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Sylter Liebe

Traum trifft Schmetterling

von Ben Bertram (Autor:in)
450 Seiten

Zusammenfassung

Als Ben eines Tages die Sylter Liebe erleben darf, gehen all seine Träume in Erfüllung. Plötzlich war er in der Lage, Wolken zu schmecken und befand sich auf dem Weg dorthin, Schmetterlinge lachen zu hören. Doch dann geschah etwas Unbegreifliches. Von einer Sekunde auf die nächste war sein Leben zerstört. Ben flüchtete sogar von seiner geliebten Insel und wollte niemals wieder zurück nach Sylt kommen. Da die Zeit zwar keine Wunden heilt, ihn aber das Versprechen, das er seiner verstorbenen Oma gegeben hatte, einholte, stieg er eines Tages erneut in den Zug und machte sich auf die Reise in seine Vergangenheit, um einige Angelegenheiten zu klären. Er war nicht gekommen, um zu bleiben… … und tat es doch! Sylt, seine Insel, hatte Ben vom Bleiben überzeugt. Oder war es doch diese mysteriöse Frau, die ihm wundervolle Texte schrieb, und zu der er sich hingezogen fühlte, ohne sie jemals getroffen zu haben? In Gedanken war sie längst zu seinem Schmetterling geworden, und Ben erkannte, dass er sich noch immer wünschte, Schmetterlinge lachen hören zu können. Nur wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken! -Novalis-

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sylter Liebe

~ Traum trifft Schmetterling ~

Ben Bertram

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!

Im Buch vorkommende Personen und die Handlung dieser Geschichten sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Text Copyright © Ben Bertram, 2020

Impressum:

Text:

Ben Bertram

Alsterdorfer Straße 514

22337 Hamburg

E-Mail: BenBertram@web.de

Covergestaltung:

Ben Bertram

Motivbild:

© Ben Bertram

Korrektorat / Lektorat:

M. Dress / D. Awiszus

Meine Geschichte

Die Zeit ist gekommen!

Die Zeit, unsere Geschichte zu erzählen!

Wir haben September und es ist einer der seltenen milden Abende hier in Hamburg. Einer dieser Abende, an denen man ohne zu frieren und in Gedanken versunken seine Träume träumen, seine Gedanken schweifen oder seine Pläne schmieden kann. Mit Absicht bin ich heute Abend hier an dieser einsamen Stelle am Alsterlauf. Ich befinde mich in der Nähe der Poppenbüttler Schleuse und nicht in einem der vielen netten Cafés, Kneipen oder anderen Lokalitäten, welche sich in Hamburg an der Alster oder Elbe befinden.

Heute bin ich nicht an den Orten, an denen man bei solch tollem Wetter nette und lustige Menschen treffen kann. Nein, heute bin ich an meinem Ort, einem Ort, den nicht mal meine Freunde kennen und möchte nur für mich sein. Nur für mich, an diesem ganz besonderen Ort, den mir meine Oma Anna in frühester Kindheit bereits einmal gezeigt hatte. Außerdem ist dieser Ort schon deshalb ein besonderer Ort, da er durch seine interessante und für eine Großstadt besondere Landschaft auffällt. Genau aus diesen beiden Gründen ist dieser Ort „mein“ Ort geworden und wenn ich, wenn auch in letzter Zeit leider nicht so oft, hier bin, genieße ich diesen Ort bei jedem Besuch mehr.

Eine kleine unauffällige Kopfsteinpflasterstraße führt mich vorbei an Tennisplätzen und traumhaft schönen Einzelhäusern. Nach einigen Kurven und Abzweigungen lenkt sie mich direkt zu einem kleinen Parkplatz. Dieser Parkplatz ist vor lauter Bäumen, Hecken und wild herumliegenden Ästen kaum als Parkplatz zu erkennen und so steht auch heute kein anderes Auto hier, als ich mit meinem kleinen schwarzen Suzuki Jeep auf den Parkplatz fahre und mich für einen Platz genau in der Mitte, zwischen den großen hohen Buchen, entscheide. Während ich nach oben sehe und dabei überlege, ob an dieser Stelle Vögel ihre verdaute Nahrung in meinem offenen Jeep verteilen könnten, klingelt mein Handy. „Keine Rufnummernübermittlung“ ärgere ich mich und so lass ich das Handy einfach Handy sein und ignoriere das Klingeln, da ich wenig Lust auf irgendwelche, mit Pech sogar total belanglose, Telefongespräche habe. Nach kurzer Zeit hört mein Handy tatsächlich auf die Melodie „Ja ich habe solche Sehnsucht, ich verliere den Verstand, ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach Westerland“ zu spielen und mein heimlicher Anrufer kann sich mit der Mailbox meines Handys begnügen.

„Moin, Moin! Benjamin Bertram ist nicht zu sprechen, er liegt gerade faul in der Sonne oder jagt seinen Träumen nach. Bitte melde dich später wieder, damit er die Kosten für den Rückruf sparen kann.“

Ich finde diesen Text ziemlich gut und außerdem wirkt er teilweise sogar. Viele meiner Freunde und Bekannte legen auf und rufen später, ohne meine Mailbox benutzt zu haben, einfach wieder an. Doch diesmal hat jemand meine Mailboxfunktion genutzt. Ich bekomme nämlich gerade, kurz nachdem mein Handy endlich verstummt war, eine Nachricht meines Telefonanbieters mit dem Hinweis, dass mir eine Nachricht hinterlassen wurde. Neugierig wie ich bin, wähle ich noch vor dem Aussteigen die Nummer meiner Mailbox und höre eine sehr vertraute Stimme, die mir sagt:

„Hallo Ben! Schade, dass ich nur die Blechkiste erwische. Ich hatte Sehnsucht nach Deiner Stimme und wollte sie deshalb schnell mal hören. Wobei, gehört habe ich sie ja. Nur nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Es war trotzdem schön. Meine Gedanken gehören uns, Du fehlst mir, Küsschen und bis nachher.“

Ich lächle vor Freude und schon habe ich wieder alle meine wundervollen Gedanken im Kopf. Alle diese Gedanken, weswegen ich heute genau an diesen Ort gefahren bin. Ich sage leise zu mir „Danke für alles, schöne Frau. Schön, dass es dich gibt!“ und stelle mein Handy auf das Profil Lautlos ohne Vibration ein, bevor ich es wieder in meiner Hosentasche verschwinden lasse.

Nach einem weiteren Blick in die Baumgipfel entscheide ich mich dafür, mein Auto so stehen zu lassen und steige aus. Automatisch lenken mich meine Gedanken und lassen mich ganz langsam vom Parkplatz, über die kleine Kopfsteinpflasterstraße, in Richtung Flusslauf gehen. Nur unbewusst nehme ich die Grundstücke am Ende der Straße wahr. Es sind Grundstücke, die an Parkanlagen erinnern und direkt, nur durch riesige Hecken, Sträucher und kunstvoll errichteten Zäune getrennt, an das Naturschutzgebiet am Alsterlauf anschließen. Wer hier wohnt, muss mindestens dreimal im Lotto gewonnen haben, eine mehr als gut laufende große Firma besitzen oder auf eine nicht unbedingt erlaubte, dafür aber sehr lohnende Tätigkeit zurückgreifen können. Wobei ich den hier ansässigen Hausbesitzern natürlich keinerlei kriminelle Tätigkeiten unterstellen möchte.

Der Blick von hier oben ist einfach genial. Links und rechts sieht man Bäume, die teilweise bis in den Himmel zu wachsen scheinen. Vor mir ein Abgrund, der mich mit seinen vielen verschieden Färbungen an das Morsumer Kliff auf Sylt erinnert. Weit unten, zwischen verwinkelten und romantisch anmutenden Wegen, ist der Flusslauf zu erkennen. Kleine alte, teilweise morsch wirkende Brücken, verbinden die auf beiden Seiten des Flusslaufes führenden Wege miteinander und geben so, diesem ohnehin einzigartigen Anblick, seine endgültige Note. Der Weg führt mich, an steilen Abhängen entlang, in Schlangenlinie hinunter zum Flusslauf. Auf meinem Weg nach unten liegen mir viele von Stürmen abgebrochene Zweige und Äste im Weg. In den Steilwänden sind kleine und große Höhlen zu sehen und wenn ich nicht wüsste, dass ich mich in Hamburg befinde, würde ich auf Bärenhöhlen tippen. Es gibt Stolperfallen aus Baumwurzeln und einige gemeine, vom Regen ausgespülte, Löcher stellen sich mir in den Weg. Man könnte glauben, die Natur hätte extra diese Unebenheiten aufgebaut, damit sich niemand diesem unberührten Fleckchen Erde nähern kann. Aber alle diese Dinge gehören hierher. Dies alles zusammen macht die Gegend zu „meinem“, nein zu „unserem“ Ort.

Das Wasser hier unten ist klar und sogar verschiedene Fische sind zu sehen. Wenn Oma Anna jetzt bei mir wäre, könnte sie mir bestimmt sagen, um welche Fischarten es sich handelt. Das eine dort müssten, wenn ich mir Ihre Erklärungen richtig gemerkt habe, Rotaugen sein. Richtig sicher bin ich mir aber nicht. Durch viele große Steine und im Wasser liegende Baumstämme, haben sich teilweise kleine Wasserfälle und Stromschnellen gebildet. Dort hinten in der kleinen Biegung steht im seichten Wasser ein Reiher und wartet regungslos darauf, mit seinem langen Schnabel den nächsten Fisch zu ergattern. Der Flusslauf ist hier höchstens vier Meter breit und in der Mitte vielleicht ein, höchstens eineinhalb Meter tief.

Die Sonnenstrahlen, die es geschafft haben sich durch den dichten Himmel der Baumkronen zu kämpfen, spiegeln sich im Wasser und erzeugen ein einmaliges Bild aus Schatten und Licht. Hier unten herrscht eine eigenartige Stille, die mir ein Gefühl von Vertrautheit und innerlicher Ruhe vermittelt. Dies alles sind Gefühle, die ich in meinem Leben normalerweise nicht in diesem Maße empfinde und daher überlege ich, ob es an meinen Gefühlen für diesen Ort oder an dem Ort selber liegen mag.

„Es wird wohl ein Gemisch aus beiden sein“, denke ich mir und wundere mich trotzdem!

Wie so oft ist keine Menschenseele hier. Weshalb dieser Platz immer so einsam und leer ist, kann ich nicht verstehen. Die Erklärung kann nur sein, dass den Menschen die Straße dort oben zu versteckt und der Weg hierher bestimmt zu beschwerlich ist. Was denen an wunderbarer Natur und Einsamkeit entgeht, können sie ja nicht wissen und mir ist es sowieso viel lieber, hier alleine zu sein.

Als ich bei einem meiner letzten Besuche mit Musik im Ohr, auf einem alten umgestürzten Baum gesessen und mir die Gegend angesehen hatte, konnte ich nicht anders als die Musik auszuschalten und die Kopfhörer abzunehmen. Ich wollte keine anderen Töne hören. Ich wollte, nein ich musste die Geräusche der Natur in mich aufsaugen und meinen Gedanken dazu freien Lauf lassen.

Meine Gedanken flogen mir durch den Kopf. Kreutz und quer hatte ich Bilder aus meinem bisherigen Leben vor Augen und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich vor vielen Jahren schon einmal hier gewesen bin. Ich bekam meine Eingebung durch den alten Baum, der genau hinter mir stand und sich bisher allen Stürmen zur Wehr gesetzt hatte.

Vor diesem Baum hatte vor langer Zeit eine Holzbank gestanden, von der einige wenige Überreste noch zu sehen sind. Dieser Baum, die kleine Flussbiegung und die steilen Wände. Zusammen ergab dieses ein Bild in meinem Kopf, in dem ich mich als kleiner Knirps mit meiner Oma Anna hier befand und wir uns an einem Baum verewigt hatten.

Da meine Oma Anna immer, wenn wir unterwegs waren eine Handtasche mit Taschentüchern, etwas Geld, Bonbons, und einem Taschenmesser bei sich hatte, schnitzten wir damals in einen Baum die Buchstaben „A“ für Anna und „B“ für Benjamin ein. Ich war mir jetzt ganz sicher, dass es dieser Baum gewesen ist und erhob mich von meinem Platz.

Langsam und mit einem komischen Gefühl im Bauch ging ich auf den Baum zu. Noch war nichts von unserem Kunstwerk zu erkennen.

„Da ich damals noch nicht in die Schule gegangen bin und ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein muss, kann nach so vielen Jahren unser Kunstwerk ja auch nicht mehr so gut zu erkennen sein“, dachte ich mir und ging noch dichter an den Baum heran. Jetzt konnte ich etwas sehen. Verwittert und an einigen Stellen mit Moos bedeckt konnte ich unsere eingeritzten Buchstaben erkennen. Ich bekam eine Gänsehaut und als ich dabei war, die Buchstaben vom Moos zu befreien, zitterte mir die Hand.

„Wäre Oma Anna doch hier und könnte unsere Vergangenheit mit mir erleben“, wünschte ich mir und nahm mir vor, es ihr bei meinem nächsten Besuch auf jeden Fall zu erzählen.

„Bisher ist außer Hasi Oma Anna die einzige Person in meinem Leben, die alle meine Erlebnisse genau kennt. Sie ist außer Hasi die einzige Person, der ich alle meine Gedanken, Pläne und Träume anvertraut habe“, sage ich leise zu mir selber, während ich mich verträumt auf einen großen Baumstamm direkt am Wasser setze. Mein verschwommenes Spiegelbild konnte ich im Wasser erkennen und genau wie dieses Spiegelbild vor einiger Zeit, verschwimmen nun meine Gedanken und aus dem jetzt, lande ich dort, wo es irgendwie alles mit uns begonnen hatte.

Fiete

Was schenkt man jemandem, der seine dritte Null im Lebensalter erwartet?

Ich finde es ja im Prinzip nicht sehr schwierig, mir Ideen für Geschenke oder andere kleine Überraschungen, für zwischendurch, einfallen zu lassen.

Vor allem dann nicht, wenn mir die Person etwas bedeutet. Nun ist es nicht so, als wenn mir Fiete, der eigentlich Hans heißt und von seinen Eltern Hansi genannt wird, nicht etwas bedeuten würde. Er ist sogar eine der Personen, die ich als Freund bezeichnen würde und zu der Kategorie Freund, gehören bei mir nicht sehr viele Menschen. Ich bin nämlich der festen Ansicht, dass es zwischen den Bezeichnungen Freunde und Bekannte eine große Trennung gibt und würde von mir behaupten, höchstens vier Freunde zu besitzen.

Fiete ist ein sehr stiller und zurückhaltender Mensch, der nicht so sehr viel von modischer Kleidung, auffälligen Farben oder witzigen Spontanaktionen hält. Er hat eine kleine Firma, um genau zu sein einen Dreimannbetrieb für Industrievertretung, von seinem Vater übernommen. Dort arbeitet nach wie vor sein Vater, eine Halbtagskraft und Fiete selber. Er lebt seit fast fünf Jahren mit seiner Freundin Lola zusammen und wohnt mit in ihrer Eigentumswohnung im noblen Stadtteil Eppendorf. Fiete fährt einen dunklen, unauffälligen VW-Kombi und hatte mit Frauengeschichten nie viel am Hut.

Er ist halt nicht wirklich ein Frauenschwarm und als er mit Lola eine Beziehung begonnen hatte, gab ich den beiden auch keine große Chance.

Er war damals Mitte zwanzig, hatte noch nie eine Freundin und war am Studieren. Sie, Anfang dreißig, mit großer Eigentumswohnung und Teilhaberin an einer relativ großen Praxis für Krankengymnastik und Physiotherapie

Kennen gelernt haben die Beiden sich in der Praxis von Lola. Fiete, der sich beim Fußball wieder einmal sein Knie kaputt gemacht hatte, ich glaube es war dieses Mal das hintere Kreuzband am rechten Bein, war als Patient dort und wurde von Lola und einer ihrer Angestellten und Freundin Cordula abwechselnd behandelt.

Zufälligerweise war seine Therapie kurz vor unserem gemeinsamen Urlaub beendet und genauso wie Fiete und ich fuhren auch Lola, Lolas Schwester und Cordula für eine Woche nach Sylt.

Wir wollten am Samstag ganz früh in Hamburg starten und so stand ich um 7:30 Uhr pünktlich bei Fiete, der noch bei seinen Eltern wohnte, vor der Tür. Als ich klingelte machte seine Mutter die Haustür auf und begrüßte mich mit den Worten

„Guten Morgen Benjamin, komm doch rein. Hansi ist gleich fertig und ihr könnt dann mit mir Frühstücken. Setz dich doch dort hin, möchtest Du Deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“

„Nur mit Milch!“, sagte ich und war etwas genervt. Denn wenn ich jetzt etwas ganz bestimmt nicht wollte, war es ein Frühstück mit der Mutter von Fiete. Ich wollte los, wollte schnell auf die Autobahn und frühestens am Autozug in Niebüll einen Kaffee trinken und dann auf Sylt lecker in der Badezeit Frühstücken.

Gegen 9:00 Uhr kamen wir endlich los und standen drei Stunden später, viele Kilometer vor dem Autozug, im Stau. Nun saßen wir hier also dumm im Auto. Ich völlig genervt von Fietes Mutter und dem heutigen überflüssigen Frühstück und auch von Fiete, der stumm aus dem Fenster schauend und in Gedanken versunken war. Plötzlich unterbrach eine Stimme meine CD. Ein älterer Herr sprach aus dem Radio und erzählte uns, dass auf der A7 in Richtung Hannover sowie auf der A1 in Richtung Lübeck ein Stau sei und dass es beim Autozug von Niebüll nach Westerland zurzeit ca. vier Stunden Wartezeit gibt. Komischer Weise machte mir diese Ansage nun auch nichts mehr aus und so ergab ich mich meinem Schicksal. Einige Stunden später kamen wir dann tatsächlich auf der Insel an.

Fiete erzählte mir schon die ganze Zeit von den Frauen aus der Praxis und ich glaube, er war irgendwie auch verliebt. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass auch Fiete sich in eine Frau verlieben konnte.

„Morgen kommen die Mädels endlich. Würde es dich stören, wenn wir uns mit ihnen treffen und vielleicht in die Wunderbar gehen?“

Ich war nun noch erstaunter und erwiderte:

„Willst Du morgen zum Angriff blasen und endlich auch nette Dinge, mit netten Frauen machen?“

„Ach Ben, was Du immer gleich hast und denkst! Ich würde die Mädels halt gerne sehen und mich nett mit ihnen unterhalten“, empörte sich Fiete und nahm sein Bier.

„Geh Du ruhig hin und treffe dich mit den heißen Krankenschwestern“, sagte ich lachend und wusste, dass jetzt jemand beleidigt sein wird.

„Hey Fiete, wie lange willst Du eigentlich noch im Bad bleiben? Kann ich Dir irgendwie behilflich sein? Vielleicht mit Klamottentipps oder bei der Parfumauswahl?“, rief ich, auf dem Sofa liegend, in die Richtung vom Bad. Fiete war zu diesem Zeitpunkt bereits fast eine Stunde im Badezimmer verschwunden und mir war langweilig, da beim Fußballspiel im Fernsehen gerade Halbzeit war.

„Sehr witzig. Anziehen kann ich mich schon sehr lange ganz allein. Bin gleich fertig!“

Tatsächlich kam Fiete wenige Minuten später frisch geduscht, fertig angezogen und von einer riesigen Parfumwolke umgeben, zurück in das Wohnzimmer. Ich war einigermaßen erstaunt darüber, dass er sich tatsächlich so angestrengt hatte, gut auszusehen. Allerdings kann „Mann“ guten Kleidungsgeschmack haben, muss „Mann“ aber nicht. Es ist ganz bestimmt nicht so, dass Fiete wie der letzte Heckenpenner durch die Gegend laufen würde. Ganz im Gegenteil! Allerdings hat seine Garderobe auch nichts Lässiges, Sportliches oder farbenfrohes zu bieten. Er steht in seinen Klamotten einfach so da und wird nicht beachtet. Man, besser gesagt Frau schaut einfach durch ihn hindurch oder an ihm vorbei oder in die andere Richtung. Sie schauen ihn einfach nicht an.

Solche Männer gibt es und doch haben einige von diesen Männern trotzdem Erfolg bei Frauen, da sie quatschen können, Frauen nett unterhalten oder einfach nur lustig und witzig sind. Leider ist aber auch keiner dieser Punkte eine wirkliche Stärke von Fiete.

Noch immer stand Fiete erwartungsvoll in der Zimmertür. Ich hatte mich noch nicht geäußert und überlegte, welche Worte ich wählen sollte um ihn, nach seiner über eine Stunde dauernden Mühe, nicht zu sehr zu kränken.

„Ist Okay. Nein wirklich, ist total Okay.“

Nach einer kurzen Pause und prüfenden Blicken fuhr ich fort.

„Na ja, vielleicht solltest Du lieber die alte Diesel-Jeans ausziehen. Der Schnitt ist ja nicht mehr so ganz hipp.“

„Meinst Du? Was ist mit der Hose? Soll ich lieber die dunkle 501 anziehen?“

„Ja, gute Idee. Die 501 ist besser. Sag mal Fiete, was ist denn mit dem Hemd und muss das T-Shirt darunter unbedingt sein?“ Ich war nun in Form und sollte ihm ja auch helfen. Außerdem muss man doch zu Freunden ehrlich sein.

„Was ist mit meinem Hemd und warum zum Teufel soll ich das T-Shirt ausziehen?“, fragte mich Fiete.

„Um ehrlich zu sein, finde ich das Hemd gar nicht schlecht. Es passt nur nicht so gut, wenn Du heute Abend als Frauenaufreißer in die Wunderbar willst, um dort Deine netten Krankenschwestern zu erobern. Das Hemd ist eher etwas für ein Arbeitsessen oder für den achtzigsten Geburtstag Deiner Oma. Zum T-Shirt muss ich wohl nicht wirklich etwas sagen. Du kannst doch nicht mit einem schwarzen T-Shirt unter einem hellen Hemd in die Öffentlichkeit gehen. Da fehlt nur noch ein dicker Aufdruck auf dem Rücken vom T-Shirt, der durch das Hemd hindurchschimmert und auf dem eine Rolling Stone Zunge zu sehen ist. Hier, Du darfst heute ausnahmsweise ein Langarmshirt von mir anziehen. Übrigens, die Socken müssen auch weg. Mit Goofy drauf und in dunkelgrün mit gelb, das geht einfach nicht. Wenn das Deine Frauen sehen, sind sie weg. Was Für eine Unterhose hast Du eigentlich an?“

Die Frage war wohl zu viel für Fiete.

„Es reicht!“, sagte Fiete und dieses in einem, für ihn außergewöhnlich, lauten Ton.

„War ja nur gut gemeint, könnte doch sein, dass Du und eine Deiner Krankenschwestern ...“, zu mehr kam ich nicht. Fiete zog seine Jacke an und ging. Es war übrigens eine rote Jeansjacke, die viel zu kurz war und farblich nicht wirklich zu den anderen Klamotten passte.

