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Im Visier der Mächtigen

von Irene Dorfner (Autor:in)
190 Seiten
Reihe: Leo Schwartz, Band 37

Zusammenfassung

Ein Banküberfall, ein Mord und ein geplanter Bombenanschlag bringen die Mühldorfer Kriminalbeamten an ihre Grenzen – und dazu steht Hauptkommissar Hans Hiebler auch noch unter Mordverdacht. Dann wird klar, dass alles zusammenhängt und nur zur Ablenkung dient...

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Im Visier der

Mächtigen

FALL 37 FÜR LEO SCHWARTZ

IRENE DORFNER

Vorwort

„Der größte Missbrauch ist, wenn von der Macht sie das Gewissen trennt.“

William Shakespeare (1564-1616)

Ich bedanke mich bei allen, die immer ein offenes Ohr für mich haben (vor allem bei Sabine, EarL, Tommy, Frank und Jörg). DANKE!

Viel Spaß mit Leo’s 37. Fall!!

Viele Grüße aus Altötting

Irene

Anmerkung

Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig – bis auf Annette Godau: Sie spielt mit und ihre Genehmigung liegt vor!

Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

…und jetzt geht es auch schon los:

2.

Rudolf Krohmer, der Leiter der Polizei Mühldorf am Inn, war außer sich, als er sich die vielen Videos im Netz ansah. Anfangs sah er sich nur die Beiträge zur Schießerei an, die zum Glück fast alle aus sicherer Entfernung aufgenommen worden waren. Aber dann blieb er an den Bildern hängen, wie sich Schwartz und Untermaier vor aller Augen prügelten. Bei den nachstehenden Kommentaren wurde er wütend. Es war klar, dass dieses Verhalten noch lange die Runde machen würde und seine Polizei mit hineingezogen wurde. Krohmer wusste, dass Schwartz und Untermaier nicht miteinander konnten, aber das hier ging dann doch zu weit. Dieser Tag hatte für ihn schrecklich begonnen. Als wäre die Schießerei auf dem Mühldorfer Stadtplatz nicht schon genug, war er auf der Fahrt ins Büro nur haarscharf einem Verkehrsunfall entkommen. Nur um wenige Millimeter konnte Krohmer den Zusammenstoß mit einem Tanklastwagen vermeiden. Hätte er heute nicht den Leihwagen seiner Frau dabei, der mit einem besonderen Sicherheitssystem ausgestattet war, hätte er den Unfall vermutlich nicht überlebt. Zum Glück hatte seine Frau ihn zugeparkt. Da sie joggen war, nahm er einfach ihren Wagen, denn fürs Umparken blieb ihm keine Zeit. Die Erinnerung an diesen kurzen, heftigen Moment setzte ihm zu. Das war verdammt knapp gewesen! Der Tankwagen hatte ihm einfach die Vorfahrt genommen, er hatte nichts falsch gemacht. Während er zitternd ausgestiegen war, fuhr der Lastwagen einfach weiter. Krohmer dachte sich nichts weiter dabei. Vermutlich hatte der Fahrer nichts von dem Beinahe-Unglück mitbekommen und er hatte einfach nur verdammtes Glück gehabt!

Krohmer sah sich die Filme mit Schwartz und Untermaier wieder und wieder an. Er war fassungslos, wie man sich derart gehen lassen konnte. Im Vorzimmer hörte er die Stimme des Staatsanwaltes – der hatte ihm gerade noch gefehlt!

„Haben Sie das von Schwartz und Untermaier gesehen?“

„Guten Morgen, Doktor Eberwein. Bitte setzen Sie sich. Ja, ich habe mir die Videos gerade angesehen.“

„Und? Was haben Sie dazu zu sagen? Wir sind das Gespött der Leute! Einer unserer Kriminalbeamten prügelt sich auf offener Straße mit einem Kollegen! Das ist ein Skandal! Und als wäre das nicht genug, trägt Schwartz wieder diese Affenmaske. Und dann noch dieses T-Shirt! Haben Sie es gesehen? Das ist Donald Trump auf einer Toilette! Man kann zu dem Mann stehen, wie man will, aber das ist eine Respektlosigkeit, die ich nicht dulde. Private Meinungen sind während der Dienstzeit in keiner Form zu äußern – und das ist allgemein bekannt.“

Krohmer hatte diese beiden Details noch nicht bemerkt. Er sah sich eines der Videos nochmals an. Tatsächlich! Diese abscheuliche Affenmaske, die er ausdrücklich im Dienst verboten hatte! Das mit Trump war nicht wirklich deutlich zu sehen, das konnte man irgendwie unter den Tisch kehren, auch wenn er dieses T-Shirt für den Polizeidienst völlig unangebracht hielt. Aber die Affenmaske war der Hammer, die konnte er nicht durchgehen lassen, denn darüber hatte er sich schon vor Monaten mit Schwartz unterhalten.

„Mir gefällt das auch nicht, das können Sie mir glauben.“

„Wir können uns das nicht leisten! Wie stehen wir denn in der Öffentlichkeit da? Wir sind das Gespött der Leute! In zwei Wochen kommt der Ministerpräsident nach Mühldorf, haben Sie das schon vergessen? Was geben wir als zuständige Polizeibehörde für ein schlechtes Bild ab?“

„Darüber würde ich mir jetzt keine Gedanken machen. Der Besuch des Ministerpräsidenten hat nichts mit dem zu tun, was heute passiert war. Ja, das sieht für uns alles schlecht aus, das gebe ich zu. Trotzdem haben die Kollegen gute Arbeit geleistet. Es gab keinen Zeitpunkt, in dem sie die Lage nicht im Griff hatten.“

„Trotzdem ist das ein No-Go. Was sagt Schwartz dazu?“

„Ich konnte noch nicht mit ihm sprechen.“

„Ist er im Haus?“

Krohmer rief Schwartz an, der eben erst zurück war. Eigentlich wollte er sich frisch machen, denn nach der Schlägerei sah er nicht gut aus.

„Kommen Sie sofort in mein Büro!“, befahl Krohmer.

Leo war nicht überrascht. Er hatte bereits mit einem Anschiss gerechnet, der völlig gerechtfertigt war. Darüber machte er sich keine Sorgen. Vielmehr beschäftigte ihn, dass man Hans eines Mordes bezichtigte, den er ganz sicher nicht begangen hatte. Er verzichtete darauf, sich frisch zu machen und ging direkt in Krohmers Büro. Als er den Staatsanwalt sah, murmelte er: „Auch das noch!“

„Ich grüße Sie auch, Herr Schwartz! Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“

„Mir ist die Sicherung durchgebrannt und ich entschuldige mich in aller Form“, murmelte er. „Untermaier hat Hans beleidigt. Außerdem ist er ein Kameradenschwein. So etwas hasse ich. Es tut mir leid, dass wir unsere Unstimmigkeiten öffentlich ausgetragen haben. Allerdings kann ich nicht versprechen, dass das nicht noch einmal vorkommt. Untermaier ist…“

„Halten Sie den Mund, es reicht!“ Krohmer registrierte das T-Shirt und wurde sauer. Es war an der Zeit, ein ernstes Wort mit dem Kollegen Schwartz zu sprechen, aber nicht im Beisein des Staatsanwaltes.

