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Der Schlagmann

Never give up

von Yvonne Beetz (Autor:in)
30 Seiten
Reihe: AlltagsPausen, Band 1

Zusammenfassung

Longlist-Finalist beim Screenplay Award 2018 von #Cine-Books & Sweek (englischsprachig) Der aufstrebende Jungstar Chester Singh steht vor seinem internationalen Debüt mit der englischen Nationalmannschaft im Cricket. Er hadert mit sich selbst und der Verantwortung die auf ihm als Batsman, als Schlagmann, liegt. Seine Selbstzweifel übertragen sich auf sein Team und der Titel Weltmeister rückt in weite Ferne. Dann trifft er auf sein Idol und Vorbild Ian Chester – als Geist. Zwei unterschiedliche Welten prallen aufeinander und bringen Chester mehr Probleme als er so schon hat. Erst als er sich auf das Unbekannte einlässt, erkennt er sich und seine Stärken. Kommt die Einsicht zu spät oder rechtzeitig um seine Mannschaft auf Siegeskurs zu führen? Ein harter Kampf um jeden Run beginnt ...

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Batsman

= Mitglied der Schlagmannschaft

Chester stand am Fenster und sah nach draußen. Eben stieg die Sonne auf und beschien die Tribünen in hellem Sandgelb. Nebel floss wie leichter Stoff im Morgendunst über das Spielfeld.

Beim One-Day-Spiel gegen den Oxforder UCCE vor drei Monaten saßen, ohne dass er davon wusste, einige Scouts für die englische Cricketnationalmannschaft in den dichtgedrängten Zuschauerreihen. Seine Mannschaft der Manchester Lancashire Lightning verlor zwar, aber trotzdem überzeugte er sie mit seinen Fähigkeiten als Batsman. Er fasste sein Glück kaum.

Und doch war er hier. An einem der berühmtesten Orte der Welt, die Cricket je zu bieten hatte.

Er befand sich im Pavillon des „Lord’s Cricket Ground“, Heimatstadion des Marylebone Cricket Club in London, dessen Team sein Namenspate Ian Chester lange vor seiner Geburt angehörte und der nicht nur sein, sondern Vorbild seiner gesamten Familie war.

Er nahm sich seine Tasse Kaffee vom Tisch, nippte ab und zu daran, während er an seinen Urgroßvater dachte.

Ranbir Singh war nach dem II. Weltkrieg nach Großbritannien gekommen und hatte Arbeit in einer Fabrik gefunden, die Sportartikel für Cricket produzierte. Da er gelernter Tischler war, stellte er die Schläger her.

Per Hand hobelte und schliff er das Weidenholz in Form. Dann befestigte er den Griff daran und fertig war der Bat.

Dort lernte er den Briten Brad Sorrow kennen, der die typisch roten Bälle nähte und dann mit dem goldenen Firmenschriftzug versah.

Beide verband die Liebe zu diesem Schlagballspiel, die trotz ihrer unterschiedlichen Kulturen und Lebenskreise zu einer lebenslangen Freundschaft erwuchs.

Zur Belustigung der anderen Mitarbeiter taten die Zwei so als wären sie selbst die Nationalhelden auf dem Spielfeld und versuchten sich als Bowler und Batsman.

Ein großer Spieler zu ihrer Zeit war Ian Chester, der das Wicket oft mit einem Sechser verteidigte.

Jedes Mal stieg der Jubel der Zuschauer ins Unermessliche, wenn er den Pitch betrat.

Chester befürchtete eher Buh-Rufe statt Jubel zu ernten.

Vierzehn Tage intensivsten Trainings lagen bereits hinter ihm.

In den nächsten Wochen würde dies weitergehen, bis am Ende ihre Teilnahme beim Cricket World Cup stattfand. Aber er war sich nicht sicher, ob er die Leistung bringen konnte, die alle von ihm erwarteten.

Die Tür zum Besprechungsraum öffnete sich und Eric Sorrow, sein Freund seit er denken konnte sowie Nationalkapitän der Engländer, kam herein und unterbrach seine Gedanken: „Hier steckst du. Es geht los. Teambesprechung in zehn Minuten.“

Chester rührte sich nicht und schaute weiter hinaus.

Eric trat näher heran und berührte Chester an der Schulter: „Hast du mich gehört?“

Zu seinem Freund blickend, seufzte Chester: „Ich habe dich gehört.“

„Was ist los? Das hier war seit der Schule unser Traum.“

„Ich weiß. Trotzdem kann ich es kaum glauben, daß wir zur englischen Nationalmannschaft gehören. Seit der Auswahl ist die Zeit wie im Flug vergangen.“

Eric stöhnte auf und verdrehte die Augen: „Nicht die Leier. Trau dich. Stell dir vor, du wirst einmal so gut wie Don Bradman.“

„Na, von seiner Leistung bin ich weit entfernt“, lachte Chester.

„Was nicht ist, kann ja noch werden. Dein Held Ian Chester war auch große Klasse. Ich der FastBowler, du der SuperBatsman. Zusammen werden wir mit England Weltmeister. Jetzt komm. Du bist zwar mein bester Freund. Aber eine Extra-Einladung bekommst du nicht.“

„Ich komme nach. Gib mir eine Minute.“

Ein letztes Mal schaute er auf das Spielfeld, drehte sich um, stellte die Tasse auf dem Konferenztisch ab, ging zur Wand, nahm seinen dort angelehnten Schläger und wog ihn in der Hand.

Diesen hatte sein Urgroßvater für ihn gefertigt und zum 15. Geburtstag geschenkt.

Nie im Leben würde er ihn gegen einen industriell gefertigten tauschen und sei er noch so technisch raffiniert und ergonomisch ausgeformt.