Die nächsten drei Abende waren Fiete und die drei Mädels ebenfalls unterwegs. Ich genoss die Abende mit Bekannten, die sich zur selben Zeit auf der Insel befanden und Leuten, die hier auf der Insel leben und die ich durch meine vielen Inselbesuche kennen gelernt habe. Tagsüber hat er mir alles über seine Treffen erzählt und ich hörte in jedem Satz den Namen Cordula.

Cordula hat das gemacht, Cordula hat dies gesagt, Cordula will dies machen.

Fiete war also verliebt und war glücklich, seine Abende hier auf der Insel zusammen mit Cordula verbringen zu dürfen. Leider war er jedoch nie mit Cordula alleine. Immer waren Lola und Lolas Schwester dabei und so war er jeden Abend der Hahn im Korb. Sein Vorteil war jedoch, er brauchte nicht für die Unterhaltung zu sorgen. Dies taten die drei Mädels und so waren die Abende wohl auch immer ziemlich lustig und gingen bis in den Morgen hinein.

Als ich am Donnerstagmorgen wach wurde, drehte ich mich zur Seite und sah, dass Fietes Bett leer war. Ich blickte auf mein Handy und sah dort die Ziffern Acht, Doppelpunkt, Eins und Fünf. Zum Brötchenholen war es für Fiete noch viel zu früh und außerdem war sein Bett unberührt.

„Er wird es doch nicht etwa tatsächlich heute Nacht geschafft haben? War diese Nacht zu seiner Nacht geworden? Hoffentlich hatte er keine Goofysocken und nicht so einen öden Liebestöter an!“, waren meine spontanen, wenn auch noch müden Gedanken.

Während ich neugierig und verwundert auf meinem Bett saß, hörte ich, wie ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wurde. Gespannt wartete ich darauf, was ich nun erfahren würde.

Tatsächlich wurde mein Warten belohnt. Belohnt in einem Maße, welches ich nicht erwartet hatte.

Grinsend saß ich auf dem Bett und sah Fiete an. Er stand in der Tür, hatte sogar Brötchen dabei und schaute reichlich verdattert aus der Wäsche.

Mit einem „Guten Morgen, hattest Du eine nette Nacht?“, begrüßte ich meinen Freund und war auf seine Antwort gespannt. Naiv, wie Fiete bei dem Thema Frauen ist, antwortete er mir ganz ehrlich. Er hatte den Unterton in meiner Frage nicht verstanden und meinte:

„Ja, es war ein schöner Abend. Erst waren wir in der Wunderbar und haben alle zusammen nett geklönt. Ich saß den ganzen Abend neben Cordula und es war ein schönes Gefühl, ihr so nah zu sein. Gegen drei Uhr schloss dann die Wunderbar“

„Ja und weiter? Von der Wunderbar bis hierher sind es vielleicht zehn Minuten. Du hättest für diesen Weg also ziemlich genau fünf Stunden und fünfzehn Minuten gebraucht. Da muss wohl noch etwas gewesen sein. Bist Du mit Cordula noch weiter gezogen?“

„Nein, wir alle sind dann in die Wohnung von Cordula und ihren Freundinnen gegangen. Wir wollten dort noch Musik hören und etwas trinken. Cordula hatte sich auf dem Weg dorthin bei mir eingehakt. Wir gingen fast Arm in Arm und Lola und ihre Schwester dicht hinter uns. Da Lola etwas zu viel getrunken hatte, musste sie sich nach kurzer Zeit auch bei mir einhaken und so gingen wir zu dritt nebeneinander her. Unterhalten habe ich mich aber, auch auf dem Weg, nur mit Cordula. Cordula ist wirklich toll. Aber ich glaube, es wird nichts aus uns beiden werden.“

„Nun mal nicht so pessimistisch. Das, was Du mir so erzählst, ist doch sehr erfolgversprechend“, sagte ich und war gespannt, was der neugeborene Frauenheld noch für interessante Details für mich hatte.

„Als wir bei den drei Mädels angekommen waren, saßen wir im Wohnzimmer und hörten Musik. Lola fragte, ob noch jemand Hunger hätte und alle sagten ja. Sie ging in die Küche und machte leckere Sandwich für alle. Cordula und ich klappten in der Zeit das große Sofa aus, damit wir es uns beim Essen gemütlich machen konnten. Lolas Schwester saß auf dem Sessel und suchte neue CDs aus, da wir bereits zweimal dieselbe gehört hatten. Ich hoffte, dass Lolas Schwester auf dem Sessel sitzen bleibt und Lola, nachdem sie mit einigen Sandwich aus der Küche kommt, den anderen Sessel nehmen würde. Cordula und ich machten es uns richtig gemütlich und versuchten, soviel Platz wie möglich auf dem Sofa einzunehmen. Lola kam wieder und mit einem Teller voll mit Sandwich in der Hand, stieg sie mit den Worten „das Essen ist fertig, macht Platz für die Köchin“ auf das Sofa. Ihre Schwester kam auch zu uns rüber und nun saßen wir zu viert im Kreis und aßen unsere Sandwich“.

Ich hatte, während Fiete erzählte, den Frühstückstisch gedeckt und machte jetzt für meinen Milchkaffee die Milch heiß. Die Story war ja auch für Fietes Verhältnisse ganz lustig, allerdings hatte ich schon ein wenig mehr erwartet. Dafür war er also die ganze Nacht unterwegs. Da hätte er auch schlafen können. Doch plötzlich erzählte Fiete weiter.

„Wir haben uns nach dem Essen alle auf dem Sofa hingelegt und es uns gemütlich gemacht. Es ging ganz gut, da es genug Platz auf dem Sofa gab und wir alle ein wenig müde waren. Wir lagen alle auf dem Sofa. Ich lag zwischen Cordula und Lola und meine Füße berührten Cordulas Füße, während ich dabei an diesen schönen Abend mit Cordula und ihren Freundinnen dachte. Dann wurde ich geküsst. Es war ein schöner Kuss und ich habe es sehr genossen, so geküsst zu werden.“

„Mensch Fiete, da freu ich mich aber für dich. Wo Du doch seit Tagen nur von Cordula redest. Ich habe sie ja noch nie gesehen, aber jetzt bin ich wirklich neugierig geworden. Wenn Ich darf, komme ich heute Abend mit in die Wunderbar. Oder wollt ihr beide lieber alleine sein?“, ich war echt beeindruckt von Fiete. Besser gesagt, er hat mich diesmal wirklich verblüfft. Doch nun hörte ich ihn sagen.

„Ich werde heute nicht in die Wunderbar gehen. Ich werde sogar die ganze Woche nicht mehr in die Wunderbar gehen!“

„Spinnst Du? Was ist denn jetzt los? War das Küssen mit Cordula nicht so schön oder möchte sie keine Beziehung mit Dir? Sag jetzt nicht, Du willst nichts mehr von Cordula. Wo ich mir die ganze Woche Deine Schwärmereien über Cordula anhören musste“, ich war echt perplex und sprachlos. Doch diesmal rettete Fiete die Situation, in dem er mit seiner Geschichte fortfuhr.

„Als der Kuss vorbei war, nahmen wir unsere Hände und sahen uns an. Du Ben, darf ich dich als Freund etwas fragen?“

„Ja klar, alles was Du willst“

„Glaubst Du, dass eine Frau wie Lola zu alt für mich ist?“

„Nein ist sie nicht. Bei der Liebe muss es keine Altersgrenzen geben. Wenn es passt, dann passt es. Aber das ist doch jetzt auch wirklich egal. Du hast endlich Deine Cordula und kannst glücklich darüber sein. Ist Cordula etwa im gleichen Alter wie Lola?“,

Fiete saß nun still auf seinem Stuhl am Frühstückstisch und starrte in seinen Kaffeebecher. Meine Frage, ob er gerade im Kaffeesatz lesen würde hatte er anscheinend nicht gehört, oder er ignorierte sie einfach.

„Nein, Cordula ist jünger. Sie ist so alt wie ich“, hörte ich Fiete mit einer leisen, fast traurigen Stimme sagen.

„Was ist los, hast Du Angst vor einer Beziehung mit Cordula oder bist Du nur kaputt und müde?“

„Es ist alles ganz anders und alles ist so komisch und so schwer und auch irgendwie verzwickt. Die Abende mit Cordula waren wirklich schön und nun wird es solche Abende nicht mehr geben.“

„Hat sie einen anderen? Ist sie etwa in einer festen Beziehung und hat Dir nichts davon erzählt? Dann ist sie es auch nicht wert, dass sie dich bekommt!“

„Nein Ben, es ist anders. Heute Nacht, als ich auf dem Sofa zwischen Cordula und Lola gelegen habe, da habe ich nicht Cordula geküsst.“

ich blickte Fiete mit großen Augen an und war, was wirklich selten bei mir vorkommt, schon wieder sprachlos.

„Du hast nicht Cordula geküsst?“

„Nein, Lola und ich haben uns geküsst. Lola kam immer näher an mich heran. Zuerst mit Ihrem Körper und dann mit Ihrem Mund. Als ich Ihren Atem spüren konnte, passierte der Rest von ganz allein.“

„Und Cordula? Was hat Cordula gemacht?“, diese Frage konnte ich mir wirklich nicht verkneifen.

„Cordula hat mich angesehen, ist vom Sofa aufgestanden und kopfschüttelnd in ein anderes Zimmer gegangen.“

Wir saßen noch eine Weile am Frühstückstisch und tranken, ohne etwas zu sagen, unseren Kaffee. Später gingen wir an den Strand und ließen uns vom schönen Wetter verwöhnen. Fiete hatte seine Cordula verloren. Aber eine Frau für sein zukünftiges Leben gewonnen.

Noch heute lache ich gerne und viel über diese erste und einzige Frauengeschichte von Fiete.

Geschenke

Die Zeit bis zum Geburtstag von Fiete wurde immer knapper und dieses Mal schien mich meine Fantasie im Stich zu lassen. Es war ein Montagabend und ich war gerade dabei meine Tennissachen für unser allwöchentliches Tennismatch zu packen, als ich den Geistesblitz schlechthin hatte.

Nachdem ich meine Tennissachen wie gewohnt einfach in die Tasche geworfen hatte, lief ich in den Keller und kramte in meinen Schränken. Ich suchte nach einem Relikt aus meiner Jugend, nach meinem Tennisschläger aus längst vergangenen Zeiten.

Der Schläger lag, trotzdem er schon lange verbeult und verschlissen nicht mehr gebraucht wurde, noch immer irgendwo bei mir im Keller herum. Ich fand ihn schließlich unter meinen alten Fußballtrikots und ließ nun fast zärtlich alle meine Fingerkuppen über die alte Bespannung gleiten.

Dieser Schläger, als Anspielung auf unsere Tennismatche und dreißig alte Tennisbälle an kleinen Bändern daran aufgehängt, sollte mein Geschenk werden.

Jeder Tennisball wird im inneren einen Gutschein haben und diese Gutscheine werden Fiete und ich in einem Jahr gemeinsam abarbeiten. Dazu bekam Fiete von mir anstelle einer Geburtstagskarte nette Zeilen geschrieben. Diese Zeilen klaute ich, wie ich es oft und gerne mache, bei meinem Lieblingsliedermacher Reinhard Mey. Ich schrieb eines seiner Lieder etwas um, so dass es für Fietes dreißigsten Geburtstag passte.

Das Lied von Reinhard Mey heißt „Fünfzig“ und für Fiete machte ich folgende Worte daraus.

30 Jahre !!!

30! Was jetzt schon?

Hab` ich nicht grad eben noch

Durch ein gemeines Taschenloch

Meinen Einkaufsgroschen verloren?

Hab` ich nicht eben noch ganz sacht

Wieder ne` Fünf nach Haus` gebracht

In einem Heft voll Eselsohren?

Die große Liebe gestern war`s

Unter den Augen all der Stars

An den Wänden in meinem Zimmer!

Die Taschen leer und der Kopf voll

Mädchen und Fußball und Rock`n Roll.

Und wir dachten, dass ist für immer.

30? Ja, wohl schon –

splittert jetzt hier und da der Lack,

bin ich jetzt auch so`n alter Sack,

zu dem ich und meine Gefährten

jeden, der über zwanzig war

gnadenlos stem0pelten und gar

zum Zausel und scheintot erklärten?

Rieselt in meinem Hirn der Kalk,

hat aus dem Nacken sich der Schalk

verkrümelt? Frag` ich mich beklommen.

Hat meine Jugend über Nacht

Sich leise aus dem Staub gemacht

Und ich hab`s gar nicht mitbekommen?

30? Ja, wohl schon –

Die reifere Generation!

30! Was, jetzt schon?

Nun, auch ein großer Optimist

Weiß, dass dies nicht ein Viertel ist.

So schnell ging das! Denk` ich verwundert.

Und manchmal schmunzle` ich in mich rein:

Wie kann man noch so`n Kindskopf sein

Wie ich mit einem drittel Jahrhundert!

Doch ob man alt ist oder nicht

Steht nicht auf Hintern und Gesicht

Und deren Falten mit den Jahren.

Mancher ist schon als Kind senil,

Und junge Greise kenn` ich viel,

Die längst schon mit Hut Auto fahren!

30? Ja, wohl schon –

Und immer noch Opposition!

Da ist so was wie Dankbarkeit.

Mit einem Lächeln seh` ich weit

Im Zeitraffer über mein Leben:

Das ist o.k. so, ja, ich denk`,

Ben hat auch ein Geschenk

In meiner Wohnung abgegeben.

30? Ja, wohl schon –

meine herzlichste Gratulation!!!

Ich war erleichtert. Endlich hatte ich ein Geschenk, welches mir für einen guten Freund als würdig erschien.

Parkplatz vor der Tür

„Da bin ich ja direkt ausnahmsweise pünktlich. Fiete wird sich wundern und staunen, wenn ich an seinem dreißigsten Geburtstag pünktlich um zwanzig Uhr den Klingelknopf drücke“, waren meine Gedanken, während ich fast zehn Minuten zu früh an seiner, sagen wir besser an Lolas, Wohnung ankam. In der nächsten halben Stunde konnte ich die Wohnung noch einige Male sehen und jedes Mal wenn ich bei meiner vergeblichen Parkplatzsuche an der Wohnung vorbei fuhr, wurde meine ehemals gute Laune schlechter.

„Was zum Geier finden alle an einem Stadtteil wie Eppendorf so toll. Nicht mal Parkplätze gibt es hier!“, sagte ich vor lauter Wut in einem ziemlich lauten Ton zu mir selbst. Ich erschrak direkt ein wenig über die Lautstärke, vergaß es aber genauso schnell wieder, da ich dort vorne einen Parkplatz erspähte.

„Na endlich!“, ich pustete tief durch und schnitt auf dem Weg zu meinem Parkplatz einen Audi TT, der tatsächlich versuchte, mir meinen so mühevoll gesuchten Parkplatz streitig zu machen. Sein Hupen muss noch einige Straßen weiter zu hören gewesen sein und da er trotz kaltem Wetter an diesem Märzabend offen fuhr, konnte ich sein wütendes Gesicht deutlich erkennen.

„Sein Pech, wenn er nur blinkt und dabei vergisst, schnell in die Parklücke einzubiegen. Auch als Audi TT Fahrer sollte man wissen, dass die Parkplatzsuche an einem Samstagabend in Eppendorf als eine Art Krieg zu bezeichnen ist.“, als ich ausstieg war er noch immer am pöbeln und während ich Fietes Geschenk vom Rücksitz nahm, musste ich vor Freude über meinen „Parkplatzsieg“ grinsen.

Als ich schwer beladen über die Straße zu der Wohnung von Lola und Fiete ging, kam der Audi TT schon wieder vorbei und ich konnte mir den Satz „Viel Spaß noch beim Suchen“, beim besten Willen nicht verkneifen.

Seinen Gesten nach muss dieser gestriegelte Lackaffe meinen Satz gehört haben und ich ging, da er bereits im Auto sitzend relativ kräftig wirkte, schnell zum Eingang mit der Hausnummer Zehn.

Es war inzwischen schon nach einundzwanzig Uhr als ich auf den Klingelknopf drückte und nach dem Summen der Gegensprechanlage in das Treppenhaus trat.

Dunkel war es im Treppenhaus und meine Laune verschlechterte sich nochmals ein wenig, da mir nun wieder bewusst wurde, dass ich bis in den fünften Stock laufen durfte. Fünf Stockwerke können endlos sein und wenn man dann noch mit Geschenken beladen diesen Höhenunterschied meistern muss, kann Treppenlaufen zur reinsten Strapaze werden. Oben angekommen, vergewisserte ich mich zunächst, dass auch wirklich niemand guckt.

„Die Luft ist rein!“, dachte ich mir und fing sofort damit an, meine mitgebrachten Tüten mit Sägespänen, Papierschnipseln und Styroporteilchen im Treppenhaus auszukippen und fachgerecht auf den Stufen nach unten zu verteilen. Als ich fertig war, sah ich direkt neben der Wohnungstür noch zwei große blaue Säcke stehen. Die Säcke sahen nicht nur aus als ob sie mit Styroporchips gefüllt waren, sie fühlten sich auch so an. Ich konnte meine Neugier beim besten Willen nicht zügeln und sah hinein.

„So naiv kann doch nicht einmal Fiete sein“, schoss es in meinen Kopf, als ich diese Unmengen von den Styroporchips sah. Tatsächlich hatte Fiete alle von Ihm gefegten Chips, ordentlich und penibel wie er nun einmal ist, in diesen beiden blauen Säcken vor seine Tür gestellt.

Ich grinste während ich den ersten Sack nahm und mit diesem Sack in der Hand, natürlich mit der Öffnung auf den Boden zeigend, die ersten Treppen hinunter ging. Nach drei Treppen oder genauer gesagt vierundfünfzig Stufen, war der Sack leer und ich ging wieder nach oben. Immerhin wartete dort noch ein weiterer Sack darauf, von mir ein zweites Mal gelehrt zu werden. Diesmal schaffte ich mit dem Inhalt sogar vier Treppen, was so viel wie zweiundsiebzig Stufen bedeutete. Zufrieden mit meiner Arbeit ging ich wieder nach oben und klopfte an die Wohnungstür.

Fiete machte auf und da das Treppenhauslicht inzwischen ausgegangen war, konnte Fiete das Chaos im Treppenhaus nicht sofort erkennen. Die beiden blauen Säcke schien er auch nicht zu vermissen und so schob ich ihn, während ich ihm zum Gratulieren in den Arm nahm, zurück in seine Wohnung.

Hier liefen und saßen viele bekannte Gesichter herum, die ich von anderen Feiern der beiden kannte. Durch meine Parkplatzsucherei gehörte ich zu den zuletzt eingetroffenen Gästen und konnte mir relativ schnell einen Überblick darüber verschaffen, in welchem Raum dieser großen Wohnung ich mich aufhalten wollte. Auf die Ecke mit Lolas Angestellten hatte ich nun so gar keine Lust. Erstens haben die außer dem Thema Patienten und Anwendungen keine weiteren Themen, zweitens verstehen die Mädels alle keinen schwarzen Humor und drittens gab es auf der gesamten Welt wohl nicht noch einen so langweiligen und biederen Haufen wie diese Klicke. Außerdem hoffte ich auf hübsche Frauen in einer anderen Ecke der Wohnung. Die Fußballecke von Fietes Mannschaftskollegen reizte mich auch nicht wirklich und so freute ich mich sehr, als ich in der Küche, natürlich in der Nähe vom Buffet, Bianca erblickte. Auch Bianca war eine Angestellte von Lola. Allerdings reichte es ihr, ihre „lieben“ Kolleginnen bei der Arbeit genießen zu dürfen. Bianca war anders. Sie hatte meine Art von Humor, war nicht langweilig, liebte es spontan zu sein, war hübsch, genau mein Typ Frau und leider - eine Lesbe.

Kennen gelernt haben wir uns vor vielen Jahren in einer Bar in der Hamburger City. Ich saß damals mit meinem besten Freund Hasi, der eigentlich Casimir Gockel heißt, am Tresen. Wir tranken Cocktails und erzählten uns unsere tollsten Fußballerlebnisse, die von Cocktail zu Cocktail besser, erfolgreicher und größer wurden.

Am anderen Ende der Bar saß Bianca mit einer Freundin an einem kleinen Tisch. Mir fiel Bianca schon die ganze Zeit auf und ich war nicht in der Lage, nicht zu ihr zu sehen. Ihre langen glatten Haare zogen meine Blicke magisch an. Sie war blond und von der Sonne gebräunt. Der tiefe Ausschnitt ließ erahnen, welch klasse Figur unter ihren Klamotten versteckt war und ihr freches lächeln ließ das Grübchen an ihrem Kinn, noch tiefer erscheinen.

„Hasi, die Blonde dahinten, die ist für mich! Du kannst die Freundin haben“, sagte ich und nahm Casimir in den Arm.

„Immer muss ich die Freundin nehmen. Warum kann ich nicht auch, ausnahmsweise, der Aussucher sein?“ „Weil ich der bessere Fußballer bin“, hörte Casimir mich sagen, während ich schon auf dem Weg zu meiner Blondine war. Einige Stunden später, Casimir war mit „der Freundin“ schon lange verschwunden, bedankte sich Bianca für unsere netten Gespräche und für die vielen von mir ausgegebenen Drinks.

„Soll ich dich lieber begleiten? Es sollen ja furchtbar viele bösartige Gestallten in der Nacht herumlaufen“, fragte ich Bianca und bekam als Antwort, dass wir gerne noch einen Kaffee bei ihr trinken können. Als wir mit dem Taxi bei ihr angekommen waren und vor ihrer Haustür standen, sah mich Bianca ganz ernst an und sagte:

„Benjamin, ich mag dich wirklich und der Abend war supernett mit Dir“, ich unterbrach sie und erwiderte:

„Ich verstehe, wenn Du nicht gleich beim ersten Date mit mir die Nacht verbringen möchtest!“

„Nein Ben, so ist es nicht. Ich würde gerne mit Dir die Nacht verbringen. Aber, …“ , ich wiederholte ihr „Aber“ und sah sie an.

„Aber Du bist keine Frau. Es tut mir leid Ben und ich hätte es Dir schon vorhin sagen sollen. Aber ich fand dich so lieb und nett, dass ich jede Minute unseres Gespräches genossen habe. Du Ben, ich bin lesbisch. Schlimm?“, nun war ich kurz sprachlos, was bei mir wirklich selten vorkommt und sah Bianca einfach nur an.

„Ben! ist alles OK?“, hörte ich Bianca sagen.

Langsam kam ich wieder zu mir und lächelte Bianca an. „Alles OK! Ich habe nur noch nicht so oft, um nicht zu sagen noch nie von einer tollen Frau gehört, dass ich bei Ihr keine Chance habe, weil sie lesbisch ist.“

„Einmal ist immer das erste Mal“, sagte Bianca zu mir und wir nahmen uns in die Arme. Ich blieb über Nacht und schlief auf ihrem Sofa. Am nächsten Morgen frühstückten wir zusammen und sind seitdem richtig gute Freunde geworden.

Nachdem Bianca mich mit einem

„Kommst Du auch endlich! Ich hatte schon Angst, hier alleine unter Zombies zu sein“, begrüßte, standen wir zusammen in der großen Küche von Lola und Fiete und sahen uns die leckeren Köstlichkeiten an.

