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Die verbotene Farbe

von Maya Shepherd (Autor:in)
112 Seiten
Reihe: Die Grimm-Chroniken, Band 9

Zusammenfassung

Samt eines kühlen Lufthauchs trat eine Gestalt in einem roten Umhang ein. Sie streifte sich die Kapuze vom Kopf und zum Vorschein kam ein etwa sechzehnjähriges Mädchen. In gewisser Weise wirkte sie wie eine ältere und taffere Version von Rotkäppchen, nur dass sie außer eines Korbes mit Wein und Kuchen auch noch eine große, scharfe Sense bei sich trug.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Was zuvor geschah

1796–1798

Engelland besitzt weder eine Sonne noch einen Mond, dadurch kommt es in der Nacht vermehrt zu Verbrechen und die Pflanzen der Bauern wachsen nur schlecht. Als der Wal mit dem Turm der Erdenmutter seine Runden um die Insel dreht, beschließt Dorian, die Schöpferin ihrer Welt noch einmal aufzusuchen. Die schwangere Mary bleibt zurück, da die Reise für sie zu anstrengend wäre.

Am Morgen des achten Tages kehrt Dorian in einem Ruderboot nach Engelland zurück und wird bereits von Mary am Strand erwartet. Er hat zwei Babys bei sich, welche in dicke Decken gewickelt sind, sodass ihre Gesichter nicht zu erkennen sind. Als Mary einen Blick auf sie werfen möchte, hält Dorian sie davon ab, da er der Erdenmutter versprechen musste, dass Mary keines der Kinder zu sehen bekommen wird. Er schickt sie zurück ins Schloss, wo sie auf ihn warten soll, und bricht mit den Kindern in den Wald auf.

Als er zurückkehrt, hat er nur noch ein Kind bei sich und der Mond erstrahlt in dieser Nacht zum ersten Mal am Himmel. Das Kind bleibt sieben Tage bei ihnen, bevor es auf wundersame Weise verschwindet und in Engelland die Sonne aufgeht.

Dorian ist seit seiner Reise zur Erdenmutter sehr verschlossen und verhält sich Mary gegenüber abweisend. Sie ahnt, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, aber er weigert sich, darüber zu sprechen, und beginnt stattdessen, im Königreich nach freiwilligen Männern zu suchen, um eine Armee zu bilden, welche Engelland vor Feinden beschützen soll.

Mary möchte auch etwas tun, um ihr Zuhause zu verteidigen. Von Marie Hassenpflug erfährt sie, dass im Wald eine Hexe namens Baba Zima leben soll. Mary sucht diese auf und erfährt, dass Baba Zima die Mutter der Frau ist, welche in Engelland den Tod verkörpert. Sie bittet die Hexe, sie in Magie zu unterrichten, dafür verlangt Baba Zima jedoch, für keine ihrer Taten jemals bestraft zu werden. Mary willigt mit einem unguten Gefühl ein.

Eines Morgens werden im Garten der Königin ein Mann und eine schwangere Frau dabei erwischt, wie sie versuchen, Rapunzeln zu stehlen. Man führt sie vor Mary, dabei erkennt sie in der Frau die Erdenmutter wieder. Diese behauptet jedoch, nicht zu wissen, wen Mary in ihr zu sehen glaubt. Stattdessen stellen ihr Mann und sie sich als Rumolt und Freya Stein vor.

Die beiden entschuldigen sich für ihr Vergehen und rechtfertigen es damit, dass Freya durch die Schwangerschaft einen unstillbaren Appetit auf Rapunzeln hatte. Anstatt sie zu bestrafen, erteilt Mary ihnen die Erlaubnis, so viele Rapunzeln aus ihrem Garten zu nehmen, wie sie brauchen.

Baba Zima sagte ihnen zudem voraus, dass sie ein Kind bekommen würden, das in der Lage wäre, Stroh zu Gold zu spinnen. Sie ist eine erfahrene Frau und so steht sie Mary auch bei ihrer Schwangerschaft beratend zur Seite. Sie stellt fest, dass Mary Zwillinge erwartet, und prophezeit ihr, dass eines ihrer Kinder böse und das andere gut sein wird. Sie werden noch im Mutterleib einen Kampf ausfechten, den nur eines von beiden überleben kann. Das andere Kind wird tot zur Welt kommen.

Dorian scheint von der Nachricht noch mehr schockiert zu sein als Mary. Er bricht noch am selben Tag zu den Grenzen des Königreichs auf, während Mary nach einer Möglichkeit sucht, beide Kinder lebend zur Welt bringen zu können. Sie besucht den See des versunkenen Mondes, der einen Blick in die Zukunft gewähren soll. Über das Wasser schwimmen weiße Schwäne, welche die Seelen der ungeborenen Zwillinge in sich tragen. Unter ihnen befindet sich nur ein schwarzer Schwan, der das böse Kind in Mary symbolisiert. Eines der weißen Tiere erhebt sich gegen ihn und die beiden beginnen, zu kämpfen, so wie es auch die Kinder in Marys Bauch tun werden.

Der schwarze Schwan siegt über den weißen, indem er diesen tötet. Mary fürchtet nun, dass sie ein böses Kind zur Welt bringen könnte. Doch Baba Zima erinnert sie daran, dass nicht alles Schwarze böse ist, ebenso wenig wie ein heller Schein über eine verdorbene Seele hinwegtäuschen kann.

Die Monate vergehen und Dorian kehrt gerade rechtzeitig nach Hause zurück, bevor bei Mary die Wehen einsetzen. Es ist eine sehr anstrengende Geburt, die sie beinahe das Leben kostet. Nachdem sie das erste Kind zur Welt gebracht hat, wird sie bewusstlos. Als sie wieder zu sich kommt, überreicht Marie ihr ihre Tochter, die Margery getauft wird, und gesteht ihr, dass das zweite Kind tot ist. Dorian ist mit ihm zum See des versunkenen Mondes aufgebrochen, um es dort zu beerdigen.

Mary macht ihm daraus einen Vorwurf, dass sie sich gern von dem Kind verabschiedet und es wenigstens einmal im Arm gehalten hätte. Als sie wenige Tage nach der Geburt versucht, mit ihm darüber zu sprechen, lässt er sie erneut allein und geht zurück zu den Grenzen des Reiches, um diese vor Feinden zu verteidigen.

Seitdem Marys Tochter auf der Welt ist, hört es nicht mehr auf, zu schneien. Wie durch ein Wunder erblühen jedoch im Schlossgarten rosafarbene Rosen. Mary deutet es als Zeichen zu Ehren ihres Kindes, welches verstorben ist. Sie stellte es sich immer als Mädchen vor und gibt ihm den Namen Rosalie.

Das überraschende Erblühen der Rosen bringt Mary auf eine Idee, wie sie ihr Reich mithilfe von Magie zu schützen vermag. Gemeinsam mit Baba Zima sucht sie eine der Grenzen des Reiches auf und lässt durch Blutmagie eine magische Dornenhecke wachsen, welche die ganze Insel umschließt. Die Hecke nährt sich von dem Blut ihrer Feinde. Immer wenn sie ein Leben nimmt, erblühen rote Rosen.

