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Kein Mann fürs Frühstück

von Mara Waldhoven (Autor:in)
200 Seiten

Zusammenfassung

Eigentlich ist Lilli gar nicht der Typ für spontane, heiße One-Night-Stands. Die Buchillustratorin, die ihr hitziges Temperament im Alltag nicht immer so gut im Griff hat, verbindet Sex mit tiefen Gefühlen und die stellen sich bei ihr üblicherweise nicht bereits nach ein paar Stunden ein. Doch dann trifft sie unter ziemlich turbulenten Umständen auf den attraktiven Anwalt Nik, eine unwiderstehliche Mischung aus seriös, lausbubenhaft und verboten sexy. Er sieht die Sache komplett anders, Nik sucht nicht die wahre Liebe, er mag es unkompliziert und ohne jede Verpflichtung. Lillis Vorsätze geraten ins Wanken, nur eine einzige heiße Nacht kann doch nicht schaden ...


Doch das Schicksal will auch seinen Spaß haben und bringt die beiden durch einen unglaublichen Zufall wieder zusammen. Ignorieren funktioniert da leider überhaupt nicht, schon gar nicht, wenn der Körper überreagiert und das Hirn beschließt, sich komplett herauszuhalten. Und auch das Herz macht, was es will...


Ein sexy Liebesroman mit viel Herz und Humor.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

Mara Waldhoven
Kirchwegsiedlung 26

3484 Grafenwörth

mara.waldhoven@gmx.at

*****

Deutsche Erstausgabe
September 2017

*****

Covergestaltung: Mara Waldhoven unter Verwendung von © Vladimir Wrangel/fotolia.com

*****

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sowie die Übersetzung des Werkes sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung der Autorin. Dies gilt ebenfalls für das Recht der mechanischen, elektronischen und fotografischen Vervielfältigung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Handlung und die handelnden Personen, sowie deren Namen, sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden bzw. realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt

***

Prolog

„Ich glaub das jetzt nicht!“ Lilli sprang mit einem empörten Aufschrei von ihrem Sessel hoch und starrte mit zusammengekniffenen Augen über die Straße. Ihrer Freundin Kathi, die bis jetzt entspannt die ersten wärmenden Strahlen der Märzsonne genossen hatte, fiel vor Schreck beinahe das Glas Wein aus der Hand. Lilli packte sie bei den Schultern und schüttelte sie aufgeregt.

„Da ist Benedikt, mit dieser Brünetten aus seinem Büro. Mir hat er erklärt, er geht mit ein paar Kollegen auf ein Bier!“, zischte sie aufgebracht. Kathis Blick folgte ihrem Zeigefinger und wirklich, der dunkelhaarige, großgewachsene Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite war Lillis Freund. Ziemlich sicher lag die Betonung ab sofort auf war – er küsste die Frau gerade, und das ziemlich innig.

„Den kauf ich mir!“, rief Lilli und hechtete, ohne zu schauen, über die Straße. Das Auto, das sich mit etwas überhöhter Geschwindigkeit näherte, kam mit quietschenden Reifen zum Stehen.

„Tickst du noch richtig, du Tussi!“, schrie der Fahrer aufgebracht beim offenen Fenster hinaus und deutete den Stinkefinger. Manieren hatte der! Lilli schlug zornig mit der flachen Hand auf das Autodach. „Das ist eine Dreißigerzone, du Depp! Also brems dich ein!“

„Du kannst mich mal!“, rief der Mann wutentbrannt und kurz schien es, als würde er aus dem Auto springen, um dieser lebensmüden Irren, die beinahe auf seiner Kühlerhaube gelandet wäre, gehörig die Meinung zu sagen. Er überlegte es sich jedoch anders, stieg aufs Gas und brauste davon.

Lilli wedelte ihm aufgeregt mit den Armen hinterher. „Du mich nicht, nicht in hundert Jahren! Und wenn du der einzige Typ auf der Welt wärst, fick dich selbst!“

Kathi vergrub ihr Gesicht in den Händen und betete, dass hier keiner war, der sie kannte. Sie wusste über das aufbrausende Temperament ihrer Freundin natürlich Bescheid, aber das, was die jetzt gerade abzog, wurde langsam so richtig peinlich. Sie blinzelte vorsichtig durch ihre Finger hindurch und sah, wie Lilli über die nun freie Straße auf den erstarrt dastehenden Benedikt zumarschierte. Der bekam es offensichtlich gerade ziemlich mit der Angst zu tun. Genauso wie die junge Frau neben ihm, die sich ziemlich fluchtartig verabschiedete und verständlicherweise kein Bedürfnis hatte, ihre Nebenbuhlerin, Vorgängerin, oder was auch immer, so unverhofft kennenzulernen. Benedikt musste der fuchsteufelswilden Lilli alleine gegenübertreten und seinem Gesichtsausdruck nach hatte er ziemlich die Hosen voll. Kathi lief ihrer Freundin eilig hinterher, bevor die noch ein Blutbad anrichten konnte.