„Was war das mit der Schießerei am Stadtplatz? Gab es Festnahmen?“

„Nein, die Täter konnten entkommen.“

„Aus einem Bankgebäude?“, rief der Staatsanwalt. „Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen!“

„Es gibt eine Schwachstelle in dem Gebäude. Ein Kellerfenster, das nicht gesichert ist.“

„Was wurde gestohlen?“

„Nichts.“

„Nichts?“

„Es gab keine Forderungen von Seiten der vermeintlichen Bankräuber.“

„Gibt es Opfer?“

„Einen Toten.“

„Jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen, Schwartz! Was ist passiert? Wer ist das Opfer?“

„Hans hat einen lebensmüden Passanten gerettet. Eine bewundernswerte Aktion, die ich mich vermutlich nicht getraut hätte. Nach der Schießerei fanden wir Hans bewusstlos, er wurde niedergeschlagen. Neben ihm lag der Passant – mit einer Schusswunde in der Stirn.“

„Wie ist das möglich? Was sagt Herr Hiebler dazu?“

„Er ist nicht ansprechbar, er wird im Krankenhaus behandelt.“

Krohmer sah Leo lange an. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er kannte den gebürtigen Schwaben schon seit Jahren und hatte ihn nur selten so erlebt.

„Was ist los? Was verschweigen Sie uns?“

„Als wir Hans fanden, hatte er seine Waffe in der Hand. Untermaier schloss sofort daraus, dass Hans den Mann erschossen hat. Daraufhin habe ich mich vergessen.“

Krohmer verstand. Auch für ihn war es nicht vorstellbar, dass Hiebler einfach so einen Mann erschoss. Wie er an Schwartz‘ Stelle gehandelt hätte? Vermutlich ähnlich.

„Nur, damit ich es richtig verstehe: Hiebler hat einen Passanten aus der Gefahrenzone gerettet, den er dann erschossen haben soll? Wer hat ihn niedergeschlagen?“

„Sie sehen auch, dass das nicht passt?“

„Unterbrechen Sie mich nicht! Untermaier hat sofort vermutet, dass Hiebler den Mann erschossen hat?“

„Genau das sagte ich eben. Daraufhin habe ich ihm eine verpasst. Wir alle kennen Hans schon sehr lange. Ich glaube nie und nimmer, dass er den Mann erschossen hat, zumal er ihn kurz vorher aus einer sehr gefährlichen Situation gerettet hatte. Alles deutet für mich darauf hin, dass wir glauben sollen, dass Hans den Mann erschossen hat. Dazu würde auch die Inszenierung in der Bank passen.“

„Jetzt bleiben Sie aber mal auf dem Teppich, Schwartz“, rief der Staatsanwalt aufgebracht. „Das Ganze soll nur wegen Hiebler gemacht worden sein? Wozu? Um sich an ihm zu rächen? Um ihm einen Mord unterzuschieben? Um ihm eins auszuwischen?“

„Genau das denke ich, ja.“

„Wurde die Tatwaffe sichergestellt?“

„Selbstverständlich. Die Leiche ist auf dem Weg nach München. Vielleicht wurde der Mann, dessen Identität wir noch nicht kennen, mit einer anderen Waffe erschossen.“

„Und wenn nicht?“

„Dann haben wir ein Problem. Dann müssen wir alles daransetzen, um Hans zu entlasten.“

„Wir werden die Ermittlungen an Kollegen übergeben müssen. Wenn herauskommt, dass wir selbst bei einem Mord in den eigenen Reihen ermitteln, gibt das nur Ärger. Wir werden…“ Weiter kam der Staatsanwalt nicht.

„Nein, wir übernehmen die Ermittlungen“, bestimmte Krohmer. „Sie geben mir Ihr Ehrenwort, dass Sie Ihre Arbeit gewissenhaft machen und alles sauber läuft“, wandte er sich an Leo.

„Selbstverständlich, Chef.“

„Dann gehen Sie an die Arbeit. Hiebler fällt aus, er ist vorübergehend suspendiert.“

„Aber…“

„Keine Widerrede, Schwartz! Hiebler wird aus dem Verkehr gezogen, er soll sich ruhig verhalten. Ich kümmere mich darum, dass Frau Struck aus dem Urlaub zurückkommt. Zusätzlich werde ich mich um Verstärkung bemühen. Wir brauchen jetzt jede Unterstützung, die wir kriegen können. Und Sie, Doktor Eberwein, beruhigen die Medien und versorgen sie mit Informationen, die sie beschäftigen, aber nicht auf dumme Gedanken bringen. Wir brauchen Zeit, die Sie uns verschaffen müssen. Bekommen Sie das hin?“

„Schon, aber…“

„Sie wissen, dass wir für Sie dasselbe tun würden. Sind Sie auf unserer Seite? Unterstützen Sie uns?“

„Die Medien hinzuhalten wird nicht einfach werden.“

„Sie müssen sehr geschickt vorgehen, Herr Staatsanwalt.“

„Gut, ich bin dabei. Aber ich mache das nicht ohne Gegenleistung.“

Krohmer stöhnte, er hatte bereits so etwas geahnt.

„Raus mit der Sprache. Was verlangen Sie?“

„Nicht so schnell, Herr Krohmer. Ich werde zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.“ Eberwein stand auf und ging ohne Gruß.

„Vielen Dank, Chef. Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann.“ Leo war erleichtert, endlich mal eine positive Nachricht.

„Mir geht es ähnlich wie dem Staatsanwalt: Ich verlange etwas dafür.“

„Aha. Und was soll das sein? Geht es um die Schlägerei mit Untermaier? Sie haben gewonnen: Ich verspreche, dass so etwas nie wieder vorkommt. Ich werde um Untermaier in nächster Zeit einen riesigen Bogen machen.“

„Nein, ich verlange etwas anderes: Sie werden sich in Zukunft anständig kleiden. Ihr Auftritt ist eine Beleidigung für die Polizei.“

„Das sehe ich anders, aber ich verspreche es. - Das ist alles? Mehr wollen Sie nicht?“

„Sollte ich diese alberne Affenmaske oder irgendetwas in dieser Art noch ein einziges Mal sehen, werde ich mich vergessen. Das ist das letzte Mal, dass wir über diese Maske gesprochen haben!“

3.

Als Hans zu sich kam und begriff, dass er im Krankenhaus war, verstand er die Welt nicht mehr. Was war passiert?

„Du kannst dich an nichts erinnern?“ Leo war sofort losgefahren, als er die Nachricht vom behandelnden Arzt bekam, dass Hans aufwachte.

„Nein. Warum bin ich hier?“

„Du wurdest niedergeschlagen. Kannst du dich an die Schießerei vor der Sparkasse am Stadtplatz erinnern?“

„Nein.“

Leo sah den Arzt hilflos an.

„Das geht vorüber. Der Patient wird sich irgendwann wieder erinnern.“

„Und wie lange wird das dauern?“

„Ich bin kein Hellseher. Es dauert, so lange es dauert.“

„Das nenne ich mal eine präzise Aussage“, maulte Leo.

„Was erwarten Sie? Ihr Kollege hat durch den Schlag eine heftige Gehirnerschütterung davongetragen. Ich verspreche Ihnen, dass die Erinnerungen zurückkommen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich bin Arzt und kein Hellseher!“

Leo zeigte Hans einige Bilder des Tatorts, was ihn verwirrte.

„Ist der Mann tot?“

Leo nickte.

„Aber wie…?“

Es folgten weitere Fotos, auf denen zu sehen war, dass Hans eine Waffe in der Hand hielt.

