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Verboten scharf ... und nur für mich

von Mara Waldhoven (Autor:in)
200 Seiten

Zusammenfassung

Er ist schärfer als das Curry, das er so gerne isst!


Lia:
Tom Beranegg ist einer der besten Anwälte des Landes und mein Boss. Er ist skrupellos, zielstrebig und bekommt immer, was er will. Und das nicht nur im Gerichtssaal, denn er ist heiß, so richtig heiß! Ich arbeite jeden Tag verzweifelt daran, mir meine Schwäche für ihn nicht anmerken zu lassen.
Er hat zwei Regeln, an die er sich strikt hält: Er schläft niemals mit Mandantinnen und wir Frauen in seiner Kanzlei sind absolut tabu für ihn. Würde ich ihm auch nur mit einem einzigen schmachtenden Blick zeigen, dass ich mehr als seine Akten bearbeiten will, wäre ich meinen Job los.


Tom:
Ich bin Anwalt, attraktiv und erfolgreich, und daher kann ich es mir erlauben, den Traum von Unabhängigkeit und Freiheit mit allen Vorzügen zu genießen. Allerdings halte ich mich an gewisse und leider notwendige Spielregeln: Finger weg von Mandantinnen und den weiblichen Angestellten der eigenen Kanzlei. Ersteres fällt mir leicht … zweiteres? Bei Lia, meiner persönlichen Assistentin, gibt es dummerweise drei Dinge, die ich nur schwer ignorieren kann und die mich jeden Tag aufs Neue herausfordern: ihre Wahnsinnskurven, dieses bezaubernde, mitreißende Lachen und die Erkenntnis, dass Intelligenz und Humor bei Frauen so richtig sexy sein können. Würde sie mir auch nur mit einem einzigen, tiefen Blick zeigen, dass sie mir auch bei anderen Dingen als bei der Erstellung von Scheidungsanträgen zur Hand gehen will, würde ich vermutlich nicht Nein sagen.


Eine prickelnd scharfe Liebesgeschichte mit Herz, Humor und Happy End – trotz aller Turbulenzen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

„Verboten scharf … und nur für mich!“ © Mara Waldhoven

Alle Rechte vorbehalten

mara.waldhoven@gmx.at

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Mara Waldhoven
Kirchwegsiedlung 26

3484 Grafenwörth

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Deutsche Erstausgabe
November 2018
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Cover Design: Rebecca Wild, sturmmöwen.at

Bildmaterial:

Shutterstock 512480557 © Nasgul

Textur:

Depositphotos 1142134 © avlntn

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Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sowie die Übersetzung des Werkes sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung der Autorin. Dies gilt ebenfalls für das Recht der mechanischen, elektronischen und fotografischen Vervielfältigung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Handlung und die handelnden Personen, sowie deren Namen, sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden bzw. realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Mitternacht, Geisterstunde, und es ist wirklich gruselig hier um diese Zeit, allein in der Tiefgarage. Die Trennsäulen zwischen den Parkplätzen werfen dunkle Schatten und bis auf ein leises, unregelmäßiges Knacksen und Ticken, das vermutlich von der Belüftung und den langsam erkaltenden Motoren herrührt, ist es still. Ich durchwühle ein letztes Mal verzweifelt meine Handtasche nach dem Autoschlüssel, keine Spur davon. Er muss oben im Büro liegen, wo sollte er sonst sein! Ich habe, bevor ich mich mit meiner Freundin Betty im Kino traf, den Lippenstift gesucht und dabei beinahe den gesamten Inhalt meines Shoppers auf dem Schreibtisch verteilt … Sehr zum Vergnügen unserer Herren Anwälte, die wieder mal begeistert waren, was sich so alles in weiblichen Taschen verbirgt.

„Wie der Zaubersack vom Weihnachtsmann“, brummte mein Boss, Dr. Tom Beranegg, und warf im Vorbeigehen einen neugierigen Blick auf den bunten Haufen. Gerade noch rechtzeitig ließ ich mit hochrotem Kopf die Packung Kondome verschwinden. Die ich eigentlich gar nicht brauche. Mit diesen Verhüterlis ist es bei mir wie mit einem Regenschirm: Hast du sie dabei, brauchst du sie garantiert nicht! Das ist kurzumrissen die tragische Geschichte meines Sexlebens der letzten Jahre. Ich habe einfach keine Zeit für Männer, für irgendwelche Männer, und der Mann, den ich will, der ist für mich unerreichbar.

Apropos … mein Blick fällt frustriert auf Toms Sportwagen, der auch noch auf dem für ihn reservierten Parkplatz steht. Sein Date mit der süßen Tamara läuft also noch. Warum ich davon weiß? Weil sein brunftiges Geschnurre am Telefon nicht zu überhören war! Natürlich habe ich nicht absichtlich gelauscht und ich bin auch nicht öfters als notwendig während dieses privaten Gesprächs in sein Zimmer marschiert, um ihm irgendwelche mehr oder weniger wichtige Akten auf den Tisch zu legen. Nein! Na ja, vielleicht doch … Aber es hat ihn nicht gestört, das tut es nie! Immerhin bin ich dann auch diejenige, die seine abgelegten Damen am Telefon abwimmeln darf. Und da habe ich wirklich alle Hände voll zu tun, denn lange hält er es bei keiner aus.

Ich mache mich auf den Weg zum Lift, um in den 6. Stock hochzufahren. Die Eingangstür zur Kanzlei springt seltsamerweise nach einer halben Schlüsselumdrehung auf, sie war eindeutig nicht ordentlich abgeschlossen. Mir wird ein bisschen mulmig, aber ich betrete trotzdem das Office, das im Halbdunkel des Nachtlichts still daliegt. Ich werfe einen prüfenden Blick auf die Alarmanlage – sie ist aus! Vielleicht sollte ich schleunigst verschwinden und den Sicherheitsdienst informieren. Da höre ich es plötzlich, leise Stimmen aus dem hinteren Teil der Kanzlei und eine davon kenne ich gut! Also kein Grund zur Sorge! Ich marschiere erleichtert in Richtung meines Büros und, tja, keine Ahnung warum ich die nun folgenden – im Nachhinein betrachtet ziemlich eindeutigen – Geräusche nicht sofort richtig deute und gleich wieder kehrtmache. Vermutlich, weil ich einfach nicht damit rechne und es auch nicht wahrhaben will, was da in meinem Zimmer vor sich geht. Und als ich endlich kapiere, was hinter der angelehnten Bürotür passiert, ist es schon zu spät. Meine Beine, die eigentlich den Rückzug antreten sollten, stehen wie festgeklebt am Boden und meine Hände greifen wie von selbst zur Tür und drücken sie vorsichtig auf.

Mir stockt der Atem! Mein Boss, der schärfste Scheidungsanwalt des Landes und das Objekt meiner heimlichen Begierde, steht halbnackt da, mit dem Rücken zu mir, und auf meinem Schreibtisch liegt seine neueste Eroberung und kriegt sich vor Entzücken gar nicht mehr ein. Toms Anzugshose hängt locker auf seinem muskulösen Hintern und der Anblick seiner kraftvollen, immer schneller werdenden Stöße lässt zusätzlich zu meiner Atmung auch meinen Herzschlag aussetzen. Sein erregtes Stöhnen tönt laut in meinen Ohren, dieser raue, animalische Klang vibriert tief durch meinen Körper, erweckt meine Lust und lässt meine Beine schwach und zittrig werden. Ein leichter Schweißfilm hat sich auf seiner Haut gebildet – dank dieses Anblicks übrigens auch auf meiner – und dieser zarte Schimmer betont noch zusätzlich das verführerische Spiel seiner gut trainierten Rücken- und Schultermuskeln.

Dieser Mann ist genauso, wie ich mir das oft in meinen Träumen ausgemalt habe, und das ist jetzt wirklich mehr, als ich ertragen kann. Seit zwei Jahren, seit dem ersten Tag in dieser Kanzlei, verbeiße ich mir jeden sehnsüchtigen Blick und ich habe alle Mühe damit, seinen Neckereien mit der notwendigen Distanz zu begegnen. Und jetzt vögelt der gerade in meinem Büro, dass mir, wo ich doch leider gar nicht daran beteiligt bin, hören und sehen vergeht!

Wie konnte ich nur so blöd sein und diesen Job überhaupt annehmen? Ich hätte es doch besser wissen müssen!

„Erzählen Sie mir von sich. Warum sind gerade Sie die Richtige für diese anspruchsvolle Aufgabe?“ Das waren seine einleitenden Worte beim Bewerbungsgespräch. Die warme, angeraute Tiefe seiner Stimme ließ meine Knie weich werden und weckte all meine verborgenen Sehnsüchte, selbst die, von denen ich bis dahin noch gar nichts wusste. Erzählen?! Ich war nah dran, ihm alles, was ihn interessieren könnte, zu zeigen!

Er saß mir gegenüber und sah mich mit tiefblauen Augen aufmerksam an. Um seinen Mund mit den eher schmalen und doch sanft geschwungenen Lippen lag der für ihn typische, ironische Zug. Die Finger lässig ineinander verschränkt. Kräftige Hände, Hände, die zupacken können, wenn es notwendig ist. Spätestens dann hätten meine Alarmanlagen so richtig losgehen müssen, allein dass ich mir vorstellte, wie mein möglicher zukünftiger Boss verschiedenste Dinge – mich eingeschlossen – fest anpackt, wäre doch ein zwingender Fluchtgrund gewesen!

Mir wurde heiß während unseres Termins, und je mehr ich innerlich glühte, desto kühler wurde mein Blick. Ein verlässlicher Schutzmechanismus, den ich allerdings nicht immer gebrauchen kann. Er hat mir schon einige, sexuell vielversprechende Begegnungen versaut. Beim Vorstellungsgespräch für einen gut bezahlten und interessanten Job ist er aber durchaus praktisch. Kein Boss braucht eine notgeile Assistentin vor der Tür, außer er ist extrem triebgesteuert und daher permanent auf leichte Beute aus. Was Tom durchaus ist, wie ich jetzt weiß, aber eben nicht in seiner eigenen Kanzlei. Nein, er nimmt sich den Fang des Tages einfach mit!

Ich habe ihn gerade beim Vögeln erwischt, auf meinem Schreibtisch, und ich werde diesen Anblick garantiert nie mehr aus meinem Kopf bekommen. Ich werde das Büro nie wieder betreten und wenn ich daheim bin, schreibe ich sofort meine Kündigung, per Mail! Ich pfeif auf meinen Autoschlüssel und trete die Flucht an. Heute fahre ich mit dem Taxi nachhause!

***

1. Lia

„Guten Morgen Lia!“ Jessy, unser Mädchen für alles, ist wie immer unglaublich munter. Sie strahlt mir so fröhlich entgegen, dass es fast weh tut. Ich bin überhaupt nicht gut drauf, nicht nach dieser Nacht! Natürlich habe ich nicht per Mail gekündigt und ich werde das vermutlich auch so bald nicht tun. Außer ich ertrage seinen Anblick überhaupt nicht mehr. Und ich will einen neuen Tisch, das muss ich meinem umtriebigen Boss irgendwie verklickern, unbedingt! Auch wenn das vielleicht kindisch ist … egal, dann bin ich eben kindisch!

Jessy wedelt aufgeregt mit dem Lippenstift in der rechten und dem Schminkspiegelchen in der linken Hand. „Na, was sagst du? Ist doch mal etwas anderes!“

Ich gehe davon aus, dass sie ihren Lippenstift meint, ein … tja, wie soll ich es nett ausdrücken … wirklich interessanter Farbton. Ich kneife meine Lider etwas zusammen, um meine müden Augen vor dem morgendlichen Sonnenlicht zu schützen, das durchs Fenster hinter ihr in den Raum fällt. Jessy spitzt die Lippen und sieht mich erwartungsvoll an. Was ist das bitte für eine Farbe? Schwarz-violett-blaurot? Irgendwie gruselig. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, denn irgendetwas stört mich noch an ihr. Ich komme nur nicht sofort dahinter, was das sein könnte.

Mir kommt ein Seufzer aus. Meine Kollegin sieht mich daraufhin mit einem traurigen Dackelblick an und klappt das Spiegelchen frustriert zu. „Nicht so gut, oder?“, flüstert sie erstickt.