„Das ist doch unglaublich! Wird da jetzt unten ein Film gedreht oder was soll dieser Krach?“ Die Chefsekretärin der Rechtsanwaltskanzlei Johran stapfte ungehalten zum Fenster, um es zu schließen. Der Lärm war nicht auszuhalten, wie sollte man da in Ruhe arbeiten!

„Was ist los, Marie?“ Niklas Johran, der Juniorchef der Kanzlei, kam gerade aus dem Besprechungszimmer, das glücklicherweise auf der ruhigen Innenseite des Gebäudes lag. Er ließ einen Stapel Akten auf den Schreibtisch seiner Sekretärin fallen und trat neben sie. Neugierig blickte er auf die Straße hinunter.

„Da schreit so eine Verrückte herum“, erwiderte Marie empört.

„Was fällt dir ein, hier mit der rumzumachen? Hältst du mich für ganz blöd? Mir sagst du, du bist mit Kollegen unterwegs!“, tönte es gerade zu ihnen hinauf. „Und dann schmust du sie auch noch auf offener Straße ab, gegenüber einem meiner Lieblingslokale, am helllichten Tag, damit ich dich auch wirklich erwische? Wie dämlich bist du eigentlich!“

Jedes Wort war zu verstehen, die Gute schrie ihren vermutlich baldigen Ex ziemlich nieder. Nik konnte nicht umhin, dieses Stimmvolumen zu bewundern, war aber auch froh, dass das furchteinflößende Geschrei nicht ihm galt. Er beglückwünschte sich wieder einmal zu seinem Entschluss, sich niemals auf längere Beziehungen einzulassen. So etwas wie dem bedauernswerten Kerl da unten konnte ihm nicht passieren. Denn Nik schmuste aus Prinzip herum, mit wem und wann und wo er wollte, und daraus machte er bei einer neuen Eroberung auch kein Geheimnis.

„Das hört sich nach einer möglichen neuen Mandantin an“, grinste der auf Scheidungen spezialisierte Anwalt etwas schadenfroh und beugte sich weiter hinaus, um besser sehen zu können.

„Also, so wie die sich gerade aufführt, sollten wir sie lieber nicht in die Kanzlei lassen. Total hysterisch“, meinte Marie entrüstet und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch um weiterzuarbeiten.

Nik war neugierig, er wollte unbedingt wissen, wie diese ausgesprochen temperamentvolle Frau eigentlich aussah. Er konnte aber von oben nur einen Blick auf einen fest zusammengedrehten Haarknoten und eine schlanke Figur in einem hellen Trenchcoat erhaschen. Ein Stück entfernt stand eine Blondine, die das Ganze interessiert beobachtete. Über ihre Rolle in diesem Spiel war sich Nik nicht ganz im Klaren.

Langsam glättete sich die Stimmung etwas, der dunkelhaarige Mann redete bemüht ruhig auf die Frau ein, die mit in die Seiten gestemmten Armen wie ein Racheengel drohend vor ihm stand. Sie keppelte etwas zurück, das man leider hier oben nicht verstehen konnte, und der Typ dampfte schließlich – nach einigem Hin und Her - kopfschüttelnd ab.

„Und wenn du nicht kommst, schmeiß ich deine Sachen beim Fenster raus!“, schrie sie ihm dann noch aufgebracht hinterher.

Okay, sie war anscheinend nicht zu erweichen gewesen. Das wars wohl. Vermutlich war er ohne sie sowieso besser dran!

Nik wollte schon wieder seinen Kopf zurückziehen - beinahe bedauerte er, dass dieses Theater vorbei war -, als der Racheengel plötzlich die Augen hob und zu ihm hochblickte. Er fühlte sich ertappt, wie ein Voyeur, der hinter dem Busch hockte und Liebespärchen beobachtete.

„Na, hat‘s Spaß gemacht, du Spanner?“, rief sie zu ihm hinauf.

Nik war kurz sprachlos, dann musste er herzlich lachen. Einfach unglaublich!

1. Kapitel

„Liliana, tesoro mio!“ Roberto, der Lokalbesitzer, kam Lilli Almuth, die soeben das Restaurant betreten hatte und sich suchend umblickte, mit einem breiten Lächeln im Gesicht entgegen. Er manövrierte seinen wohlgenährten Bauch, der zeigte, dass er selbst die italienische Küche über alles liebte, flott durch die vollbesetzten Tische und begrüßte sie mit drei festen Schmatzern auf die Wange. Von diesen gehauchten, höflichen Küsschen, die nach nichts schmeckten – wie er immer lachend erklärte – hielt der Italiener nicht viel.