„Hier wurde aber geklotzt und nicht gekleckert! Siehst Du hier etwas, was es nicht gibt?“, fragte mich Bianca und ich konnte nur mit

„Nein“, antworten.

Es gab warme Speisen, Salate in diversen Variationen, leckere Schnittchen, Süßspeisen in rauen Mengen und viele andere Leckereien, die dafür prädestiniert waren, direkt die Hüften zum wachsen zu bringen.

Während wir uns zwei leckere Milchkaffees zubereiteten, sahen wir uns in der Küche um und erblickten, viele mehr oder wenige, nützliche Küchengeräte. Bei einigen waren wir uns gar nicht richtig sicher, ob diese Gerätschaften eigentlich in die Küche gehören oder hier nur versehentlich abgestellt wurden. Wir stellten uns vor, welch lustige oder auch schmutzige Dinge man mit diesen Stäben, Gestellen und vibrierenden Geräten machen konnte und lachten uns dabei fast scheckig. Die anderen Gäste in der Küche sahen uns dabei nur verwundert an und schüttelten die Köpfe.

„Albern sein ist unsere Stärke und so albern sein kann ich nur mit Dir“, sagte ich zu Bianca und fügte meinen obligatorischen Satz

„Schade, dass Du eine Lesbe bist!“, daran.

„Du würdest mir als Frau auch viel besser gefallen!“, bekam ich zu hören und schon mussten wir wieder lachen.

„Nix für uns dabei! Da hätte Fiete doch zu seinem dreißigsten Geburtstag endlich auch mal hübsche und interessante Menschen einladen können. Nun sind hier schon so viele Gäste und trotzdem möchte man um die meisten Gäste lieber einen Bogen machen.“

„Und Fiete hätte es so einfach haben können. Er brauchte nicht mal hübsche Männer einzuladen. Schließlich benötigen wir nur zwei nette Mädels“, sagte ich und schlug vor, dass wir uns vorsichtshalber auch in den anderen Räumen mal umsehen sollten.

„Du hoffnungsloser Optimist“, flüsterte Bianca mir zu und verfolgte mich unauffällig mit ihrem Milchkaffeebecher in der Hand.

Fiete stand auf dem Flur und erzählte zwei weiteren Gästen davon, dass diese blöden Nachbarn aus dem dritten Stock sich vorhin schon beschwert hätten. Nicht über die Lautstärke, sondern über den Dreck im Treppenhaus. Die Fußballer hatten zur „Freude“ von Fiete Styroporchips im Treppenhaus verteilt, was der Nachbar nun gar nicht so lustig fand. Immerhin wurde im Treppenhaus erst vor kurzem ein neuer Teppich verlegt, welcher durch eine Umlage der Eigentümer finanziert wurde.

„Ich habe nach einer kurzen Diskussion mit meinem Nachbarn dann nachgegeben und die Treppe sofort gereinigt. Diese komischen Styroporchips habe ich dann in blaue Säcke gefüllt und vor die Wohnungstür gestellt. Fast ne Stunde habe ich gebraucht, diese Dinger einzusammeln!“, erzählte Fiete weiter.

Ich sah Bianca an und war mir nicht sicher, ob ich lachen sollte oder ein schlechtes Gewissen haben müsste. Natürlich bemerkte Bianca, dass mit mir etwas nicht stimmte.

„Hey Ben, was ist los? Bekommt Dir der Milchkaffee nicht?“

„Nein, der ist in Ordnung! Der schmeckt sogar klasse. Aber, hast Du die Geschichte mit dem Nachbarn und dem Treppenhaus gehört?“

„Ja, habe ich. Was für ein Riesenarschloch dieser Nachbar wohl sein muss. Immerhin wird hier heute groß Geburtstag gefeiert. Aber das Fiete sich gleich hinstellt, sich entschuldigt und die Chips komplett aufräumt, finde ich auch übertrieben. Na ja, so ist Fiete halt. Nimmst Du Dir diese alberne Geschichte jetzt so zu Herzen?“

„Zu Herzen nicht direkt. Aber da ist etwas, was Fiete noch nicht weiß und ich ihm auch lieber nicht sagen möchte.“

„Was denn?“

„Komm mit Bianca, hier erzähle ich es Dir lieber nicht. Ich möchte nicht, dass Fiete schon jetzt etwas davon mitbekommt“, ich zog Bianca in das Esszimmer und sah mich um, welcher Feind hier zuhören könnte.

„Nur Pappnasen hier, die schnallen sowieso nichts“, dachte ich, während Bianca ein

„Du machst es aber spannend!“, flüsterte.

„Was ist jetzt?“, nun klang Bianca schon ungeduldiger und ihre Stimme wurde etwas lauter.

„Es ist das Treppenhaus. Fiete erzählte doch eben von seinem Ärger mit diesem „netten“ Herrn aus dem dritten Stock. Diese beiden Säcke mit den Styroporchips, die vor der Tür stehen, die sind nicht mehr so, wie sie noch vor kurzem waren.“

„Was bedeuten Deine Sätze? Los Ben, raus mit der Sprache!“

„Na, diese Säcke, die sind wieder leer. Und diese Chips, tja, die sind wieder auf den Stufen verteilt. Um genau zu sein, auf einhundertsechsundzwanzig Stufen.“

„Weißt Du auch wer das war?“

„Ja!“

„Red schon Ben, wer war es?“

„Ich!“, Bianca lachte laut los

„Du?“

„Ja, ich!“

„Coole Aktion von Dir. Fiete hat doch selber Schuld, wenn er die Säcke vor der Tür stehen lässt. Dann muss er halt noch eine Stunde fegen. Vielleicht begreift er dann, wie naiv es war, die Säcke an seinem dreißigsten Geburtstag wieder vor die Tür zu stellen.“

„Nicht so laut. Bitte Bianca, rede doch nicht so laut. Mit einer Stunde wird Fiete dieses Mal nämlich nicht auskommen.“

„Du meinst, weil er schon was getrunken hat? Dann braucht er eben eine Viertelstunde länger. Ist doch nicht so schlimm!“

Ich war ruhig und lachen tat ich auch nicht.

„Ben, was fehlt noch an Deiner Geschichte? Was hast Du mir noch nicht verraten? Los, erzähle jetzt!“

„Es fehlt nicht viel. Hatte ich wirklich noch nichts von den Unmengen Konfetti und Sägespänen erzählt?“

„Du hast auch noch Sägespäne und Konfetti auf den Teppich gekippt? Auf viele Stufen?“

„Auf alle einhundertsechsundzwanzig Stufen! An den Teppich hatte ich dabei gar nicht gedacht und als ich ihn sah, da war es irgendwie schon zu spät.“

„Dann hat Fiete ja heute noch reichlich Arbeit vor sich“, waren Biancas letzten Worte, bevor sie bestimmt zehn Minuten lang vor lachen kein Wort mehr herausbekam.

Party

Wir gingen zurück in die Küche und nahmen unsere alten Plätze ein.

Hier standen wir bisher bei allen Feiern, da dieser Platz zum einen die fantastische Möglichkeit bietet, zwischendurch immer wieder die leckersten Sachen am Buffet zu naschen und wir von hier aus den Flur und vor allem auch die Wohnungstür, gut einsehen können.

Die Wohnungstür ist aus mehreren Gründen wichtig, da wir so immer auf dem neuesten Gästestand sind und wir außerdem mitbekommen, wann sich die ersten Gäste verdrücken. Wenn nämlich die ersten Gäste verschwunden sind, können wir uns auch ohne schlechtes Gewissen langsam in die Hamburger Partyszene verabschieden.

Es klingelte und Fiete ging zur Tür. Mein schlechtes Gewissen wegen der Teppichsauerei stieg in mir auf und Bianca die blöde Nuss, grinste mich einfach nur blöde an und sagte:

„Vielleicht hast Du ja Glück und der Besuch hat das Licht im Treppenhaus nicht angemacht. Fiete würde Dein Kunstwerk dann gar nicht sehen können“, natürlich war ihr selber klar, dass diese Möglichkeit extrem unwahrscheinlich ist. Doch bevor ich etwas dazu sagen konnte hatte Fiete schon die Tür geöffnet.

„Was ist denn das für eine Einstellung von Dir? Du hättest ja ruhig im Treppenhaus fegen können. Allerdings ist das mit den Sägespänen und dem Konfetti auf dem Teppich bestimmt keine schöne Aufgabe“, hörte ich eine Männerstimme aus dem Treppenhaus sagen, ohne jemanden dabei zu sehen. Allerdings kam mir die Stimme irgendwie bekannt vor.

„Du Idiot, musst Du Fiete direkt mit der Nase draufstoßen?“, während ich dieses dachte, fing mein Gehirn schon mit dem Grübeln an. Es grübelte darüber, woher es die Stimme des mir noch nicht sichtbaren Menschen aus dem Treppenhaus kannte.

„Den Typen kenne ich irgendwoher. Zumindest kenne ich seine Stimme“, während ich Bianca dieses erzählte, wechselten Fiete und der Typ aus dem Treppenhaus ihre Positionen. Fiete stieß ein lautes:

„Das gibt es doch nicht!“, aus, während er seinen Blick auf das Treppenhaus lenkte.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, waren auch meine Worte, als ich nun den Typen im Flur sehen konnte.

„Was kann nicht wahr sein?“, wollte Bianca nun berechtigter Weise von mir wissen.

„Diesem gestriegelten Lackaffen habe ich vorhin den Parkplatz geklaut. Ich glaube, er ist bestimmt nicht gut auf mich zu sprechen. Immerhin hat er sich gerade unbewusst bei mir gerächt, da er Fiete auf das von mir angerichtete Chaos im Treppenhaus hingewiesen hat.“

„Mensch Ben, das ist Götz Falkenstein“.

„Götz wer?“

„Sag nicht, dass Du Götz Falkenstein nicht kennst?“

„Sorry Bianca, aber einen Götz Falkenstein kenne ich beim besten Willen nicht. Woher kennst Du diesen Typen denn?“

„Na zum einen ist er seit vielen Jahren der Anwalt von Lola und zum anderen ist Götz Falkenstein der Anwalt aus „Neue Fälle jeden Tag“.“

„Neue Fälle jeden Tag? Was zum Kuckuck ist denn das?“

„Aber Ben! Du kennst wirklich nicht die tägliche Anwaltsserie „Neue Fälle jeden Tag“? Die läuft auf irgendeinem Privatsender doch immer gegen vierzehn Uhr.“

„Um diese Zeit muss ich immer arbeiten! Aber auch wenn ich es nicht müsste, würde ich mir garantiert keine Anwaltsserie mit diesem Lackaffen ansehen.“

Überschwänglich begrüßte nun auch Lola diesen lackaffigen TV-Anwalt.

Bianca und ich zog es währenddessen wieder in die Nachspeisenecke zurück und Fiete ging mit einem Staubsauger bewaffnet in die Richtung der Wohnungstür, um sich direkt mit der Reinigung des Treppenhauses zu beschäftigen.

„Wie ist Lola denn zu diesem TV-Anwalt gekommen?“, wollte ich natürlich von Bianca wissen und bekam selbstverständlich auch eine Antwort von ihr. Bianca ist nämlich jemand, der alles weiß. Ich meine jetzt nicht, dass sie bei unserem TV-Liebling Herrn Jauch immer ohne große Probleme, bis zur Millioneneurofrage durchmarschieren würde. Aber alles, was es in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis an Verstrickungen und Verwicklungen gab, dass wusste sie.

„Lola kannte Götz Falkenstein schon lange, bevor er das Angebot als TV-Anwalt bekommen hatte. Sie wuchsen beide im Osten auf und sind damals zusammen zu uns rüber gekommen.“

„Zusammen?“

„Ja, zusammen! Die beiden waren ein Paar und sind danach immer gute Freunde geblieben.“. Die Türklingel unterbrach unser Gespräch.

„Wer mag denn das noch sein“, fragte ich mich und hörte Bianca sagen

„Das wird bestimmt Dein Zwillingsbruder Hasi sein.“

„Nein, Hasi kann heute leider nicht hier sein. Er ist geschäftlich für uns unterwegs.“

„Geschäftlich für Euch unterwegs?“, wiederholte Bianca und sah mich fragend an.

„Lass dich überraschen. Ich werde nichts weiter dazu sagen. Aber nenn Hasi nicht immer meinen Zwillingsbruder. Brüder kann man sich nicht aussuchen. Beste Freunde schon! Hasi und ich kennen uns schon seit einer Ewigkeit und er ist mein bester Freund“, da Bianca wusste, dass ich sowieso keine weiteren Fragen zu diesem Thema beantworten würde, wechselte sie das Thema wieder zurück zum klingeln an der Tür.

„Dann habe ich auch keine Idee, wer jetzt noch kommen könnte“. Die Wohnungstür öffnete sich und Fiete kam, zusammen mit einer Frau, zurück in die Wohnung.

„Na Fiete, bist Du fertig mit dem Großputz?“, rief ich quer durch die Küche und hatte die Lacher auf meiner Seite.

„Nein, ich habe nur kurz Pia nach oben gebracht. Pia war nämlich noch nie bei uns und deshalb wollte ich sie kurz vorstellen. Danach muss ich noch eine Weile im Treppenhaus putzen.“

„Aber Fiete, nun höre doch mit diesem blöden putzen auf. Genieße lieber ein wenig Deine Feier und trink einen mit uns.“

„Nein Ben, erst mache ich das Treppenhaus fertig. Es dauert auch nicht mehr sehr lange.“

„Na gut, dann werde ich dir ein kühles Bier aufbewahren. Sag mal Fiete, willst Du uns den neuen Gast nicht vorstellen?“

„Doch, natürlich! Entschuldigt mein Benehmen. Die Dame zur linken ist Bianca König und der Herr zur rechten ist mein Freund Benjamin Bertram, genannt Ben.“ Bianca nickte freundlich und ich lächelte die eben eingetroffene Frau an.

„Endlich ist auch ein netter Anblick auf dieser Party eingetroffen“, waren meine Gedanken, während meine Augen unseren neuen Gast fixierten. Sie war auf den ersten Blick gar nicht mein Typ. Ihre Haare waren kurz und dunkel und nicht, so wie ich es viel lieber mag, blond und lang.

Allerdings war irgendetwas anders an dieser Frau. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr wenden. Ihre Augen zogen mich fast magisch an und ihrem freundlichen Lachen konnte ich nicht widerstehen.

Ihre Natürlichkeit wirkte echt und die sportlich legere Kleidung unterstrich ihre tolle Figur. Sie war ganz anders als das Bild von meiner Traumfrau aber vielleicht hatte ich genau deshalb plötzlich ein Gefühl in mir, welches ich bisher nicht kannte und mit dem ich so plötzlich auch gar nichts etwas anfangen konnte.

Pia

„Das ist Pia“, hörte ich Fiete sagen.

„Entschuldigung, Pia Falkenstein!“, wiederholte Fiete nun höflich.

Alle meine schönen Gedanken waren auf einmal verflogen. Ich fühlte mich, als wenn ich eben von Mike Tyson, allerdings zu seiner besten Zeit, einen rechten Leberhaken bekommen hätte.

„Pia Falkenstein?!“, wiederholte ich und hoffte, mich verhört zu haben.

„Ja, genau“, sagte Pia zu mir und ihre total sympathische Stimme machte meine letzte Hoffnung, mich verhört zu haben, zunichte.

Mit einem: „Ich wünsche noch einen schönen Abend“, verschwand Pia Falkenstein genauso schnell, wie sie auch gekommen war, von uns aus der Küche.

Pia stellte sich zu ihrem Götz und Fiete ging zurück in sein Treppenhaus, um weiter fleißig meinen Dreck zu entfernen.

Ich hatte gerade, meiner Meinung nach allerdings viel zu schnell, meine gerechte Strafe für die Treppenhausaktion erhalten.

Der Abend wurde später und so langsam mochte ich nicht mehr hier in der Küche von Lola und Fiete stehen. Bianca ging es ähnlich und als endlich die ersten Gäste dabei waren sich zu verabschieden, nutzten auch wir die Situation und machten uns aus dem Staub. Im Treppenhaus konnten wir Fiete beobachten, wie er dabei war, die letzten Stufen zu putzen.

„Denk daran, die blauen Säcke nicht wieder vor die Tür zu stellen. Nicht, dass irgendein Witzbold den ganzen Mist wieder auf der Treppe verteilt“, rief Bianca und Fiete erschrak sich, da er uns gar nicht bemerkt hatte.

„Den Fehler mache ich nur einmal. Wenn ich den erwische, der den Scheiß gemacht hat, werde ich ihm richtig was erzählen.“

„Viel Glück beim ermitteln und noch einen tollen Geburtstag“, waren meine Worte zur Verabschiedung und irgendwie fand ich meine Worte im Nachhinein ziemlich gemein. Immerhin hatte Fiete fast die gesamte Zeit seiner Feier im Treppenhaus verbracht. Aber Dummheit muss bestraft werden und somit hat er es auch nicht besser verdient.

Bianca drückte Fiete noch einen Abschiedeskuss auf die Wange und schon waren wir auch in der Hamburger Nacht verschwunden. Das erste Taxi war unseres und auf dem Weg in die City haben wir, natürlich, noch viel über Fietes Geburtstagsparty gesprochen.

„Wie fandst Du die Party heute Abend eigentlich?“, fragte Bianca kurz bevor wir in der Innenstadt aus dem Taxi stiegen.

„Wie immer!“, sagte ich und mir war klar, dass ich Bianca eben angeflunkert hatte. Meine Gedanken waren nämlich seit einigen Stunden nur noch bei Pia.

„Warum musste Pia heute bloß bei Fiete auftauchen? Warum ist Pia mit so einer Bratze wie Götz Falkenstein verheiratet? Warum musste ich die ganze Zeit an Pia denken? Und warum gefiel sie mir so sehr, obwohl sie doch gar nicht mein Typ war?“, aus diesen Gedanken riss mich das Kurzmitteilungssignal meines Handys.

„Hasi!“, sagte ich und las seine Nachricht.

„Was will er und wo steckt er? Sag schon!“

„Wenn Du es unbedingt wissen willst, sage ich es Dir natürlich! Er ist relativ weit weg, sagen wir ungefähr zweihundert Kilometer und er bestellt uns WUNDERBAR(e) Grüße.“

Abfahrt

Die Abende mit Bianca sind immer sehr anstrengend und so fühlte ich mich am nächsten Morgen auch ganz schön gerädert, als ich nach nur drei Stunden Schlaf um 7:45 Uhr unsanft von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich sprang unter die Dusche und ließ mir währenddessen von meiner Kaffeemaschine einen starken Kaffee zubereiten.

Meine Tasche hatte ich schon gestern Nachmittag gepackt und so brauchte ich heute nur noch meinen Kulturbeutel in die Tasche zu werfen und mich anzuziehen. Pünktlich um kurz vor Zehn stand ich am Autozug in Niebüll und wartete darauf, dass das Verladen der Autos beginnen würde.

Am Kiosk hatte ich mir vorher noch schnell ein Brötchen, eine Zeitung und einen Kaffee ordern können - und da ging es auch schon los.

„Bitte nach oben!“, sagte ich beim losfahren leise zu mir selber und mein Flehen wurde auch erhört. Als ich an meinem Platz auf dem Autozug angekommen war zog ich die Handbremse an und legte den ersten Gang ein.

Kurz nachdem mir über Mikrofon von einer netten Frauenstimme eine gute Fahrt gewünscht wurde, ging es dann auch los.

Unaufhaltsam näherte sich der Autozug „meiner“ Insel und schon in wenigen Minuten würde ich wieder den Boden von Westerland auf Sylt betreten. Schon unzählige Male war ich auf dieser Insel und doch war ich heute extrem aufgeregt, da dieser Besuch ein ganz besonderer für mich sein würde.

Der Zug fuhr in den Bahnhof von Westerland ein und ich sah unten, an der parallel zu den Gleisen laufenden Straße, jemanden winken.

„Schön, dass Du da bist! Ich habe uns einen Tisch in der Badezeit reserviert“, hörte ich Casimir sagen, während er zu mir in den Wagen sprang.

„Moin Hasi, was gibt’s Neues zu berichten? Hast Du hier auf der Insel alles im Griff?“

„Na klar! Hier läuft alles bestens und die Frauen sind schön wie eh und je.“

„Was macht das Anwesen?“

„Entspann dich Ben. Ich habe doch gesagt, dass alles bestens läuft. Wir fahren jetzt lecker Frühstücken und dann besprechen und regeln wir alles weitere.“

„OK! Auf das Frühstück in der Badezeit freue ich mich ja auch schon den ganzen Morgen.“

Nach wenigen Minuten Fahrzeit kamen wir bei dem Haus an, in dem wir immer wohnen wenn wir auf Sylt sind. Wir stellten meinen Jeep auf dem Parkplatz direkt hinter dem siebziger Jahre Bau, mit den gelbgrün schimmernden Balkonen, ab und freuten uns auf die ersten Schritte am Strand.

Dieser Bau resultiert noch aus der Zeit, in der versucht wurde, viele Wohnungen für viele Urlauber schnell und günstig hochzuziehen. Zum Glück gibt es davon nicht allzu viele und doch fühlen wir uns in den Wohnungen, in diesem Bau, immer sehr wohl. Nun ja, eigentlich ist es so, dass wir die meiste Zeit draußen sind und wir die Wohnung immer nur zum schlafen benutzen.

Somit ist es uns relativ egal, wie neu die Einrichtung ist und, dass die Wohnung mit ca. fünfunddreißig Quadratmetern nicht übermäßig groß ist. Der wichtigste Punkt für uns ist allerdings die Nähe zum Strand und im September beim Surf-Cup, die Nähe zum Partyzelt.

Na ja, der Preis ist auch noch günstig, weil so groß ist unser Portemonnaie halt nicht.

„Welche Wohnung haben wir?“

„Wie immer ganz oben und mit Blick nach vorne“, antwortete Hasi und griff dabei nach einer meiner Taschen.

„Lass uns doch erst in die Badezeit gehen. Ich habe mächtigen Hunger!“, sagte ich und Hasi ließ die Tasche wieder los.

Da wir nur über den Strandübergang und keine zweihundert Meter nach rechts gehen brauchten, wären wir eigentlich nach wenigen Minuten da gewesen.

Wir mussten nur kurz neben dem Strandübergang am Kiosk halten, um den Besitzer Arne zu begrüßen. Wir standen an einem seiner Bistrotische neben seiner selbstgemalten Speiskarte, die eine große Überschrift mit dem Titel „Soooo lecker!“ trug.

Während Arne für Hasi eine Heiße Schokolade mit Amaretto und für mich einen Kaffee fertig machte, grinsten wir beide über dieses Schild. Denn die Gerichte wechselten häufig, doch die Überschrift blieb.

Mit dem Satz, dass ich meine Eltern grüßen soll, verabschiedete sich Arne von uns und wir gingen weiter. Endlich zum Strand, endlich zur Badezeit, endlich zum Frühstück und vor allem, endlich zu den Informationen, auf die ich sehnsüchtig wartete.