Margery ist ein schwieriges Kind, das nie zufrieden zu sein scheint. Als sie ihre ersten Zähne bekommt, beißt sie Mary und trinkt von ihrem Blut, als diese sie stillen möchte. Mary erkennt, dass ihre Tochter ein geborener Vampir ist. Es schockiert sie jedoch nicht, da ihr bewusst war, dass dies passieren könnte. Sie lässt Margery von sich trinken, woraufhin diese deutlich ruhiger und ausgeglichener wird.

Mary setzt der Blutverlust jedoch zu und sie wird davon schwach. Als Marie Hassenpflug erfährt, was Margery ist, wendet sie sich aus Angst von Mary ab. Baba Zima warnt Mary davor, dass sie ihre Tochter nicht immer nur mit ihrem Blut ernähren können wird. Irgendwann wird sie ihr auch Blut von anderen Menschen geben müssen.

Aufgrund des nicht enden wollenden Schneefalls breiten sich eine Hungersnot und Krankenheit aus. Die Bewohner Engellands geben dem Kind der Königin die Schuld und verbreiten Gerüchte über es. Angelockt davon, kommt ein Vampirjäger nach Engelland, um das Unglückskind zu töten. Er sucht Mary in ihrem Schloss auf, die ihn nur empfängt, um ihn von ihren Wölfen zerfleischen zu lassen. Der Fremde stellt sich als Jacob Grimm heraus. Er kam, um ein Vampirkind zu töten, doch nun, wo er weiß, dass Mary die Mutter ist, bittet er sie, bleiben zu dürfen, um sie und ihre Tochter vor Feinden zu beschützen.

1812

Ember führt Margery in den Wald, zu einem Lebkuchenhaus. Dort wohnt die Hexe Baba Zima, welche mit den Süßigkeiten versucht, Kinder zu sich zu locken. Die Jungen verspeist sie und die Mädchen bringt sie der Königin für ihr Blutbad. Nur eines hat sie bisher verschont – Gretel. Nachdem ihr Bruder der Hexe zum Opfer gefallen ist, hält diese sich das Mädchen als Magd. Um nicht so allein zu sein, hat Gretel einen Frosch, mit dem sie heimlich spricht.

An diesem Tag ist Baba Zima auf dem Weg zur Königin. Ihre Abwesenheit will Ember nutzen, um in deren magischem Ofen einen Zauber durchzuführen. Sie gibt verschiedene Zutaten ins Feuer, bis sie eine Masse ergeben. Diese formt Ember in den Flammen mit bloßen Händen zu Schuhen aus Glas. Wer immer die Schuhe trägt, wird unsichtbar. Ember will sie Margery für ihren sechzehnten Geburtstag leihen, um sie vor der Königin verstecken zu können, sodass diese sie nicht töten kann.

Die Hexe kehrt unerwartet früher zurück, sodass Ember und Margery gezwungen sind, vor ihr zu fliehen. Dabei verliert Ember einen gläsernen Schuh und läuft zurück, um ihn zu holen. Baba Zima fesselt sie durch einen Zauber an den Boden. Ember nutzt ihre eigene Feuermagie, um sich zu wehren. Sie kann Flammen heraufbeschwören und sich komplett von ihnen einhüllen lassen. Dadurch gelingt es ihr, zusammen mit Margery zu entkommen.

Ember ist ein Phönix, so wie auch ihre Mutter Maria Harms. Bevor sie nach Engelland kam, lebte sie im Jahr 1600 in Paris. Dort erfror sie eines Nachts. Anstatt zu sterben, ging sie jedoch in Flammen auf und erwachte in einem neuen Leben.

Einige Tage später belauscht Margery im Westflügel ein Gespräch zwischen Wilhelm und Jacob. Dabei erfährt sie, dass die Königin ein Medaillon besitzt, durch das sie Macht über Wilhelm ausüben kann. Jacob will versuchen, dieses zu finden, um seinen Bruder zu befreien. Sie sprechen außerdem beide in Rätseln und scheinen alles, was geschieht, für einen Traum zu halten.

Nachdem Jacob durch einen Geheimgang den Raum verlässt, stellt Margery Wilhelm zur Rede. Dieser verhält sich zurückhaltend und will mit der Wahrheit nicht herausrücken. Er ist jedoch der Überzeugung, dass dies nicht die Wirklichkeit, sondern nur eine Erinnerung sei, die nicht verändert werden könne.

Margery will ihn vom Gegenteil überzeugen und ihm beweisen, dass sie immer eine Wahl haben. Sie küsst ihn. Obwohl es ihr erster Kuss ist, kommt ihr die Situation vertraut vor.

Als sie den Raum verlassen, treffen sie Rumpelstilzchen vor der Tür an, der sie beobachtet zu haben scheint. Er erinnert sie daran, dass die Königin ihren Tod will und sie Wilhelm sogar dazu bringen könnte, Margery zu töten.

2012

Joe findet Maggy bewusstlos in ihrem Zimmer auf. Er hat in den ›Grimm-Chroniken‹ gelesen, dass sie in den goldenen Apfel gebissen hat, um zu Will nach Engelland zu gelangen. Im Gegensatz zu ihr weiß er, dass sie Gretel ist. Er kann ihr jedoch in die Welt aus Traum und Erinnerung nicht folgen, da er dort selbst als Hänsel starb und somit kein Teil der Geschichte mehr ist.

Stattdessen sucht er nach einem Weg, um ihr in der Realität zu helfen, und beschließt, Ember Harms, den Phönix, zu finden. Bei seiner Recherche im Internet stößt er auf ihren Namen im Zusammenhang mit einer Kunsthandwerksausstellung in Königswinter. Deshalb beschließt er kurzerhand, dorthin zurückzukehren. Kurz vor seinem Aufbruch ruft er den Notarzt, um sichergehen zu können, dass man sich um Maggy kümmern wird.


Treue Freundin

Engelland, Schloss Drachenburg, April 1801

Der Mond stand hoch am Himmelszelt, eingerahmt von unzähligen Sternen. Sein silbriger Schein spiegelte sich in der ruhigen Wasseroberfläche, sodass man hätte meinen können, er läge auf dem Grund des Sees begraben. In der Ferne heulte ein Wolf voller Sehnsucht und Schmerz. Er vermisste, was er nie besitzen würde. Ich fühlte mit ihm, denn auch ich trauerte um das Leben, welches nie ein Teil dieser Welt gewesen war.

Nacht für Nacht zog es mich an den See des versunkenen Mondes. Dorthin, wo mein Kind begraben lag.

Rosalie.

Hier fühlte ich mich ihr näher als irgendwo sonst auf der Insel. Die roten Rosen meines Gartens waren längst verdorrt und unter einer dicken Eisschicht erfroren. Sie erblühten nur noch an der Dornenhecke, immer dann, wenn ein Feind ihren Dornen zum Opfer fiel und sein Blut die Hecke tränkte. Die Rosen trugen eine grausame Schönheit in sich, die Gefahr verkündeten.

Wenn ich an mein Mädchen dachte, das ich verloren hatte, wollte ich nichts von dem Krieg und seinen Schrecken wissen. Die Erinnerung an sie sollte von nichts getrübt werden. Ich hätte sie lieben können, alle beide. Den weißen und den schwarzen Schwan, ganz gleich, ob gut oder böse. Eine Mutter vermag nicht zu unterscheiden, sie liebt bedingungslos.