„Deine Mama ist schon sehr ungeduldig!“ Er schob die hübsche, junge Frau mit den vom Wind etwas zerzausten, kupferfarbenen Locken eilig zu einem der hinteren Nischentische. Eine gepflegte, ältere Dame mit hochgestecktem, dunkelblondem Haar blickte ihr bereits sehr ungehalten entgegen.

„Na endlich, Lilli, kannst du nicht einmal pünktlich sein? Der Prosecco wird ja ganz warm und ich bin am Verhungern.“ Celia Almuth schenkte Roberto ein charmantes Lächeln, als er mit einer schwungvollen Bewegung ihr Glas auffüllte und auch ihrer Tochter einschenkte. Die Flasche neigte sich schon dem Ende zu, Lilli sah ihre Mutter tadelnd an.

„Warst du das? So spät bin ich nun auch wieder nicht, dass du fast eine ganze Flasche Prosecco hinunterkippst.“

„Roberto hat ein Gläschen mit mir getrunken“, Celia zwinkerte dem Lokalbesitzer verschwörerisch zu, „und so meine Wartezeit etwas angenehmer gestaltet. Ich war das nicht allein!“

Der um einige Jahre jüngere Italiener hauchte hingebungsvolle kleine Küsse auf Celias Handrücken.

„Ach, mio grande amore, du weißt, ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass du mich eines Tages erhören wirst. Ich könnte dein ganzes Leben angenehm gestalten, würdest du es mir nur erlauben.“

„Roberto, du bist einfach zu sehr Mann für mich, da könnte ich nicht mehr mithalten. Ich könnte außerdem deine Mama sein … oder wohl eher deine große Schwester.“ Celia kicherte und Lilli verdrehte die Augen. Dieses andauernde Geplänkel zwischen den beiden war anstrengend und sie hatte den Verdacht, dass da bereits die zweite Flasche vor ihrer Mutter auf dem Tisch stand.

„Ähm, entschuldigt, wenn ich unterbreche, aber ich hätte langsam Hunger. Könnt ihr mit dem Gesülze später weitermachen, biiiiiitte!“, jammerte Lilli und schlug Roberto strafend mit der Speisekarte auf den Arm.

„Natürlich, wo sind nur meine Manieren. Ich vergesse mich immer, wenn du und deine wunderschöne Mama das Lokal betreten“, entschuldigte er sich und ratterte mit ernster, geschäftsmäßiger Miene die Empfehlungen des Tages herunter. Dann verabschiedete er sich mit einigen schnell dahingehauchten Luftküsschen, die er höflicherweise zwischen beiden Damen gleichmäßig aufteilte, und eilte davon, um sich neuankommenden Gästen zu widmen.

„Lilli, heute gibt es etwas zu feiern, also bitte, stoß endlich an mit mir.“ Celia strahlte ihre Tochter an, der jetzt erst dieses seltsame Leuchten in den Augen ihrer Mutter auffiel, das garantiert nichts mit dem italienischen Heißsporn zu tun hatte. Sie griff nach dem gefüllten Glas und nahm einen vorsichtigen Schluck. Sie war neugierig und auch etwas beunruhigt. So ausgelassen hatte Lilli ihre Mutter schon lange nicht mehr erlebt. Genau genommen seit Jahren nicht, aber nun, da die langwierige und unangenehme Scheidung von Lillis umtriebigen Vater endlich durch war, schien sie richtig aufzublühen.

„Was ist passiert?“, fragte sie vorsichtig.

„Eigentlich wollte ich bis nach dem Essen warten, wenn du etwas im Magen hast. Mit vollem Bauch bist du immer viel friedlicher als hungrig, das war schon als kleines Mädchen so. Wenn ich dir etwas Unangenehmes sagen wollte – obwohl es eigentlich nichts Unangenehmes ist – also, wenn …“

„Mama!“ Lilli stellte das Glas ab und legte ihre Hand auf die ihrer Mutter.

„Was ist los, raus damit. So schlimm kann es nicht sein, du wirkst irgendwie sehr …“, sie überlegte einen Moment, und als sie das richtige Wort gefunden hatte, schien sie selbst darüber erstaunt zu sein, „… glücklich, überglücklich!“

„Ja, Schatz, das bin ich auch. Ich weiß gar nicht, wann ich mich das letzte Mal so gut gefühlt habe.“ Celias Stimme wurde leise und sie bekam einen verträumten Ausdruck in den Augen.

Lilli begann nervös zu werden, ziemlich nervös. Irgendetwas war da im Busch!