Natürlich hatte Hasi für uns einen Tisch direkt am Fenster reservieren lassen. Von hier hat man einen tollen Blick auf die Promenade, den hellen gepflegten Strand und auf das weite Meer. Ich liebe diesen Blick und es ist schon seit vielen Jahren mein Traum, hier eine kleine Ferienwohnung zu besitzen oder sogar hier etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.

Kaum hatten wir uns hingesetzt, wanderte mein Blick hinaus auf das Meer und meine Gedanken kreisten um die Insel. Zu dieser Jahreszeit ist es für Sylter Verhältnisse noch relativ leer auf der Insel. Die Strandkörbe stehen in ihren Winterquartieren und in den Lokalitäten bekommt man gutgelaunte und freundliche Bedienungen zu Gesicht. Alles läuft ruhig und gesittet ab. Sogar die bestellten Essensportionen wirken größer und bei Sonderwünschen wird man nicht mit bösen Blicken gefoltert. Ich blickte nun an den Strand und sehe den dick eingemummelten Spaziergängern dabei zu, wie sie direkt unten am Wasser Steine und Muscheln sammelten. Gleich da vorne spielen kleine Kinder mit Eimer und Schaufel am Strand und bauen Sandburgen. Immer öfter schießen mir dabei Gedanken in den Kopf, bei denen ich mich als Papa sehe und ich mit meinem Kind ebenfalls Sandburgen baue.

„Immerhin bin ich bereits über dreißig Jahre alt und daher müsste ich wohl langsam Gas geben. Wie schade, dass Pia mit diesem Lackaffen verheiratet ist.“

„Was hast Du gesagt?“, fragte mich Hasi plötzlich.

„Ich? Nichts! Ich habe wohl nur laut gedacht“, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich meine Gedanken teilweise leise vor mich hin gebrabbelt hatte.

„Wer ist denn diese Pia?“

„Ach die. Die war auf dem Geburtstag von Fiete und ist mit diesem TV-Anwalt Götz Falkenstein verheiratet.“

„Dich hat es wohl voll erwischt“, sagte Hasi im selben Moment als die Bedienung vorbei kam, um unsere Bestellung aufzunehmen und um mich unbewusst zu retten.

„Was darf ich Euch bringen?“

„Wir nehmen zweimal das Frühstück „Badezeit“, eine heiße Schokolade mit Amaretto und eine Schale Milchkaffee“

Mit einem freundlichen: „Das bringe ich gerne“, verließ uns die Bedienung und Hasi kam auf das Thema Pia zurück.

„Was ist nun mit dieser Pia? Hattet Du etwas mit ihr?“

„Nein, es war nichts zwischen uns. Wir haben uns nur ganz kurz auf dem Geburtstag gesehen und begrüßt. Allerdings ist sie eine tolle Frau!“

„Ihr habt euch wirklich nur kurz begrüßt und Du bist so hin und weg?“

„Wir haben uns wirklich nur ganz kurz begrüßt. Gegen so einen TV-Star habe ich doch sowieso keine Chance. Lass uns einfach das Thema wechseln“, zum Glück wurde jetzt unser Frühstück gebracht und so war zunächst eine gefräßige Stille an unserem Tisch.

Mir tat diese Stille gut, da ich weder Lust hatte über Pia zu reden, noch mir weitere Gedanken über diese tolle Frau zu machen.

„Darf ich abräumen? Kann ich noch etwas bringen?“, wir sahen uns an und entschieden uns, noch einen weiteren Milchkaffee und eine weitere Schokolade mit Amaretto zu bestellen. Nachdem wir unsere Getränke bekommen hatten, sah Hasi mich an und grinste.

„Möchtest Du dich lieber über unsere Zukunft oder über Pia unterhalten?“

„Über Pia gibt es nichts, was ich Dir nicht schon erzählt habe und außerdem bin ich total neugierig auf die neuesten Infos. Also schieß los!“

„Ich war gestern mit dem Anwalt auf dem Anwesen. Dafür, dass die drei Häuser und die Scheune seit vielen Jahren leer stehen, ist alles ziemlich gut erhalten. Ich verstehe allerdings noch immer nicht, warum plötzlich gerade Du dieses Schreiben bekommen hast und Dir dieses Anwesen übertragen wurde.“

„Ich habe wirklich keine Ahnung! Die Recherchen vom Anwalt und dem Testamentsvollstrecker haben angeblich keinerlei Aufschluss darüber gegeben, warum ich und vor allem von wem ich dieses Grundstück mit den drei Häusern und der Scheune darauf vererbt bekommen habe. Ich habe mich nun dazu entschlossen, mich zunächst einfach nur darüber zu freuen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nochmals mit neuen Recherchen zu beginnen. Wir haben in den nächsten Wochen und Monaten sowieso reichlich zu tun, wenn wir unseren Plan tatsächlich durchziehen wollen.“

„Was heißt, wenn wir unseren Plan durchziehen wollen? Es ist seit Jahren Dein Traum, jetzt hast Du die Möglichkeit dazu ihn zu verwirklichen und ich werde Dir dabei helfen. Ich werde dich unterstützen so gut ich es kann und zu zweit werden wir es schaffen.“

„Danke Hasi, Du bist der Beste!“

„Komm Ben, wir müssen los! - Junge Frau, ich möchte zahlen.“

Wir machten uns auf den Weg zu meinem Jeep und holten die Taschen heraus. Nachdem wir diese in unser Appartement gebracht und ich meine Sachen noch schnell im Schrank verstaut hatte, gingen wir los. Wir mussten nur einige Minuten laufen, bis wir in Alt - Westerland ankamen.

Nach drei kleinen Kreuzungen kamen wir zu einem schmalen Sandweg, welcher uns durch kleine und vom starken Nordseewind verbogene Kiefern führte. Während wir auf dem Weg unter den Kiefern hindurch gingen dachte ich, dass hier gerade noch Autos durchpassen könnten. Als wir nun nach knapp hundert Metern auf dem eigentlichen Grundstück ankamen, verschlug es mir fast die Sprache.

Wir waren bereits vor einer Woche hier und ich hatte mich sofort in dieses Anwesen verliebt. Danach blieb Hasi auf der Insel und ich klärte verschiedene Dinge in Hamburg. Doch jetzt, bei strahlendem Sonnenschein und diesem Gefühl, dass dieses Anwesen nun tatsächlich bald mir gehören würde, wurde meine Stimmung fast melancholisch.

Ich war dabei, mir meinen Traum zu verwirklichen und das schönste daran war, mein bester Freund half mir dabei.

Mein Anwalt Herr Hüner und Herr Bartel, welcher mir von Lola empfohlen wurde und den ich mir daraufhin als Makler ausgesucht hatte, waren bereits auf dem Anwesen und sahen sich den verwilderten Vorgarten an. Ich strahlte als ich die Herren begrüßte und da Hasi Herrn Bartel bereits kannte, brauchte ich ihm nur meinen Anwalt vorzustellen.

„Guten Tag, Herr Hüner. Darf ich ihnen Herrn Casimir Gockel vorstellen? Herr Gockel ist derjenige, mit dem ich dieses Anwesen führen werde.“

„Guten Tag, Herr Gockel. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen. – Tja, Herr Bertram, da haben Sie aber ein schönes Anwesen geerbt. Haben Sie auch schon eine Idee, was sie mit diesem Anwesen anstellen wollen?“

„Ja, habe ich!“, antwortete ich und grinste Hasi an.

„Ich werde zusammen mit meinem besten Freund versuchen meinen, nein es muss heißen, unseren Traum zu leben.“

„Was bedeutet diese Aussage?“, wollte Herr Bartel nun von mir wissen.

„Das Herr Bartel, möchte ich noch nicht verraten. Lassen Sie sich einfach überraschen.“

„Da bin ich aber gespannt. Wollen wir jetzt zu den Formalitäten kommen?“

„Sehr gerne“, sagte ich und nun gingen wir in die Richtung des kleinsten Hauses vom Anwesen.

Herr Bartel holte ein Schlüsselbund aus seinem biederen Aktenkoffer und schloss die Tür auf. Durch einen Flur kamen wir in die große Wohnküche, in der wir uns an einen schweren alten Küchentisch setzten. Beide Herren holten viele Unterlagen aus ihren Koffern und schon begann ich damit, meine Unterschriften unter diese Verträge zu setzen. Als wir endlich mit der ganzen Vertragsangelegenheit fertig waren und ich alle meine Papiere überreicht bekommen hatte, fiel ich erleichtert gegen die Stuhllehne.

„Jetzt gehört tatsächlich alles mir. Hoffentlich schaffen wir alles so, wie wir es uns wünschen. Hoffentlich können wir die Umbauten alle bezahlen und hoffentlich lässt uns unsere Bank nicht im Stich“, Hasi konnte anscheinend meine Gedanken lesen und flüsterte mir zu:

„Hey Ben, mach Dir bloß keinen Kopf! Wir werden das Ding hier gemeinsam durchziehen und wir werden es schaffen.“

„Dann wäre ja fast alles geklärt“, sagte nun mein Anwalt, Herr Hüner, in die Stille der Küche hinein.

„Da kommt jetzt aber eine ganze Menge an Arbeit auf Sie zu, Herr Bertram“, sagte er weiter und sah mich an.

„Auf uns zu! Zum Glück ziehen wir das Vorhaben zu zweit durch“, während ich dieses sagte, fing mein Gehirn schon damit an, über die erste Aussage von Herrn Hüner zu grübeln.

„Herr Hüner, ich muss Sie noch etwas fragen. Was meinten Sie eben mit dem Satz „Dann ist ja fast alles geklärt“? Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?“

„Ja, Herr Bertram, so was gibt es! Können wir beide kurz unter vier Augen reden?“

Herr Bartel stand auf und verabschiedete sich von uns allen, da er alles geklärt hatte, was es aus seiner Sicht zu klären gab. Ich hatte alle Schlüssel und Papiere von Ihm erhalten und wir verblieben miteinander so, dass wenn etwas sein sollte, ich einfach auf Herrn Bartel zukommen würde.

Hasi blickte Herrn Hüner und mich etwas verwirrt an und stand ebenfalls auf. Zusammen verließen sie die Küche und gingen auf den Hof hinaus. Nachdem mein Makler gegangen war, stand Hasi allein auf dem Hof und sah sich um. Seine Gedanken sprangen abwechselnd zwischen unserer Zukunft und dem Gespräch in der Küche, zwischen mir und meinem Anwalt, hin und her. Fast dreißig Minuten lief Hasi in Gedanken versunken, auf dem Anwesen, auf und ab. Die Zeit verging dabei überhaupt nicht. Ständig sah er auf die Uhr seines Handys und es kam ihm vor, als wenn Minuten Stunden wären. Endlich ging die Tür auf. Mein Anwalt kam heraus und ging, mit seinem Aktenkoffer bewaffnet, zur Ausfahrt. Als er bei Hasi angekommen war, blieb er kurz stehen und verabschiedete sich mit den Worten:

„Auf Wiedersehen, Herr Gockel. Es war sehr nett, Sie kennen gelernt zu haben. Ich wünsche Ihnen ebenfalls, bei dem gemeinsamen Vorhaben, viel Glück.“

„Danke, Herr Hüner. Vielen Dank für Ihre Unterstützung und einen schönen Tag noch“

Jetzt stand Hasi wieder ganz alleine auf dem großen Hof.

Hasi blickte in Gedanken versunken auf die Häuser des Anwesens, um seinen Blick anschließend über den Garten bis hin zur Scheune zu lenken. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich von seinen Gedanken lösen konnte und wieder zum Haus hinüber ging.

Fast zaghaft öffnete er die Tür und mit langsamem Schritt ging er durch den Flur, um in die Küche zu gelangen. Er blickte zum großen Küchentisch, an welchem wir noch vor kurzer Zeit zu viert gesessen und etliche Papiere ausgebreitet hatten. Doch der Tisch war leer und keiner der Stühle war besetzt. Hasi sah sich in der großen Wohnküche um und erblickte auf dem Küchentresen meinen Papierhaufen.

Doch mich sah er nicht. Als er durch die Wohnküche hindurch zur großen Glasfront ging sah er, dass eine der beiden zur Terrasse führenden Glasschiebetüren, einen Spalt offenstand. Doch mich konnte er noch immer nicht sehen.

„Ben!? Bist Du hier?“

„Ja.“

Hasi hörte meine Antwort ganz leise und wie aus der Ferne klingend. Er ging auf die Terrasse hinaus und sah in den Strandkorb, welcher mit der Rückseite zur Terrassentür stand.

„Ach, hier bist Du. Hast Du dich versteckt?“

„Schau Dir diesen Ausblick an Hasi. Dieser Blick ist doch ein Traum. Oder?“

Hasi setzte sich nun neben mich und gemeinsam genossen wir diesen fantastischen Ausblick.

Das Anwesen grenzte an eine große Koppel, auf der Pferde standen und grasten. Hinter dieser Koppel kamen weitere Koppeln und irgendwo endete unser Blick in weiter Ferne an einem Deich, welcher diese Koppeln vom Wattenmeer trennte.

Es war Mucksmäuschen still, nur der Wind rauschte in den Gräsern und manchmal konnten wir die Laute der Möwen und anderer Vogelarten hören. Weit über uns kreisten zwei Raubvögel, am Himmel waren einige Kondensstreifen der Flugzeuge zu sehen und wir konnten beobachten, wie sich diese miteinander verschmolzen und sich danach langsam auflösten. Still saßen wir nebeneinander im Strandkorb und ließen die letzten Stunden Revue passieren. Es war schon ein komisches Gefühl sein altes, gar nicht schlechtes, Leben hinter sich zu lassen, um ein neues zu beginnen. Ein neues unbekanntes Leben, welches bestimmt mit viel Gefahr und Unwegsamkeit bestückt sein würde. Ein Leben, was man sich schon sehr lange gewünscht und erträumt hatte und doch auch ein Leben, vor dem man jetzt, wo es soweit war, auch etwas Angst bekam.

„Was wollte Dein Anwalt noch Wichtiges mit Dir unter vier Augen besprechen?“

„Das glaubst Du nicht. Ich glaube es ja selber auch noch nicht.“

„Aber es ist doch wohl nichts Schlimmes?“

„Nein Hasi, etwas Schlimmes ist es ganz und gar nicht!“, einige Augenblicke schwieg ich, bevor ich Hasi von meinem Gespräch mit dem Anwalt erzählte.

Als der Makler mit Dir die Küche verlassen hatte, griff Herr Hüner nach seinem Aktenkoffer und legte seine Unterlagen hinein. Er grinste dabei von Ohr zu Ohr und für seine Verhältnisse war dieses Grinsen sogar sehr geheimnisvoll. Nachdem alle Unterlagen verstaut waren, ließ er den Koffer geöffnet und nahm einen weiteren Din-A-4 Umschlag heraus.

Während er diesen Umschlag öffnete sagte er:

„So, Herr Bertram, jetzt wird es doch noch einmal förmlich. In diesem Umschlag habe ich noch einen weiteren, bisher nicht veröffentlichten Teil vom Testament. Nachdem Sie ja bereits wissen, dass dieses Anwesen seit wenigen Minuten ganz offiziell Ihnen gehört, möchte ich nun zum zweiten Teil vom Testament kommen. In diesem zweiten Teil ist folgendes geregelt:

Mein Erbe, Herr Benjamin Bertram, soll neben meinem Anwesen ebenfalls Hilfe bei der Umsetzung seiner Träume bekommen. Da Herr Benjamin Bertram nun dieses Anwesen mit drei Häusern und einer Scheune sein Eigen nennen kann und bestimmt nicht genügend Geld besitzt, dieses Anwesen zu renovieren und anstehende Umbauarbeiten durchzuführen, werden diese Arbeiten in einer Höhe von 750.000,- DM von mir beigesteuert. Dieses Geld wird nicht ausgezahlt, um so zu gewähren, dass das Geld nicht in andere Projekte gesteckt wird. Weiterhin verfüge ich, dass alle Rechnungen nur über meinen Testamentsvollstrecker und dem Anwalt von Benjamin Bertram bezahlt werden dürfen. Dieses hat nicht den Grund, dass ich Herrn Benjamin Bertram nicht traue, sondern einzig und allein den Grund, dass Benjamin Bertram keinerlei Erfahrung in solchen Dingen hat und nicht über den Tisch gezogen werden soll.

Gleichzeitig verfüge ich hiermit, dass Benjamin Bertram dieses Anwesen in den nächsten fünfundzwanzig Jahren nicht verkaufen darf. Er soll versuchen, seinen Traum zu leben!

Ich hoffe, Herrn Benjamin Bertram, mit diesem Teil des Testamentes, einen guten und einigermaßen unbeschwerlichen Start zu ermöglichen.

„Die Summe in DM resultiert daraus, da es zu der Zeit der Testamentsaufsetzung noch keinen Euro gab und daher wird die Summe einfach in Euro umgerechnet“, sagte mir Herr Hüner noch, nachdem er mit dem Verlesen fertig war.“

„Du spinnst“, sagte Hasi.“

„Nein! Es sind wirklich 750.000,- DM. Ich kann es nicht fassen und bin einfach nur sprachlos. Aber das bin ich ja bereits seit dem ersten Teil vom Testament. Wer es ist, der mir dieses wunderbare und traumhafte Erbe hinterlassen hat, konnte Herr Hüner mir allerdings nicht sagen. Er meinte nur „Ich kann es Ihnen nicht sagen, da ich es wirklich nicht weiß. Kommen Sie Morgen in mein Büro. Dort treffen wir uns mit Ihrem Makler und dann werden wir die nächsten Schritte wie Renovierung und Umbau einleiten.“ Wir verabredeten uns für elf Uhr und nun stehe ich hier mit Dir und bin superglücklich und total verwirrt.“

„Ich kann das alles nicht verstehen. Wer meint es nur so gut mit Dir Ben? Aber freue dich doch jetzt zunächst einfach nur darüber. Stress werden wir bald genug haben und wenn es so sein soll, dann wirst Du auch irgendwann erfahren, wer Dir zu diesem Erbe verholfen hat.“

Hasi und ich saßen noch eine ganze Zeit im Strandkorb und schwiegen. Erst als die Sonne dabei war, sich für diesen Tag zu verabschieden, standen wir auf. Wir schlossen das Haus ab und gingen zu unserer Einzimmerwohnung. Sylt war nun unsere neue Heimat, Hamburg unsere Vergangenheit und das Anwesen unsere Zukunft. Doch was ist unsere Gegenwart? Ist unsere Gegenwart unsere ungewisse Zukunft?

Nein, unsere Gegenwart ist das tolle Leben welches wir haben und alle Probleme hatten wir bereits gerade eben, bei unserem heutigen Abendessen, im Block-House beiseitegeschoben.

Als wir unser Essen beendet hatten, machten wir uns spontan auf den Weg in eine Bar.

Aber nicht in irgendeine Bar, sondern in die „Wunderbar“ und dort machten wir uns eine wunderbare Nacht. Genauso wie, Hasi, am Abend davor auch. Es war für die nächsten Wochen der letzte Abend, den wir auf Piste erleben konnten. Wir ahnten nur in diesem Moment noch nicht, wie viel Arbeit uns erwarten würde.

Mitten in der Nacht nahm ich Hasi in den Arm und sagte zu ihm:

„Hasi, Du hattest bei meiner Ankunft hier auf Sylt recht. Die Frauen hier auf der Insel, sind wirklich schön wie eh und je“.

Ich drehte mich nach links, prostete der netten blonden Frau zu und war glücklich.

Wie im Rausch

Die nächsten Tage und Wochen vergingen wie in einem Rausch. Hasi und ich waren auf „unserer“ Insel und hatten weder Zeit noch Lust, am Partyleben teilzunehmen. Tag und Nacht waren wir mit unserem Traum beschäftigt. Jede Minute wurde in die Verwirklichung unseres Zieles gesteckt und umso mehr genossen wir die wenigen kurzen Augenblicke der Ruhe.

Auf dem Anwesen tummelten sich die verschiedensten Firmen und ließen die Häuser nach und nach im neuen Glanz erscheinen. Zum Glück half uns der Anwalt Hüner sehr bei der Organisation und so konnten wir bereits nach kurzer Zeit in das kleinste der drei Häuser einziehen. In diesem Haus wollten Hasi und ich auch nach der Fertigstellung der anderen Häuser leben. Es war mehr als groß genug für uns beide, da dieses kleinste Haus schon aus zwei Ebenen, mit zwei getrennten Wohnungen, bestand.

Die untere Wohnung, in die ich eingezogen bin, war fast einhundertzwanzig Quadratmeter groß und bestand aus vier Zimmern mit Küche und Bad. Oben bei Hasi gibt es auf ca. neunzig Quadratmetern drei Zimmer und ebenfalls ein kleines Bad und Küche.

Die meiste unserer knappen privaten Zeit verbrachten wir in meiner großen Wohnküche und schmiedeten Pläne für unseren Traum. Wir hatten es jetzt schon Anfang Mai und unser Ziel, Ende Mai fertig zu sein rutschte, unserer Meinung nach, in weite Ferne. Allerdings beruhigte uns mein Makler Bartel immer wieder und da er bei solch großen Projekten eindeutig mehr Erfahrung besaß als wir, vertrauten wir seinen Worten.

Wieder einmal saßen wir bei einem Bacardi Cola in meiner Küche und waren kaputt und ausgelaugt vom anstrengenden Tag. Wir hatten noch immer unsere Arbeitskleidung an und blickten durch die offene Terrassentür hinüber zum Deich. Die letzten Bauarbeiter verließen gerade unseren Hof und endlich kehrte für diesen Tag Ruhe ein.

„Prost, Hasi! Auf uns, unseren Traum und die Zukunft“

„Prost, Ben!“, wir nippten an unseren Gläsern und sahen uns stolz an.

„Da haben wir wohl schon ganz schön was geschafft. Manchmal denke ich, es ist alles nur ein Traum und dann merke ich an meinem Rücken und an dem Muskelkater, dass es tatsächlich alles Realität ist.“

„Ja, so hart wie die letzten Wochen habe ich körperlich noch nie gearbeitet. Sag mal Ben, haben wir eigentlich auch an alles gedacht?“

„Ich glaube, an fast alles und an die Punkte, an die wir nicht gedacht haben, werden wir irgendwann von ganz alleine erinnert. Es gibt aber noch zwei Punkte, über die wir reden müssen.“

„Was ist es denn“, wollte Hasi wissen.

