüre deutlich Blicke auf mir und drehe mich um. E523 blickt mir entgegen und ich weiß den Ausdruck in ihren Augen nicht zu deuten. Vielleicht freut sie sich über meinen Misserfolg, aber eigentlich sollte sie sich gar nicht für mich interessieren. Wir hegen keine Gefühle für andere Menschen, weil wir alle gleich sind.

Ich schaue mich weiter um, doch die anderen Laufbänder sind stehen still. Die Ausdauertests sind abgeschlossen.

Der Weiße drückt mir die Flasche in die Hand. »Trink das, du hast den Ablauf lange genug aufgehalten!«, befiehlt er und führt mich mit den anderen in den nächsten Prüfungsraum.

Helles Licht fällt auf den weichen Sand der Arena. Die Deckenleuchten sind so weit entfernt, dass man, wenn man es nicht besser wüsste, glauben könnte, unter freiem Himmel zu stehen. Auch wenn ich noch nie außerhalb der Sicherheitszone war, würde ich mir so den Himmel vorstellen. Hell und frei, ohne Abgrenzungen oder Flackern.

Die Arena ist wie in der Antike der alten Erde kreisrund und verfügt über Zuschauerplätze außerhalb des Kampfplatzes sowie eine Tribüne für die Legionsführer. Außer den dreien in Weiß sind heute keine Zuschauer da. Öffentlich sind nur die Paarungskämpfe, welche die Fortpflanzung in der Legion regeln. Die nächsten werden jedoch erst in einem Jahr stattfinden. Kein Grund also, daran einen Gedanken zu verschwenden.

Der älteste der Legionsführer tritt vor.

»A330 eröffnet im Namen der Legion Phase 6. Es ist eure letzte Prüfung, eure letzte Chance, Punkte zu sammeln. Der Nahkampf dient ausschließlich zur Verteidigung. Wir sind die letzten Überlebenden. Die Ordnung in der Sicherheitszone zu erhalten steht über allem. Jeder Feind der Ordnung ist ein Feind des Lebens und muss vernichtet werden. Kämpft fair, aber hart.«

Wir verneigen uns vor den Führern und treten zurück an die Wand, sodass wir einen Kreis um den runden Kampfplatz bilden. Per Computer wird unser idealer Kampfpartner anhand unserer bisherigen Ergebnisse ermittelt.

»E515 gegen E572.«

Sie sind beide Jungen. E515 ist der, dem ein Stück seines Schneidezahns fehlt, den anderen erkenne ich nicht wieder. Wie wir alle tragen sie Sensorschutzwesten über der Brust und elastische Schienen an den Beinen. An ihren Händen aktivieren sie die Laserwaffen. Das Licht dimmt sich automatisch, sodass die roten und grünen Strahlen besser zu sehen sind. Schneidezahn kämpft mit Rot und sein Gegner mit Grün.

Sie gehen in Stellung und das Startsignal schrillt so laut durch die Arena, dass es in den Ohren schmerzt. Der grüne Laserstrahl zischt direkt los und nur knapp an Schneidezahns Oberarm vorbei, der sich perfekt über den Boden abgerollt hat. Sand rieselt von seiner schwarzen Schutzweste, doch E572 befeuert ihn unablässig weiter. Während seine Angriffe sehr offensiv sind, verhält sich E515 eher defensiv. Seine Ausdauer ist gut und diesen Trumpf versucht er auszuspielen. Wie ein Gummiball hüpft er von einer in die andere Ecke, bückt und streckt sich. E572 hat mehr als genug damit zu tun, ihm hinterher zu hechten.

Die Uhr zeigt 6:05 Minuten an. Wenn beide zehn Minuten lang durchhalten, ohne dass einer von ihnen eine theoretisch tödliche Verletzung davonträgt, erhalten beide zwar die gleiche Punktzahl, dafür jedoch nur die Hälfte der möglichen Punkte. Wird einer jedoch besiegt, erhält dieser keine Punkte und sein Gegner dafür alle. Ziel ist es deshalb, seinen Gegner so schnell wie möglich auszuschalten. Auch wenn Schneidezahn noch so gelenkig ist, wird ihm seine Flucht keinen Sieg einbringen.

7:50 Minuten. Die Angriffe von E572 werden immer langsamer. Während er erst noch im Sekundentakt Schüsse abfeuerte, verfehlt er nun sein Ziel um Meter und braucht länger, um sich neu zu orientieren, während E515 wie ein Schnellläufer um ihn herumzischt.

Nach 8:15 Minuten löst sich der erste rote Schuss und … trifft! E515 hat mit nur einem einzigen gezielten Schuss gewonnen. Er erhält die volle Punktzahl.

Es folgen noch weitere Kämpfe. Die wenigsten enden im Gleichstand, da es nicht unser Ziel ist, Kompromisse einzugehen. Ganz oder gar nicht lautet die Devise. Meine Handflächen werden bereits wieder unerklärlicherweise feucht, als endlich meine Bezeichnung durch die Lautsprecher schallt.

»E523 gegen E518.«

Es ist das Mädchen mit dem Pigmentfleck unter dem linken Auge, das mich bereits bei dem letzten Test so seltsam angesehen hat. Zuletzt hat sie verloren, umso größer wird ihr Ehrgeiz jetzt sein, mich zu schlagen. Ich teste die Laserwaffe und ein grüner Strahl ergießt sich über den Kampfplatz. Es kann losgehen.

Wir nehmen Stellung ein, doch anders als bei dem ersten Kampf schlägt keine von uns zu, als das Startsignal ertönt. Stattdessen umkreisen wir einander und warten beide auf eine Reaktion der anderen, doch nichts geschieht. Ihre lichtblauen Augen fixieren meine. Nicht nur unser Aussehen scheint identisch, sondern auch unsere Bewegungen, wie bei einem Spiegelbild. Sehe ich wirklich genauso aus wie sie? Habe ich vielleicht sogar auch einen Pigmentfleck?

Die Minuten verstreichen, ohne dass auch nur ein Laserstrahl über den Platz zischt. Anders als bei den vorherigen Kämpfen ertönt erneut die Computerstimme und verkündet: »Fünf Minuten ohne Einsatz von Waffen. Ihnen bleiben zwei Minuten bis zur Disqualifikation. Verteidigen Sie sich!«

Das hat es noch nie gegeben. Wenn nicht eine von uns angreift, erhalten wir beide keine Punkte. Verteidigen Sie sich! Wogegen soll ich mich verteidigen, wenn mich niemand angreift? Warum sollte ich sie angreifen, wenn sie mir nichts tut? Sie ist nur ein Mädchen wie ich selbst. Wäre sie eine Unruhestifterin, würde es mir leichter fallen, auf sie zu schießen, doch so gibt es dafür keinen Grund. Ich weiß, es ist nur eine Simulation, trotzdem schaffe ich es nicht, den Laser zu betätigen. Ihr scheint es ähnlich zu gehen, denn obwohl die Sekunden verstreichen, taucht kein rotes Licht auf.

Für einen Moment lasse ich sie aus den Augen und mein Blick schwenkt zu der digitalen Anzeige. 6:04 Minuten.

Sie fixiert mich, muss gesehen haben, wie unachtsam ich für Sekunden war, und trotzdem hat sie nicht geschossen. Die Punkte entscheiden über unsere Zukunft. Greif mich an!, fordere ich sie stumm mit meinem Blick auf, doch sie reagiert nicht darauf.

6:43 Minuten. Nur noch 17 Sekunden und wir werden beide disqualifiziert. Das ist ein Regelverstoß. Ich kann jede Stelle mit einem C, B oder gar dem A für die Legionsführer für immer vergessen.

6:50 Minuten. Meine Hände zucken. Die Sekunden werden nun durch die Lautsprecher angesagt:

»51, 52, 53 …«

Was soll ich nur machen? Warum greift sie mich nicht an?

»54, 55, 56 …«

E523 gibt ihre Abwehrhaltung auf und stellt sich mir gegenüber mit gestrafften Schultern auf. Sie lässt beide Hände sinken. Der Kampf ist für sie vorbei.

»57, 58, 59 …« Auf ihren Lippen liegt ein sanftes Lächeln und ich schieße. Mein grüner Strahl trifft sie frontal auf der Brust. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen. Für einen Moment befürchte ich, sie tatsächlich verletzt zu haben. Verschwunden ist ihr freundliches Lächeln, dem man so selten in der Sicherheitszone begegnet. Sie schüttelt den Kopf, fast als wäre sie enttäuscht über mein Verhalten.

Ich habe gewonnen. Der Kampf ist beendet und ich erhalte die volle Punktzahl. Warum kann ich mich nicht freuen? Warum fühle ich mich, als hätte ich verloren?

Als wir zurück auf unsere Positionen gehen und sie mich von der anderen Seite der Arena aus beobachtet, senke ich den Blick. Ich schäme mich dafür, wie ich den Kampf gewonnen habe. Es fühlt sich an, als hätte ich sie verraten, obwohl wir nie eine Vereinbarung miteinander getroffen haben.

02. WIR SIND ALLE GLEICH

Starr sind unsere Augen zur Tribüne gerichtet. Schweiß perlt auf meiner Stirn, meine Atmung geht schwer.

Das ist der alles entscheidende Moment.

Das ist das Ergebnis meiner sieben Jahre überdauernden Bildungszeit.

Das ist meine Zukunft.

A330 tritt vor. »Phase 6: abgeschlossen«, verkündet er feierlich. Erwartungsgemäß beginnen wir zu applaudieren. Unsere Hände schlagen gegeneinander und geben ein lautes Klatschen von sich, das von den Wänden zurückhallt und durch die leeren Zuschauerränge noch verstärkt wird. Es erscheint wie ein Erdbeben. Mein Magen beschwert sich lautstark. Es ist Zeit für die nächste Essenseinheit.