Ich schiebe bedauernd meine Schultern hoch. „Eigentlich gar nicht so übel, aber du hast so eine wunderschöne, feine Haut und dieser Lippenstift macht dich blass. Der zarte Rosèton gestern hat mir persönlich viel besser gefallen. Passt auch besser zu deinen …“ Ich stocke. Ihre Haare! Das ist es, Jessys blonder Pixie-Cut ist über Nacht ergraut!

„Silbergrau, ist das neue Blond“, klärt sie mich auf und klingt etwas ungeduldig dabei. Als ob ich mit meinen 34 Jahren keine Ahnung mehr von irgendetwas hätte. Aber vermutlich erscheine ich einer 24-Jährigen wirklich schon ein bisschen mittelalterlich.

Jessy springt nach einer kurzen Nachdenkpause von ihrem Drehsessel hoch, um mit ausladendem Hüftschwung in der Damentoilette zu verschwinden. „Aber mit dem Lippenstift hast du recht, der passt nicht, überhaupt nicht!“

Ich mache mich endlich auf den Weg zu meinem Arbeitsplatz, hänge den leichten Herbstmantel, den ich heute das erste Mal nach dem außergewöhnlich heißen, langen Sommer aus dem Schrank geholt habe, auf, und lasse meine Augen angewidert über den Tisch streichen.

Tom ist noch nicht da, eh klar, sein Büro, das direkt an meines grenzt, ist leer. Ich werfe einen kurzen Blick hinein und atme tief durch. Vom Vortag hängt noch ein zarter Rest seines Duftes im Raum und ich schließe kurz die Augen. Wie immer spüre ich ein sanftes Prickeln in der Herzgegend, das heute allerdings etwas heftiger ausfällt als sonst. Die Erinnerung quält mich!

„Wunderschönen Guten Morgen, Herzblatt.“

Ich fahre erschrocken zusammen, als Tom das Zimmer betritt. Offenbar ist er bestens gelaunt, widerlich! Ich kann ihn gar nicht ansehen, nicht solange ich diese intensiven Bilder seiner nächtlichen Freizeitbeschäftigung in meinem Kopf habe, die da aber vermutlich noch länger festsitzen werden.

„Alles okay mit dir? Träumst du?“, fragt er dicht hinter mir und ich kann das Lächeln in seiner Stimme hören.

Ja, von dir!

Ich liebe diesen Job, also werde ich mich jetzt zusammenreißen und wie gewohnt für ihn die pflichtbewusste und unerschütterliche Assistentin geben. Wie ich das jeden Tag mache, mit Erfolg! Und nichts wird mich daran hindern, nicht mal seine Sexspielchen auf meinem Tisch! Und auch nicht der sanfte Klang seines heimlichen Kosenamens für mich, den er nur verwendet, wenn wir allein sind.

„Nein, ich habe nur überlegt, ob die Pflanze gegossen werden muss“, antworte ich ernst und drehe mich nach einem letzten, tiefen Atemzug entschlossen zu ihm um. Seine Augen blitzen vergnügt. „Welche Pflanze genau?“

„Na, die Palme …“, ich deute neben seinen Schreibtisch und klatsche mir gleichzeitig mit der flachen Hand auf die Stirn. Ich Dummerl, die haben wir ja gestern entsorgt.

„Ja, ja, die Macht der Gewohnheit.“ Tom schiebt sich an mir vorbei durch die Tür, peinlich darauf bedacht, mich nicht zu berühren – da ist er sehr korrekt, er betatscht seine weiblichen Angestellten niemals, nicht einmal unabsichtlich – und hängt sein Sakko auf. Er trägt keine Krawatte und wirkt bei näherem Hinsehen ein wenig zerstört. Sein dichter Haarschopf steht zerzaust vom Kopf ab, eigentlich tut er das immer, normalerweise ist diese sexy Sturmfrisur allerdings das Ergebnis konzentrierter Arbeit vor dem Spiegel, wie ich stark vermute! Und er hat dunkle Schatten unter den Augen … wenig Schlaf gehabt, der Gute.

Mein Blick muss strenger als beabsichtigt sein, denn er greift sich mit einem entschuldigenden, schiefen Grinser ins Gesicht und reibt langsam über sein kantiges, heute allerdings unrasiertes Kinn. „Hatte Stress, rasieren vergessen und die Krawatte. Brauch auch ein frisches Hemd.“

Sein Hemd ist vernudelt … da hat wohl heute jemand nicht zuhause übernachtet! Ich versuche den Frust, der sich jetzt endgültig in mir breit macht, zu ignorieren. Nicht nur, dass er es auf meinem Schreibtisch treibt, hat er nicht einmal den Anstand, sich danach daheim frisch zu machen und mir damit seinen durchgevögelten Zustand zu ersparen!

„Ist die Wäscherei oder Büglerei oder was auch immer abgebrannt?“, frage ich süffisant und er sieht mich etwas verwirrt an. Scheint wirklich müde zu sein, wenn er diese Spitze nicht versteht. „Das Hemd, von gestern!“, helfe ich ihm ungeduldig auf die Sprünge.

„Na, was glaubst du wohl?“, endlich hat Tom es kapiert, aber peinlich ist es ihm nicht. Im Gegenteil, ein ausgesprochen zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht. Vermutlich denkt er gerade daran, wie er seine neueste Eroberung zum Schreien gebracht hat.

Und ich muss auch wieder daran denken …

„Der Mann von Welt trägt übrigens bügelfreie Hemden …“, fügt er noch großkotzig hinzu.

… und treibt es auf dem Schreibtisch seiner Assistentin!

„Der erste Termin ist in einer halben Stunde, Maiers, du solltest dich herrichten. So würde ich dem ehemaligen Abgeordneten nicht unter die Augen treten“, sage ich nun eine Spur zu bissig und er zieht überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Und zwar die, die durch eine kleine Narbe geteilt ist, was ich besonders sexy finde.

„Herzblatt, du bist heute aber besonders streng mit mir“, mault er und geht zu seinem Schrank, um Notfall-Hemd und -Krawatte herauszuholen. „Ich verschwinde dann mal kurz ins Bad.“ Er öffnet die schmale Tür, die nur auffällt, wenn man weiß, dass sie da ist.

Ein paar Minuten später habe ich meinen ersten Espresso getrunken und kann mich endlich mit gewohntem Eifer meiner Arbeit widmen. Die heißen Bilder der vergangen Nacht blende ich aus und es funktioniert sogar ganz gut. Auch Tom ist wieder geschäftsmäßig korrekt unterwegs. Er tritt geschniegelt und gestriegelt vor meinen Schreibtisch und legt einen Stapel Papiere neben meinen Laptop. Sehnsüchtig linst er dabei in meine leere Kaffeetasse. Unter anderen Umständen würde ich mich eventuell auf den Weg machen, um ihm netterweise einen Kaffee zu holen, aber heute mache ich das nicht, ich bin sauer! Der Mann hat Beine und Hände, um das selbst zu erledigen! Wer vögeln kann, kann auch die Espressomaschine bedienen!

„Jessy soll die einscannen und ruf bitte Alex an, ich warte noch immer auf die Finanzen von Müller, uns läuft die Zeit davon. Er soll endlich weitertun!“, fordert er ungeduldig und fährt sich genervt mit den Fingern durch das dichte, schwarze Haar. Damit bringt er den gekonnten Strubbel-Look wieder etwas in Schieflage, was mein Herzklopfen wiederum beschleunigt. Genau wie die wenigen silbrigen Strähnchen, die seit kurzem an seinen Schläfen schimmern und ihn dummerweise noch heißer aussehen lassen. Ist das nicht unfair, dass Männern das erste Grau meist so verdammt gut steht?

„Sag mal, Jessy meint das ernst?“ Da kann er wohl nur ihre neue Haarfarbe meinen. Ich grinse vielsagend und er schüttelt den Kopf. „Ich kann euch Frauen nicht verstehen“, brummt er und macht sich leicht frustriert auf den Weg in die Kaffeeküche.

Ich lache innerlich, über Tom Beranegg kann man viel sagen, aber sicher nicht, dass er die Frauen nicht versteht. Zumindest weiß er bestens mit uns umzugehen, was seine lange Eroberungsliste eindeutig beweist. Auch wenn er sich manchmal wie ein richtiger Kotzbrocken benimmt, aber viele Damen stehen auf dieses Machogehabe, traurig aber wahr, und ich bin da leider keine Ausnahme. Allein dieses „Herzblatt“ sollte ich ihm verbieten, so hat ein Boss seine Assistentin einfach nicht anzusprechen, in welchem Jahrhundert leben wir denn? Jede halbwegs intelligente, emanzipierte Frau sollte sich das nicht gefallen lassen. Aber ich mag es dummerweise, auch wenn ich das nicht gerne zugebe. Dadurch habe ich das Gefühl, etwas Besonderes für ihn zu sein … ja, so besonders, dass er es auf meinem Tisch treibt!

„Tom!“, rufe ich ihm schnell nach, bevor mich der Mut verlässt, „kann ich einen neuen Schreibtisch haben?“

Bilde ich mir das ein oder zuckt er kurz zusammen? Langsam dreht er sich zu mir um und sein Blick wandert prüfend über die Tischplatte. „Wieso, was stört dich daran? Ist doch noch ganz okay.“

„Irgendwie … also, ich bilde mir ein, er ist nicht mehr ganz so stabil.“ Was rede ich da!

Tom wirkt nun leicht verblüfft, dann kommt er wieder ein paar Schritte näher und bleibt vor mir stehen. Er reibt sich unschlüssig über das nun tadellos rasierte Kinn und jetzt ist es da, ein angedeutetes, dreckiges Grinsen! „Nicht stabil? Was hast du denn vor mit dem armen Teil?“

Mir wird heiß, nein kalt, ich starre ihn vermutlich gerade total schockiert an.

So eine Frechheit, was ich vorhabe? ICH???

„Na, was wohl, wozu braucht man einen Schreibtisch? Ich würde gerne meine Arbeit machen, und das ungestört und möglichst bequem!“, lege ich los und er wirkt angesichts meines Ausbruchs ziemlich überrascht. „Ist das wirklich so ein Problem, wenn ich einmal in zwei Jahren etwas von dir will? Aber gut, dann eben nicht, es ist mir egal, wirklich, vergiss es einfach wieder! Aber dieser alte Tisch ist beinahe schon gesundheitsgefährdend, der stammt ja noch aus Großvaters Zeiten!“, meckere ich weiter.

Im Zimmer ist es still, sehr still. Tom beobachtet mich mit leicht gerunzelter Stirn und macht dann eine resignierte Handbewegung. „Wenn das so wichtig für dich ist, okay, such dir einen neuen Tisch aus. Ich will ja nicht, dass dir etwas wehtut. Obwohl da vermutlich ein neuer Sessel mehr helfen würde, aber bitte … Wenn allerdings deine lieben Kollegen dann auch mit irgendwelchen Extrawünschen daherkommen, darfst du ihnen erklären, dass das nicht möglich ist. Ich statte jetzt garantiert nicht die ganze Kanzlei mit neuen Möbeln aus.“

Ich bekomme jetzt wirklich einen neuen Schreibtisch, einfach so?

„Ich will natürlich vorher wissen, wie viel der kostet … und er muss zum Rest der Einrichtung passen! Und ob du dann noch einen Bonus bekommst, weiß ich nicht“, sagt er da doch glatt und ich öffne empört meinen Mund. Lachend hebt Tom die Hand. „Nur ein kleiner Scherz, Herzblatt, ich finde deinen Tisch zwar ganz in Ordnung, aber tüchtige Assistentinnen gibt es nicht wie Sand am Meer. Also sei‘s drum, dein Wunsch ist mir wie immer Befehl.“

Mein Boss schüttelt mit einem lässigen Grinser den Kopf und verschwindet endgültig in Richtung Kaffeeautomat. Er findet meinen Tisch ganz in Ordnung? Ja, das habe ich bemerkt!