„Zum einen fahre ich morgen Mittag nach Hamburg, um meinen Laptop aus der Reparatur zu holen und um mit Sandra einen Kaffee zu trinken.“

„Warum willst Du denn mit Sandra einen Kaffee trinken?“

„Ganz einfach, weil Sandra uns wahrscheinlich sehr behilflich sein kann.“

„Sandra?“

„Ja, Sandra! Wie Du eigentlich wissen solltest, arbeitet sie in der Werbeagentur ihres Vaters und Werbung können wir zukünftig nun wirklich gut gebrauchen. Außerdem kennt sie sich durch ihren Job gut mit der Gestaltung von Internetseiten aus und eine solche wäre, glaube ich zumindest, eine gute Sache für uns.“

„Das stimmt. Um diese Computerdinge muss ich mich aber nicht kümmern. Oder? Du weißt doch, dass ich diesen Kram nie begreifen werde.“

„Keine Angst, darum kümmere ich mich.“

„Das ist schön. Was ist der zweite Punkt?“

„Wir brauchen noch mindestens zwei Angestellte“

„Was meinst Du damit?“

„Dass wir noch mindestens zwei Angestellte brauchen.“

„Sehr witzig!“

„Hasi, wenn wir hier alles soweit auf Vordermann gebracht haben und starten wollen, werden wir nie alles alleine schaffen. Da werden wir reichlich Hilfe benötigen.“

„Du hast ja recht. Aber woher wollen wir das Personal nehmen? Willst Du eine Annonce aufsetzen?“

„Nein. Wir brauchen Leute denen wir vertrauen können, Menschen die mit Herz und Idealismus dabei sind, die etwas Ähnliches schon gemacht haben und vor allem brauchen wir Leute, denen in der Anfangszeit das Geld nicht so wichtig ist. Immerhin wissen wir nicht, ab wann und ob überhaupt unser Traum funktionieren wird.“

„Woher willst Du denn solche Mitarbeiter nehmen? Die müssten wir uns wohl schnitzen.“

„Nicht unbedingt. Ich habe sogar schon eine Idee, wen wir fragen können. Wir müssen die Gespräche nur hier vor Ort auf unserem Anwesen und mit einer großen Überzeugungskraft führen.“

„Dann hast Du bestimmt Bianca im Kopf. Habe ich recht?“

„Ja, hast Du! Bianca ist die eine. Bianca will sich schon lange beruflich verändern und noch mal etwas ganz neues beginnen. Das können wir ihr hier eindeutig bieten. Außerdem ist Bianca verrückt genug, um an unserem Traum mitzuwirken und in der ersten Zeit auf Geld zu verzichten.“

„Das mit Bianca ist eine super Idee. Da haben wir bestimmt Chancen. Wer ist die andere?“

„Katrin“

„Katrin? Bist Du bescheuert? Was sollen wir denn mit der? Nur weil Katrin hier von der Insel kommt, muss sie doch nicht die richtige Mitarbeiterin für uns sein. So eine Wurst können wir doch nun wirklich nicht gebrauchen. Außerdem solltest Du eigentlich wissen, dass ich nicht mehr mit Katrin rede. Aber mach doch was Du willst, immerhin bist Du hier der Chef!“

Mit rotem Kopf, einer vor Wut und Enttäuschung angeschwollen Halsschlagader und mieser Laune, verließ Hasi die Küche und verkroch sich im Strandkorb auf der Terrasse.

Ich schob unsere Gläser auf dem Küchentisch zusammen und goss einen großen Schluck Bacardi hinein. Anschließend ging ich an den Kühlschrank und füllte die Gläser mit Cola und Eiswürfel auf. Mit den Gläsern in der Hand machte ich mich auf den Weg zu unserem Strandkorb. Hasi saß schräge im Strandkorb, wodurch ich keine Möglichkeit hatte, mich neben ihn zu setzen. Ich stellte die Gläser auf den Boden, hockte mich im Schneidersitz vor den Strandkorb und somit auch vor Hasi.

„Hier, trink!“, sagte ich zu Hasi und hielt ihm sein Glas entgegen.

„Ich habe keinen Durst“

„Keinen Durst auf Bacardi? Willst Du mich verarschen?“

„Ich will nicht! Und wenn Du meinst, mich so bestechen zu können, bist Du auf der falschen Fährte.“

„Warum sollte ich dich bestechen wollen?“

„Nur so!“

„Kannst Du jetzt endlich mit dieser albernen und kindischen Art aufhören?“

„Ich habe keine alberne und kindische Art!“

„Doch, hast Du!“

„Dann habe ich eben eine.“

„Wie lange willst Du jetzt beleidigt sein?“

„Ich bin nicht beleidigt.“

„Doch, bist Du. Auch wenn Du absolut keinen Grund dazu hast.“

„Keinen Grund? Klar habe ich einen Grund beleidigt zu sein.“

„Dann bist Du also doch beleidigt. Hab ich doch gewusst!“

„Ja, bin ich. Allerdings wohl auch berechtigter Weise.“

„Warum?“

„Sehr witzig. Muss ich Dir das wirklich erklären?“

„Ja, musst Du wohl.“

„Diese Psychotante hat mich verarscht und sie hat dazu auch wirklich einen Knall. Ich habe in Hamburg auf sie gewartet und sie ist einfach nicht gekommen. Ich bin nach Sylt gefahren und sie hat mich nicht am Bahnhof abgeholt und ich stand wie blöd in Westerland, weil sie sich gerade und plötzlich in einem Tief befand. Ich bin bei mir in Hamburg morgens wach geworden und habe einen Zettel mit den Worten „Sorry, musste zurück nach Sylt. Mir war danach, gefunden. Bitte Ben, wenn es irgendwie geht, dann lass Sie hier weg.“

Plötzlich schoss mir eine Situation in den Kopf. Eine Situation, die lustig und absurd zugleich gewesen ist.

„Sag mal Hasi, erinnerst Du dich noch an Deinen ersten Tanz mit Katrin? Damals beim Surf-Cup im Hangar, als Du sie an die Hand nahmst und mit ihr auf die Tanzfläche gegangen bist. Ihr standet in der Mitte der Tanzfläche und Du begannst damit, was auf einer Tanzfläche auch ziemlich normal ist, dich im Rhythmus der Musik zu bewegen. Katrin stand einfach nur da, bewegte etwas ihren rechten Arm hin und her und Du sahst sie erstaunt an. Nach einer Weile fragtest Du Katrin, ob sie dieses Lied nicht mag oder sie überhaupt nicht tanzen möchte und sie antwortete mit erstauntem Blick: „wieso fragst Du? Ich tanze doch“. Selten hatte ich dich so verlegen und mit einem solch roten Kopf erlebt.“

„Klar erinnere ich mich. Zu Weihnachten war ich kurz davor, ihr einen Tanzkurs zu schenken. Wenn unser Vorhaben hier nicht gelingt und wir etwas anderes aus diesem Anwesen machen müssen, können wir die Tanzmaus auf jeden Fall nicht zum Tabledance gebrauchen.“

„Stimmt! Aber das ist nicht der Grund, warum ich die Tanzmaus nicht fragen werde, ob sie hier arbeiten will.“

„Habe ich dich überzeugt? Du wirst sie nicht fragen? Da freue ich mich.“

„Nein, Hasi, Du hast mich nicht überzeugt. Allerdings hättest Du auch gar nicht versuchen müssen, mich zu überzeugen. Meinst Du wirklich, dass ich Dir hier die Tanzmaus angetan hätte?“

„Ich verstehe jetzt gar nichts mehr. Hast Du mich etwa nur verarscht?“

„Nein, habe ich nicht. Ich hatte allerdings nie vor, Katrin Tanzmaus zu fragen, ob sie bei uns arbeiten will.“

„Aber Du hast doch gesagt, dass Du sie fragen willst.“

„Ich habe gesagt, dass ich Katrin fragen will und daran hat sich auch nichts geändert. Ich meinte nur nicht die Tanzmaus, sondern Katrin aus Münster.“

„Du meinst die Bedienung aus dem Partyzelt, die uns beim Surf-Cup immer mit den leckeren und kostenlosen Drinks versorgt?“

„Ja, genau die meine ich.“

„Dann muss ich mich jetzt wohl entschuldigen.“

„Musst Du nicht. Nimm jetzt einfach endlich den Bacardi - Cola und stoße mit mir an“, ich reichte Hasi das Glas und mit einem Lachen prosteten wir uns zu.

„Darf ich jetzt mit in den Strandkorb?“

„Klar, komm her“, Hasi rutschte zur Seite und ich setzte mich neben ihn.

„Ich habe jetzt aber auch noch etwas zu bereden“, sagte Hasi und ich hatte das Gefühl, dass ihm bei diesem Worten etwas bedrückte.“

„Dann leg los“, sagte ich und lehnte mich mit meinem Glas in der Hand zurück.

„Es geht um oben“, sagte Hasi und deutete mit dem Kopf in die Richtung seiner Wohnung.

„Was ist mit oben? Hast Du Höhenangst und möchtest deshalb lieber hier unten wohnen?“, fragte ich lachend.

„Nein! Es ist nur, für die erste Zeit kann ich Dir keine Miete für die Wohnung zahlen. Ich habe kein Geld auf der hohen Kante liegen und werde erst dann Miete zahlen können, wenn wir die ersten Einnahmen einfahren.“

„Sag mal spinnst Du?“, rief ich in einem vielleicht zu lauten und schroffen Ton.

„Wer hat den etwas von Miete gesagt? Wir sind Freunde! Ich hatte das Glück, von einem unbekannten Erbonkel oder meinetwegen auch von einer Erbtante etwas zu bekommen, was ich sonst nie hätte erreichen können. Ich kann mir, zusammen mit meinem besten Freund einen Traum aufbauen und versuchen, diesen zu leben und Du fängst von Miete an. Ich brauche dich hier, ohne dich hätte ich das hier nie angefangen. Ich hätte nie im Leben den Mut gehabt, dies alles ohne dich durchzuziehen und nun kommst Du und willst Miete zahlen. Pass mal auf, ich stelle Dir jetzt eine Frage! Hättest Du, wenn Du derjenige mit der Erbschaft gewesen wärst, von mir Miete verlangt?“

„Nein, hätte ich nicht!“

„Siehst Du! Und nun Schluss, Ende und Aus mit diesem albernen Thema“, ich war während der letzten Worte aufgestanden und ging zur Terrassentür. Dort angekommen drehte ich mich um, führte mein Glas an den Mund und trank den Rest aus.

„Los Hasi, wir gehen duschen und ziehen uns um.“

„Warum so plötzlich?“

„Wir gehen zum feiern in die Wunderbar und geben dort heute endlich mal wieder so richtig gas. Ich glaube, wir haben es uns nach all dem Stress der letzten Wochen redlich verdient!“

Zurück

Von lauten Geräuschen wurde ich wach. Mein Blick ging hinüber zum Radiowecker und ich konnte die Zahlen Sieben, Zwei und die Acht erkennen.

Ich hatte gerade fünf Stunden geschlafen und war nicht wirklich fit genug um zu begreifen, was sich gerade in meiner Küche abspielte. Bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, ging auch schon die Tür zu meinem Schlafzimmer auf und zusammen mit Hasi, kam ein frischer Duft von starkem Kaffee in mein Zimmer herein.

„Aufstehen, der Kaffee ist fertig.“

„Bist Du verrückt? Wir waren erst kurz nach Zwei im Bett und ich musste gestern Abend bestimmt zehn von diesem süßen Erdbeerzeug mit Dir trinken. Von dem Bacardi - Cola ganz zu schweigen.“

„Das Erdbeerzeug heißt in Fachkreisen Erdbeerlimes und nun tu mal nicht so, als wenn es Dir nicht geschmeckt hätte. Immerhin habe nicht nur ich die Drinks bestellt und gezwungen habe ich dich zum trinken auch nicht.“

„Ist ja gut. Aber hast Du auf die Uhr gekuckt?“

„klar habe ich. Es wird Zeit, dass Du aus den Federn kommst. Dein Zug fährt um Neun.“

„Mein Zug?“

„Ja, Dein Zug! Oder hast Du vergessen, dass Du heute nach Hamburg musst, um dich mit Sandra zu treffen?“

„Nein, natürlich nicht. Aber warum mein Zug?“

„Weil ich heute den Wagen brauche. Ich muss einige Dinge erledigen, damit hier die Umbauarbeiten endlich zum Abschluss kommen. Hatte ich Dir das nicht gesagt?“

„Weiß nicht. Aber das ist ja auch kein Problem. Dann kann ich im Zug einige Papiere durcharbeiten. Übrigens, danke für den Kaffee.“

Kurz nach Neun fuhr der Zug vom Bahnhof Westerland ab und ich befand mich nach langer Zeit mal wieder auf dem Weg in meine eigentliche Heimat Hamburg. In Gedanken versuchte ich schon die passenden Worte für mein heutiges Gespräch mit Sandra zu finden.

Morgen wollte ich mich dann nacheinander noch mit Bianca und Katrin treffen. Die Gedanken für diese Gespräche vielen mir noch schwerer, da ich zwei Menschen von einem Plan begeistern musste, bei dem die Umsetzung noch nicht abgeschlossen und die Zukunft ungewiss war.

Da war das Gespräch mit Sandra schon einfacher. Allerdings hatte ich keine Ahnung wie sie reagieren würde. Aber das weiß man bei Frauen ja sowieso nicht und vor allem bei Ex-Freundinnen ist es sehr schwer, bei diesem Thema richtig zu spekulieren.

Immerhin war sie nicht abgeneigt, als ich sie zu einem Milchkaffee im Cliff einlud.

Das schwierigste daran, sich hier im Zug Pläne für die Gespräche zu machen war allerdings die Tatsache, dass meine Gedanken sich nur um Pia drehten. Mit jedem Kilometer den ich mich Hamburg näherte, wurden die Gedanken intensiver und meine Hoffnung darauf größer, Pia in Hamburg zu treffen. Ich wollte sie einfach nur sehen. Zufällig am Bahnhof oder an der Alster. Einfach nur kurz einen Blick von Ihr erhaschen und vielleicht einige Worte wechseln.

Mit einem „Schwachsinn, Pia hat doch ihren Anwalt“, versuchte ich nun zum hundertsten Mal die Gedanken an Pia beiseite zu schieben.

Da ich bisher immer, wenn ich in Hamburg bin bei meinen Eltern schlafe, führte mich auch heute mein erster Weg dorthin. Ich legte meine Tasche in mein ehemaliges Kinderzimmer, welches nun als Büro und Gästezimmer benutzt wurde, ab und bekam ein leckeres Mittagessen.

Mein Papa gab mir seine Autoschlüssel mit den Worten: “Fahre vorsichtig und parke nicht unter Bäumen. Du weißt, wie schwierig dieser Dreck immer vom Lack und von den Scheiben abgeht“. Mit diesen Ratschlägen im Gepäck machte ich mich auf den Weg zur Außenalster. Mit viel Glück fand ich sogar in der Nähe vom Cliff einen Parkplatz und kam so, relativ pünktlich bei meinem Treffen mit Sandra an.

Mein Weg zum Cliff führte mich über die Alsterwiesen und ich genoss diese Ecke von Hamburg, die wie ich finde, zu den schönsten Ecken der Hansestadt zählt. Wer die Alster und ihre schönen Stellen nicht kennt, der muss dieses unbedingt in naher Zukunft ändern. Die Alster fließt quer durch Hamburg und bietet in den unterschiedlichsten Stadtteilen die verschiedensten Möglichkeiten, sein Leben zu genießen. Mitten in der City ist die Binnenalster. Auf der, eine Art Springbrunnen, riesige Fontränen in die Luft stößt. Von hier fahren auch die vielen Alsterdampfer los. Direkt am Alsteranleger liegt das Szenelokal ALEX, von dem aus man an sonnigen Tagen so herrlich nach Menschen, insbesondere natürlich netten Frauen, Ausschau halten kann.

Durch die Lombards-Brücke und die Kennedy-Brücke wird die Binnenalster von der Außenalster getrennt. Hier liegt auch das Cliff mit einem tollen Blick aufs Wasser.

Einige der ganz reichen Menschen unserer Stadt sind hier angesiedelt. Es fahren Segelboote und in vornehmen Ruderclubs werden bis in den späten Abend hinein Geschäfte gemacht. Eines der größten Häuser, direkt am Wasser gelegen, gehört einer großen und reichen Hamburger Familie.

In diesem Haus gibt es alles, was man sich nur vorstellen kann. Falsch, eigentlich kann man sich nicht vorstellen, dass das Haus einen eigenen Bunker hat und komplett aus Granit besteht. Von den anderen Kleinigkeiten wie Hallenbad, Indoor Tennisplatz und weiteren Schickimicki ganz zu schweigen.

An diesem Haus fährt man bei den Alsterdampferfahrten vorbei und der Kapitän erzählt den Passagieren die Geschichte dieser Familie genauso, wie viele andere Geschichten über Häuser und Firmen am Alsterufer.

Da diese reiche Hamburger Familie mit dem Granithaus, der Alsterdampfergesellschaft gerichtlich verboten hat den Namen der Familie zu nennen, endet die erzählte Geschichte neuerdings mit „leider dürfen wir den Namen dieser Familie nicht mehr nennen. Wir haben lange überlegt, wie wir uns bei der Familie revanchieren können und sind nun zu dem Entschluss gekommen, dass wir einfach keinen TCHIBO - Kaffee mehr trinken werden!“

Ich glaube, dieses nennt man dann den trockenen Hanseatischen Humor.

„Mensch Ben, da bist Du heute tatsächlich nur fünfundzwanzig Minuten zu spät gekommen.“

„Ich habe dich auch vermisst liebe Sandra“, gab ich zur Antwort und nahm Sandra zur Begrüßung in den Arm.

„Keinen Kuss von Dir? Ben, Du enttäuscht mich.“

„Klar bekommst Du einen Kuss. Ich wollte nach so langer Zeit nur nicht so stürmisch sein.“

„Quatschkopf. Los komm her“, nun nahm mich Sandra in den Arm und als ich sie auf die Wange küssen wollte, drehte sie ihren Kopf so schnell und geschickt, dass sich unsere Lippen berührten und eh ich mich richtig wehren konnte, hatte ich ihre Zunge an meiner Zunge und aus einem harmlosen Begrüßungskuss, wurde ein langer und leidenschaftlicher „Ich hab Lust auf dich Kuss“.

„Schön, dass Du wieder in Hamburg bist und Du dich auch gleich mit mir treffen wolltest. Bleibst Du jetzt wieder in Hamburg? Haben Deine Träumereien endlich ein Ende und bist Du wieder vernünftig geworden? Wenn Du willst, kannst Du noch immer in der Agentur bei meinem Vater einsteigen. Einen kreativen Menschen wie dich, können wir absolut gebrauchen und wohnen kannst Du bei mir. Ich meine, natürlich nur solange, bist Du etwas Eigenes gefunden hast. Wenn Du willst, natürlich auch länger“, bei ihren Worten wählte Sandra ihren „ich Wickel dich um den Finger Flüsterton“ und sah mich mit ihrem „nimm mich jetzt und hier Blick“ an.

Wir hatten tolle Plätze direkt am Wasser und in der Sonne bekommen. Wahrscheinlich hatte sie reservieren lassen und dabei den einflussreichen Namen ihres Vaters benutzt. Das war mir in diesem Moment aber ausnahmsweise total egal, da dieser Platz einfach nicht anders zu bekommen war. Ich hatte mich schon häufiger hier im Cliff aufgehalten und der beste Platz, den ich für mich und meine Begleitung, trotz vorheriger Reservierung bekommen hatte, war in der dritten Reihe.

„Ich habe Hunger, wollen wir auch etwas essen?“

„Wenn ich dich vernaschen darf, reicht mir ein Milchkaffee“, während Sandra diesen Satz sagte, spürte ich, wie sie ihren Fuß unter dem Tisch entlang, zwischen meine Beine steckte und begann, ihn rhythmisch zu bewegen.

„Das ist auch eine nette Idee. Allerdings würde ich mich gerne vorher etwas stärken. Ich nehme Sauerfleisch mit Bratkartoffeln und ein Alsterwasser. Bestellst Du für mich mit? Ich gehe mal schnell für kleine Jungs“.

Ich stand auf und verließ unseren Tisch. Auf meinem Weg zur Toilette sah ich, hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt, Pia. Ich fühlte, wie mein Herz immer stärker klopfte und mein Hals ganz plötzlich so trocken wurde, dass ich das Gefühl hatte, nicht sprechen zu können. Pia sah mich nicht und auf meinem restlichen Weg zur Toilette dachte ich nur darüber nach, wie ich Pia gleich ansprechen oder wie ich sie auf mich aufmerksam machen könnte. Als ich zurück war, stand Pia gerade auf. Ich versuchte, um meine Chance auf ein paar nette Worte oder zumindest auf ein Lächeln zu wahren, durch die schmalen Wege zwischen den Tischen, zu ihr zu gelangen.

„Nur noch wenige Meter und ich habe sie erreicht. Was sage ich nur?“, dachte ich, kurz bevor ich mit dem Kellner zusammenstieß.

Ich klebte mit meinen Gedanken und leider auch mit meinen Blicken nur an Pia und übersah die junge Kellnerin, die ein volles Tablett mit Getränken und Kuchen trug. Wir beide saßen auf dem Boden und um uns herum eine große Pfütze aus Kaffee, Cola und Bier. Meine Sonnenbrille lag unter einem großen Stück Marzipantorte und auf mir lag ein bestimmt leckeres Stück Erdbeerkuchen. Die junge Kellnerin war von oben bis unten mit Bier und Cola überschüttet und auch die in der Nähe stehenden Tische, waren nicht glimpflich davongekommen.

Während ich mich aufrappelte und anschließend der Kellnerin ebenfalls auf die Beine half, sah ich wie Pia Hand in Hand mit diesem beknackten Anwalt Götz Falkenstein das Cliff verließ. Nachdem die beiden sich mit einem Kuss verabschiedeten, sah Pia zu mir herüber. Mit einem Schmunzeln drehte sie sich dann wieder um und verschwand.

Sandra

Mein Plan hatte leider funktioniert.

Ich hatte auf mich aufmerksam gemacht.

Leider nur auf eine ziemlich bescheuerte und undankbare Art und Weise. So hätte ich gerne darauf verzichtet.

Viel mehr als die blöden Blicke und dummen Sprüche der anderen Gäste beschäftigte mich jedoch die Tatsache, dass ich Pia nun zum zweiten Mal gesehen hatte und dabei wieder dieser blöde Ehemann von ihr dabei gewesen war. Wie gerne hätte ich Pia einmal alleine getroffen und ihr gesagt, wie sehr sie mir gefällt. Doch nach dieser Aktion wird sie sowieso nicht mehr mit mir reden. Wer will schon mit so einem Deppen reden, wenn man einen Staranwalt als Ehemann hat.

„Da bin ich wieder“, sagte ich zu Sandra, als ich nach einer ganzen Weile wieder bei ihr angekommen war. Bevor ich zu ihr, ging hatte ich mich wieder auf die Toilette verdrückt, um die Flecken zumindest einigermaßen aus meinen Klamotten zu waschen.

„Starker Auftritt von Dir Ben. Lernt man das als Insulaner?“

„Sehr witzig. Kann ich auch später lachen?“

„Ja, kannst Du. Sei jetzt aber zunächst einmal ganz vorsichtig. Da kommt unsere Kellnerin mit dem Essen“, Sandra lachte und ich lachte mit. Immerhin hatte ich in meinem bisherigen Leben gelernt, dass man auch über sich selber lachen können muss.

„Hast Du eben den berühmten TV-Anwalt Götz Falkenstein gesehen? Er ist gegangen, als Du Deinen grandiosen Auftritt hattest.“

„Nein, habe ich nicht. Außerdem kenne ich diesen blöden TV-Anwalt auch gar nicht.“

„Warum bist Du denn so genervt Ben?“

„Bin ich nicht. Ich habe nur Hunger! Guten Appetit Sandra.“

„Danke, wünsche ich Dir auch Ben.“

Sandra hatte sich eine Pizza bestellt und war wie üblich weit vor mir mit dem Essen fertig.