»An dieser Stelle möchte ich euch noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass es keine Fehler im System gibt. Ich werde gleich eure Zuordnungen verkünden. Manche werden vielleicht überrascht sein, da sie mit einem anderen Ergebnis gerechnet haben. Das liegt daran, dass das System euch besser kennt als ihr euch selbst. Menschen verändern sich im Lauf ihres Lebens und die Programme nehmen darauf Rücksicht. Es gibt keine Fehldiagnosen und jede Aufgabe der Legion ist gleich wichtig.«

Er verstummt und legt die Hand auf sein rechtes Ohr. Jetzt empfängt er unsere Zuordnungen digital. Jeder der Legionsführer trägt einen Chip in der rechten Ohrmuschel, der sie direkt mit dem System und auch untereinander verbindet. So können sie kommunizieren, ohne direkt neben einem anderen Führer stehen zu müssen.

»E501. Im Namen der Legion ernenne ich dich zu B501. Ab dem morgigen Tag erhältst du einen grünen Anzug und dein Einsatzgebiet wird in den Laboren der Sicherheitszone sein. Finde dich dort pünktlich um 07:30 Uhr ein.«

Beeindruckend! Nicht viele schaffen es in eine so hohe Gruppierung. Mein Herz beginnt heftig zu schlagen. Ich will auch in Gruppe B. Vielleicht nicht unbedingt in die Labore, sondern eher auf die Krankenstation. In unserer Welt gibt es keine Krankheiten im ursprünglichen Sinne mehr. Die Sicherheitszone sorgt ihrem Namen entsprechend für unsere Sicherheit. Es gibt weder Bakterien noch Viren oder andere Erreger. Dafür aber mehr Erkrankungen des Geistes. Sie sind jedoch alle heilbar und somit die Menschen nach ihrer Genesung wieder einsatzfähig.

E502, E503, E504, E505, E506, E507, E508, E509, E510, E511, E512, E513, E514 …

»E515. Im Namen der Legion ernenne ich dich zu C515. Ab dem morgigen Tag erhältst du einen blauen Anzug und dein Einsatzgebiet wird in den Trainingsräumen liegen, um dich auf die Gefahren außerhalb der Sicherheitszone vorzubereiten. Finde dich pünktlich um 07:30 Uhr dort ein.«

Ich schlucke. Schneidezahn ist also ein Kämpfer. Somit gehört er zu den Einzigen, die die Sicherheitszone verlassen dürfen. Doch niemand reißt sich darum, da es sehr gefährlich und auch nur mit speziellen Schutzanzügen möglich ist. Dort draußen herrscht Chaos. Es gibt kein Leben, nur Tod und Verwesung. Alles außerhalb der Zone ist radioaktiv verseucht. Kein Lebewesen hält es dort ohne Schutzanzug länger als fünf Minuten aus. Selbst dann haben die Strahlen bereits irreparable Schäden angerichtet, die innerhalb von vier Wochen zum Tod führen. Ich beneide ihn wirklich nicht um seine Gruppierung.

E516, E517… Mein Puls steigt.

»E518. Im Namen der Legion ernenne ich dich zu D518. Ab dem morgigen Tag erhältst du einen braunen Anzug und dein Einsatzgebiet wird in der Nahrungszuweisung sein. Finde dich dort pünktlich um 06:30 Uhr ein.«

Nein! Das kann nicht sein. Die unterste Gruppierung? Das ist nicht fair! So schlecht können meine Ergebnisse unmöglich gewesen sein. Ich schüttele fassungslos den Kopf. Niemand bemerkt es. Legionsführer A330 fährt unbeirrt in seinem Programm fort.

E519, E520, E521, E522 …

»E523. Im Namen der Legion ernenne ich dich zu D523. Ab dem morgigen Tag erhältst du einen braunen Anzug und dein Einsatzgebiet wird in der Nahrungszuweisung sein. Finde dich pünktlich um 06:30 Uhr dort ein.«

Das darf doch nicht wahr sein! Ich war in mindestens zwei Tests besser als sie. Wir können unmöglich dieselbe Gruppierung bekommen haben. Auch während der Heranwachsendenzeit war ich immer eine der Besten im Bildungsunterricht. Ich hatte die volle Punktzahl bei allen Zwischentests. Die Legionsführerin sagte mir als Kleinkind eine bedeutende Zukunft voraus. Eine Zukunft in der Nahrungszuweisung hat sie damit sicher nicht gemeint. Das System ist unfehlbar, aber das Ergebnis kann einfach nicht richtig sein. Es darf nicht richtig sein. Es ist nicht nachvollziehbar. Vielleicht gab es einen Absturz und Daten wurden vertauscht …

E596, E597, E598, E599 …

Alle Zuordnungen wurden verkündet. Die Legionsführer wenden sich bereits zum Gehen, um wieder ihrer üblichen Arbeit nachzugehen und auch die anderen bewegen sich in Richtung der Ausgänge. Halt! Das ist mein Leben und ich kann nicht untätig dabei zusehen, wie es mir genommen wird!

Ich trete vor und räuspere mich, bevor ich mit lauter Stimme rufe: »Ich habe eine Frage!«

Es wird still. Jede Bewegung erstarrt. Die Legionsführer drehen sich auf dem Absatz um und ihre Blicke bohren sich in meinen Körper wie spitze Nadeln. Mein Hals wird trocken.

»Antrag stattgegeben«, verkündet A489, während er misstrauisch auf mich herabblickt. »Was ist deine Frage, D518?«

Ich huste. Verdammt, was ist denn nur mit meinem Hals los? Es ist, als würde ein Kloß in meiner Kehle sitzen, der mir die Luft abschnürt. Meine Augen fühlen sich ungewöhnlich feucht an.

»Kann es sein, dass meine Nummer falsch zugeordnet wurde? Vielleicht wurden …«, setze ich an, doch da unterbricht mich der Führer bereits energisch.

»D518, vor den Leistungstests und auch gerade eben wurde laut und deutlich gesagt, dass Fehler jeglicher Art vollkommen ausgeschlossen sind. Beantwortet das deine Frage?«

Meine Wangen werden heiß. Alle starren mich an. Jetzt stehe ich da, als wäre ich total beschränkt. Kein Wunder, dass die in der Nahrungszuweisung gelandet ist, die kann ja nicht mal zuhören, werden sie sich denken.

Aber so ist das doch gar nicht! Das Unwohlsein in meinem Inneren verwandelt sich in Wut. Die Legionsführer lassen mich absichtlich wie eine Idiotin dastehen.

»Nein!«, antworte ich ihm klar und deutlich. »Wie kann es sein, dass ich in den Zwischenergebnissen jedes Mal die volle Punktzahl erreicht habe, auch heute besser abgeschnitten habe als viele andere, und trotzdem eine schlechtere Gruppierung bekomme?«

»D518, es gibt keine besseren oder schlechteren Gruppierungen. Jede Aufgabe der Sicherheitszone ist gleich bedeutend. Wir sind alle gleich.«

Unwillig schüttele ich den Kopf. Mein Blick gleitet zu D523. Sie reckt mir herausfordernd das Kinn entgegen, als wolle sie sagen: Na los, mach schon. Sag, dass du besser warst als ich.

Als ich nicht antworte, fährt A489 fort: »D518, hältst du dich für etwas Besseres?«

Meine Augen weiten sich erschrocken und ich beeile mich, zu verneinen. Wir sind alle gleich, rufe ich mir ins Gedächtnis und wiederhole es für mich wie eine Parole. Niemand ist anders. Niemand ist etwas Besseres.

Meine Augen gleiten über die Anwesenden. Wir gleichen einander wie eineiige Zwillinge. Es gibt auf den ersten Blick keine erkennbaren Unterschiede.

A489 verengt seine Augen zu Schlitzen und beugt sich über das Geländer.

»D518, wenn du mit deiner Zuordnung nicht zufrieden bist, solltest du vielleicht besser zu G518 herabgesetzt werden.«

Nein, nein, nein! Ich beginne unkontrolliert zu atmen.

»Bitte nicht! Ich habe nicht nachgedacht, bevor ich gesprochen habe. Es tut mir leid. Bitte … Ich hatte nur etwas anderes erwartet. Es ist mein Fehler. Bitte stufen Sie mich nicht herab!«, flehe ich panisch. Gruppierung G ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Im Grunde könnten sie einen auch direkt erschießen, denn G steht für die Verstoßenen. Nur Menschen, die sich weigern, sich auf der Krankenstation heilen zu lassen, erhalten diese Gruppierung. Sie sind eine Gefahr für sich selbst und die ganze Legion, deshalb werden sie der Sicherheitszone verwiesen. Sie sterben einen qualvollen Tod.

Die letzte Herabstufung ist jedoch sieben Jahre her. Ich erinnere mich daran so genau, weil es wenige Tage bevor ich zur Heranwachsenden ernannt wurde, passiert ist. Damals war es ein junger Kämpfer, der gerade erst seine Klassifizierung erhalten hatte. Die Außeneinsätze mussten ihn krank gemacht haben. Das ganze Chaos war zu viel für seine Psyche gewesen.

A489 zeigt sich gnädig und richtet sich wieder auf. »Nun gut, du bist einsichtig. Geh!«, befiehlt er und verlässt geschlossen mit den anderen Legionsführern die Tribüne.

Als ich mich umdrehe, bemerke ich den Blick von D523. Nachdenklich blickt sie mich an. Sie muss mich verachten. Wie dumm von mir, die Legionsführer anzusprechen. Warum kann ich mich nicht einfach wie alle anderen benehmen? Vielleicht wäre ein Besuch auf der Krankenstation gar nicht so verkehrt. Ich denke zu viel – mehr, als gesund für mich wäre.

Beim Verlassen der Arena trifft mein Blick den von C515, doch er schaut sofort weg. Er will nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich wäre schlecht für seinen Ruf. Seltsamerweise macht mich das traurig. Irgendwie mochte ich ihn mehr als die anderen. Vielleicht weil er für mich nicht wie alle anderen war.

