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Der Tanz der verlorenen Seelen

von Maya Shepherd (Autor:in)
81 Seiten
Reihe: Die Grimm-Chroniken, Band 6

Zusammenfassung

Margery fand sich an einem wundersamen Ort wieder, von dem sie nicht gewusst hatte, dass er existierte. Vor ihr erstreckte sich ein blühendes Feld. Es waren unzählige Mohnblumen. Alle erstrahlten in der verbotenen Farbe – Rot. »Spürst du den Windhauch?«, fragte Ember, während sie langsam durch die Wiese schritt. Sie hatte ihre Arme ausgebreitet, sodass sie mit den Fingerspitzen die Blüten im Vorrübergehen berührte. »Der Wind kommt von den vielen Seelen, welche über diese Wiese tanzen. Es sind die ruhelosen Geister der Mädchen, die deine Mutter in ihrem Keller getötet hat. Ihr Blut hat die Blumen rot gefärbt. Sie müssen nun sieben Jahre über dieses Feld tanzen, erst dann sind sie frei und dürfen in ein nächstes Leben weiterziehen.«

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Was zuvor geschah

1594

Mary und Dorian treiben in ihrem Ruderboot über das Meer. Seit Tagen sind sie in dichtem Nebel gefangen, der sie nichts in ihrer Umgebung erkennen lässt. Bis sie plötzlich ein Schiff entdecken. Es ist jedoch nicht irgendein Schiff, sondern gehört Dorians Vater, Vlad Dracul. Da sie sich nicht mehr zu helfen wissen, beschließen die beiden, sich auf das Schiff zu wagen.

Dort angekommen, stellen sie fest, dass die gesamte vampirische Besatzung unter Deck in Särgen voller Asche, Schnee und Blut schläft. Dieser Zustand nennt sich Lazarus-Bad und hält drei Tage an. Dorian hofft, unter den Schlafenden seinen Vater zu finden, um ihn zu töten. Dieser ist jedoch nicht dabei, dafür müssen sie erkennen, dass das Schiff keinesfalls unbewacht ist. Seelenlose Jäger befinden sich an Bord und haben ihr Eindringen bereits bemerkt. Bevor diese sie finden können, hilft Dorian Mary, in einen Sarg zu klettern, um sich dort zu verstecken. Er schließt den Deckel und Mary muss mit anhören, wie Dorian von den Jägern gefangen wird.

Vlad Dracul tritt seinem Sohn gegenüber und verlangt zu erfahren, wo sich Mary befindet. Als dieser sich weigert, es ihm zu erzählen, befiehlt er, Dorian ebenfalls in einen Sarg zu sperren.

Mary wartet, bis es wieder ruhig ist, ehe sie sich aus ihrem Versteck hervorwagt. Dorian ist wie die anderen Vampire in einen dreitägigen Schlaf gefallen, sodass sie nun auf sich allein gestellt ist. Im Schutz der Dunkelheit findet sie heraus, dass Vlad Dracul auf dem Schiff einen Sarg mitführt, in dem sich die namenlose Hexe befindet, welche Mary verflucht hat.

Plötzlich sieht sie sich unter Deck einem anderen Menschen gegenüber, der sie mit einer Waffe bedroht, da er sie fälschlicherweise für einen Vampir hält. Es gelingt ihr, das Missverständnis aufzuklären, und der Mann stellt sich ihr als Jacob Grimm vor. Er ist genau wie sie auf der Suche nach dem Turm der Erdenmutter. Seinem jüngeren Bruder Wilhelm wurde von dem Teufel das Herz gestohlen. Der Fluch des Schlafenden Todes ist alles, was den Jungen noch am Leben hält.

Jacob bietet Mary seine Hilfe an. Dafür verlangt er jedoch von ihr, dass sie ihn darin unterstützt, ein Herz für seinen Bruder zu finden. Als Mary zustimmt, überreicht er ihr einen Lederbeutel, der sieben Gegenstände enthält, die sie alle brauchen wird, um die Erdenmutter bezahlen zu können. Er nimmt ihr das Versprechen ab, den Beutel unter keinen Umständen zu öffnen.

Gemeinsam gelingt es ihnen, ein Beiboot des Schiffes zu erreichen, in welchem sich der Glassarg mit Wilhelm befindet. Während Mary mit Dorian das Boot besteigt, bleibt Jacob zurück, um sie zu Wasser zu lassen.

Der Mond kommt Mary zu Hilfe, als sie orientierungslos über das Meer treibt. Er weist ihr mit seinem Licht den Weg. Erst als dieser untergeht, weckt Mary Dorian mit ihrem Blut. Er erzählt ihr, dass der Mond ein lebendiges Wesen ist, welches tagsüber auf dem Meeresgrund schläft. Sie schlägt ihm vor, den Mond dort aufzusuchen und um Hilfe zu bitten.