Auch wenn Sandra den ganzen Tag über wie ein Scheunendrescher irgendwelche Leckereien in sich reinstopfte, war sie trotzdem gertenschlank. Sie war eigentlich genau der Typ Frau, der mir schon immer gefiel und doch, fehlte mir etwas bei ihr. Sie hatte nicht dieses besondere, was ich seit vielen Jahren bei vielen Frauen suche und noch nie gefunden habe.

Ich kann gar nicht sagen oder beschreiben was genau ich suche, ich weiß nur, dass es irgendwo eine Frau geben muss, die dieses besondere in sich trägt und ich, werde diese Frau irgendwann finden.

Hasi meint zwar immer, ich werde als Single sterben und nie über meine drei bis vier Wochenbeziehungen hinauskommen, doch ich sehe es anders und außerdem, macht mir mein Leben ja auch so, eine ganze Menge Spaß.

„Für Pia würde ich mein Leben umstellen. Ich glaube, mit ihr könnte ich den Rest meines Lebens verbringen“, und schon wieder waren meine Gedanken bei ihr. Bei dieser für mich unerreichbaren Frau eines Staranwaltes.

Ein wenig ärgerte ich mich über mich selber und so beschloss ich, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Immerhin war ich hier, um mit Sandra über Internetseiten und Werbeprospekte zu reden. Besser gesagt, sie zu überzeugen, mir bei der Planung und Erstellung behilflich zu sein.

Sandra fing an, mit ihrer Gabel in meiner Salatbeilage zu wühlen und hatte sich bereits die Gurken und Tomaten zu eigen gemacht.

„Möchtest Du vielleicht gleich den ganzen Salat haben?“, fragte ich mit ironischer Stimme und bekam ein strahlendes,

„Ja gerne“, zur Antwort.

Beim Essen hört der Verstand von Sandra leider auf zu reagieren. Ich war meinen Salat los und bei meinen restlichen Bratkartoffeln war Sandra mir nun auch behilflich.

„Zwei Milchkaffee. Hallo Fräulein, wir würden gerne zwei Milchkaffee haben. Du möchtest doch auch einen?“

„Klar nehme ich einen. Wenn ich schon fast nichts von meinem Essen abbekommen habe, trinke ich doch zumindest einen leckeren Nachtisch.“

„Ach Ben, was Du immer hast. Aber eines muss ich Dir wirklich noch sagen. Ich freue mich, dass Du dich wieder bei mir gemeldet hast. Es ist schön, mit Dir hier in der Sonne zu sitzen und das Leben zu genießen. Ich fühle mich in Deiner Nähe total wohl.“

„Hier ist es aber auch wirklich sehr nett“, ich versuchte meine Antwort so neutral wie möglich zu halten, da ich merkte, welch starke Gefühle Sandra anscheinend noch immer für mich empfand. Der Milchkaffee wurde mit den Worten:

„Wir möchten Ihnen gerne als kleine Entschädigung für den Zusammenstoß vorhin, diesen Milchkaffee auf Kosten des Hauses ausgeben“, serviert.

Obwohl ich wusste, dass nicht die Kellnerin, sondern ich der Schuldige, eigentlich war ja Pia Schuld, an dem Zusammenstoß gewesen bin, nahm ich das Angebot dankend an.

„Siehst Du Sandra, meine Vorstellung hat sich doch gelohnt.“

Sandra stand auf und verließ mich, um ein dringendes Geschäft zu erledigen.

Ich rutschte auf meinem Stuhl in eine gemütliche Stellung, machte meine Beine lang und blickte, mit meiner Schale Milchkaffee in der Hand, auf die Alster.

Ich sah Enten und Schwäne auf dem Wasser und musste dabei zwangsweise an mein zuletzt gelesenes Buch von Niclas Sparks denken, da in diesem Buch ein Schwan eine wichtige und romantische Rolle spielt. Es war ein tolles Buch über die Liebe. Die meisten Männer und sogar einige Frauen bezeichnen die Bücher dieses Schriftstellers als Frauenbücher, was mir allerdings komplett egal ist. Ich gebe allerdings in der Öffentlichkeit nicht zu, dass ich bei jedem Buch von Niclas Sparks am Ende geweint habe.

Allerdings bin ich der Meinung, es ist nichts dabei, vor Freude Tränen in den Augen zu haben.

Außerdem hören Hasi und ich sowieso seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit sich der angeblich beste Fußballspieler Englands David Beckham als einer geoutet hat, von vielen Frauen und Männern, dass wir extrem Metrosexuell wirken.

Und metrosexuelle Männer, dürfen weinen!

Wir legen beide viel Wert auf gute Klamotten und ein gepflegtes Äußeres. Außerdem haben wir beide seit einiger Zeit unsere Köpfe rasiert und tragen somit eine Glatze.

Allerdings sind wir in der heutigen Zeit, wo eine Glatze nicht mehr ausschließlich mit Rechtsradikalen in Verbindung gebracht wird, hierbei ja nicht die großen Ausnahmen.

Weiter in der Mitte der Alster sah ich Tretboote und einige Segelschiffe kamen bei ihren Manövern dicht an das Ufer heran. Plötzlich sah ich sie.

Auf einem der Segelboote saß, mit den Füßen im Wasser baumelnd, Pia. Ich freute mich sie zu sehen und während das Segelboot langsam an mir vorbei fuhr, konnte ich ein Lächeln auf ihrem Gesicht erkennen. Sie sah mich, glaube ich, an und unsere Blicke trafen sich kurz aber intensiv. Am Steuer oder sagt man bei Segelschiffen Ruder? Saß natürlich Ihr Mann und Anwalt und strahlte über das ganze Gesicht.

Er sah nicht zu mir rüber, da er wahrscheinlich wusste, dass ein kleines Würstchen wie ich, keine Chance gegen ihn haben würde. Vielleicht sah er mich aber auch tatsächlich einfach nur nicht.

Nachdem das Segelboot fast an mir vorbei gefahren war, sah ich wie sich Pia nach mir umdrehte. Ich hob meine Hand, um ihr zu winken, bekam aber kein winken zurück. Langsam fuhr das Boot unter einer der Brücken hindurch und verschwand aus meiner Sichtweite.

„Wem hast Du denn da eben gewinkt? Kennst Du jemanden dort auf dem Wasser?“

„Nein, ich habe mich wohl verguckt“, meine Antwort war nicht einmal gelogen, da ich mich tatsächlich verguckt hatte. Allerdings war es ein anderes Vergucken als das, für welches es Sandra hielt.

Da ich Sandra nichts von meiner heimlichen Verliebtheit in Pia erzählen wollte, ließ ich meinen Satz einfach so stehen. Sandra war schon wieder von der Toilette zurückgekehrt und stand anscheinend bereits seit einigen Minuten hinter mir. Sie kam um den Tisch herum und setzte sich wieder, allerdings nicht ohne ihren Stuhl vorher dichter in meine Richtung zu schieben.

Gelber Porsche

Ich saß noch immer gemütlich und mit ausgestreckten Beinen auf meinem Stuhl, als sich Sandras Fuß unter dem Tisch hindurch, in meine Richtung bewegte.

Sie hatte Ihre Schuhe ausgezogen und führte ihren Fuß mit den knallrot lackierten Fußnägeln an meinem Bein entlang, bis sie zwischen meinen Beinen angelangt war. Sie grinste mich an und ihre Blicke waren ein Gemisch aus Unschuld und Verlangen.

„Ich hatte solche Sehnsucht nach Dir, Ben. Am liebsten würde ich dich jetzt auf der Stelle verführen.“

„Sandra hör auf. Ich möchte mit Dir etwas besprechen.“

„Das kannst Du auch. Aber alles zu seiner Zeit. Ich habe solche Lust auf dich und fühle mit meinen Zehen gerade, dass es Dir anscheinend genauso geht. Oder bist Du etwa als Klempner unterwegs und hast ein Ersatzrohr für arbeitstechnische Maßnahmen in der Hosentasche?“, sagte Sandra mit einem lasziven Unterton.

Ich konnte Sandra nicht widersprechen. Das, was sie mit ihrem Fuß zwischen meinen Beinen ertastete, konnte ich nicht leugnen und ich wollte es auch gar nicht. Ich war Single, hatte die letzten Wochen nur Renovierungen und Umbauten im Kopf und nun saß eine gutaussehende und leidenschaftliche Frau vor mir, die mehr als eindeutige Anspielungen machte.

„Ben ich zahle und dann fahren wir los. OK?“

„OK!“

Sandra hatte ihr Auto direkt auf dem Parkplatz am Cliff abgestellt. Wahrscheinlich hatte diesen Parkplatz auch ihr Vater reservieren lassen, da zwischen der Wahrscheinlichkeit von sechs Richtigen beim Lotto und diesem Parkplatz hier an dieser Stelle, kein großer Unterschied ist.

Sandras gelber Porsche Cabrio stand offen und frisch gewaschen in der Sonne und als wir am Wagen ankamen, warf Sandra mir die Schlüssel mit den Worten zu:

„Du fährst, ich muss mich um andere Dinge kümmern“, und stieg dann auf der Beifahrerseite ein.

Ich startete den Motor und fuhr los in Richtung Wellingsbüttel. Bereits nach wenigen Metern war auch mir klar, um welche anderen Dinge sich Sandra während der Fahrt kümmern wollte. Allerdings störten mich diese Dinge so überhaupt gar nicht.

Es war nur relativ schwierig für mich, mich auf den Verkehr, ich meine jetzt den Straßenverkehr, zu konzentrieren.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte lag Sandra noch tief und fest schlafend neben mir. Wir waren im Schlafzimmer ihrer großen Penthauswohnung.

Um das Bett herum lagen unsere Klamotten. Drei Flaschen lieblicher Rotwein und zwei Gläser standen auf dem Nachtschrank. Mein Kopf dröhnte etwas und ich war kaputt von der intensiven Nacht.

Es war kurz vor Neun als ich aufstand, um unter die Dusche zu gehen. Wo die Handtücher im Badezimmer lagen wusste ich noch von früher und so stand ich mit einem großen Badehandtuch bewaffnet zwischen der Dusche und der großen dreieckigen Badewanne. Ich hatte also die Wahl und entschied mich dafür, ein Bad zu nehmen. Ich ließ das Badewasser ein und warf einige der gut duftenden Badekugeln hinein. Das Radio gab gerade die Neunuhrnachrichten von sich, als ich mich in die Wanne setzte und sich zeitgleich die Badewannentür öffnete.

„Das ist aber ein Service. Daran könnte ich mich gewöhnen. Morgens mit einem Bad und einem so leckeren Mann in meiner Badewanne den Tag zu beginnen“, Sandra stand vor mir, nahm das große Quitscheentchen vom Regal und kam ohne etwas zu sagen zu mir in die Badewanne.

„Ich möchte mich für die schöne Nacht mit Dir bedanken. Es war total schön, dich in meiner Nähe zu haben. Ben, ich glaube ich empfinde noch immer viel zu viel für dich.“

„Na toll! Genau auf diese Situation hatte ich schon die ganze Zeit gewartet“, waren meine Gedanken. Ich sagte zunächst nichts und nahm Sandra einfach nur in den Arm.

Wie sollte ich ihr beibringen, dass ich diese Nacht eigentlich gar nicht wollte, ich aber ihre Hilfe benötige und mich danach wieder auf die Insel verabschieden werde. Ich kam mir gerade ziemlich blöde vor und sah meine Felle, in Bezug auf Hilfe von Sandra, wegschwimmen.

„Wie kriege ich die Kurve, ohne Sandra zu verletzen?“, waren die Gedanken in meinem Kopf, als Sandra mich aus diesen Gedanken riss.

„Du Ben, als ich dich gestern gesehen habe, fing mein Herz total an zu klopfen und meine Hände begannen zu zittern. Du bist noch immer der Mann meiner Träume.“

„Sandra hör auf mit solchen Worten. Du machst mich ganz verlegen.“

„Verlegen? Dich kann man nicht verlegen machen. Du bist so eingebildet und arrogant, dass mir kein Vergleich einfällt. Aber genau diese Art ist es, was ich so an Dir liebe.“

„Bitte Sandra höre auf. Das mit uns“, Sandra unterbrach mich und sagte:

„Nein Ben, es gibt kein uns und es wird uns auch niemals mehr als Paar geben. Ich kann dich nicht für mich alleine haben und teilen, teilen will ich dich nicht mehr.

Sei nicht böse Ben. Wir haben eine geile Nacht zusammen gehabt und solche Nächte können wir auch gerne weiterhin manchmal gemeinsam erleben. Aber eine Beziehung mit Dir, möchte ich nicht mehr führen. Bist Du jetzt sehr wütend auf mich? Ich hätte es Dir gestern sagen müssen, aber meine Gefühle für dich und mein Verlangen nach Dir, waren einfach zu groß.“

Ich atmete tief durch und war erleichtert.

„Ich kann dich verstehen Sandra. Wenn ich eine Frau wäre, würde ich mit mir auch keine Beziehung führen wollen. Aber mache Dir wegen gestern und wegen der letzten Nacht keine Gedanken. Ich bin nicht wütend auf dich und ich verzeihe Dir. Lass uns einfach Freunde sein.“

„Ben, Du bist klasse. Danke!“

Wir blieben noch eine ganze Weile in der Badewanne und machten die verrücktesten Sachen. Gegen Elf gingen wir zum Frühstücken ins Schweinske und dort besprachen wir meinen Traum und die dazugehörigen Prospekte und Internetseiten. Sandra war begeistert von meinem Plan und am frühen Mittag trennten sich unsere Wege. Sandra fuhr mich noch an die Alster zum Wagen meines Vaters und verabschiedete sich mit den Worten:

„Bis bald, toller Mann. Ich mache mich jetzt an die Arbeit und wenn ich fertig bin, melde ich mich bei Dir. Viel Glück und gutes Gelingen, Du Träumer.“

Nun stand ich vor dem Wagen meines Vaters und erkannte zunächst am Zettel, der am Scheibenwischer hing und kurz danach auch am Verkehrsschild, dass ich wohl doch keinen Parkplatz erwischt hatte. Allerdings würde meinem Papa dieses erst in einigen Wochen bekannt werden. Schlimmer war die Tatsache, dass der Wagen durch die Bäume völlig dreckig geworden war und ich schnell in die Waschanlage fahren musste. Auf dem Weg dorthin holte ich gleich meinen Laptop aus der Reparatur ab und prüfte sofort, ob ich nun überall meinen neuen Outdoor-Internetanschluss benutzen konnte. Es funktionierte und so schickte ich Hasi noch schnell eine Musikkarte mit der Melodie „Ja ich hab solche Sehnsucht, ich verliere den Verstand, ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach Westerland!“ auf sein Handy.

Küchentreffen

„Wann bist Du denn gestern wieder auf der Insel gewesen? Ich habe wohl schon geschlafen“, sagte Hasi, als er gegen acht Uhr am Morgen, in Boxershorts und einem T-Shirt mit der Aufschrift „Hamburger dürfen das!“, zu mir in die Küche kam.

Ich saß dort bereits fertig angezogen, bei meinem zweiten Kaffee und hatte für Hasi schon das Wasser für seinen Tee aufgesetzt.

„Kurz nach Mitternacht lag ich kaputt in meinem Bett und habe geschlafen.“

„Bist Du erfolgreich gewesen? War es mit den drei Mädels schön?“

„Ich habe mich mit vier Mädels getroffen.“

„Vier? Du wolltest dich doch mit Sandra, Bianca und Katrin treffen. Wer ist denn die andere?“

„Na überlege mal. Wenn ich schon in Hamburg bin, werde ich wohl auch meine Oma Anna besucht haben.“

Ich erzählte Hasi zunächst ausführlich von meinem Treffen mit Sandra, wobei ich natürlich viele der Einzelheiten ausgelassen habe.

„Jetzt warte ich auf einen Anruf von Sandra, damit wir bald mit den besten Werbeprospekten und der schönsten Internetseite starten können.

„Wie war es bei Oma Anna?“

„Schön wie immer! Sie ist eine ganz besondere Person für mich und ich habe ihr alle Neuigkeiten über die Planung und Erfüllung unseres Traumes mitgeteilt. Auch von der Neuigkeit meiner geerbten 750.000,- DM musste ich ihr erzählen und davon, wie unser Anwesen immer mehr wächst und gedeiht. Wie gerne würde ich Oma Anna hier alles zeigen.“

„Was haben die beiden anderen Mädels zu unseren Jobangeboten gesagt?“

„Nichts.“

„Gar nichts? Wollen sie nicht bei uns arbeiten oder überlegen sie es sich noch?“

„Weder das Eine noch das Andere. Ich habe nett mit ihnen geplaudert und habe dabei von beiden erfahren, dass sie in ihrem alten Job nicht mehr glücklich sind. Beide würden gerne woanders leben und etwas anderes machen. Nur Ideen, was sie machen wollen, haben sie nicht. Das Thema, bei uns anzufangen, habe ich dann lieber außenvorgelassen.“

„Warum? Du hättest die Chance nutzen müssen. Eine bessere Möglichkeit die Mädels zu überzeugen, bekommst Du nie wieder.“

„Doch, die bekomme ich!“

„Wie meinst Du das?“

„Ich habe Bianca und Katrin für nächstes Wochenende hierher eingeladen. Dann werden wir beide zusammen, hier auf unserem Anwesen, die Mädels überzeugen. Beide wissen nicht, was sie hier erwartet. Katrin steigt in Münster in den Zug und Bianca in Hamburg dazu. Ich habe gesagt, dass wir sie vom Bahnhof abholen und eine Überraschung für sie haben.“

„Klasse. Dann passt meine Überraschung für dich ja genau dazu“, sagte Hasi und stand mit einer Kopfbewegung, die mir signalisierte mitzukommen, auf. Ich ging hinter ihm her und als er die Haustür öffnete, blieb mir fast das Herz stehen.

Ich blickte auf den Hof. Der gesamte Vorplatz war aufgeräumt und viele neugepflanzte Büsche und Bäume strahlten in der Morgensonne. Die alten Sträucher waren in hübsche Formen geschnitten und Blumenbeete und Rasenstücke waren angelegt. Die Zufahrtsstraße war hübsch zurechtgemacht und die Bäume links und rechts davon, waren wie Torbögen geschnitten.

Es wirkte, als wenn man durch einen langen grünen Tunnel kommen würde. Kleine Zäune rahmten die Rasenstücke vor den Häusern ein und hinter dem großen Haus war ein Kräutergarten angelegt. Aus den vielen Findlingen wurde eine wunderschöne Steinlandschaft geschaffen und von unserem Haus waren die Fenster frisch gestrichen.

Ich sah Hasi sprachlos an und nach kurzer Zeit brachte ich nur die Worte „Ich war doch nur drei Tage weg. Wie hast Du das geschafft?“, heraus.

„Alles eine Frage der Planung. Mit dem Landschaftsunternehmen hatte ich schon seit längerem gesprochen und sie standen auf Abruf bereit. Als Du mir dann von Deinen Hamburg Plänen erzählt hast, habe ich die Leute sofort informiert und aktiviert und so war es möglich, die Sache durchzuziehen. Ich hatte gestern nur den ganzen Tag Angst, dass Du früher als erwartet zurückkommst. Aber Deine Mutter hat mit gut geholfen.“

„Deshalb war gestern Abend also dieses plötzliche Familienessen mit Oma Liesel und meinem Onkel. Jetzt verstehe ich.“

„Ja, das Roastbeef mit Bratkartoffeln und die Remoulade hast Du mir zu verdanken.“

„Hasi, Du bist klasse. Danke für alles!“

„Ich weiß! Jetzt komm aber endlich her und lass dich drücken. In der Scheune steht übrigens noch eine Überraschung für dich. Es ist ein Geschenk von mir.“

Als ich das Scheunentor geöffnet hatte sah ich dort zunächst nur meinen Jeep stehen. Als ich aber um ihn herum ging, viel mein Blick auf einen knallroten alten Vespa Roller.

Genau der Roller, wie ich ihn mir schon lange gewünscht hatte. Ich sah Hasi fragend an, da ich mir zum einen nicht erklären konnte, woher er diesen Roller hatte und ich mir außerdem die Frage stellte, warum er mir diesen jetzt und heute schenken wollte.

„Ich darf aber auch mal fahren“, sagte Hasi zu mir und drückte mich schon wieder.

„Klar darfst Du. Aber wie komme ich zu diesem Geschenk und wo hast Du den Roller her?“

„Der Roller stand unbenutzt und eingestaubt in der hintersten Ecke der Scheune. Vor zwei Wochen habe ich ihn in die Werkstatt gegeben und gesagt, dass ich ihn am dreizehnten Mai fahrtüchtig und sauber zurückhaben möchte. Tja, und gestern habe ich ihn dann dort wieder abgeholt.

Jetzt fiel es mir wie Schuppen aus meinen nicht vorhandenen Haaren.

„Wenn gestern der dreizehnte Mai war, ist heute wohl der vierzehnte“, sagte ich leise vor mich hin.

„Und somit Dein Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch zum dreiunddreißigsten Geburtstag, Du alter Sack.“

„Danke Hasi. Danke für den Garten, Danke für die Vespa und Danke für alles. Meinen Geburtstag hatte ich total vergessen.“

Diesen Tag kamen wir nicht dazu, viel zu erledigen.

Mein Handy stand einfach nicht still und spuckte eine Nachricht nach der anderen aus. Wenn ich nicht gerade dabei war meine Nachricht zu lesen, war ich am telefonieren oder E-Mails lesen.

Es war ein schöner Tag und ich ließ meinen Geburtstag ganz gemütlich zusammen mit Hasi auf der großen Terrasse im Strandkorb ausklingen.

„Nehmen wir noch einen letzten Drink?“

„Gerne!“

„Bleib sitzen Ben. Immerhin hast Du heute Geburtstag, auch wenn es nur noch zehn Minuten sind.“

Während Hasi in der Küche unsere Drinks mischte, klingelte mein Handy.

„Ich bring es mit“, rief Hasi aus der Küche und drückte mir kurz danach meine Bacardi–Cola in die eine und mein Handy in die andere Hand. Obwohl der Anrufer ohne Rufnummernübertragung anrief, meldete ich mich mit einem:

„Hallo Sandra.“

„Woher weißt du dass ich es bin?“

„Weil sonst niemand um diese Uhrzeit anrufen würde.“

„Was Du immer hast. Immerhin habe ich noch sieben Minuten Zeit, um Dir zu gratulieren. Mein aller herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag lieber Ben. Ich wünsche Dir, dass alle Deine Wünsche und Träume in Erfüllung gehen.“

„Danke Sandra, lieb von Dir.“

„Ich habe aber noch etwas auf dem Herzen.“

„Hoffentlich nichts Schlimmes?“

„Nein, im Gegenteil. Ich habe die Prospekte und die Internetseite fertig. Wann willst Du sie sehen?“

Sofort fiel mir ein, dass schon in drei Tagen Bianca und Katrin auf die Insel kommen würden und ich für dieses Gespräch, Sandras Unterstützung und die fertigen Unterlagen gut gebrauchen könnte.