Exakt um 06.00 Uhr öffne ich meine Augen. Der vergangene Tag und meine Zuordnung erscheinen mir wie eine schlechte Erinnerung, fast unwirklich. Mein Schlaf war genauso gut wie immer, das liegt daran, dass er gesteuert wird. In unserem Bett befinden sich kleine Sensoren, die Unruhe anhand von erhöhtem Herzschlag oder Schweißausstoß erkennen und regulieren. Bei der kleinsten Unregelmäßigkeit strömt ein Gas aus, das uns beruhigt. Es ist wichtig, dass wir in einen erholsamen Schlaf finden, um die volle Leistungsfähigkeit erreichen zu können.

Während ich auf meine Nahrungsration warte, betrachte ich in der gegenüberliegenden Metallwand mein verschwommenes Spiegelbild. Meine Augen leuchten in einem matten Blau, so schwach, dass sie kaum auffallen. Durch die angeraute Oberfläche der Wand habe ich mein Gesicht noch nie klar gesehen, sondern immer nur als beige-rosafarbenen Fleck. In der ganzen Sicherheitszone gibt es keine klare Fläche. Dies dient zu unserem eigenen Schutz. Trotzdem wüsste ich gern, wie ich aussehe. Ich sehne mich danach, die kleinen Unterschiede meines eigenen Gesichts zu erkunden. Vielleicht ist meine Nase etwas größer oder kleiner als die der anderen. Vielleicht habe ich auch irgendwo einen Pigmentfleck oder einen schiefen Zahn. Vielleicht habe ich abstehende Ohren. Doch nichts ist zu erkennen, ich kann mich lediglich an dem Aussehen der anderen Bewohner der Sicherheitszone orientieren.

Die Unterschiede sind so minimal, dass sie manch einem gar nicht auffallen, doch ich präge mir gerade diese Ungleichheiten ein. Denn durch diese winzigen Details identifiziere ich die Menschen. Für mich sind sie nicht nur Nummern und Buchstaben, sondern Hände, Finger, Ohren, Münder, Augen, Augenbrauen, Falten, Grübchen, Pigmentflecken. Die Legionsführer müssen das wissen. Es muss noch mehr Menschen wie mich geben, sonst hätten sie bei dem gestrigen Leistungstest nicht danach gefragt.

Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass sie vielleicht nicht wollen, dass man die Unterschiede erkennt. Schließlich baut unser Zusammenleben darauf auf, möglichst gleich zu sein. Menschen, die wissen, dass wir nicht alle gleich sind, bergen ein Risiko. Vielleicht sehen die Legionsführer mich als Risiko und ich wurde deshalb in die Nahrungszuteilung degradiert.

»Bitte entnehmen Sie Ihre heutige Nahrungsration!«, tönt es in dem Moment aus dem Lautsprecher. Ich blicke nach unten und sehe fünf Cerealienwürfel, eine Vitamintablette, eine Eiweißtablette und ein Glas Wasser.

Um 06:30 Uhr öffnet sich die Tür und ich starte in meinen ersten Arbeitstag als D518. Der braune Streifen an der Wand wirkt beengend auf mich und ich bezweifle, dass ich mich je mit der Farbe werde anfreunden können. Verstohlen blicke ich zu den anderen Bewohnern in ihren einheitlichen braunen Anzügen.

Fast jede Generation ist vertreten, egal ob nun die fünfte, der ich angehöre, oder die vierte und dritte. Sogar wenige Angehörige der zweiten sind noch zu erkennen. Nur die der ersten Generation fehlen völlig.

Kurz nach meiner Geburt war ihre Verabschiedung. Es muss ein schönes Fest gewesen sein, denn viele sprechen noch heute mit Begeisterung davon. Bei der zweiten Generation ist es erst in einem Jahr so weit. Dann erreichen sie das sechzigste Lebensjahr und nehmen Abschied von der Sicherheitszone und der Erde. Zwischen der zweiten und dritten Generation liegt ein Altersunterschied von zwanzig Jahren, während die dritte und vierte sowie die vierte und fünfte Generation nur noch zehn Jahre trennen. Mittlerweile werden die neuen Generationen sogar nur noch mit einem fünf Jahresrythmus geboren. Die Legion entwickelt sich weiter und somit ist es uns heute möglich mehr Menschen zu versorgen als vor einigen Jahren. In unserer Welt gibt es keine Zufälle mehr – alles verläuft nach Plan, ob nun unsere Geburt oder unser Tod. Die Ressourcen sind zu knapp, um deren Verteilung dem Zufall zu überlassen.

Das Atrium zeigt heute einen Regenschauer über dem aufgewühlten Meer. Wild peitscht der Wind gegen die reißenden Wellen, sodass die weiße Gischt nur so spritzt. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel und zieht mich für wenige Sekunden in seinen Bann. Das Meer lehnt sich gegen den Wind auf. Es lässt sich nicht unterdrücken, sondern beweist seine Stärke.

Schnell schüttele ich den Kopf. Etwas stimmt nicht mit mir! Ständig diese Gedanken, die ich nicht haben dürfte! Falsche Gedanken! Auflehnung ist niemals gut! Vielleicht ist es das Beste, dass ich der Nahrungszuteilung zugewiesen wurde, dort werde ich hoffentlich nicht viel nachdenken müssen und komme somit gar nicht in Versuchung falsche Entscheidungen zu treffen.

Über den grauen Flur erreiche ich die Überwachungsräume. Am Eingang wartet bereits ein Mann der dritten Generation auf mich. Neben ihm steht D523. Ihre Lippen sind eigenartig verzogen, fast wie ein Lächeln, doch wirkt sie dabei wenig freundlich. Ihre rechte Augenbraue schnellt nach oben, als ich mich vorstelle.

»D518 meldet sich zum Dienst.«

»D375 empfängt D518«, erwidert der Mann formal. Danach lockern sich seine gestrafften Schultern etwas und in freundlicherem Ton fährt er fort: »Schön, dass ihr hier seid. Dann kommt mal mit, damit ich euch eure Aufgaben erklären kann.«

Wir steuern auf eine Flügeltür aus dunkelgrauem Metall zu. Sie gleitet von allein auf. Daran erkennt man schon, dass unsere Aufgabe nicht gerade zu den wichtigen gehören kann. Denn Bereiche von höherem Stellenwert sind durch Sicherheitscodes abgeriegelt. In die Nahrungszuteilung hingegen hat offensichtlich jeder Zutritt.

Hinter der Tür verbirgt sich ein Raum voller Tische und Computer, ganz anders, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich hatte Maschinen erwartet, die Cerealienwürfel produzieren, stattdessen stehe ich vor bestimmt zwanzig Computertischen. Zwei in der vorletzten Reihe sind noch frei, zu denen D375 uns nun führt.

»Setzt euch«, fordert er uns mit einer einladenden Handbewegung auf. Mein Blick bleibt an seinen Augen hängen. Sie sind genauso lichtblau wie alle, doch etwas ist anders. Ich schaue genauer hin und entdecke einen kleinen, grünen Fleck im linken Auge, direkt neben der Iris.

»Ist irgendetwas?«, will er von mir wissen, doch da schüttele ich schnell den Kopf. Ich muss wirklich aufpassen, wie ich mich benehme. D523 blickt mich neugierig an. Hat sie meine Reaktion bemerkt?

Wir setzen uns auf die zugewiesenen Plätze und melden uns durch unsere Fingerabdrücke an dem PC an. Zur Bestätigung ertönt das vertraute »Zugriff gewährt« und die Computer fahren hoch. Es öffnet sich ein Programm mit vielen kleinen Fenstern, in jedem steht eine Bezeichnung.

»Jeder von uns bekommt pro Tag zwanzig Bezeichnungen zugewiesen, um deren Versorgung wir uns kümmern müssen. Die Bezeichnungen wechseln täglich, sodass wir uns jeden Tag neu einarbeiten müssen. Das Programm gibt die optimale Versorgungsmenge bereits vor, doch unsere Aufgabe ist es, diese auf ihre Richtigkeit zu überprüfen«, erklärt D375 und hält inne. Ein Programm auf seine Richtigkeit überprüfen? Wie ist das möglich? Ich dachte, das System macht keine Fehler.

»Die Störungen entstehen nicht im Programm, sondern in der Benutzung. Sobald es Zeit für die Essensausgabe ist, erscheinen dort, wo nun die Bezeichnungen stehen, Kameraaufnahmen der Mitglieder. Eure Aufgabe ist es, zu kontrollieren, ob sie auch wirklich ihren eigenen Arm unter den Scanner halten.«

Ich runzele verwirrt die Stirn. Warum sollte jemand einen fremden Arm unter den Scanner halten?

»Ihr schaut überrascht, aber so etwas ist wirklich schon einmal aufgetreten. Die Menschen kommen auf die lustigsten Ideen, um sich mehr Nahrung zu erhaschen. Gerade vor Wettkämpfen wollen sie häufig mehr Eiweißkapseln, um ihre Leistung steigern zu können.«

D523 pustet Luft aus und sagt leise, mehr zu sich selbst, jedoch mit einem Blick in meine Richtung: »Das kommt mir bekannt vor.«

Die Abfälligkeit mir gegenüber ist deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. Sie ist immer noch sauer auf mich, und das zu Recht. So eine Feindseligkeit ist mir dennoch fremd. So fremd wie beinahe jedes Gefühl. Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche, D375 weiter zuzuhören.

»Wenn ihr durch Berührung auf eine der Bezeichnungen klickt, öffnet sich eine Art Steckbrief der Person.«

Er macht es uns an meinem Computer vor und der Steckbrief von C482 öffnet sich. Neben der Bezeichnung steht sein Einsatzgebiet, in diesem Fall die Zugangskontrolle. Das bedeutet, dass er in der Sicherheitszone und nicht außen eingesetzt ist.

»C482 braucht jeden Tag Eiweißkapseln, aber zum Beispiel weniger Cerealienwürfel als ein C-ler im Außendienst.«

Wir gehen seinen Steckbrief weiter durch. Für morgen ist eine Trainingseinheit eingetragen.