„Liliane, ich habe mich verliebt, so richtig verliebt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass mir das noch einmal in meinem Leben passiert.“ Celias Wangen überzogen sich mit einem mädchenhaften, rosafarbenen Schimmer und das ließ sie viel jünger als einundsechzig aussehen.

„In wen denn, um Himmels willen!“

Lillis Stimme klang etwas schrill und sie wusste sofort, dass das die falsche Reaktion war, und versuchte schnell die Situation zu retten.

„Ich wollte natürlich sagen, das ist schön! Es kommt nur etwas überraschend. Aber natürlich freue ich mich für dich!“ Sie trank das Glas in einem Zug leer und schon war Roberto aufgetaucht um nachzuschenken. Der musste irgendwo in der Nähe gelauert haben!

„Ich habe den Mann während der Scheidung kennengelernt und es hat sofort gefunkt. Gefunkt? Sagt man das noch so? Eingeschlagen oder Schmetterlinge im Bauch?“

„Du siehst mir eher nach einem Einschlag aus.“ Lilli musste lachen. Dann runzelte sie die Stirn. „Während der Scheidung? Wen könntest du während der Scheidung …“ Sie war nicht dumm und kapierte normalerweise ziemlich schnell. Und so war es auch diesmal.

„Du ahnst es schon, es ist Kurt Johran“, flüsterte Celia. Sie blickte nun etwas ängstlich in das Gesicht ihrer Tochter, das sich gerade dunkel umwölkte.

„Du hast etwas mit deinem Scheidungsanwalt angefangen?“, fragte Lilli gefährlich leise und warf einen konsternierten Blick zu Roberto, der unweit von ihnen stand und sie aufmerksam beobachtete.

„Und er weiß es?“ Lilli war schockiert.

Celia zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Natürlich weiß er es, was redest du!“

„Nein, ich rede von Roberto, er weiß es, alle wissen es, nur ich nicht?“

„Warum Roberto?“, stotterte Celia verwirrt, zuckte dann aber entschuldigend mit den Mundwinkeln. „Wir waren essen hier, rein geschäftlich natürlich, vielleicht ahnte er etwas!“ Sie zupfte unruhig an der Serviette. „Es weiß natürlich sonst niemand! Wir wollten und mussten warten bis wir uns ganz sicher waren und diese … lästige Sache … endlich erledigt war! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um es euch zu sagen und …“

„Euch?“, fuhr Lilli ihrer Mutter ins Wort.

„Dir und Kurts Söhnen. Niklas und Maximilian, sie hatten bis jetzt auch keine Ahnung. Niklas habe ich zwar kurz kennengelernt, er unterstützte Kurt bei dem Prozess, aber er wusste auch nichts von unserer … mmhh … Freundschaft.“

„Freundschaft?“ Lilli warf einen provozierenden Blick über den Tisch und die Ältere wurde etwas blass um die Nasenspitze.

„Liebesbeziehung, Affäre, wie auch immer du es nennen willst. Lilli, bitte, schau nicht so schockiert. Es kam für uns beide überraschend, es ist einfach passiert! Völlig ungeplant und zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, zugegeben.“ Celia kicherte verschmitzt. „Ich möchte aber betonen, dass es keine vorübergehende, unwichtige Affäre ist.“ Ihr Gesichtsausdruck änderte sich von keck zu eindringlich.

„Das muss ich erst mal verdauen, weiß es Papa?“

„Nein! Es geht ihn genau genommen auch gar nichts an. Und offiziell sind Kurt und ich auch noch kein Paar!“

„Vermutlich auch besser so, denn sollte ein Scheidungsanwalt nicht besser die Finger von seiner Mandantin lassen?“, fragte Lilli schnippisch und schlug dann mit der flachen Hand auf den Tisch. „Mama, ich glaub das einfach nicht!“, rief sie etwas zu laut.

Roberto tauchte auf. „Grappa, mia piccola, brauchst du einen Grappa?“

„Nein! Ich brauche keinen Grappa!“, pfauchte Lilli und scheuchte ihn ungehalten weg.

„Liliane, bitte, schrei nicht so. Das ist mir unangenehm“, versuchte Celia ihre aufgebrachte Tochter zu beruhigen.