„Komm doch am Samstag auf die Insel. Ich lade dich zum Frühstück in die Badezeit ein. Schlafen kannst Du bei mir. Bianca und Katrin kommen auch. Ich hatte Dir doch erzählt, was ich hier mit ihnen vorhabe. Beim überzeugen kannst Du Hasi und mir bestimmt behilflich sein. Und wenn Du dann noch die Prospekte und die weltbeste Internetseite vorführst, dann kann nichts mehr schief gehen.“

„Klar, ich komme gerne.“

„Soll Ich dich vom Zug abholen?“

„Wenn Du den Autozug meinst, dann ja. Du glaubst doch nicht, dass ich ohne meinen gelben Liebling auf die Insel komme.“

„Dann melde dich, wenn Du auf dem Autozug bist. Ich gehe dann los und komme dich abholen. Danke für Deinen Anruf.“

„Tschau Ben und liebe Grüße an Hasi.“

„Hast Du es mitbekommen? Sandra hat Ihre Hausaufgaben fertig. Dem Stolz in Ihrer Stimme nach zu urteilen, muss es sehr gut geworden sein.“

„Ja, habe ich. Hier sind alle Umbauarbeiten fertig, nur Meister Pinsel muss noch mit seinen verschiedenen Farben anrücken und das große Haus fertig machen. Ich hoffe, dass er morgen fertig ist, da am Freitag bereits die neuen Einrichtungen kommen.

Dann erwartet uns an Aufgaben bis zum Start nur noch Kleinkram.“

„Fast nur noch Kleinkram. Wir müssen Bianca und Katrin am Samstag unbedingt von unserem Vorhaben überzeugen. Dann können wir mit einem einigermaßen guten Gefühl die Sache starten.“

„Ben, wie sagt Nina Ruge doch immer?“

„Du hast recht Hasi. ALLES WIRD GUT!“

„Auf uns!“, Hasi hielt mir sein Glas zum Anstoßen hin.

„Ich trinke immer auf den Weltfrieden“, sagte ich in Anlehnung auf den Film „Täglich grüßt das Murmeltier“ und stieß mit Hasi lachend an.

Wir gaben die nächsten Tage weiterhin richtig Gas auf unserem Anwesen.

Zum Glück klappte der Termin mit dem Maler und die Lieferung der Einrichtung pünktlich, so dass am Freitagabend alle unsere Pläne umgesetzt waren. Wir wollten mit Absicht nicht mit der Werbung beginnen, bevor alles Notwendige soweit abgeschlossen war, da wir schließlich Neuland betraten und uns zum Start nicht mit halbfertigen Sachen rumschlagen wollten.

Das Wochenende war gekommen und ich wachte mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf.

Ich war schon ganz schön aufgeregt, da wir heute zum einen unsere Werbung von Sandra gezeigt bekamen und außerdem war ich super gespannt, wie Bianca und Katrin auf unser Anwesen und unser Angebot reagieren würden.

Da es erst sechs Uhr war und Sandra nicht vor zehn Uhr am Autozug sein wollte, hatte ich noch nicht richtig viel Motivation mein Bett zu verlassen. Nachdem ich mich allerdings bestimmt dreißig Minuten von links nach rechts und wieder zurückgedreht hatte, entschloss ich mich dazu, aufzustehen und mir einen Kaffee zu kochen. Vorher sprang ich noch schnell unter die Dusche und zog mich an.

Mit einem Kaffeebecher in der Hand, ging ich von der Küche auf die Terrasse hinaus. Es schien wieder ein Traumwetter zu werden, da es bereits um diese Uhrzeit für den Monat Mai sehr warm war und ich am Himmel keine Wolke erblicken konnte. Als ich mich in den Strandkorb setzen wollte, war dieser allerdings belegt. Hasi lag mit einer Wolldecke halb zugedeckt, quer im Korb und schlief.

In dem Moment, als ich wieder zurück in die Küche gehen wollte, wurde er wach und rutschte zur Seite, damit ich mich ebenfalls hineinsetzen konnte.

„Guten Morgen. Was machst Du denn um diese Zeit mit einer Wolldecke hier draußen?“

„Ich konnte nicht schlafen. Ich war so unruhig in meinem Bett und habe nur gewühlt. Es liegt bestimmt daran, dass heute ein wichtiger Tag für uns ist. Meinst Du, dass wir die Mädels überzeugen können und dass die Werbung von Sandra etwas taugt? Wie spät ist es eigentlich und was machst Du schon hier?“

„Ich konnte auch nicht schlafen. Wahrscheinlich bin ich aus denselben Gründen wie Du unruhig. Wir kriegen das heute schon hin und die Werbung wird bestimmt fantastisch sein. Es ist übrigens kurz nach Halbsieben. Soll ich Dir einen Tee machen? Ich hole mir jetzt nämlich noch einen Kaffee.“

„Ja gerne.“

Besichtigung

Sandra war pünktlich und nachdem sie mich über Handy angerufen hatte, machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof, um kurze Zeit später in ihren sogenannten gelben Liebling zu springen.

Wir fuhren direkt ins Zentrum von Westerland und natürlich bekamen wir einen Parkplatz ganz in der Nähe der Promenade. Hasi saß bereits in der Badezeit und deshalb konnten wir auch mit unserem Frühstück sofort beginnen.

Die Promenade füllte sich und wir konnten von unserem Tisch aus zusehen, wie sich das Treiben, auch langsam bis hinunter zum Strand, ausbreitete. Die ersten Strandmuscheln wurden unten am Wasser aufgebaut und wir amüsierten uns über die verschiedensten Aufbaupraktiken. Einige der Urlauber hätten sich das Aufbauen schenken können, da der kleinste Windstoß die Strandmuschel wieder zu einem großen Haufen Stoff und Stangen zusammenwehte. Andere hätten nach dem Aufbau direkt wieder abbauen können, weil der Tag, durch die ewig lange Aufbauarie, fast vergangen war.

„Nun will ich aber endlich Euren Traum sehen. Ben hat ihn mir ja ausführlich geschildert aber ich bin neugierig, ob er in Natura auch tatsächlich so schön ist“, sagte Sandra und stand auf, um die Bedienung heran zu winken.

Wir gingen zu Sandras Wagen und mussten feststellen, dass dort kein Platz für Hasi auf der Rückbank war. Ein Porsche ist natürlich kein Familienwagen, aber merkwürdig fand ich die Menge an Taschen schon, die Sandra in ihrem Wagen deponiert hatte.

„Was hast Du denn alles mit, hast Du vor länger zu bleiben?“, fragte Hasi und sah mich an, als ob ich etwas wissen würde, was er nicht weiß.

„Ich habe alles mit, was eine Frau so braucht“, erwiderte Sandra und sagte weiter:

„Ich habe vorsichtshalber etwas mehr eingepackt, vielleicht kann ich Euch in den nächsten Tagen ja noch bei einigen Dingen behilflich sein. Mein Dad schafft es in der Agentur auch mal ohne mich.“

„Das ist aber lieb von Dir. Hilfe können wir sehr gut gebrauchen. Willst Du auf dem Weg noch schnell Zeitungen holen oder sollen Sandra und ich kurz an der Tanke anhalten?“, fragte ich Hasi.

„Wir halten an der Tankstelle. Mein gelber Liebling braucht noch Futter“, mischte sich Sandra ein.

Natürlich blieb es nicht nur beim betanken. Der Wagen musste noch durch die Waschanlage gefahren werden, immerhin hatte er gerade eine Autobahnfahrt hinter sich. Da wir keinen Sekt hatten, wurde auch dieser noch schnell eingekauft und so lief uns die Zeit davon.

Hasi war weit vor uns an unserem neuen Zuhause angekommen und so saß er am eingedeckten runden Holztisch, im kleinen Garten vor dem Haus und wartete schon.

Ich durfte den gelben Liebling fahren, was aber dieses Mal den Grund hatte, dass Sandra die kleinen Straßen in Alt-Westerland nicht besonders mochte. Zumindest als Autofahrerin nicht. Ich bog nun in die Straße, von der die Zufahrtsstraße zu unserm Anwesen abging und sah mir dabei das gespannte Gesicht von Sandra an.

„Sind wir nun endlich da?“

„Liebste Sandra, wir wären schon lange da, wenn wir nicht eine Ewigkeit an der Tanke gebraucht hätten.“

„Ist ja gut. Aber sind wir nun bald da?“

„Ja!“

„Und wann?“

„Jetzt!“

Ich setzte den Blinker und bog langsam in unsere Zufahrtsstraße ein. Uns bot sich ein Bild, wie man es normalerweise nur in Fernsehsendungen, wie „unser schöner Norden“ oder „Träume werden wahr“, dargeboten bekommt. Aber da unser Traum ja tatsächlich wahr werden sollte, passte diese Beschreibung wie die berühmte Faust aufs Auge.

Selten habe ich Sandra so still erlebt. Unser Anwesen kam immer näher und da Hasi direkt davorsaß, wirkte er bei jedem Hinschauen größer. Das Bild, welches sich Sandra und mir vom Auto aus bot, gab von Meter zu Meter mehr Fläche vom Anwesen frei und erst als wir die letzten Bäume passiert hatten und auf dem großen Vorplatz ankamen, konnte Sandra das gesamte Anwesen erkennen.

Ich hielt den Wagen an und durch das offene Dach blickte sich Sandra erstaunt um. Sie stieg aus und drehte sich einmal um sich selbst.

„So schön hätte ich es hier nicht erwartet. Das ist ja ein Traum.“

„Ja genau, das ist es. Es ist ein Traum, unser Traum“, sagte ich mit leiser Stimme, während ich meinen Arm um Sandra legte.

Hasi war aufgestanden und zu uns gekommen. Zu dritt standen wir nun mitten auf dem Hof und strahlten um die Wette.

„Kaffee ist fertig und Kekse habe ich auch besorgt. Setzt euch doch schon hin, ich hole nur schnell meinen Tee.“

Sandra ging zum Auto und holte ihren Fotoapparat aus einer der Taschen. Es war eine Hightech Digitalkamera und sie fing sofort mit dem Bilder schießen an. Sie lief zurück zum Anfang unserer Zufahrtsstraße und kam den Weg, Foto schießender Weise, zurück. Anschließend nahm sie sich die Häuser und Gartenanlagen vor, bevor sie den Ausblick in Richtung der Deiche ablichtete. Sandra ließ nur unsere Scheune außen vor, da diese an der Renovierung bisher noch nicht teilgenommen hatte.

„So Jungs, hier draußen bin ich fertig. Jetzt muss ich in die Häuser und einige Bilder machen. Darf ich meine Erkundungen alleine durchführen?“

„Klar darfst Du. Die Häuser sind alle offen“, rief ich ihr zu, da sie bereits auf dem Weg zur ersten Eingangstür war.

„In dem kleinsten Haus wohnen wir“, merkte Hasi an.

„Weiß ich, hat Ben mir bereits erzählt.“

„Kannst Du mir sagen, warum Sandra die ganzen Bilder macht?“

„Nein Hasi, ich habe noch keine Idee. Aber wie ich sie kenne, wird es bestimmt nicht ohne Grund sein.“

Nach einer ganzen Zeit war Sandra fertig und kam zu uns zurück.

„Möchtest Du einen Kaffee oder einen Tee?“

„Noch nicht, ich muss noch schnell an meinen Laptop.“

Nachdem Sandra einige Taschen aus dem Wagen genommen hatte, kam eine Laptoptasche zum Vorschein. Sandra setzte sich im Schneidersitz auf den Rasen und legte den Laptop, nachdem sie die Digitalkamera angeschlossen hatte, auf ihren Schoß.

Einige Minuten war sie wie wild am tippen und fluchen. Nachdem sie fertig war, legte sie die Geräte zurück zu ihrem Gepäck und kam wieder zu uns.

Mit einem zufriedenen Gesicht setzte sich Sandra zu uns und strahlte uns an. Es war zu erkennen, dass sie auf eine Frage von einem von uns wartete und so tat ich ihr dann auch gerne den Gefallen.

„Was hast Du denn da jetzt gemacht?“

„Das war alles nur für Euch!“, erwiderte Sandra im stolzen Tonfall.

Und bevor ich meine nächste Frage stellen konnte, klingelte mein Handy und da ich sah, wer der Anrufer war, meldete ich mich mit einem „Hallo Bianca, was gibt’s?“

„Hallo Ben, ich möchte nicht weiter stören. Ich wollte Dir nur etwas sagen und dich um etwas bitten.“

„Dann leg los.“

„Katrin und ich kommen erst morgen. Katrin hat sich gerade von ihrem Freund getrennt und muss noch Sachen packen. Sie wird heute Abend bei mir eintreffen und dann auch für eine kurze Zeit bei mir wohnen. Sie hat sich Urlaub genommen und will versuchen, eine kleine Wohnung und einen neuen Job in Hamburg zu finden.

Sie sagt, sie müsse aus Münster weg, da sie in dieser kleinen Stadt alles an Norbert erinnert und sie ihm außerdem auch nicht ständig begegnen möchte.

Sei nicht böse, wir nehmen morgen um 7:20 Uhr den Zug und werden um 10:43 Uhr in Westerland ankommen.

Alles Weitere erzählen wir, wenn wir auf der Insel sind. Wenn Ihr dort schon Beziehungen zu Geschäftsleuten haben solltet, lasst diese spielen. Nach Sylt würde Katrin auch ziehen. Holt ihr uns ab?“

„Klar kommen wir zum Bahnhof. Bestell Katrin einen Gruß von uns und sag ihr, alles wird gut!“

„Mach ich, Grüße Du Hasi von mir.“

„Bianca und Katrin kommen ersten morgen.“

„Das haben wir mitbekommen und es trifft sich doch ausgesprochen gut“, sagte Sandra und sah Hasi und mich dabei an.

„Warum trifft es sich denn ausgesprochen gut? Ich verstehe Deinen Satz nicht wirklich.“

„Ach Hasi, ihr zwei habt manchmal aber auch wirklich eine lange Leitung. Wenn die beiden erst morgen kommen, haben wir die Prospekte und die Internetseite komplett fertig.“

„Aber ich dachte, dass die Prospekte schon fertig sind. Wolltest Du sie uns nicht heute zeigen?“, Hasi war etwas erstaunt.

„Klar hatte ich die Prospekte bereits fertig, dieses ist ja auch der Grund meines Besuches. Aber, hat denn keiner der Herren eine Idee, warum ich vorhin mit meiner Digitalkamera über das Anwesen geflitzt bin und was ich anschließend mit meinem Laptop gemacht habe?“

Jetzt war mein Blackout verschwunden.

„Du hast Bilder gemacht und diese in die Agentur geschickt.“

„Damit diese von meinem Vater oder einem Angestellten sofort in das Prospekt und auf die Internetseite integriert werden können“, führte Sandra meinen Satz fort.

„Könnt Ihr noch bis heute Abend warten? Dann kann ich Euch die Seiten mit den Bildern des Anwesens ganz fertig zeigen.“

„Das wird schwer. Neugierig bin ich schon! Aber die paar Stunden werden wir es wohl noch aushalten. Was meinst Du Hasi?“

„Ja, lass uns bis heute Abend warten.“

„Dann lade ich Euch jetzt, zu einem leckeren Kaffee- und Kuchennachmittag in die Kupferkanne, ein.“

„Klasse Idee Sandra. Ich hole nur schnell meine Sonnenbrille aus dem Haus.“

Nachdem ich mich, mit Sonnenbrille auf der Nase, hinter das Steuer von Sandras gelben Liebling gesetzt hatte, ging die Fahrt los. Nach extrem großen und leckeren Kuchenstücken, machten wir uns gegen siebzehn Uhr auf den Rückweg und saßen keine zwanzig Minuten später auf unserer Terrasse in der Sonne.

Wir vergaßen die Zeit, da wir uns über lustige Geschichten aus unserer Vergangenheit unterhielten. Nach einer ganzen Weile stand Sandra auf, um sich eine neue Flasche Sekt zu holen. Ich sah auf mein Handy und sagte zu Hasi,

„Schon nach zweiundzwanzig Uhr. Irre, wie manchmal die Zeit vergeht.“

„Das stimmt. Sag mal, wo bleibt Sandra eigentlich solange?“

„Hey Jungs, kommt schnell her! Die Internetseite ist fertig und der fertige Prospekt ist auch als E-Mail gekommen. Macht schon, los kommt schnell her!“

Bahnhof

Wieder stand ich am Bahnhof.

Dieses Mal jedoch nicht am Autozug, sondern am Gleis daneben, auf dem in wenigen Minuten der Zug von Bianca und Katrin eintrudeln sollte.

Ich saß auf einem Hocker am Bistrotisch im Bahnhofscafé mit Blick auf das Gleis und hatte zwei Kaffeebecher vor mir stehen. Der eine war bereits leer und in dem anderen befand sich ein starker schwarzer Kaffee. Erst gegen zwei Uhr waren Hasi, Sandra und ich im Bett, da wir auf die gelungenen Prospekte und auf unsere fantastische Internetseite ausgiebig angestoßen hatten.

Sandra und Hasi lagen, als ich um zehn Uhr den Hof verlassen hatte, noch im Bett und schliefen wahrscheinlich ihren Rausch aus. Sandra kann, außer Essen ohne Gewichtszunahme, auch einen ordentlichen Schluck vertragen. Ich vermute, dass sie dieses bei ihren diversen Empfängen nach und nach gelernt hat und somit keine Probleme hat, andere Menschen unter den Tisch zu trinken. Zumindest gestern hatte sie es, bei Hasi und mir, eindrucksvoll geschafft.

Da die Sonne wieder einmal schien hatte ich heute, da mir das Tageslicht nach dieser Nacht in den Augen schmerzte, meine dunkelste Sonnenbrille auf der Nase und beobachtete die anderen Menschen, bei ihrem treiben.

Kleinere Gruppen warteten am Bahnhof auf Bekannte, andere standen alleine und liefen während des Wartens aufgeregt hin und her und wieder andere, hatten Blumensträuße in der Hand.

Etwa dreißig Meter von mir entfernt, stand eine junge Frau mit einer Rose und schien auf den ankommenden Zug zu warten. Bisher konnte ich sie nur von hinten sehen und das, was ich sehen konnte, gefiel mir ausgesprochen gut. Eine schlanke sportliche Frau mit kurzen Haaren und einem tollen knackigen Hintern konnte ich sehen. Eine Frau, die mich aus dieser Entfernung ziemlich an Pia erinnerte und so hoffte ich darauf, dass sie sich endlich einmal umdrehen würde.

„Darf ich zahlen?“, fragte ich die Bedienung aus dem Bahnhofscafé und schon schob ich einen Schein über den Tisch.

„Stimmt so.“

„Danke!“

Mein Blick ging wieder in die Richtung der sportlichen Frau und ich musste mit Entsetzen feststellen, dass sie nicht mehr da war. Ich drehte mich in alle Richtungen und versuchte sie wiederzufinden, doch es war vergebens. Ich konnte sie in dieser Menschenmenge nicht erkennen und so nahm ich meine beiden Rosen, die ich für Bianca und Katrin besorgt hatte, vom Tisch und wollte mich gerade auf den Weg zu den Gleisen machen.

„Der Zug, mit der geplanten Ankunft 10:43 Uhr, verspätet sich voraussichtlich um zwanzig Minuten“, hörte ich eine Frauenstimme über die Mikrophone sagen.

„Blöde Kuh!“, sagte ich halb zu mir und halb zu der Frauenstimme, da ich wenig Lust verspürte, hier noch länger sitzen zu müsse.

„Ich hoffe, Du meinst nicht mich!“, hörte ich wieder eine Frauenstimme sagen und sah mich nach hinten um.

„Ist hier bei Dir am Tisch noch ein Platz für mich frei, oder wolltest Du gerade los?“

„Ich wollte gerade los, aber der Zug kommt ja nun erst in zwanzig Minuten.“

„Ich wollte mir gerade einen Kaffee holen, trinkst Du einen mit?“

„Gerne! Aber setz Du dich hin, ich besorge uns den Kaffee.“

„Das ist nett von Dir Ben.“

„So bin ich!“, sagte ich lächelnd und ging zum Tresen, um zwei Kaffee zu bestellen. Vom Tresen aus blickte ich zurück zu meinem Tisch und konnte es noch immer nicht glauben. An meinem Tisch saß Pia und wartete darauf, dass ich mit zwei Kaffeebechern zu ihr zurückkommen würde.

„Da bin ich schon wieder. Dann hatte ich mich vorhin doch nicht getäuscht. Ich war nämlich der Meinung, dich an den Gleisen stehen gesehen zu haben.“

„Nein hast Du nicht. Ich warte auf Götz“, bekam ich zur Antwort und hätte in diesem Moment mindestens hunderttausend andere Dinge lieber gehört.

Wir unterhielten uns über Fietes Geburtstag, lästerten über die anderen Gäste und lachten immer wieder über Fietes Fegeaktion im Treppenhaus.

„Und das warst wirklich Du, der die Säcke wieder ausgeleert und die Sägespäne darunter gemischt hat? Fiete war echt sauer.“

„Ja, das war ich. Bitte verrate mich aber nicht, ich habe nämlich ein schlechtes Gewissen.“

„Keine Angst, aber ich habe dich jetzt in der Hand und kann dich erpressen.“

Plötzlich kam schon der Zug und ich winkte schnell die Bedienung, um bezahlen zu können, heran. Zusammen gingen wir zu den Gleisen und standen nun beide mit Rosen in der Hand am Bahnsteig und warteten. Wir waren still und sahen uns nur manchmal kurz an.

Da erblickte Pia ihren Götz und ich sah zeitgleich Bianca und Katrin.

„Da ist Götz, ich muss los. Danke für den Kaffee.“

„Gerne geschehen. Es war nett, dich hier zu treffen.“

„Ja, war lustig mit Dir.“

Pia nahm ihren Götz in den Arm, küsste ihn und überreichte ihm die Rose. Ich begrüßte Bianca und Katrin, übergab ebenfalls meine Rosen und dachte dabei an Pia.

Auf dem Weg zum Parkplatz suchte ich Pia vergeblich. Sie war zusammen mit Götz verschwunden und so legte ich die Taschen der Mädels auf die Rückbank meines Jeeps und wir fuhren los.

Trotz meiner Freude über die Anwesenheit von Bianca und Katrin war ich äußerst still auf der Fahrt. Meine Gedanken waren noch am Bahnhof bei Pia und ich fragte mich, was die Worte zum Abschied wohl bedeuten würden. Was wollte sie mir mit „Ja, war lustig mit Dir!“ wohl sagen?

Bedeuteten diese Worte, dass es eine nette Abwechslung für sie war, mal mit einem Normalbürger zu quatschen? Immerhin wird sie sonst ja wohl nur in ihrem abgehobenen Götz Falkensteinkreisen verkehren und hier auf Sylt in Kampen, in irgendwelchen abgehobenen Szeneläden, Austern schlürfen und Champagner trinken.