»An solchen Tagen bekommt er abends mehr Vitamine, außerdem noch Magnesium, Calcium und Eisen. Unser Programm weiß das, aber ihr müsst es überprüfen. Bevor das jeweilige Mitglied sein Essen bekommt, müsst ihr die Auswahl bestätigen. Deshalb arbeiten wir auch im Schichtdienst. Ihr habt heute die zweite Schicht, doch bald werdet ihr auch mal für die erste eingeteilt werden. Dann fängt eure Arbeitszeit um 22:30 Uhr an und geht bis zum nächsten Morgen.«

Ein freundliches Lächeln huscht für einen kurzen Moment über sein Gesicht. Es wirkt jedoch nicht herzlich, sondern einstudiert – wie eine Maske. Es gehört zu seiner Rolle. »Habt ihr noch Fragen?«

Wir schütteln beide den Kopf. Der grüne Fleck in seinen Augen leuchtet mir entgegen.

»Gut, dann schaut euch eure heutigen Steckbriefe an und berechnet die Nahrung. Das Programm weist euch auf Fehler hin.«

Mit diesen Worten geht er und lässt uns allein vor den Monitoren zurück. D523 mustert mich unverhohlen, doch ich beschließe, sie nicht länger zu beachten, und widme mich dem Monitor. Sie macht mich nervös.

Der Steckbrief von D592 öffnet sich. Es ist eine Frau. Sie wurde gestern in die Putzeinheit einsortiert.

»Beeindruckend, wie vorbildlich du deine Arbeit ausführst. Hältst dich wohl immer noch für etwas Besseres.«

Ich halte inne. Zum ersten Mal spricht sie mit mir. Ihre Worte erscheinen mir fremd, ganz anders als die Sprache der Leiter und Führer. So direkt und unförmlich. Selbst die Art, wie sie die Wörter ausspricht und miteinander verbindet, erscheint mir eigenartig. Ich habe noch nie jemanden so sprechen hören wie sie. Was will sie nur von mir?

Ich setze zu einer Entschuldigung an.

»Es war dumm von mir, das Ergebnis anzuzweifeln. Das System macht keine Fehler, also gehören wir wohl beide gleichermaßen hierher.«

Sie beugt sich zu mir vor und flüstert energisch: »Du warst aber in mindestens zwei Prüfungen besser als ich. Sollte das nicht belohnt werden?«

Ihre Frage verunsichert mich. Warum weist sie mich jetzt auch noch darauf hin, dass sie schlechter war? Ich habe alles mir Mögliche getan, um mich mit ihr zu vertragen. Oder geht es ihr gar nicht darum?

»Die Zuordnung besteht aber aus mehr als zwei Tests. Vielleicht warst du in der Fragerunde besser als ich.«

»Bezweifle ich«, gibt sie mit einem Schulterzucken von sich.

Verwirrt schaue ich sie an und lasse meine Augen über den Raum schweifen, doch niemand nimmt Notiz von uns. Alle sind vertieft in ihre Arbeit. Abgestumpft und ausdruckslos starren sie auf die Bildschirme vor sich, fast als wären sie selbst zu einer Maschine geworden. Wir sollten damit auch beginnen. Es würde einen schlechten Eindruck machen, direkt am ersten Tag für Probleme zu sorgen. Doch trotzdem macht sie mich neugierig.

»Woher willst du das wissen?«

»Hast du alle Testfragen beantwortet?«

Was ist das für eine eigenartige Frage? Natürlich habe ich die Fragen beantwortet, also nicke ich zur Bestätigung.

Sie grinst und zeigt dabei ihre perfekten Zähne. »Ich nicht. Nicht eine.«

Entsetzt starre ich sie an. Warum sollte sie so etwas tun? Irgendeine Antwort muss sie doch gewusst haben, und selbst wenn nicht, hätte sie raten können. Warum sollte jemand absichtlich sein Ergebnis manipulieren? Ich erinnere mich daran, wie wir uns in der Arena bei dem simulierten Kampf gegenüberstanden und sie sich weigerte, ihre Waffe zu benutzen.

Doch jetzt ist sie es, die sich von mir abwendet und auf den Monitor vor sich tippt, als hätte unser Gespräch nie stattgefunden.

Wenige Tage später wird der Ablauf von einer Durchsage unterbrochen. »Vor genau 81 Jahren brach am heutigen Tag der Dritte Weltkrieg aus und stürzte die Welt in ihren Untergang.«

Es herrscht betretene Stille, bevor die Computerstimme blechern fortfährt. »Anlässlich des Ereignisses wird in der Arena eine Dokumentation gezeigt. Bitte unterbrechen Sie Ihre Arbeit und finden Sie sich sofort dort ein.«

Mit einem Ruck fahren sämtliche Stühle zurück und wir machen uns wie Roboter auf den Weg in die Arena. Befehle werden weder angezweifelt noch in Frage gestellt, sondern schlicht und einfach befolgt.

Die Dokumentation, die wir zu sehen bekommen werden, wird sicher nicht schön sein. Trotzdem freue ich mich über die Abwechslung von unserem sonst bis ins Detail geplanten Alltag.

Vor der Arena steht C515, für mich Schneidezahn, in seinem neuen blauen Anzug. Das ist gut, denn es bedeutet, dass er nicht für den Außendienst eingesetzt wurde. Jedenfalls noch nicht.

Als ich an ihm vorbeigehe, werfe ich ihm einen scheuen Blick zu. Unsere Augen begegnen sich für einen Moment. Ich freue mich so sehr darüber, dass es ihm gut geht, dass ich ihm ein kurzes Lächeln schenke. Erstaunt hebt er die Augenbrauen, doch dann nickt er mir höflich zu.

Ein Ellbogen bohrt sich spitz in meine Seite. Erschrocken fahre ich herum. D523 sieht mich an und wieder hat sie dieses eigenartige Grinsen im Gesicht, das ich hier sonst noch nie bei jemandem gesehen habe und das ich nicht zu deuten weiß.

»Du stehst auf ihn!«, behauptet sie und ich habe keine Ahnung, was das heißen soll.

»Worauf stehe ich?«

Sie stöhnt entnervt auf und schlägt sich leicht gegen den Kopf. »Du findest C515 gut.«

Verständnislos starre ich sie an. Was will sie mir damit sagen? »Natürlich finde ich ihn gut, er ist ein Kämpfer. Er beschützt uns.«

Jetzt schüttelt sie den Kopf und wirft entrüstet die Hände in die Luft. »Tust du nur so blöd oder bist du wirklich so dumm? Du magst ihn mehr als andere. Jetzt kapiert?«

Meine Augen weiten sich empört. Was sie da anzudeuten versucht, ist verboten und verstößt gegen das Gesetz. Jeder von uns weiß von dem Gefühlsleben auf der alten Erde. Die Menschen gingen Beziehungen ein, wie sie es nannten. Vor allem zwischen Mann und Frau war das Tradition. Doch gab es deshalb nur Probleme. Sie betrogen einander, schrien sich an, schlugen ihre Partner und begingen zuletzt aus Eifersucht sogar Morde. Zwischenmenschliche Beziehungen sind Unruhefaktoren und deshalb seit langer Zeit abgeschafft und zudem verboten. Die Paarungskämpfe dienen unserer Fortpflanzung, haben aber nichts mit Gefühlen zu tun. Wir sind alle gleich, deshalb empfinden wir nicht für einzelne mehr als für andere. Jeder ist uns gleich sympathisch oder unsympathisch. Jedenfalls sollte es so sein.

»D523, du solltest dich wirklich von einem Arzt untersuchen lassen! Du wirst dir irgendwann noch einmal mit deinen Behauptungen schaden«, warne ich sie in ehrlicher Besorgnis, aber ernte dafür nur einen zornigen Blick aus zusammengekniffenen Augen. Ihr Pigmentfleck hebt sich von ihrer hellen Haut ab, als wolle er mir beweisen, dass ich mich irre und dies auch weiß.

Vielleicht sind wir nicht alle gleich, aber es ist verboten, auch nur darüber nachzudenken, geschweige denn zu sprechen. D523 macht mir Angst. Ständig flüstert sie mir irgendwelche Dinge ins Ohr, die ich nicht hören möchte, über die ich nicht mal nachdenken will. Es ist, als würde sie Wasser auf einen Samen in meinem Inneren gießen, damit er zu einer starken Pflanze heranwächst. Schlimm genug, dass dort überhaupt ein Keim ist, doch werde ich zu verhindern wissen, dass diese winzige Knospe zu einem Unkraut heranwächst.

Die Arena ist nun voll besetzt, jeder Platz belegt. In der Mitte sind Projektoren aufgebaut worden, die das Bild dreidimensional in das Innere übertragen. Wir haben schon öfter Vorführungen dieser Art gesehen. Es ist jedes Mal so, als wäre man selbst dabei.

Die Lichter erlöschen und die kurze Melodie der Legion ertönt. Der Titel der Dokumentation wird eingeblendet: Menschliche Abgründe.

Vor unseren Augen setzen sich die ersten Bilder zusammen. Die Baumkronen eines Waldes sind zu sehen. Sie wirken so echt, dass manche der Heranwachsenden ihre Hände ausstrecken, in dem Glauben, sie wirklich berühren zu können. Doch ihre Hände gleiten wirkungslos durch die Luft.

Die Kamera zoomt näher heran und nun erkennen wir eine Gruppe Männer, wahrscheinlich Soldaten, die in einer Reihe stehen. Ihre Augen sind geweitet und ihre Lippen aufeinandergepresst. Sie zittern am ganzen Körper, während Schweiß von ihrer Stirn perlt. Wir blicken in die Augen eines jungen Mannes. Er ist nicht mal alt genug für die Zuordnung, vielleicht gerade mal fünfzehn. Seine Augen sind anders als unsere. Nicht lichtblau, sondern eher in einem Grauton, wie die Wände der Gemeinschaftsgänge, aber viel lebendiger. Anthrazitfarbene Sprenkel lassen sie schimmern und erinnern an die Wellen des Meeres. Doch plötzlich erlischt alles Leben in seinen Augen. Eine Kugel trifft ihn mitten auf die Stirn und reißt diese auseinander.