2. Tom

Mein Handy klingelt und ich werfe einen kurzen Blick auf die eingehende Nummer. Interessiert mich nicht! Bereits der dritte Anruf heute, die lässt einfach nicht locker. Mir reichen zwei Dates in Folge mit anschließendem Bett- bzw. Schreibtischgeflüster, ihr nicht! Ich weiß sowieso nicht, was mich da gestern geritten hat, es mit Tamara in der Kanzlei zu treiben! Noch dazu auf Lias Tisch, aber die paar Schritte in mein Büro wären zu viel gewesen. Die Süße hatte ihre Hand schon in meiner Hose und konnte es kaum mehr erwarten.

Apropos Tisch … irgendwie ist das schon ziemlich seltsam, dass Lia gerade heute dieses Theater wegen ihres Schreibtisches macht. Es kann doch nicht sein, dass der nach ein paar Stößen gleich zu wackeln beginnt, auch wenn er schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat.

Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, denn Lia ist zum Teil selbst daran schuld, dass ich das Büro auf diese lustvolle Weise zweckentfremdet habe. Ich habe nämlich dummerweise eine kleine Schwäche für meine reizvolle Büroperle, schon immer gehabt, ein kleines Geheimnis, das ich allerdings gut hüte. Es mit einer anderen auf Lias Schreibtisch zu treiben war meine – zugegeben etwas kindische – Rache dafür, dass sie Tag für Tag so unbeeindruckt von meinem Charm dort sitzt und vor sich hinarbeitet. Und klar habe ich mir vorgestellt, sie zu ficken! Vor meinem geistigen Auge lag meine vom Sex zerzauste, erhitzte, um Gnade winselnde Assistentin vor mir auf dem Tisch. Und es war richtig gut, so guten Sex hatte ich schon lange nicht mehr. Ich will gar nicht daran denken, wie es erst wäre, es wirklich mit Lia zu treiben!

Aber ich werde sie nicht anrühren! Ich vernasche meine weiblichen Angestellten nicht und setze sie dann zwangsläufig an die Luft, weil sie mit diesem weidwunden Mach‘s-mir-noch-einmal-Blick vor meiner Bürotür sitzen und an nichts anderes mehr denken können als an meinen Schwanz. Dieses Drama habe ich bei Bekannten und Kollegen schon öfters beobachtet, in meiner eigenen Kanzlei kann ich gut darauf verzichten. Abgesehen davon scheint Lia auch nicht sehr erpicht darauf, von mir beglückt zu werden. Was unverständlich aber durchaus praktisch ist, denn eine verlässliche rechte Hand ist ziemlich sicher schwerer zu finden, als eine willige Pussy. So ist das Kosewort „Herzblatt“ das einzige Zeichen meiner Schwäche, das ich mir erlaube … und das dreckige Kopfkino, das immer wieder anspringt, wenn sie zu lange in meiner Nähe ist.

Herzblatt! Diesen Namen verdankt sie einem schwerhörigen Mandanten, der mir eines Tages Grüße für die reizende Frau Herzblatt auftrug. Mir gefiel dieser etwas altertümliche, nicht alltägliche Kosename, er passt zu ihr, und so ist er ihr geblieben. Aus Lia Herzle wurde mein Herzblatt. Anfangs wollte ich sie damit ärgern, aber inzwischen ist es ein Ausdruck dafür, dass wir uns etwas näher sind, als der Rest der Kanzlei. Respektvoll näher meine ich damit natürlich. Selbstverständlich nenne ich Lia nur so, wenn wir allein sind … fehlt noch, dass das einer der anderen Angestellten mitbekommt! Das macht keinen guten Eindruck!

Es klopft dezent an meiner Tür und sie steht schon vor mir. Ihr Gesichtsausdruck verheißt nichts Gutes, sie blickt mich streng an, ihre Stirn ist gerunzelt und sie streicht sich ungehalten eine widerspenstige Locke ihres hellbraunen, weit über die Schultern fallenden Haares hinter das Ohr. Sie soll diese Pracht bitte zusammenbinden, hochstecken, was auch immer, denn wenn sie so vor mir steht, bekomme ich unbändige Lust darin zu wühlen, meine Lippen hineinzudrücken und tief ihren Duft in mich aufzusaugen. Der Gedanke bringt mich gerade etwas zum Schwitzen. Ich verziehe grantig über mich selbst meinen Mund und sehe ihr ungehalten entgegen.

„Was?“ Ich erschrecke selbst über meinen ruppigen Ton, Lia ist aber nicht davon beeindruckt, im Gegenteil.

„Diese Segolin, bitte, klär das endlich, die nervt seit Tagen!“, keppelt sie mich an und ich muss lachen. Jetzt wird Lia so richtig sauer, sie hasst es, von mir ausgelacht zu werden.

„Ségolène“, stelle ich richtig und bin stolz darauf, dass ich mich noch an den Namen erinnern kann, das kann ich nämlich nicht immer. „Ségolène, Herzblatt, sie ist Französin“, setze ich provokanterweise nach und lasse den französischen Namen butterweich von meiner Zunge rollen.

„Ist mir egal, woher sie kommt. Regle das bitte endlich. Ich bin nicht deine Privatsekretärin, die sich die Raunzereien deiner Verflossenen anhören muss. Wenn du dein Liebesleben nicht im Griff hast, tut es mir leid, ist aber nicht mein Problem. Vielleicht solltest du den Damen nicht immer deine Geschäftsnummer geben, das wäre für uns alle angenehmer.“

Was hat sie heute nur? Ihre Tage oder warum ist sie gar so zickig? Diesen Ton darf sich sonst auch keiner meiner Angestellten erlauben, aber Lia hat gewisse Freiheiten. Ich schätze eben ihren Fleiß und ihre Intelligenz und, zugegeben, ihr Temperament macht mich einfach unglaublich an!

„Ich könnte natürlich deine geheime, ganz private Handynummer verraten.“ Jetzt lächelt sie so richtig böse und ich springe vom Sessel hoch, um ihr hinaus zu folgen. Das geht nun wirklich zu weit, sie weiß genau, dass ich diese Nummer niemals an meine Kurzzeitdamen weitergebe, aus reinem Selbstschutz.

Lia sitzt schon wieder an ihrem Schreibtisch und schlägt aggressiv in die Tasten. Wenn sie so weitermacht, ist zusätzlich zum neuen Schreibtisch noch ein Laptop fällig! Ich klappe den Deckel ohne Vorwarnung zu, sie zieht gerade noch rechtzeitig ihre Finger weg und schnappt empört nach Luft. „Was soll das?“, funkelt sie mich wütend an und wieder einmal bewundere ich diese goldenen Sternchen, die der Zorn in ihre wunderschönen grünen Augen zaubert. Sie ist wahnsinnig erotisch, so wütend. Hätte sie mich beim Einstellungsgespräch so angefunkelt, ich hätte sie nicht engagiert, sondern meine Bürotür abgeschlossen und all die anderen Dinge mit ihr getrieben, die mir dummerweise gerade in diesem Augenblick durch meinen Schädel geistern. Was bin ich nur für ein Schmutzfink!

„Warum grinst du so?“, zischt sie mich an und ich bemühe mich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck. Aber es ist gar nicht so leicht, diesen dreckigen Grinser aus meinem Gesicht zu bekommen, weil sie bei dem Porno in meinem Kopf gerade eine ziemlich heiße Rolle spielt: Sie kniet vor mir und ich kann es genau in ihren Augen sehen, die mich von unten her ergeben anleuchten … Lia kann es kaum erwarten, endlich meinen Schwanz in den Mund zu nehmen!

„Tom! Ich rede mit dir!“ Ihre grantige Stimme reißt mich aus diesem erregenden Tagtraum, gerade noch rechtzeitig, bevor meine körperliche Reaktion darauf nicht mehr zu übersehen ist. Dieser beißende Tonfall wirkt glücklicherweise wie eine Dusche mit Eiswasser.

Tief durchatmen und es geht schon wieder. Ich beginne zu schmeicheln. „Ich habe dich nicht ausgelacht, ich habe mich in Gedanken über Ségolène lustig gemacht, sie ist nicht gerade die Hellste und …“ Weiter komme ich nicht.

„Du bist ein furchtbarer Mensch und ich sollte aus moralischen Gründen kündigen, wenn du mich nicht so gut bezahlen würdest!“, tadelt sie und fixiert mich streng mit zur Seite geneigtem Kopf.

„Dir geht es also nur um mein Geld? Das ist bitter“, maule ich. Sie verzieht keine Miene und sieht mich weiter unnachgiebig an. „Bitte, Herzblatt, verlass mich nicht. Was sollte ich ohne dich tun!“

„Deinen Gespielinnen sofort beichten, dass es kein zweites oder drittes Mal geben wird“, murrt sie, aber ihr Gesicht wirkt schon wieder etwas weicher. Sie seufzt leise aber umso theatralischer. „Wie kannst du dich den Frauen gegenüber nur so respektlos benehmen? Du bist doch im Grunde ein ganz netter Mann.“

Nein! Das geht jetzt wirklich zu weit! Keiner nennt mich ungestraft nett, das darf nicht einmal sie! Eine furchtbare Beleidigung, ich bin kein netter Mann, ich will auch gar keiner sein. Nette Männer gibt es an jeder Straßenecke und meistens erinnert man sich eine Stunde später nicht mal mehr an deren Namen. Und meine Mandanten bezahlen mich dafür, dass ich das gerade nicht bin!

Schon klar, dass Lia mich provozieren will, und auch klar, dass ihr das wie immer gelingt! Sie ist die einzige Frau, die das schafft. Ich suche nach Worten, nach unfreundlichen Worten, und plötzlich ist es da, dieses verschmitzte Lächeln, das nun über ihr Gesicht huscht und das ich so sehr mag. Es lässt mich binnen Sekunden butterweich werden.

„Ich bin nicht nett, das weißt du genau“, knurre ich der Form halber.

Lia weicht meinem Blick aus und streicht mit der flachen Hand gedankenverloren über ihren Laptop. „Ich weiß“, murmelt sie.

Ich kann die Augen nicht von ihren Fingern nehmen und habe das Gefühl, diese Streicheleinheiten auf meinem Körper zu spüren, sanft tastend, suchend ... was den kleinen Anwalt in meiner Hose erneut ziemlich aufregt. Schnell drehe ich mich um und verschwinde in meinem Büro.

Ich muss sie feuern, bevor ich irgendwann einmal einem Mandanten mit Beule im Schritt gegenüberstehe!

3. Lia

Samstagmorgen. Ich habe meine Halb-Fast-Nichte Anna - ich weiß nie, wie ich sie eigentlich nennen soll, da sie die kleine Schwester des schwulen Lebensgefährten meines Bruders ist - gerade bei ihrer Freundin abgeliefert. Nun fahre ich in Richtung Stammersdorf am Rande Wiens, um dort mit meiner Freundin Betty unsere übliche Samstagrunde mit den Hunden zu gehen. Betty ist mit ihrer Shepherd-Hündin Holly unterwegs und ich habe den schwarzen Labrador Rudolf meiner Eltern dabei. Ja, Rudolf, allerdings ohne rote Nase.

Da ruft meine Mutter an, obwohl ich doch vor einer Stunde erst mit ihr persönlich gesprochen habe. Meine Eltern wohnen im Stockwerk unter mir, besser gesagt, ich wohne ihm oberen Stockwerk des Hauses meiner Eltern in Döbling. Ja, so ist es, ich lebe in meinem Alter noch bei Mama und Papa. Nach meiner Flucht aus der Kirche vor 3 Jahren bin ich Hals über Kopf wieder bei ihnen eingezogen. Ich habe meinen Verlobten vor dem Altar stehengelassen und der hatte dann verständlicherweise kein Interesse mehr daran, sich mit mir eine Wohnung zu teilen. Ich bekam Panik, ein bisschen spät, zugegeben. Ich hätte es ihm schon vorher schonend beibringen können, dass das mit uns und „ein Leben lang, bis dass der Tod uns scheidet“ nichts wird.

Abgesehen davon, dass ich jetzt andauernd ohne Vorwarnung meine Mutter im Genick habe, wohne ich gerne dort. Ich bin in dem Bezirk aufgewachsen und liebe die alten, malerischen Villen und kastanienbaumgesäumten Straßen des Wiener Cottageviertels. Zwei Gassen weiter wohnt mein Bruder mit seinem Lebensgefährten Rick und dessen 16-jähriger Schwester Anna, die seit dem Tod der Eltern bei ihrem Bruder lebt. Die Gegend ist sozusagen fest in unserer Hand!