„Ist das meine Waffe?“

Wieder nickte Leo.

„Aber das würde ja bedeuten, dass ich…“

„Das glaube ich nicht und damit bin ich nicht allein. Du würdest niemals einfach so einen Menschen erschießen, darin sind wir uns alle einig.“

Hans war erleichtert und gab die Fotos zurück.

„Die Kugel wird meine Unschuld beweisen.“

„Richtig.“

„Was ist mit deinem Gesicht passiert?“

„Eine kleine Auseinandersetzung mit Untermaier. Er sieht auch nicht besser aus.“

„Das hätte ich gerne gesehen.“

„Die Bilder stehen online. Wenn dir langweilig ist, kannst du sie dir gerne ansehen, die machen ja sowieso schon die Runde.“

Beide lachten, was ihnen sehr gut tat.

„Was war der Grund für eure Auseinandersetzung?“

„Brauchen Anderl und ich einen Grund?“, lenkte Leo ab, der seinem Freund und Kollegen nicht die Wahrheit sagen wollte. Was würde das bringen? Hans musste schnell auf die Beine kommen und wieder gesund werden, alles andere war unwichtig.

„Wer ist der Tote? Kenne ich ihn?“ Vor dieser Frage hatte Hans große Angst.

„Nein. Die Identität ist noch nicht geklärt. Er hatte keine Papiere bei sich.“

„Was ist mit einem Handy? Hatte er keins bei sich?“

Leo war erschrocken, Hans konnte sich wirklich an nichts erinnern.

„Nein, leider nicht. Der Mann filmte damit kurz vor seinem Tod, aber wir konnten das Handy nicht finden, es ist verschwunden.“

„Das ist seltsam.“

„Mach dir darüber keine Sorgen, das klären wir auf. Ich mache mich wieder an die Arbeit. Wenn du etwas brauchst oder du dich erinnerst, meldest du dich. Einverstanden?“

„Alles klar.“ So sehr sich Hans auch bemühte, konnte er sich an nichts erinnern. Und wenn er den Mann doch erschossen hatte?

Leo verließ mit Bauchschmerzen das Krankenhaus. Hans hatte einiges abbekommen und konnte sich nicht erinnern, was nach Aussage des Arztes nicht schlimm war. Allerdings sorgte er sich um das verschwundene Handy des Toten, dessen Identität immer noch nicht geklärt war. Aber da war noch etwas: Was wäre, wenn das Opfer tatsächlich mit Hans‘ Waffe erschossen wurde?

Das hier etwas gewaltig stank, lag auf der Hand. Aber was?

4.

Friedrich Fuchs machte sich sofort auf den Weg in die Münchner Pathologie. Die Leiche war längst dort. Telefonisch kündigte er sein Erscheinen bei seiner Freundin Lore Pfeiffer an, die für die Einteilung der Leichen in der Pathologie zuständig war. Sie freute sich auf das Wiedersehen und versprach, dass er nicht lange warten musste. Wie sonst auch setzte sie den Namen ihres Freundes ganz oben auf die Liste, was den Kollegen egal war, aber unter den Wartenden wie immer nicht gut ankam. Aber das war Lore auch heute egal. Sie war für die Einteilung verantwortlich und sonst niemand.

Als Friedrich Fuchs eintraf, ging Lore auf ihn zu. Sie hatte Gerüchte gehört.

„Was ist mit deiner Leiche, Friedrich?“

„Was soll damit sein?“

„Es geht das Gerücht um, dass einer deiner Kollegen…“

„Das ist doch noch nicht bewiesen!“, winkte Fuchs ab, der nichts auf das Geschwätz anderer gab. „Für mich zählen nur Fakten und deshalb bin ich hier. Du solltest auf Gerüchte auch nichts geben, Lore! Hat Schnabel heute Dienst?“

„Ja, er ist hier. Möchtest du zu ihm?“

„Wenn das möglich wäre?“

„Das bekomme ich hin. Du bist als nächster dran.“

„Vielen Dank, mein Engel, auf dich ist Verlass.“

„Wer ist es, Friedrich? Wer soll den Mann erschossen haben?“ Lore kannte die Kollegen ihres Freundes und musste unbedingt wissen, wem die Tat angelastet wurde. Sie kam ihrem Friedrich sehr nahe, damit niemand den Namen hören konnte.

„Es ist Hiebler“, flüsterte Fuchs, der es hasste, diese Information weiterzugeben. Aber er kannte seine Lore. Sie würde keine Ruhe geben, bis sie den Namen wusste.

„Hiebler? Niemals!“

„Das wird sich alles aufklären.“

Während Fuchs wartete, hielt der Staatsanwalt geschickt die Medien hin. Er hatte eine Pressekonferenz einberufen und antwortete auf alle Fragen, ohne wirklich etwas zu sagen. Krohmer saß an seiner Seite und war beeindruckt. Er musste nur nicken und damit Eberweins Aussagen bestätigen.

„Und? Wie war ich?“, fragte der Staatsanwalt, als alles vorbei war.

„Aus Ihnen wäre ein guter Politiker geworden. Sie bringen dafür alles mit, was man braucht.“

„Um Gottes Willen! Fangen Sie nicht auch noch damit an! Meine Frau liegt mir seit Jahren damit in den Ohren. Sie ist der Meinung, dass ich einiges bewegen könnte.“

„Warum nicht?“

„Weil ich mit Politikern und deren Arbeit nichts zu tun haben will. Ich möchte nachts ruhig schlafen können. Ich bin als Staatsanwalt genau am richtigen Platz. Gibt es Neuigkeiten?“

„Hiebler hat Gedächtnislücken, die sich hoffentlich bald legen.“

„Wurde das Opfer identifiziert?“

„Noch nicht, die Kollegen sind dran.“

„Was ist mit dem Handy des Opfers?“

Krohmer schüttelte den Kopf.

„Was ist mit den Bankräubern?“

„Die Kollegen haben viele Handys der Schaulustigen konfisziert und sind dabei, die Aufnahmen auszuwerten. Wollen wir hoffen, dass darauf irgendetwas zu finden ist, das uns weiterhilft.“

„Von wie vielen Handys sprechen wir?“

„Etwa einhundert.“

„Gibt es Probleme damit?“

„Damit müssen wir rechnen. Viele Handys wurden nicht freiwillig abgegeben.“

„Das ist kein großes Ding, Polizeiermittlungen gehen vor. Was ist mit der Kollegin Struck?“

„Sie bricht ihren Urlaub ab und ist morgen wieder im Dienst.“

„Was ist mit der Verstärkung?“

„Ist angefordert und soll morgen auch hier sein.“

„Gibt es schon ein Obduktionsergebnis?“

„Fuchs ist in München. Heute Abend wissen wir mehr.“

Während sich die Kriminalbeamten auf den Feierabend vorbereiteten, den Leo selbstverständlich bei Hans im Krankenhaus verbringen wollte, spitzte sich die Situation in der Münchner Pathologie zu. Nach anfänglichen Höflichkeiten sah die Arbeit an dem Opfer nach Routine aus. Doktor Schnabel entfernte die relativ neue Kleidung und die Verwahrlosung des Körpers wurde sichtbar. Nachdem Schnabel Proben entnommen und untersucht hatte, sah er Fuchs an.