„Weißt du, was mir unangenehm ist? Dass meine Mutter anscheinend während dem Scheidungsverfahren mit ihrem Anwalt ins Bett gehüpft ist.“

Das war Celia nun zuviel. „Mäßige deinen Ton, ich bin deine Mutter! Und dein Vater ist übrigens andauernd mit irgendjemandem ins Bett gehüpft und bei mir stört es dich? Du benimmst dich jetzt ziemlich engstirnig!“

Lilli beruhigte sich etwas. „Entschuldige, ich bin nur etwas durch den Wind“, murmelte sie leise. „Hast du eigentlich einmal an das Risiko gedacht?“

Ihre Mutter zog belustigt die perfekt gezupften Augenbrauen in die Höhe. „Ach Schätzchen, aus dem Alter, ungewollt schwanger zu werden, bin ich schon lange draußen.“

„Hahaha! Ich meine, dass du vermutlich viel schlechter ausgestiegen wärst, wenn Papa das erfahren hätte!“

Ihre Mutter zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wir waren sehr diskret und ich kann mich doch sicher darauf verlassen, dass du ihm nicht erzählst, wann es begonnen hat.“

„Natürlich. Ich habe mit Papa das letzte Mal vor vier Monaten telefoniert. Du weißt genau, dass unser Verhältnis nicht sehr gut ist.“

Celia nickte ein wenig betrübt. Sie fand es trotz allem schade, dass sich Vater und Tochter wegen der Scheidung endgültig entzweit hatten. Schuld war aber Peter Almuth selbst, er war so dumm gewesen und hatte sich mit seiner Sprechstundenhilfe erwischen lassen. Von seiner Tochter! Das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht!

Dieser Fehler hatte ihn das Haus in Döbling und die Maisonette in der Wiener Innenstadt – die jetzt Lilli bewohnte – gekostet. Kurt Johran und sein Sohn waren richtige Profis, die Celia Almuth noch dazu eine mehr als großzügige, monatliche Unterstützung erkämpft hatten. So gesehen hatten sich die mehr als dreißig Ehejahre wieder gelohnt, trotz all der Lügen und Enttäuschungen.

„Es ist mir ernst mit Kurt, sehr ernst. Ich habe in ihm den Mann gefunden, der mir das geben kann, wonach ich jahrelang vergeblich gesucht habe. Manchmal findet man eben die wahre Liebe genau dort, wo man sie nicht vermuten würde! Und ich möchte, dass du ihn kennenlernst. Ich liebe ihn wirklich!“

Lilli schossen Tränen in die Augen, ihre Mutter strahlte und war glücklich und sie führte sich auf wie eine Irre.

„Es tut mir leid. Ich freue mich ehrlich für dich. Und ich freue mich darauf, Kurt besser kennenzulernen. Ich bin sicher, er ist ein toller Mann.“ Sie suchte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch.

„Schätzchen, das ist nun wirklich kein Grund zum Weinen.“ Celia lächelte milde, bei ihrer Tochter saßen die Tränen immer ein wenig locker. „Kurt ist wunderbar. Du wirst ihn mögen, auch seine Söhne. Ich kenne, wie gesagt, nur den älteren flüchtig, aber von den Erzählungen her sind beide sehr nett. Du wirst das morgen beim Abendessen feststellen.“

„Morgen schon?“ Lilli putzte sich die Nase. So eilig hatte sie es nun auch wieder nicht mit dem Kennenlernen.

Ihre Mutter schlug zufrieden die Speisekarte auf. „Wir bestellen jetzt erst einmal und dann erzähle ich dir alles, was du wissen musst.“

***

„Papa, was bist du nur für ein wilder Hund!“ Maximilian Johran starrte seinen Vater mit großen Augen überrascht an, der lächelte tapfer.

„Das ist jetzt zwar nicht die Bezeichnung, die ich gewählt hätte, aber gut, wenn du das so sehen willst ...“ Der ältere Herr mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen und den noch immer dichten, dunklen Haaren warf einen kurzen Blick auf seinen erstgeborenen Sohn Niklas. Der sagte gar nichts. Er war sich nicht einmal sicher, ob Nik ihn wirklich gehört hatte. Nik war selten stumm und hatte für gewöhnlich zu allem etwas zu sagen. Und wenn ihm nichts Sinnvolles einfiel, brummte er. Das Brummen hatte er von seiner Mutter geerbt, es war einer dieser Laute, die alles ausdrücken konnten und daher die Gesprächspartner furchtbar verunsicherten. Was im Gerichtssaal eine wunderbare Sache war, privat jedoch eher lästig. Doch Nik sagte nichts und er brummte auch nicht. Er aß ungerührt sein Steak weiter und nahm bedächtig einen Schluck Rotwein. Nachdem er das Besteck auf die Seite gelegt und sich mit der Serviette den Mund getupft hatte, hob er endlich den Blick.

„Willst du sie heiraten?“, fragte er ruhig.