Dorian taucht daraufhin unter und kehrt kurze Zeit später mit einem Mädchen zurück, welches der Mond ist. Sie ist bereit, ihnen zu helfen, dafür benötigt sie jedoch einen Teller, welcher sich in dem Beutel befindet, den Jacob Mary anvertraut hat. Für ihre Hilfe verlangt sie außerdem Schutz für ihre Schwester, welche genau wie sie ein Mond ist. Sollten Mary und Dorian ihr begegnen, sind sie verpflichtet, ihr zu helfen.

Widerwillig überreicht Mary dem Mondmädchen den Teller und bricht somit das Versprechen, welches sie Jacob gegeben hat. Das Mädchen bindet ihre Seele an den Gegenstand und verglüht, sobald die Nacht hereinbricht. Der Teller weist ihnen den Weg durch die Sieben Weltmeere bis zu dem Turm der Erdenmutter.

Dieser stellt sich jedoch nicht als Gebäude heraus, sondern als ein riesiger Baum, welcher auf dem Rücken eines Wals wächst. Dorian und Mary verbringen die Nacht zwischen den gewaltigen Wurzeln und schlafen dort zum ersten Mal miteinander. Am nächsten Tag versuchen sie, einen Weg den Stamm empor zu finden, und scheitern daran. Wieder blicken sie in den Beutel von Jacob, auf der Suche nach einem Gegenstand, der ihnen nützlich sein könnte. Dabei fallen Samen heraus, die auf der Stelle zu übergroßen Pflanzen emporwachsen, welche sich den Stamm hochranken. Dabei handelt es sich um Rapunzeln.

1803

Nachdem Schneewittchen an ihrem siebten Geburtstag den jungen Prinzen Philipp gebissen hat, kommt am Abend ihre Mutter zu ihr, um ihr ein besonderes Geschenk zu überreichen. Dafür führt sie das Mädchen in den Westflügel des Schlosses, wo sie von Jacob Grimm erwartet wird, der ein guter Freund der Familie ist. In einem Sarg aus Glas schläft ein Junge in Margerys Alter. Sein Name ist Wilhelm. Er ist der jüngere Bruder von Jacob. Ihm fehlte ein Herz, weshalb er bisher nicht erweckt werden konnte. Die Königin hat sich jedoch um dieses Problem gekümmert.

Mit einem Tropfen von Schneewittchens Blut wecken sie Wilhelm auf, der von nun an Schneewittchen nicht mehr von der Seite weichen soll.

1812

Neun Jahre später ist von der einst so gütigen Königin und liebevollen Mutter nichts mehr übrig. Angst und Einsamkeit prägen den Alltag ihrer Tochter, welche im Nordturm des Schlosses gefangen gehalten wird. Alles, was Margery lieb war, wurde ihr von der Mutter genommen. Diese schreckt weder vor Folter noch Mord zurück. Regelmäßig badet sie nun in dem Blut junger Frauen. Margerys Vater Dorian ahnt von all dem nichts, da er tapfer die Dornenhecke vor Vlad Dracul verteidigt, der seine Enkelin töten will.

Unerwartet erhält Schneewittchen eine neue Kammerzofe zugeteilt. Das Mädchen ist in ihrem Alter und teilt ein ähnliches Schicksal wie die Prinzessin. Ihr Vater ist kaum zu Hause und ihre grausame Stiefmutter verkaufte sie an die Königin, wohl wissend, dass diese Entscheidung den Tod des Mädchens bedeuten könnte. Es vertraut Margery an, dass es sich mit Magie befasst. Der Name des Mädchens ist Ember.

2012

Margery und Will erreichen das Lebkuchenhaus, in welchem die böse Königin die Geschwister Maggy und Joe gefangen hält. Die Königin offenbart ihnen, dass sie ihre Tochter nicht töten kann, da ein fremdes Herz in deren Brust schlägt. Ihr eigenes Herz teilte sie unter sieben Fremden auf, den Vergessenen Sieben. Schneewittchen kann sich zum Schutz ihrer Identität nicht mehr an sie erinnern.

Die Königin stahl in einem Traum Wills Kette mit dem Medaillon und hat dadurch nun Macht über ihn. Bevor sie ihn zwingen kann, Margery mit einem goldenen Apfel wieder mit dem Fluch des Schlafenden Todes zu belegen, beißt diese freiwillig von der Frucht ab. Nur in Margerys Träumen und Erinnerungen lässt sich herausfinden, wer die Vergessenen Sieben sind.

Danach zwingt die Königin Will, ihrer Tochter in deren Traum zu folgen. Da er nun unter ihrer Gewalt steht, kann sie sehen, was er dort erleben wird. Maggy und Joe lässt sie gehen, da ihnen ohnehin niemand glauben würde, was sie gesehen haben. Sie beschließen, nach Berlin zurückzukehren, um dort Jacob aufzusuchen und ihn um Hilfe zu bitten.