Meine Liebe für Schneeweißchen schmälerte nicht meine Trauer um den Verlust ihrer Schwester Rosenrot. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte.

Plötzlich nahm ich auf der anderen Seite des Sees eine Bewegung wahr und ein einzelner weißer Schwan glitt über die Oberfläche. Er strahlte etwas Majestätisches aus, wie er mit seinem strahlenden Gefieder der Dunkelheit des Wassers und des Waldes trotzte. Nichts vermochte seine Reinheit zu trüben. Er zog seine Kreise und tanzte über die Wellen zu einer Melodie, die man nur mit dem Herzen zu hören vermochte.

Ich hätte ihm ewig zuschauen können, erfüllt von Wehmut. Doch meine Anwesenheit blieb nicht unbemerkt. Das edle Tier spürte meinen Blick auf sich und wandte mir den Kopf zu. Seine dunklen Augen musterten mich, ehe es begann, in meine Richtung zu schwimmen. Je näher es kam, umso schneller schlug mein Herz. Meine Finger kribbelten vor Sehnsucht. Ich wollte sein weiches Gefieder berühren und ihm einen Kuss auf das Haupt hauchen.

Du schöner Schwan, der du so einsam deine Kreise ziehst.

Als er nicht mehr fern vom Ufer war, hielt er inne und beäugte mich erneut. Wir sahen einander an und ich legte mein Herz vor dem Tier offen. Auf einmal erhob es sich, breitete die großen Flügel aus und schlug heftig mit ihnen das zuvor so ruhige Wasser auf. Ein zarter Windstoß traf mich und trug den Gestank von Fäulnis zu mir. Von Tod.

Der Schwan, der zuvor so sanft über den See geglitten war, schrie bei meinem Anblick. Ein hoher, qualvoller Laut, der mich bis ins Mark erschütterte. Dann stürzte er sich auf mich. Mit seinen Flügeln schlug er nach mir, sodass die Federn flogen. Die Krallen an seinen schwarzen Füßen zerkratzten mir die Haut. Sein spitzer Schnabel zielte auf meine Augen. Das Tier hasste mich abgrundtief. Ich brachte in ihm das Böse hervor.

Mir meiner Schuld bewusst, versuchte ich, mich nicht gegen seinen bodenlosen Zorn zu wehren, sondern hielt nur die Arme über dem Kopf verschränkt. Sollte es wüten und schreien, bis der Schmerz verging.

»Warum hast du mich sterben lassen, Mutter?«, rief das Tier voller Verachtung. Es hatte die Stimme eines Mädchens. »War mein Leben weniger wert als das deiner anderen Tochter?«

Ich wollte dem weißen Schwan erklären, dass ich keine Entscheidung getroffen hatte. Weder für ihn noch gegen ihn. Ich hatte den Lauf des Schicksals nicht aufhalten können und war machtlos gewesen. Wenn es irgendetwas gegeben hätte, das ich hätte tun können, hätte ich nichts unversucht gelassen. Mein eigenes Leben hätte ich gegeben. Das eines jeden.

Doch kein Ton verließ meine Lippen. Sie waren wie zugenäht und alles, was ich sagen wollte, blieb in meinem Herzen verschlossen.

»Ich hasse dich! Du hast mich getötet.«

Nein. Nein. Nein!

Ich schluchzte voller Verzweiflung, ließ meine Deckung sinken und breitete meine Arme aus, um dieses zornige, verlorene Kind in meine Arme zu schließen und seinen Hass mit meiner Liebe zu ersticken. Aber meine grenzenlose Zuneigung erreichte es nicht, stattdessen erlosch meine Sehkraft. Allumfassende Finsternis hüllte mich ein.

Mit tränenfeuchtem Gesicht schreckte ich schreiend aus dem Traum empor. Ich hatte ihn schon in so vielen Nächten geträumt und trotzdem suchte er mich immer wieder heim. Er begleitete mich dann den ganzen Tag und ließ mich nicht mehr los. Am Abend fürchtete ich mich vor der Nacht und wäre am liebsten gar nicht zu Bett gegangen, nur um diese Schrecken nicht noch einmal erleben zu müssen.

Es waren meine Trauer und meine Schuldgefühle, weil ich nicht in der Lage gewesen war, meinen beiden Kindern das Leben zu schenken.

Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn und mein Blick wanderte zum Fenster. Es bot einen grauen und diesigen Anblick. Schneeflocken rieselten zu Boden. Schon wieder. Es war das fünfte Jahr seit Margerys Geburt und es hatte seitdem nicht mehr aufgehört, zu schneien. Engelland war unter einer dicken Schneeschicht begraben und mein Volk litt unter einer bitterlichen Hungersnot, gegen die ich nichts auszurichten vermochte. Die Blutäpfel, die mein Geschenk hatten sein sollen, waren nun golden und ein Biss von ihnen brachte den Schlafenden Tod.

An der Dornenhecke starben jeden Tag Männer, die tapfer hinausgezogen waren, um die Insel, ihre Familien und ihre Königin vor dem Feind zu schützen. Sie kämpften Seite an Seite mit Dorian, den ich nur noch so selten sah, dass es mir immer schwerer fiel, mich daran zu erinnern, warum ich mich einmal so haltlos in ihn verliebt hatte.

In dieser dunklen Zeit war Margery meine Sonne. Wärme durchströmte mich beim bloßen Gedanken an sie. Da war dieses Gefühl, das mich immer erfasste, wenn ich meine Tochter ansah und der Rest der Welt hinter ihr verblasste. In diesen Augenblicken sah ich nur ihr wunderschönes Gesicht und alles andere wurde zur Kulisse.

Es bekümmerte mich, dass ich ihr nicht die Mutter sein konnte, die ein vierjähriges Mädchen voller Bewegungsdrang gebraucht hätte. Oft fühlte ich mich schwach und kraftlos. Meine Hände zitterten bei der kleinsten Anstrengung und meine Beine schmerzten unerträglich, wenn ich mich nicht alle paar Minuten ausruhte. Es war fast, als könnte ich spüren, wie das Leben aus mir wich.

Noch konnte ich aufrecht stehen und mich frei im Schloss bewegen. Aber irgendwann würde eine Zeit kommen, in der ich es nicht einmal schaffen würde, den kleinen Finger zu heben, und an mein Bett gefesselt wäre. Der Tod machte mir keine Angst, aber ich wollte mein geliebtes Mädchen nicht in solch einer gefährlichen Welt zurücklassen. Der Frieden sollte einkehren, bevor ich starb. Ich wollte sie in Sicherheit wissen.

Etwa einmal im Monat kamen Boten von der Dornenhecke und brachten mir eine Liste mit Namen der Männer, die dem Krieg zum Opfer gefallen waren. In Spiegeltal gab es mitten auf dem Marktplatz ein Denkmal für alle gefallenen Helden. Es zeigte einen tapferen Kämpfer, umringt von Dornen und Rosen. Der Sockel der Statue trug die Namen der Verstorbenen. Jedes Mal, wenn neue Namen dazukamen, wurden sie von einem Steinmetz eingehauen, sodass die Hinterbliebenen ebenfalls Gewissheit erlangten. Viele Tränen wurden zu dieser Zeit vergossen.