Ein Keuchen entfährt D523 neben mir. Ich blicke zu ihr und sehe, dass sie sich vor Schreck die Hände vor die Augen hält, während in der Mitte der Arena ein Mann nach dem anderen erschossen wird. Nach zehn Toten endet die Szene und zeigt hunderte nackte Männerleichen, übereinandergestapelt in dem Wald. Sie sind alle gestorben. Abgeknallt wie Zielscheiben. Das ist es, was die Menschen sich auf der alten Erde gegenseitig angetan haben: Sie haben sich verletzt, gefoltert und ermordet.

Eine Frau rennt durch die Straßen einer verwahrlosten Stadt. Es sind nicht die beeindruckenden Hochhäuser aus den Bildern des Atriums, sondern kleine Gebäude, deren Putz bereits von den Wänden auf die Pflastersteine fällt. Im Hintergrund sind die Geräusche von Explosionen oder Gewehrschüssen und die Schreie sterbender Menschen zu hören. Immer wieder dreht sich die Frau in Panik um. Sie schreit um Hilfe, doch niemand kommt, um sie zu retten. Schließlich bleibt sie mit einem Fuß in einem Loch im Asphalt hängen und schlägt der Länge nach hin. Sie rappelt sich sofort wieder auf, aber da ist es bereits zu spät. Ein Mann steht vor ihr, in der Uniform des Feindes. Seine Gesichtszüge sind wie erstarrt. Er presst der Frau eine Waffe an den Schädel und zwingt sie, ihre Kleider abzustreifen. Als sie nackt und weinend vor ihm steht, fleht sie um ihr Leben. Doch der Mann knöpft sich seine grüne Militärhose auf und drückt die Frau gegen die Wand. Ich kann nicht dabei zusehen, was er ihr antut, und wende erneut meinen Blick ab.

D523 ist ganz bleich im Gesicht. Sie presst ihre Hand auf ihre Brust und atmet tief ein und aus, während sie überall hinblickt, nur nicht auf die Mitte der Arena. Die qualvollen Schreie der Frau hallen mir in den Ohren wider und ich bin sicher, dass ich sie niemals werde vergessen können.

Als der Soldat mit ihr fertig ist, tötet er sie mit einem Schuss in den Bauch. Doch sie stirbt nicht sofort, sondern erliegt langsam ihren Schmerzen – einsam und verlassen. Es ist niemand da, der ihr Trost spendet oder ihr eine Hoffnung auf den Himmel gibt.

Die Dokumentation ist die reinste Folter. Immer wenn ich denke, dass es nicht schlimmer werden kann, kommt es noch heftiger. Wir sehen missbrauchte Kinder, Menschen, die bei lebendigem Leib verbrennen, jegliche Art von Qual – zahllose Leichen. Der Film dauert zwei Stunden, die sich wie eine Ewigkeit hinziehen. D523 muss immer wieder würgen. Ihre Haut nimmt einen aschfahlen Ton an und kalter Schweiß bricht auf ihrer Stirn aus. Am Ende spricht einer der Legionsführer zu uns.

»Der Dritte Weltkrieg ist eine Schreckenstat ohnegleichen. Es geht nicht darum, wer ihn begonnen hat, denn verloren haben wir alle. Der Mensch selbst ist sein größter Feind. Nie wieder darf so etwas passieren. Nie wieder dürfen Menschen so etwas einander antun. Nie wieder Missbrauch, Folter, Vergewaltigung. Nie wieder Mord!«

Seine Stimme ist so laut und voll, dass sie von den Wänden der Arena wie ein Echo zurückgeworfen wird. Er hat Recht und ich nicke ernst, so wie viele andere.

»Wir sind die Legion. Unsere Ordnung schützt das letzte Leben.«

Begeistert beginnen wir zu applaudieren. Wann auch immer ich Zweifel hatte, sind sie spätestens jetzt erloschen. Die Erde war ein schrecklicher Ort. Ein Ort ohne Gesetze. Ohne die Legion gebe es kein Leben mehr und die Sicherheitszone ist unser Zuhause.


03. DIE ENTFÜHRUNG

Langsam gewöhne ich mich an meine Arbeit. Sie ist nicht spannend oder ereignisreich, wahrscheinlich sogar unnötig. Das Programm würde das Essen auch ohne meine Kontrolle richtig verteilen. Fehler sind ausgeschlossen.

Trotzdem beginne ich, etwas Positives in meiner Zuordnung zu sehen. Durch die Nahrungszuteilung lerne ich jeden Tag neue Bewohner der Sicherheitszone kennen. Personen, die ich sonst wahrscheinlich nie getroffen oder zumindest nicht wahrgenommen hätte. Ich erfahre Dinge über sie, die ihnen selbst wahrscheinlich kaum bewusst sind. B269 zum Beispiel fährt jedes Mal, wenn er auf sein Essen wartet, mit seinem linken Zeigefinger um seinen rechten Ringfinger.

Unser Schichtführer D375 glaubt, wir würden die Bewohner, deren Essen wir bereits kontrolliert haben, nicht wiedererkennen, weil es so viele Menschen in der Sicherheitszone gibt und man ein Genie sein müsste, um sich sämtliche Bezeichnungen merken zu können. Aber das stimmt nicht. Gerade diese winzigen Eigenarten, die uns voneinander unterscheiden, helfen dabei.

Ein kleines Mädchen, F701, tippt sich immer auf die Lippe, während sie wartet. C515 zieht seine Unterlippe hingegen immer zwischen seine Zähne, sodass man seinen abgebrochenen Schneidezahn sehen kann.

Ich habe darüber nachgedacht, was D523 mir vorgeworfen hat, bin aber bisher zu keinem Ergebnis gekommen. Es stimmt, dass ich mich freue, wenn C515 meiner Kontrolle zugeteilt wird. Ich beobachte ihn gern und es macht mich glücklich, ihn gesund zu sehen. Aber genauso gern schaue ich F701 oder B269 zu. Allgemein freue ich mich immer, wenn ich einen Bewohner wiedererkenne.

Die ganze Überlegung hat mich erst darauf gebracht, dass ich D523 vor den Leistungstests selbst nie gesehen habe. Ich bin mir sicher, dass ich mich an sie erinnern würde. Ihr Pigmentfleck unter dem linken Auge ist doch recht auffällig. Wir entstammen derselben Generation, so wie C515 auch. Eine Generation besteht aus neunundneunzig Menschen, die alle gemeinsam aufwachsen. Erst nach der Zuordnung trennen sich unsere Wege. Im Kleinkindalter werden wir in verschiedene Erziehungsgruppen eingeteilt, aber spätestens im Bildungsunterricht treffen wir wieder aufeinander. Nicht jeden der neunundneunzig erkenne ich wieder, aber D523 ist so einmalig, dass ich sie nicht übersehen haben kann. Allein ihre Art, zu sprechen, ist so fremd, dass ich mich an sie erinnern würde. Ihre Augen sind lebhaft und wild wie ein Sturm auf rauer See, obwohl sie das gleiche Lichtblau haben wie alle anderen auch.

Heimlich blicke ich zu ihr rüber. Konzentriert tippt sie auf den Bildschirm vor sich. Ich kann nichts erkennen und lehne mich deshalb vorsichtig etwas zurück. Ihre Kameraaufnahme zeigt einen jungen Mann. Das Programm gibt acht Cerealienwürfel, eine Vitamintablette, eine Eiweißkapsel und ein Glas Wasser vor. Doch D523 ändert die Einstellung und fügt eine weitere Eiweißkapsel sowie drei Eisenrationen hinzu.

Vor Unglauben werden meine Augen groß und ich stoße ein alarmiertes Keuchen aus. Sofort schnellen D523s Augen zu mir, doch sie wirkt nicht erschrocken, sondern eher genervt – wie üblich.

»Was machst du da?«, zische ich ihr zu.

»Ich passe seine Nahrung an«, gibt sie schulterzuckend von sich, als wäre es das Normalste der Welt.

»Das Programm schlägt aber etwas anderes vor.«

»Dann liegt es eben falsch.«

»Das System versagt nie.«

»Oh doch, und das weißt du«, zischt sie energisch, wobei ihre Augen die meinen fixieren.

Mein Puls beginnt erneut in die Höhe zu schnellen. Gehetzt blicke ich mich in dem vollen Raum um. Hat jemand unser Gespräch belauscht? Alle blicken beinahe leblos auf ihre Monitore. B269 wartet auf seine Nahrung. Ich bestätige die Auswahl des Programms.

»Warum?«, wispere ich in D523s Richtung.

»Das nennt man Rebellion«, flüstert sie verschwörerisch zurück und raubt mir den Atem. Rebellion bedeutet Gefahr und Krieg. Gesetze sind dazu da, befolgt zu werden. Sie schützen uns.

Ich schüttele aufgebracht den Kopf. »Bitte lass das. Es ist falsch.«

Sie legt ihre Hand auf meinen Arm. Warum sie das tut, ist mir rätselhaft. Wir berühren einander nicht.

»Die Legion ist falsch. Sie betrügen uns. Es stimmt nicht, was sie sagen.«

»Was meinst du?«

»Sie verbieten uns, Mensch zu sein. Wir dürfen keine eigenen Entscheidungen treffen. Wir dürfen nicht denken. Sie verbieten uns sogar, zu fühlen.«

»Das stimmt nicht«, behaupte ich sofort. Ich will nicht, dass sie so schlecht über die Menschen spricht, die uns am Leben erhalten.