Der Turm der Erdenmutter

Irgendwo in den Sieben Weltmeeren auf dem Rücken eines Wals, Januar 1594

Wir hielten uns nah an dem gewaltigen Stamm, als wir uns Blatt für Blatt der Rapunzelpflanzen immer weiter den Baum emporkämpften. Unter uns befand sich die tosende See. Weit und breit war kein Land, nicht einmal ein Schiff, in Sicht. Das bedeutete immerhin, dass Vlad Dracul uns wohl noch nicht gefunden hatte. Dabei hatten wir bereits einen ganzen Tag mit dem Aufstieg verbracht. Erst als es so dunkel geworden war, dass wir nichts mehr hatten erkennen können, hatten wir uns dicht aneinander gekauert auf einem der Blätter niedergelassen und für wenige Stunden versucht, Schlaf zu finden. Es war mir nicht gelungen, da die Angst, hinabzustürzen, zu groß gewesen war.

Zudem hatte mein Magen vor Hunger geknurrt. Ich hatte versucht, mir ein Stück von den gewaltigen Rapunzelpflanzen abzureißen, doch sie waren zu fest gewesen. Nur so konnten sie unser Gewicht tragen. Nicht einmal Dorian mit seinen übermenschlichen Vampirkräften hatte daran etwas ändern können.

Für ihn musste der Aufstieg noch viel anstrengender sein, denn er trug zusätzlich den Glassarg mit dem schlafenden Jungen auf seinem Rücken. Sosehr es mich auch erleichterte, kein Schiff zu sehen, bedauerte ich es zugleich. Insgeheim hatte ich gehofft, dass es Jacob Grimm gelingen würde, uns rechtzeitig zu finden, sodass wir gemeinsam die neue Welt hätten betreten können.

Unsere Bekanntschaft war nur kurz gewesen, nicht einmal eine Stunde lang, trotzdem dachte ich oft an ihn. Nicht nur wegen seines Bruders, sondern auch weil ich zwischen uns eine Vertrautheit empfunden hatte. Es war nicht wie bei Dorian, dem ich auf den ersten Blick verfallen war, sondern mehr eine Verbundenheit der Seelen.

Jacob war mir gegenüber ehrlich gewesen, während ich ihn belogen und behauptet hatte, ein Kind zu erwarten. Ohne mich zu kennen, hatte er mir genug Vertrauen entgegengebracht, um das Wichtigste bei mir in Obhut zu geben, das er hatte – Wilhelm. Er hatte nichts von der Prophezeiung über mich gewusst, von dem Unheil, das ich über die Welt bringen würde. Er hatte mich so gesehen, wie ich jetzt war – und das, obwohl ich nicht einmal mehr eine Seele besaß.

Irgendwann würde der Tag kommen, an dem der Teufel mich spüren ließ, was es bedeutete, einen Handel mit ihm eingegangen zu sein. Er war geduldig, da Zeit für ihn keine Rolle spielte. Jahre könnten vergehen, sodass ich mich in Sicherheit wiegen würde und beinahe vergessen hätte, was einst inmitten der Sieben Weltmeere geschehen war. Vielleicht wartete er nur auf den richtigen Augenblick. Dann, wenn ich am wenigsten mit ihm rechnete.

Diese Ungewissheit legte sich wie ein schwarzer Schatten über mein Herz. Er dämpfte meine Hoffnung und schürte meine Angst.

Am Abend des zweiten Tages, als die Sonne bereits zu sinken begann, erreichten wir die Wolken. Sobald wir sie durchbrachen, waren wir wie in einen dichten Nebel gehüllt, der uns das Vorankommen erschwerte. Wir konnten nicht weiter sehen als von einem Blatt zum nächsten.

Vorsichtig setzten wir einen Fuß vor den anderen und versuchten trotz der Erschöpfung, nicht unsere Konzentration zu verlieren. Nur ein unbedachter Schritt konnte unseren Tod bedeuten.

Wir hatten nun seit fast achtundvierzig Stunden nichts mehr gegessen oder getrunken. Dorian mochte das nichts ausmachen, aber meine Kehle fühlte sich so rau wie Schleifpapier an. Kopfschmerzen plagten mich und ich war wacklig auf den Beinen.

Plötzlich hielt Dorian an. Direkt vor ihm, mitten im Baumstamm, befand sich eine massive Tür.

Mein Herzschlag beschleunigte sich und Euphorie bahnte sich einen Weg durch meinen Körper, wenn ich mir vorstellte, dass uns dahinter das Ziel unserer Reise erwarten würde – die Erdenmutter. Wir brauchten nur die Klinke hinunterzudrücken und schon wären wir bei ihr.

Dorian drehte sich zu mir um und schenkte mir ein glückliches Lächeln. Wir hatten es geschafft. All die Strapazen waren nicht umsonst gewesen. Wir würden unsere Welt bekommen.

Er legte bedeutungsschwer seine Finger um den Messinggriff, holte noch einmal tief Luft und drückte ihn dann hinunter. Er drückte dagegen und zog daran, doch nichts tat sich. Auf die Zuversicht folgte die ernüchternde Wahrheit, dass die Tür verschlossen war.