Diese Frage stellten normalerweise Väter ihren Söhnen, nicht umgekehrt. „Wenn ja, sollten wir einen wasserdichten Ehevertrag aufsetzen.“

Auch diese Feststellung hätte von ihm, Kurt Johran, stammen können. Deshalb konnte er seinem Sohn nicht einmal böse sein. Max jedoch war empört, er warf seinem um sechs Jahre älteren Bruder einen bitterbösen Blick zu. „Nik, gehts noch, was fällt dir ein?“

„Nein, lass nur, er hat vollkommen recht“, sagte Kurt beschwichtigend. „Wir werden das zu gegebener Zeit besprechen. Niklas, ich zähle dann auf deine Hilfe. Aber diese Frage stellt sich noch nicht.“

„Seit wann geht das genau?“, fragte Nik weiter. Sein Vater erwiderte seinen Blick offen, er log seine Söhne niemals an. Er verschwieg Dinge, aber er log nicht.

„Lange genug, um zu wissen, dass es die richtige Entscheidung ist“, antwortete er knapp.

„Du weißt, dass das für unsere Kanzlei mehr als peinlich wäre, wenn der Boss etwas mit einer Mandantin anfängt, während die Scheidung läuft. Immerhin war das ein für die Öffentlichkeit nicht gerade uninteressanter Scheidungsfall. Der Exmann ist ein bekannter Schönheitschirurg und wenn durchsickert, dass du während des Verfahrens eine Affäre mit seiner Frau angefangen hast …“

„Keine Sorge. Nicht einmal ihre Tochter wusste es. Und die Scheidung ist ja nun schon eine Weile durch“, unterbrach Kurt seinen Sohn ungeduldig.

„Sie hat eine Tochter?“ Das war Max‘ Startschuss wieder an dem Gespräch teilzunehmen. Er gluckste fröhlich und beugte sich verschwörerisch über den Tisch in Richtung seines Bruders.

„Niky, wir bekommen ein Schwesterchen“, spöttelte er, der Angesprochene warf ihm einen gereizten Blick zu. Er hasste es, Niky genannt zu werden.

„Na, wie mich das freut!“, murrte er. Er wusste natürlich von der Tochter, immerhin hatte er gemeinsam mit seinem Vater an den Akten gesessen. Und nun war ihm auch klar, warum dem gerade dieser Fall so wichtig gewesen war!

„Wie alt ist denn die Kleine?“, fragte Max und zwinkerte fröhlich.

„Einunddreißig“, antwortete Nik trocken.

„Oh, das ist aber schon ein großes Mädchen!“ Max schlug sich lachend auf die Schenkel und erntete einen strafenden Blick seines Vaters.

„Maximilian, jetzt reicht es. Heb dir deine gute Laune für morgen auf, das wird unser erstes gemeinsames Essen vielleicht etwas angenehmer gestalten als mit diesem Brummbär gegenüber von dir.“

Nik legte stöhnend den Kopf in den Nacken. „Es tut mir leid, aber du hast mir jahrelang gepredigt‚ fang dir nichts mit einer Mandantin an. Und das fällt mir bei den heißen, frustrierten, ungevögelten Geräten, die da teilweise in unsere Kanzlei marschieren, manchmal wirklich ziemlich schwer …“, er ignorierte den schockierten Blick seines Vaters und das herzhafte Lachen seines jüngeren Bruders, „… und dann wirst du, gerade du, plötzlich weich und machst mit einer dieser Damen rum.“

Kurt Johran sagte nichts, es war einer der seltenen Momente, wo er schlichtweg keine Antwort wusste. Nik hatte recht, aber es hatte ihn erwischt. Und nur weil er bereits seine Sturm- und Drangzeit um einige Jährchen überschritten hatte, hieß das noch lange nicht, dass er gegen diese überwältigenden und plötzlichen Gefühle immun war!

„Ich habe nicht rumgemacht und ich bin bei weitem nicht der wilde Hund, den dein Bruder in mir sehen will. Ich bin dreiundsechzig Jahre alt und hatte – bis auf einige unwichtige Affären – nach eurer Mutter keine Frau in meinem Leben, die mir wirklich etwas bedeutet hat. Ich habe nach ihrem Tod sehr lange getrauert, aber nun, nach zwanzig Jahren, habe ich mich wieder verliebt. Das hast du zu akzeptieren, Niklas.“

Sein Ältester und er starrten sich entschlossen ins Gesicht, keiner senkte den Blick.

„Dass dein Bruder eine ausgesprochen romantische Ader hat und daher kein Problem mit meiner neuen Beziehung haben wird, ist uns ja wohl beiden klar. Es wäre nett, wenn auch du dich damit anfreunden könntest.“

„Ich habe kein Problem mit einer neuen Beziehung. Ich habe ein Problem damit, dass du ihren Exmann ziemlich abgezockt hast und ich neige auch zu der Auffassung, dass die gute Dame etwas geldgierig sein könnte und ihr das nicht genug war“, erwiderte Nik bissig. So respektlos verhielt er sich selten, doch nahm sein Vater das seltsamerweise ziemlich gelassen. „Das ist vermutlich dein berufsbedingtes Misstrauen“, sagte er nur und ließ sich von Paul, dem Butler, der wie gewohnt keine Miene verzog, nachschenken.