Meine Mama hyperventiliert gerade aus der Freisprechanlage, was Rudolf dazu bringt, mit lautem Geheule aus dem Kofferraum zu antworten.

„Emilia, du hast keine Ahnung, was passiert ist!“, schnauft sie. Ich hasse es, wenn sie mich Emilia nennt. Ich heiße zwar wirklich so, aber jeder normale Mensch nennt mich Lia, bis auf meine Mutter. Sie besteht auf den vollen, ihrer Ansicht nach wahnsinnig klangvollen und respekteinflößenden Namen. Mich reißt es dabei immer, weil ich das Gefühl habe, meine tote, namensgebende und – wenn man den gruseligen Fotos Glauben schenken darf – wirklich respekteinflößende Urgroßmutter steht hinter mir.

„Stell dir vor, Nora kommt, ich halte das nicht aus!“

Das steigert meine Laune blitzartig, ich liebe meine Tante Nora, sie ist zwar ziemlich mühsam, aber sozusagen die Kirsche auf dem Schlagobershäubchen unserer etwas speziellen Familie. Leider lebt sie seit kurzem in Edinburgh, viel zu weit weg!

„Wo soll ich hin mit ihr?“, jammert da meine Mutter gerade durchs Telefon, die sehr froh war, dass ihre verrückte Schwester vor einem Jahr weg aus Wien und hin zu ihrer neuen Liebe, einem schottischen Whiskyhändler, gezogen ist. „Sie kann unmöglich bei uns wohnen, das hält Papa nicht durch! Der ist sowieso so gestresst.“

Mein Vater ist immer gestresst, seit er in Pension ist. Unsere Familie ist ihm einfach zu viel. Er war ein sehr angesehener Richter, eine Kapazität auf dem Gebiet Familienrecht. Dass es auch in seiner eigenen zeitweise drunter und drüber geht, macht ihn jedoch total fertig.

Der weinerliche Ton meiner Mutter ist der Startschuss für einen weiteren langgezogenen Klagelaut aus dem Kofferraum, der Hund muss dringend raus!

„Du Mama, ich bin gerade mit dem Hund im Wald, es kann sein, dass die Verbindung abbricht“, warne ich hoffnungsvoll, während ich den Wagen parke.

Meine Mutter plaudert unbeirrt weiter. „Papa dreht durch, wenn sie drei Wochen bei uns wohnt. Kannst du nicht?“

„Wir wohnen im selben Haus, er kann ihr also sowieso nicht aus dem Weg gehen, egal bei wem sie schläft.“ Es gibt zwar theoretisch auch getrennte Eingänge, aber die benutzt keiner, weil der Weg durch den Vorraum meiner Eltern einfach bequemer ist!

„Oder Chris und Rick nehmen sie, in Annas Zimmer, die könnte doch die paar Tage bei dir schlafen, das macht sie doch sowieso immer wieder! Das wäre die beste Variante.“

Na, mein Bruderherz wird eine Riesenfreude haben, sein leicht verhaltensauffälliges Tantchen aufs Auge gedrückt zu bekommen!

„Nein!“, falle ich meiner Mutter entschlossen ins Wort. Meine Eltern haben das größere Stockwerk samt leerem Gästezimmer für sich, den Hund und die Zierfische, und nur weil mein Vater mit dem Temperament seiner Schwägerin überfordert ist, werden wir nicht die halbe Familie umsiedeln. Soweit kommts noch!

„Aber wenn sie mit diesen Stinkereien beginnt, wird Papa narrisch, dann zieht er zu dir hinauf, das sage ich dir gleich!“, schreit meine Mutter aufgeregt ins Telefon. „Ich bin mir nicht sicher, ob du das willst!“

Ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich das nicht will! Aber was zur Hölle meint sie mit Stinkereien?

Ich suche inzwischen den Wald nach dem Hund ab. Der hat blitzschnell erkannt, dass ich abgelenkt bin und ist zwischen den Bäumen verschwunden. Unser Rudolf ist aber ein sehr Braver und entfernt sich nie weit. Ich hör ihn auch schon rascheln und da kommt er mit stolzgeschwellter Fellbrust zurück, mit einem halben Baum im Maul!

„Wirf mal“, betteln seine braunen, treuen Augen. Wenn ich diesen Prügel werfe, habe ich garantiert einen Bandscheibenvorfall.

„Ich verstehe gar nicht, was sie mit diesem Räuchern will, in ihrem Alter! Andauernd fängt sie etwas Neues an.“ Aha, das meint sie mit Stinkereien, Räucherstäbchen!

Aus den Augenwinkeln sehe ich Bettys Wagen einparken, kurz winke ich, wische mir theatralisch den imaginären Schweiß von der Stirn und konzentriere mich wieder auf meine Mutter.

„Sie ist auf alle Fälle verrückt! Komplett verrückt, und du bist wie sie!“, sagt die gerade und mir bleibt die Luft weg. Aber vielleicht sollte ich das ja sogar als Kompliment werten.

„Und wenn sie mit ihren Hechelübungen beginnt, geht Papa wieder an den Whisky und den verträgt er in Mengen nicht“, lamentiert meine Mutter weiter. Sie erinnert mich damit wieder an den Tag meiner Nichthochzeit. Im Grunde war meine Familie sehr froh darüber, dass ich diesen – ihrer Meinung nach – unsympathischen Mann nicht geheiratet habe, sie hätte sich allerdings ein besseres Timing meinerseits gewünscht. Die Hochzeitsparty für meine Freunde und die Familie fand dann trotzdem statt und mein Vater hat nach ein paar Gläsern Whisky eine wirklich beeindruckende Rede gehalten. Danach ließ er sich müde in seinen Sessel niedersinken und seufzte: „Mädchen, ich bin stolz auf dich, wäre ich nur auch so mutig wie du.“ Den Rest der Feier verschlief er. Ich habe keine Ahnung, wie er das am nächsten Tag wieder hingebogen hat, aber meine Eltern sind noch immer verheiratet!

Während ich meinen Gedanken nachhänge, lässt meine Mutter sich weiter über die Atemübungen aus, mit deren Hilfe meine Tante versucht, sexuelle Spannungen und Energieblockaden, von denen es in unserer alten Villa ihrer Meinung nach genug gibt, zu lösen. Sollte ich vielleicht auch probieren, denn meine sexuellen Blockaden sind im Moment so massiv wie ein zubetonierter Höhleneingang.

„Kannst du sie wirklich nicht nehmen?“ Mama verlegt sich nun aufs Betteln, als würde sie versuchen, eine heimatlose Katze anzubringen.

Ich schüttle entschieden meinen Kopf, sinnlos beim Telefonieren, verleiht meiner Stimme aber hoffentlich den notwendigen entschlossenen Klang. „Wirklich nicht, ich kümmere mich gerne hin und wieder um sie, aber ….“

Großer Fehler!

„Das ist wunderbar, das hilft mir schon, mach ein paar nette Ausflüge mit ihr, das wird dich auf andere Gedanken bringen!“

Mich? Wieso sollte mich etwas auf andere Gedanken bringen müssen? Außerdem habe ich einen Job!

„Ausflüge? Ich muss arbeiten, Mama!“, entrüste ich mich auch schon und kann förmlich sehen, wie meine Mutter lässig abwinkt.

„Dein Anwalt wird dich schon beurlauben, die Familie geht vor, das versteht er sicher.“

Wird er sicher nicht! Für Tom geht immer die Arbeit vor und im Moment ist wirklich viel zu tun. Er wird mir also garantiert nicht freigeben, damit ich mich meiner verrückten Tante widmen kann.

„Also?“ Mama wird ungeduldig.

„Also was?“

„Was soll ich Papa sagen? Wer nimmt sie?“

„Ich nicht, Chris auch nicht, vergiss es, auch das mit dem Urlaub!“, knurre ich und nach einem kurzen eingeschnappten „… Aber …“ meiner Mutter beende ich das Gespräch und lasse mich von Betty, die geduldig neben mir wartet, mit einem Wangenküsschen aufmuntern.

„Familiendrama?“, grinst sie mitleidig. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und sie weiß genau, wenn ich beim Telefonieren mein Saure-Zitronen-Gesicht mache, kann am anderen Ende nur meine Mutter sein.

4. Lia

„Ich freu mich auf Tante Nora!“ Anna sitzt neben mir im Auto und strahlt mich von der Seite her unternehmungslustig an. Ich habe heute etwas früher Schluss gemacht, Tom ist in London auf Geschäftsreise und wird erst morgen zurückkommen und so bin ich auf dem Weg zum Flughafen, um Tantchen abzuholen. Meine Mutter macht inzwischen das Haus „norasicher“, was bedeutet, sie versteckt Papas ganz speziellen Vorrat, um ihn daran zu hindern, seinen Stress mit der Schwägerin in Alkohol zu ertränken. Außerdem wird der Hund umgesiedelt, zu mir. Denn Nora hat es nicht so mit Hunden, besonders mit unserem. Sie bildet sich ein, unser Rudolf kann in die Zukunft blicken. Jedes Mal, wenn er sie beobachtet - und das tut er sehr oft, weil sie ihn aus irgendeinem Grund sehr fasziniert -, denkt sie, er sieht ein Unglück voraus. Das verunsichert meine Tante gewaltig, obwohl sie eigentlich sonst durch nichts zu verunsichern ist.

Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, meine Mutter hat in diesem Fall leider recht. Tante Nora spinnt ein bisschen! Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – liebe ich sie und kann es kaum erwarten, von ihr gedrückt und gebusselt zu werden.

Meine Fast-Nichte zieht gerade die Stirn in Denkerfalten. „Eigentlich macht das überhaupt keinen Sinn, wenn Oma den Whisky versteckt, Tante Nora bringt sicher ein paar Flaschen mit, wo sie doch jetzt diesen Schotten hat.“

Ja, sie ist ein kluges Mädchen, genau das habe ich mir auch schon gedacht. Tante Nora bringt immer ein paar Flaschen von irgendetwas mit. Ihr letzter „Freudenspender“ – wie sie den charmanten und um zwanzig Jahre jüngeren Franzosen nannte – hat uns wirklich exquisiten Rotwein aus dem eigenen Weingut beschert. Und davor hatte sie diesen Chinesen, der ihr seltsame Entspannungspraktiken beibrachte und uns mit selbstgemachtem Pflaumenwein beglückte. Der war persönlich nicht ganz mein Fall, also der Wein.

„Meinst du, sie sucht ihre Männer nach ihren Geschäften aus, der Franzose mit dem Weingut, Li mit dem Süßzeug, der neue Schotte mit der Whiskydestillerie … ist doch irgendwie auffällig.“

Ja, auffällig, aber auch irgendwie praktisch. Ich muss grinsen, die sechzigjährige Tante Nora genießt ihr Leben, ich könnte mir wirklich eine Scheibe davon abschneiden.

Ich quetsche den Wagen in die erstbeste, etwas schmale Parklücke und wir marschieren in Richtung Ankunftshalle. Wir sind schon etwas spät dran und zeitgleich mit uns strömen auch schon die ersten Ankommenden aus London durch die weit geöffnete Schiebetür. Anna stellt sich auf die Zehenspitzen und sieht erwartungsvoll in die Menge der Urlauber und Geschäftsreisenden. Plötzlich reißt sie die Hände in die Höhe und beginnt aufgeregt zu winken. „Da ist sie, hallo Tante Nora!“ Sie stockt und ich erstarre. „Und hallohooo, wer ist der scharfe Riese neben ihr?“, fragt Anna dann interessiert.

Scharfer Riese? Ja, diese Bezeichnung passt ziemlich gut für die gut gebauten 1,90, die da gerade mit einem unwiderstehlichen Siegerlächeln auf uns zugeschlendert kommen! Tom genießt sichtlich das Überraschungsmoment, nein, er weidet sich an meinem Schock. Eigentlich sollte er erst morgen mit der Frühmaschine aus London zurückfliegen, deshalb konnte ich mir ja heute auch so bequem den Nachmittag freinehmen. Natürlich hätte ich ihn vorher fragen können, aber ich habe keine wichtige Arbeit liegengelassen!