Warum hätte es auch einmal leicht sein sollen?, dachte ich zynisch. Wer auch immer die Fäden des Schicksals zog, ihm schien es große Freude zu bereiten, uns immer wieder vor neue Herausforderungen zu stellen.

Noch bevor Dorian den Mund aufmachte, wusste ich bereits, was er von mir verlangen würde. »Schau in den Beutel. Vielleicht können wir die Tür mit einem der Gegenstände öffnen.«

Schon drei Mal hatte ich mein Versprechen an Jacob gebrochen. Den Teller, die Samen und das Messer hatte ich bereits verloren. Er hatte mir eingeschärft, dass die Erdenmutter uns ihre Hilfe nur dann gewähren würde, wenn ich alle sieben Gaben überreicht hatte. Noch besaß ich mehr als die Hälfte der Dinge.

Während ich zögerte, veränderte sich auf einmal die Luft um uns herum. Ein kühler Wind zog auf, der es beinahe unmöglich machte, sich auf dem Blatt zu halten. Dorian klammerte sich an den Türgriff, welcher unseren einzigen Halt darstellte, und zog mich beschützend an sich.

Der Nebel wurde hinfort geweht, stattdessen peitschten uns eisige Regentropfen ins Gesicht. Das Rauschen des Meeres war plötzlich zu hören, als wäre der Wal nun tatsächlich untergetaucht und brächte uns den Fluten wieder näher. Eine gewaltige Welle schwappte wie aus dem Nichts über uns hinweg und hätte uns fast von den Füßen gerissen. Keuchend klammerte ich mich an Dorian.

»Mary, gib mir die Gabel«, schrie er mich an. Sie war einer der Gegenstände aus dem Sack.

Ich rang mit mir und wusste nicht, was ich tun sollte.

»Es gibt kein Zurück«, brüllte er verzweifelt. »Wir müssen durch diese Tür, sonst werden wir ertrinken.«

Wie zur Bekräftigung seiner Worte traf uns die nächste Welle. Sie war noch stärker als die vorherige. Ich hätte mich niemals allein gegen sie stemmen können. Ohne Dorian hätte sie mich hinfort gerissen.

Wenn wir überleben wollten, hatten wir keine Wahl. Ich griff in den Sack und reichte Dorian die silberne Gabel. Ohne Zögern steckte er die Zacken in das Schlüsselloch, welches sich daraufhin drehen ließ. Als Dorian dieses Mal die Klinke hinunterdrückte, gab die Tür nach und ließ uns ein.

Ich wollte die Gabel wieder herausziehen, um sie mitnehmen zu können, doch sie steckte fest.

Vor der Tür brauste weiterhin das Meer. Eine dritte Welle erfasste uns und schleuderte uns in das Innere.

Aber nicht sie war es, die mich letztlich überzeugte, sondern die Frauenstimme, welche aus weiter Ferne zu singen begann. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber sie klangen lockend, so als wollte sie, dass wir den Weg zu ihr fanden.

Schnell stemmte ich mich gegen die Tür und schloss sie. Der Sturm konnte uns nun nichts mehr anhaben, doch mit ihm verstummte auch der Gesang.

Verunsichert drehte ich mich zu Dorian, der mich tröstend in eine Umarmung zog. Er sah, wie sehr ich darunter litt, dass ich mein Wort gebrochen hatte.

»Nicht alle Versprechen können gehalten werden«, flüsterte er mir einfühlsam zu, bevor er mich wieder losließ und wir sahen, wo wir gelandet waren.

Es war längst nicht das Ende unserer Reise. Nicht die Erdenmutter erwartete uns, sondern eine weitere Herausforderung. Wir befanden uns in einem steinernen Turm und vor uns erstreckten sich unzählige Stufen. Am liebsten hätte ich vor Enttäuschung zu weinen begonnen.

Je mehr Zeit verging, desto schlechter wurde meine Laune und meine Erschöpfung nahm zu. Ich konnte vor lauter Durst nicht mehr klar denken. Ein pochendes Hämmern hatte sich in meinem Kopf eingenistet, das mir die Sicht erschwerte. Ständig verschwamm alles vor meinen Augen und meine Beine verweigerten mir den Dienst.

Seit vier Tagen hatte ich nichts mehr getrunken und ich konnte nicht sagen, wie lange ich noch durchhalten würde. Jede weitere Minute erschien mir schon unerträglich.

Dorian hatte mir angeboten, mich zu tragen, doch das hätte bedeutet, dass er den Glassarg hätte absetzen und zurücklassen müssen. Auch wenn er behauptet hatte, dass er ihn später holen könnte, wollte ich das Risiko nicht eingehen.

»Was ist, wenn der Turm niemals endet?«, entfuhr es mir irgendwann leise, als ich mich kraftlos zu Boden sinken ließ. Selbst das Sprechen tat weh, weshalb ich es in den letzten beiden Tagen weitestgehend vermieden hatte.