„Damit bin ich bis jetzt gut gefahren und du auch.“

„Das stimmt allerdings. Schaffst du es morgen trotzdem, dich den Damen gegenüber höflich zu benehmen?“, fragte Kurt mit hochgezogenen Augenbrauen.

Sein Sohn nickte unwillig.

2. Kapitel

Lilli war alles andere als begeistert, heute den neuen Mann an der Seite ihrer Mutter samt „Nachwuchs“ kennenlernen zu müssen. Celia nervte sie den ganzen Tag schon mit diversen Arbeitsaufträgen:

„Du musst dir die Haare ordentlich machen, du hast so wunderschöne Locken, wenn du sie etwas bändigst! Zieh etwas Hübsches an, wir wollen doch einen guten Eindruck machen! Aber bloß nichts Aufreizendes! Und, bitte, hole die Profiteroles ab, die ich bei Roberto bestellt habe. Kurt liebt die! Du kommst doch mit dem Auto? Du musst pünktlich sein, Kurt ist immer überpünktlich. Eine Berufskrankheit, wie er sagt. Besser, du kommst etwas früher zu mir, mit der Nachspeise! Vergiss, um Himmels willen, die Profiteroles nicht! Und mach dir die Haare ordentlich …“

Spätestens in diesem Moment klinkte Lilli sich geistig aus! Die Illustratorin musste schließlich nicht nur die doppelt und dreifach formulierten Aufträge ihrer aufgeregten Frau Mama erfüllen, sondern auch noch ein Cover für ein Kinderbuch fertigstellen. Und ihre Buchhaltung schrie auch schon verzweifelt nach Erledigung!

Der Tag verging wie im Flug. Sie hatte weder Lust noch Zeit, sich um ihre Locken zu kümmern und mit dem „früher kommen“ würde es definitiv auch nicht klappen. Lilli seufzte. Sie beendete ihre Arbeit am Laptop und ging zum Schrank.

„Zieh dir etwas Hübsches an, aber nichts Aufreizendes!“

Als hätte sie etwas Aufreizendes im Kasten! Ihr Blick marschierte die Reihe mit den Kleidern und Röcken ab, vor und wieder zurück. Sie würde sich bei dieser für Mai außergewöhnlichen Hitze garantiert in keinen adretten Hosenanzug schmeißen, nur um den vermutlich exklusiven Ansprüchen der Herren Anwälte zu genügen.

Lilli entschied sich für ein leichtes, in Grün- und Blautönen gehaltenes Sommerkleid mit engem Oberteil und weit schwingendem Rock. Sie mochte das Kleid und es stand ihr ausgesprochen gut. Darin fühlte sie sich hübsch, aber nicht zu auffällig. Sie begutachtete im Spiegel prüfend ihr Dekolleté, dann zwinkerte sie ihrem Spiegelbild verschmitzt zu. Das bisschen Ausschnitt würden die Herren schon aushalten.

Schnell eilte sie hinunter in die Tiefgarage zu ihrem Mini Cooper und brauste los in Richtung Döbling. Es war halb sechs. Um sechs Uhr würden die Gäste ihrer Mutter eintreffen, das konnte bei dem täglichen Abendverkehr etwas knapp werden.

***

„Nik, Sie haben die Blumen vergessen. Ich habe sie auf Ihren Schreibtisch gestellt, genau vor Ihre Nase!“ Die Stimme seiner Assistentin Marie tönte vorwurfsvoll durch die Freisprechanlage seines Wagens.

Verdammt! Sein Vater würde ihn umbringen. „Max wird Celia einen Blumenstrauß mitbringen und du der Tochter des Hauses, ich will, dass beide Damen etwas bekommen“, seine Worte hatten unmissverständlich geklungen. Und obwohl sich Nik mit seinen immerhin schon fünfunddreißig Jahren sehr unabhängig fühlte, gab es Wünsche seines Vaters, die er natürlich erfüllte. Und selbstverständlich gebot es die Höflichkeit, mit einem Blumenstrauß aufzutauchen. Aber er hatte einen wirklich nervenaufreibenden Tag hinter sich und die Blumen hatte er sofort nach seiner Rückkehr ins Büro auf den Besprechungstisch in der Fensternische gestellt. Der Anblick des auffälligen Grünzeugs hatte ihn gestört und außerdem dufteten die Lilien furchtbar stark.

Das war wieder typisch für die aufmerksame Marie: Lilien für Liliane!