»Ach nein, und warum hast du dann selbst rebelliert?«

Fassungslos reiße ich die Augen auf und viel zu laut entfährt mir: »Das habe ich nicht! Das würde ich nie tun!«

D375 dreht sich misstrauisch von der vordersten Reihe zu uns um. Schnell schauen wir beide wieder gefesselt auf den Monitor vor uns. Ohne die Vorgaben des Programms überhaupt zu beachten, bestätige ich die Auswahl.

Mein Herz rast. Wie kann sie so etwas nur behaupten? Ich bin kein Rebell! Ich würde nie etwas gegen die Legion unternehmen. Die Sicherheitszone ist mein Zuhause – der einzige sichere Ort in dieser Welt. Ich bin froh, hier sein zu dürfen.

»Du hast erst auch nicht auf mich geschossen. Du hast ihren Befehl missachtet, weil du wusstest, dass es falsch ist. Allein deshalb bist du jetzt hier. Sie stellen Menschen wie dich und mich ruhig.«

Ich halte den Atem an und vor meinen Augen spielt sich erneut die Szene in der Arena ab. Meine Zweifel, auf D523 zu schießen, sind genauso lebendig wie an jenem Tag. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich einem Befehl widersetzt habe. Es fing schon als Kind mit dem Nachthemd an. Ich wollte niemandem damit schaden.

Letztendlich habe ich doch geschossen. Ich bin kein Unruhestifter, trotzdem hat D523 Recht. Wir haben etwas gemeinsam, wir sind beide hier.

Es ist das erste Mal, dass ich die erste Schicht übernehme. Das erste Mal, dass ich um 22.00 Uhr aufstehe, anstatt schlafen zu gehen. Das erste Mal, dass etwas entgegen meinem gewohnten Ablauf geschieht.

Nachts sind sowohl das Atrium als auch die Gänge fast wie ausgestorben. Auch die schönen Bilder des Atriums fehlen vollkommen. Die Wände sind zwar durch ihre Höhe nach wie vor beeindruckend, doch genauso grau und kalt wie der Rest der Sicherheitszone. Es hat seinen Zauber verloren.

Als ich den Überwachungsraum der Nahrungszuteilung betrete, sitzt D523 bereits auf ihrem Platz. Wie alle anderen hebt sie nicht einmal den Blick, doch ich weiß genau, dass sie mich bemerkt hat. Seltsamerweise freut es mich, sie zu sehen. Die meiste Zeit, wenn sie in meiner Nähe ist, habe ich Angst. Angst davor, bei irgendetwas entdeckt zu werden, obwohl ich nie etwas Verbotenes tue, sondern immer nur sie dabei erwische. Wahrscheinlich sollte ich sie einer Aufsicht melden, aber nachdem ich in der Arena auf sie geschossen habe, fühlt es sich an, als wäre ich ihr etwas schuldig.

Mit einem Quietschen lasse ich mich neben sie auf den Stuhl gleiten. Durch meinen Fingerabdruck fährt der PC hoch und das Programm erscheint. Ich überfliege die Bezeichnungen und entdecke das junge Mädchen F701. Wenigstens ein bekanntes Gesicht. Nacheinander rufe ich die Steckbriefe auf und beginne, in ihnen nach Besonderheiten zu suchen.

Nach einiger Zeit drehe ich mich erneut zu D523 um. Sie ist heute erstaunlich ruhig. Im Grunde ist sie genau so, wie man es von ihr erwartet. Aber gerade das ist eigenartig. Sonst spricht sie mich spätestens nach zehn Minuten zum ersten Mal an. Manchmal berührt sie mich auch absichtlich mit dem Ellbogen und deutet auf einen der anderen Mitarbeiter, dem vielleicht gerade die Augen zufallen oder der sich an der Nase kratzt. Sie fängt dann immer an zu lachen, so leise, dass es niemand außer mir hören kann. Aber ich mag ihr Lachen. Es ist wie ein Glockenspiel und lässt mein Inneres warm werden. Meistens fange ich dann auch zu lachen an. Das Gefühl ist mir fremd, aber wenn man einmal damit beginnt, scheint man nicht mehr aufhören zu können. Die Luft, die dabei durch meinen Mund strömt, kitzelt an meinem Gaumen und zieht sich bis in meinen Bauch. Dabei fühle ich mich ungewohnt glücklich. D523 ist seltsam, wahrscheinlich so seltsam, dass sie deshalb eigentlich auf der Krankenstation behandelt werden müsste. Aber sie würde mir fehlen, wenn sie nicht mehr da wäre.

Heute bin ich es, die sie leicht am Arm berührt. Ihre Augen schnellen für den Bruchteil einer Sekunde zu mir rüber. Ein winziges Lächeln zieht sich über ihre Lippen, doch dann widmet sie sich wieder dem Monitor. Ich lasse mich auf dem Stuhl zurücksinken, um sehen zu können, was sie macht. Genau wie ich hat sie die Steckbriefe geöffnet und überprüft sie – nichts Verbotenes. Sie erledigt nur ihre Aufgabe, genau wie ich es auch machen sollte. Doch die Steckbriefe langweilen mich. Im Grunde sind sie alle gleich, weil wir alle gleich sind.

Plötzlich bin ich es, die sich nicht an die Regeln hält. Ich sehne mich förmlich danach, D523 dabei zu beobachten, wie sie etwas anstellt, wie sie aus der Routine ausbricht. Wenn sie es nicht tut, sollte ich es vielleicht mal versuchen.

Meine Finger fahren über die Essensauswahl von F701. Ich weiß, dass sie die Vitamintabletten am liebsten mag, weil sie im Gegensatz zu den anderen Kapseln, Tabletten und Würfeln farbig sind. Es gibt sie in leuchtendem Orange, Pink oder Grün. Für heute soll sie eine grüne bekommen. Ehe ich darüber nachdenken kann, was für Konsequenzen mein Handeln haben könnte, teile ich ihr zusätzlich eine pinke zu.

»Lass das!«, faucht D523 plötzlich ungewohnt scharf.

Ich zucke erschrocken zusammen und fühle mich ertappt, obwohl es zum Glück ja nur sie ist, die mein Handeln bemerkt hat.

»Warum? Du machst das doch auch immer«, flüstere ich zurück und versuche mich damit zu rechtfertigen.

»Das ist etwas anderes.«

»Warum?«

»Weil ich nicht mehr lange hier bin.«

Ich schlucke. Was soll das heißen? Man behält seine Zuordnung meistens für sein ganzes Leben. Es sei denn …

»Wurdest du befördert?« Angst schwingt in meiner Stimme mit. Es wäre einfach nicht fair, wenn sie nach gerade mal zwei Wochen befördert werden würde, während ich hier weiter versauern muss.

Sie schüttelt den Kopf.

»Was ist es dann?«, will ich mit zittriger Stimme wissen. Der Gedanke, ohne sie hier zu sein, bedrückt mich.

Plötzlich hebt sie ihre Hand und für einen Moment fürchte ich, dass sie mich verraten will.

»Entschuldigung«, ruft sie durch den ganzen Raum. »Ich müsste mal auf die Toilette.«

Als D375 sich zu ihr umdreht, sind seine Augen zu Schlitzen verengt, verschwunden ist das schöne grüne Funkeln.

»Es ist noch nicht die Zeit für eine Toilettenpause«, entgegnet er. Wir gehen tagsüber im Abstand von fünf Stunden auf die Toilette, nachts gar nicht.

»Das muss an der Umstellung liegen«, behauptet D523.

D375 zieht eine Augenbraue skeptisch nach oben, aber dann betätigt er den blauen Knopf unter seinem Schreibtisch und ruft damit einen C-ler zu uns. C515 tritt ein.

»C515 meldet sich zum Schutz. Gibt es ein Problem?«

»D523 muss auf die Toilette. Sie scheint Schwierigkeiten mit der Umstellung auf die erste Schicht zu haben. Würden Sie sie bitte begleiten?«

D523 winkt ab. »Ich finde die Toilette schon allein, vielen Dank.«

»Wer sich außerhalb der Regelzeiten in der Sicherheitszone bewegen möchte, benötigt Schutz«, kontert C515 und hält ihr wartend die Tür auf. Ich höre, wie D523 mit den Zähnen knirscht, ihm dann aber folgt.

Mich überkommt das komische Gefühl, dass irgendetwas daran nicht stimmt. Vielleicht hat es sogar damit zu tun, dass sie bald nicht mehr da sein wird. Ich hoffe nur, dass sie sich nicht in irgendwelche Schwierigkeiten bringt.

Nicht mal eine Minute nachdem C515 und D523 gegangen sind, öffnet sich die Tür erneut und zwei andere Kämpfer treten ein.

»In der Nahrungsproduktion gab es einen Systemausfall. D276, D219, D389, D483 und D523 werden zur Aushilfe angefordert.«

»D523 ist auf der Toilette.«

»Um diese Zeit?«

»Es ist das erste Mal, dass sie die erste Schicht übernimmt«, verteidigt D375 sie. Er lässt den Blick durch den Raum gleiten und hält bei mir inne. »Aber nehmen Sie doch D518 mit!«

Der C-ler zögert einen Moment und blickt zu seiner Kollegin. Als diese mit den Schultern zuckt, nickt er mir zu.

Zusammen mit den anderen vier Arbeitern und den beiden Kämpfern verlasse ich den Computerraum. Wir durchqueren das Atrium und betreten den grünen Flur zu den Laboren, in denen auch die verschiedenen Produktionen angesiedelt sind. In diesem Bereich war ich noch nie, aber es erstaunt mich wenig, dass sich der Flur abgesehen von dem grünen Streifen nicht von den anderen unterscheidet. Sowohl links als auch rechts gehen Türen mit unterschiedlichen Bezeichnungen ab.

Vor einem Aufzug am Ende des Gangs bleiben wir stehen. Das wundert mich nun doch, denn ich dachte immer, Aufzüge gebe es nur zu dem Bereich der Legionsführer. Kurz bevor wir den Fahrstuhl betreten, stößt plötzlich eine Frau der vierten Generation zusammen mit einem Mädchen der siebten Generation zu uns.