„Was für ein Empfangskomitee“, grinst mein Boss und zwinkert dem Teenager neben mir fröhlich zu, der sein Lächeln betont cool erwidert.

Bevor ich etwas antworten kann, schiebt Tante Nora Tom entschlossen zur Seite – was angesichts seines Körperbaus nicht so einfach sein kann für die kleine Dame – und beginnt mich zu herzen und zu küssen.

„Ist das nicht ein reizender Zufall?“, jubelt sie, als sie endlich ihren Lippenstift in meinem ganzen Gesicht verteilt hat, und tätschelt zufrieden Toms Oberarm. „Dein Anwalt und ich saßen nebeneinander und sind ins Reden gekommen.“

Ich verziehe schmerzhaft mein Gesicht, erstens ist es – leider – nicht mein Anwalt und zweitens ist es einfach unmöglich, mit Tante Nora nicht ins Reden zu kommen. Und mein lieber Boss ist nicht gerade der Vielredner auf Flugreisen. Er arbeitet für gewöhnlich, sieht Unterlagen durch und geht geistig in sich, wie er mir immer erklärt. Das ist auch der Grund, warum er oft einen zweiten Sitz dazu bucht. So wichtig ist es ihm, seine Ruhe im Flugzeug zu haben! Und dann setzen sie ausgerechnet Tante Nora neben ihn, der Arme muss ziemlich gelitten haben. Obwohl er seltsam entspannt aussieht. Er beobachtet mich mit einem neugierigen, leicht verschmitzten Gesichtsausdruck und das verunsichert mich zutiefst. Was, zum Teufel, hat Tante Nora ihm erzählt?

Während Tantchen Anna abbusselt, die das mit einem für Teenager wohl typischen, leicht angewiderten Gesichtsausdruck über sich ergehen lässt, wirft Tom einen nachdenklichen Blick auf seine Uhr.

„Ich musste sie abholen. Mein Vater konnte überraschenderweise nicht und im Büro ist alles erledigt“, rechtfertige ich mich. Er winkt lässig ab und schnappt sich seinen dunkelbraunen, handlichen Lederkoffer, der neben ihm am Boden steht.

„Kein Problem, Her … Lia! Ich werde auch nicht mehr in die Kanzlei fahren.“ Das Herzblatt verbeißt er sich gerade noch.

„Was tust du eigentlich schon hier?“, frage ich neugierig.

„Mein Vater ist im Spital und da meine Mutter gerade dabei ist, die Nerven deswegen zu verlieren, habe ich umgebucht.“ Ich sehe ihn erschrocken an und er winkt beruhigend ab. „Nur ein gebrochenes Bein, keine tragische Geschichte, aber … na ja, Mütter eben!“

Ja, Mütter, mir entkommt ein leises Seufzen. Da könnte ich auch ein Lied davon singen!

„Also machen wir beide heute sozusagen den Rest des Tages blau“, sagt Tom in meine Gedanken und das ist das Stichwort für Tante Nora, das Gespräch an sich zu reißen.

„Apropos blau, ich habe ein paar Leckereien in meinem Koffer, wir werden uns heute einen netten Abend machen. Tom, mein derzeitiger Partner Jonathan, er ist Schotte, macht wunderbaren Whisky. Mögen Sie Whisky?“

„Natürlich, jeder richtige Mann mag Whisky“, erwidert Tom großspurig.

Mir wird ganz komisch, ich ahne Böses … Das kann meine Tante jetzt unmöglich tun, er ist mein Vorgesetzter, sie kann jetzt doch nicht wirklich …

„Ich denke, dass ein paar dieser besonderen Tropfen Ihnen schmecken würden. Wenn Sie nach dem Stress mit Ihrer Familie Lust auf ein bisschen Entspannung haben, kommen Sie doch einfach bei uns vorbei“, blinzelt sie vielsagend und mir wird schlecht. „Lia würde sich sicher sehr freuen, nicht wahr?“

Mir hat es gerade die Sprache verschlagen und ich kann nur hilflos mit den Schultern zucken.

Auch Anna ist sprachlos, sie sieht mit großen Augen von einem zum anderen und knufft mich dann dezent in die Seite. Sie musste leider schon einige Verkuppelungsversuche meiner Mutter und meiner Tante miterleben. Seit ich ohne festen Freund bin, versuchen sie mich verzweifelt wieder an den Mann zu bringen, und zwar an einen, der ihnen hundertprozentig zusagt. Und dummerweise ist das so ziemlich das Einzige, bei dem sie einer Meinung sind. Aber das geht jetzt wirklich zu weit!

„Tante Nora, Dr. Beranegg hat sicher andere Sorgen, als mit uns deine Mitbringsel zu verkosten!“, erkläre ich scharf und betont förmlich, als ich mich von meinem Schreck halbwegs erholt habe.

„Da wäre doch ein guter Whisky genau das Richtige, um den Herrn Doktor die Sorgen vergessen zu lassen.“ Tom sieht mich provokant an. Ich erwidere seinen Blick eine Spur zu giftig und das spöttische Funkeln in seinen Augen wird intensiver. Er kennt mich gut und weiß genau, dass mir diese Situation jetzt gegen den Strich geht, und das mag er, mich zu provozieren. Allerdings ahnt er nicht den wahren Grund.

Mir gefällt der Gedanke nämlich überhaupt nicht, dass ER in unser Haus kommt, vielleicht sogar in meine Wohnung! Solange sich unsere Beziehung auf die Kanzlei beschränkt, kann ich mit meiner heimlichen Schwäche gut umgehen. Aber in dem Moment, in dem Tom in mein Privatleben eindringt, wäre es garantiert aus und vorbei damit. Ich bemühe mich Tag für Tag, ihn nicht merken zu lassen, dass er der Mann ist, der einzige Mann, der unter anderen Umständen alles, wirklich alles von mir haben könnte. Und es gelingt mir ganz gut, ich bin stolz auf mich, das lasse ich mir jetzt nicht kaputt machen. Natürlich habe ich mich seit meiner Trennung von Klemens mit anderen Männern getroffen und ich hatte auch eine kurze Beziehung, ein paar Monate lang, nichts Ernstes. Aber seit ich für Tom Beranegg arbeite, frage ich mich bei jedem ersten Date, wie es wohl wäre, mit ihm hier zu sitzen, von ihm umworben zu werden … und dann breche ich den Abend unhöflich ab und liege die ganze Nacht lang hellwach und frustriert in meinem viel zu großen Bett. Allein!

Seit zwei Jahren, ja, seit zwei Jahren, seit ich in dieser Kanzlei arbeite, hatte ich keinen Sex mehr (mal abgesehen vom Spannern bei Tom und dieser Tussi), denn wie heißt es so schön: Warum soll ich es mir vom Schmiedl besorgen lassen, wenn ich doch den Schmied will! So geht dieses Sprichwort zwar nicht, aber egal!

„Ich würde wirklich gerne Ihre Einladung annehmen, aber leider habe ich keine Ahnung, wie lange ich mit meinen Eltern beschäftigt sein werde“, höre ich Toms Stimme. Er hat offensichtlich auch keine Lust, unser Arbeitsverhältnis auf die Freizeit auszudehnen. „Vielleicht ein anderes Mal.“

Höflich gemeint, aber ausgesprochen unklug. Denn meine Tante Nora nimmt solche Aussagen wörtlich und sie wird nicht lockerlassen, in den drei Wochen, die sie bei uns in Wien ist.

„Ja, das wäre nett, wo sich doch auch eure Väter kennen. Wir veranstalten ein kleines, zwangloses Treffen, das wird sicher unterhaltsam!“, erwidert sie auch schon.

Unterhaltsam? Fragt sich nur für wen, für mich sicher nicht! Die Idee ist einfach nur dämlich! Tom ist mein Boss und das gemeinsame, seltene Golfspiel unserer Väter ist vollkommen egal! Nora ist zu weit gegangen, mich mit meinem Vorgesetzten verkuppeln zu wollen ist idiotisch und peinlich!

Tom verabschiedet sich nun ziemlich schnell, er scheint es plötzlich sehr eilig zu haben. Anscheinend kommt ihm jetzt erst, was die alte Dame, die begeistert zu ihm hochblickt, im Schilde führt. Mich sieht er gar nicht mehr richtig an, er murmelt nur: „Wir sehen uns morgen, Lia, bitte bereits um halb acht. Vor dem ersten Termin ist noch einiges zu besprechen.“

Er ergreift die Flucht und ich könnte im Erdboden versinken. Anna weiß genau, wie es mir geht und streicht mir tröstend über den Rücken. Meine Tante Nora kneift mich hingegen weniger zärtlich in die Wange. „Ich bin wirklich froh, dass ich in London den Zwischenstopp eingelegt habe, sonst hätten wir uns nicht getroffen! Wieso hast du mir nie erzählt, mit welch unglaublich attraktivem und interessantem Mann du zusammenarbeitest?“

Jetzt reicht es aber wirklich! Ich stürze mich auf ihren voll beladenen Kofferwagen, obwohl ich sie den am liebsten selbst schieben lassen würde, und beiße sie an. „Ist er nicht, also zumindest für mich nicht, er ist einfach … mein Boss, also lass ihn bloß in Ruhe. Das war furchtbar unangenehm für mich!“

Nora ist gänzlich unbeeindruckt. „Ich weiß gar nicht, was du hast … auch wenn ihr zusammenarbeitet …“

„Wir arbeiten nicht zusammen, ich arbeite für ihn!“, falle ich ihr ins Wort, sie zuckt nur mit den Schultern und kräuselt trotzig ihre Lippen. „Das kannst du auch unter ihm tun, meine allerliebste, verklemmte Nichte“, brummt sie und die süße 16-jährige Anna, vor der ich solche Dinge am liebsten noch sehr lange fernhalten würde, was natürlich naiv ist, beginnt lauthals zu lachen.

„Tante Nora!“, meine Stimme geht los wie die Flughafendurchsage und dem Herrn neben mir fällt beinahe sein Handy aus der Hand.

„Ist doch wahr, das kommt immer wieder vor, Chef und Sekretärin oder Assistentin oder wie auch immer man das heute nennt, da ist nichts Verwerfliches dran. Und du lebst seit deiner – durchaus verständlichen – Kirchenflucht sowieso beinahe wie eine Nonne. Na, vermutlich nicht nur beinahe. Und Tom erzählte, dass eure Väter sich gut verstehen, das wäre doch geradezu perfekt!“

„Es reicht jetzt, ich kann gut für mich selbst sorgen, brauch eure Kuppelei nicht!“ Was interessiert mich überhaupt sein Vater! Warum erzählt er das eigentlich, so eine Plaudertasche ist er ja normalerweise gar nicht.

Plötzlich wird Noras Blick mild und sie streicht mir tröstend über die Wange, was ich jetzt auch nur sehr schwer ertragen kann. „Ich weiß, das kannst du sicher, aber lass es dir doch bitte lieber von einem Mann besorgen, das macht einfach mehr Spaß.“

Jetzt fehlen mir die Worte! Und das vor Anna, die das übrigens sehr, sehr lustig findet und gerade Krämpfe bekommt vom Lachen. Ich atme ein paar Mal tief durch, versuche die Zornesröte aus meinem Gesicht zu bekommen und stapfe entschlossen vor den beiden her.

„Anna, jetzt erzähl doch mal, hast du endlich einen Freund?“

Dem Mädel vergeht das Lachen.

5. Tom

Diese verrückte Tante Nora will uns doch tatsächlich verkuppeln, was ja durchaus verständlich ist. Ich bin attraktiv, wohlhabend und intelligent, mit einem Wort der Wunschtraum einer jeden kuppelnden Tante oder Mutter. Lia hat mir allerdings leidgetan, ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich bin da ein gebranntes Kind, denn auch meine Mutter zeigt immer wieder mal Ambitionen in diese Richtung. Wenn beim gemeinsamen Abendessen überraschenderweise ein befreundetes Ehepaar mit alleinstehender Tochter im Schlepptau auftaucht, weiß ich, was mir blüht. Ich hasse das, denn erstens sind diese Damen nicht grundlos am Markt – einige haben außer einem ansehnlichen Stammbaum und einem prallen Erbe nicht viel zu bieten – und zweitens haben die Mädels ab einem gewissen Alter den lästigen Drang möglichst sofort eine Familie zu gründen. Aber bitte nicht mit mir! Ich bin ein erfahrener Scheidungsanwalt, der die Tücken des Ehelebens besser als manch anderer kennt. Ich werde mich doch nicht ins Unglück stürzen!