Jedes Mal, wenn ich eine neue Liste erhielt, ging ich die Namen durch und versuchte, mich an die Menschen zu erinnern, die zu ihnen gehört hatten. In den Anfängen Engellands hatte ich noch jeden Bewohner beim Namen gekannt, aber irgendwann hatte ich den Überblick verloren, sodass mir nun viele Namen völlig fremd waren.

Als ich dieses Mal jedoch die Aufzählung las, stockte ich bei einem Namen und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

Georg Hassenpflug

Maries Mann war gestorben. Er hinterließ nicht nur eine Frau, sondern auch zwei hilflose kleine Kinder.

Die Familien der Verstorbenen wurden mit einem Sack voll Gold entschädigt. Aber was nützten ihnen Münzen, wenn es durch den eisigen Winter und die damit verbundene Hungersnot nichts zu essen gab, was sie hätten kaufen können?

Obwohl Marie und ich kaum noch Kontakt hatten, seitdem sie erfahren hatte, was Margery war, fühlte ich mich verpflichtet, ihr die traurige Nachricht selbst zu überbringen. Ich war es ihr schuldig, um der Freundschaft willen, die uns einst miteinander verbunden hatte. Insgeheim hoffte ich vielleicht sogar, dass es uns einander wieder näher bringen würde, denn sie hatte mir in den Jahren gefehlt.

Ich ließ ein Pferd aufzäumen, schlüpfte in meine festen Stiefel und hüllte mich in den dicksten Umhang, den ich besaß. Die Belegschaft des Schlosses reagierte bestürzt, als sie erfuhr, dass ich allein in den Wald reiten wollte. Für gewöhnlich verließ ich nur noch selten die Drachenburg.

Gerade als ich den Ausgang passieren wollte, stellte sich Jacob mir in den Weg. Er trug seine Reitmontur – bereit zum Aufbruch.

»Mary, der Schneefall hat gerade wieder eingesetzt. Du solltest das Schloss in deinem Zustand besser nicht verlassen. Sag mir, was du erledigen willst, und ich werde es für dich übernehmen.«

Jacob war mir seit seiner Ankunft in Engelland ein treuer Freund. Er wollte stets nur das Beste für mich, trotzdem ärgerte es mich, dass er mich wie eine zerbrechliche Porzellanfigur behandelte. Ich hatte noch mehr als zehn Jahre vor mir und solange ich mich noch bewegen konnte, wollte ich mich nicht an das Schloss fesseln lassen, Schnee hin oder her.

»Das, was ich tun muss, ist nichts, was du mir abnehmen könntest«, entgegnete ich ihm abweisend und versuchte, mich an ihm vorbei zu drängen. Ich war fest entschlossen, Marie noch an diesem Tag aufzusuchen. Sie sollte erfahren, was geschehen war.

Er ließ mich jedoch nicht passieren, sondern stemmte seinen Arm vor mir in die Türöffnung. »Tut mir leid, aber ich kann dich nicht gehen lassen. Ich habe nicht nur versprochen, Margery zu beschützen, sondern auch dich.«

»Ich bitte dich nicht um deine Erlaubnis, Jacob«, fuhr ich ihn zornig an. Er übertrieb es mit seiner Fürsorge. »Ich bin die Königin und befehle dir, mich gehen zu lassen.«

Nun lachte er mich aus. »Mary, du magst die Königin sein, aber vor allem bist du meine Freundin. Wenn ich dich nicht dazu bringen kann, im Schloss zu bleiben, erlaube mir wenigstens, dich zu begleiten.«

Es gefiel mir nicht, ihn mitnehmen zu müssen. Sobald ich in Begleitung käme, würde es weniger wie der Besuch einer ehemaligen Freundin wirken, sondern mehr wie der einer Königin. Ich hatte diesen Moment allein mit meiner Freundin teilen wollen.

Bockig schlüpfte ich unter seinem Arm hindurch ins Freie. Sogleich umfing mich ein eisiger Wind, der mir Schneeflocken ins Gesicht trieb. Wie Eiskristalle stachen sie in meine Haut.

»Wenn ich dir verbieten würde, mir zu folgen, würdest du es dennoch tun«, meinte ich zu Jacob. »Also komm!«

Gemeinsam kämpften wir uns durch den Schnee bis zu den Ställen. Bereits diese kurze Strecke hatte mir große Mühe bereitet. Mein Atem ging stoßweise und mein Herz raste. Ich wollte meine Schwäche weder mir noch Jacob eingestehen und so hielt ich mich an den Zügeln des Pferdes fest, welches für mich gesattelt worden war. Ein Stallbursche half mir beim Aufsitzen und sobald ich erst einmal im Sattel saß, fühlte ich mich schon besser.

»Wohin führt uns dein dringendes Anliegen?«, wandte sich Jacob an mich, als wir aus dem Schlosstor ritten.

»Ich muss zu Marie Hassenpflug. Ihr Mann Georg ist an der Dornenhecke gefallen und ich möchte ihr diese traurige Nachricht selbst überbringen. Sie hat zwei kleine Kinder. Wir waren Freundinnen, bis Margery geboren wurde.«

»Warum hat sich daran etwas geändert?«, fragte er neugierig.

»Sie kam nicht damit zurecht, was Margery ist, und wollte deshalb nicht mehr in unserer Nähe sein, auch aus Angst um ihre Kinder.«

Es auszusprechen, tat genauso weh, wie es all die Jahre zu fühlen. Marie hatte mich mit ihrer Entscheidung sehr verletzt, auch wenn ich mich gezwungen hatte, Verständnis für sie zu haben. Wir wollten beide nur unsere Kinder schützen. Das war wichtiger als alles andere.

»Du hoffst, dass sich daran etwas geändert hat«, stellte er fest, dabei klang seine Stimme jedoch so, als würde er selbst nicht daran glauben.

»Ihr Mann ist tot und sie braucht eine Freundin dringender denn je«, versuchte ich, mich ihm zu erklären.

»Und du glaubst, dass sie ausgerechnet die Freundin der Frau sein will, wegen der ihr Mann gestorben ist?«

Seine Skepsis gefiel mir nicht. Ich wollte davon nichts wissen, sondern mich lieber meiner Hoffnung hingeben.

»Es ist nicht meine Schuld«, widersprach ich ihm. »Vlad Dracul bedroht nicht nur meine Tochter und mich, sondern ganz Engelland. Wenn er und seine Vampire einfallen, werden alle Menschen unter ihnen zu leiden haben.«

Es waren dieselben Worte, die ich mir immer und immer wieder einredete, um an meiner Schuld nicht zu ersticken. Mein Volk litt auch ohne Vlad Dracul. Es litt seit dem Tag, an dem Schneeweißchen das Licht der Welt erblickt hatte.

Bevor Jacob zu einer Erwiderung ansetzen konnte, drückte ich mit meinen Waden gegen die Flanken meines Pferdes und trieb es an, schneller zu laufen. Ich wollte nicht hören, was er zu sagen hatte.

