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Im Land des ewigen Frühlings

Guatemala-Roman

von Christiane Lind (Autor:in)
408 Seiten

Zusammenfassung

So schön es auch wäre, ein gemeinsames Leben mit ihm, so sehr blieb es ein Wunschtraum. 1902: Auf der Reise nach Guatemala kreuzen sich schicksalhaft die Wege der selbstbewussten Margarete und der zaghaften Elise. Während Margarete es kaum erwarten kann, zu ihrer heimlichen Liebe Juan zurückzukehren, fürchtet Elise sich vor dem Unbekannten. Gemeinsam entdecken die jungen Frauen auf den Pfaden der Maya, was im Leben wirklich zählt: Der Mut, ihrem Herzen zu folgen. Über 100 Jahre später: Nach dem bitteren Scheitern ihrer Ehe findet Isabell Trost in den bewegenden Tagebüchern ihrer Ururgroßmutter. Ihre Spurensuche führt sie zu Fabian, dem Chef einer Bremer Kaffeerösterei. Ist auch er bereit, sich den Geheimnissen der Vergangenheit zu stellen? Eine emotionale Familiensaga vor der mystischen Kulisse des Maya-Landes, die von der Kraft der Liebe und der Schönheit des eigenen, mutigen Lebens erzählt. Stimmen von Leserinnen … eine schöne Mischung aus Abenteuer, geschichtlichem Hintergrund und Liebe … so spannend und anschaulich, dass man fast vergisst zu atmen … viel über das Land, die Kultur und die Zeit erfahren … Garant für packende und kurzweilige Unterhaltung … eine absolute Kauf- und Leseempfehlung aussprechen … für jeden, der Familiensagas mag … Figuren sind sympathisch und ebenso lebendig … bildhafte Beschreibungen … äußerst vielseitiger Roman, der keine Lesewünsche offen lässt … eine romantische, spannende, emotionale und fesselnde Familiengeschichte … ein Buch über starke Frauen früher und heute … wunderbares Lesevergnügen, welches mich sehr gut und kurzweilig unterhalten hat … sehr schöne bewegende Geschichte … wundervolle Lesemomente … … schönes, informatives und spannendes Lesevergnügen … Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über die Autorin

Christiane Lind hat sich immer schon Geschichten ausgedacht, die sie ihren Freundinnen erzählte, aber nur selten zu Papier brachte. Erst zur Jahrtausendwende erinnerte sie sich daran und begann Kurzgeschichten zu schreiben.

Beim Schreiben begibt sich Christiane am liebsten auf die Spur von Familien und deren Geheimnissen, sei es im Mittelalter, dem 20. Jahrhundert oder auf anderen Kontinenten.

Sie teilt sich in Kassel eine Wohnung mit unzähligen und ungezählten Büchern, einem Ehemann und vier Katern. Die Samtpfoten erwarten von Christiane, dass mindestens eine Katze in ihren Geschichten vorkommt, was inzwischen ihr Markenzeichen ist.

Über das Buch

Würdest Du für Deine Familie die wahre Liebe aufgeben?


1902: Auf der Reise nach Guatemala kreuzen sich schicksalhaft die Wege der selbstbewussten Margarete und der zaghaften Elise. Während Margarete es kaum erwarten kann, zu ihrer heimlichen Liebe Juan zurückzukehren, fürchtet Elise sich vor dem Unbekannten. Gemeinsam entdecken die jungen Frauen auf den Pfaden der Maya, was im Leben wirklich zählt: Der Mut, ihrem Herzen zu folgen.


Über 100 Jahre später: Nach dem bitteren Scheitern ihrer Ehe findet Isabell Trost in den bewegenden Tagebüchern ihrer Ururgroßmutter. Ihre Spurensuche führt sie zu Fabian, dem Chef einer Bremer Kaffeerösterei. Ist auch er bereit, sich den Geheimnissen der Vergangenheit zu stellen?


Eine emotionale Familiensaga vor der mystischen Kulisse des Maya-Landes, die von der Kraft der Liebe und der Schönheit des eigenen, mutigen Lebens erzählt.

Kapitel 1

Guatemala, departamento Alta Verapaz 1901

Margarete! Mar-ga-rete!« Die Stimme ihrer Gouvernante klang verärgert. »Wo treibt sich das verflixte Mädchen nur wieder herum

»Pst, Juan. Lass sie uns ruhig suchen.« Margarete, zierlich und schmal für ihre fast 17 Jahre, lächelte den Jungen an und hob den Finger vor die Lippen. Sie ließ die Hand sinken und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Er zuckte mit den Schultern und lief ihr nach, tiefer in die Schatten des Dschungels hinein.

Die gefiederten Blätter der Farne schlossen sich hinter ihnen und niemand würde vermuten, dass sie beide diesen Weg gegangen waren. In der Hitze des frühen Nachmittags wirkte der Regenwald still wie ein Dom. Nur ab und zu durchbrach das Zwitschern eines Vogels oder das leise Zirpen der Grillen die Ruhe. Es wirkte beinahe, als ob alle Tiere auf die Kühle der Nacht warteten. Hinter ihnen raschelte es. Juan fuhr herum und stellte sich vor Margarete, bereit, sie gegen alles und jeden zu beschützen. Doch es war nur ein stämmiges Gürteltier, das sich schnaufend seinen Weg durch das dichte Unterholz bahnte. Sie sahen sich an und lächelten.

»Sieh nur, wie schön.« Margarete blieb stehen und bewunderte die Blüte einer Orchidee. Feine rote Streifen zeichneten sich auf den gelben Blättern ab. »Ich werde sie so sehr vermissen, die Schönheit unseres Waldes

»Ich werde dich vermissen.« Sanft strich Juan ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Sie werden dich bestrafen

Margarete lachte nur und lief davon, tiefer in das Halbdunkel des Waldes hinein. Erschreckt stoben rote und grüne Aras vor ihr auf wie exotische Blumen, die plötzlich aus dem Grün des Waldes wuchsen.

»Dein Vater wird dich bestrafen«, wiederholte Juan, nachdem er sie eingeholt hatte. Sein kantiges Gesicht unter tiefschwarzen Haaren wirkte weicher, als er Margarete aufmerksam betrachtete. In der Aufregung hatten sich ihre Wangen gerötet und ließen die Sommersprossen beinahe verschwinden. Schmutzflecken bedeckten ihr helles Kleid und die Haube war ihr vom Kopf gerutscht. In der Nachmittagssonne glänzten ihre blonden Haare beinahe weiß, wie die Monja Blanca, die weiße Nonne, die Juan ihr heute geschenkt hatte. Er hatte Margarete die Orchidee nur überreichen wollen, um sich von ihr zu verabschieden. Doch sie war aus dem großen Herrenhaus davongelaufen und mit ihm in den Nebelwald, der die Kaffeefinca umgab, geflohen. Schon nach kurzer Zeit waren die lauten Rufe ihrer Gouvernante, die nach ihnen suchte, verklungen. »Sie wird sehr wütend sein, wenn du nicht bald zurückkehrst

»Ach was.« Margarete machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. »Sie ist immer ärgerlich. Lass uns heute ein Abenteuer erleben

Ihr Lächeln verschwand hinter einem Schleier aus Traurigkeit. Juan schaute sie prüfend an und strich ihr sanft die Strähne zurück, die ihr immer wieder vorwitzig ins Gesicht fiel. Sie legte ihre Hand über seine und lehnte ihre Wange an sie. Gemeinsam schwiegen sie einen Augenblick. Vorsichtig entzog er ihr die Hand und öffnete den Mund.

»Bitte, bitte«, kam sie seinen Worten zuvor. Schwermut umschattete ihre hellen Augen und ließ sie älter, erwachsener wirken. »Heute ist unser letzter gemeinsamer Tag. Schenk mir ein bisschen Zeit

»Mehr als das.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Scheitel, schloss die Augen und flüsterte: »Ich habe dir mein Herz geschenkt

Sie schwieg und lehnte sich an ihn, spürte seinen Herzschlag an ihrer Wange. Er hielt sie fest, so fest, dass es schmerzte, aber sie zog ihn nur enger an sich, als ob sie eins mit ihm werden und die Welt und das Wissen um den Abschied ausschließen wollte.

»Bring mich zu unserem Wasserfall«, bat Margarete schließlich und atmete tief ein. Sie wollte nicht weinen, doch sie kam nicht gegen die tiefe Verzweiflung an, die sie zu überwältigen drohte. Sie wandte den Kopf ab, aber er hatte ihre Tränen bereits bemerkt. Sanft berührte er ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich.

»Es ist nur ein Jahr«, sagte er. Seine Stimme klang rau und er schluckte, als ob auch er gegen Tränen ankämpfte.

»Wirst du auf mich warten?« Margarete drehte sich ihm zu, näherte sich seinem Gesicht, bis sich ihre Nasen berührten. Ohne es zu bemerken, hielt sie den Atem an und leckte sich die trockenen Lippen. »Wirst du

Er nickte, unfähig zu sprechen. Ihre Nähe verwirrte ihn und das erste Mal, seit er sie kannte, wagte er es, sie zu küssen. Schnell und flüchtig, unsicher, ob sie ihn nicht zurückweisen würde. Sie lächelte mit feuchten Augen und zog seinen Kopf wieder heran, küsste ihn. Lange und zärtlich. Tastend, sich ganz dem Gefühl hingebend, das seine Nähe und der Kuss ihn ihr hervorriefen.

Schließlich lösten sie sich voneinander, beide etwas außer Atem. Sie schauten aneinander vorbei, verlegen über die Gefühle, die sie füreinander empfanden. Er wagte den nächsten Schritt und zog sie an sich.

»Du riechst gut«, flüsterte er in ihr Ohr. Seine Lippen glitten ihren Hals hinab. Er lachte und pustete leicht in die Beuge, die Stelle, wo der Spitzenkragen ihren Hals verhüllte. »Wie der Frühling

»Das kitzelt.« Sie schauderte und lachte. Mit einer Drehung löste sie sich aus seiner Umarmung und lief davon. »Komm, lass uns zu unserem Wasserfall gehen

Juan blieb noch einen Moment stehen und lauschte. Weit entfernt hörte er die hohe Stimme der Gouvernante. Beide würden sie für den gestohlenen Nachmittag büßen müssen. Das war ihm nur zu bewusst. Aber was konnte ihnen Schlimmeres geschehen als die Trennung voneinander?

Er horchte noch einmal, zuckte mit den Schultern und folgte Margarete zum Wasserfall. Den Ort, wo er sie das erste Mal gesehen hatte. Lächelnd erinnerte er sich. Vor vielen Jahren war sie schon einmal davongelaufen. War einem Quetzal in den Dschungel gefolgt, ohne sich den Weg zurück einzuprägen. Der bunte Vogel hatte sie weiter und weiter von ihrem Zuhause fortgeführt, bis der Nachmittag anbrach. Ihr Vater hatte alle Arbeiter und deren Familien zusammengerufen und demjenigen eine Belohnung versprochen, der seine Tochter zurückbrachte. Zum ersten Mal hatte der Junge an diesem Nachmittag einen Menschen in dem Herrn der Finca gesehen. Einen Vater, der bleich vor Sorge um seine Tochter war.

Nur mit viel Glück hatte Juan das leise Weinen des Mädchens gehört und die Tochter des Herrn gefunden. Die hellen Haare aufgelöst, die Augen gerötet von den Tränen, die Arme zerkratzt von Dornen und dennoch hatte Juan gedacht, dass er nie ein schöneres Mädchen gesehen hatte. Sie kauerte am Wasserfall. Die Nachmittagssonne spannte einen Regenbogen über der sprühenden Gischt. Einen Regenbogen, in dem das Mädchen saß. Wie eine Göttin der alten Mythen war sie ihm erschienen, wie Ix Chel, Herrin des Regenbogens, Göttin des Wassers.

Vorsichtig hatte er sich ihr genähert und Margarete sanft angesprochen. Ohne zu überlegen, war sie ihm in die Arme gestürzt und hatte ihn angefleht, dass er sie nach Hause bringen sollte.

Von der Belohnung hatte seine Familie die dringend notwendige Medizin für seinen kleinen Bruder kaufen können und ein Hochzeitskleid für seine Schwester. Juan jedoch war das Geld gleichgültig. Er war verzaubert von Margarete und suchte immer wieder ihre Nähe. Wohlwissend, dass er sich damit in Gefahr begab.

Heimlich mussten sie sich treffen, stets in Sorge, dass jemand sie entdeckte. Ohne dass sie jemals darüber sprachen, wussten beide, dass ihre Freundschaft niemals geduldet werden würde. Und als sich aus der Freundschaft Verliebtheit entwickelte, waren sie noch vorsichtiger geworden. Und dennoch. Jemand musste sie miteinander gesehen und an den Herrn verraten haben. Zur Strafe hatte dieser beschlossen, Margarete wegzuschicken. Weit weg.

»Wo bist du mit deinen Gedanken?« Margaretes Stimme zog Juan aus seinen dunklen Gedanken. Sie saß am Wasserfall, wieder umrahmt von einem Regenbogen, dessen Farben blass und durchscheinend wirkten. Ihr helles Kleid hob sich von der roten Erde ab. »Woran denkst du

»Wie weiß deine Haut ist.« Der Junge streichelte die Hand des Mädchens. Zart, kaum spürbar, glitten seine dunklen Finger über ihren Unterarm. Margarete erschauerte und betrachtete seine Hand. Für einen Maya hatte Juan sehr helle Haut, beinahe wie ein Ladino. Sie wusste, dass Juan darunter litt auszusehen wie ein Mischling. Auch wenn sie arm war, war seine Familie stolz. Stolz darauf, in direkter Linie von den alten Herrschern, den Maya, abzustammen und niemals Kinder der spanischen Eroberer bekommen zu haben. Nachdem Juan geboren war, hatte seine Mutter ihn zu einem brujo, einem Schamanen, gebracht und ihn um Hilfe gebeten. Obwohl der Mann ihn mit einem Zaubermittel eingerieben hatte, war Juan hellhäutiger geblieben als die anderen Mitglieder der Familie.

Und er hatte in der Schule Lesen und Schreiben und Rechnen gelernt. Einen klugen Kopf hatte der Lehrer ihn genannt und bedauert, dass Juan nur ein Indio war. Ein Indio, dessen Wissensdurst ihn in Konflikt mit den engen Grenzen brachte, in denen sein Volk leben durfte, wenn es nach den deutschen Kaffeebauern ging, die den Nebelwald und das Hochland von Alta Verapaz beherrschten.

Als ob das nicht bereits schlimm genug war, hatte er sich auch noch in die Tochter des Herrn verliebt und weigerte sich, ein Maya-Mädchen zur Frau zu nehmen. Margarete wollte ihm danken, wollte ihm sagen, wie sehr sie seine Liebe zu schätzen wusste. Sie wollte ihm beistehen und versichern, dass sie ahnte, unter welchen Druck ihn seine Familie setzte, aber sie schwieg. Juan sprach nicht gern von seiner Familie und seinen Sorgen. Das respektierte sie. Also lehnte sie sich in seinen Armen zurück und schwieg gemeinsam mit ihm. Sanft brach sich das Licht im Wasser und der Fluss schien ihnen mit seinem leisen Glucksen etwas zuzumurmeln. Margarete reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen.

»Wir müssen zurück«, sagte Juan schließlich und sie spürte das Bedauern in seiner Stimme. Warum konnten sie nicht einfach hierbleiben, den Rest ihres Lebens am Wasserfall verbringen?

»Lass uns fliehen«, flehte Margarete mit leiser, aber eindringlicher Stimme. Sie waren jung und kräftig. Er würde sicher Arbeit auf einer der anderen Kaffeefincas finden oder bei den Holzfällern. Und sie … sie könnte vielleicht Kinder unterrichten. Allein der Gedanke daran, wie sie vor einer Schulklasse stand, brachte sie zum Schmunzeln. So schön es auch wäre, ein gemeinsames Leben mit ihm, so sehr blieb es ein Wunschtraum.

»Ich werde dich nicht vergessen«, flüsterte sie und hoffte, dass er verstehen würde, was dieser Satz bedeutete. All das Ungesagte, das zwischen ihnen stand und weiter stehen würde, wenn sich morgen für lange Zeit ihre Wege trennen würden. »Ich werde zurückkehren

Er schwieg.

Sie wagte es nicht, ihn anzuschauen, fühlte sich verloren in den Worten, die sie gesagt hatte und die er einsam stehen ließ.

»Du wirst in deiner Welt leben«, antwortete Juan schließlich. So leise wie der Wind, der in den Blättern der Bäume spielte. »So viel Neues sehen, dass ich in deinen Gedanken verblassen werde …«

Er schaute zu Boden und spielte mit einem Stein, einem vom Wasser glattpolierten grauen Kiesel, ließ ihn von einer Hand in die andere gleiten.

»Nein!« Trotzig hob sie den Kopf, griff mit einer schnellen Bewegung nach dem Stein und warf ihn in den See. »Nein. Ich werde dich nie vergessen. Das schwöre ich

Er schaute sie an und lächelte. Mit einer fließenden Bewegung sprang er auf und reichte ihr die Hand. »Komm. Sonst wirst du großen Ärger bekommen. Das Fräulein sucht nur einen Grund, um dich anzuschwärzen

»Pfff«, antwortete sie und zwinkerte ihm zu. Sie griff nach seiner Hand, ließ sich von ihm hochziehen und lehnte sich gegen seine Brust. »Ich fürchte mich nicht vor Fräulein Dieseldorf

»Du fürchtest dich zu wenig.« Er hielt ihre Hand in seiner und gemeinsam gingen sie zurück.

Schon von Weitem hörten sie Stimmen, die ihren Namen riefen. Viele Stimmen. Die Gouvernante hatte Diener zu Hilfe gerufen, um die Ausreißerin zu suchen.

Juan drückte Margaretes Hand, bevor er sie losließ und zwei Schritte zur Seite trat.

»Warum?«, fragte das Mädchen und wollte nach seiner Hand greifen. »Bleib bei mir

Er entzog sich ihren suchenden Fingern und hob bedauernd die Schultern. »Ich muss an meine Familie denken …«

Sie nickte. Zu selten dachte sie daran, dass er nicht ihre Freiheiten teilte, dass er mehr Verantwortung auf seinen Schultern trug als sie.

»Mein Versprechen gilt«, flüsterte sie und trat aus dem Dunkel des Waldes auf die Lichtung. Er folgte ihr mit kleinem Abstand, den Kopf respektvoll gesenkt, wie es von einem Arbeiter erwartet wurde.