Ich beschloss, mir endlich darüber im Klaren zu werden, dass Pia in einer anderen Welt lebte und in anderen Schichten verkehrte. Wir waren nicht für einander geschaffen und ich hatte genug andere Pläne und Träume genau vor meiner Nase, die ich mit solchen blödsinnigen Schwärmereien für unerreichbare Frauen, nicht in Gefahr bringen durfte.

„Warum bist Du so still?“, wollte Bianca wissen.

„Ich bin einfach neugierig auf eure Reaktion. Immerhin sind wir jetzt gleich da“, log ich.

Wobei ganz gelogen war es nicht, gespannt war ich wirklich auf die Reaktion der beiden. Genauso gespannt war ich allerdings auch darauf, ob Sandra und Hasi bereits aufgestanden waren und das Chaos in meiner Küche und auf der Terrasse beseitigt hatten.

Ich ging zwar nicht davon aus, hätte es aber schön gefunden, da es einem ziemlich schlechten Eindruck auf die beiden Mädels bei mir im Auto gemacht hätte.

„Wäre ich doch heute bloß früher aufgestanden und hätte aufgeräumt. Wir wollen heute die beiden davon überzeugen hier anzufangen und Sandra und Hasi schlafen ihren Rausch aus und die Küche und die Terrasse sehen aus wie bei Hempels unterm Sofa“, dachte ich, kurz bevor wir auf die Zufahrtsstraße abbogen.

„Wir sind da“, sagte ich, während ich den Blinker setzte und abbog.

„Was heißt das? Wohnt ihr jetzt dahinten in einem der Häuser?“, wollte Katrin wissen.

„Ja.“

Während wir die Zufahrtsstraße hinauffuhren, wurden die Häuser unseres Anwesens immer größer und deutlicher und ein Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Meine Ängste waren vergebens und mir wurde wieder einmal bewiesen, wie echte Freunde sind.

Sandra und Hasi standen auf dem Hof und direkt hinter ihnen war ein toll gedeckter Frühstückstisch. Die Beiden hatten einen absolut fünf Sterne tauglichen Brunch vorbereitet und neben dem frisch gepressten Orangensaft stand eine duftende Kanne mit Kaffee. Alles war aufgeräumt und nichts erinnerte mehr an unsere kleine Party aus der Nacht zuvor.

„Kommt ihr auch endlich“, rief Hasi uns entgegen. Er und Sandra grinsten sich an. Wahrscheinlich hatten beide meine Gedanken und Befürchtungen geahnt und so freuten sie sich diebisch darüber, dass sie die beiden Mädels und mich, mit einem tollen Frühstücksbrunch überraschten.

Nun standen wir alle vor dem gedeckten Tisch und ich beobachtete, wie Bianca und Sandra sich umsahen.

„Wir frühstücken erst und dann zeigen wir Euch das Anwesen“, schlug ich vor und so setzten wir uns alle an den Tisch.

„Welches Haus gehört denn Euch?“, wollte Bianca wissen. Und während sie sich umsah, sagte sie „Ich vermute das Kleine. Es sieht nämlich am bewohntesten aus. Wohnen in den anderen Häusern denn auch schon welche? Die anderen Häuser sehen allerdings ein wenig wie Pensionen aus.“

„Du hast Recht, das Kleine gehört uns. Unten wohne ich und oben ist die Wohnung von Hasi.“

„Und die anderen? Wann ziehen denn dort welche ein? Wenn es wirklich Pensionen sind, dann habt ihr es hier nicht mehr so ruhig. Dann herrscht hier bestimmt ganz schöner Trubel.“

„Deine Vermutung ist richtig. Die anderen Häuser sind Pensionen. Allerdings noch ohne Gäste. Was den Trubel angeht, würde ich mir diesen sogar wünschen. Je mehr, je besser!“

„Warum denn das?“, mischte sich Katrin ein.

„Ganz einfach, in dem kleinen Haus wohnen wir und die anderen beiden Häuser, sowie die Scheune dahinter, gehören uns auch.“

„Genau, verarsch dich selber Ben“, lachte Bianca und legte ihren Arm um meine Schulter.

„Doch Bianca, es ist wirklich so. Ben erzählt keinen Scheiß. Ben hat wirklich dieses gesamte Anwesen von einem unbekannten geerbt und wir haben dieses Anwesen in den letzten Wochen und Monaten renovieren und umbauen lassen.“

Nun lachten Bianca und Katrin zusammen. Sie hatten vor lachen sogar Tränen in den Augen und bemerkten erst nach einigen Minuten, dass weder Sandra, Hasi noch ich, ebenfalls lachten.

„Ihr meint es ernst mit dieser Aussage?“

„Ja.“

„Und das Geld für die Umbauten, woher habt ihr das ganze Geld?“

„Ob ihr es glaubt oder nicht, das Geld habe ich ebenfalls geerbt.“

Ein ungläubiges Schweigen stand nun zwischen uns.

Da wir mit unserem Brunch fertig waren fragte ich, ob die Mädels jetzt gerne das ganze Anwesen sehen würden und nach einem begeisterten „Ja“ stand ich auf.

Hasi und Sandra blieben noch in der Sonne sitzen und wünschten uns viel Spaß. Ich begann die Führung in unserem Wohnhaus und nachdem wir mit diesem Haus fertig waren, standen wir auf meiner Terrasse und blickten in die Richtung der Deiche.

„Ben es ist wunderschön hier. Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Anwesen“, sagte Bianca, während sie mich ganz fest in den Arm nahm.

„Von mir auch herzlichste Glückwünsche“, hörte ich nun Katrin sagen und schon hatte ich einen Kuss von ihr auf meiner Wange.

„Danke, ihr zwei.“

„Was wollt Ihr denn hier nun groß aufziehen?“, fragte mich Katrin und bevor ich eine Antwort geben konnte, antwortete Bianca für mich.

„Die beiden werden ihren Traum durchziehen. Schon immer haben Ben und Hasi von einer eigenen Pension hier auf Sylt geträumt. Davon, ihre eigenen Chefs zu sein und ihren Traum zu leben. Habe ich Recht?“

„Kann man so sagen. Wir haben uns dieses Haus zu unserem Wohnhaus umgebaut und die beiden anderen Häuser zu Pensionen. Im großen Haus gibt es drei Dreizimmerwohnungen, sechs Zweizimmerwohnungen und unter dem Dach vier kleine schnuckelige Einzimmerappartements. Alle Wohnungen sind mit Küche und Bad eingerichtet, wobei die Dreizimmerwohnungen sogar eine Badewanne besitzen. Im mittleren Haus befinden sich die Anmeldung, zwei kleine Zweizimmerwohnungen welche wir für unser Personal eingeplant haben und eine kleine Gaststätte in der nach rechtzeitiger Anmeldung auch gefrühstückt werden kann.

Ansonsten gibt es hier im oberen Geschoss noch weitere sechs Einzimmerappartements. Die Scheune haben wir zunächst noch nicht in unsere Planungen mit einbezogen, da wir ja noch nicht einmal wissen, ob unsere Idee fruchtet und unser Anwesen als Pension von Gästen angenommen wird.

Wir wollen hier für alle etwas anbieten. Für Jung, für Alt, für Singles, für Paare und für Familien. Die Gäste können sich selbst verpflegen oder wenn sie möchten, zwischen sieben und zehn Uhr in unserer Gaststätte zum Frühstück erscheinen. Am Abend wollen wir die kleine Gaststätte für gemütliche Stunden ebenfalls öffnen und neben Getränken auch Kleinigkeiten gegen den Hunger anbieten. Es soll eine gemütliche Wohlfühlatmosphäre werden, an der auch Eltern, die mit kleinen Kindern bei uns sind, teilnehmen können. Die Eltern können dann an der Rezeption das Baby-Phon abgeben und in Ruhe den Abend ausklingen lassen. Bei lauschigen Abenden ist selbstverständlich auch die Terrasse, mit dem kleinen Garten daran, geöffnet.

Welche Gerichte es geben wird und ob Cocktails serviert werden können, hängt davon ab, wen wir mit welchen Fähigkeiten für unser Vorhaben begeistern und engagieren können. Allerdings haben wir dafür schon jemanden im Auge.“

Sprachlos lauschten beide meinen Worten.

„Soll ich Euch jetzt die beiden anderen Häuser zeigen?“

„Ja, total gerne!“, hörte ich fast synchron von beiden.

Bianca lief, als wir mit der Besichtigung fertig waren, die letzten Schritte auf Hasi zu und sprang ihm fast in die Arme.

„Glückwunsch Hasi, das ist ja ein Traum. Wirklich, meinen aller herzlichsten Glückwunsch und ganz viel Glück für das Gelingen.“

„Danke Bianca.“

„Von mir auch. Ich bin fast sprachlos, so schön ist es hier.“

„Vielen Dank Katrin.“

„Tolle Prospekte und eine Internetseite haben wir auch schon. Wollt ihr beides sehen?“, fragte ich und nach einem lauten „JA“ bat ich Sandra darum, ihren Laptop anzuwerfen.

Zuerst gingen wir auf die Eingangsmail, die Sandra von ihrem Vater bekommen hatte. Nach einem Doppelklick auf die Datei öffnete sich diese und schon sahen wir zwei Seiten, welche später im Original als doppelseitiges Faltprospekt zu sehen sein sollten.

Darauf zu erkennen waren Bilder von unserem Anwesen und von den Räumlichkeiten, wie zum Beispiel der Gaststätte und einigen Zimmern. Natürlich durfte auch der Ausblick in Richtung Deich nicht fehlen. Neben den Bildern hatten sich Sandra und ihr Vater viele nette Texte und Informationen einfallen lassen.

„Ich finde diesen Prospekt absolut geil“, sagte Bianca in ihrer spontanen Art.

„Stimmt, so ging es Ben und mir gestern auch“, meinte Hasi und schlug vor, jetzt auf die Internetseite zu gehen.

„Ab wann wollt ihr die Prospekte denn verteilen und vor allem wo?“, wollte nun Katrin wissen.

„Tja Ben, das sind Fragen! Ab morgen haben wir die ersten beiden Kartons mit jeweils zweitausend Prospekten hier. Dann könnte man loslegen“, sagte Sandra.

„Morgen?“

„Ja Ben, morgen!“

Nun hatte sich auch die Internetseite geöffnet und dieselben schönen Bilder unserer Pension waren zu erkennen. Es war eine einladende Seite an der man sofort erkannte, dass sie von jemand mit viel Erfahrung in diesem Bereich gestaltet wurde.

Nachdem wir uns bereits einige Zeit auf der Internetseite tummelten und jeder von uns Sandra nochmals für ihre tolle Arbeit gelobt hatte, sagte Katrin etwas, welches mir ebenfalls schon lange hätte auffallen müssen, es aber bisher nicht tat.

„Wer hat sich eigentlich den Namen für die Pension mit diesem witzigen Logo einfallen lassen?“

„Die Idee kam von meinem Vater und ich habe Hasi die Idee unterbreitet.“

„Und ich fand die Idee sofort granatenklasse und habe zugestimmt ohne Ben zu fragen.“

„Moment“, sagte ich und sah etwas irritiert in die Runde.

Erst jetzt nahm ich wahr, worüber gerade gesprochen wurde.

„Cool! Echt, total cool, sagte ich, während ich mir zum ersten Mal unser Logo bewusst ansah.

Ein witziger Entwurf von einem Hahn, war zusammen mit dem Schriftzug Gockel Bertram, auf dem Logo zu erkennen. Klein darunter standen in alter Schriftform die Worte „lädt ein!“ und somit war in diesem Moment eines meiner größten Probleme gelöst. Ich hatte nämlich bisher keine Idee, wie wir unseren Traum nennen könnten.

Ich wunderte mich nur, warum ich seit gestern so blind gewesen bin und weder auf dem Prospekt, noch auf der Internetseite, dieses Logo erkannt hatte.

„Da habt ihr euch wirklich etwas ausgesprochen Tolles einfallen lassen. Komisch, dass es mir gestern gar nicht aufgefallen ist.“

„Schön, dass es Dir gefällt“ sagte Hasi.

„Mach Dir keine Gedanken darüber, dass es Dir gestern nicht aufgefallen ist. Wir wollten dich überraschen und deshalb haben wir Dir gestern nur eine Variante ohne das Logo gezeigt. Auch auf den Prospekten, die Du bisher gesehen hattest, war dieses Logo nicht drauf. Hier hast Du ein Prospekt mit Logo“, lachend drückte Sandra mir ein Prospekt in die Hand und gab ein weiteres an Katrin und Bianca.

„Wirklich toll, die Nachnamen der beiden mit dem Hahn als aussagekräftiges Logo zu verbinden. Mein Kompliment an Deinen Vater“, sagte Bianca.

„Ab wann ist die Internetseite scharf geschaltet?“

„Dass, liebe Katrin, kann ich Dir genau sagen. In dem Moment, wenn Ben und Hasi ihr OK geben. Wenn die beiden wollen in wenigen Minuten.“

„Wann wollt Ihr das OK geben? Dürfen wir dabei sein?“, wollten Katrin und Bianca nun unbedingt wissen.

„Wir schalten in dem Moment scharf, wenn wir unser Personal endgültig zusammen haben. Immerhin stehen noch Gespräche mit Personen aus, die wir gerne als Angestellte haben möchten. Leider haben wir bisher noch keine Zusage von den beiden erhalten.“

„Wenn ihr Hilfe braucht, bis die Zusagen gekommen sind, helfe ich gerne. Ich bräuchte nur eine günstige Unterkunft.“

„Das ist schlecht Katrin. Von einer kurzen Arbeitskraft halte ich nicht viel. Gerade am Anfang ist große Kontinuität gefragt, da es für alle etwas Neues ist und sich ein Team einspielen muss.“

„Da hast Du recht. War ja auch nur als Angebot gemeint, da ich wegen meiner Trennung von Norbert aus Münster wegwill.“

„Ich unterbreche dich nur ungern Katrin, aber ich muss los. Ich treffe mich heute mit unseren beiden hoffentlich zukünftigen Angestellten zum Abendessen und bin schon spät dran. Wie schnell doch immer ein Tag in netter Gesellschaft vergeht. Ich glaube aber, dass Hasi für euch vier einen Tisch in der Osteria bestellt hat. Stimmt` s?“

„Ja, stimmt. Kommt Mädels, wir machen uns frisch und düsen dann auch so langsam los.“

„Ja, gerne!“, war aus allen drei Mündern gleichzeitig zu hören.

Essen mit Freunden

Ich war bereits unterwegs und als ich beim Restaurant ankam, stellte ich meinen Jeep in die hinterste Ecke des Parkplatzes.

Mit Handschlag begrüßte ich Fabio, der hier als sogenannte Spezialservicekraft zuständig für den reibungslosen Ablauf ist.

„Hallo Herr Bertram, der Tisch hinten am Fenster, mit Blick auf die Dünen, ist gedeckt. Wir haben die Kerzen an der Wand angezündet und für unsere beste Atmosphäre gesorgt. Die Tische in der Nähe werden wir versuchen, so lange wie möglich nicht zu besetzen, damit Sie ihre Gespräche in Ruhe führen können. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

„Sie könnten schon den Rotwein öffnen und darauf achten, dass meine Gäste bereits an der Tür mit einem Glas Sekt begrüßt werden. Danke nochmals für alles.“

„Wird erledigt. Viel Glück für Ihr Gelingen.“

Ich setzte mich an die Bar, von wo aus ich einen guten Blick auf die Eingangstür hatte. Mit einer Apfelschorle in der Hand wartete ich auf meine Gäste und sah auf die Uhr.

„In zehn Minuten müssten sie ungefähr da sein“, dachte ich mir und freute mich schon sehr auf das nun folgende Gespräch.

Hasi saß zur gleichen Zeit auf dem Beifahrerplatz von Sandra. Auf der Rückbank saßen, nicht gerade gemütlich, Katrin und Bianca, wobei eine Rückbank beim Porsche ja auch nicht für gemütliches Fahren gedacht ist. Sie unterhielten sich über die Insel und freuten sich sehr auf das Essen in der Osteria.

Ich blickte zur Tür und genau in diesem Moment sah ich, wie ein Pärchen das Restaurant betrat.

Es war schwierig zu entscheiden, ob ich mich mehr über die Anwesenheit von Staranwalt Götz Falkenstein ärgern oder über den Anblick von Pia freuen sollte. Ich entschied mich für das Freuen und grinste Pia frech an, als sie kurz in meine Richtung sah.

Glücklicherweise bekam auch ich ein Lächeln von ihr geschenkt und was mich noch viel mehr freute war die Tatsache, dass sie tatsächlich einen Bogen machte, um zu mir zu kommen.

„Hallo Ben, jetzt treffen wir uns ja fast schon täglich.“

„Stimmt. Moin Pia.“

„Was verschlägt dich hierher? Bist Du ganz alleine?“

„Ich warte auf jemanden, wir wollen zusammen einige Dinge besprechen und danach zusammen etwas leckeres Essen.“

„Übrigens Ben, darf ich Dir Götz vorstellen?“

„Wir haben uns schon kurz auf der Geburtstagsfeier von Fiete kennen gelernt.“

„Da kann ich mich gar nicht dran erinnern“, ich war über die Antwort von Götz erfreut, da ich ihm ja schließlich seinen Parkplatz vor der Nase geklaut hatte und danach auch nicht so richtig freundlich zu ihm war.

Ich unterbrach Pias Versuch weitere Konversation zu betreiben, da ich gerade meine Gäste durch die Eingangstür kommen sah.

„Tut mir wirklich leid, nicht länger mit euch plaudern zu können. Aber meine Gäste kommen gerade durch die Tür.“

„Irgendwie kommen wir über wenige kurze Sätze nie hinaus. Bis bald Ben.“

„Ja, bis bald Pia.“

Götz und ich hoben zum Abschied nur kurz die Hand. Mit einem Auge versuchte ich Pia weiterhin im Blick zu behalten und mit dem anderen beobachtete ich, wie die Spezialservicekraft Fabio meine Gäste zunächst mit Sekt begrüßte, um sie anschließend zum eingedeckten Tisch zu führen.

„Die Osteria ist einfach immer wieder toll“, sagte Sandra zu den anderen Mädels, als sie zusammen mit Hasi zu ihrem Tisch geführt wurden.

„Hey Katrin, der Tisch dahinten ist ja feierlich gedeckt“, flüsterte Bianca, kurz bevor die Spezialservicekraft Fabio sie darum bat, an diesem Tisch Platz zu nehmen.

„Sag mal Hasi, wie kommen wir denn zu dieser Ehre?“, wollte Bianca wissen.

„Für gute Freunde ist mir nichts zu teuer und außerdem ist es die Belohnung dafür, dass ihr uns auf Sylt besuchen gekommen seid. Nehmt doch einfach Platz.“

Alle vier setzten sich hin und ließen sich Rotwein in ihre Gläser einschenken. Nachdem Fabio die Speisekarten verteilt hatte, stand ich auf und ging zunächst mit einem Lächeln an Pia vorbei, um wenig später in der lauschigen Ecke, bei Hasi und den Mädels, am Tisch zu stehen. Da mich niemand bemerkte, machte ich mich mit einem:

„Entschuldigung, ist hier noch ein Platz für mich frei?“, bemerkbar.

„Ben?! Was machst Du denn hier? Ist der Termin ausgefallen?“, wollte Bianca wissen.

„Nein, ist er nicht.“

Ich setzte mich auf den noch freien Stuhl und die Spezialservicekraft Fabio brachte einen Teller, ein Rotweinglas und Besteck für mich.

Von meinem Platz aus konnte ich Pia sehen. Allerdings leider nur von hinten. Dafür hatte ich einen fast freien Blick auf meinen „persönlichen Freund“ Götz Falkenstein und sah dabei sein ständiges Grinsen leider zu genau. Sehr gerne hätte ich an seiner Stelle am Tisch von Pia gesessen und einen netten Abend mit Pia verbracht.

„Nun ja, ich habe jetzt sowieso etwas wichtigeres als Liebeleien ohne Zukunft vor“, dachte ich bei mir und versuchte die Gedanken an Pia beiseite zu wischen, was selbstverständlich nicht gelang!

„Wenn Dein Termin nicht ausgefallen ist, warum bist Du dann jetzt hier?“

„Das ist eine lange Geschichte. Wollt ihr sie wirklich komplett hören oder langt die Kurzform?“

„Die Kurzform langt“, sagte Bianca und Katrin nickte zustimmend.

„Der Termin findet gerade jetzt statt und deshalb frage ich dich liebe Katrin und auch dich liebe Bianca, wollt ihr beide mit Hasi und mir zusammen versuchen, unseren Traum zum Leben zu erwecken und ab sofort bei uns anfangen zu arbeiten.

Für Gehalt können wir jetzt am Anfang nicht garantieren, dafür aber für eine Unterkunft, für nette Chefs und für freie und selbständige Arbeitseinteilung.“

„Ist das Dein Ernst?“, wollte Katrin wissen.

„Du bist noch bekloppter als ich dachte und dass soll was heißen“, sagte Bianca.

Jetzt war es still am Tisch, Hasi saß schon die ganze Zeit zurückgelehnt in seinem Stuhl und grinste. Sandra hörte sich alles an, war nebenbei an ihrem Handy zugange und schrieb eine Nachricht.

Mein Blick ging wieder rüber zu Pia und ich konnte sehen, wie sie sich zu Götz herüberbeugte und er, wie so oft, blöde am lachen war.

Jetzt ergriff Hasi das Wort.

„Wir können ja zunächst in Ruhe Abendessen und dann schlaft Ihr noch die eine oder andere Nacht darüber. Allerdings können wir nicht zu lange auf die Antwort warten, da wir uns sonst nach anderen Angestellten umsehen müssen.“

„Ich warte auf gar nichts! Nachher ist der Job vergeben. Ich bin dabei und werde mein Bestes geben. Morgen fahre ich nach Münster, packe meine restlichen Sachen, kündige diesen langweiligen Bürojob und bin am Abend wieder auf der Insel“, Katrin sah, als sie fertig war Bianca an und noch bevor Hasi oder ich etwas sagen konnten meinte Bianca:

„Ich weiß seit unserer ersten Begegnung von Eurem Traum. Ich wusste von Anfang an, dass ihr super nette und super beknackte Typen seid und dass alles bei Euch, irgendwie, ungewöhnlich ist. Schon Eure Art, die einem eigentlich nur zwei Möglichkeiten für eine Schublade offenlässt, hat mich gereizt, Euch als Freunde zu haben. Die einen Menschen stecken Euch in die Schublade schwul und die anderen halten Euch für metrosexuelle Zwillingsbrüder. Ich weiß aber, was für tolle Freunde ihr gegenseitig für Euch seid und, dass ich mich immer auf Euch verlassen kann, das weiß ich ebenfalls.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752117134
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Meer Freundschaft Küste Lachen Abenteuer Sylt Liebe Urlaub Strand Insel Humor

Autor

  • Ben Bertram (Autor:in)

Ben Bertram lebt in Schleswig-Holstein, und Sylt ist längst zu seiner zweiten Heimat geworden. Genau deshalb spielen die meisten seiner Romane auf dieser Insel. Das Schreiben ist längst nicht "nur" sein Hobby und so erfüllt er sich einen Lebenstraum als Autor.
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Titel: Sylter Liebe