Als ich mit meiner Faust gegen die Tür der Hütte klopfte, in der Marie mit ihren Kindern lebte, fühlte ich mich furchtbar. Jacobs Worte hatten mich verunsichert und ich hatte Angst, dass Marie mein Erscheinen falsch auffassen könnte. Wir hatten uns schon so lange nicht mehr gesehen und es war naiv von mir gewesen, zu glauben, dass der Todesfall ihres Mannes etwas daran ändern könnte. Im schlimmsten Fall würde dadurch alles noch schlimmer werden.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und als Marie mir die Tür öffnete, konnte ich in ihren Augen sehen, dass sie mit jemand anderem gerechnet hatte. Sie hatte gehofft, dass Georg nach Hause zurückgekehrt war. Er würde nie wieder vor ihrer Tür stehen. Eine schwere Last drückte gegen meine Brust.

Ihre Augen weiteten sich vor Staunen, als sie mich erkannte. Dann glitt ihr Blick verunsichert zu Jacob, der im Schutz der angrenzenden Bäume mit den Pferden wartete. Ich hatte es abgelehnt, dass er mich mit in die Stube begleitete. Das war meine Aufgabe und ich wollte sie allein bewältigen.

»Mary«, stieß sie in einer seltsamen Mischung aus Wiedersehensfreude und Misstrauen aus. »Was führt dich an diesem verschneiten Tag zu mir?«

»Darf ich eintreten?«, fragte ich sie, da das, was ich zu sagen hatte, nicht zwischen Tür und Angel besprochen werden sollte.

»Natürlich«, erwiderte sie sofort und trat beiseite, um mich einzulassen. »Was ist mit deinem Begleiter? Willst du ihn in der Kälte lassen?«

»Das stört ihn nicht«, versicherte ich ihr.

Ich wusste nicht, wie lange dieser Besuch dauern würde. Wenn Marie mich in wenigen Minuten bereits ihres Hauses verweisen würde, wäre es unnötig, Jacob hereinzubitten. Sollte es länger dauern, könnten wir ihn immer noch später dazu holen.

Vor dem knisternden Kaminfeuer saßen ihre beiden Kinder am Boden. Johannes war mittlerweile sechs Jahre alt und seine Schwester Gretel musste vier sein. Sie würde bald Geburtstag haben. Der erste Geburtstag ohne ihren Vater. Sie schauten mich mit großen fragenden Augen an und ich ertrug es kaum, was sie gleich erfahren würden.

»Möchtest du einen Tee?«, bot Marie mir zuvorkommend an.

Sie war noch immer dieselbe liebenswürdige und sanftmütige Frau, als die ich sie kennengelernt hatte. Ich sehnte mich in diesen dunklen Zeiten so sehr nach ihrem unerschöpflichen Optimismus, ihrem aufrichtigen Rat und ihrer bereichernden Zuneigung.

»Nein danke«, entgegnete ich, um ihr keine Umstände zu bereiten. »Bitte setz dich doch.«

Sie schaute mich zögernd an und versuchte, in meinem Gesicht den Grund für meinen überraschenden Besuch abzulesen. Schließlich folgte sie aber meiner Aufforderung und nahm am Tisch Platz. Sie faltete ihre Hände, um das Zittern zu verbergen, welches sie erfasste. Besorgt schaute sie zu ihren Kindern, die ihr Spiel mit Holzfiguren eingestellt hatten.

»Seid doch bitte so gut und holt Brennholz von draußen herein, damit es trocknen kann«, bat sie die beiden.

Die Geschwister nickten gehorsam und verließen die Hütte. Es waren gute Kinder, wohlerzogen, die auf das Wort ihrer Mutter hörten, ohne es infrage zu stellen. Ganz anders als Margery, die immer diskutierte, mir jederzeit Widerworte gab und grundsätzlich das Gegenteil von dem tat, was ich verlangte. Es war meine Schuld, weil ich ihr aus lauter Liebe alles durchgehen ließ.

Sobald Johannes und Margaretha das Haus verlassen hatten, verlor Marie etwas die Geduld. »Warum bist du hier?«, fragte sie mich nun geradeheraus.

Ich hatte noch nicht einmal meinen Mantel abgelegt, lediglich die Kapuze abgestreift, und stand wie versteinert vor der Tür. Ich beschloss, sie nicht länger hinzuhalten.

»Es tut mir sehr leid, Marie. Ich habe heute erfahren, dass dein Mann im Krieg an der Dornenhecke gefallen ist. Georg ist tot.«

Sie starrte mich mit großen ungläubigen Augen an und schien im ersten Moment nicht zu begreifen, was ich ihr gerade mitgeteilt hatte. Nur langsam sickerte die Erkenntnis zu ihr durch und mit ihr kam der Schmerz. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie senkte den Kopf. Ihre Schultern bebten und leises Schluchzen löste sich aus ihrer Kehle.

Ich ging auf sie zu und kniete mich vor ihr auf den Boden. »Es tut mir so leid«, beteuerte ich noch einmal. Ich konnte es gar nicht oft genug sagen. »Er war ein guter Mann.«

Sie nickte, ohne mich anzusehen.

Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihrer aus. Sie wich mir nicht aus, aber ergriff sie auch nicht. Sie ließ es einfach geschehen. So verharrten wir einige Minuten in Schweigen.

»Soll ich dir einen Tee machen?«, bot ich ihr an, da ich irgendetwas für sie tun wollte.

»Ein Tee macht ihn auch nicht wieder lebendig«, entgegnete sie mir traurig und hob den Kopf. Sie entzog mir ihre Hand und wischte sich tapfer die Tränen aus dem Gesicht. Dann putzte sie sich mit einem Tuch die Nase.

»Das ist mir bewusst«, sagte ich sanft zu ihr. »Wenn ich irgendetwas für euch tun kann, brauchst du es nur zu sagen.«

Sie schüttelte bestimmt den Kopf. »Ich bin nicht die Einzige, die ihren Mann verloren hat. Es gibt so viele Frauen in den Dörfern, die nun allein zurechtkommen müssen. Ihnen hilft auch niemand!« In ihrer Stimme lag etwas Anklagendes, das mich verletzte.

»Wenn ich von ihren Sorgen wüsste, könnte ich ihnen vielleicht helfen.«

Es kam kaum jemand zu mir und bat mich um Hilfe, dabei hätte ich gern geholfen, sofern es in meiner Macht stand. Die Menschen fürchteten sich wegen der Gerüchte vor mir, die über meine Tochter umgingen – das Unglückskind. Es war schwierig, Dienstboten zu finden, die sich in ihre Nähe wagten. Eine Kinderfrau gab es schon lange nicht mehr, sodass ich die Erziehung von Margery allein übernahm – mehr schlecht als recht.

»Hast du geheime Essensvorräte, die du unter deinem Volk aufteilen würdest?«, fuhr sie mich schneidend an. Zwischen uns war eine Distanz entstanden, die nicht nur auf der Entfernung beruhte.

»Ich habe Essensvorräte«, gab ich zu. »Aber nicht genug, dass es für alle reichen würde.«

»Warum solltest du dann mir etwas geben, während andere verhungern?«

Die Wut schien ihr dabei zu helfen, den Schmerz besser zu ertragen, deshalb versuchte ich, ihr die Anschuldigungen nicht übel zu nehmen.