Dort warteten Fräulein Dieseldorf und zwei Diener, die dem Mädchen und dem Jungen neugierig entgegensahen. Mit einer herrischen Geste sandte die Gouvernante die Diener fort und eilte mit kleinen, hektischen Schritten auf Margarete und Juan zu.

»Du sollst dich nicht mit diesem Indio herumtreiben.« Ihre Worte klangen harsch. »Schau nur, wie du wieder aussiehst

Margarete blickte an sich herab. Grasflecken stachen dunkel von ihrem hellen Kleid ab. Im Saum hatte sich Erde verfangen und es war an einigen Stellen zerrissen. Sie hob die Hand mit einer Geste der Entschuldigung.

»Und du …« Alice Dieseldorf wandte sich dem Jungen zu, stach mit ihrem spitzen Zeigefinger auf ihn ein. »Du solltest es besser wissen. Wenn ich das dem Herrn berichte, wird er deine Familie entlassen

Triumphierend richtete sie sich auf. Ein kaltes Lächeln glitt über ihr Gesicht und ließ die hageren Züge wirken wie eine Maske.

»Nein! Nein!« Juan erbleichte. Alle Farbe schien aus seinem Gesicht zu weichen. »Bitte nicht. Es tut mir leid

»Das hättest du dir früher überlegen müssen.« Einzelne stumpfbraune Strähnen hatten sich aus Fräulein Dieseldorfs sorgfältig gelegter Frisur gelöst und standen wirr um ihr Gesicht. Sie erinnerte Juan an Darstellungen bösartiger Götter auf den verwitterten Steinen der alten Tempel. »Jetzt musst du mit den Konsequenzen deines Handelns leben

»Nein.« Leise und klar sagte Margarete nur das eine Wort. Sie stellte sich neben Juan und reckte das Kinn empor. »Lassen Sie ihn in Ruhe. Oder …«

Die Gouvernante schien in sich zusammenzufallen. Ihre Schultern sackten herab und sie kniff die dünnen Lippen zusammen.

»Komm jetzt«, sagte die Gouvernante dann mit einem Blick voller Verachtung.

Margarete tastete nach Juans Hand und hielt sie einen Moment. Er streichelte mit dem Daumen über die weiche Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger. Mit einer raschen Bewegung zog er sie an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf die Fingerspitzen. Dann drehte er sich abrupt um und lief in den Wald. Margarete schaute ihm nach. Tränen glitzerten in ihren Augen.

»Was du nur an ihm findest«, bohrte sich die spitze Stimme des Fräuleins in ihre Traurigkeit. »Dreckiger Indio. Ich sollte es deinem Vater erzählen

»Gar nichts werden Sie tun«, antwortete Margarete mit kalter Stimme. »Und im Übrigen: Er heißt Juan. Wie Sie sehr wohl wissen

Margarete und die Gouvernante maßen einander mit ihren Blicken.

»Vielleicht wirst du in Deutschland Manieren lernen«, sagte Alice Dieseldorf schließlich. Bevor Margarete etwas erwidern konnte, drehte sich die Gouvernante um und ging in Richtung des Herrenhauses davon.

Kapitel 2

Braunschweig 2016

Nie hätte Isabell erwartet, dass ihr der Gerichtstermin so nahegehen würde. Mit zitternder Unterlippe stand sie vor der Tür des Amtsgerichts und suchte in ihrer übergroßen Handtasche nach ihrem Schirm. Wie passend, dass es angefangen hatte zu regnen. Der trübe graue Himmel spiegelte wunderbar ihre Stimmung wider. Reiß dich zusammen, redete Isabell sich zu, während sie den Schirm immer noch nicht finden konnte. Was hast du denn erwartet? Es war doch klar gewesen, was heute geschehen würde. Aber dennoch tat es weh, viel mehr, als sie gedacht hätte.

Eigentlich handelte es sich doch nur um eine bloße Formalität, um die offizielle Feststellung, dass ihre Ehe nach elf Jahren gescheitert war. Das verflixte siebte Jahr hatten Sascha und sie geschafft und Isabell war sicher gewesen, dass ihre Ehe alle Höhen und Tiefen überstehen würde. Daher hatte es sie vollkommen überrascht, als ihr Mann vor mehr als einem Jahr zu ihr gesagt hatte: »Schatz, wir müssen reden.« An einem Freitagabend, das wusste sie noch wie heute.

Lag es am Tonfall seiner Stimme oder war es der Ausdruck seiner hellblauen Augen, der ihr damals verriet, was sie erwartete? Sein Wunsch traf sie dennoch unverhofft. Sicher, von Leidenschaft konnte zwischen ihnen nicht mehr die Rede sein. Irgendwann in den vergangenen Jahren hatte jeder von ihnen begonnen, sein eigenes Leben zu leben, aber trotzdem … Wenn es hart auf hart ging, wenn sie einander brauchten, konnten Isabell und Sascha sich aufeinander verlassen. Genau das hatte sie ihm auch gesagt, aber ihr Mann schüttelte nur den Kopf.

»Ach, Isa.« Niemand hatte sie je Bella genannt. Sascha seufzte. Auf seine ganz eigene Art, die Isabell so gut kannte. »Selbst du musst zugeben, dass wir uns auseinandergelebt haben

»Nicht mehr als andere Paare auch«, lautete ihre Antwort, die selbst in Isabells Ohren lahm und abgedroschen klang. »Wir haben uns doch so viel aufgebaut

Fiel ihr wirklich nichts Besseres ein, um ihren Ehemann zu halten? Wollte sie Sascha überhaupt noch halten? Liebte sie ihn noch? Diese Fragen konnte Isabell nicht beantworten, sein Ansinnen hatte sie überraschend und ohne Vorwarnung getroffen. Daher sagte sie das einzig Sinnvolle, das ihr einfiel: »Bitte gib mir Zeit zum Nachdenken

Erneut schüttelte Sascha den Kopf. Seine blonden Haare, die am Oberkopf deutlich schütter geworden waren und die er immer etwas zu lang trug, flogen und verdeckten sein Gesicht für einen Moment, sodass Isabell nicht darin lesen konnte. Aber sie spürte, dass es ihm ernst war, dass sie sagen konnte, was sie wollte, es würde nichts ändern. Ihr wurde übel. Es fühlte sich an, als hätte ihr jemand mit der Faust in den Bauch geschlagen. Aus heiterem Himmel und hart.

»Ich ziehe aus und reiche die Scheidung ein.« Saschas Tonfall klang endgültig. Er schaute sie an. So distanziert und kühl, als wäre sie eine Fremde. Und nicht die Frau, der er vor elf Jahren auf dem Standesamt und in der Kirche versprochen hatte, dass er gute und schlechte Zeiten mit ihr durchstehen wollte. Das musste doch etwas bedeuten, nicht wahr?

»Sascha«, flüsterte Isabell und hasste sich dafür, wie piepsig und verzweifelt ihre Stimme klang. »Wir … wir gehören doch zusammen. Wir … wir könnten eine Eheberatung machen

»Verdammt, Isa.« Das kannte sie so gut. Wenn ihr Ehemann nicht mehr weiterwusste, wurde er laut. »Mach es uns doch nicht so schwer. Ich rufe dich an, damit wir alles Weitere klären

Mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen, machte sich nicht einmal Gedanken, wie es ihr wohl ginge, mit wem sie ihr Leid teilen könnte. Isabell verbrachte das Wochenende heulend und tobend, trank zu viel, aß zu viel und schlief zu wenig. Am Montagmorgen rief sie auf ihrer Arbeitsstelle an und meldete sich krank. Bis Mittwoch hatte sie sich soweit gefangen, dass sie die bittere Wahrheit in Saschas Worten akzeptieren konnte. Ja, ihre Ehe war einfach am Ende. Ohne Pep, ohne Power – wie ein ausgelutschter Drops.

Das mussten die Schokolade und die Macarons vom Wochenende sein, die ihr solche Vergleiche nahelegten. Nachdem sie dreimal tief durchgeatmet hatte, rief Isabell Sascha an, um mit ihm ihre einvernehmliche Trennung zu besprechen.

»So wie Gwyneth Paltrow und Chris Martin«, sagte sie zu ihm, was Sascha nicht verstand. Aber das machte nun auch nichts mehr. Isabell holte tief Luft. In der Krise lag auch eine Chance, dachte sie.

Alles hätte gut sein können, wenn nicht

Isabell presste die Lippen aufeinander, als sie an den Tag dachte, der alles in Scherben gehen ließ. Vergiss den Schirm. Sieh zu, dass du hier wegkommst, bevor Sascha rauskommt. Sascha und

Zorn kochte brennend in ihr hoch. Von wegen »Wir haben uns auseinandergelebt, Isa. Das musst du doch auch einsehen, Isa

Wie hatte sie nur dermaßen naiv sein und ihm glauben können? Isabell hatte wirklich und wahrhaftig gedacht, dass ihr Ehemann, ihr Ex-Ehemann ehrlich zu ihr sein würde. Daher hatte sie der Schock völlig unvermutet getroffen, als sie ihn in ihrem Lieblingscafé gesehen hatte. Dort saß er einer Frau gegenüber, die aussah wie Isabell vor fünfzehn Jahren. Hochgewachsen, brünett, mit klaren Gesichtszügen, nur eben viel jünger. Sascha glotzte die Frau aus verliebten Augen an, während er ihre Hand tätschelte. Kurz hatte Isabell überlegt, an den Tisch zu gehen und ihn mit seinem Verrat zu konfrontieren. Dann jedoch war eine Kälte über sie gekommen, die sie alles wie durch ein Brennglas sehen ließ. Nein, ich werde ihn da treffen, wo es ihm wehtut.

An dem Tag hatte sie sich eine Anwältin genommen, die dafür sorgen sollte, dass Isabell all das bekam, was ihr zustand. Sie konnte Sascha nicht mehr vertrauen, dass er es ehrlich mit ihr meinte und nicht versuchen würde, sie über den Tisch zu ziehen. Zu ihrer Überraschung hatte Sascha sie angerufen und mit Vorwürfen überschüttet, weil Isabell – seiner Meinung nach – eine schmutzige Scheidung wollte.

Erst als Isabell gefragt hatte: »Wie heißt sie?«, war er still geworden.

Während des Trennungsjahres waren sie sich aus dem Weg gegangen, soweit es möglich war. Wenn sie sich in Braunschweig doch einmal trafen, blieben sie beide höflich und distanziert, wie Fremde. Isabell schmerzte das. Was Sascha davon hielt, wusste sie nicht und wollte es auch nicht mehr wissen.

Den Gerichtstermin heute hätte sie am liebsten ignoriert, aber ihre Anwältin hatte Isabell dazu überredet, dort zu erscheinen. Kurz und förmlich war das Verfahren gewesen. Das einzige Ärgernis war, dass Sascha es sich nicht hatte nehmen lassen, seine Freundin mit zum Amtsgericht zu bringen. Isabell nahm ihm das übel, ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie nickte der Frau zu, schüttelte ihrem nun Ex-Ehemann die Hand, verabschiedete sich von ihrer Anwältin und floh aus dem Gerichtssaal nach draußen.

Ihr Smartphone vibrierte. Isabell suchte eine Möglichkeit, wo sie sich vor dem Regen unterstellen konnte, ohne Sascha zu begegnen. Mit großen Schritten eilte sie in das nahegelegene Kaufhaus. Hier schüttelte sie sich und nahm ihr Handy aus der Tasche ihres hellen Sommermantels.

Ein WhatsApp-Video öffnete sich. Nicole, ihre beste Freundin, tanzte in der engen Personalkabine des Kreuzfahrtschiffes. Sie hielt ein Feuerzeug in der Hand, dessen Flamme auf- und abzuckte, während sie aus vollem Hals »Freiheit! Freiheit!« grölte.

Trotz ihrer elenden Stimmung musste Isabell lachen. Das konnte nur Nicole einfallen. Sie vermisste ihre Freundin, deren Job es war, die Passagiere einer Karibik-Kreuzfahrt bei Laune zu halten. Isabell wusste, wie sehr Nicole ihre Arbeit liebte, aber sie wünschte sich, dass ihre Freundin nicht so oft und vor allem nicht so weit weg von ihr wäre. Gerade heute nicht. Heute könnte sie Nicoles schwarzen Humor und ihre Schulter zum Anlehnen gut brauchen. Isabell schniefte und las die begleitende Nachricht.

Lass uns heute Abend skypen. Ich ruf dich um 8 an. Alles wird gut! Nicole

Isabell tippte eine eilige Antwort: Komm schon klar, aber danke. Freu mich auf heute Abend. Dabei rempelte sie ein Mann an, ohne sich zu entschuldigen. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, dann ging er weiter. Am liebsten hätte sie ihm hinterher gebrüllt: Wo ist Ihre Kinderstube? Doch obwohl Isabell sich sagte, dass der Mann einfach ein ungehobelter Flegel war, fühlte sie sich klein. 37 Jahre alt, geschieden, unsichtbar, selbst für so einen Kerl – so zog sie Bilanz. Dann kaufte sie einen Schirm und fuhr in ihre Wohnung. Die nun ihr allein gehörte.


»Hatte er die jüngere Version von dir dabei?«, fragte Nicole. Durch Skype verruckelte ihr Bild ab und zu, aber Isabell konnte die Sorge in den Augen ihrer besten Freundin erkennen. »Sei froh, dass du ihn los bist. Ehrlich

»Bin ich auch. Ehrlich.« Isabell bemühte sich um ein Lächeln, aber es wollte ihr nicht gelingen. »Ich wünschte, du wärst hier

»How I wish, how I wish you were here«, sang Nicole laut und falsch den Pink-Floyd-Song. »Warum buchst Du nicht ein Ticket und kommst zu mir? Zeit genug hast du ja

»Erinner mich nur nicht daran.« Isabell seufzte. Das, was das beste halbe Jahr ihres Lebens hätte werden sollen, würde ein verdammt unglückliches halbes Jahr werden. »Zum Glück konnte ich alles stornieren

Bevor sie sich »auseinandergelebt« hatten, hatten Sascha und sie eine halbjährige Tour ans andere Ende der Welt geplant: Australien, Neuseeland, Papua-Neuguinea, vielleicht auch Indonesien. Isabell hatte mit ihrem Arbeitgeber ausgehandelt, dass sie sich diese Zeit ansparte, weil sie keinen unbezahlten Urlaub nehmen wollte. Das erschien ihr zu riskant. Vor einer Woche hatte ihre Vertretung die Arbeit aufgenommen und Isabell saß in ihrer Wohnung. Allein. Nicht im Flugzeug nach Down Under. Zu zweit. Darüber ärgerte sie sich am meisten. Saschas Untreue, sein Betrug – ja, das war ein Stachel, aber die verpfuschte Reise und das leere halbe Jahr vor sich, das machte Isabell Angst.

»Komm zu mir«, wiederholte Nicole. Laut, so als hätte sie das bereits mehrmals gesagt.

»Entschuldige. Meine Gedanken waren gerade woanders

»Wenn du hier keinen Urlaub machen willst, finde ich bestimmt einen Job für dich.« Nicole lächelte, aber ihre Stirnfalte blieb. Die Sorgenfalte nannte Isabell sie immer. Die trat nur auf, wenn ihre an und für sich sorglose Freundin sich über etwas sehr viele Gedanken machte.

»Danke. Du weißt, wie dankbar ich dir bin, wie gerne ich bei dir wäre.« Warum nur war es so schwer, Nein zu sagen? Vor allem zur besten Freundin, die es wirklich nur gut meinte. »Aber Kreuzfahrten sind so gar nichts für mich. Zu viele Menschen …«

Nicole trank einen Schluck eines grünlichen Getränks, das sich in einem runden Glas befand. Das Glas war unter bunten Schirmchen, Ananasstücken und Kokosnussstreifen kaum zu sehen. Vielleicht sollte sie ihre Vorbehalte gegen Kreuzfahrten überdenken, wenn es für Mitarbeiter so leckere Cocktails gab.

»Was willst du machen?« Die Stimme ihrer Freundin klang etwas verzerrt, aber dennoch konnte Isabell den leichten Vorwurf in ihrer Stimme hören. »Du wirst doch wohl nicht das ganze halbe Jahr in Braunschweig hocken

»Erst einmal fahr ich übermorgen zu Lina.« Isabells Stimmung wurde besser, als sie an ihre Großmutter dachte, bei der sie aufgewachsen war. »Sie hat ein neues Projekt, bei dem sie meine Hilfe gern in Anspruch nehmen will

»Was ist es dieses Mal?« Nicole verdrehte die Augen, kannte sie doch Lina fast genauso lange wie Isabell. Seit der ersten Klasse waren die beiden befreundet und Nicole hatte schon viele von Linas Projekten und Ideen mitbekommen. »Ich hoffe nicht wieder Makramee oder so etwas Furchtbares. Diesen grässlichen Wandbehang in Kackbraun werde ich nie vergessen

Nicole schauderte demonstrativ, was Isabell zum Lachen brachte. Ja, die Makrameephase ihrer Oma war wirklich anstrengend gewesen. Da waren die unterschiedlichen Kochversuche – indisch, chinesisch, brasilianisch – deutlich besser gewesen.

»Keine Ahnung. Lina wollte es mir nicht verraten.« Isabell entschied sich, das Thema zu wechseln. »Wie sieht es bei dir aus? Sind interessante Frauen an Bord

Kapitel 3

Bremen 2016

Möchtest du auch einen Tee?« Linas Stimme holte Isabell in die Realität zurück. Sie lag auf dem Bett in ihrem ehemaligen Kinderzimmer, das immer noch so eingerichtet war, wie Isabell es vor fast zwanzig Jahren verlassen hatte. Nur die Poster der 80er-Jahre-Bands hatte Isabell bei einem Besuch abgenommen und durch Kunstdrucke von Bildern ihrer Lieblingsmaler Edward Hopper und Claude Monet ersetzt. »Außerdem gibt es bald Essen

Isabell stand auf und ging zur Tür.

»Ja, bitte. Tee wär schön. Ich komm gleich runter«, rief sie und ging ins Badezimmer. Bevor sie Lina gegenübertrat, wollte sie alle verräterischen Spuren der Tränen beseitigen, die sie eben wieder überkommen hatten. Ihre Zukunft erschien Isabell düster und grau, was durch das Bremer Regenwetter nicht verbessert wurde.

Isabell schaute sich im Spiegel an. Ihr kam es vor, als wären die Falten um Mund und Augen in den letzten Wochen tiefer geworden, als hätten sich mehr graue Strähnen in ihre brünetten Haare gemischt. Sie musste dringend zum Friseur. Und neue Kleidung brauchte sie auch. Seit der Trennung von Sascha war sie endlich die zehn Kilogramm losgeworden, die sie seit Jahren mit unterschiedlichsten Diäten erfolglos bekämpft hatte. Aber sie fühlte sich nicht besser. Ach, was sollte das Klagen? Isabell gab noch einmal kaltes Wasser in ihre Hände und tauchte ihr Gesicht ein. Werde ich je wieder glücklich sein? Kann ich je wieder einem Mann vertrauen?