Wir waren hier zwar sicher vor Dracula und auch sonst lauerten keine Gefahren in dem Gemäuer, aber es war ungemein deprimierend, immer weiter Treppen emporzusteigen, ohne auch nur eine Veränderung festzustellen. Zwar gab es Fenster, aber wenn wir hinausblickten, sahen wir nichts als Wolken. Es wurde weder Tag noch Nacht. Alles war grau und trist. Obwohl wir unserem Ziel näher als je zuvor waren, fühlte es sich unerreichbar an.

Dorian kniete sich vor mir nieder und legte seine Hände behutsam um meine Oberarme. »Du darfst den Glauben nicht verlieren«, bat er mich eindringlich.

Er hatte als Vampir leicht reden. Wie lange mochte es bei ihm wohl dauern, bis er verdurstete?

»Ich kann nicht mehr«, brachte ich mühsam hervor. Ich spürte, wie sich mir der Hals zuschnürte und Tränen in meine Augen traten. Ich durfte jetzt nicht weinen, denn das würde meinem Körper nur noch mehr Flüssigkeit entziehen. Verzweifelt blinzelte ich dagegen an, aber damit machte ich es nur noch schlimmer. Ein verzweifeltes Schluchzen entwich meiner Kehle.

»Nicht«, bat Dorian mich.

Er konnte es nicht ertragen, mich so niedergeschlagen zu sehen. Es schnürte ihm das Herz zu, weil er nicht wusste, wie er mir helfen sollte.

»Was ist mit dem Beutel?«, fing er schließlich wieder an, als wäre er unsere Lösung für alles.

»Was soll damit sein?«, fauchte ich, wie es absolut untypisch für mein sonst so sanftes Wesen war.

Drei Gegenstände waren uns noch verblieben und keiner davon hätte meinen Durst stillen können.

Dorian ignorierte meine Gereiztheit. »Du hast diese Dinge nicht umsonst bekommen. Vier Mal haben sie uns bereits gerettet. Versuch es doch wenigstens.«

Da er nicht aufhören würde, mich damit zu bedrängen, und ich mein Versprechen ohnehin schon mehrfach gebrochen hatte, zog ich den Sack hervor und leerte ihn vor uns auf den Stufen aus. In dem Moment war es mir sogar gleichgültig, ob etwas dabei kaputtging. Ich hatte keine Kraft mehr.

Das Holzstück fiel polternd zu Boden und das Brot landete dumpf daneben. Das Kristallglas wäre vermutlich zerbrochen, wenn Dorian es nicht gerade noch geschafft hätte, es aufzufangen. Er umschloss es mit seinen Fingern, sodass ich mich nicht in seiner Oberfläche sehen konnte. Aber selbst der Fluch kümmerte mich nicht länger.

»Was davon soll nun meinen Durst stillen?«, fragte ich ihn so schneidend, als wäre er an allem schuld.

Betreten senkte er den Blick. »Ich weiß es nicht, meine Schöne«, gab er entschuldigend zu. »Wir müssen weitergehen. Vielleicht erwartet uns die Erdenmutter bereits nach der nächsten Biegung. Wir können nicht aufgeben.«

Nun brach ich wirklich in Tränen aus. Die Verzweiflung drückte mich nieder. Mein Körper erbebte unter meinen Schluchzern.

Hilflos stand Dorian vor mir und wusste nicht, was er tun sollte. Seufzend setzte er den Glassarg ab und zog mich an sich. Es war ihm gleichgültig, dass ich mich gegen seine Nähe sträubte und versuchte, ihn von mir zu drücken. Das alles war der Preis für unsere Liebe. Er war zu hoch und ich zerbrach daran.

Wenn wir uns nie begegnet wären, dann …

»Mary«, stieß er plötzlich alarmiert aus.

Freude schwang in seiner Stimme mit, die ich nicht verstehen konnte. Er hielt mir triumphierend das Glas aus dem Beutel unter die Nase. Eine meiner Tränen war unbemerkt hineingefallen. Dieser einzelne Tropfen füllte nun langsam den ganzen Becher. Immer weiter stieg die Flüssigkeit an und drohte sogar über den Rand zu schwappen.

»Trink«, forderte er mich auf.

Ich überlegte nicht länger, sondern setzte das Glas gierig an meine Lippen und nahm einen ersten Schluck. Die Flüssigkeit lief meinen Rachen hinab und hinterließ dort ein warmes Gefühl. Es war ein bittersüßer Geschmack, der nach mehr verlangte.

Hastig trank ich weiter. Selbst als das Gefäß längst hätte geleert sein müssen, sprudelte es weiter wie eine nie versiegende Quelle. Erst als mein Bauch gluckste, konnte ich aufhören.

Meine Augen richteten sich auf das alte Brotstück, das achtlos auf der Treppe lag. Bei seinem Anblick begann mein Magen lautstark zu knurren. Es spielte keine Rolle mehr, was ich versprochen hatte. Hungrig stürzte ich mich darauf und grub meine Zähne in den harten Teig. Zu meiner Überraschung wurde dieser jedoch weich wie frisch aus dem Ofen, sobald meine Lippen die Kruste berührten. Es war verzaubert, so wie alles andere aus dem Beutel.