»Du bist meine Freundin, Marie«, sagte ich nachdrücklich. »Mir ist dein Schicksal und das deiner Kinder nicht gleichgültig. Es tut mir leid, dass Georg in einem Krieg gefallen ist, den er nur wegen meiner Familie ausfechten musste. Ihr hättet ein friedliches Leben in Engelland verdient und ich wünschte, dass ich es euch hätte ermöglichen können. Es tut …«

Sie unterbrach mich, indem sie beruhigend nach meiner Hand griff. »Ich weiß, Mary. Du bist ein guter Mensch, das warst du schon immer.«

Sie hatte sich nicht meinetwegen von mir abgewandt, sondern wegen Margery, was es nur schlimmer für mich machte.

»Bitte lass mich dir helfen«, flehte ich sie an. Ich wusste, dass sie es ohne einen Mann nur noch schwerer haben würde. »Um deiner Kinder willen. Sie brauchen doch genug zu essen und sollen in Sicherheit leben.«

Alleinstehende Frauen waren ein beliebtes Ziel von Räuberbanden, die ihre Unwesen im Finsterwald trieben. Sie überfielen sie, nahmen ihnen das bisschen, was sie hatten, und taten ihnen oft noch Schlimmeres an.

Ich konnte Marie ansehen, dass sie zwischen ihrem Stolz und ihrer Angst wankte. Das Letzte, was sie wollte, war, ihre Kinder in Gefahr zu bringen.

»Wenn du meine Hilfe nicht einfach annehmen möchtest, dann verdiene sie dir«, redete ich ihr zu. »Arbeite für mich und ich werde dich gut entlohnen.«

Sie schaute mich neugierig an. »Was könnte ich denn für dich tun?«

»Du hast zwei wundervolle Kinder. Sie sind fleißig, höflich und freundlich. Meiner Tochter fehlt es manchmal leider etwas an Benehmen. Sie kennt keine Regeln und setzt sich ständig über meinen Kopf hinweg. Ich bräuchte jemanden an meiner Seite, der mir mit ihrer Erziehung hilft. Dafür könnte ich mir niemand Besseren als dich wünschen, Marie.«

Die Erwähnung von Margery ließ sie erneut zögern. Ich konnte die Angst in ihren Augen erkennen. Sie wusste, was mein Schneeweißchen war, und fürchtete sich deshalb vor ihr.

»Was ist mit meinen Kindern?«, entgegnete sie mir. »Wer soll sich um sie kümmern, während ich arbeite?«

Ich wünschte, sie würde es weniger als Arbeit ansehen, sondern mehr als Möglichkeit, dass wir einander wieder näherkamen. »Du könntest mit ihnen ins Schloss ziehen. Dort wärt ihr sicher und es würde euch an nichts mangeln. Vielleicht könnte Margery sogar mit Hänsel und Gretel spielen, wenn du sie erst einmal etwas besser kennengelernt hast. Meine Tochter ist sehr einsam, genau wie ich.«

Meine Worte rührten ihr sanftes Herz, das konnte ich deutlich sehen. Tief in ihr fühlte sie sich mir immer noch verbunden.

»Ich weiß nicht recht …«

»Lass es uns doch wenigstens versuchen«, bat ich sie verzweifelt. »Wenn es dir nicht zusagt, kannst du jederzeit hierher zurückkehren. Ich verspreche dir, dass ich dich nicht aufhalten werde.«

»Na gut«, willigte sie nun ein, auch wenn sie nicht überzeugt war. »Aber bitte nimm es mir nicht übel, wenn ich den Kontakt zwischen unseren Kindern vorerst nicht gestatte. Ich muss mir erst sicher sein, dass Margery …« Es fiel ihr sichtlich schwer, es auszusprechen. »… ihren Blutdurst unter Kontrolle hat.«

»Einverstanden.« Ich schenkte ihr ein versöhnliches Lächeln, obwohl mich ihr Misstrauen nach wie vor kränkte. Meine Tochter war vielleicht ungezogen, etwas zu laut und frech, aber sie war kein Monster. Marie würde das auch erkennen und dann würde sie Margery ebenfalls in ihr Herz schließen.

Schuldig

Engelland, Schloss Drachenburg, April 1801

Der Einzug von Marie und ihren Kindern war wie ein Silberstreif am Horizont. Ihre Anwesenheit genügte, damit der Winter sich nicht mehr ganz so eisig anfühlte. Zuerst war meine Freundin Margery skeptisch gegenübergetreten und hatte jede Bewegung, jedes Zucken ihrer Lippen und jeden Augenaufschlag mit Argwohn beobachtet. Ein Teil von ihr schien in den ersten Tagen nur darauf zu warten, dass sie ihre scharfen Eckzähne wie eine Bestie ausfuhr und sich auf jemanden stürzte. Dennoch war Marie im Umgang mit meiner Tochter sehr freundlich, nur etwas distanziert. Sie behandelte sie wie jemanden, den man besser nicht reizen sollte.

Ihre eigenen Kinder ließ Marie nicht in die Nähe der Prinzessin kommen. Sie hatte nun die alleinige Verantwortung für Johannes und Margaretha und war deshalb besonders vorsichtig. Ich versuchte, ihr die Zurückhaltung nicht übel zu nehmen, auch wenn ich sie bedauerte, da ich mir Spielgefährten für Margery gewünscht hätte. Ich musste nur etwas Geduld haben, dann würden sich meine Wünsche sicher erfüllen.

Jedes Mal, wenn ich Margery zu den Mahlzeiten ein Glas gefüllt mit Traubensaft und Blut reichte, betrachtete Marie es mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite beruhigte es sie, zu wissen, dass der Blutdurst des Mädchens gestillt war. Auf der anderen Seite musterte sie besorgt meine blasse und eingefallene Haut oder das Zittern meiner Hände.

Ich ernährte meine Tochter auch weiterhin nur von meinem eigenen Blut. Hin und wieder hatte ich versucht, zu dem Saft auch Tierblut zu mischen, aber Margery hatte es nie angerührt. Sie konnte den Unterschied riechen und rümpfte dann ihre kleine Stupsnase.

Die Tage verstrichen und Marie begann langsam, ihr Misstrauen abzulegen. Sie erkannte, dass Margery nicht anders war als ihre eigenen Kinder. Sie war trotzig und versuchte, ihren Kopf durchzusetzen, wollte alles allein machen und bekam manchmal Tobsuchtsanfälle voller Geschrei und Tränen. Gleichzeitig sehnte sie sich nach Anerkennung und Zuneigung. Wenn sie müde war, konnte man sie kaum ertragen.

Marie plante unseren Tagesablauf und führte feste Zeiten für die Mahlzeiten und die Ruhephasen ein. Nach dem Mittagsschlaf ging sie mit Margery oft in den Schlossgarten und jagte sie durch den schneebedeckten Park. Das vergnügte Kreischen meiner Tochter war im gesamten Schloss zu hören. Danach war die Prinzessin meist so erschöpft, dass ihr die Augen schon zufielen, sobald sie im Bett lag.

Manchmal begleitete ich die beiden, hielt mich jedoch am Rand. Es erfüllte mich mit Sehnsucht, da ich selbst gern so ausgelassen mit Margery durch den Schnee getobt wäre, aber dazu einfach nicht in der Lage war. Mein Körper versagte mir oft schon nach einem gewöhnlichen Spaziergang den Dienst. Keuchend schaffte ich es dann nicht einmal mehr die Treppenstufen zu meinem Schlafgemach empor. Selbst längeres Stehen bereitete mir schon Mühen. Ich war nicht in der Lage, mich um ein aufgewecktes Kind zu kümmern, deshalb brauchte ich Marie umso dringender.