»Isabell, wo bleibst du?«, rief Lina. Geduld war nicht die Stärke ihrer Großmutter. All die Sinnsprüche, die davon ausgingen, dass Menschen mit zunehmendem Alter ruhiger würden, wurden durch Lina Lügen gestraft. »Tee ist fertig

Isabells Spiegelbild versuchte ein Lächeln, das allerdings zu einer Grimasse geriet. Was sollte es? Lina würde sie auf den ersten Blick durchschauen. So war es immer schon gewesen. Egal, was Isabell vor ihrer Großmutter zu verbergen versucht hatte, Lina war dahintergekommen. Daher hatte Isabell das Lügen aufgegeben und auch jegliche Versuche, etwas zu verschweigen. Komisch, dass so etwas nach all den Jahren immer noch funktionierte.

»Isabell. Essen!«, erklang es wieder von unten. Dieses Mal ließ der Ton in Linas Stimme deutlich erkennen, dass sie kein nächstes Mal rufen würde.

Nachdem sie sich im Spiegel eine Grimasse geschnitten hatte, ging Isabell hinunter in die Küche. Lina wohnte in einem Altbremer Haus in Peterswerder, einem Viertel, in dem es viele solcher schmalen Häuser mit Hochparterre gab. Seit Generationen war es das Heim ihrer Familie. Am besten gefiel Isabell, dass die kleinen Gärten nach hinten hinausgingen und sich berührten, sodass man den Eindruck von viel Grün bekam. Und das mitten in der Stadt.

Lina stand an der Spüle und nahm das Teesieb aus der Teekanne. Als sie ihre Großmutter bei der altvertrauten Tätigkeit sah, wurde es Isabell warm ums Herz. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern, die bei einem Busunfall ums Leben gekommen waren, war sie als kleines Kind zu ihrer Großmutter gekommen, die immer darauf bestanden hatte, dass Isabell sie mit ihrem Vornamen anredete: »Nenn mich bloß nicht Oma, dann fühle ich mich uralt

Auch sonst hatte Lina wenig mit den Großmüttern gemeinsam, die Isabell aus Büchern kannte oder bei ihren wenigen Schulfreundinnen erlebt hatte. Lina trug Jeans und selbstgestrickte, übergroße Pullover, färbte ihre Haare mit Henna zu einem leuchtenden Rot. Nun, wo ihre Großmutter 74 Jahre alt und ihre Naturhaarfarbe wohl grau oder weiß war, war das Henna zu einem kräftigen Orange ausgebleicht. Aber Lina sah nicht nur anders aus als eine typische Oma, sie war auch ständig unterwegs. Tierschutzverein, Malgruppe, Chor, Stadtteilfest – alle Termine hatte sie in einen großen Kalender eingetragen, der am Kühlschrank hing. Früher hatte der Kalender eine zweite Spalte für Isabells Termine enthalten.

Ob Lina einen Mann in ihrem Leben vermisste? Das hatte Isabell ihre Großmutter nie zu fragen gewagt. Wahrscheinlich, weil deren Augen immer so traurig wurden, wenn sie von ihrem Ehemann erzählte, der jung an einer Lungenentzündung gestorben war. Schon oft hatte Isabell sich gefragt, ob all die Aktivitäten ihrer Großmutter wohl eine Flucht vor der Einsamkeit waren. Aber Lina schien mit ihrem Leben, so wie es war, zufrieden zu sein. Daher wollte Isabell nicht an alten Wunden rühren. Außerdem, wer war sie denn, dass sie andere Menschen fragen konnte, ob sie glücklich waren?

»Was gibt es denn Gutes? Soll ich den Tisch decken?«, fragte sie daher nur. Ihr Blick glitt durch die altvertraute Küche, die sich kaum verändert hatte, seitdem sie ausgezogen war. Ein dunkler Holztisch mit Kratzspuren an den Beinen stand mitten im Raum und wurde von vier bunt zusammengewürfelten Stühlen eingerahmt. Nur der taubenblaue Geschirrschrank war von Krallen verschont geblieben. »Wie hältst du die Katzen eigentlich davon ab, an dem Schrank zu kratzen

»Mit drohenden Blicken. Und ja, deck den Tisch, bitte. Es gibt Pizza. Ich hatte keine Zeit, was Richtiges zu kochen«, antwortete Lina knapp und öffnete den Herd. Ein Edelstahlmonstrum, das seltsam modern in der gemütlichen Küche wirkte. Den Herd hatte ihre Großmutter vor vier Jahren gekauft. »Langsam bin ich zu alt für das alte Ding«, hatte sie gesagt und den Herd gegen ein hochmodernes Gerät mit Induktionsplatten eingetauscht.

Isabell suchte nach Tellern und Geschirr und fand in einer Schublade Servietten, die dem Essen einen feierlichen Anstrich gaben. Sorgfältig dekorierte sie alles auf der Tischplatte, nachdem sie diese gründlich abgewischt und von Katzenhaaren befreit hatte.

»Im Kühlschrank ist noch Salat.« Lina stellte die Pizzen auf den Tisch. »Holst du ihn bitte

Nachdem Isabell die Salatschüssel abgestellt hatte, setzte sie sich Lina gegenüber, die die Pizzen bereits geachtelt hatte. Eine Vier-Käse-Pizza und eine mit Champignons. Fleisch gab es im Haus ihrer Großmutter nur für die Katzen. Lina war Vegetarierin, nicht missionierend, wie sie sagte, aber bei ihr gäbe es eben weder Fisch noch Fleisch. Außer man hätte Fell und vier Beine. So war das immer schon, sodass auch Isabell vegetarisch lebte. Sascha hatte sich immer darüber lustig gemacht und von ihr erwartet, dass sie Fleisch für ihn briet oder kochte. Einer ihrer Streitpunkte, bei denen Isabell nachgegeben hatte, obwohl sie es eklig fand, Fleisch anzufassen.

»Denkst du wieder an ihn?« Nachdem Isabell ihrer Großmutter von Saschas Freundin erzählt hatte, war ihr Ex-Ehemann bei Lina ganz unten durch. Sie nannte ihn nicht einmal mehr bei seinem Namen. »Glaub mir, ohne ihn bist du besser dran

»Lass uns bitte heute nicht über Sascha reden«, wehrte Isabell ab. So sehr es sie freute, dass Lina auf ihrer Seite war, so wenig wollte sie sich über ihre Ehe streiten. »Erzähl mir lieber von dem Projekt, bei dem ich dich unterstützen soll

»Wenn du über ihn sprechen willst, bin ich für dich da. Oder über deine Pläne.« Lina schaute sie aufmerksam an. Isabell lächelte. Sie wollte ihre Großmutter nicht beunruhigen. Erst einmal musste sie ihr Leben neu sortieren, bevor sie über Sascha und ihr Leben nach ihm reden wollte. »Ich kann auch gut zuhören, ohne meine Meinung kundtun zu müssen

Das brachte Isabell so sehr zum Lachen, dass sie sich an dem Pizzabissen verschluckte und in heftiges Husten ausbrach. Erst nachdem Lina ihr kräftig auf den Rücken geklopft hatte, bekam sie wieder Luft. Hastig griff sie nach dem Glas Wasser und stieß es um, sodass sich der Inhalt über die Pizza und den Tisch ergoss.

»Bleib sitzen und wisch dir die Tränen ab.« Lina sprang auf und holte Küchentücher. »Geht’s wieder? Was war so lustig

»Mir vorzustellen, dass du mit deiner Meinung hinterm Berg hältst«, konnte Isabell nur keuchend hervorbringen. Mit den Händen strich sie sich die Tränen aus den Augen. Dann trank sie noch einen Schluck Wasser, weil ihre Kehle sich rau anfühlte. »Danke fürs Sauberwischen. Also, was ist das für ein Projekt

»Erinnerst du dich noch an das Buch über Forscherinnen?« Lina schob ihr Pizzastück auf dem Teller hin und her. Ihre Großmutter hatte nur wenig gegessen, war Isabell aufgefallen. Musste sie sich Sorgen machen? »Das letztes Jahr erschienen ist

»Über das du dich so geärgert hast, weil es voller Fehler war?« Nur zu gut erinnerte sich Isabell an den Anruf ihrer wütenden Großmutter, die sie nur mühsam hatte dazu überreden können, keine Unterlassungsklage einzureichen. Lina nickte. Ihr Gesicht verdüsterte sich.

»Der Schreiberling hielt es nicht einmal für nötig, mich zu befragen.« Sie runzelte die Stirn. Ihre Empörung schien immer noch nicht abgekühlt zu sein. »Er hat sich einfach etwas über Elise aus den Fingern gesaugt und zusammenfabuliert

Elise. Linas Großmutter, an die Lina sich noch sehr gut erinnerte. Weil Elise eine mutige und ungewöhnliche Frau gewesen war. Archäologin und Forscherin. Wenn man Isabells Großmutter zuhörte, war Elise eine Art weiblicher Indiana Jones gewesen, nur ohne Hut und Peitsche. Lina fühlte sich als Erblasserin Elises, weil sie deren Reisekoffer und Tagebücher und Forschungsberichte auf dem Dachboden hortete, als wären sie Schätze.

Obwohl es Isabell auch in ferne Länder zog – schließlich hatte sie Touristik studiert -, hatte sie sich bisher nicht für Elises Geschichte erwärmen können. Möglicherweise weil Lina Begeisterung für zwei aufbrachte.

»Willst du jetzt doch noch gegen den Autor vorgehen?« Einerseits rechnete Isabell sich nicht viele Chancen aus, sollte Lina tätig werden. Andererseits hatte ihre Großmutter recht. Der Mann hatte nur unzureichend recherchiert und ihnen nicht einmal auf Briefe und Mails geantwortet. »Das Buch hat sich eh nicht gut verkauft

»Nein. Der Kerl ist meiner Aufmerksamkeit nicht wert.« Lina schüttelte den Kopf. »Ich …«

»Ja?« Die wenigen Male, wo ihrer Großmutter die Worte fehlten, konnte Isabell an einer Hand abzählen. »Mach es nicht so spannend

»Ich trag mich mit der Idee schon lange. Also, lach bitte nicht.« Lina stieß den Atem heraus, als wäre sie die Treppen hochgesprintet. »Ich will Elises Biografie schreiben. Mit deiner Hilfe. Falls du magst

»Das kommt ziemlich überraschend

»Du könntest sogar nach Guatemala fliegen. Auf Elises Spuren durchs Land fahren.« Lina lächelte breit. »Für mich ist das nichts. Aber du reist doch gern

»Auf keinen Fall!« Isabell schüttelte den Kopf. Sie wusste wenig über Mittelamerika, aber eines wusste sie: Es gab dort drei Meter lange Giftschlangen. »Da bekommen mich keine zehn Pferde hin

Sie zog es mehr nach Australien oder Neuseeland. Gerne auch nach Asien. Außerdem sprach sie kein Spanisch.

»Heißt das, du hilfst mir nicht?« Linas Enttäuschung war so offensichtlich, dass Isabell sich richtig mies fühlte. »Musst du auch nicht

»Klar helfe ich dir«, antwortete Isabell und beugte sich über die Pizza. Sie fürchtete, dass ihre Großmutter ihr sonst das Unbehagen auf dem Gesicht ablesen würde. »Weil ich es will, nicht weil ich muss

»Also gut, dann ist das ja geklärt.« Lina nickte. Sie hob den Kopf und fixierte Isabell mit dem Blick, den sie immer aufsetzte, wenn sie Isabell aushorchen wollte. »Erzähl mir von der Scheidungsverhandlung

»Eine Katze hat in meinen Rucksack gepinkelt«, sagte Isabell statt einer Antwort. »Ich hab ihn ausgewaschen, aber er stinkt immer noch

»Oh, das tut mir leid.« Zum Glück gab es Linas Katzen, mit denen ihre Großmutter sich jederzeit ablenken ließ. »Ich habe so ein Anti-Geruchsmittel, das gut wirkt. Ich hole es dir gleich

»Schon gut.« Isabell grinste. Mission erfolgreich, Thema gewechselt. »Ich lasse meine Tür vorsichtshalber zu

»Ich fürchte, das geht nicht.« Lina hob entschuldigend die Hände. »Die Katzen hassen verschlossene Türen und würden die ganze Zeit nerven, damit du sie wieder öffnest

»Dann stelle ich wohl besser alle Sachen hoch

»Ja, genau. Ich sage immer, dass Katzen einen zur Ordnung erziehen.« Lina zuckte mit den Schultern. »Wollen wir heute Abend schon auf den Dachboden oder wollen wir bis morgen warten

»Lass mich aufessen und einen Kaffee trinken. Dann bin ich zu allen Schandtaten bereit.« Isabell nahm sich ein weiteres Stück Pizza. Zu zweit schmeckte es ihr einfach besser. »Ich bin ja auch neugierig, was uns dort erwarten wird

Kapitel 4

Bremen 2016

Wie hatte das nur passieren können? Nun war er genau da gelandet, wo er nie hinwollte. Fabian strich sich mit den Fingern über die Stirn und schloss einen Moment die Augen, bevor er sich weiter durch das Chaos von Papieren und Unterlagen kämpfte, das er auf dem Schreibtisch seines Vaters gefunden hatte. Auf dem schweren, dunklen Schreibtisch aus Eiche, der das Arbeitszimmer seines Vaters dominierte. Als Kind hatte Fabian sich oft gewünscht, sich unter dem Schreibtisch verstecken zu können, damit sein Vater ihm wenigstens dann einmal Aufmerksamkeit schenkte. Aber wahrscheinlich hätte Konstantin Seler nur nach dem Kindermädchen gerufen und dem eine Gardinenpredigt gehalten, weil es nicht auf Fabian aufgepasst hatte.

Sollte er das Büro neu einrichten oder sollte er es so belassen, wie es seinem Vater gefallen hatte? Fabian stand auf, um sich die Beine zu vertreten, und versuchte das Zimmer mit vorbehaltlosem Blick zu sehen. Obwohl ihr Haus, eine Altbremer Patriziervilla, hohe Fenster hatte, die viel Licht hereinließen, wirkte der Raum dunkel und schwer. Nicht nur der Schreibtisch war aus dunklem Holz, auch die Aktenschränke und Regale waren dunkelbraun. Den einzigen Farbtupfer bildete das Gemälde einer Kaffeeplantage, das hinter dem Schreibtisch, direkt gegenüber der Tür, hing, sodass es jeder Besucher sofort sehen konnte. Nein, keiner Plantage, sondern das Bild einer Kaffeefinca. Ein herrschaftliches Haus, umgeben von Urwald im Hintergrund und Kaffeebäumen an den Seiten. Weißblühenden Kaffeebäumen unter hochgewachsenen Palmen. La Huaca, Guatemala 1902 stand als Bildunterschrift auf einem kleinen goldenen Schild, das in den Rahmen aus dunklem Holz eingelassen war.

Mit dieser Kaffeefinca hatte die Erfolgsgeschichte ihres Familienunternehmens begonnen. Schon als Kind hatte das Bild Fabians Neugierde geweckt und er hatte oft davorgestanden. »Wenn ich erwachsen bin, fahre ich dahin und schaue mir alles genau an«, hatte er seinem Vater einmal erklärt, um dessen Interesse zu wecken. »Dahin, wo Ururgroßmutter Margarete herkommt

»Ich weiß nicht, ob es die Finca überhaupt noch gibt«, hatte sein Vater barsch geantwortet. »Schön, dass du etwas für unsere Familiengeschichte übrighast. Aber konzentriere dich lieber auf das Hier und Heute

Das Hier und Heute bedeutete für Fabian, dass er auf die Nachfolge seines Vaters vorbereitet wurde. Schon mit seiner Geburt war sein Lebensweg vorgezeichnet gewesen: Abitur, BWL-Studium, Berufserfahrung im Ausland und bei Konkurrenten sammeln und dann in die Geschäftsführung der Seler Kaffee GmbH eintreten.

Oft wünschte er sich, Geschwister zu haben, mit denen er diese Zukunft teilen könnte. Jemand anderes, von dem erwartet wurde, dass er perfekt war und allen Erwartungen, ausgesprochenen und unausgesprochenen, der Eltern nachkam. Nicht, weil er etwas dagegen hatte, das kleine, aber feine Kaffeeunternehmen einmal weiterzuführen, sondern weil er sich eingeengt fühlte. Wie sehr beneidete er Freunde um deren Freiheiten. All die, deren Zukunft ein ungeschriebenes Buch war, dessen Seiten sie selbst füllen konnten, während er sich fühlte, als ob jemand anderes sein Leben schrieb.

Dann, ein halbes Jahr vor dem Abitur, rebellierte Fabian gegen all diese Pläne und Erwartungen, schmiss die Schule und floh in die USA und nach Kanada. Dort schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch und war glücklicher als je zuvor in seinem Leben. Niemals hätte er gedacht, wie viel Spaß es ihm machen konnte, für einen Hungerlohn Burger zu braten.

Doch diese Freiheit fand nach einem Jahr ein Ende. Die Nachricht, dass seine Mutter schwer erkrankt war, rief Fabian nach Bremen zurück. Ihm blieb nur noch wenig Zeit mit Sophia Seler, was ihm ein furchtbar schlechtes Gewissen bereitete. So versprach er seiner Mutter, ihren letzten Wunsch zu erfüllen: seinen Platz in der Familienfirma einzunehmen. Obwohl seine Rebellion das Verhältnis zu seinem Vater noch weiter verschlechtert hatte, hielt Fabian sich an das Versprechen, holte das Abitur nach, studierte und arbeitete danach für zwei Jahre bei einer befreundeten Firma in London. Vor einem Jahr war er nach Bremen zurückgekehrt, um hier Aufgaben als Mitglied der Geschäftsführung wahrzunehmen.

Fabian seufzte und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Warum nur hatte sein Vater sich den Segnungen der EDV verweigert und die meisten Firmenunterlagen weiterhin auf Papier geführt? Wenn er wenigstens ein System in dem Durcheinander entdecken könnte. Ungeduldig schaute Fabian auf die Uhr, eine Patek Philippe. Für ihn musste es keine Luxusuhr sein, aber sie war ein Geschenk seines Vaters zum Examen. Wo blieb Frau Grimme nur?