„Dieser Mann hat einige Jahre auf der Straße gelebt.“

„Das sehe ich auch so.“

Die Leiche wurde geöffnet. Was nach einem Routineeingriff aussah, änderte sich schlagartig. Schnabels Gesichtsausdruck verdüsterte sich, denn er schien nicht zu finden, nach was er suchte. Fuchs bemerkte das veränderte Verhalten des Pathologen.

„Was ist los?“

„Das Geschoss ist nicht da.“

„Was meinen Sie damit?“

Doktor Schnabel drehte die Musik lauter, denn auf eine Diskussion hatte er jetzt keine Lust. Er nahm die Aufnahmen und sah sie sich immer wieder an. Dann vergrößerte er den Schnitt rund um die Schusswunde.

„Keine Kugel. Sehen Sie selbst, Doktor Fuchs: Hier ist die Eintrittswunde, aber es gibt keine Kugel.“

Fuchs verstand die Welt nicht mehr. Was sollte das? Er selbst hatte das Blut an der frischen Schusswunde gesehen. Es gab keine Austrittswunde, also musste das tödliche Geschoss im Körper des Toten sein.

„Im Schusskanal habe ich nur das hier gefunden“, zeigte Doktor Schnabel auf das Mikroskop.

Fuchs sah nur ein verschwommenes Etwas und sah Schnabel fragend an.

„Das ist ein winziger Teil eines Fussels, der nicht zum Opfer gehört.“

„Vielleicht zum Schützen?“

„Das ist nicht möglich. Der Mann hier hatte ein T-Shirt, einen Pullover und eine dicke Jacke an, was wie der Rest der Kleidung alles neu ist. Der Schuss ging durch alle drei Kleidungsstücke. Der Fussel müsste vom Opfer stammen, aber das tut er nicht. Ich habe eine Theorie, die Ihnen nicht gefallen wird.“

„Und die wäre?“

„Das Geschoss wurde entfernt.“

„Das kann nicht sein, Doktor Schnabel! Die Leiche konnte am Tatort nicht manipuliert werden. Sowohl ich, als auch viele meiner Kollegen waren die ganze Zeit anwesend. Das hätte niemand gewagt, darauf können Sie sich verlassen.“

„Und wie kam die Leiche hierher? Wurde sie persönlich von Ihnen begleitet?“

„Nein. Ein Kollege hat das übernommen.“

„Dann wissen Sie, wen Sie befragen und wo Sie suchen müssen.“

„Irrtum ausgeschlossen?“

„In dem Punkt bin ich Ihnen sehr ähnlich, Doktor Fuchs: Wenn ich mir nicht ganz sicher wäre und meine Aussage auch beweisen könnte, würde ich so einen Wahnsinn niemals behaupten.“

Die Nachricht erreichte Krohmer zuhause.

„Das kann doch nicht wahr sein, Doktor Fuchs! Könnte es nicht sein, dass sich der Pathologe irrt?“

„Er ist sich ganz sicher. Ich bin bereits auf dem Weg ins Präsidium.“

„Gut, wir treffen uns dort. Inzwischen werde ich prüfen, wer die Leiche nach München gebracht hat.“

„Das weiß ich bereits, denn der Kollege hat die Abgabe der Fracht quittiert.“

„Wer ist es?“

„Marcel Dornhobel.“

5.

Hans wurde fast verrückt, weil er sich einfach an nichts erinnern konnte. Dass es schon sehr spät war und Besuche um diese Uhrzeit schon allein wegen der Corona-Auflagen nicht gestattet waren, interessierte Leo herzlich wenig. Besonders eine Krankenschwester war sehr penetrant und bestand darauf, dass er endlich ging.

„Wenn das jeder machen würde!“, maulte sie schließlich, als alle Argumente ihrerseits nicht fruchteten.

„Ich bin nicht jeder. Außerdem hat der Arzt sogar empfohlen, dass ich hierbleibe. Gemeinsam könnten wir es schaffen, dass der Patient sein Gedächtnis wiedererlangt“, log Leo, dass sich die Balken bogen. Hier schwirrten jede Menge Ärzte herum. Einer von ihnen, der günstiger Weise bereits Feierabend hatte, hätte das durchaus gesagt haben können.

„Doktor Wagner hat das angeordnet?“

Leo nickte und versuchte, so ernst wie möglich zu bleiben.

Die Frau glaubte ihm schließlich und verschwand. Leo hatte sich ihren Namen gemerkt, der auf ihrem Kittel angebracht war: Wendela Norberg. Sollte noch irgendjemand auftauchen und ihm das Leben schwer machen, konnte er auf die Frau verweisen.

„Wie kannst du nur so schamlos lügen?“ Hans lachte, was beiden guttat.

„Die sollen sich nicht so anstellen.“

„Und die Corona-Auflagen?“

„Die sind mir im Moment völlig egal. Wenn du nicht verletzt hier liegen würdest, würden wir zusammen arbeiten. Aber du liegst im Bett und ich sitze davor. Welchen Unterschied macht das? Solange deine Frau nicht hier ist, bleibe ich.“

„Die kommt nicht so schnell. Ich habe sie gebeten, mich erst morgen zu besuchen, obwohl das völliger Schwachsinn ist. Anita hat jede Menge Arbeit und eigentlich keine Zeit, mir die Hand zu halten und damit sinnlos Zeit zu vergeuden. Morgen bin ich wieder fit. Wenn der Arzt nicht auf eine Nacht zur Beobachtung bestanden hätte, wäre ich längst zuhause.“

„Kommen wir lieber zurück auf das, was heute geschehen ist. Reiß dich zusammen und versuche, dich zu erinnern.“

Wieder und wieder gingen er und Leo jede Minute des vergangenen Tages durch, leider ohne Erfolg. Hans konnte sich nur noch daran erinnern, dass er und der Fremde in Sicherheit waren. Danach war alles weg. Nicht einmal an den Schlag konnte er sich erinnern, obwohl der eine fette Beule hinterlassen hatte.

„Und das Handy des Mannes?“

Leo schüttelte mit dem Kopf. Sie hatten alles abgesucht, aber das Handy blieb verschwunden.

„Jetzt bleib ruhig, Hans. Wenn Fuchs aus München zurück ist, wird sich alles aufklären.“

Kurz vor Mitternacht erreichte Krohmer den Kollegen Schwartz, der auf dem Stuhl am Krankenbett eingeschlafen war.

„Wo sind Sie?“

„Im Krankenhaus. Was ist passiert?“

„Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie hier sind.“

„Sie sind im Büro?“

„Wo denn sonst?“

Auf dem Weg ins Besprechungszimmer kam Krohmer ein aufgebrachter Kollege entgegen.

„Gott sei Dank, Sie sind hier“, keuchte der Mann, auf dessen Brust der Name Hintergruber stand. Krohmer kannte den Mann nur vom Sehen.

„Was ist los?“

„Bei uns sitzt ein Mann, der behauptet, dass seine Brunhilde erschossen wurde.“

„Mord? Wieso weiß ich nichts davon?“ Krohmer war genervt. Warum wurde die Sache nicht längst der Mordkommission gemeldet? „Wo ist er?“

„An der Anmeldung.“

„Sie hätten die Kollegen informieren müssen! Das darf nicht passieren, Hintergruber! Ein Mord muss umgehend an die richtige Stelle weitergeleitet werden! Was ist los mit Ihnen? Sie waren doch auf der Polizeischule und wissen sehr gut, wie man in einem solchen Fall vorgeht!“

„Ja, aber…“

Krohmer schob Hintergruber zur Seite und ging an dem Mann vorbei. Zielstrebig steuerte er auf den Mann an der Anmeldung zu. Der etwa Sechzigjährige hielt seine Mütze in Händen und hatte offensichtlich für den Besuch bei der Polizei seinen Sonntagsanzug angezogen.