Es war an einem Sonnabend, als ich mit einem dampfenden Tee am Fenster stand und in den Garten hinausblickte. Die Wärme des Getränks half mir, das Zittern meiner Hände besser zu kontrollieren, weshalb ich mich meistens an eine Tasse klammerte. Hinter mir prasselte das Feuer im Kamin.

Wir hatten den Nachmittag zusammen mit Gretel und Hänsel verbracht. Marie erlaubte nun gezielte Besuche, solange jemand dabei war. Die Kinder hatten sich gut miteinander verstanden, besonders die nicht nur beinahe gleichaltrigen, sondern auch gleichnamigen Mädchen.

Gretel hatte Margerys Kleid bewundert, woraufhin diese sich kurzerhand ihres Gewands entledigt hatte, um es ihrer neuen Freundin zu schenken. Vor Dankbarkeit hatte Gretel die Prinzessin umarmt und auf die Wange geküsst. Es war ein rührender Anblick gewesen, auch wenn mir nicht entgangen war, wie ängstlich Marie dabei ausgesehen hatte.

Als der Schneefall vor wenigen Minuten nachgelassen hatte, waren sie alle vier nach draußen gestürmt. Nun stapften sie in ihren dicken Mänteln durch den kniehohen Schnee und winkten mir mit geröteten Gesichtern zu, als sie mich hinter der Scheibe entdeckten. Hänsel formte mit seinen Händen einen Schneeball und schleuderte ihn gegen das Fenster, was ihm unmittelbar einen Tadel seiner Mutter einbrachte.

Ein zufriedenes Seufzen entwich meiner Kehle, während mein Herz vor Freude überquoll. Ich hatte meine Tochter nie glücklicher als an diesem Nachmittag erlebt.

»Sie haben sich wirklich gut eingelebt«, meinte Jacob plötzlich hinter mir.

Ich hatte ihn nicht kommen gehört. Er war oft unterwegs und reiste durch die Städte und Dörfer, um zu erfahren, wie es dem Volk erging und was für Geschichten sich herumsprachen. Die meisten waren nur Gerüchte, aber Jacob hielt es dennoch für besser, informiert zu sein, denn so manches Getratsch entpuppte sich irgendwann doch als Wahrheit. Im Schloss bekamen wir von dem Gerede der Leute kaum etwas mit.

»Überrascht dich das?«, fragte ich ihn mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen, als ich mich zu ihm umdrehte. Er hatte nicht geglaubt, dass Marie zu mir ins Schloss ziehen würde. Umso mehr gefiel es mir, dass er eines Besseren belehrt worden war.

»Das sollte es nicht, immerhin hast du mich auch um den kleinen Finger gewickelt«, entgegnete er mir verschmitzt, woraufhin ich belustigt den Kopf schüttelte.

Er machte mir oft Komplimente und tat so, als wäre er mir willenlos ergeben, dabei traf er selbst seine Entscheidungen. Ich genoss seine Aufmerksamkeit. Sie war jedoch nur ein schwacher Trost, da ich mir die schmeichelnden Worte mehr von einem anderen gewünscht hätte – meinem Gemahl. Er kam so selten nach Hause, dass ich mich manchmal fragte, ob er in einem Dorf nahe der Dornenhecke das Bett mit einer anderen teilte. Gleichzeitig kam ich mir ungerecht vor, da er nur zu unserem Schutz jeden Tag die Grenzen unseres Reiches verteidigte. Maries Mann hatte deshalb sein Leben lassen müssen.

Ich schob den Gedanken an Dorian weit von mir, da ich mir auf meine vielen Fragen ohnehin keine Antworten geben konnte. »Wo warst du heute?«, wandte ich mich stattdessen interessiert an Jacob. Mittlerweile kannte er Engelland besser als ich.

»Ich war nur in Spiegeltal«, antwortete er mir ausweichend und wandte den Blick ab, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass er irgendetwas erfahren hatte, von dem er mir nicht erzählen wollte. Aber anders als bei Dorian, gelang es mir, zu Jacob durchzudringen.

»Hast du irgendetwas gehört?«, hakte ich neugierig nach.

Anstatt mir zu antworten, ließ er sich in einen der beiden Ohrensessel vor dem Kamin sinken und blickte in die Flammen. »Ein Kind ist verschwunden.«

Auch wenn ich nichts Genaues wusste, reichten diese vier Worte aus, um mich frösteln zu lassen. Sogleich hatte ich die besorgten Eltern vor Augen und konnte ihren Schmerz spüren.

Ich setzte mich ebenfalls. »Was ist passiert?«

»Es ist ein Junge, etwa zehn Jahre alt. Seine Mutter schickte ihn vor drei Tagen in den Wald, um Holz zu suchen. Seitdem hat sie ihn nicht mehr gesehen.«

»Das ist ja furchtbar«, stieß ich entsetzt aus. »Warum ist seine Mutter nicht zu mir gekommen und hat mich um Hilfe gebeten? Ich könnte meine Wölfe die Witterung des Jungen aufnehmen lassen. Vielleicht würden sie seine Spur finden.«

Jacob schüttelte traurig den Kopf. »Die Menschen aus Spiegeltal haben sich selbst auf die Suche nach ihm gemacht. Sie hatten Hunde dabei, die sie quer durch den Wald geführt haben.« Er verstummte und sah mich bedeutungsschwer an. »Bis zur Hütte von Baba Zima.«

Mir gefror das Blut zu Eis und ich erinnerte mich an den Gesichtsausdruck der Hexe, als sie den kleinen Hänsel auf dem Arm gehalten hatte. An die kleinen Schädel, die sich in ihrem Haus aneinandergereiht hatten.

»Haben die Leute sie nach dem Kind gefragt?«, wollte ich dennoch wissen.

»Natürlich hat sie den Jungen nie gesehen«, antwortete Jacob ironisch und machte deutlich, dass er der Alten kein Wort glaubte.

Ich hätte selbst zu ihr gehen und sie befragen können, aber was hätte das geändert? Ich hatte ihr vor Jahren Absolution erteilt, sodass sie nichts von mir zu befürchten hatte.

Ein Schrei erklang und durchbrach unser Schweigen. Er kam aus dem Garten und ließ mich zusammenzucken, auch wenn ich mir nichts dabei dachte. Margery kreischte oft im Spiel. Als aber ein zweiter folgte, erkannte ich, dass es gar nicht meine Tochter war, die schrie.

Jacob war mit einem Satz beim Fenster, während ich mich erst noch mühsam aus dem weichen Polster stemmen musste. Was immer er sah, ließ ihn derart erschaudern, dass er sogleich aus dem Zimmer stürmte.

Mit rasendem Herzen trat ich an die Scheibe und blickte in den Park hinab, der bereits in Dämmerung gehüllt war. Das schwache Licht reichte dennoch aus, um deutlich meine Tochter zu erkennen, die auf Marie kniete, welche mit ausgebreiteten Armen wie ein Engel mitten im Schnee lag. Sie rührte sich nicht mehr. Blut sickerte unter ihrem Kopf hervor und färbte den weißen Untergrund rot.