Die Sekretärin seines Vaters hatte nach dessen Beerdigung um eine Woche Urlaub gebeten, den Fabian ihr selbstverständlich gewährt hatte. Schließlich hatte Frau Grimme seinen Vater seit 35 Jahren, sechs Jahre länger als Fabian, gekannt. Frau Grimme arbeitete bereits mit seinem Vater, als dieser Fabians Mutter geheiratet hatte. Als Kind hatte Fabian sich immer vor der schlanken, eleganten Frau gefürchtet, deren Kleidung dem Begriff graue Eminenz entsprach. Wenn er ehrlich war, hatte er auch heute noch einen Heidenrespekt vor der Assistentin der Geschäftsleitung, wie Frau Grimmes Titel lautete.

Für heute hatte sie angekündigt, wieder zur Arbeit kommen zu wollen. Fabian setzte größte Hoffnung in Frau Grimme, dass sie das Durcheinander in der Buchführung auflösen konnte und ihm so die Übernahme der Firmenverantwortung erleichtern würde. Seit heute Morgen um sieben Uhr saß er am Schreibtisch, so wie in den vergangenen sieben Tagen. Vor dem überraschenden Tod seines Vaters hatte Fabian gedacht, dass er sich zumindest grob mit den Firmenfinanzen auskannte. Doch nun stieß er auf immer neue Konten, Rechnungen und Ausstände.

»Ich brauch jetzt einen Kaffee.« Fabian stand auf, um zu dem Schrank zu gehen, in dem sein Vater die Kaffeemaschine und eine Auswahl unterschiedlicher Kaffeesorten, selbstverständlich alle aus eigener Röstung, aufbewahrte. Er entschied sich für einen Guatemala Grandioso, den kräftigsten ihrer Kaffees. Sorgfältig gab er die Bohnen in die Kaffeemühle – niemals hätte sein Vater sich mit Kaffeepulver zufriedengegeben. Nachdem die Mühle die Bohnen krachend zermahlen hatte, gab er das Pulver in den Filter, goss abgekochtes Wasser auf und wartete, bis der charakteristische Geruch gebrühten Kaffees seine Lebensgeister weckte.

»Von hinten sehen Sie aus wie Ihr Vater.« Frau Grimmes Stimme ließ Fabian zusammenfahren. Er hatte nicht gehört, dass die Assistentin ins Büro gekommen war. »Für ihn fing der Tag auch immer mit frischgemahlenem und gebrühtem Kaffee an

Als Fabian sich zu ihr umdrehte, fielen ihm ihre rot geweinten Augen auf, die sie selbst mit viel Make-up nicht hatte übertünchen können. Das warf für ihn wieder einmal die Frage auf, wie eng sein Vater und Frau Grimme wohl zusammengearbeitet hatten. Seit dem Tod seiner Mutter hatte Fabian mehrfach den Verdacht gehabt, dass Frau Grimme seine Stiefmutter werden könnte. Doch falls seinen Vater und dessen Assistentin mehr verbunden hatte als die gemeinsame Arbeit, so hatten sie dies nie gezeigt. Im Testament war Frau Grimme großzügig, aber nicht übermäßig bedacht worden.

»Guten Morgen, Frau Grimme. Ich freue mich, dass Sie hier sind.« Oh, hoffentlich klang das jetzt nicht nach einem Vorwurf, da es bereits nach zehn Uhr war und damit deutlich später, als sie normalerweise ihre Arbeit begann. »In den vergangenen Tagen habe ich versucht, mich in die Unterlagen einzuarbeiten, aber ich habe das System meines Vaters nicht durchschauen können

Einen Moment lang sah Frau Grimme ihn nur an, mit einem so kühlen Blick, dass Fabian sich fragte, ob er sich missverständlich ausgedrückt hatte. Dann jedoch, als hätte man einen Schalter umgelegt, lächelte sie und ihr Gesicht trug die übliche Maske professioneller Höflichkeit zur Schau.

»Ihr Herr Vater war ein sehr eigener Mensch.« Frau Grimme nickte ihm zu. »Am besten schaue ich mir alles an. Ich kenne … ich kannte ihn besser als Sie

Fabian überlegte kurz, ob er auf diese Provokation eingehen sollte, entschied sich aber dagegen. Stattdessen sagte er: »Gibt es etwas, das ich tun kann? Ich möchte mich ja auch nützlich machen

Er war zu müde, um sich über Frau Grimme zu ärgern oder mit ihr zu streiten. Ganz zu schweigen davon, dass Fabian sich vorstellen konnte, dass der plötzliche Tod seines Vaters ihr ebenso wie ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Nachts hatte Konstantin Seler einen Herzinfarkt erlitten. Etwas, mit dem überhaupt nicht zu rechnen war. Weder Fabian noch Frau Grimme hatten sich verabschieden können. Glücklicherweise hatte Fabian sich am letzten Tag im Leben seines Vaters ausnahmsweise nicht mit ihm gestritten, sondern seinen Wünschen nachgegeben.

»Sie können diese Briefe öffnen und lesen, ob etwas Interessantes dabei ist.« Nach kurzem Suchen griff Frau Grimme sich einen Hängeregisterordner, den sie Fabian reichte. »Post, die nicht eindeutig als Geschäftspost und wichtig erkennbar war, hat Ihr Vater eine Woche lang gesammelt und sie dann mir am Freitag mitgegeben

Auch eine tolle Beschäftigung fürs Wochenende, dachte Fabian, aber er nickte nur und nahm den Ordner entgegen. Da Frau Grimme wie selbstverständlich auf dem dunkelbraunen Lederstuhl hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte, blieb ihm nur die Wahl, sich auf einem der Ledersessel am tiefen Couchtisch niederzulassen oder das Büro zu verlassen und sich im Haus einen Platz zum Lesen zu suchen. Frau Grimme machte so einen demonstrativ geschäftigen Eindruck, dass sich Fabian für Letzteres entschied.

»Bis später, Frau Grimme«, sagte er, nahm seinen Kaffee und den Ordner und ging in die Küche. Normalerweise wäre dort die Haushälterin zugange gewesen, aber ihr hatte Fabian ebenfalls freigegeben, damit sie um seinen Vater trauern konnte. Frau Schwalbe hatte nach dem Tod seiner Mutter ihre Arbeit im Haus aufgenommen und sich als Muster von Effizienz erwiesen – auf eine selbst für Bremer Verhältnisse sehr norddeutsche und kühle Art.

Auch noch ein Punkt auf seiner To-do-Liste: Festlegen, ob er Frau Schwalbe behalten sollte oder nicht, wobei sich Fabian komisch vorkam, so über einen Menschen zu denken. Er konnte sich nicht entscheiden. Einerseits fand er es altmodisch und hochherrschaftlich, Personal zu haben; andererseits war das Haus mit seinen zwölf Zimmern sowieso viel zu groß für ihn allein. Sauber halten konnte er es eh nicht ohne Hilfe.

Aber das hatte Zeit. Jetzt würde er sich erst einmal durch den Stapel Briefe arbeiten. Systematisch schaute er sich die Absender an und legte drei Stapel an:

  • Bitten um Spenden
  • Versteckte Werbung
  • Nicht erkennbar

Auf den letzten Stapel legte er alle Briefe, die handschriftlich mit Adresse und Absender versehen waren. Immerhin neun Stück waren es – und das in nur einer Woche. Neugierig geworden nahm er sich diesen Stapel als Erstes vor. Wer schrieb heute in Zeiten von E-Mail und Computer noch Briefe per Hand?

Die ersten vier Schreiben waren Bitten um Unterstützung für einen Sportverein, ein Buch sowie um Spenden für den guten Zweck. Der fünfte Brief jedoch fing wirklich spannend an.

Sehr geehrter Herr Seler,

lange habe ich gezögert, Ihnen zu schreiben, aber es erscheint mir das einzig Richtige.

Lassen Sie mich mit der Tür ins Haus fallen. Im Mai bin ich durch Süd- und Mittelamerika gereist. Mein Weg führte mich auch nach Guatemala. Was ich hier gesehen habe, hat mich überrascht und erschüttert

Fabian las mit wachsendem Entsetzen weiter. Konnte das wirklich wahr sein? Er musste sofort mit Frau Grimme sprechen.

Kapitel 5

Bremen 2016

Na, wie gut, dass ich ein halbes Jahr freihabe.« Isabell streckte sich und drehte den Kopf von rechts nach links, um ihren verspannten Nacken zu lockern. »Und gut, dass dein Dachboden ausgebaut ist

Durch die Fenster fielen Strahlen der Abendsonne und tauchte den überraschend spinnweben- und staubfreien Dachboden in ein sanftes Licht. Vor zwanzig Jahren hatte Lina den Dachboden ausbauen lassen, damit sie mehr Platz für ihre Projekte und deren Ergebnisse fand. Sauber verstaut in Regalen entdeckte Isabell Makramee-Wandbehänge, bestickte Kissen, Aquarellbilder und diverse Specksteinfiguren. Immer wieder erstaunte es sie, wie ordentlich und systematisch Lina war, obwohl sie aussah wie der letzte überlebende Hippie. Es hätte Isabell nicht gewundert, wenn die Regale in Linas sauberer Schrift mit Archivierungsnummern versehen gewesen wären.

Dank Linas Ordnungsfimmel war es auch ein Leichtes gewesen, alle Unterlagen und Materialien, die mit Ururgroßmutter Elise zu tun hatten, zu finden. Isabell hatte erwartet, dass Lina einiges gesammelt und gehortet hatte. Dass diverse Koffer, Kisten, Kartons und Körbe allerdings eine Wand des Dachbodens einnehmen würden, das erschütterte sie dann doch. Hoffentlich hatte ihre Großmutter schon vorsortiert. Sonst würde es wirklich eine lange Arbeit werden.

»Hmhm«, antwortete Lina, die einen weiteren großen Überseekoffer heranzog. »Ist bestimmt nicht alles für uns brauchbar

»Lass mich dir helfen

»So alt bin ich noch nicht«, wehrte Lina ab. Energisch schüttelte sie ihren Kopf, sodass Isabell ihre Hand, die sie nach dem Koffer ausgestreckt hatte, wieder zurückzog. »Hol du lieber den Karton dahinten vom Schrank. Mit deinen Gardemaßen solltest du da gut herankommen

Gardemaße. Musste ihre Großmutter sie daran erinnern, dass Isabell knapp über einen Meter achtzig groß war, was ihr in der Schule so schöne Spitznamen wie langer Lulatsch oder Giraffe eingebracht hatte? Mit Schaudern erinnerte sie sich an ihre Tanzstundenzeit, als sie einen Schuss in die Höhe gemacht hatte und alle, wirklich alle Jungen, um mindestens einen Kopf überragt hatte. Nicole behauptete ja, dass Isabell Sascha nur geheiratet hatte, weil der um einen Kopf größer war als sie.

»Isabell«, hörte sie Lina sagen. »Wenn du weiter vor dich hin träumst, brauchen wir bestimmt ein halbes Jahr

Ihre Großmutter hatte den Überseekoffer geöffnet, schaute hinein und runzelte den Mund, eine so typische Geste, dass Isabell lächeln musste. »Der kann nach rechts. Da kommt alles hin, was wir nicht gebrauchen können

»Was ist da drin?«, fragte Isabell, die langsam Spaß an der Sucherei fand. Jedenfalls, solange sich keine große Spinne sehen ließ. »Hast du die Sachen vorsortiert

Sie hob den Karton vom Schrank und taumelte zurück, weil er schwerer war, als es den Anschein gehabt hatte. Was da wohl drin sein mochte? So schwer wie er war, konnte die Kiste gut Steine enthalten, die Elise als Andenken von sonst woher mitgebracht hatte.

»Kleidung. Können wir vielleicht Fotos von machen. Später.« Lina war bereits beim nächsten Koffer, in den sie mit angestrengtem Gesichtsausdruck hineinschaute. »Sortiert hat das meine Mutter, als sie Elises Nachlass zusammengestellt hat. Ich hoffe, sie hat nichts weggeworfen

»So sieht es nicht aus«, konnte Isabell sich nicht verkneifen. »Ich hatte weniger Koffer und Kisten, als ich bei dir ausgezogen bin

»Ja, weil alle deine Kinder- und Jugendsachen noch hier sind.« Mit der Hand deutete Lina hinter sich, wo Isabell in einem Regal ihr erstes Steiftier, ein geschecktes Pferd, das sie Nixe getauft hatte, entdeckte. Gleich neben Teddys, weiteren Pferden, einem Känguru und einem Tier, das wohl eher der Fantasie seines Erfinders als der Natur entsprungen war. Es rührte sie, dass ihre Großmutter nichts davon weggeworfen hatte. In den nächsten Tagen werde ich euch besuchen und Zeit mit euch verbringen, versprach sie den treuen Gefährten ihrer Kindheit im Stillen.

»Suchst du etwas Bestimmtes?«, fragte Isabell, nachdem Lina den Koffer mit einem Laut des Bedauerns ebenfalls nach rechts schob. »Weißt du, was in den Kisten und Koffern ist

»Nur grob«, antwortete Lina. »Vor Jahren habe ich da mal reingeschaut. Ich such Elises Tagebücher. Das reicht für den Anfang

»Die könnten hier drin sein.« Isabell schob den schweren Karton mit ihrem Fuß über den Boden des Dachbodens. »Schwer genug ist er ja

Sie überließ ihrer Großmutter das Vergnügen, den Karton zu öffnen. Wie sie vermutet hatte, befanden sich Bücher darin. Allerdings sahen sie nicht aus wie Tagebücher.

»Reiseberichte. Wohl Elises Bibliothek«, sagte Lina. Sie stieß einen Seufzer aus. »Pass auf. Bevor wir hier weitersuchen, hole ich Etiketten, damit wir alles beschriften können und …«

»… nicht alles zweimal in die Hand nehmen müssen«, beendete Isabell den Satz ihrer Großmutter. »Ich würde auch gerne was trinken. Ganz schön trocken hier oben

»Na komm. Ist auch schon spät, denke ich.« Lina schaute auf ihre Armbanduhr, ein lilafarbenes Plastikteil mit Hello-Kitty-Zifferblatt. »Oh, fast hätte ich die Fütterungszeit verpasst

»Ich helf dir.« Isabell folgte ihrer Großmutter die schmale Stiege vom Dachboden hinunter. Das würde eine schöne Plackerei werden, hier Kisten und Kartons herunterzuhieven.

In der Küche mixte Lina ihnen Holunderblütensaft mit Wasser, bevor sie diverse Dosen öffnete. Der Geruch des Katzenfutters stieg in Isabells Nase.

»Puuh, was fütterst du denn? Das riecht wie vergammelter Fisch.« Sie rümpfte die Nase. »Warum hältst du dir nicht vegetarische Haustiere wie Kaninchen oder Schildkröten

»Einige Schildkrötenarten fressen Fleisch«, antwortete ihre Großmutter, während sie diverse Pülverchen und Medikamente aus dem Schrank holte und auf dem Futter verteilte. »Die Katzen können nicht bewusst entscheiden, ob sie Fleisch fressen wollen, wir Menschen schon

Sie wandte sich Isabell zu. »Ich doziere wieder, hmm? Das musst du mir doch sagen

»Ich kenn dich doch nicht anders.« Isabell umarmte ihre Großmutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Der typische Patschuliduft stieg ihr in die Nase und sie musste lächeln. Niemand außer Lina roch noch so … so nach Siebzigerjahren. »Außerdem hab ich ja gefragt

»Als ob du die Antwort nicht kennst.« Lina drückte Isabell an sich. »Jetzt muss ich aber die hungernden Horden füttern, bevor sie Pogo tanzen

Isabell folgte ihrer Großmutter auf die Terrasse und beobachtete, wie sich der Garten schlagartig mit Leben füllte. Lina pfiff und klapperte mit den Näpfen. Aus allen Himmelsrichtungen galoppierten Katzen und Kater herbei. Erstaunlich, wie schnell sich selbst die Alten und Gebrechlichen bewegten, sobald ihr Futter am Horizont auftauchte.

»Sag mal, sind das mehr geworden?« Isabell war neben ihre Großmutter getreten und beobachtete das große Fressen. »Waren es beim letzten Mal nicht sieben

»Ach, weißt du, wo sieben satt werden, werden auch neun satt.« Lina zwinkerte ihr zu. Isabell ahnte, dass gleich eine traurige Geschichte folgen würde. So war es immer mit neuen Katzen. »Frau Richter hat sie gebracht. Mary Kingsley, die kleine Graue«, Isabells Großmutter deutete auf ein zierliches Kätzchen, das fraß, als hätte es Wochen gehungert, »ist durch Katzenschnupfen erblindet. Ihre rote Schwester, Thea Rasche, hat sich erbarmt, den Blindenführer zu spielen, ist aber scheu. Die würde niemand nehmen

»Niemand außer dir! Wer war Mary Kingsley?«, fragte Isabell, die Linas Marotte kannte, alle Samtpfoten – ob Katze oder Kater – nach berühmten Frauen zu nennen. »Thea Rasche war Fliegerin, oder

»Ja, Thea war die erste Deutsche mit Flugschein. Mary die erste Forscherin in Afrika

Isabell drückte Linas Arm. Auch wenn es ab und zu Ärger mit Nachbarn gab, wenn die Katzen einen Singvogel gefangen hatten, fanden sich immer wieder Menschen, die arme Stubentiger bei Lina abgaben, um deren Leben zu retten. »Gab es in letzter Zeit mal wieder Streit

»Die Katzen sind älter geworden und jagen nicht mehr so viel.« Ihre Großmutter hauchte Isabell einen Kuss auf die Wange. Sie sammelte die leeren Näpfe ein, strich dort über einen pelzigen Rücken und hier über einen Kopf, bevor sich die Katzen wieder auf ihre geheimnisvollen Wege in die Gärten begaben. »Hast du noch Lust, weiterzusuchen

»Ich hab sonst nichts vor

»Dann geh du schon mal auf den Boden. Ich mach noch die Näpfe sauber

Nun war das Glück auf Isabells Seite. Nachdem sie die drei Koffer und die eine Kiste auf der rechten Seite beschriftet hatte, fand sie auf Anhieb im nächsten Karton eine Vielzahl schwarzer Hefte, auf denen vorne Jahreszahlen in altertümlich anmutender Schrift standen.