„Krohmer.“ Er gab ihm die Hand, auch wenn das in Corona-Zeiten unangebracht war. Krohmer wusste das, konnte sich das aber nicht abgewöhnen. Er war nun mal ein Händeschüttler.

„Fagl. Wilhelm Fagl“, stammelte der Mann, der sehr wohl wusste, dass der Polizeichef persönlich vor ihm stand.

„Sie wollen einen Mord melden?“

„Richtig. Meine Brunhilde wurde erschossen. Ich habe sie gefunden, den Anblick werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen.“ Fagl war sehr aufgebracht und hielt sich an seiner Mütze fest.

„Wurde die Spurensicherung bereits informiert?“, wandte sich Krohmer an Hintergruber.

„Nein, weil…“

„Dann veranlassen Sie das sofort! Was ist los mit Ihnen?“ Krohmer war sauer. Es war vermutlich höchste Zeit für eine Nachschulung, die nach den neuesten Erkenntnissen längst überfällig war. „Ich möchte Ihnen mein tiefempfundenes Beileid zum Ableben Ihrer Frau aussprechen“, wandte er sich Fagl zu.

„Meine Frau? Wovon reden Sie? Brunhilde ist doch nicht meine Frau, sie ist meine beste Zuchtsau!“

„Brunhilde ist ein Schwein?“

„Meine beste Zuchtsau. Ich habe schon viele Preise mit ihr gewonnen. Wenn sie nicht erschossen worden wäre, hätte sie noch sehr viel mehr gewonnen.“ Fagl zog seine Brieftasche hervor und zeigte Krohmer das Foto eines riesigen Schweines. „Das ist sie – meine Brunhilde.“

„Sehr schön“, murmelte Krohmer und ging zu Hintergruber. „Entschuldigen Sie das Missverständnis, Sie haben alles richtig gemacht.“

„Keine Spurensicherung?“

„Selbstverständlich nicht.“ Krohmer ging einfach und überließ Hintergruber den aufgebrachten Landwirt. Der erfahrene Polizist nahm den Sachverhalt auf.

„Wir werden der Angelegenheit nachgehen“, sagte Hintergruber.

„Wann kommt die Spurensicherung? Wann kann ich mit den zuständigen Kommissaren sprechen?“

Hintergruber musste sich ein Lachen verkneifen.

„Sie hören von uns.“ Mehr sagte er nicht dazu, denn es war endlich an der Zeit, dass der Landwirt wieder ging.

„Was mache ich mit Brunhilde? Muss ich sie wegen der Beweise kühl lagern?“

„Nein, das ist nicht nötig.“

„Wie Sie meinen.“

Hintergruber sah dem Mann hinterher. Mit welchem Schwachsinn man sich als Polizist herumschlagen muss, ist schon der Wahnsinn. Und das auch noch während der Nachtschicht. Insgeheim freute sich Hintergruber darüber, dass sich der Anschiss vom Chef in Luft auflöste. Allerdings hatte er auch Verständnis. Wie hätte Krohmer auch wissen können, dass es sich bei der Brunhilde um eine Zuchtsau handelte?

6.

Friedrich Fuchs hatte alle Beweise auf dem Tisch des Besprechungszimmers ausgebreitet. Als Leo eintraf, waren Fuchs, Diana und der Chef anwesend und versuchten, die Beweise zu sichten, was nicht leicht war. Sie waren auf die Erklärungen des Kollegen Fuchs angewiesen, der aber auf Leo warten wollte, um nicht noch einmal alles erklären zu müssen.

Fuchs holte weit aus und untermalte seine Ausführungen vor allem mit Röntgenbildern und Testergebnissen, die die anderen nur sehr schwer verstanden. Als Fuchs endlich mit einfachen Worten nochmals alles zusammenfasste, verstanden alle, was er meinte.

„Sie wollen uns allen Ernstes sagen, dass das Geschoss fehlt? Das ist doch nicht möglich!“, sagte Diana, die vom Chef aus dem Tiefschlaf geweckt worden war, was man ihr aber nicht im geringsten ansah. „Ich habe die frische Schusswunde selbst gesehen. Es gab keine Austrittswunde, also muss das Geschoss im Körper des Toten sein.“

„Das war auch meine Annahme, Frau Nußbaumer. Der Leiche wurde die Kugel entnommen – und das kann nur auf dem Weg nach München passiert sein“, sagte Fuchs, der seine Unterlagen wieder an sich nahm, nachdem die Kollegen alles gesehen und gelesen hatten.

„Wer hat die Leiche nach München gebracht?“

„Der Kollege Dornhobel.“ Fuchs hatte das mehrfach überprüft.

„Marcel Dornhobel? Wo ist er? Wir müssen mit ihm sprechen.“

„Ich habe ihn hergebeten, er wartet bereits vor der Tür.“

Der dreißigjährige Dornhobel hatte keine Ahnung, warum er mitten in der Nacht auf dem Präsidium erscheinen musste. Er gähnte herzhaft, als Leo ihn hereinbat.

Als Dornhobel in die Runde blickte, erschrak er. Was war hier los?

„Sie haben die Leiche des Unbekannten vom Stadtplatz nach München gebracht?“

„Selbstverständlich, Herr Schwartz, Sie haben mich selbst darum gebeten.“

„Ist unterwegs irgendetwas vorgefallen, das Sie uns bisher verschwiegen haben?“

Dornhobel erschrak. Woher wussten die Kollegen davon? Er entschied, die Wahrheit zu sagen, da er Schwartz kannte: Der würde nicht aufgeben, bis er Antworten auf all seine Fragen hatte.

„Eine Frau hatte auf dem Parkplatz bei Hohenlinden eine Panne und ich wollte ihr helfen. Als ich in den Motorraum blickte, wurde ich niedergeschlagen.“

„Warum haben Sie kein Wort darüber verloren?“ Leo war enttäuscht von dem Mann, von dem er bisher sehr viel hielt.

„Geld und Handy waren da, auch die Leiche war an ihrem Platz. Ich sah keine Veranlassung, den Vorfall zu melden und habe daher die Fahrt fortgesetzt. Darf ich erfahren, worum es hier geht? Was ist passiert?“

Fuchs legte ihm einige Seiten vor, die er aufmerksam las, aber nicht verstand. Fragend sah er Leo an.

„Das tödliche Geschoss wurde entfernt.“

„Wie bitte?“

„Nach Ihrer Aussage wissen wir jetzt, wo und wann das geschehen ist. Allerdings noch nicht, von wem. Können Sie die Frau beschreiben?“

„Sie war jung und sehr hübsch.“

„Das kann ich mir vorstellen“, maulte Krohmer. „Nehmen Sie Dornhobel mit, Herr Fuchs, vielleicht bekommen wir ein vernünftiges Phantombild.“

„Machen wir uns gleich an die Arbeit. Wenn ich bitten darf?“, wandte sich Fuchs an Dornhobel.