Seufzend schloss ich meine Augen und schlang den ersten Bissen hinunter. Sobald er meinen Magen erreichte, schien er sich mit der Flüssigkeit meiner Tränen wie ein Schwamm vollzusaugen, sodass ich nach nur wenigen Happen satt war.

Zufrieden ließ ich mich gegen die Wand sinken und fühlte mich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Für einen Augenblick war alles gut und sämtliche Sorgen in weiter Ferne.

Ich spürte, wie mit der Stärke auch die Hoffnung zurückkehrte. Als ich die Augen wieder öffnete, blickte ich in Dorians lächelndes Gesicht. Es war der schönste Anblick, den ich mir vorstellen konnte.

Wie hatte ich auch nur für einen Moment an unserer Liebe zweifeln können? Sie war alles wert, was wir erlebt hatten, und noch viel mehr. Ich schämte mich nun für meine Schwäche.

»Entschuldige, dass ich gezweifelt habe«, sagte ich schuldbewusst, während die Röte in meine Wangen schoss.

Er streifte zärtlich eine meiner Haarlocken zurück, die sich nach der Seefahrt und dem vielen Salzwasser ganz ausgetrocknet und struppig anfühlten. Sicher bot ich momentan keine entzückende Erscheinung und trotzdem nannte er mich weiterhin seine Schöne.

Ich hatte mich seiner Liebe nie sicherer gefühlt als in diesem Moment. Sie erfüllte jede Faser meines Seins. Ich konnte sie mit jedem Herzschlag spüren.

»Du bist ein Mensch«, meinte er verständnisvoll. »Wie könnte ich dir das je zum Vorwurf machen, wo ich dich doch gerade dafür ganz besonders liebe?«

Seine Worte erinnerten mich an das Lazarus-Bad. Er hatte gesagt, dass die Mischung aus Asche, Schnee und Blut jeden Menschen töten würde, und dennoch war ich am Leben, obwohl ich Stunden darin ausgeharrt hatte. Wie konnte das sein?

Ich hätte ihn hier, in diesem Turm, aus dem es keinen Ausweg gab, danach fragen können. Ich hätte ihn mit sämtlichen Fragen, die mich quälten, löchern und die Wahrheit aus ihm herauspressen können. Hier, wo er nicht vor einer Antwort fliehen konnte.

Aber ich tat es nicht. Er hatte mir versprochen, dass er mir alles erklären würde, wenn die Zeit dafür gekommen war, und ich glaubte ihm. Ich vertraute ihm, weil ich ihn liebte.

Schnell schob ich meine Gedanken beiseite und schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln, als ich den Rest des Brotes, das Kristallglas sowie den letzten ungenutzten Gegenstand zurück in den Beutel schob und mich aufrichtete. »Es mag sich seltsam anhören, aber ich bin glücklich«, sagte ich euphorisch.

Mit meinem Lächeln wich die Anspannung aus seinem Körper, als wäre mein Glück alles, was er brauchte. »Ich wusste schon immer, dass du bescheiden bist«, scherzte er. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass du so genügsam bist, dass man dich mit einem Stück altes Brot und ein bisschen Salzwasser glücklich machen kann.«

»Das meine ich gar nicht«, lachte ich unbeschwert und streckte ihm die Zunge raus, während ich die Stufen weiter emporstieg. »Ich glaube, du hattest von Anfang an recht und der Beutel sollte nie eine Bezahlung für die Erdenmutter sein, sondern unsere Eintrittskarte zu ihr. Es ist nur noch eine Sache übrig und das bedeutet, dass wir unserem Ziel ganz nah sein müssen.«

Zurück in der Realität

Königswinter, Oktober 2012

Wie Kinder liefen sie Hand in Hand über den unebenen Waldweg. Es war noch früh am Morgen. Die von Raureif überzogenen Blätter knisterten unter ihren Füßen. Ihr Atem hinterließ kleine Wolken in der eiskalten Luft, die ihre Nasenspitzen rot anlaufen ließ. Alles um sie herum war weiß, still und wie erfroren. Nicht einmal die Raben mit ihren lauernden Augen saßen in den Baumkronen. Sie hatten das Interesse an ihnen verloren, jetzt, wo ihre Königin das bekommen hatte, was sie die ganze Zeit gewollt hatte – Will.

Trotzdem erfüllte es Maggy und Joe mit Unglauben, als die dichten Tannenbäume sich lichteten und sie hinter ihnen eine Straße sowie die Umrisse von vereinzelten Häusern erkennen konnten. Der Wald ließ sie tatsächlich gehen. Er gab sie frei, weil er keine Verwendung mehr für sie hatte.