Der Zufall, dass gerade Lias tratschsüchtige Tante neben mir im Flieger saß, war aber schon unglaublich. Ich habe diese Dame gesehen und sofort ahnte ich das Schlimmste. Sie strahlte mich übertrieben munter an, zupfte an ihrem geblümten Rock herum und klopfte dann mit der Handfläche einladend auf den Sitz neben sich.

„Kommen Sie nur, junger Mann, nicht so schüchtern.“ Mir gefror das Blut in den Adern, was die Flugbegleiterin sofort bemerkte. Leider gab es keinen anderen freien Platz und so ergab ich mich meinem Schicksal und hakte den Flug in Gedanken ab.

Natürlich setzte ich sicherheitshalber mein strenges Anwaltsgesicht auf, das nützte aber nichts. Lias Tante ist lästig, sie lässt sich nicht ignorieren und das auf eine unglaublich charmante und zielstrebige Art, wie sie nur grellbunt gekleidete, stark geschminkte Damen dieses Alters haben können. Und sie durchbricht Schutzmauern aus Stahlbeton damit. Auch meine … und das Gespräch, das sie anfangs durchwegs allein geführt hat, entwickelte sich dann überraschenderweise äußerst interessant. Bei einem Gläschen Weißwein erkannten wir unsere Gemeinsamkeiten: Ihre reizvolle, ungebundene Nichte, die zufällig auch meine persönliche Assistentin ist. Und die noch dazu offenbar dieselben Vorbehalte gegen eine Ehe hat wie ich. Sie ließ die geplante Hochzeit eher überraschend ins Wasser fallen, worüber die Familie nicht unglücklich war. Ihr Verlobter muss ein seltsamer Vogel gewesen sein. Für Noras Geschmack lässt Lias Liebesleben seither etwas zu wünschen übrig, weil sie furchtbar wählerisch ist. Ja, das kann ich mir gut vorstellen, so kühl wie sie mich manchmal anguckt. Was ich aber nicht verstehen kann, denn ich kenne keine einzige Frau, die so ausdauernd unbeeindruckt ist von meinem Charme. Was im Grunde auch gut ist! Deshalb habe ich sie ja vor zwei Jahren auf Anregung meines Vaters hin, der seinem Golfbekannten einen Gefallen tun wollte, eingestellt. Lia ist korrekt, fleißig, intelligent und trotz ihrer Herzlichkeit unnahbar. Alles gute Gründe für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ich brauche Lia, ich kann mich auf sie hundertprozentig verlassen und ich werde das nicht aufs Spiel setzen, indem ich mich maximal zwei- oder dreimal mit ihr vergnüge und dann wie üblich die Lust verliere. Was ich garantiert tun werde, ich kenne mich seit neununddreißig Jahren, es endet immer gleich!

Aber so genervt hätte sie nicht dreinschauen müssen, als Nora mir anbot, ihren Whisky zu verkosten. Wäre das wirklich so furchtbar für Lia, einen einzigen privaten Abend mit mir zu verbringen? Was bitteschön ist so schlimm daran, einen attraktiven Mann auch in der Freizeit um sich zu haben? Einen Mann, nach dem sich andere alle zehn Finger abschlecken? Da verstehe einer die Frauen!

6. Lia

Ich sitze bei Jessy und wir gehen gemeinsam ein letztes Mal die Unterlagen durch, die sie kopiert und zusammengeheftet hat. Das Meeting hat bereits vor einer Stunde begonnen, die Vermögensaufstellung werde ich nun unangekündigt hineinbringen. Um der Sache die nötige Würze zu verleihen, wie Tom es auszudrücken pflegt.

Der gegnerische Mandant, ein steinreicher Großindustrieller, und sein Anwalt haben keine Ahnung, dass wir diese Papiere haben und nun ins Spiel bringen. Tom hat alles ausgegraben bzw. ausgraben lassen, die versteckten Konten und geheimen Unternehmensbeteiligungen, die Herr Müller vor seiner baldigen Ex verbergen wollte. Wobei das noch der harmlose Teil der Geschichte ist. Angeheftet sind auch Bilder, die ihn mit zwei sehr jungen Damen in der Karibik zeigen. Und mit jung meine ich so jung, dass er dafür sogar verhaftet werden könnte! Glück für ihn, dass die Aufnahmen nicht eindeutig sind.

Ich weiß, Tom kann es gar nicht mehr erwarten. Er liebt diese Art Überraschungen, wenn dem gegnerischen Anwalt für einen kurzen Moment die Gesichtszüge entgleisen und sekundenlange betretene Stille im Sitzungszimmer herrscht. Und wenn er es dann noch mit so einem Ekel wie Müller zu tun hat, macht es ihm besonders viel Spaß.

„Wie konnten wir Tom Beranegg nur dermaßen unterschätzen“ – diese Worte liegen dann unausgesprochen in der Luft und zaubern ein dreckiges Grinsen ins Gesicht meines Bosses. Natürlich ist Tom nicht allwissend, aber er hat neben seinem guten Team in der Kanzlei in allen Ecken der Welt Menschen, die ihm etwas schuldig sind und nicht lange nachfragen, wenn er um einen ganz speziellen Gefallen bittet.

Tom hebt kurz den Kopf und nickt mir kaum merklich zu. Sonst verzieht er keine Miene und lauscht weiterhin scheinbar konzentriert den Ausführungen des schwitzenden Mannes ihm gegenüber. Die ihn vermutlich bereits ziemlich langweilen, denn er weiß genau, was jetzt bald kommen wird und dass damit fast alle der bisher getroffenen Vereinbarungen hinfällig werden. Solange keine Unterschrift unter dem Scheidungsvertrag steht, ist alles erlaubt … und unterschreiben wird Herr Müller jetzt wohl alles, was wir ihm unter die Nase halten.

Ich schnappe mir den Papierstoß und betrete den Raum. Unsere Mandantin, deren Honorar -­ wenn diese finale Runde wie geplant weiterläuft - meinem Brötchengeber endlich den noch fehlenden Betrag auf sein heißersehntes, schneidiges Motorboot liefern wird, blickt mir etwas nervös entgegen. Tom legt seine Hand beruhigend auf den Unterarm der gepflegten älteren Dame. Ich wispere ihm wie immer bei diesen Überraschungsauftritten etwas Belangloses ins Ohr, völlig egal was, Hauptsache, die Anwesenden werden dadurch unruhig.

Kurz überfällt mich der unwiderstehliche Drang, etwas Dreckiges zu flüstern. So in der Art: „Süßer, gewinnst du diesen Fall, darfst du an meiner nassen Pussy lecken.“ Wäre interessant, ob sich der großartige Tom Beranegg dann immer noch so gut im Griff hat.

Natürlich tu ich‘s nicht! Ich wähle brav die phantasielose Variante: „Der Tee ist fertig.“ Mein Boss sieht mich daraufhin scheinbar überrascht an und seufzt kurz, aber sehr wirkungsvoll. Der Anwalt ihm gegenüber beginnt noch mehr zu schwitzen und der scheidungswillige, grauhaarige Herr an seiner Seite giftet mich an, als wäre ich der Grund allen Übels.

„Möchte noch jemand Kaffee oder Tee?“, fragt Tom höflich in die Runde.

Sein Gegner winkt genervt ab. „Was tischen Sie uns da jetzt auf?“, bellt er mit Blick auf die Unterlagen, die ich gerade verteile.

Im Raum ist es still, nur meine Absätze sind zu hören, die um den Besprechungstisch klackern. Müller glotzt mir auf den Hintern, was Tom natürlich sofort registriert. Er beobachtet ihn mit einem leichten Schmunzeln und als unser Gast das bemerkt und etwas betreten dreinblickt, zwinkert Tom ihm gönnerhaft zu. Herrn Müller ist das offensichtlich ziemlich peinlich und das steigert seine Nervosität … und Toms Zufriedenheit. Der sieht gerade drein wie ein Kater, der wieder mal unbemerkt an das verbotene Obers gegangen ist.

Ich verlasse nach Toms knappem Danke den Raum und setze mich wieder neben Jessy, die die Schreibtischlade öffnet und mir eine Packung Popcorn zeigt. Sie weiß genau, dass wir das jetzt nicht essen werden, aber diesen Gag bringt sie jedes Mal. Es ist auch wirklich Kino, das, was jetzt folgt. Tom schlägt die Unterlagen auf, die anderen Anwesenden nesteln nervös und hektisch daran herum, werden blass, rot, schwitzen noch mehr und beginnen leise und dann immer lauter zu schimpfen. Herr Müller wirkt, als wolle er aus dem Zimmer stürmen und wird von seinem Anwalt nur mühsam zurückgehalten. Tom wiederum hat alle Hände voll zu tun, seine bis jetzt sehr gefasste Klientin am Sessel zu halten. Sie ist drauf und dran über den Tisch zu springen und ihrem baldigen Ex an die Gurgel zu gehen.

Minuten später ist der Spuk vorbei, jeder ist sich der Rolle, die er zu spielen hat, wieder bewusst und es wird weiterverhandelt.

Ich kann meine Augen nicht von Tom lassen, ich weiß, ich sollte jetzt besser aufstehen und zu meinem Schreibtisch zurückgehen. Eine Menge Arbeit wartet auf mich, aber ich bin einfach von seinem Anblick fasziniert. Er steht auf und umrundet gelassen den Tisch, während er mit ruhigen, entschlossenen Handbewegungen seine Ausführungen untermalt. Vor seiner Mandantin bleibt er wieder stehen und sein breiter Rücken scheint die zierliche Frau vor allem Bösen der Welt abzuschirmen. Der entschiedene Blick und der harte Zug um seinen Mund lassen keinen Zweifel daran, wer in diesem Moment den Ton angibt. Dieser Mann hat zwei Gesichter und ich bin mir gerade nicht sicher, ob der Tom Beranegg, der mich neckend Herzblatt nennt und mir fast jeden Morgen den Espresso klaut, derselbe sein kann wie der Anwalt, der in diesem Moment eiskalt und ohne Skrupel die gegnerische Partei zerlegt. Vielleicht ist das alles gar nicht real und all die kleinen, vertrauten Momente zwischen uns sind nur ein Tagtraum, den ich nicht von der Wirklichkeit unterscheiden kann.

Tom setzt sich wieder auf seinen Platz und schenkt Frau Müller ein kurzes, aufmunterndes Lächeln. Dann richtet er den Blick auf seinen gegenübersitzenden Kontrahenten und hört ihm scheinbar interessiert zu. Ich weiß aber genau, dass das, was der jetzt gerade von sich gibt, meinem Boss total am Arsch vorbeigeht. Die Schlacht ist geschlagen. Zu Gunsten unserer Klientin. Tom hebt den Blick und sieht mich durch die Glasscheibe hindurch an, ich kann das triumphierende Lächeln nicht sehen, aber es ist da, es lauert in den Augenwinkeln, bereit zum Strahlen.

„Er ist einfach unglaublich sexy, wie er so dasitzt und die Gegner niedermacht“, schwärmt Jessy neben mir und ich spüre, wie mir die Wärme in die Wangen steigt. Sie legt mit einem tiefen Seufzer ihr Gesicht in die Hände. „Der weiß genau, was er will … und wenn das ich wäre, du ich sag dir …“

„Blödsinn“, falle ich ihr scharf ins Wort und greife in das Popcornsackerl. Ich brauch das jetzt einfach!

7. Tom

Wow, die Verhandlung soeben war genau nach meinem Geschmack! Das ist der Kick, den ich brauche … und natürlich ist auch das Honorar nicht zu verachten! Ich habe schließlich einen gewissen Lebensstandard zu verteidigen.