„Was für eine kuriose Nacht! Erst dieser Mord an Brunhilde, dann auch noch das hier.“

„Brunhilde?“

„Eine Zuchtsau. Vorhin hatte ich ein kompliziertes Gespräch mit einem Landwirt. Er war hier wegen dem Mord an seiner Brunhilde.“

„Wo ist der Mann?“, rief Leo aufgebracht.

„Hoffentlich zuhause. Was ist los mit Ihnen?“

„Das ist doch kein Zufall!“

„Ihr Bauchgefühl?“

Leo nickte. Auch wenn sich alle immer wieder über sein Bauchgefühl lustig machten, konnte er sich oft darauf verlassen.

„Sie meinen, unser Fall könnte mit Brunhilde zusammenhängen?“ Krohmer hielt das für sehr weit hergeholt und hatte keine Ahnung, wie das passen sollte.

„Wir müssen die Sau sofort sicherstellen. Vielleicht finden wir Spuren, die uns zum Täter führen.“

„Machen Sie, was Sie für richtig halten. Ich finde das schwachsinnig!“, sagte Krohmer und sah seinen Kollegen hinterher. „Aber ich bin hier ja nur der Chef, was weiß ich denn schon?“

Leo und Diana machten sich sofort auf den Weg, nachdem sie von Hintergruber die Adresse erhalten hatten. Nur zwanzig Minuten später standen sie auf dem Fagl-Hof.

„Sie wollen was? Die Brunhilde beschlagnahmen?“ Fagl verstand kein Wort.

„Richtig. Wir müssen Beweise sichern.“

„Dafür ist es zu spät. Kommen Sie mit.“ Leo und Diana folgten dem Mann und standen vor einem riesigen Tisch, auf dem fein säuberlich aufgereiht jede Menge Fleisch lag.

„Sie haben die Sau geschlachtet?“

„Hätte ich sie verkommen lassen sollen? Lange hätte ich nicht mehr warten können, dann wäre das Fleisch verdorben gewesen. Wäre ja echt schade darum.“

„Wo ist das Geschoss?“

„Welches Geschoss?“

„Mit dem die Brunhilde erschossen wurde.“

„Zefix! Daran habe ich nicht gedacht. Gefunden habe ich nichts, aber vielleicht ist es in den größeren Bratenstücken. Dafür kommen nur die drei Stücke in Frage.“

„Sicher?“

„Selbstverständlich. Die Brunhilde wurde hier getroffen und das sind die dazugehörigen Fleischstücke.“

„Die nehmen wir mit, die sind beschlagnahmt.“

„Wie Sie wollen – aber ich will sie zurück haben. Das ist bestes Biofleisch!“

Leo rief Fuchs an, Fagl hörte aufmerksam zu.

„Die Spurensicherung kommt tatsächlich?“

„Ja. Wo wurde die Brunhilde erschossen?“

„Kommen Sie mit.“ Fagl führte Leo und Diana in einen angrenzenden Stall, in dem mehrere Schweine untergebracht waren. Sofort schlug ihnen ein ekelhafter Geruch entgegen, der Leo die Luft nahm. Er hatte mal wieder nicht an Gummistiefel gedacht und watete jetzt mit seinen Cowboystiefeln durch den ganzen Dreck. Diana hatte das richtige Schuhwerk, das zu ihrem Outfit passte, auch wenn sie mit ihrem dunkelgrünen Kostüm nicht in einen Schweinestall gehörte.

„Das war Brunhildes Stall, sie war allein untergebracht. Das hat sie sich als mehrfach preisgekrönte Zuchtsau redlich verdient.“

Leo sah sich um, während er versuchte, so wenig wie möglich zu atmen. Einige Minuten später kamen Fuchs und seine Mitarbeiter. Endlich konnten er und Diana wieder an die frische Luft.

„Na toll, meine Stiefel sind ruiniert!“, schimpfte Leo, der Sorge hatte, dass die Kleidung den Geruch des Stalles angenommen hatte.

„Das ist nur Dreck. Nehmen Sie“, sagte Fagl und gab ihm eine grobe Bürste, mit der der Dreck tatsächlich leicht zu entfernen war.

„Wie halten Sie den Geruch nur aus?“, fragte Diana, der Tränen in den Augen standen. Sie sehnte sich nach einer Dusche und frischer Kleidung.

„Welcher Geruch?“ Fagl schüttelte den Kopf und ging davon.

Leo und Diana blieben, bis die Spurensicherung fertig war.

„Nichts“, sagte Fuchs enttäuscht. „Nicht die kleinste Spur. Für heute ist Feierabend, den haben wir uns redlich verdient. Was mache ich mit dem Fleisch?“

„Legen Sie es in den Kühlschrank“

7.

Krohmer schäumte vor Wut und warf die Tageszeitung auf den Tisch. Die Schlagzeile und der Artikel direkt darunter warfen ein sehr schlechtes Licht auf die Mühldorfer Polizei: Polizist erschießt unbewaffneten Passanten und Polizei jagt den Schweine-Mörder. Auch die anderen Zeitungen, die er sich heute besorgt hatte, berichteten abfällig über seine Polizei.

„Wer hat mit der Presse gesprochen?“

„Das war keiner von uns, Chef, das können Sie vergessen“, sagte Leo, der davon überzeugt war. Für seine Kollegen legte er die Hand ins Feuer.

„Das muss von unserer Seite durchgesickert sein. Sehen Sie sich die Fotos an! Die Handys sind alle bei uns, die Aufnahmen dürften also nicht in der Öffentlichkeit auftauchen.“

„Vielleicht haben wir nicht alle konfisziert. Es kann gut möglich sein, dass uns einige Handys durch die Lappen gingen.“

„Wollen Sie mich verarschen? Die Fotos sind aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommen worden. Nein, die stammen nicht aus einer Quelle, das können Sie vergessen! Wir haben eine undichte Stelle! Suchen Sie sie!“ Krohmer hatte sich die Bilder sehr genau angesehen, die Kollegen offenbar nicht, was ihn enttäuschte.

Jetzt sahen auch Leo und Diana die unterschiedlichen Blickwinkel. Da der Stadtplatz weit abgesperrt war, war es nicht möglich, dass diese Aufnahmen nur einer gemacht haben konnte. Was für eine verdammte Scheiße!

Tatjana Struck hatte ihren Urlaub abgebrochen, was ihr nicht gefiel. Sie musste sich mit einem familiären Problem herumschlagen, was sie allerdings auch nicht mochte. Aber das Private musste warten, denn als sie sah, was hier vor sich ging, verstand sie, dass sie dringend gebraucht wurde.

Diana las die Zeitungsartikel, da sie sie nicht kannte.

„Was Hans betrifft gleicht das einer Vorverurteilung. Was sagt er dazu?“

„Keine Ahnung, ich habe noch nicht mit ihm gesprochen.“ Krohmer hatte versucht, den Kollegen zu erreichen, allerdings ohne Erfolg. Er wollte es später nochmals versuchen.

Die Tür ging auf und der wütende Staatsanwalt trat ins Besprechungszimmer. Auch er warf die Ausgabe der heutigen Tageszeitung auf den Tisch.