Je näher sie der unbefahrenen Landstraße kamen, umso fester hielt Joe die Hand seiner Schwester, während er unter dem anderen Arm die ›Grimm-Chroniken‹ trug. Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, aber letztendlich hatte er das Buch in der Bibliothek des Schlosses finden können. Die Verlockung, einen Blick hineinzuwerfen, war groß gewesen. Nie hatte ihn ein Buch mehr interessiert. Doch er war standhaft geblieben. Vielleicht war dies ihre einzige Hoffnung, Will helfen zu können. Maggy hatte ihre Chance bereits unwissentlich vertan und so hing es nun von ihm ab.

In einigen der Häuser, welche sich am Ende der Straße befanden, brannte Licht. Irgendjemand wohnte dort. Irgendjemand war zu Hause, der ihnen zur Not die Tür öffnen konnte. Es war das erste bisschen Normalität, seitdem sie vor sechs Tagen Königswinter erreicht hatten.

Ehe sie ihre Füße auf den asphaltierten Weg setzen konnten, blieb Maggy plötzlich unschlüssig stehen und schaute zurück in den finsteren Wald, der sie immer wieder in die Irre geführt hatte. Sehnsucht und Angst schimmerten in ihren Augen. Alles in ihr wehrte sich dagegen, diesen Ort und vor allem Will zu verlassen.

Joe hatte bereits damit gerechnet, dass sie noch ein letztes Mal versuchen würde, ihn zu überreden, ohne sie zu fahren. »Erinnerst du dich noch daran, was wir besprochen haben?«, fragte er sie sanft. »Wir helfen Will am meisten, wenn wir dieses Buch zu seinem …« Er stoppte und wusste nicht, wie er den Mann nun nennen sollte. Wills Vater? Sein Bruder? Ludwig oder Jacob? Es war einerlei. »Wenn wir es dem Märchenerzähler bringen. Er weiß am ehesten, was zu tun ist.«

Maggy nickte, doch es wirkte erzwungen und nicht überzeugt. Sie wollte nicht fort. Irgendwie gehörte sie in diese Welt voller Geheimnisse, Lügen und Rätsel. Anders als Joe, vermisste sie den Trubel der Stadt und ihren Alltag nicht.

»Es heißt, man soll keinen Blick zurückwerfen, da man die Vergangenheit nicht ändern kann«, murmelte sie leise.

Joe fühlte sich hilflos. Er wusste nicht, was er sagen oder tun konnte, damit seine Schwester sich besser fühlte. »Ganz genau«, bestätigte er ihr deshalb. »Schau geradeaus, denn dort wartet die Zukunft und sie ist das Einzige, das wir in der Hand haben.«

»Wie soll ich an die Zukunft denken, wenn die Vergangenheit nicht abgeschlossen ist?«, fragte sie ihn weinerlich. Tränen glitzerten in ihren rehbraunen Augen. »Ich schaue zurück, weil ich wiederkommen werde. Wir finden eine Lösung und dann holen wir Will. Er gehört zu uns.« Sie sagte es bestimmt, ohne jeden Zweifel. Nichts und niemand würde sie davon abhalten. Nicht einmal Joe. Er konnte mit ihr gehen, so wie sie nun mit ihm, oder er musste sie allein ziehen lassen. Aber sie würde wiederkommen.

Nun war er es, der nickte, genauso wenig überzeugt wie sie zuvor. Er atmete erleichtert auf, als sie mit ihm die Straße überquerte.

Sie erreichten die ersten Häuser und sahen durch die vor Kälte beschlagenen Fenster die Umrisse von Menschen, die sich für die Schule oder die Arbeit fertig machten. Alles schien seinen gewohnten Gang zu gehen.

»Wo waren diese ganzen Leute vor einer Woche?«, wunderte Maggy sich. »Es kann doch nicht sein, dass eine ganze Stadt verreist ist.«

»Ich weiß es nicht«, gab Joe zu. »Aber ich bin froh, dass sie nun hier sind.«

Ihr Weg führte sie zum Bahnhof. Dort würden sie nach einer Möglichkeit suchen, um nach Berlin zurückzukehren. Nachdem sie bei ihrer Ankunft an einem verlassenen Bahnsteig gestanden hatten, rechneten sie mit Schwierigkeiten.

Doch nun war alles anders. Sie waren nicht allein, sondern rund um sie herum waren Menschen unterwegs. Autos fuhren an ihnen vorbei. Bäckereien hatten geöffnet und verströmten den süßen Duft frischer Backwaren in die kalte Luft des Oktobermorgens. Zeitungshändler lockten mit den neusten Nachrichten. Die Pendler wärmten ihre Hände an bunten Pappbechern mit dampfendem Kaffee. Hier herrschte Normalität und keine Zauberei.

Dieser gewöhnliche Anblick irritierte beide Geschwister. Alles, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten, wirkte mehr denn je wie ein böser Traum. Ein Albtraum, in dem ihr Freund immer noch festsaß.

Der Bahnhof war voller Menschen. Züge fuhren ein und wieder aus. Es gab hier keine unsichtbaren Kinderstimmen, die Fremde in verlassene Gassen lockten. Keinen roten Schnee, der vom Himmel fiel, weil eine Märchenprinzessin getötet hatte.