»Wohin wollen Sie?«, will einer der Kämpfer von ihnen wissen.

»F701 weigert sich, zu schlafen, und hat ihr Bett beschädigt. Sie muss sofort auf die Krankenstation.«

Ich stocke und sehe sie vor mir, wie sie sich beim Warten auf ihr Essen gegen die Unterlippe tippt. Sie wirkte so friedlich, vollkommen harmlos. Nun betrachten sie alle kritisch, als sei sie verrückt. Sie ist damit eine Bedrohung und muss isoliert werden. Ich hoffe, der Arzt kann ihr helfen. Wir treten einen Schritt zurück und lassen die Erzieherin und das Kind einsteigen. Eine der Wachen betätigt einen der Knöpfe und ich spüre, wie sich der Fahrstuhl mit einem Ruck in Bewegung setzt. Eigentlich sollte er sich nach unten bewegen, doch ich glaube zu spüren, wie wir nach oben gezogen werden.

Augenblicklich, wie auf Kommando, ziehen die beiden Kämpfer Gasmasken, die sie sonst nur im Außeneinsatz tragen, über ihre Gesichter. Auch die anderen bemerken es und geraten in Panik.

»Was ist los? Gibt es einen Angriff?«

»Tritt Radioaktivität aus?«

Ihre Fragen verstummen schlagartig. Meine Beine werden plötzlich schwer und ich kann kaum meine Augen offen halten. In meinem Hals breitet sich erst ein Kratzen aus, doch dann gefriert er plötzlich wie zu Eis, ich kann nicht einmal mehr schlucken. Mein ganzer Körper ist wie gelähmt und die Geräusche dringen nur noch wie ein Echo an meine Ohren. Ich spüre den Aufschlag auf den Boden nicht und auch nicht, wie sich die Fahrstuhltür wieder öffnet. Ich bin in stiller Dunkelheit gefangen.

Rauer Fels kratzt unter meinen Fingern. Wenn ich daran reibe, fängt er an, in meinen Händen zu zerbröseln wie Sand. Die Wand hinter mir besteht aus demselben groben Material. Eine Kante bohrt sich unangenehm in meine Schulter. Als ich mich zur Seite rollen will, zischt ein scharfer Schmerz durch meinen Kopf und lässt mich innehalten. Obwohl ich blind bin, beginnt sich alles in mir zu drehen. Bloß nicht die Augen öffnen. Am besten schlafe ich einfach wieder ein.

Mein Körper sackt erneut in sich zusammen. Ich ignoriere meine Schulter, da sie harmlos im Vergleich zu den Schmerzen in meinem Kopf ist. Von weit her höre ich zwei Personen miteinander reden. Beide sind männlich.

»Wo ist sie?«, schimpft einer erbost. Die Stimme ist so wütend, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. So viel Wut und Hass sind mir fremd.

»Du erkennst sie vielleicht nur nicht wieder«, kommt es in einem besänftigenden Tonfall zurück. Der Mann scheint den anderen beruhigen zu wollen.

»Ich würde sie immer wiedererkennen«, knurrt der fremde Mann, dieses Mal jedoch nicht ganz so hart, sondern eher enttäuscht. »Sie ist nicht dabei«, fügt er schließlich noch viel leiser hinzu. Die Traurigkeit in seinen Worten schließt sich um mein Herz. In dem einen Moment dachte ich noch, er wäre der wütendste und grausamste Mensch, den ich je gehört habe, im nächsten Moment tut er mir so leid, dass ich schreien möchte. Ich würde diesen Mann gern sehen, der so viel Gefühl in sich trägt, doch meine Augen sind zu schwer und mein Kopf zu erschöpft. Der Schlaf umfängt mich erneut.

Das Kratzen in meinem Hals lässt mich husten. Ganz trocken fühlt er sich an, während ein leises Wimmern an meine Ohren dringt. Mit der Zunge fahre ich über meine Lippen. Sie sind so trocken, dass meine Zunge an ihnen kleben bleibt, anstatt sie zu befeuchten. Ich räuspere mich und öffne vorsichtig die Augen. Es ist düster. Trotzdem bin mir sicher, noch nie an diesem Ort gewesen zu sein. Gab es einen Unfall?

Mein Blick wandert durch den kleinen Raum und ich zähle neben mir sechs weitere erschlaffte Körper. Von oben fällt Licht in die kleine Zelle. Ich blicke hoch und schirme meine Augen mit der Hand vor der Helligkeit ab. Es ist keine Deckenleuchte. Die Lampe ist rund, doch hat sie eckige Kanten, die keinem Muster zu folgen scheinen. Aber auch das Licht wirkt eigenartig. Es ist viel schwächer als sonst und von einer komischen Farbe, fast orange.

Erneut berühren meine Hände den sandigen Boden. Im Lichtschein reibe ich ihn zwischen meinen Fingern. Er zerfällt und hinterlässt roten Staub auf meiner Haut und meinem braunen Anzug. Was ist das nur für ein eigenartiger Ort? Warum wurden wir hierhergebracht? Haben sie etwa bemerkt, wie ich versucht habe, die Nahrungszuteilung zu manipulieren?

Erneut blicke ich zu den anderen. F701 hat ihre Knie an ihren Körper gezogen und wippt vor und zurück. Ihre Augen sind geweitet und sie zittert. Der Rest schläft oder starrt unbeteiligt vor sich auf den Boden.

»Wo sind wir?«, dringt es aus meinem Mund, doch es hört sich mehr nach einem Kratzen als nach einer Stimme an.

Meine Frage schwebt in der Luft, ohne eine Antwort zu finden. Nur F701 schaut mir hoffnungsvoll entgegen. Sie scheint froh darüber zu sein, dass wieder jemand spricht, denn das Wippen hört auf. Stattdessen kommt sie von der gegenüberliegenden Seite des Raums zu mir gekrabbelt und lässt sich neben mir nieder. Ihr Mund beugt sich an mein Ohr, bevor sie flüstert: »Sie beobachten uns.«


04. DIE VERSTOßENEN

Ich folge F701s Blick zu der schweren Holztür. Bisher habe ich sie nicht wahrgenommen, da sie für mich in dem roten Fels vollkommen untergegangen ist. Vorsichtig stehe ich auf, wobei meine Beine so schwach sind, dass sie zittern und ich mich für einen Moment an der Wand abstützen muss, um nicht wieder zu Boden zu sacken. Mein Magen fühlt sich flau an. Wie lange ist unsere letzte Nahrungseinheit wohl her?

Ich berühre das raue Holz der Tür und zucke erschrocken zurück. Ein kleiner Splitter steckt in meinem Zeigefinger. Ich versuche ihn herauszuziehen, doch es gelingt mir nicht. Erst mit den Zähnen bekomme ich ihn zu fassen und spucke ihn aus. Als ich auf meine Fingerspitze blicke, hat sich ein winziger roter Blutstropfen gebildet, der mich taumeln lässt. Ich muss dringend auf die Krankenstation und desinfiziert werden, damit es keine Entzündung gibt. Was ist das hier nur für ein seltsamer Ort? Die Materialen sind mir alle fremd und wirken wenig steril.

Ich drehe mich im Kreis und halte Ausschau nach einer Kamera. Es gibt in der Sicherheitszone keinen Raum, der nicht videoüberwacht ist, aber entweder ist die Kamera so gut versteckt, dass ich sie nicht finden kann, oder dieser seltsame Raum stellt eine Ausnahme dar. F701 hat gesagt, dass wir beobachtet würden, aber wie kommt sie darauf?

Ich drehe mich zu ihr um. »Weißt du, wer uns beobachtet? Hast du jemanden gesehen?«

Sie nickt verschüchtert.

»Wen?«

Anstatt mir zu antworten, starrt sie mich nur mit großen Augen an.

»Ein Arzt?«, hake ich nach.

Sie schüttelt den Kopf.

»Ein Legionsführer?«, frage ich hoffnungsvoll, doch ihre Antwort bleibt die gleiche. »Ein Kämpfer?«

Dieses Mal schüttelt sie nicht den Kopf, sondern zögert. »Er trug Schwarz«, sagt sie schließlich mit zittriger Stimme. Das verstehe ich nicht! Es gibt in der Legion keine Einheit, die Schwarz trägt. Ich erinnere mich schwach daran, ein Gespräch zwischen zwei Männern belauscht zu haben. Der eine von ihnen hatte nach jemandem gesucht, aber denjenigen nicht gefunden.

»Vielleicht ist es ein Experiment, das den Schutz in der Sicherheitszone verbessern soll«, versuche ich sie zu beruhigen, wobei es mir selbst schwerfällt, an meine eigenen Worte zu glauben.

Nun regt sich auch ein Mann der zweiten Generation. Er hat mit mir in der Nahrungszuteilung gearbeitet – D276.

»Wir sind nicht mehr in der Sicherheitszone.« Es ist eine schlichte Feststellung, ohne jegliche Deutung oder Emotion.

»Woher weißt du das?«

»Schau dich doch um! Überall Dreck und Staub! Die Luft muss voller Bakterien sein. Glaubst du etwa, die Legionsführer würden uns einer solchen Gefahr aussetzen?«

Er erwartet keine Antwort auf seine Frage. Der sandige Boden unter meinen Füßen knirscht, als ich mich zurück neben F701 setze. Ich kann dabei zusehen, wie das Licht der Oberbeleuchtung ganz langsam von Orange zu einem dunklen Blau wechselt.

»Das ist der freie Himmel«, erklärt D276, und wie zur Bestätigung fällt ein Tropfen durch das Loch direkt auf meine Nasenspitze. Ich keuche erschrocken auf und wische ihn entsetzt weg, als handle es sich um Gift und nicht um Wasser. Das ist Regen – radioaktiv verseuchter Regen.