„Können Sie mir das erklären? Wir sind das Gespött der Leute!“

„Jetzt übertreiben Sie mal nicht, Doktor Eberwein“, sprach Krohmer so ruhig wie möglich. „Das wird sich aufklären.“

„Ich übertreibe keinesfalls, Herr Krohmer! Das hier ist eine Katastrophe! Wenn das bis ganz nach oben durchsickert, steht der Besuch des Ministerpräsidenten auf dem Spiel! Der kommt ganz sicher nicht in eine Region, deren Polizei einen solch schlechten Ruf hat! Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, ist Ihnen allen das eigentlich klar?“

„Der Ministerpräsident kommt nach Mühldorf? Wieso wissen wir nichts davon!“, fragte Leo und sah die Kollegen an, die ebenfalls keine Ahnung davon hatten.

„Gut gemacht, Doktor Eberwein! Der Besuch sollte eigentlich geheim bleiben. Wir hatten die Order des Innenministeriums, wegen der andauernden Pandemie und des damit verbundenen Lockdowns noch Stillschweigen zu wahren. Jetzt haben Sie alles ausgeplaudert! Bravo!“

„Kriegen Sie sich wieder ein, Herr Krohmer! Ich nehme Sie alle beim Wort, dass nichts über diesen Besuch weitergetratscht wird. Top Secret!“

Während es im Besprechungszimmer der Mühldorfer Polizei jede Menge Fragen hagelte und eine heftige Diskussion über Sinn und Unsinn des geplanten Besuches entbrannte, brach unweit im Krankenhaus Panik aus. Der Patient Hans Hiebler war nicht in seinem Zimmer. Als er auch nach Stunden immer noch abgängig war, wurde eine Suchaktion gestartet, die leider erfolglos blieb.

Die Diskussion der Mühldorfer Polizei wurde jäh unterbrochen, denn Krohmer bekam einen Anruf, den er annehmen musste. Mit einer Handbewegung brachte er die anderen zum Schweigen.

„Krohmer?“

„Wagner, Krankenhaus Mühldorf. Ich bin der behandelnde Arzt von Herrn Hiebler.“

„Was kann ich für Sie tun, Doktor Wagner?“

„Der Patient Hiebler ist abgängig.“

„Abgängig? Was soll das heißen?“

„Er ist nicht mehr im Krankenhaus, wir haben alles durchsucht.“

„Hat er sich selbst entlassen?“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Geldbörse mit Dienstausweis, Schlüssel und Handy sind noch hier. Sogar der Ehering liegt auf dem Nachttisch.“

Krohmer war aschfahl geworden, als er das Gespräch abbrach.

„Ist etwas mit Hans?“ Leo wurde unruhig.

„Er ist aus dem Krankenhaus verschwunden, seine persönlichen Dinge sind noch da.“

„Hans ist weg? Was hat das zu bedeuten?“ Leo wurde schlecht. Was sollte das?

„Haben Sie irgendetwas damit zu tun?“, wandte sich Krohmer direkt an Leo. Alle wussten, dass die beiden nicht nur Kollegen, sondern auch dicke Freunde waren.

„Nein!“

„Dann müssen wir davon ausgehen, dass Hiebler entführt wurde.“

„Es könnte auch sein, dass Hiebler die Schlagzeile gelesen hat und untergetaucht ist“, sagte der Staatsanwalt.

„Untergetaucht? Warum sollte Hans so etwas machen?“, schnauzte Leo ihn an.

„Sobald Hiebler entlassen worden wäre, hätte er festgenommen werden müssen, den Haftbefehl habe ich vor zwei Stunden unterzeichnet.“

„Das ist nicht Ihr Ernst!“ Leo war außer sich.

„Der aktuelle Ermittlungsstand hätte keine anderen Schlüsse zugelassen. Hiebler ist mordverdächtig und als solcher muss er verhaftet werden.“

„Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht“, mischte sich nun auch Diana ein.

„Denken Sie, dass mir das Spaß macht? Natürlich glaube ich nicht eine Sekunde daran, dass Hiebler diesen Unbekannten erschossen hat. Vor allem nicht, nachdem er ihn kurz vorher gerettet hat. Trotzdem muss ich mich an die Beweislage und somit an das Gesetz halten.“

Leo stand auf, er hatte genug gehört.

„Wo wollen Sie hin, Schwartz?“, wollte Krohmer wissen.

„Nach Hans suchen, was sonst? Ich fahre jetzt ins Krankenhaus und werde mir alle Aufzeichnungen ansehen.“

Diana und Tatjana standen ebenfalls auf.

„Und was haben Sie vor?“

„Wir begleiten Leo.“

„Wir haben einen Mordfall und die Schießerei auf dem Stadtplatz, schon vergessen?“

„Nein. Aber der Kollege geht vor.“

„Sie bleiben hier und kümmern sich um den Fall Sparkasse!“, befahl Eberwein.

Leo, Diana und Tatjana gingen einfach.

„Warum lassen Sie die drei einfach gehen? Haben Sie hier noch das Sagen, Herr Krohmer?“

„Ja, das habe ich.“

„Und warum halten Sie Ihre Leute nicht zurück und zwingen sie, den aktuellen Fall zu bearbeiten?“

„Weil ich von meinen Leuten nichts anderes erwarte. Wir sind hier eine Familie, Doktor Eberwein. Wenn einem etwas zustößt, stehen die anderen für ihn ein. So führe ich meine Polizei und nicht anders. Wir beide werden uns jetzt an die Arbeit machen und denjenigen suchen, der Informationen an die Presse gibt.“

„Haben Sie gesehen, dass Schwartz schon wieder dieses unsägliche T-Shirt mit Trump trägt?“

„Ja, das habe ich gesehen.“

„Und Sie nehmen das einfach so hin?“

„Was soll ich machen? Schwartz war noch nicht zu Hause und hatte keine Gelegenheit, sich umzuziehen. Außerdem haben wir jetzt ganz andere Probleme als ein T-Shirt mit dem abgebildeten Präsidenten, der das Weiße Haus schon verlassen hat. Machen wir uns an die Arbeit, Herr Staatsanwalt!“

Leo war außer sich. Wo war Hans? Ging es ihm gut?

Tatjana nahm die persönlichen Dinge ihres Kollegen an sich. Auch sie hatte nicht die blasseste Vorstellung, was hier los war.

Noch bevor Leo die Bilder der wenigen Überwachungskameras einsehen konnte, erreichte ihn eine SMS: Hans ist in Sicherheit. Ich werde meinen Mann keiner öffentlichen Hetzjagd aussetzen. Such nicht nach ihm, such den Mörder und denjenigen, der ihn reinreiten will. Ich verlasse mich auf Dich! Gruß, Anita.

Leo erkannte die Absender-Nummer, die gehörte Hans‘ Frau Anita Seidl. Trotzdem war er noch nicht ganz überzeugt.

Ich brauche Sicherheit, dass die SMS auch von Dir stammt. Wie nennst Du Deinen Mann, wenn Du sauer auf ihn bist?

Prompt kam die Antwort zurück: Bullenarsch 08/15.

Das reichte Leo. Erleichtert lehnte er sich zurück und lächelte. Diana saß neben ihm und hatte ihn beobachtet.

„Was ist los? Was freut dich so?“

„Hans ist in Sicherheit. Kein Wort zu niemandem, verstanden?“

„Tatjana wird eingeweiht, darauf bestehe ich.“

„Aber nur sie.“

Auch Tatjana war erleichtert, als sie die gute Nachricht hörte.