Total aufgekratzt, die beginnende Müdigkeit ignorierend, marschiere ich in Richtung meines Büros. Lothar und Jessy sind soeben gegangen, der Rest der Mannschaft hat die Kanzlei schon früher verlassen. Lia muss hier noch irgendwo herumschwirren.

Da höre ich auch schon ihren leichten Schritt und sie betritt hinter mir ihr Zimmer. In der Hand einen verführerisch duftenden Espresso, der nicht für mich bestimmt ist, wie ich mal annehme. Das ist doch wirklich nicht gesund, um diese Uhrzeit starken Kaffee zu trinken! Aber sie wirkt müde, was mich dennoch nicht daran hindert, sie wie gewohnt zu nerven.

„Du bist noch da, Herzblatt?“ Ich schnappe mir frech die Espressotasse, die sie gerade zum Mund führt – das mache ich oft, wenn ich sie ärgern will – zwinkere ihr provokant zu und mache mich damit zu meinem Schreibtisch auf. Ich höre ihr aufgeregtes Getrappel hinter mir.

„Ich bewahre dich nur vor einem schweren gesundheitlichen Fehler“, sage ich und schließe nach dem ersten Schluck genießerisch meine Augen. „Mmmh, genau den habe ich jetzt gebraucht.“

„Und wie steht‘s mit deiner Gesundheit?“, fragt sie schnippisch.

„Um die mach dir mal keine Sorgen. Wie war übrigens Noras Whisky?“

„Apropos!“ Sie klatscht sich an die Stirn, stöckelt zurück zu ihrem Schreibtisch, kramt in ihrer Riesenhandtasche herum und kommt mit einem aufwendig bemalten Flaschenkarton wieder. Den stellt sie lautstark auf meinen Tisch. „Mit den besten Grüßen von meiner Tante, sie hat wohl einen Narren an dir gefressen.“

„Ja, das passiert mir öfters“, murmle ich, während ich interessiert Whiskynamen und Jahrgang beäuge. Ein wirklich edler Tropfen.

Lia beginnt zu kichern. „Dass alte Damen eine Schwäche für dich entwickeln? Du Armer, das passt wohl nicht so ganz in dein Beuteschema.“

„Deine Tante zeigte am Flughafen ziemlich eindeutige Absichten, die allerdings nicht sie selbst betrafen“, ziehe ich sie auf. Ich kann es nicht lassen und muss sie einfach an Noras Kuppelversuche erinnern, was eine zarte Röte auf Lias Wangen zaubert. Das passiert ihr manchmal, wenn ich sie necke. Meist bin ich mir nicht sicher, ob ich mir das nur einbilde, aber in diesem Moment ist es eindeutig. Lia ist rot geworden. Sie senkt den Blick und wirkt ungewohnterweise ein wenig schüchtern dabei. Also setze ich nach. Das Biest in mir will raus! Solche Verhandlungen machen mich immer ganz wuschelig und ich muss mich danach einfach abreagieren …

„Und du denkst, du passt besser in mein Beuteschema?“ Ich bin über den unverschämten Tonfall meiner Stimme selbst schockiert. Was rede ich für Scheiße? Ich sollte schleunigst in eine Bar verschwinden, irgendeine unbekannte Schönheit abschleppen und Lia in Ruhe lassen.

Sie ringt nur ganz kurz nach Worten. Die Röte wird intensiver, hat allerdings nichts mehr mit Unsicherheit zu tun. Sie funkelt mich wütend an und zischt gefährlich leise. „Du würdest dir an mir die Zähne ausbeißen.“

Sagte ich schon, dass sie unglaublich erotisch ist, so zornig? Und zwar auf eine gefährliche Weise, die mein Hirn schrumpfen und meine Eier anschwellen lässt! Anders kann ich mir mein folgendes Benehmen auch nicht erklären!

„Das ist eine gewagte Theorie, Herzblatt“, sage ich überheblich und starre ihr herausfordernd ins Gesicht. Sie starrt zurück. Fassungslos.

Ich weiß, ich sollte diese Spielchen nicht spielen, nicht im Office, nicht mit ihr. Ich sollte schleunigst etwas Nettes sagen, etwas Versöhnliches, um die Situation zu retten. Vielleicht sollte ich ihr einfach erklären, dass ich seltsame Pillen eingeworfen habe und mir die kleinen, grünen Pferdchen unter meinem Schreibtisch, die nur ich sehen kann, gerade ziemlich Angst einjagen und ich deshalb so komplett daneben bin. Stattdessen bin ich in Gedanken gerade dabei, sie hart durchzuficken und der böse Junge in mir will, dass sie das auch weiß.

Wir starren uns noch immer an, sie gibt nicht nach und ich schon gar nicht … und plötzlich, völlig unerwartet, blitzt wilde Lust in ihren Augen auf. Sie hat ihre Gesichtszüge nicht mehr unter Kontrolle, leckt sich über die vollen Lippen, ihre Nasenflügel weiten sich und sie schluckt schwer. Ich ahne das sehnsüchtige Seufzen, dass sie krampfhaft zu unterdrücken versucht.

Alles hat sich geändert, von einer Sekunde zur anderen, und sie spürt es genauso wie ich. Dieses sinnliche Prickeln zwischen uns, das sich in der Vergangenheit schon manchmal zart angedeutet hat, ist in diesem Augenblick nicht mehr zu ignorieren. Sie will flachgelegt werden, von mir, und ich bin mehr als bereit dazu! Ich belüge mich seit zwei Jahren, seit ich sie das erste Mal gesehen habe, bilde ich mir ein, meine Finger von ihr lassen zu können.

„Ich habe die Unterlagen für den morgigen Gerichtstermin wie gewünscht zusammengestellt, wirf bitte noch einen kurzen Blick hinein, ob alles passt“, sagt sie da leise, es ist nur ein raues Flüstern und ich merke daran, wie aufgewühlt sie ist. Trotzdem bemüht sie sich, unser Gespräch wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen. Vernünftiges Mädchen. „Ich werde jetzt gehen.“ Ihre Stimme gewinnt an Selbstsicherheit und dieser sehnsüchtige Glanz in ihren Augen ist verschwunden. „Gratulation übrigens für heute, Müller hat das verdient, er ist ein Ekel.“

Ich räuspere mich und versuche möglichst cool zu klingen. „Ja danke, das ist er wirklich, sogar ein größeres als angenommen. Aber nicht mit uns, da ist er an die Falschen geraten.“

„Genau. Nicht mit uns.“ Lia steht ruckartig auf, nickt mir zum Abschied kurz zu und verlässt hocherhobenen Hauptes mein Büro. Sekunden später ist sie in ihren Mantel geschlüpft und schon draußen bei der Tür. Als wäre sie auf der Flucht!

Das war ein Fehler, ein Riesenfehler, mich so gehenzulassen! Irgendwie muss ich das wieder geradebiegen. Auch wenn sich an meinem Entschluss, sie bald zu ficken, nichts ändern wird. Bei Lia muss ich mir allerdings mehr Zeit lassen, ich muss es behutsam angehen, das ist nicht irgendein Aufriss für eine Nacht. Immerhin will ich sie ja danach nicht als Arbeitskraft verlieren.

Boss und Assistentin, das kommt immer wieder vor, häufiger als man denkt. Ich werde da kein großes Drama draus machen … es muss ja keiner erfahren und danach halte ich mich wieder brav an meine Regeln.

8. Lia

„Verzeihst du mir?“

Ich blinzle verdutzt auf die soeben eingetroffene SMS. Es ist kurz nach Mitternacht und ich kann nicht schlafen … und offensichtlich gibt es da noch jemanden, der das nicht kann. Ich bin putzmunter, weil ich mir Gedanken über meinen schrecklichen Boss mache, der mich heute angesehen hat, als hätte er einen sexuellen Notstand. Warum der nicht schläft, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Na ja, einen Grund gäbe es da schon, aber da wäre er sicher zu beschäftigt, um mir Nachrichten zu schicken.

Während ich überlege, was und vor allem ob ich ihm überhaupt antworten soll, kommt die nächste.

„Entschuldige, das mit dem Beutedings und alles war total daneben!!!“

Beutedings und alles? Ich muss lachen, unglaublich wie unbeholfen sich ein blitzgescheiter, wortgewandter Anwalt per SMS ausdrückt, wenn ihm etwas peinlich ist! Er hat vermutlich Angst, dass ich in seine freche Ansage und den gierigen Blick danach zu viel hineininterpretiere und ist nun um Schadensbegrenzung bemüht. Oder er fürchtet, dass ich ihn vor das Arbeitsgericht zerre … sein respektloses Benehmen war ja auch wirklich unter jeder Kritik! Vermutlich war er high wegen des endlich beigelegten Scheidungskriegs, dieser Triumph hat ihm auf die Libido geschlagen und ich war gerade da. Die gute, alte Lia, der man den Espresso wegnehmen kann, die man ungestraft Herzblatt nennen und auch mal mangels Alternativen mit Blicken ausziehen darf. Die gute, alte Lia, die ihm das verzeiht, weil sie ihren etwas eigenwilligen Boss seit zwei Jahren kennt und leider viel zu gerne mag.

„Vergiss es und schlaf!“, schreibe ich zurück.

Vielleicht war das jetzt doch ein bisschen hart, aber es gibt Grenzen! Die er heute eindeutig überschritten hat!

Ich dürfte ihn verschreckt haben oder er hat sich meinen Rat zu Herzen genommen. Eine Weile ist es ruhig, was mich doch etwas enttäuscht.

Ich kann einfach nicht anders …

„Wie war der Whisky?“ Ja, das interessiert mich wirklich, auch wenn es schon mitten in der Nacht ist!

„War wenig drin.“

Die Flasche ist leer und Tom ist voll! Er ist betrunken und denkt dabei an mich, gerade an mich! Der muss ein furchtbar schlechtes Gewissen haben.

„Also was ist?“

Ich kenne mich nicht aus, was soll sein?

„Verzeihst du mir?“

„Gehst du mit mir essen?“

„Bist du noch sauer?“

Das ist doch ein bisschen viel auf einmal. Der muss stockbesoffen sein! Schlechtes Gewissen und Alkohol sind eine ganz schlechte Mischung.

„Ja, nein, nein“, schreibe ich zurück. Ich werde garantiert nicht mit Tom essen gehen! Noch nie haben wir privat etwas miteinander zu schaffen gehabt – die gemeinsame Weihnachtsfeier mit den Kollegen kann man ja wohl nicht als Privatvergnügen betrachten – und das muss auch so bleiben. Anders würde ich die Zusammenarbeit mit ihm nicht heil überstehen.

„Und jetzt will ich schlafen!“ Ich sollte das beenden, bevor es noch in etwas ausartet, das ich morgen bereuen werde. Ich schalte das Handy aus.

***

Meine müden Augen hinter einer großen, dunklen Sonnenbrille versteckt – was völlig idiotisch ist, wenn es regnet –, schleiche ich mich am nächsten Morgen in die Kanzlei. Ich hoffe inständig, dass er sich an nichts mehr erinnert, was aber vermutlich reines Wunschdenken ist, denn Tom verträgt so einiges. Zumindest wenn man den Erzählungen eines ehemaligen Mandanten glauben darf. Der war Russe und hat nach einer Wodkanacht nicht so munter dreingesehen wie mein Boss.

Aber warum bin ich eigentlich so nervös? Tom hat sich verrückt aufgeführt, ich habe mir nichts vorzuwerfen.

„Morgen, Lia!“, schreit Jessy mich an. Natürlich schreit sie nicht, aber für mich hört sich das so an. Beinahe fühle ich mich, als hätte ich ebenfalls eine durchzechte Nacht hinter mir, stattdessen leide ich nur unter Schlafmangel. Ich versuche ein halbwegs munteres Lächeln und nehme endlich diese dämliche Brille ab. Lydia, die Teamassistentin, mustert mich aufmerksam.