Er hatte ein Ziel vor Augen und dieses erreichte er nicht, wenn er an die Vergangenheit dachte. Der Titel Weltmeister würde seine kühnsten Träume übertreffen.

Bowler

= Werfer der Feldmannschaft

Das Training verlief schleppend und die Mannschaftsmotivation war auf einen Tiefpunkt. Die Spieler mussten sich erst einmal kennenlernen und das brauchte Zeit. Außer Eric schien keiner in Topform zu sein. Von gefühlt tausend Bällen hatte Chester zwar den Großteil getroffen, aber weite Schläge gelangen ihm nie. Die Würfe der Fielders waren schlichtweg eine Katastrophe gewesen. Ihm bot sich kaum Gelegenheit aus den gebowlten Bällen von Eric Runs zu machen.

Sein Freund war zwar der FastBowler, doch er fühlte sich wie eine Niete und fragte sich zum wiederholten Male was zum Umpire er in der englische Nationalmannschaft zu suchen hatte.

Wahrscheinlich hatten die Scouts sich vertan. Wäre nicht das erste Mal.

Das Sportinstitut lag eine viertel Stunde vom Stadion entfernt und in einer grünen Oase, wo vom Stadtlärm kaum etwas zu hören war. Hohe Pappeln säumten die Zufahrt, dahinter schloss sich ein kleiner schattiger Park an.

Von außen war es ein hässlicher graubrauner Plattenbau aus den Sechzigern. Die Innenräume dagegen waren auf das Modernste eingerichtet. Durch die Empfangsdame fühlten sich alle Gäste wie in einem Hotel. Jedes der Zimmer war hell und hatte ein eigenes Badezimmer.

Die Essensräume waren einem Restaurant ähnlicher als einer Kantine. Und die Gerichte waren vielfältig und lecker. Es war das derzeitige Zuhause unterschiedlicher Sportler und Chester mochte das Zugehörigkeitsgefühl.

Später am Abend versammelten sich alle im Wintergarten auf dem Dach an dem sich eine Terrasse anschloss. Die Mailuft war mild, Vögel zwitscherten und der Geruch von selbstgemachten Popcorn wehte in jede Nase. Schnelle Rhythmen wummerten aus den Boxen der Musikanlage.

Es entstanden hitzige Gespräche und Diskussionen über die bald stattfindende Weltmeisterschaft. Einige beteiligten sich nicht, sondern spielten lieber abwechselnd an der PS4 ein Actionspiel oder schauten zu.

Chester wollte lieber seine Ruhe haben. Das Gespräch mit Eric am Morgen brachte ihn auf die Idee, die letzte Ruhestätte von Ian Chester zu besuchen.

Der Friedhof war nicht groß und lag in der Nähe des Sportinstitutes. Keine zehn Minuten später war er an seinem Ziel angelangt.

Er trat an das einfache Grab von Ian, hockte sich davor und berührte es kurz, um sich seinen Segen abzuholen. Langsam erhob er sich und verfiel ins Grübeln, ob er tatsächlich so gut wie sein Vorbild spielen konnte. Er würde sehen.

„Bisschen mickrig geraten, nicht wahr mein Freund?“, fragte ihn plötzlich ein Fremder. Doch Chester sah ihn nicht.

„Wer ist da?“, fragte er leise und blickte sich um, ohne jemanden zu entdecken.

„Du dürftest mich gar nicht hören.“

Die Stimme schien wie ein Echo von überall zu kommen.

Hektisch drehte sich Chester um die eigene Achse, stolperte fast, blickte gehetzt umher und entfernte sich langsam rückwärtsgehend vom Grab.

„Wer sind Sie?“, krächzte Chester.

„Das gibt es nicht. Du hörst mich tatsächlich. Endlich“, jubilierte die Stimme.

Das Grab begann zu funkeln.

Chester blieb stehen und starrte gebannt und ohne zu wissen, was ihn erwarten würde auf das Spektakel.

Aus den Funken formte sich ein gestaltlicher Blitz zu einer Menschengestalt und ein Mann erschien, der zunächst sich und sein Gesicht abtastete. Dann tanzte und sprang er wie ein wildgewordener Esel herum und zeigte Chester Grimassen.

Dieser runzelte mißbilligend die Stirn und forderte den Fremden auf: „Lassen Sie das.“

Das Gesicht des anderen verfinsterte sich: „Du dürftest mich gar nicht sehen.“

„Und warum nicht?“

„Weil ich ein Geist bin.“

Chester trat näher heran und betrachtete ihn von allen Seiten. Wenn er genauer hinsah, war der Fremde durchscheinend und als er ihn berühren wollte, war dort nichts als Luft. Er trug Cricketkleidung, die allerdings lange aus der Mode gekommen war.

Und irgendwie kam ihm die Gestalt bekannt vor. Ein vages Erkennen. Doch konnte das möglich sein?

Chester zeigte mit dem Finger auf die Figur vor ihm.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752135565
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
buddhismus mystery cricket spiritualität yoga selbsterkenntnis sport Erzählungen Kurzgeschichten Historisch Krimi

Autor

  • Yvonne Beetz (Autor:in)

Yvonne Beetz begann ihr Schriftstellerdasein mit Kurzgeschichten, vorwiegend auf Deutsch, aber auch auf Englisch. Im Sommer 2021 erschien ihr Debütroman »Die Wolkenfabrik - Kyhala Archives« im Wreaders Verlag, einer Fantasy mit Gesellschaftskritik, für jugendliche und erwachsene Leser. Auf dem Leseblog "Die Lesefalle" sind aktuelle Kurzgeschichten von ihr zu lesen. Seit Januar 2020 ist sie eine Dresdner LiteraTurnerin.
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Titel: Der Schlagmann