»Sind das die Tagebücher?«, fragte Lina, die inzwischen auch wieder auf dem Dachboden angekommen war. Ihre Stimme klang müde. Oder kam das Isabell nur so vor, weil sie selbst sich erschöpft fühlte? In den Tagen vor der Gerichtsverhandlung hatte sie schlecht geschlafen. »Hast du sie gefunden

»Ich weiß es nicht.« Isabell schaute aus dem Heft auf, das sie vorsichtig aufgeschlagen hatte. Sie war vollkommen ratlos. Für sie sahen die Buchstaben aus wie eine Aneinanderreihung von Schlaufen und Linien. »Ich kann die Schrift nicht lesen. Hat Elise etwa eine Geheimschrift verwendet

»Zeig einmal her, bitte.« Lina nahm Isabell das Heft aus der Hand. Sie fuhr mit einem Finger die Linien entlang und bewegte dabei lautlos ihre Lippen. Endlich schaute sie auf. »Das ist Kurrentschrift. Ich bin etwas eingerostet, aber mit ein bisschen Übung sollte ich das lesen können

»Wieso kannst du das?« Isabell nahm ein weiteres Heft in die Hand und versuchte ein Wort zu entziffern. »Hast du die Schrift noch gelernt

»Als Schönschreibübung.« Lina lächelte, als ihre Gedanken wohl in die Vergangenheit reisten. »Selbst zu meiner Schulzeit wurde bereits die Normalschrift gelehrt

»Wenn ich mich sehr konzentriere, kann ich etwas erkennen.« Isabell legte ihren Finger auf die beiden Worte, die sie meinte erkannt zu haben. »Heißt das hier Margarete Seler

»Zeig her.« Lina klang ganz aufgeregt, was Isabell nicht verstehen konnte. So bedeutend war es nun nicht, dass sie die Schrift lesen konnte. »Ja, das heißt Margarete Seler. Aus Bremen. Schau hier

»Seler … der Name kommt mir bekannt vor.« Isabell dachte nach, aber es wollte ihr nicht einfallen.

»Margarete Seler«, sagte Lina beinahe ehrfürchtig. »Das ist die Gründerin der Kaffeefirma. Du weißt schon. Die mit Fair-Trade-Kaffee

Ihre Großmutter überlegte einen Augenblick. Dann sagte sie mit leuchtenden Augen: »Ja, sicher, das kommt hin. Margarete Seler hat in Guatemala gelebt, bevor sie nach Bremen kann. Isabell, das ist einfach toll

»Warum?« So ganz konnte Isabell Linas Begeisterung nicht nachvollziehen. Ja, zwei Frauen aus Bremen, die sich begegnet waren. So ungewöhnlich war das doch nicht, oder? »Vielleicht kannten sie sich ja vorher schon

»Mensch, Isabell, Margarete Seler und unsere Elise. Zwei starke Frauen in Guatemala und Bremen.« Lina klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Den Zusammenhang hat dieser Schreiberling nicht gefunden

»Er hat ja auch nicht besonders intensiv gesucht

»Du musst mit Margaretes Familie reden!« Wenn ihre Großmutter in diesem Tonfall sprach, wusste Isabell, dass ihr keine Chance blieb. »Bestimmt haben die auch Unterlagen, die Elise mit Margarete verbinden

»Vielleicht haben sie gar kein Interesse mit uns zu reden«, wandte Isabell ein. »Wollen wir nicht erst einmal Elises Tagebücher auswerten

»Du musst mit ihnen reden, damit uns niemand zuvorkommt

»Gleich morgen rufe ich sie an.« Isabell seufzte. Wenn Lina so begeistert war, war jeglicher Widerstand zwecklos. »Nachher google ich mal nach der Telefonnummer

Später sollte sie sich fragen, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, hätte sie ihrer Großmutter nicht nachgegeben.

Kapitel 6

Bremen 2016

Lina hatte sich den ganzen Tag geheimnistuerisch gegeben, was Isabell irritierte. Was plante ihre Großmutter nur jetzt schon wieder?

»Eine Belohnung für dich«, hatte Lina gesagt und sich auch durch mehrfaches Nachfragen nicht erweichen lassen. »Lass dich überraschen

»Gut, dann verschwinde ich wieder auf dem Dachboden.« Vorhin hatte Isabell versucht, heimlich in die Küche zu schauen, in der sie ihre Großmutter herumfuhrwerken hörte, doch Lina hatte sie ertappt. »Oder ich google noch ein bisschen nach den Selers und Guatemala

»Los, ab mit dir zu den Kartons und Kisten«, hatte ihre Großmutter gesagt und ihr spielerisch mit dem Zeigefinger gedroht. »Ich mach meinen Job, mach du deinen

Alles nur, weil Isabell brav bei Familie Seler angerufen hatte, was ziemlich peinlich gewesen war, da Konstantin Seler vor einer Woche beerdigt worden war. Ein schlechteres Timing hätte sich Isabell kaum aussuchen können. Immerhin glaubte die Frau, mit der sie gesprochen hatte und die den Namen Grimme trug, dass Isabell nichts von dem Tod wusste und keine Erbschleicherin war, sondern sich nur für die Familiengeschichte interessierte.

»Da gibt es sicher einiges im Archiv.« Frau Grimme klang beherrscht und kühl, sodass Isabell sich ein gutes Bild von ihr machen konnte. Die perfekte Sekretärin, sicher gepflegt und im Kostüm. »Kommen Sie doch übermorgen vorbei. Dann können Sie auch mit Herrn Seler reden. Dem Junior

So wie Frau Grimme das sagte, stellte Isabell sich einen Jungen in kurzen Hosen vor, der hinter dem Schreibtisch saß und mit den Beinen baumelte.

»Vielen Dank. Passt Ihnen 14 Uhr?« Irgendwie fühlte Isabell sich, als müsste sie sich einer Prüfung unterziehen. Zu dumm, dass sie nicht vorher im Internet recherchiert hatte, was mit der Familie war.

»Ja. Ich notiere es mir. Seien Sie pünktlich

Bevor Isabell antworten konnte, hatte Frau Grimme bereits aufgelegt. Isabell hatte ihrer Großmutter von dem unangenehmen Gespräch berichtet, was Lina dazu veranlasst hatte, ihr für heute etwas Besonderes anzukündigen. Wenn Isabell nach der Zeit ging, die ihre Großmutter bereits in der Küche verbrachte, musste es etwas ganz Außergewöhnliches werden.

Sie nutzte die Zeit, um sich für das Gespräch mit Frau Grimme und Seler Junior vorzubereiten. Noch so einen Fauxpas wie am Telefon wollte sich Isabell nicht leisten.

Seler Kaffee gab sie in die Suchmaschine ein. Gleich als Erstes erschienen die Nachrufe auf Konstantin Seler, einen der letzten unabhängigen Kaffeeproduzenten. Noch vor allen anderen hatte er die Trends der Zeit erkannt und auf Bio und Fair Trade gesetzt. Isabell scrollte sich durch den Text und schrieb ab und zu Notizen in ihre Kladde.

Ein gut aussehender Mann war Konstantin Seler gewesen, dachte sie, und betrachtete das Foto eines Firmenjubiläums, auf dem der Unternehmer porträtiert war. Hochgewachsen, mit markantem Kinn und klaren Gesichtszügen unter vollen dunklen Haaren erinnerte er sie ein wenig an Sascha. Ob der Junior ihm ähnlich sah? In der Todesanzeige hatte sie seinen Namen gelesen: Fabian. Also googlete sie »Fabian Seler«. Überraschenderweise gab es über den Junior – Isabell würde aufpassen müssen, dass sie ihn nicht so ansprach, wenn sie ihn übermorgen traf – nur wenige Einträge im Internet. Hatte zwei Jahre in London gearbeitet und war erst vor Kurzem nach Bremen zurückgekehrt, um in das Familienunternehmen einzusteigen. Durch den überraschenden Tod seines Vaters stand er nun an der Spitze des Unternehmens.

Nichts zu seinem Privatleben, kein Foto, was Isabell sehr wunderte. Stimmte mit dem Junior etwas nicht, dass er sich aus den Medien und der Presse fernhielt? Gehörte es sich für einen Bremer Unternehmer nicht, auf dem Freimarkt aufzutauchen oder bei der Bremer Eiswette fotografiert zu werden?

Als Kind hatte Isabell das bunte Treiben am Dreikönigstag geliebt. Sie konnte sich nicht sattsehen an den Königen aus dem Morgenland in ihren Kostümen und den vielen honorig aussehenden Herren in ihren schwarzen Fräcken und Zylindern. Jedes Jahr wieder fand sie es spannend, den Schneider zu sehen, der mit einem heißen Bügeleisen die Probe machte, ob die Weser vereist war oder nicht.

»De Werser geiht« – die Weser fließt, hatte es jedes Jahr zu Isabells Enttäuschung geheißen, die immer wieder hoffte, einen vereisten Fluss zu sehen. Ihre Großmutter hatte nicht viel von dem Ganzen gehalten und war nur Isabell zuliebe mit ihr an die Weser gegangen. Später als Jugendliche hatte Isabell auch das Interesse an dieser Veranstaltung verloren, aber sie wusste, dass es für die Bremer Geschäftsleute ähnlich wichtig war wie der Karneval für die in Köln.

Immerhin hatte Isabell herausfinden können, wie alt Fabian Seler war. 1987 war er geboren – und damit war er acht Jahre jünger als sie. Ziemlich jung, um eine Firma zu leiten, die international tätig war. Sicher würde er nicht viel Zeit für ein Gespräch mit ihr erübrigen können.

Auf jeden Fall sollte sie sich in der verbleibenden Zeit gut auf das Gespräch vorbereiten und einiges über Margarete Seler und Elise recherchieren, damit sie kluge Fragen stellen konnte. Na ja, nach dem ersten Eindruck, den diese Frau Grimme von ihr gewonnen haben musste, konnte es eigentlich nur noch besser werden.

Isabell suchte nach Internetseiten, die sich mit Margarete Seler oder mit Elise beschäftigten, und stieß auf etliches. Das meiste davon überflog sie, weil es sich sehr ähnelte.

Margarete Seler, die Gründerin der Kaffeefirma, hatte nach dem Tod ihres Ehemanns die Geschicke des Unternehmens allein in ihre Hände genommen und dem Unternehmen zu Wohlstand verholfen. Es fanden sich nur wenige Hinweise auf Margaretes Herkunft aus Guatemala und zu der Zeit, die sie in Bremen verbracht hatte, bevor sie in ihrer Heimat ihren Ehemann kennengelernt hatte. Häufig fand sich der Hinweis, wie ungewöhnlich es war, dass Margaretes Ehemann ihren Namen angenommen hatte.

Die Reproduktionen alter Fotos zeigten eine schwarz gekleidete Frau, die sich sehr gerade und das Kinn hocherhoben hielt. Ihr Blick schien Isabell direkt anzusehen. Auf jedem Foto sah Margarete Seler ernst aus, was verständlich war, wenn Isabell an die Verantwortung dachte, die diese Frau schultern musste – und das zu einer Zeit, als Frauen nicht einmal wählen durften.

Ob Margarete Seler je in ihrem Leben Spaß gehabt hatte? Oder hatte sie nur Pflicht gekannt? Isabell musterte das Foto der wohl vierzigjährigen Frau, als könnte es ihr mehr über deren Leben und Schicksal erzählen. Sie ist nicht mit dir verwandt, rief sich Isabell zur Ordnung. Warum nur faszinierte sie die Unternehmerin mehr als ihre Ururgroßmutter, die Forscherin gewesen war?

Mit schlechtem Gewissen googelte sie nun nach Elise. Lina würde sich bestimmt ärgern, sollte Isabell ihr erzählen, wie viel weniger Einträge es zu Elise gab als zu Margarete. Dabei war Elise, wie auch ihre Eltern, in Forscherkreisen anerkannt gewesen und galt auch heute noch als eine Expertin für Maya-Kulturen. Obwohl sie unter unterschiedlichsten Stichworten und Namen suchte, fand Isabell nur zwei Bilder ihrer Vorfahrin. Eines war dermaßen unscharf, dass sie nur anhand der Kleidung erkennen konnte, dass es sich um eine Frau handelte. Auf dem zweiten Bild stand ein junges Mädchen neben einem missgelaunt dreinblickenden Maultier. Sie lächelte etwas schüchtern, so als mochte sie es nicht, fotografiert zu werden. Das konnte Isabell gut nachvollziehen. Sie konnte es auch nicht leiden, wenn man eine Kamera auf sie richtete, und es gab nur ein oder zwei Bilder von ihr, die ihr gefielen.

»Bist du fündig geworden

Isabell schreckte auf. Sie war dermaßen in ihre Recherchen vertieft, dass sie nicht mitbekommen hatte, dass Lina in ihr Zimmer getreten war.

»Du hast recht«, antwortete sie ihrer Großmutter. »Elise verdient es, dass man ihr mehr Aufmerksamkeit widmet. Ich habe nur ein Bild von ihr finden können

»Dann mal husch, husch auf den Dachboden.« Lina zwinkerte Isabell zu. »Bestimmt gibt es dort ein Fotoalbum. Oder zwei oder drei

»Wann gibt es Essen? Die gute Bremer Luft macht mich hungrig

»Nur wer arbeitet, bekommt auch etwas zu essen.« Lina grinste, als sie diesen Spruch sagte. Isabell wusste nur zu gut, wie wenig ihre Großmutter von derartigen Weisheiten hielt. »In einer Stunde bin ich fertig

»Ob ich bis dahin aushalte …« Isabell griff sich an den Bauch und verdrehte die Augen. »Wenn ich eine Katze wäre, bekäme ich sofort etwas zu essen

»Wenn du eine Katze wärst, würdest du dich nicht beschweren, sondern machen, was ich dir sage

Isabell schaute Lina an. »Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Deine Samtpfoten sind selbst für Katzenverhältnisse absolut unerzogen

»Sie hatten schwere Kindheiten«, lautete Linas Standardantwort. »Lenk nicht ab. Du bekommst erst etwas zu essen, wenn du mir einen spannenden Dachbodenfund präsentieren kannst

Mit einem theatralischen Seufzer schloss Isabell ihr Notebook, gab Lina einen Kuss auf die Wange und ging zur Stiege, die zum Dachboden führte. Obwohl Lina und sie gestern den ganzen Tag dort verbracht hatten, gab es immer noch etliche Kisten, die sie durchstöbern musste. Vielleicht hatte sie ja Glück und würde gleich beim ersten oder zweiten Karton etwas entdecken.


Natürlich befanden sich die spannenden Materialien erst in der vorletzten Kiste. Isabell strich sich mit dem Handrücken über die Stirn, nachdem sie erneut auf die Uhr gesehen hatte. Obwohl es ihr vorkam, als würde sie bereits Stunden ihre Nase in staubtrockene Kartons stecken, war sie erst knapp fünfzig Minuten dabei. Noch ein Grund, warum ich nie Geschichte studiert hätte. Das Wühlen in Archiven ist so gar nicht meins.

Aber es gab ihr dennoch ein Gefühl des Entdeckerstolzes, als sie endlich die Fotoalben fand. Vier Stück waren es: in Stoff gebundene Alben mit schwarzen Blättern und hauchzarten, feingemusterten Trennblättern aus einem transparenten Material. Isabell rümpfte die Nase, als sie vorsichtig das erste Album öffnete. Es roch ein wenig modrig, so als wäre es einmal nass geworden und nicht richtig getrocknet. Allerdings hatte sie auf dem dunkelroten Stoff keine Stock- oder Schimmelflecken entdecken können.

In der altertümlich anmutenden Schrift stand etwas mit weißem Stift auf der ersten Seite geschrieben. Isabell meinte »Bei Oma und Opa zuhause« entziffern zu können. Als sie die Seite umblättern wollte, rief Lina nach ihr.

»Isabell. Essen ist fertig

Hin- und hergerissen zwischen ihrer Neugier und ihrem Hunger entschied sich Isabell für Letzteres. Sorgfältig legte sie das Album wieder in den Karton, bevor sie in die Küche hinunterging. Lina erwartete sie vor der Tür, Schalk stand ihr ins Gesicht geschrieben.

»Was gibt es Schönes?« Isabell schnupperte und versuchte an ihrer Großmutter vorbeizuspähen. »Auf jeden Fall riecht es ausnehmend lecker

»Bevor du gekommen bist, habe ich mich ins Thema Guatemala eingearbeitet.« Lina grinste. »Zur Feier des Tages gibt es heute Essen, das auch Elise hätte essen können

»Guatemaltekische Küche?« Isabel runzelte die Stirn. »Da kann ich mir so gar nichts drunter vorstellen

»Vieles kennst du bestimmt aus mexikanischen Restaurants. Tortillas, guacamole, frijoles – all das gibt es auch in Guatemala

Isabell konnte es förmlich vor sich sehen, wie ihre Großmutter Kochbücher wälzte, auf der Suche nach Essen, mit dem sie ihre Enkelin überraschen konnte. Eine tiefe Liebe zu Lina wallte in ihr auf, sodass sie ihre Großmutter in den Arm nahm und fest an sich drückte. Nachdem sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte, fragte sie: »Und was ist etwas ganz besonders Guatemaltekisches

»Fiambre, ein Salat aus über vierzig Zutaten.« Lina lächelte, sichtlich stolz über das Wissen, das sie sich angeeignet hatte. »Den gibt es allerdings zu Allerheiligen. Und es ist viel Fleisch drin

»Fisch rieche ich«, antwortete Isabell, als sie eine sanfte Berührung an ihrer Wade spürte. »Und ich scheine nicht die Einzige zu sein

Miarf, machte der schwarze Kater, als verstünde er ihre Worte.

»Oh ja, er hat mehrfach versucht in die Küche einzubrechen.« Lina schüttelte den Kopf. »Halt du ihn fest. Ich hole ihm schnell seinen Anteil

Isabell nahm den Kater hoch, der sich schnurrend an sie schmiegte und seinen Kopf unter ihr Kinn schob. Als Lina jedoch mit einem Unterteller, auf dem zwei Stückchen Fisch und eine halbe Garnele lagen, aus der Küchentür trat, befreite der Kater sich zappelnd aus Isabells Griff. Er stürzte sich so schnell auf die Leckerbissen, dass Isabell und ihre Großmutter es knapp schafften, an ihm vorbei in die Küche zu gelangen.

»Du isst Fisch?«, fragte Isabell überrascht.

»Ja, heute werde ich eine Ausnahme machen.« Lina stand am Küchentisch. »Wegen unseres Projektes. Setz dich. Heute bist du mein Gast

»Langsam bin ich richtig neugierig.« Isabell griff um ihre Großmutter herum und stibitzte sich ein Stück Mango. »Kann ich dir noch etwas helfen

»Nein, setz dich

»Das sieht ja toll aus. Was ist das?« Isabell bewunderte den Inhalt der Platten und Teller, die Lina auf dem Küchentisch arrangiert hatte.