Hänsel zerrte an Margery, die sich an seine Mutter klammerte. Er bearbeitete sie mit seinen Fäusten, während Gretel ein Stück abseits stand und panisch schrie.

Nein, dachte ich voller Verzweiflung. Nein, das muss ein böser Traum sein.

Ich stieß mich von der Fensterbank ab, stolperte aus dem Salon, durch den Korridor bis zu der Tür, die über eine Terrasse direkt in den Garten führte. Meine dünnen Schuhe wurden sofort von dem hohen Schnee durchgeweicht, aber ich spürte die Kälte nicht einmal.

Jacob kauerte bereits neben Marie am Boden, hielt Johannes in seinen Armen und sorgte dafür, dass das Gesicht des Jungen von seiner Mutter abgewandt war. Margery hockte daneben und starrte voller Unglauben auf ihre Kinderfrau. Ihr ganzes Gesicht war mit Blut verschmiert, welches auch ihren Mantel bedeckte.

Keuchend kämpfte ich mich an Gretel vorbei, die den Blick nicht von ihrer Mutter lösen konnte und leise wimmerte. Die letzten Schritte rutschte ich auf meinen Knien vorwärts, weil meine Beine mir weggeknickt waren.

Dort lag Marie, mit aufgerissener Kehle, wie von einem Wolfsangriff. Ihre schönen rehbraunen Augen starrten ausdruckslos in den grauen Himmel empor. Eine Träne hing noch in ihren Wimpern und würde bald zu Eis gefrieren.

Die einzige Freundin, die ich jemals gehabt hatte, war tot. Ermordet von meiner eigenen Tochter.

Entsetzt wandte ich Margery das Gesicht zu. In mir tobte ein Sturm. Ich war wütend, ängstlich, verzweifelt und voller Trauer. »Was hast du nur gemacht?«, brüllte ich sie schluchzend an. Niemals hätte ich ihr zugetraut, so grausam sein zu können. Sie war doch mein kleines, unschuldiges Mädchen.

Margery wich erschrocken vor mir zurück. Ihre großen blauen Augen füllten sich mit Tränen und ihre Unterlippe bebte. »Wir haben doch nur gespielt«, brachte sie weinerlich hervor.

Hänsel riss sich von Jacob los und deutete anklagend mit dem Finger auf Margery. »Sie hat meine Mutter getötet! Sie hat sie gebissen wie ein Tier.«

Jacob ergriff den Jungen erneut und hielt ihn tröstend fest. »Komm, wir gehen rein«, bat er ihn und blickte verzweifelt zu der Schwester, die völlig verstört in dem kalten Schnee hockte und sich nicht mehr rührte. Mich schaute er jedoch nicht an. Er war dagegen gewesen, dass Marie mit ihren Kindern ins Schloss zog. Er hatte gewusst, warum, und ich hatte ihm nicht geglaubt – seine Sorge von mir gewiesen.

Auch Marie hatte Zweifel gehabt, große Zweifel, und nun war sie tot.

Sie alle hatten Margery als das gesehen, was sie war, nur ich war blind gewesen. Ich hatte nicht sehen wollen, dass sie kein gewöhnliches Kind war, sondern auch ein Vampir. Sie konnte sich von einem auf den anderen Moment in ein Monster verwandeln, das nicht in der Lage war, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Jacob hob den zappelnden und schreienden Jungen vom Boden und trug ihn ins Schloss. Kurz darauf eilte eine Dienerin in den Garten, die sich Gretel annahm. Ich würde sie reich beschenken müssen, damit nicht bald ganz Engelland erfuhr, was Margery getan hatte.

Zum ersten Mal fiel es mir schwer, meine Tochter anzuschauen. Zuvor war ihr Anblick für mich immer ein Vergnügen gewesen. Ich hatte mich gar nicht an ihr sattsehen können. Doch nun war etwas in mir zerbrochen. Ein Riss zog sich durch meine bedingungslose Liebe, die mich so blind gemacht hatte.

»Schläft Marie?«, fragte Margery mit zitternder Stimme. Ich konnte nicht sagen, ob sie Angst hatte oder fror. Sie stand vor mir und presste ihre kleinen Hände dicht aneinander. Sie waren blutverschmiert.

»Nein«, antwortete ich ihr ernst. Mir fehlte die Kraft, um ihre Tat zu beschwichtigen. »Sie ist tot.«

Tränen lösten sich aus den Augen meiner Tochter und kullerten ihr über die schmutzigen Wangen. »Warum?«

Sie verstand nicht, was sie getan hatte. Sie war sich keiner Schuld bewusst. Sie hatte Marie nicht absichtlich umgebracht. Aber das machte ihre Tat nicht weniger schlimm. Vielleicht war es gerade deshalb nur noch schlimmer, denn wenn sie keine Kontrolle über sich hatte, konnte sie jeden töten. Absolut jeden. Auch mich. Wer wäre dann noch da, um sie zu beschützen?

Ich kroch auf Knien zu ihr und nahm ihr Gesicht zwischen meine kalten Hände, drehte es weg von Marie. »Du hast Marie gebissen«, sagte ich eindringlich. »Du hast von ihrem Blut getrunken. Das hättest du nicht tun dürfen.«

Es tat mir weh, so deutlich mit ihr sprechen zu müssen, weil ich sehen konnte, wie sehr es sie verletzte.

Sie versuchte, sich mir zu entziehen und den Kopf zu schütteln, wie um die Wahrheit von sich abzuschütteln. »Nein, wir haben nur gespielt. Sie hat mich im Kreis gedreht und dann sind wir in den Schnee gefallen. Mein Mund lag direkt an ihrem Hals und ich konnte ihren Puls fühlen.« Ihre Augen suchten meine. »So wie bei dir, Mami. Ich hatte Durst.«

Ihre Worte waren wie eine Klinge, die sich tief in mein Herz bohrte. Wenn wir abends im Bett lagen, ließ ich sie vor dem Einschlafen oft noch einen kleinen Schluck von mir trinken. Es waren immer nur ein paar Tropfen, die ihr halfen, zur Ruhe zu kommen.

Als Maries Hals vor ihr entblößt gewesen war, musste sie sich daran erinnert gefühlt haben. Ich war es gewesen, die Margery aus der Vene hatte trinken lassen. Wenn ich ihr immer nur Blut in ihrem Fläschchen gegeben und sie nie von mir sich hätte nähren lassen, wäre das vielleicht niemals passiert. Es war genauso meine Schuld wie ihre.

»Ich weiß«, krächzte ich heiser. »Du darfst so etwas nie wieder tun, Schneeweißchen. Versprichst du mir das?«

Sie nickte eilig und zog schniefend ihre Nase hoch. Ich ertrug die Distanz zwischen uns nicht länger und zog sie an mich. Sie schlang ihre schmalen Arme um meinen Hals und schmiegte sich an mich.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739451633
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
Rotkäppchen Hexe Märchenadaption Wolf Märchen Königin Fantasy düster dark Romance Urban Fantasy

Autor

  • Maya Shepherd (Autor:in)

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.
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Titel: Die verbotene Farbe