Sie fanden sogar einen besetzten Ticketschalter, den sie zögerlich ansteuerten. Hinter einer Glasscheibe saß ein älterer Herr mit runder Brille auf der Nase. Er war versunken in die Tageszeitung, hob aber freundlich den Blick, als er die beiden etwas verloren wirkenden Jugendlichen vor sich entdeckte.

»Kann ich euch weiterhelfen?«, fragte er zuvorkommend.

»Fährt von hier ein Zug nach Berlin?«, erkundigte Joe sich skeptisch.

»Von hier direkt nicht«, sagte der Mann. »Ihr müsst erst nach Bonn fahren und dort in den ICE umsteigen. Aber der fährt mehrmals täglich. Braucht ihr Fahrkarten?«

Von Bonn hatte Maggy schon einmal gehört. Es war eine große Stadt und vor Berlin sogar einmal die Hauptstadt Deutschlands gewesen. Das alles hörte sich so normal an. Unglaublich normal.

»Ja, bitte«, bestätigte Joe dem Ticketverkäufer, während seine Schwester ihn nur mit großen Augen anstarrte. »Können wir mit der Bankkarte zahlen?«

»Natürlich«, meinte der Mann und suchte in seinem PC nach der nächsten Verbindung.

Joe stupste Maggy an und raunte: »Jetzt müssen wir auf deinen Notgroschen zurückgreifen.«

Sie hatten kein Geld dabei und Maggy war die Einzige, die genug auf ihrem Konto gespart hatte.

Geistesabwesend zog sie ihr Portemonnaie aus ihrer Manteltasche, während sie ihren Blick über die Plakate wandern ließ, die an dem Ticketschalter angebracht waren und für Sehenswürdigkeiten in der Umgebung warben.

»Waren Sie schon einmal auf Schloss Drachenburg?«, wandte sie sich an den Verkäufer.

Er schaute sie lächelnd über seine Brillengläser hinweg an. »Ja, es ist wirklich ein wunderschönes Schloss. Sehr empfehlenswert. Nur der Aufstieg ist etwas steil, aber es lohnt sich.«

Maggy runzelte die Stirn. Die Worte des Mannes klangen nicht so, als ob es vor einiger Zeit geschlossen worden wäre. »Kann man es denn auch von innen besichtigen?«

»Ja, natürlich. Es hat täglich von zehn bis achtzehn Uhr geöffnet. Wollt ihr es euch ansehen?«

»Nein«, stieß Joe sofort aus, was den Mann sichtlich irritierte. »Wir möchten bitte mit dem nächsten Zug nach Berlin.«

Maggy hatte jedoch längst noch nicht genug gefragt. »Haben Sie je davon gehört, dass dort etwas Seltsames passiert wäre?«

Der Verkäufer musterte sie nun etwas genauer, so als suche er nach äußeren Anzeichen dafür, dass sie nicht ganz richtig im Kopf war. »Was denn zum Beispiel?«, wollte er skeptisch wissen.

Sie traute sich nicht, ihn nach Vampiren zu fragen. Das klang dann selbst für sie zu verrückt. »Gab es dort vielleicht mal einen Mord?«

Als Joe den entsetzten Blick des Mannes sah, begann er aufgesetzt zu lachen und machte dazu eine wegwerfende Handbewegung in Richtung seiner jüngeren Schwester. »Hören Sie gar nicht auf sie. Sie liest zu viele Thriller. Da geht manchmal die Fantasie mit ihr durch.«

Der Verkäufer nickte, als würde er es verstehen, sein argwöhnischer Gesichtsausdruck ließ jedoch etwas anderes vermuten. »Die nächste Bahn zum Bonner Hauptbahnhof fährt in zehn Minuten. Der Anschlusszug nach Berlin kommt dort dann in einer halben Stunde. Ist das in Ordnung?«

»Perfekt«, stimmte Joe sogleich zu. Hauptsache, sie kamen so schnell wie möglich aus Königswinter weg.

Sobald sie ihre Fahrkarten bezahlt und erhalten hatten, machten sie sich auf den Weg zum Bahngleis. Dort stand ihr Zug bereits parat, sodass sie sich in einem der Waggons einen Sitzplatz suchen konnten.

Maggy verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust, als sie sich ihrem Bruder gegenüber niederließ. »Warum hast du mich vor dem Mann wie eine Idiotin dastehen lassen?«, fuhr sie ihn verärgert an.

»Du hast dich verdächtig benommen«, rechtfertigte sich Joe. »Wolltest du ihn als Nächstes vielleicht nach Schneewittchen und Rumpelstilzchen fragen?«

»Ich bin nicht blöd!«

»Habe ich auch nicht behauptet.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739442204
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Grimm Rumpelstilzchen Dornröschen Aschenputtel Märchenadaption Märchen Schneewittchen Königin Episch Fantasy High Fantasy Urban Fantasy düster dark Romance

Autor

  • Maya Shepherd (Autor:in)

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher. Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.
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Titel: Der Tanz der verlorenen Seelen