»Tortillas mit Mais und frijoles, einer schwarzen Bohnenpaste. Dazu gibt es guacamole und chirmol, eine Tomatensoße mit Limonen und Minze oder Koriander.« Lina deutete auf die Teller und Schalen, in denen sie die unterschiedlichen Gerichte vorbereitet hatte. »Ich habe beides gemacht, weil ich nicht wusste, ob du Koriander magst

»Sehr gern sogar«, lautete Isabells Antwort. »Und das da

»Das kennst du hoffentlich noch nicht?« Lina schaute sie erwartungsvoll an. »Ceviche? Schon mal gegessen

»Nein. Und auch noch nicht gehört.« Isabell hob den Teller und schaute sich das Essen an. »Fisch. Eine Art gekochtes Sushi

»Nein, der Fisch und die Garnelen sind roh.« Lina freute sich sichtlich, dass ihr die Überraschung gelungen war. »Sie sind in Limettensaft mariniert. Das schmeckt sehr lecker. Finde ich jedenfalls

»Hörst du meinen Magen knurren?«, gab Isabell zur Antwort. »Wollen wir weiterreden oder wollen wir endlich essen?« Lina setzte sich an den Tisch und öffnete eine Flasche Weißwein. »Möchtest du

Isabell nickte.

»Auf ein erfolgreiches Projekt.« Lina hob ihr Glas. »Auf dass wir Elise endlich ihren Platz in der Geschichte geben

»Und auf Margarete Seler, die wohl eine Freundin Elises war.« Isabell prostete ihrer Großmutter zu. »Mal sehen, was wir alles entdecken werden. Ich bin gespannt auf weitere Verbindungen zwischen Bremen und Guatemala

Kapitel 7

Bremen 1902

Ein entsetzlich langes Jahr weilte sie nun schon in Bremen. Ein einsames Jahr ohne ein Wort von Juan. Zwölf Monate Sehnsucht und Hoffnungen, die jeden Tag wieder enttäuscht wurden. Obwohl es bereits Mittagszeit war, lag Margarete noch im Bett, eingekuschelt in die weichen Kissen. Sie würde den ganzen Tag in ihrem Zimmer verbringen, würde eine Krankheit vorschützen. Ein Frauenleiden, so wie ihre Tante. Je näher der Tag ihrer Rückkehr nach Guatemala rückte, desto düsterer wurde ihre Stimmung. Juan. Immer wieder Juan. Sein bitterer Verrat schmerzte immer noch. Sie zog sich die Decke über den Kopf und schluchzte leise in die Kissen.

Margarete schreckte auf, als sie jemanden die breite Treppe emporsteigen hörte. Sicher die Zofe ihrer Tante, gesandt, um Margarete zum Essen zu rufen. Oder Fräulein Dieseldorf, die ihr gewiss einen Vortrag darüber halten würde, dass es sich für eine Dame nicht schickte, über die Mittagszeit hinaus im Bett zu liegen. Am liebsten hätte Margarete die Tür verriegelt und den Schlüssel weggeworfen. In einer Woche würde sie nach Guatemala zurückkehren. Etwas, das sie sich so sehr gewünscht hatte und das ihr nun auf dem Herzen brannte.

In den ersten Monaten ihres Aufenthalts hatte sie das Heimweh nahezu aufgefressen. Sie sehnte sich nach den ruhigen Abenden vor dem Kamin, wenn ihr Vater seine Pfeife rauchte, ihre Großmutter strickte und sie selbst ein Buch las. Abende der Stille und Gemeinsamkeit. Nicht wie die Bremer Abende, die häufig in großer Gesellschaft verbracht wurden. Eingeschnürt in ein beengendes Korsett und in ein Kleid der neuesten Mode sollte Margarete lachen, Konversation betreiben und sich nach einer angemessenen Partie umsehen.

»Es muss sein!«, hatte das Fräulein bestimmt, als sie den Wunsch äußerte, nicht mehr an dem Heiratszirkus, wie Margarete es nannte, teilnehmen zu müssen. »Das gehört dazu, wenn eine junge Dame in die Gesellschaft eingeführt wird

Sicher, sie hatte die Zeit in Bremen genossen. Die eleganten Gesellschaften, die bewundernden Blicke der Männer, ihre galanten Worte. »Aber ich gehöre nicht hierher«, betonte Margarete und beharrte auf ihrem Standpunkt. Ein wenig auch aus Trotz, weil Fräulein Dieseldorf so viel Wert auf Etikette und gutes Benehmen legte und auf einen passenden Ehemann für ihren Schützling hoffte. Sollte sich die Gouvernante doch einen Bremer Kaufmann als Gatten suchen, wenn sie so viel davon hielt.

»Du könntest in Bremen bleiben, wenn du dir hier einen Gemahl suchst.« Sehnsucht sprach aus Fräulein Dieseldorfs Stimme. Sie war in Deutschland geboren und vor einigen Jahren mit einer deutschen Familie nach Guatemala eingewandert, aber sie hatte sich dort nie heimisch gefühlt. »Wir könnten hierbleiben

»Ich gehe wieder nach Hause zurück. Nach Hause und zu …« Margarete hatte Juans Namen nicht ausgesprochen, weil sie der Gouvernante nicht verraten wollte, wie sehr sie den Indio-Jungen vermisste, wie sehr sie sich nach ihm verzehrte. Jede Nacht träumte sie von ihm und erwachte von den Tränen, die sie im Traum geweint hatte.

Ihr Herz gehörte nach Guatemala und sie hatte die Tage gezählt, bis sie endlich zurückkehren durfte. Mit jedem Tag, der ihr die Abreise näherbrachte, hatte sich Margarete mehr nach Guatemala gesehnt, vor allem nach Juan, auch wenn sie sich geschworen hatte, nie wieder einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Gleichzeitig fürchtete sie die Rückkehr, fürchtete, Juan mit einer anderen zu sehen. Glücklich. Vielleicht sogar schon als Vater eines Kindes, das so wunderbare Augen hatte wie er.

»Margarete.« Fräulein Dieseldorf steckte ihren Kopf zur Tür herein. Wie stets gelang es ihr, unendlich viele Vorwürfe in einem Wort unterzubringen. »Im Salon erwartet dich Besuch. Ich werde den jungen Mann bitten, sich zu gedulden. Und ich schicke dir Alwine, damit sie dir beim Ankleiden hilft

Mit diesen Worten ging die Gouvernante, ohne Margaretes Antwort abzuwarten. Warum auch? Fräulein Dieseldorf wusste, dass Margarete sich fügen würde. Schließlich war sie Gast im Haus ihrer Tante und ihres Onkels und würde es nicht übers Herz bringen, sie derart vor den Kopf zu stoßen. Also setzte sie sich auf und schwang ihre Füße aus dem Bett, genoss das Gefühl des flauschig-weichen Teppichs an ihren Füßen und vermisste gleichzeitig die Kühle des Holzfußbodens, der in ihrem Zimmer in Guatemala auf sie wartete. Noch während Margarete überlegte, welches Kleid für ihre Stimmung passend wäre, klopfte die Zofe an und trat erst ins Zimmer, nachdem Margarete »herein« gerufen hatte. Alwine knickste und lächelte Margarete an. Sie mochte die Zofe ihrer Tante, die kaum älter war als sie.

»Wir wollen den Herrn nicht allzu lange warten lassen, nicht wahr?«, sagte Alwine mit einem Augenzwinkern, nachdem sie Margarete begrüßt hatte. »Am besten setzen Sie sich hin und ich kümmere mich um alles

Margarete nahm an dem zierlichen Tischchen Platz, auf dem Kamm und Bürste sowie diverse Töpfchen und Tiegelchen zur Verschönerung bereitstanden.

Mit geübten Händen bürstete Alwine Margaretes Haare und steckte sie zu einer komplizierten Frisur auf, die Margarete niemals selbst würde frisieren können. Wie einfach war das Leben in Guatemala dagegen. Keine Zofe, keine aufwendigen Haargebilde, die viel Zeit kosteten. Margarete stieß ein leises Seufzen aus.

»Habe ich Sie gepikst

»Nein, nein. Danke. Alles wunderbar.« Margarete versuchte ein Lächeln und konnte im Spiegel erkennen, wie sehr es verunglückte. Wem wollte sie vorspielen, dass sie glücklich war? Im Salon wartete ein Mann auf sie, aber es war der falsche. Wer immer ihr auch dort seine Aufwartung machte, niemals würde er ihre wahre Liebe aus ihrem Herzen verdrängen können. Auch wenn sie ein ganzes Jahr lang nichts von dem einzig Richtigen gehört hatte. Wie sollte sie Juan nur je wieder gegenübertreten? »Ich habe nur an meine Abreise gedacht

»Werden Sie Bremen vermissen?« Die Zofe krönte ihre Arbeit mit einer weiteren Haarnadel. Margarete bewunderte ihr Geschick. »So weit weg von hier. Von zu Hause

»Guatemala ist mein Zuhause«, sagte Margarete mit weicher Stimme und spürte, wie das Heimweh in ihr Herz zurückkroch. Die Sehnsucht nach den tiefgrünen Nebelwäldern, nach dem Duft der reifen Bananen und der gerösteten Kaffeebohnen, nach La Huaca, ihrer Finca, nach ihrem Vater und ihrer Großmutter und natürlich nach Juan. Immer wieder Juan. Margarete schwieg einen Augenblick, damit sie ihre Gefühle nicht übermannten. »Ich war gern in Bremen, aber …«

»Nirgends ist es so schön wie zu Hause, nicht wahr?«, antwortete Alwine und nickte mit dem Kopf.

»Weißt du, welcher Herr im Salon auf mich wartet?«, fragte Margarete. Nicht dass sie wirklich wissen wollte, wer von den jungen Männern, die sie während der vielen Gesellschaften in Bremen getroffen hatte, sich von ihr verabschieden wollte. Sie war stets freundlich gewesen, aber hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass sie kein Interesse an einer Ehe hatte. Zu ihrem Missvergnügen hatte ihre Zurückhaltung die Bremer Junggesellen eher angespornt, als abgeschreckt, sodass ein stetiger Strom wohlerzogener junger Männer den Salon ihrer Tante besuchte. Hoffentlich erwartete sie kein Langweiler oder hochnäsiger Schwätzer.

»Ich kenn den Herrn nicht.« Ein letztes Mal strich Alwine über Margaretes Haare und trat dann zurück. »Fertig

»Wunderbar.« Margarete wendete den Kopf nach rechts und links, um Alwines Kunstwerk zu bewundern. »Ich danke dir

Das Mädchen schaute sie überrascht an und knickste erneut. Dann lächelte sie Margarete zu und ging hinaus.

Margarete erprobte noch einen Augenblick lang im Spiegel ihr höfliches Lächeln und stand mit einem kleinen Seufzer auf. Länger konnte sie die Begegnung nicht hinauszögern. Sie musste den Konventionen gehorchen und freundlich plaudern, auch wenn ihr ganz anders zumute war. Der Gedanke an ihre Rückkehr beinhaltete stets die Frage, warum Juan sein Versprechen nicht gehalten hatte.

Vor der Tür zum Salon streckte Margarete den Rücken und richtete sich auf. Sie versuchte alle dunklen Gedanken zur Seite zu schieben, um ihrer Tante und ihrem Onkel keine Schande zu bereiten.

Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, erhaschte sie einen Blick auf den Gast und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie kannte den dunklen Haarschopf, der über das Besuchersofa ragte. Sie kannte ihn nur zu gut. Margarete hob die Hand vor den Mund, um den Aufschrei der Überraschung zu unterdrücken.

Juan! Deshalb hatte er ihr nicht geschrieben. Ihr Geliebter hatte sich auf den Weg nach Bremen gemacht, um ihr diese Freude zu bereiten.

»Juan. Ma sa laa ch’ool?«, flüsterte sie die Begrüßungsformel auf Kekchí. Die Worte, die sie beinahe ein Jahr nicht mehr gesprochen hatte, sprangen ihr auf die Lippen. »Ist dein Herz zufrieden

Ihr Herz war so froh, dass es lauthals schlug. Juan musste es hören und auch ihre Tante, die als Anstandsdame auf Margarete gewartet hatte. Augenblick. Wie konnte das sein? Ihre Tante, in traulichem Kaffeetrinken mit Juan vereint?

»Ach, Grete, Liebes, da bist du ja endlich.« Tante Elisabeth nickte ihr zu. Sie deutete auf den Platz neben sich auf der zierlichen Couch, dem Heiratsmöbel, wie Margarete es heimlich nannte. »Herr Landahl, dessen Familie hier in Bremen eine Kaffeerösterei betreibt, ist extra heute noch vorbeigekommen, um dich kennenzulernen

Wie auf ein Stichwort erhob sich der Besucher und verneigte sich zur Begrüßung. Margarete musste an sich halten, um nicht laut aufzuseufzen. Nur auf den ersten Blick ähnelte dieser attraktive Herr ihrem Geliebten. Das dunkle Haar, die gebräunte Haut. Aber er war deutlich schmaler als Juan, der hart auf den Kaffeefeldern hatte arbeiten müssen.

»Liebes Fräulein Seler.« Herr Landahl deutete ein Lächeln an. Seine Kleidung wirkte ausgesprochen elegant, auf dem Höhepunkt der Herrenmode. »Ich habe so viel von Ihnen gehört, dass ich Ihnen vor Ihrer Abreise, die ich sehr bedauere, meine Aufwartung machen wollte

»Herr Landahl.« Nur unter Aufbietung aller Kraft gelang es Margarete, die Fassung zu wahren. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen

Den Besuch überstand Margarete wie in einem Nebel, der am Morgen die Wälder Guatemalas einhüllte, bis ihn die Kraft der Sonne zum Verschwinden brachte. Ohne nachzudenken, antwortete sie einsilbig auf Fragen, die ihr der freundliche Kaufmann stellte, lächelte und nickte zu den Anekdoten, die er erzählte, und wünschte doch die ganze Zeit, in ihr Zimmer laufen zu können, um dort ihren Tränen der Enttäuschung freien Lauf zu lassen. Endlich erhob sich Herr Landahl.

»Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder.« Er verbeugte sich formvollendet. Als Margarete ihn erstaunt anschaute, lächelte er. »Mein Vater ist der Ansicht, es wäre gut für mich, mir einmal die Kaffeefincas vor Ort anzusehen. Was meinen Sie

»Oh, natürlich«, bemühte sich Margarete, eine angemessene Antwort zu finden. »Ein cafetal in seiner Blüte ist ein wundervoller Anblick

Er nickte und ging. Endlich.

»Ist etwas mit dir, mein Kind?«, fragte Tante Elisabeth besorgt. »Du wirkst etwas abgelenkt und blass

»Ich … ich habe schon den ganzen Morgen Kopfschmerzen«, log Margarete. »Ich lege mich wohl besser hin

»Mach das, Liebes.« Ihre Tante lächelte so freundlich, dass sich Margarete schon schämte. »Es wäre schön, wenn wir heute Abend gemeinsam essen könnten

»Ich brauche nur ein wenig Ruhe.« Margarete beugte sich vor und küsste Tante Elisabeth auf die Wange. Mit letzter Kraft gelang es ihr, die lächelnde Fassade aufrechtzuerhalten.

Nachdem sie die Tür zum Salon hinter sich geschlossen hatte, taumelte Margarete und ließ sich in den mit nachtblauem Samt bezogenen Sessel sinken, der dort für wartende Besucher stand. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus. So tief, wie es das unbequeme Kleid nur zuließ.

Als Schritte ertönten, öffnete Margarete die Augen. Fräulein Dieseldorf. Nicht jetzt. Aber die Gouvernante steuerte zielsicher auf Margarete zu.

»Post von zu Hause. Ein Glück, dass dich der Brief noch vor unserer Abreise erreicht hat

»Danke.« Margarete erkannte die Handschrift ihres Vaters und lief die Treppe hinauf. Was mochte so eilig sein, dass er ihr vor ihrer Abreise nach Guatemala noch schreiben musste? War ihrer Großmutter etwas zugestoßen? Nein, ein Unglück erforderte ein Telegramm. In ihrem Zimmer riss sie den Umschlag voller Vorfreude auf. Nachdem sie die Zeilen gelesen hatte, entglitt der Brief ihrer kraftlosen Hand und sank zu Boden wie ein Blatt im Wind.

Kapitel 8

An Bord der SAN NICOLAS, auf dem Weg nach Guatemala 1902

Elise lag mit geöffneten Augen auf der schmalen Pritsche und lauschte ins Dunkel der Kajüte. Sie hatte sich den Schlafplatz erkämpfen müssen. Ihre Eltern wollten die Überfahrt unter Deck verbringen, dort, wo die zumeist armen Auswanderer eingepfercht waren. Nicht weil ihre Familie arm war. Nein, weil ihre Eltern Geld sparen wollten, um es für weitere Expeditionen in weitere furchtbare Länder auszugeben. Bei dem Gedanken, dass sie sich auf einem Schiff unterhalb der Wasserlinie befände, hatte Elises Herz zu rasen begonnen. Sie hatte nach Luft gerungen, als ob sie bereits ertränke. Da hatten ihre Eltern nachgegeben und ihr die Kajüte zugestanden. Nun allerdings fühlte sie sich allein und wünschte sich, in diesen kalten, einsamen Nächten bei ihnen zu sein.

Elise stieß ein Schnauben aus. Bei ihren Eltern. Menschen, die sie kaum kannte. Fremde, die sie aus dem sicheren Bremen auf dieses Schiff verschleppt hatten, ohne nach ihren Wünschen zu fragen. Tränen traten ihr in die Augen und sie schniefte. Wie es wohl ihren Großeltern erging, allein in dem schönen Haus? Ob sie Elises Zimmer wohl für sie hergerichtet ließen?

Der Gedanke an all das, was sie aufgegeben hatte, ließ sie wieder weinen. Elise tastete nach dem Taschentuch aus Leinen, das sie sich neben das schmale Kopfkissen gelegt hatte – wohlwissend, dass sie es auf dieser Reise sicher des Öfteren benötigen würde. Sie schnäuzte sich und richtete sich etwas auf.

Durch die runde Öffnung des Bullauges konnte sie einzelne Sternbilder am Nachthimmel erkennen. Immerhin etwas, das sie an ihre Heimat erinnerte. Die Sterne leuchteten überall gleich. Wie oft hatte sie mit Großvater in seinem Arbeitszimmer gesessen und durch den Kometensucher den Himmel beobachtet. »Wenn du dich einsam fühlst, sieh dir die Sterne an«, hatte ihr Großpapa zum Abschied gesagt und Elise an sich gedrückt.

»Kassiopeia. Perseus. Kleiner Bär. Großer Bär. Bärenhüter«, murmelte sie vor sich hin, um ihre Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren. »Cassiopeia. Perseus. Ursa minor. Ursa major. Boötes

Die lateinischen Namen sollten sie ablenken, doch immer wieder tauchte die Panik in ihr auf und verdrängte alles andere. Klang das Grollen der Dampfmaschine nicht unregelmäßig? Ging es nicht in ein schrilles Pfeifen über, ein sicheres Anzeichen für eine Überhitzung, die zu einer furchtbaren Explosion führen würde?