„Und was machen wir jetzt?“

„Wir tun so, als würden wir Hans suchen, das steht außer Frage. Alle sollen das glauben, also spielt eure Rolle so überzeugend wie möglich. In Wahrheit suchen wir nach dem Mörder, der vermutlich derjenige ist, der Hans in die Pfanne hauen will.“

Dass Hans nicht der einzige der Mühldorfer Kriminalbeamten bleiben würde, der in ein völlig falsches Licht gerückt wurde, ahnten die drei noch nicht.

8.

Friedrich Fuchs hatte sich sofort an die Arbeit gemacht und die Fleischstücke der Zuchtsau Brunhilde unter die Lupe genommen. In einem Stück fand er tatsächlich das Geschoss. Das Fleisch packte er fein säuberlich wieder in den Kühlschrank.

Er betrachtete das Phantombild, das er gemeinsam mit dem jungen Kollegen Dornhobel erstellt hatte. Dass das nicht berauschend war, ärgerte ihn. Als Polizist hatte man in seinen Augen die Pflicht, besonders auf Details zu achten. Dornhobel schien nur Augen für den Wagen der Frau gehabt zu haben, denn den konnte er in allen Einzelteilen beschreiben. Die Kfz-Kennzeichen waren gefälscht, das herauszufinden war eine Kleinigkeit gewesen. Auch wenn die Beschreibung der Frau, die Dornhobel in eine Falle gelockt hatte, sehr dürftig war, würden sie vielleicht zumindest den Wagen finden.

„Das ist alles?“ Krohmer war enttäuscht, als er das Phantombild sah.

„Dornhobel hat mehr auf das Auto der Dame geachtet. Die Beschreibung ist sehr detailliert.“

„Das ist zwar lobenswert und spricht für Dornhobel, aber die Frau wäre wichtiger gewesen“, maulte der Staatsanwalt, der schon wieder in Krohmers Büro saß.

„Ich habe in den Fleischstücken ein Geschoss gefunden.“

„Das sind doch gute Neuigkeiten! Zu welcher Waffe gehört das Geschoss?“

„Da bin ich überfragt. Es ist deformiert und muss von einem Spezialisten vom LKA geprüft werden. Ich mache mich sofort auf den Weg und werde es persönlich überbringen.“ Fuchs freute sich auf die Fahrt nach München. Bei der Gelegenheit könnte er das versprochene Essen mit seiner Lore nachholen.

„Diesen Aufwand können wir vor der Bevölkerung nicht rechtfertigen“, mischte sich der Staatsanwalt ein, noch bevor Krohmer antworten konnte. „Was das kostet! Schicken Sie das Geschoss per Post. Selbstverständlich per Einschreiben!“ Dass Eberwein einen Rüffel bezüglich der hohen Kosten einiger Fälle in der Vergangenheit erhalten hatte, behielt er für sich. Das musste er mit Krohmer in einer ruhigen Minute besprechen. Dann konnte er auch auf den Tisch bringen, dass die Mühldorfer Polizei personell abspecken musste. Das Innenministerium sprach von mindestens sechs Stellen – und dies betraf nicht nur Uniformierte, sondern auch zwei Kriminalbeamte. Dass das Ärger verursachen würde, lag auf der Hand, denn Krohmer war bekannt dafür, dass er für jeden einzelnen seiner Leute kämpfte. Trotzdem musste Eberwein zusehen, dass Kosten gespart wurden. Was blieb ihm anderes übrig?

Krohmer musste klein beigeben. Ihm wäre eine persönliche Übergabe des Geschosses sehr viel lieber gewesen.

„Doktor Eberwein hat Recht, der Postweg reicht hier völlig aus.“

„Wie Sie meinen.“ Fuchs war enttäuscht. Nicht wegen Lore, das Treffen mit ihr konnte er problemlos verschieben, sondern wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit. Sie verloren mit dem Postweg mindestens einen Tag.

„Noch etwas?“

„Im Schweinestall konnten wir keine verwertbaren Spuren sichern. Wir werden uns heute nochmals die Sparkasse und deren Umfeld vornehmen, vielleicht finden wir doch noch etwas.“

„Heißt das, Sie und Ihre Leute haben nicht ordentlich gearbeitet?“, rief Eberwein, der erneut Kosten vermutete, die man vermeiden könnte.

„Wollen Sie mir und meinen Mitarbeitern unterstellen…“

„Nein, ich wollte nur…“

„Hören Sie endlich auf! Schluss damit! Wenn sich der Kollege Fuchs nochmals den Tatort vornehmen möchte, dann habe ich nichts dagegen. Sie werden sich Ihre Fallakten auch mehrmals durchlesen, Doktor Eberwein!“

Der Staatsanwalt nickte und entschuldigte sich bei Fuchs. Der stand auf und ging grußlos davon.

„Was ist los, Doktor Eberwein? Muss es sein, dass Sie sich bei allen immer wieder unbeliebt machen?“

„Das ist ein ganz normaler Umgang unter Kollegen, die unter Druck stehen. So empfindlich, wie Sie meinen, sind die Kollegen nicht. Außerdem mache ich meinen Job nicht, um Freunde zu finden. Können Sie sich eigentlich vorstellen, was ich um die Ohren habe? Das Innenministerium plant den Besuch des Ministerpräsidenten und belästigt mich ständig mit Änderungen, die ich dann umsetzen darf. Außerdem klingelt die Presse ununterbrochen bei mir an. Was soll ich denen sagen?“

„Sie haben mein volles Mitleid, Doktor Eberwein.“

„Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus! Was ist eigentlich mit Hiebler? Kann er sich inzwischen wieder erinnern?“

Krohmer stöhnte. Sollte er dem Staatsanwalt die Wahrheit sagen? Er musste, denn wenn der von anderer Seite erfuhr, dass Hiebler verschwunden war, dann war der Teufel los.

„Wir wissen nicht, wo Hiebler ist“, gab er daher kleinlaut zu.

„Was? Hiebler ist untergetaucht?“

„Das habe ich nicht gesagt. Hiebler ist aus dem Krankenhaus verschwunden und hat sich noch nicht bei uns gemeldet.“

„Rufen Sie ihn an!“

„Das habe ich selbstverständlich versucht, aber das Handy ist abgeschaltet. Und bevor Sie fragen: Ich habe es auch bei seiner Frau versucht, leider auch ergebnislos. Mich ärgert Hieblers Verhalten auch, aber ich kann ihn auch irgendwie verstehen.“

„Wie bitte?“

„Hiebler hat diesen Mann nicht erschossen, darin sind wir uns hoffentlich einig. Zweifeln Sie an ihm?“

Eberwein schüttelte den Kopf.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752136074
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Mord Macht Thriller Krimi Bayern Attentat Spannung Kriminalpolizei Terror Ermittler Noir

Autor

  • Irene Dorfner (Autor:in)

Geboren wurde ich 1964 in Reutlingen (Baden-Württemberg) und zog 1990 nach Bayern. 2013 erschien mein erster Krimi, danach folgten weitere. Meine Leidenschaft war geweckt. Ich schreibe Krimis und Thriller, die vor allem in Bayern spielen. Aus der Leo-Schwartz-Reihe sind bisher 37 Fälle erschienen – aktuell arbeite ich am 38. Fall. Ebooks und Taschenbücher gibt es überall dort zu kaufen, wo es Bücher gibt. Bei mir direkt gibt es auch Hardcover-Bücher (zum Taschenbuch-Preis): www.irene-dorfner.com
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Titel: Im Visier der Mächtigen