„Ist da ein Virus ausgebrochen, da schaut ja einer schlimmer aus als der andere“, murmelt sie kopfschüttelnd. „Brauchst du auch eine Tablette?“

Ich kann mir schon denken, wer sie vor mir darum gebeten hat, frage aber alibihalber trotzdem nach. „Wer ist noch so schlecht drauf?“

„Der heißeste Boss ever.“ Lydia leckt sich demonstrativ über die Lippen. „Die Frau, mit der er die letzte Nacht verbracht hat, beneide ich wirklich. Anscheinend hat er alles, wirklich alles gegeben.“

Die beiden kichern dreckig und mir schießt die Röte in die Wangen, obwohl ich ja nur mit ihm gesimst habe. „Ich habe einfach nur zu wenig geschlafen, sonst ist alles in Ordnung“, erkläre ich.

„Ist Tante Nora so anstrengend?“, fragt Jessy mitleidig und das trifft mich hart. Die kann sich nicht einmal vorstellen, dass ich vielleicht auch eine heiße Nacht hatte! Nein, bei mir kann es anscheinend nur an der Familie liegen! Ohne zu antworten, stapfe ich angefressen in mein Büro. Toms Tür ist zu und hoffentlich bleibt sie das auch! Mir ist zum Heulen zumute! Mein einziges Vergnügen besteht darin, mit meinem angeheiterten Chef nächtliche Kurznachrichten auszutauschen, und die sind nicht einmal unanständig! Mein Leben zieht ungenützt an mir vorbei, ich mutiere gerade zur alten, frustrierten Schachtel, ich werde nie wieder Sex haben. Und das ist sehr ungesund! Das habe ich unlängst beim Frisör gelesen, regelmäßiger Sex ist wichtig! Besonders in der Grippezeit, man ist dann viel weniger anfällig für alle möglichen Viren. Ich hatte Grippe letztes Jahr, zwar nur eine leichte, aber trotzdem … er kündigt sich an, mein körperlicher Verfall!

„Lia, suchst du mir bitte die Akte Schmitt heraus?“

Tom steht in der Tür und sieht mich auffordernd an. Er sieht gut aus, so wie immer, er wirkt nicht, als hätte er eine schlimme Nacht hinter sich. Welche Wundertabletten hat Lydia in ihrem Vorrat? Ich starre ihn sprachlos an und er starrt zurück.

„Lia? Schmitt?“, sein Ton wird ungeduldig, „möglichst bald, sofort …“

Schon gut, ich habe es kapiert!

Er wirft einen letzten, kritischen Blick aus leicht zusammengekniffenen Augen über die Schulter und schließt die Tür hinter sich. Ich rolle mit meinem Sessel zum Aktenschrank. Diesen Scheidungsfall haben wir erst vor drei Wochen abgeschlossen, er muss noch hier irgendwo in den Fächern herumliegen. Ablage ist meine Schwachstelle und glücklicherweise kümmert sich darum Jessy – leider bin ich nicht mal dazu in der Lage, ihr die Unterlagen schnell weiterzureichen.

Schmitt … ja, die Dame war total scharf auf ihren Anwalt. Das war nicht zu übersehen, aber Tom schläft niemals mit Mandantinnen, viel zu heikel! Wie er das mit Exmandantinnen so hält, weiß ich allerdings nicht genau! Mir rutscht vor Schreck der Akt aus den Händen. Verdammt! Wer hat die volle Gießkanne dort abgestellt? Die fällt um und das Wasser läuft über die offen liegenden Papiere auf dem Boden. Kann dieser Tag noch schlimmer werden?

Tom hat leider einen Riecher für Katastrophen, er steht schon wieder in der Tür. Sein ungeduldiger Blick brennt in meinem Rücken.

„Lia, alles in Ordnung?“, fragt er und seine Stimme klingt überraschend sanft.

Nichts ist in Ordnung, überhaupt nichts! Ich höre seinen festen, männlichen Schritt gefolgt von einem leichten, weiblichen Stöckelschuhgetrappel. Die Tussi hat mir jetzt echt noch gefehlt. Beide bauen sich hinter mir auf.

„Tom, was ist jetzt? Hat es deine Sekretärin bald?“

Geht’s noch? Und seit wann sind die per Du?

„Es tut mir leid, ich werde das sofort in Ordnung bringen“, murmle ich und klappe schnell den Ordner zu. Glücklicherweise hat es ein paar Seiten getroffen, die ich leicht austauschen kann. Ich muss sie nur neu ausdrucken und abheften.

Tom nimmt mir die Unterlagen aus der Hand und blättert darin herum. Er verzieht keine Miene und sagt auch nichts, als er bei den verschmierten Blättern ankommt.

„Na toll!“, meckert die Frischgeschiedene neben ihm und seufzt übertrieben.

„Diese Aufstellungen brauchen wir ja nicht, es geht nur um den Hund … mal sehen … da steht es ja, geteiltes Sorgerecht.“ Tom zwinkert mir kurz zu und schiebt die – für meinen Geschmack – etwas zu aufreizend gekleidete Dame wieder in sein Büro zurück. Und dafür hat er seine Hand etwas zu lange auf ihrem Rücken, das muss ja wirklich nicht sein! Exmandantin … ich habe es ja befürchtet! Und außerdem hatte die nicht mal einen Termin! Was bildet sie sich eigentlich ein, hier in aller Frühe ohne Vorwarnung aufzutauchen? Ich stehe auf und stapfe entschlossen zu Toms Bürotür und klopfe etwas forsch an. Ohne auf das einladende „Ja, bitte“ zu warten, stoße ich sie auf. Die beiden sitzen nebeneinander auf der Besuchercouch und sehen mich mit großen Augen an. Wie süß!

„Du musst jetzt ins Gericht, Tom. Ich kann gerne einen neuen Termin mit Frau Schmitt vereinbaren, da sie ja heute etwas überraschend erschienen ist“, erkläre ich wichtig und bemühe mich um einen möglichst respekteinflößenden Gesichtsausdruck. Meine Urgroßmutter Emilia wäre jetzt sicher sehr stolz auf mich! Unser Gast ist allerdings nicht wirklich beeindruckt, die Dame denkt nicht daran, sich einfach hinauswerfen zu lassen.

„Ach, Tom, ein paar Minuten noch. Du sagtest ja, wann immer ich ein Problem habe, kann ich damit zu dir kommen“, gurrt sie und klimpert mit ihren garantiert aufgeklebten Wimpern. Sie rückt auf der Couch noch ein bisschen näher an ihn heran.

Er überlegt kurz, wirft mir einen leicht amüsierten Blick zu und steht auf. „Es ist vermutlich besser, einen neuen Termin zu vereinbaren. Lia hat recht, mein Kalender ist heute sehr dicht. Und ich würde mich dir gerne voll und ganz widmen, nicht so zwischen Tür und Angel.“

So ein Schleimer!

„Na gut, vielleicht gehen wir essen? Da haben wir dann genug Zeit und keinen Druck nach hinten“, säuselt sie, steht ebenfalls auf und streicht sich lasziv über die dürren Hüften.

Druck nach hinten? Ich werde dir gleich Druck von allen Seiten machen!

„Lia, sei bitte so nett und sieh mal bei meinen Mittagsterminen nach. Ich denke, diese Woche wird es schon sehr knapp, nächste Woche dürfte kein Problem sein. Ich überlege mir bis dahin etwas bezüglich deines Problems. Meine Liebe … ich darf mich verabschieden“, er deutet einen Diener an und küsst formvollendet die ihm dargebotene Hand.

Kurze Zeit später ist sie mit einem triumphierenden Blick abgerauscht. Ich muss gestehen, dass ich nur ausgesprochen widerwillig einen Termin herausgerückt habe.

9. Tom

Abgesehen davon, dass ich dank der Unmengen an Whisky beim Aufwachen das Gefühl hatte, das Pochen in meinem Schädel kommt mir bei den Eiern raus, verschwammen mir die Buchstaben auf dem Display meines Handys vor den blutunterlaufenen Augen. Bin ich komplett durchgeknallt? Was habe ich getan? Ich war am Vorabend laufen, ließ mich danach leichtsinnigerweise, ohne vorher viel zu essen, volllaufen, allein, und dann setzte ich diese Hilferufe ab.

VERZEIHST DU MIR?

GEHST DU MIT MIR ESSEN?

Am liebsten hätte ich mich krankgemeldet, aber ich war noch nie krank, ich verfüge über die Konstitution eines Grizzlybären, nicht umzubringen!

Ich bin geliefert, natürlich kann ich ihr erklären, dass dieser exklusive Tropfen ihrer verhaltensauffälligen Tante mir doch etwas zu viel auf einmal war, aber auch das wäre peinlich. Denn ich bin nicht nur nie krank, ich saufe auch alle anderen unter den Tisch! Und noch nie, wirklich niemals, habe ich in diesem Zustand solche Dinge getan. Ich kann mir das gar nicht erklären!

Ich werde einfach so tun, als sei nichts passiert, damit bringe ich weder Lia noch mich in Verlegenheit. Sie wird mich garantiert nicht darauf ansprechen, so wie ich sie einschätze.

Nach einem starken Kaffee und einer von Lydias Schmerzbombern war ich endlich in der Lage den Überraschungsbesuch von Tanja abzufertigen. Lia war heute etwas spät dran und so war ich diesem Vamp hilflos ausgeliefert. Na ja, Vamp ist vielleicht etwas übertrieben, aber wenn ich es dieser Dame erlauben würde, würde die mich nicht mehr aus ihren Fängen lassen. Offensichtlich ist die bereits auf der Suche nach Ehemann Nr. 2.

Lia kann sie nicht ausstehen, das hat sie heute wieder deutlich gezeigt. Ich kann das durchaus verstehen, diese Mandantin ist eine richtige Zicke und ihr Ex sollte froh sein, sie so schnell losgeworden zu sein - dank meiner Hilfe. Aber tolerieren darf ich das unfreundliche Verhalten meiner Assistentin nicht. Sonst hat sie sich auch immer sehr gut im Griff und lässt sich eventuelle Aversionen gegenüber unseren Klienten nicht anmerken. Diesmal ist sie allerdings ein wenig zu weit gegangen. Einfach während einer Besprechung in mein Büro zu platzen und etwas von einem Gerichtstermin zu faseln! Ich habe zwar wirklich einen, aber erst in zwei Stunden!

„Kann ich die Akte Schmitt wiederhaben, zum Trockenlegen?“ Schon wieder steht sie ohne Einladung in meinem Büro! Ich bemühe mich um einen strengen Gesichtsausdruck und halte ihr die Unterlagen entgegen. Sie greift danach und will wieder gehen, ich lasse den Ordner jedoch nicht los und deute auffordernd auf den Sessel mir gegenüber. Sie zieht an der Mappe, ich lasse noch immer nicht los.

„Setz dich bitte“, beende ich unser kindisches Getue.

Lia zuckt kurz beunruhigt mit den Mundwinkeln, setzt sich dann aber widerstrebend hin. Ein dunkler Schatten liegt unter ihren Augen, eindeutig zu wenig Schlaf, und ich bin vermutlich schuld daran.

„Du musst Jessy bitte nochmals sagen, dass sie nicht einfach jeden x-Beliebigen zu mir schicken kann, wenn du nicht da bist. Sie sitzt ja nicht spaßhalber direkt vor dem Eingang“, knurre ich und Lia seufzt genervt.

„Jeden x-Beliebigen?“, wiederholt sie provokant.

„Ja, jeden x-Beliebigen, den du, auch wenn du ihn nicht ausstehen kannst, höflich zu behandeln hast. Immerhin zahlt der auch indirekt dein Gehalt.“

„Ich war nicht unhöflich“, raunzt sie.

„Dringender Gerichtstermin, so ein Blödsinn! Gemeinsam mit deinem grantigen Gesicht kam das einem Rausschmiss gleich!“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739474229
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
Liebesroman Leidenschaft sexy Knistern Herz Romantik Happy End Familie Humor Prickeln Liebe

Autor

  • Mara Waldhoven (Autor:in)

Mara Waldhoven ist das Pseudonym einer österreichischen Autorin. Ihre sexy Liebesromane handeln von leidenschaftlichen, starken Frauen, die Lust am Leben und an der Liebe haben, und sind auch für diese geschrieben. Geschichten mit viel Gefühl, Witz und einer scharfen Prise Erotik. Und da die unheilbare Romantikerin davon überzeugt ist, dass sich jedes Abenteuer ein Happy End verdient, wird es das in ihren Büchern auch immer geben.
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Titel: Verboten scharf ... und nur für mich