Elise verwünschte sich, dass sie einen der Matrosen über die Funktionsweise des Schiffs ausgefragt und sich vor allem nach den Gefahren erkundigt hatte. Der Mann hatte freundlich geantwortet und laut gelacht, als sie ihn nach einer möglichen Explosion des Kessels gefragt hatte.

Typisch für Erwachsene. Niemals nahmen sie Elises Sorgen ernst, sondern gingen mit einem Lächeln oder einem besserwisserischen Kopfnicken darüber hinweg. Gerne hätte Elise dem Mann gesagt, dass sie sich sehr wohl informiert hatte, dass sie Bücher gewälzt hatte und nur abschließend seine Einschätzung als Praktiker wünschte. Sicher hätte er sie ausgelacht und seinen Kameraden von dem seltsamen Mädchen erzählt. Also hatte sie sich bedankt und war in ihre Kajüte geeilt, um zu überprüfen, wie weit es von dort zu den Rettungsbooten war. Winzig klein erschienen ihr diese. Wie sollten die Schaluppen nur auf dem riesigen Meer Schutz und Sicherheit bieten?

»Lise.« Ihr Vater hatte sie angelächelt und von seinem Buch aufgesehen, in das er Reiseberichte schrieb oder Forschungsergebnisse eintrug. Die Brille saß viel zu tief auf seiner Nase und ließ ihn aussehen wie einen zerstreuten Professor. »Lise. Schiffsreisen sind sicher. Glaube mir

Ihre Mutter hatte sie gar nicht erst fragen wollen. Henni Hohermuth schien sich niemals zu ängstigen. Schon oft hatte Elise gedacht, dass sie als Säugling bestimmt vertauscht worden war. Anders ließ sich beim besten Willen nicht erklären, dass zwei Menschen, die sich von einem Abenteuer ins nächste stürzten wie ihre Eltern, eine Tochter bekommen hatten, die Gefahren nur in Büchern erleben wollte. In der Sicherheit ihres Bettes oder im Haus der Großeltern vor dem Kamin, in dem ein Feuer gemütlich knisterte.

Stattdessen befand sich Elise nun auf der SAN NICOLAS auf dem Weg nach Südamerika. Nein, Mittelamerika, um genau zu sein. Guatemala. Das Land der Maya und des ewigen Frühlings. Ein Land, das Abenteurer anzog wie Honig die Bienen. Abenteurer und Forscher wie ihre Eltern. Warum konnten ihr Vater und ihre Mutter nicht sein wie andere Eltern und langweilige Berufe haben? Warum mussten ausgerechnet ihre Eltern von einem Ort zum anderen ziehen, um den Spuren längst ausgestorbener Völker zu folgen?

Nun waren sie schon einige Tage auf See. Elises Magen hatte sich an das Auf und Ab des Schiffs gewöhnt, aber die Sorgen waren geblieben. Schwankte das Schiff nicht zu sehr, hin- und hergeworfen von den Wellen wie ein Spielzeug? Elise schloss die Augen und versuchte ruhig ein- und auszuatmen, doch die Angst legte sich wie eine dunkle Decke über sie und drohte sie zu ersticken. Hastig richtete sie sich auf und riss die Augen auf. Sie setzte sich ans Bullauge, lehnte die Stirn gegen die angenehme Kühle des Glases und versuchte in der sternklaren Nacht etwas zu erkennen.

Welche Gefahren lauerten in der unendlichen Tiefe unter dem Bauch des Dampfschiffes auf sie? Gefährliche Wesen, die nur darauf warteten, dass sie Schiffbruch erlitten und Elise und alle anderen Passagiere ihre Beute wurden. Haie. Riesenkraken.

Schlimmer noch als die Ängste, die sie in den einsamen Nächten überfielen, war die Gewissheit, dass sie sich ihren Sorgen allein stellen musste. Ihr Vater war zu sehr in seinen Reiseplanungen versunken und ihre Mutter

»Sei nicht albern, Kleines!« Spott hatte in ihrem Blick gelegen, mit dem sie ihre sechzehnjährige Tochter gemustert hatte. »Octopodidae greifen keine Schiffe an. Sie sind viel zu klein

Elise hatte genickt und sich abwenden wollen, in der Gewissheit, dass ihre Mutter sie niemals verstehen würde. Doch Henni Hohermuth war noch nicht fertig. »Wenn überhaupt, dann könnte es ein Riesenkalmar sein, ein Architeuthis. Angeblich hat man Exemplare gesichtet, die mehr als vier Meter lang waren

Elise war bleich geworden und hatte sich setzen müssen. Die Grauen der Tiefsee waren ja noch viel, viel schlimmer, als sie es sich bisher ausgemalt hatte.

Ihre Mutter hatte den Kopf geschüttelt. »Hast du etwa wieder Jules Verne gelesen

Elise war rot angelaufen und hatte vor Verlegenheit kein Wort herausbringen können. Ihre Mutter schätzte es nicht, wenn Elise Bücher des verrückten Franzosen, wie Henni Hohermuth ihn nannte, las. Nur wissenschaftlich untermauerte Fakten fanden Gnade vor den Augen ihrer Mutter. Mit fantastischer Literatur vermochte sie wenig anzufangen.

Ihren Vater zu fragen, würde ähnlich enden. Nur dass Johann Hohermuth seine Tochter mitten im Satz stehen lassen würde, weil ihm etwas Wichtiges eingefallen war.

Sie unterdrückte ein Schluchzen. Wie schön war ihr Leben in Bremen gewesen, in dem großen, alten Haus von Großmama und Großpapa, mit vielen Büchern und allem Komfort, den die moderne Welt zu bieten hatte. Elises Eltern waren ab und an zu Besuch gekommen und hatten seltsame Geschenke mitgebracht, riesige Muscheln oder Schnitzereien von fremdartigen Göttern. Sie hatten ausführlich von ihren Abenteuern berichtet und sich dann zu einer weiteren Forschungsreise aufgemacht.

Eines Tages hatten sie sich übertroffen und sogar einen Jungen von ihrer Reise mitgebracht.

Georg. Elises Herz schlug schneller, wenn sie jetzt an ihn dachte. An ihre erste Begegnung.

Der magere Junge hatte damals fassungslos die Pracht des Bremer Hauses bestaunt. Immer wieder hatte Elise ihn durch die Flure schleichen sehen. Leise und vorsichtig wie ein streunender Kater. Immer bereit, bei Gefahr aufzuspringen und davonzulaufen. Georg hatte kaum etwas zu ihr oder den Großeltern gesagt und Elise hatte ihre Eltern nach ihm ausgefragt.

Henni und Johann hatten den Jungen, der sich auf den Straßen Kairos durchschlug, gefunden, als er völlig ausgehungert an einer Hauswand saß. Sein flehender Blick hatte ihr Herz gerührt und sie hatten ihn einfach mitgenommen. Georg sprach gebrochen Deutsch, das hatte ihm sein Vater beigebracht. Seine Mutter war Ägypterin, von ihr hatte er die auffallend dunklen Augen geerbt. Sie war, wie er erzählte, an einer Krankheit gestorben, als Georg elf Jahre alt war. Henni und Johann hatten versucht, etwas über seine Familie herauszufinden, doch das Schicksal seines Vaters blieb ihm Dunkeln. Voller Dankbarkeit für seine Rettung und die Zuwendung, die die Hohermuths ihm entgegenbrachten, folgte er ihnen und bemühte sich, zu einem Entdecker zu werden. Darüber, wie er sich in Ägypten durchgeschlagen hatte, hüllte sich Georg in tiefes Schweigen. Wenn man ihn darauf ansprach, schien sich ein Vorhang zu senken und ließ eine bittere Zeit erahnen, die der Junge verdrängen wollte.

Georg war der Sohn, den sich ihre Eltern immer gewünscht hatten. Mutig, intelligent und voller Begeisterung für Reisen in ferne Länder. Elise fühlte sich ihm anfangs unterlegen und konnte ihn bei ihrer ersten Begegnung nicht leiden. Aber eigentlich, so redete sie sich ein, war es ihr egal, da ihre Eltern und Georg ohnehin ständig unterwegs waren.

Doch vor einem Jahr hatten Johann und Henni das Herz für ihre Tochter entdeckt und Elise das erste Mal auf eine Reise mitgenommen. Nach Ägypten, um Pyramiden und alte Steine zu erforschen. In ein Land ohne Badezimmer – jedenfalls dort, wo Elise wohnen musste -, aber mit riesigen Spinnen, gefährlichen Skorpionen und tödlich giftigen Schlangen. Georg hatte sich dort wie zu Hause bewegt, weshalb sich Elise noch mehr fehl am Platze gefühlt hatte. Sie hatte erwartet, dass ihre Eltern erkennen würden, wie wenig ihr an Abenteuern lag. Doch Henni und Johann hatten sie nun erneut auf eine Expedition mitgenommen - dieses Mal jedoch auf eine unendlich lange Reise und in ein Land, das weitaus bedrohlicher als Ägypten war. Guatemala. Ewig weit entfernt. Vier Wochen ihres Lebens musste sie jetzt auf diesem Dampfschiff verbringen. Vier Wochen mit Georg. Zu ihrer Überraschung hatte Elise eines Morgens in Ägypten ein Kribbeln im Bauch gespürt, als sie Georg sah. Sie suchte seitdem immer öfter seine Nähe und betrachtete plötzlich argwöhnisch alle Mädchen, die ihm zulächelten. Aber Georg sah in ihr bis jetzt nur die kleine Schwester, die er beschützte und ab und zu neckte. Vielleicht konnte sie ihn ja in Guatemala für sich einnehmen. Mit dieser Hoffnung im Herzen gelang es Elise langsam, der Reise etwas Gutes abzugewinnen.

Das Klopfen an der Kajütentür ließ sie zusammenzucken. Mussten etwa alle Reisenden in die Rettungsboote evakuiert werden, weil das Schiff sank?

Kapitel 9

An Bord der SAN NICOLAS, auf dem Weg nach Guatemala 1902

Margarete starrte ins Wasser, das dunkel, beinahe schwarz, vor ihr lag. Nur die weißen Schaumkronen, die das Dampfschiff vor sich herjagte, setzten helle Akzente. Leise rollten die Wellen an das Weiß der Schiffswände, schienen nach ihr zu rufen. Sie hob den Kopf und schaute nach oben. Sternenklar war die Nacht. Nur einige wenige Wolken zogen über den Himmel und verbargen die Sterne für einen Moment. Wie hießen sie noch? War das der Große Wagen oder der Große Bär? Margarete zuckte die Schultern. Sie hatte nie verstehen können, dass man sich die Nacht um die Ohren schlug, um nach Sternbildern zu suchen. Für sie sah ein Stern aus wie der andere. Hell strahlend und weit weg. Sehr weit weg. So weit weg wie Juan.

Sie schluckte und biss sich auf die Unterlippe, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Nein, sie würde nicht um ihn weinen. Ob er wohl um sie trauern würde? Margarete trat einen Schritt näher an die Reling heran und lehnte sich nach vorne. In ihrem weißen Kleid würde man sie sofort erkennen. Wie Ophelia würde sie aussehen. Das blonde Haar um sich ausgebreitet, glänzend im Licht des Vollmonds. Nun gut, des zunehmenden Mondes. Wenn man sie gefunden hätte, würde es ihrem Vater leidtun, dass er sie zu etwas hatte zwingen wollen, das sie nicht wünschte. Aber dann wäre es zu spät. Und Juan würde zutiefst bereuen, dass er ihr nie geschrieben hatte.

Mit Schwung setzte Margarete ihren Schnürstiefel auf eine Kiste und zog sich an der Reling hoch. Nur noch die schmalen Stäbe hielten sie vom Meer zurück. Ob Ertrinken schnell ging? Sie schluckte erneut. Ihre Kehle fühlte sich trocken an, während ihre Handflächen feucht wurden. War es wirklich die richtige Entscheidung? Aufgeben war doch nie eine Option für sie gewesen. Sie war eine Kämpferin, oder etwa nicht? Ein Geräusch ließ sie innehalten und lauschen. Schnell sprang sie von der Kiste und duckte sich in den Schatten der Rettungsboote. Mit angehaltenem Atem horchte sie ins Dunkel. Vielleicht drehte ein Matrose seine Runden. Oder einer der Passagiere aus dem Unterdeck nutzte die Einsamkeit der Nacht, um Luft zu schnappen.

Fräulein Dieseldorf hatte sie vor ihnen gewarnt. Sie hatte Margarete verboten, abends allein an Deck zu gehen.

»Denk an die Auswanderer. Schmutzige Menschen, die was weiß ich für Krankheiten mit sich tragen. Oder dich ausrauben werden."

Margarete glaubte nicht daran, dass ihr einer der ärmeren Menschen übelwollte, aber sie wollte auch niemandem begegnen. Nicht heute Nacht. Heute wollte sie allein sein. Allein mit sich und der Entscheidung, die sie zu treffen hatte. Sie drückte sich hinter das Rettungsboot und blieb mit ihrem Kleid an einem Haken hängen. Hastig zog sie am Rock, bis sie das Kleid mit einem Ratsch losriss. Sie hätte besser etwas Unauffälligeres anziehen sollen. Das Weiß des edlen Stoffs leuchtete durch die Dunkelheit wie ein Fanal und würde jedem Menschen, der sich näherte, ihren Aufenthaltsort verraten. Leise atmete sie aus, schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Geräusche der Nacht. Nur das Pfeifen des Windes und das leise Plätschern der Wellen waren zu hören. Margarete streckte ihren Kopf hervor und kniff die Augen leicht zusammen, um etwas im Dunkel erkennen zu können.

Nichts war zu sehen, ihr schlechtes Gewissen hatte ihr wohl einen Streich gespielt. Ein wenig tat es ihr leid um Fräulein Dieseldorf. Die Gouvernante würde sicher Ärger bekommen, weil Margarete ihr entwischt war und sich in die Wellen gestürzt hatte. Ihr Vater würde das Fräulein entlassen und sie mit Vorwürfen überschütten. Margarete biss sich wieder auf die Unterlippe. Auch wenn sie ihre Gouvernante nicht besonders mochte, wollte sie ihr nicht unbedingt mehr Ärger bereiten als notwendig. Sollte sie ihren Plan aufgeben und erst zu Hause eine Gelegenheit suchen, aus dem Leben zu scheiden?

Nein! Bestimmt hatte Fräulein Dieseldorf ihre Finger im Spiel oder wenigstens von den Plänen ihres Vaters gewusst. Margarete erwartete wenig Gutes vom Fräulein, die sich für ihre Arbeit zu fein hielt und sichtlich bedauerte, dass sie sich um so ein schwieriges Mädchen wie Margarete kümmern musste. Jedenfalls sagte sie das oft genug. Dem Fräulein wäre es nur recht, wenn Margarete ebenfalls ein Leben im Unglück führen müsste.

Und was wäre mit ihrer Familie? Großmama würde sich sicher Vorwürfe machen, aber … Warum hatte Großmama sich nicht auf ihre Seite gestellt? Margarete sah die alte Dame vor sich. Die grauen Haare zu einer strengen Frisur aufgesteckt, das Kreuz durchgedrückt, wirkte sie wie eine harsche Frau. Wie sehr der Eindruck täuschte. Niemand war so verständnisvoll und liebevoll wie ihre Großmutter. Jedenfalls hatte sie das immer geglaubt. Margarete kämpfte gegen die Tränen an. Nicht heute Abend.

Wie konnte ihr Vater ihr das nur antun? Er hatte ihr doch fast jeden Wunsch erfüllt und es erschien ihr unvorstellbar, dass er in so einer lebenswichtigen Sache über ihren Kopf hinweg entschied. Was war nur in ihren Vater gefahren, dass er sie so behandelte?

In den ersten Tagen, nachdem sie den verhängnisvollen Brief erhalten hatte, hatte sie immer wieder geweint, unterbrochen von Zornesausbrüchen, in denen sie mit allem geworfen hatte, was ihr in die Hände gefallen war. Ein einziges Schreiben hatte ihr Leben auf den Kopf gestellt. Wie rosig und wunderschön, wie eine der Orchideen, die ihre Großmutter pflegte, war Margarete ihre Zukunft bis zu jenem Brief erschienen. Wie sehr hatte sie sich gefreut, wieder nach Hause zurückzukehren.

Obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, hatten sich immer wieder Gedanken an Juan eingeschlichen, war die Hoffnung gewachsen, ihn wiederzusehen und seine Liebe wiederzugewinnen. Mitten in ihre Freude hinein platzte der Brief. Der bittere, ungerechte, ihr Leben zerstörende Brief. Margarete war zu Boden gesunken und hatte das Schreiben drei- oder viermal lesen müssen, weil sie es nicht glauben wollte. Nach der Fassungslosigkeit kamen die Tränen und mit rot geweinten Augen starrte Margarete auf die Worte. In dürren Sätzen teilte ihr Vater ihr mit, dass sie Karl Federmann heiraten sollte, sobald sie in Guatemala eingetroffen wäre. Karl, den Langweiler, den Sohn eines Fincabesitzers, den Margarete vielleicht dreimal in ihrem Leben gesehen hatte. Keine zehn Worte hatte sie mit ihm gewechselt, nicht einmal über das Wetter vermochte er zu plaudern. Nur die Kaffee-Ernte und der Weltmarktpreis hatten es ihm angetan. Margarete schüttelte sich, als sie sich an seine blassgrünen Augen erinnerte, mit denen er sie angestarrt hatte wie ein Jaguar ein Pekari. Nur unter Aufbietung aller Höflichkeit hatte sie die Treffen mit ihm überstanden. Und nun sollte sie ein Leben mit ihm verbringen! Niemals!

Lieber würde sie sterben, als in einer Ehe mit diesem Karl lebendig begraben zu werden. Margarete schaute wieder in die dunkle See. Dunkel wie Juans Augen. Nun drohte der Kloß in ihrer Kehle sie zu ersticken und sie schluchzte auf. Juan. Ein Jahr lang hatte sie nichts von ihm gehört. Kein Sterbenswörtchen. Warum hatte er ihr nie geschrieben? Vorsichtig hatte sie in ihren Briefen an Großmama nach ihm gefragt, war krank gewesen vor Sorge. Sie konnte kaum essen und magerte so stark ab, dass ihre Tante sie zu einem Arzt schleppte, der etwas von nervöser Erschöpfung murmelte. Endlich, endlich war der heiß ersehnte Brief von Großmama eingetroffen und

Kein Wort über Juan. Margarete schloss sich eine Woche in ihrem Zimmer ein und weinte sich die Augen aus dem Kopf. Mit letzter Kraft riss sie jeden Gedanken an Juan aus ihrem Herzen, hielt den Kopf hoch erhoben und stürzte sich in die Abenteuer Bremens. Nur nachts, wenn sie die Geräusche von La Huaca vermisste, das durchdringende Zirpen der Grillen, das dumpfe Brüllen der Affen und das laute Kreischen der Aras, spürte sie die Traurigkeit, die mit dem Heimweh einherging, in sich aufsteigen.