Der zweite Tropfen fällt durch das Loch, dieses Mal auf meine Schulter. Panisch stürze ich gemeinsam mit F701 zur anderen Seite unserer Zelle, so weit weg wie möglich von dem giftigen Regen, der nun immer stärker wird. In der Sicherheitszone gibt es keinen Regen, genauso wenig wie Schnee, Sonnenschein oder Wind.

Trotz des Niederschlags beginne ich zu schwitzen und realisiere zum ersten Mal, wie ungewöhnlich warm es an diesem Ort ist. Es müssen mehrere Grade über der idealen Temperatur sein.

»Wir werden sterben«, stößt F701 panisch aus und blickt mich verzweifelt an. Sie will, dass ich ihr widerspreche, doch ich kann nicht. Wenn wir hier an der freien Luft sind, ist das unser sicheres Todesurteil. Die Radioaktivität wird uns töten, innerhalb von spätestens drei Monaten sind wir alle tot.

Nun beginnen auch die anderen, sich unruhig hin und her zu wälzen. Der Tod macht ihnen genauso viel Angst wie mir. Das Leben in der Sicherheitszone ist vielleicht nicht aufregend oder abwechslungsreich, aber es ist sicher. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, weil die Legionsführer über uns wachen. Jeder hat seine Aufgabe und solange wir diese erfüllen, brauchen wir nichts zu fürchten.

Die Erzieherin von F701 beginnt schwer zu atmen. Sie versucht sich zu beherrschen und atmet tief ein und aus, doch damit inhaliert sie die giftigen Stoffe in der Luft erst recht. Als ihr das bewusst wird, wird sie ganz bleich. Ihre Haut bekommt fast einen grünlichen Schimmer, bevor sie sich in der Mitte des Raums übergibt. Sie spuckt Galle, da sonst nichts in ihrem Magen ist.

Andere greifen sich an den Hals, als wollten sie sich das Atmen verbieten.

Plötzlich öffnet sich die Tür mit einem lauten Ruck und wir drängen uns dicht aneinander in die hinterste Ecke des Raums.

Ein Mann tritt in die Zelle. Er sieht anders aus als jeder männliche Bewohner der Sicherheitszone. Sein ganzer Körper ist viel breiter und größer, als es die Norm vorschreibt. Er trägt schwarze Kleidung, doch keinen Anzug, sondern es scheinen vielmehr eine Hose und ein Oberteil zu sein. Sie fallen weit um seinen Körper, anstatt eng anzuliegen. Nur seine schwarzen Stiefel gleichen den unseren. Er erinnert mich an die Menschen der alten Erde und ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich an die Gräueltaten des Dritten Weltkriegs denke. Steht uns ein ähnliches Schicksal bevor?

Der Mann schmeißt einen grauen Lappen auf das Erbrochene von D456 und wischt es mit einem angewiderten Gesichtsausdruck auf. Auf seinem Kopf trägt er eine dunkelblaue Mütze aus dickem Material, doch darunter kommt dunkles Haar zum Vorschein, wie das Fell von Tieren. Es ist fast schwarz, doch es sieht so weich aus, dass ich es am liebsten berühren würde, um zu wissen, wie es sich anfühlt. Seine Augenbrauen haben die gleiche dunkle Farbe und betonen das leuchtende Grün seiner Augen. Sein Mund wird von einem schwachen Kranz aus dem ebenfalls dunklem Haar eingerahmt – ein Bart!

In der Sicherheitszone haben wir keine Körperbehaarung, weil Haare Nährboden für Bakterien sind. Obwohl ich mich vor dem fremden Mann und seinem unhygienischen Äußeren ekeln sollte, kann ich den Blick nicht von ihm abwenden. Er ist so fremd und schön zugleich. Fast bin ich enttäuscht, als er sich wieder erhebt und der Tür zuwendet. In deren Schatten erkenne ich die Statur eines weiteren Mannes. Er ist kleiner und schmaler als der andere, aber immer noch größer als ich. Etwas an seiner Haltung wirkt bedrohlich auf mich. Unruhig tritt er von einem auf den anderen Fuß und hat die Arme vor der Brust verschränkt. F701 spürt die Gefahr, die von ihm auszugehen scheint, ebenfalls und drückt sich etwas fester an mich.

»Vielleicht haben sie Hunger«, sagt der Mann mit den schönen grünen Augen. Durch seinen Bart fällt es mir schwer, ihn einer Generation zuzuordnen. Vielleicht gehört er zur vierten?

»Dann haben sie Pech«, kommt es von dem anderen kalt zurück. Ich erstarre und erinnere mich an ein Gespräch, von dem ich nicht weiß, ob es real ist oder nur in meiner Fantasie stattgefunden hat.

Sie ist nicht dabei.

Das war seine Stimme, da bin ich mir sicher. Neugierig hebe ich den Kopf und versuche mehr von ihm zu sehen, um der Stimme ein Äußeres zu geben, doch da schließt sich die Tür bereits.

»Verstoßene«, zischt D276 mit dem gleichen Ekel, der in dem Gesicht des Fremden lag, als er die Galle aufgewischt hat.

Ich reiße fassungslos die Augen auf. Was D276 da andeutet, ist unmöglich. Wenn diese beiden Männer wirklich Verstoßene sind, wie konnten sie außerhalb der Sicherheitszone überleben?

Die Fragen beginnen sich in meinem Kopf zu überschlagen. Warum halten sie uns gefangen? Wollen sie sich an uns dafür rächen, dass sie verstoßen wurden? Aber warum zögern sie dann? Sie hätten uns nicht entführen müssen, sondern schon längst töten können. Es sei denn, sie wollen die Legion mit uns erpressen.

»Die Legion wird uns retten«, stößt D389 aus und nickt, wie um sich selbst zu überzeugen, mit dem Kopf.

»Dafür müssten sie wissen, wo wir sind«, kontert D276.

»Sie haben Ortungsgeräte. Sie finden uns.«

»Wir sind radioaktiv verseucht.«

»Sie können uns heilen.«

»Wir werden sterben.«

Es ist hoffnungslos. Selbst wenn die Legion uns findet, können sie uns nicht retten. Was werden sie dann mit uns tun? Oder suchen sie gar nicht ernst nach uns? Haben sie uns bereits aufgegeben?

Ein Zittern geht durch F701s Körper. Auch das verzweifelte Wimmern kehrt zurück und erneut beginnt sie, sich hin und her zu wiegen.

»Hör auf damit«, zischt ihr D456 warnend zu. »Benimm dich nicht, als wärst du verrückt!«

F701 starrt sie mit großen Augen an, aber sie kann nicht aufhören, stattdessen wird ihr Schluchzen nur lauter. Obwohl es D456 sichtlich elend geht, vergisst sie nicht die ihr zugewiesene Aufgabe als Erzieherin. Vielleicht gibt sie F701 auch die Schuld an ihrer Misere. Denn sie befand sich nur ihretwegen in dem Aufzug, weil sie das Kind zur Krankenstation bringen musste.

F701 bräuchte dringend Medikamente, die sie ruhigstellen, aber so etwas gibt es hier nicht. Aus ihrer Kehle dringen mir fremde Laute. Während sich die anderen vor ihnen fürchten, nehme ich sie in mich auf und versuche sie zu analysieren. Sie sind Zeichen von Gefühlen, die in der Legion verboten sind, die ich trotzdem intuitiv zuordnen kann: Angst. Trauer. Einsamkeit.

Meine Hand legt sich behutsam auf den Arm des kleinen Mädchens. Ich weiß nicht, warum ich mich so verhalte, denn es ist nichts, was man mir in der Sicherheitszone beigebracht hätte.

Mit großen Augen blickt sie mir entgegen. Das Schluchzen wird leiser und das Zittern lässt nach. Ich sehe ein feuchtes Glitzern auf ihrer schmutzigen Wange. Fast automatisch lege ich ihr meine andere Hand auf das Gesicht und wische die Nässe fort. Ungläubig betrachte ich sie auf meiner Handfläche – Tränen!

Trotz unserer Gefangennahme durch die Verstoßenen und unserer ungewissen Zukunft kann ich dem Ganzen etwas Positives abgewinnen. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich einen echten Sternenhimmel, jedenfalls einen winzigen Ausschnitt davon. Ich blicke durch das Loch in der Decke. Die Sterne leuchten heller, als ich es mir je vorgestellt hätte. Sie sind nicht im Geringsten mit den leblosen Bildern des Atriums zu vergleichen. Wie unzählige leuchtende Steine liegen sie auf dem dunkelblauen Himmel. Völlig in sich ruhend und ohne jede Bewegung. Sterne sind ewig. Sie lassen sich nicht von Atombomben und Kriegen erschüttern.

Wenn ich innerhalb der nächsten Tage sterbe, werde ich mehr gesehen haben als die meisten Bewohner der Sicherheitszone in ihrem ganzen Leben.

Am nächsten Morgen öffnet sich die schwere Holztür erneut. Der Mann mit den schönen grünen Augen tritt ein. In seinen Händen hält er einen großen braunen Klumpen, der einen fremden, aber herrlichen Duft verströmt. Ich kann ihn nicht beschreiben, da er mit nichts vergleichbar ist, das ich kenne.

Der Fremde streckt uns den Klumpen entgegen, während er in der anderen Hand eine silberne Feldflasche hält.

»Frühstück!«, erklärt er mit einem Grinsen, doch erntet nur fragende Gesichter. Alles an ihm ist fremd. In der Sicherheitszone grinst niemand. Ich verstehe nicht einmal seine Sprache. Frühstück? Was soll das sein?

Er schüttelt die Feldflasche und wir hören das bekannte Gluckern von Wasser. Meine Miene hellt sich auf. Frühstück muss so etwas wie die Morgenration sein.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739390796
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juli)
Schlagworte
Dystopie Apokalypse SciFi Romantasy Science Fiction Romance Fantasy

Autor

  • Maya Shepherd (Autor:in)

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Kindern und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.
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Titel: Die Verstoßenen