Je näher der Termin ihrer Rückkehr kam, desto häufiger kehrten die Gedanken an Juan zurück. Manchmal sah sie in Bremens Straßen einen dunklen Haarschopf und lief dem Mann hinterher, ohne nachzudenken und mit klopfendem Herzen. Oder sie schaute in dunkle Augen, die sie an den Geliebten erinnerten und beinahe zum Weinen brachten. Selbst der Geruch von Kaffee, der ihre Nase kitzelte, ließ ihre Gedanken zu Juan wandern. Vor wenigen Tagen brach sie beim Anblick einer Orchidee in Tränen aus, weil sie an die weiße Nonne denken musste, die Juan ihr zum Abschied geschenkt hatte. Gerade, als Margarete bereit war, sich einzugestehen, dass sie Juan noch immer liebte und immer lieben würde, war der Brief ihres Vaters mit der Heiratsandrohung eingetroffen.

Wie betäubt, hatte sie ihre Sachen gepackt und sich von Tante und Onkel verabschiedet. Ohne die Menschen um sich herum wahrzunehmen, war sie an Bord des Schiffs gegangen, das sie nach Guatemala bringen sollte. Nach Guatemala, in eine triste Ehe und eine triste Zukunft.

In den langen Nächten an Bord hatte Margarete sich wieder und wieder von einer Seite auf die andere gewälzt, nach einer Lösung gesucht und gestern schließlich eine Entscheidung getroffen. Der Junge, den sie liebte, hatte sie vergessen und wohl eine andere gefunden. Ihre Familie hatte sie verraten und in der Heimat wartete ein Ehemann, den sie niemals lieben könnte. Nein, das Leben erschien ihr nicht mehr lebenswert. Mit einer energischen Bewegung schwang sie sich auf die Reling.

»Halt!«, rief eine Stimme hinter ihr.

So unverhofft angesprochen, zuckte Margarete zusammen und verlor das Gleichgewicht. Sie ruderte mit den Armen, aber zu spät. Mit einem Schrei stürzte sie in die Tiefe.

Kapitel 10

An Bord der SAN NICOLAS, 1902

Heute haben Georg und ich ein Leben gerettet. Was für eine Aufregung.

Margarete Seler heißt sie. Eine Deutsche, die in Guatemala aufgewachsen ist. Oder ist sie eine Guatemaltekin mit deutschen Vorfahren? Wie kompliziert, wenn Auswanderer mit im Spiel sind.

An ihr kann ich mein Spanisch erproben (ich beneide sie – sie spricht fließend Deutsch und Spanisch) und von ihr mehr über das Land erfahren. Falls sie sich dazu herablässt, mit mir zu sprechen. Ist sie doch die Tochter eines reichen Plantagenbesitzers. Finquero hat sie gesagt. Das klingt gleich viel schöner. Dabei ist ihr Vater nur ein Bauer, der Kaffee statt Weizen oder Rüben pflanzt.

Elise schüttelte den Kopf und ein dicker Tintentropfen lief auf das Papier und ließ das letzte Wort zu einem dunklen Fleck verschwimmen. Einem Fleck, düster wie Elises Stimmung. Sie drehte die Schreibfeder zurück in den Schaft und legte ihren Kaweco-Füller neben das schwarze Heft, in das sie jeden Abend ihre Gedanken schrieb.

Elise nahm ein Blatt Löschpapier und versuchte das Wort zu retten, aber es war verpfuscht. Warum nur ließ sie sich von Margarete Seler so beeindrucken? Von einem Mädchen, das sich ins Meer stürzen wollte.

»Lass uns das Schiff erkunden«, hatte Georg gesagt, der an ihre Kajütentür geklopft hatte, und all ihre Einwände einfach vom Tisch gewischt. Er hatte sie an der Hand hinter sich hergezogen. »Komm, sei einmal mutig

Einige Male mussten sie sich in dunkle Ecken ducken, damit Matrosen sie nicht entdeckten. Elise rann ein Schauder über den Rücken, als sie sich an Hauffs Geschichte von dem Gespensterschiff erinnerte. Beim kleinsten Geräusch schreckte sie zusammen und erwartete, den Kapitän an den Mastbaum genagelt zu finden.

»Hast du Angst?« Georg wandte sich um und musterte sie. »Soll ich dich lieber wieder in dein Bett bringen

»Sei still«, zischte Elise. Niemals würde sie vor ihm zugeben, dass sie sich fürchtete. »Sonst finden sie uns

Georg zwinkerte ihr zu und schlich weiter. Von einem Schatten zum nächsten. Gewandt wie ein Straßenkater. Wieder einmal fragte sich Elise, was er als Kind wohl alles in Kairo erlebt hatte.

Da entdeckten sie das Mädchen mit den hellen Haaren und dem weißen Kleid, das auf der Reling saß und ins Wasser starrte. Melodramatisch, fand Elise.

»Halt!«, rief Georg in diesem Moment.

Das erschreckte die Fremde so, dass sie das Gleichgewicht verlor und über die Reling stürzte.

Elise stand wie erstarrt, sah, wie Georg einen gewaltigen Satz nach vorn machte und im wirklich letzten Augenblick das Handgelenk des Mädchens erwischte. Gebeugt hing er über der Reling und es wirkte, als würde die Fremde ihn mit in die Tiefe reißen.

»Hilf mir.« Georgs Stimme klang gepresst. Elise eilte zu ihm und ergriff den freien Arm des Mädchens.

»Lassen Sie nicht los!«, rief diese und schluchzte. »Bitte, retten Sie mich

»Was soll das?«, ertönte eine tiefe Stimme hinter ihnen. Ein starker Arm griff über Elise hinweg und umfasste die Taille des Mädchens. Der Matrose zog sie mit einem kräftigen Ruck wieder auf Deck. »Ihr kommt alle mit

Oh je, was würden ihre Eltern sagen?, schoss es Elise durch den Kopf. Nicht nur dass sie ihre Kajüte verlassen hatte, sie war in ein Abenteuer geraten, dass sie sich nicht hätte vorstellen können.

Die Fremde lief davon und verhedderte sich in ihrem Kleid. Mit einem lauten Plumps fiel sie auf Deck. Georg zeigte sich als Kavalier und half der Unbekannten auf.

»Danke«, hauchte sie. »Mein Name ist Margarete Seler. Danke für alles

»Gern geschehen.« So kannte Elise Georg gar nicht. So ritterlich und höflich. »Ich … ich heiße Georg Peters

»Mein Name ist Elise Hohermuth«, mischte sie sich ein. Sie wollte Georg nicht allein das Feld überlassen. Schließlich war Margarete die Einzige in ihrem Alter auf diesem Schiff. »Schön, Sie kennenzulernen

Margarete nickte ihr zu, wandte sich dann aber ab und wollte in ihre Kajüte laufen.

»Nicht so schnell, mein Fräulein.« Schwer legte sich die Hand des Matrosen auf Margaretes Schulter und verhinderte die Flucht. »Du kommst genauso mit zum Kapitän wie deine Freunde hier

»Wie kommen Sie dazu, mich anzufassen und einfach zu duzen?« Margarete schob die Hand des Matrosen weg und schaute ihn von oben herab an. Elise war beeindruckt, war Margarete doch einen Kopf kleiner als er. »Ich werde Ihnen gerne folgen. Aber bitte wahren Sie die Höflichkeit

»Schon gut.« Der Matrose schmunzelte. »Wenn die Damen und der Herr mir bitte Gesellschaft leisten

»Bitte, es war meine Schuld«, sagte Margarete plötzlich und blieb stehen. Auf einmal lächelte sie den Matrosen an. »Bitte lassen Sie Georg und … das Mädchen gehen

»Ich heiße Elise«, sagte diese, enttäuscht darüber, dass Margarete sich Georgs Namen, aber nicht ihren gemerkt hatte. Sie wollte keine Hilfe von Margarete, aber sie wollte auch nicht zum Kapitän und Ärger mit ihren Eltern bekommen. Daher flehte sie den Matrosen an: »Bitte, lassen Sie uns gehen

»Was habt ihr da überhaupt gemacht?« Der Mann war ebenfalls stehen geblieben und kratzte sich am Kopf. »Wo gehört ihr überhaupt hin

»Meine Eltern sind im Unterdeck«, antwortete Elise. »Ich habe eine Kajüte. Und Georg schläft auch unten. Wir wollen nach Guatemala. Meine Eltern sind Forscher. Sie suchen nach Maya-Schätzen

Wie immer, wenn sie nervös war, redete Elise zu viel und konnte sich nicht bremsen. Sie sah aus dem Augenwinkel, dass Margarete lächelte und Georg den Kopf schüttelte. Ihre Wangen brannten und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Es erschien ihr äußerst ungerecht, dass sie sich schämen musste, obwohl das andere Mädchen den ganzen Ärger verursacht hatte.

»Ich heiße Margarete Seler und reise mit Fräulein Alice Dieseldorf, meiner Gouvernante.« Margarete wirkte selbstsicher und ruhig, gar nicht so, als ob sie noch vor Kurzem ihrem Leben ein Ende hatte setzen wollen. Elise spürte eine Welle von Neid in sich aufsteigen. Niemals in ihrem Leben würde sie so eine Stärke erreichen. Ungerecht, einfach ungerecht. »Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen allen bereitet habe

Ihr Lächeln hätte Berge versetzen können. Den Eindruck bekam man jedenfalls, wenn man die Blicke sah, die der Matrose und Georg ihr zuwarfen. Elise fühlte sich unscheinbar und klein, schien neben der strahlenden Margarete zu verblassen.

»Nun gut, dann verschwindet.« Der Matrose zwinkerte dem Mädchen zu und grinste so breit, dass man seine Zahnstummel sehen konnte, die vom Priemkauen ganz braun waren. »Aber keinen Ärger mehr. Verstanden

»Danke schön.« Margarete knickste und bedeutete Georg und Elise, ihr zu folgen. So schnell sie konnten, eilten sie davon und suchten sich einen Platz unter Deck.

»Wollten Sie sich wirklich umbringen?«, fragte Georg entsetzt.

Margarete schwieg und senkte den Kopf.

»Ich habe eine erschütternde Nachricht erhalten und wohl gehandelt, ohne zu überlegen.« Sie schien mit sich zu ringen. Elise beobachtete, wie sich ihre Finger ineinander verschlangen. »Aber als ich gefallen bin, wurde mir bewusst, dass ich leben will. Trotz allem

»Was ist denn passiert, wenn ich fragen darf?« Elise war selbst erstaunt, dass sie so eine … indiskrete Frage stellte. Aber immerhin hatten Georg und sie das Mädchen ja vor dem Tod bewahrt. Da durfte man auch schon einmal geradeheraus fragen. »Können wir helfen

»Mein Vater will mich verheiraten. An einen Mann, den ich niemals lieben kann.« Margaretes Finger flochten sich wieder ineinander. »Das hat Vater mir geschrieben. Wenige Worte in einem Brief

»Wie unerfreulich.« Georg klang erschüttert und Elise sah ihn fragend an. »Sie müssen sich wehren

»Woher kommen Sie?«, mischte sich Elise ein, bevor Georg Margaretes gesamte Aufmerksamkeit für sich beanspruchen konnte. »Und wohin wollen Sie

»Aus Bremen.« Margarete lächelte sie an. »Und ich kehre nach Hause zurück. Auf unsere Finca La Huaca bei Cobán. Und Sie, was führt Sie nach Guatemala

»Elises Eltern erforschen die Tempel der Maya und ich helfe ihnen.« Georg bemühte sich, größer zu wirken. »Wir waren schon einmal in Guatemala. Vor zwei Jahren

»Dann kennen Sie das Land.« Margarete wirkte glücklich. »Ist es nicht wunderschön da? Nicht umsonst nennt man es ›Seele der Erde‹.«

»Ich denke, wir sollten jetzt besser in unsere Kajüten gehen«, unterbrach Elise das Gespräch, auch wenn sie gern mehr erfahren hätte. »Sonst bekommen wir wirklich Ärger

»Wir haben damals die Ruinen von Tikal besucht.« Georg schien das Drängen in Elises Stimme nicht gehört zu haben oder – schlimmer noch – es bedeutete ihm nichts.

»Ich freue mich darauf, die Nebelwälder wiederzusehen«, entgegnete Margarete.

»Nebelwälder?«, fragte Elise. »Was meinen Sie damit

»Ich vermisse das Rauschen der Bäume, das silberne Leuchten der Kaffeeblüten und den Duft der gerösteten Kaffeebohnen. Ja, selbst den Regen.« Margaretes Gesicht strahlte, als sie von ihrer Heimat sprach. Da wünschte Elise sich, sie näher kennenzulernen und zu erfahren, was es mit den Kaffeepflanzen auf sich hatte. »Ein Jahr war ich weg und es kommt mir wie eine Ewigkeit vor

Laute Schritte, die den schmalen Gang entlangkamen, ließen sie verstummen. Sie hielten den Atem an und lauschten. Der Matrose ging an ihrem Versteck vorbei, ohne sie zu sehen, hatte ihnen aber einen gehörigen Schrecken eingejagt.

»Wir sollten gehen«, wiederholte Elise erneut und dieses Mal konnte sie sich Gehör verschaffen.

»Sehen wir uns morgen wieder?«, fragte Georg. »Nach dem Frühstück

»Gerne. Gute Nacht.« Margarete wandte sich um und lief leichtfüßig den Gang hinunter. Wohl zu ihrer Kajüte, die sicherlich vornehmer war als Elises winziges Zimmer.

Margarete Seler. Ein Mädchen, das sich lieber ertränken wollte, als einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt. So viel Mut hätte ich nie. Warum nur habe ich den Eindruck, dass sich hinter ihrer Geschichte noch so viel mehr verbirgt? Wenn Georg sich mir nicht in den Weg stellt, werde ich versuchen, hinter Margaretes Geheimnis zu kommen.

Elise legte den Füllfederhalter zur Seite. Alle Gedanken an Katastrophen oder Riesenkalmare waren verschwunden hinter dem Wunsch, mehr über Margarete zu erfahren. Warum war sie in Bremen gewesen? Elise war so aufgewühlt, dass sie nicht einschlafen konnte. Aus ihrem Koffer suchte sie sich Hauffs Märchen und las ihre Lieblingsgeschichte vom kleinen Muck, der genauso einsam und allein war wie sie.

Kapitel 11

Bremen 2016

Isabell erwachte mit dem durchdringenden Gefühl, dass sie beobachtet wurde. Wie konnte das sein, wo sie doch allein schlief? Als sie ihre Augen öffnete, sah sie den schwarzweißen Kater namens Bertha Benz, der neben ihrem Kopfkissen saß und sie aus unergründlichen grünen Augen anstarrte. »Weißt du, wie spät es ist?«, schien er vorwurfsvoll zu fragen.

Isabell gähnte und schaute auf die Uhr. Oh, schon elf. Gestern Nacht hatte sie lange mit Nicole geskypt und dann nicht einschlafen können, weil ihre Gedanken sich um Elises Tagebuch drehten. Unglaublich, unter welchen Umständen Elise und Margarete sich getroffen hatten. Das musste doch auch Seler Junior spannend finden, nicht wahr? Sie gähnte noch einmal, was den Kater von ihrem Bett vertrieb. Dann stand sie auf, zog sich einen Pulli über ihr Nachthemd und tapste auf bloßen Füßen über den Flur. Das Holz der Dielen fühlte sich warm an. Ein vertrautes Gefühl.

An der Wand entlang der Treppe hing eine Sammlung von Katzenfotos. Ehemalige und aktuelle Haustiere, die Lina hier verewigt hatte. Zwischen den Katzen und Katern verteilt waren Fotos von Isabell in unterschiedlichem Alter. Von der Einschulung, wo die Schultüte – natürlich mit Katzenbildern beklebt – beinahe größer war als sie, über diverse gestellte Porträtaufnahmen und einige Schnappschüsse. Ein heller Fleck an der Wand zeigte an, wo früher das Hochzeitsfoto von ihr und Sascha gehangen hatte. Isabell musste lächeln. Es war so typisch für Lina, dass sie Sascha sofort verschwinden lassen hatte, weil er sich Isabell gegenüber mies benommen hatte.

Aus der Küche waberte der Duft frischen Kaffees, was Isabells Lebensgeister endgültig weckte. Sie öffnete die Tür und blieb irritiert stehen. Seltsame Klänge erfüllten den Raum. Ethno oder Weltmusik, das kannte Isabell noch von früher. Linas Musikgeschmack war sehr bunt, aber so etwas wie dieses Palimpalim hatte Isabell vorher noch nicht gehört. Lina stand an der Spüle und schaufelte Katzenfutter aus Dosen in Schüsseln, von einem dicken grauweißen Kater beäugt.

»Guten Morgen. Was ist das?«, fragte Isabell. »Danke für den Kaffee

Sie holte sich eine Tasse und goss sich von dem duftenden Getränk ein. Der Kater warf sich an ihre Waden, als hoffte er, dass sie ihn fütterte. Isabell trank einen Schluck Kaffee, bevor sie sich vorbeugte und dem Kater über den Kopf strich.

»Vorsicht. Er beißt«, warnte Lina, die Pulverchen unter das Futter rührte. »Je nach Tagesform zeigt er sich von seiner unfreundlichen Seite. Aber jetzt will er sein Fressen und wird nett sein

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739369631
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
romantisch Liebesroman Freundschaft Abenteuer historisch Maya Guatemala Familiengeheimnis Saga Historisch Reise Historischer Liebesroman Historischer Roman

Autor

  • Christiane Lind (Autor:in)

Christiane Lind hat sich schon immer Geschichten ausgedacht, aber erst zur Jahrtausendwende zu Papier gebracht. Inzwischen hat sie fünfzehn Romane bei Verlagen und als Self Publisher veröffentlicht. Beim Schreiben begibt sie sich am liebsten auf die Spur von Familien und deren Geheimnissen. Nach Stationen in Göttingen, Gelsenkirchen und Bremen teilt sie heute eine Wohnung in Kassel mit unzähligen Büchern, einem Ehemann und fünf Katzen. Die Samtpfoten erhalten Rollen in Christianes Geschichten.
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Titel: Im Land des ewigen Frühlings