Aber den, wie er fand, aufdringlichen Geruch hätte er unmöglich den restlichen Nachmittag so nah bei sich ausgehalten! Und wie hieß es so schön: Aus den Augen, aus dem Sinn!

„Verdammt!“, wiederholte er so laut, dass seine Sekretärin ihn hören konnte.

„Zum Zurückkommen ist es zu spät“, sagte sie wichtigtuerisch, das wusste Nik selbst auch. „Wissen Sie, ob es hier irgendwo einen Blumenladen gibt, in dem ich noch schnell einen neuen Strauß besorgen könnte?“, fragte Nik und begann selbst die Straße nach einem derartigen Geschäft abzusuchen.

„Wo sind Sie denn genau?“

„Ich fahre gerade die Billrothstraße hinauf und dann in Richtung Friedhof.“

„Sie könnten es ja bei der Friedhofsgärtnerei probieren.“

Bildete er sich das ein, oder klang Maries Stimme etwas schnippisch. Was vielleicht damit zusammenhing, dass er sie ziemlich unfreundlich, während einer ihrer mehr als verdienten Kaffeepausen, aufgescheucht hatte, um diese dämlichen Blumen zu besorgen!

„Sehr witzig!“, knurrte er und plötzlich fiel sein Blick auf ein kleines Geschäft mit Blumenarrangements vor der Tür. Die Verkäuferin war offensichtlich gerade dabei zu schließen, sie räumte die Ware ins Innere des Geschäfts.

„Habe soeben etwas gefunden!“ Er beendete das Telefonat, machte eine Vollbremsung und einen Haken nach links, um sich eilig im Rückwärtsgang neben diesen roten Mini Cooper zu zwicken, der seiner Meinung nach nicht so viel Platz benötigte, wie er sich genommen hatte. Retourgang deshalb, weil er sonst die Autotür nicht weit genug aufgebracht hätte. So stand sein Wagen mit diesem leuchtend roten Minidings ziemlich knapp Beifahrertür an Beifahrertür. Als er ausstieg, erklang nochmals der Klingelton seines Handys. Wieder seine Sekretärin.

„Was denn!“, biss er ins Telefon und blieb kurz stehen, um sich mit einer Hand seine Krawatte zu lockern. Er hielt es kaum mehr aus vor Hitze.

Plötzlich tauchte eine leuchtende, kupferfarbene Lockenmähne vor ihm auf und die dazugehörende, ausgesprochen attraktive, junge Frau starrte stirnrunzelnd auf den kleinen vierrädrigen Nachbarn seines schnittigen Sportcoupès. In ihren Händen balancierte sie ein eingewickeltes, undefinierbares Paket, das sie nun auf dem Dach des Mini Coopers abstellte. Während er versuchte, sich von ihrem Anblick nicht allzu sehr ablenken zu lassen, erzählte seine Sekretärin irgendetwas von einem überraschenden Frühstückstermin am nächsten Tag um acht Uhr.

Die offensichtliche Besitzerin des Wagens stellte sich ihm in den Weg und blitzte ihn wütend an. Grüne Augen - Wow! - und was für ein Grün! Sein Blick wanderte unbewusst weiter abwärts. Hing kurz an zornig verkniffenen Lippen, die unter normalen Umständen einen Mann sicher unheimlich glücklich machen konnten, und landete dort, wo seine Augen definitiv nichts verloren hatten. Obwohl Nik wirklich nicht der Typ Mann war, der einer Frau sofort ungeniert auf den Busen starrte, konnte er nicht anders.

Lilli war fassungslos, der Kerl war wirklich das Letzte! Er stand großkotzig vor ihr, wirkte entsetzlich genervt, wie er an seiner Krawatte zog und zerrte, und blickte ihr während des Telefonats eindeutig interessiert auf die Brust. Wieso nur hatten Männer ihre Augen nicht besser unter Kontrolle? Ihre Hand schoss vor und ohne zu überlegen schob sie ihren Zeigefinger unter sein frisch rasiertes Kinn, um seinen Kopf ein wenig anzuheben.

Du starrst mir nicht dorthin!

Ihm fiel - im wahrsten Sinne des Wortes - die Kinnlade runter und er sah ihr fassungslos ins Gesicht.

Na, geht doch!

Sie deutete mit zwei Fingern zu ihren Augen.

„Hier spielt die Musik!“, pfauchte sie wütend. Er blinzelte verwirrt.

„Marie, ich melde mich später wieder“, stotterte er ins Telefon und ließ es langsam sinken.

Die Gute tickte ja nicht richtig! Sicher war es sehr unhöflich dorthin zu sehen, wo er gerade hingeguckt hatte, aber deshalb musste sie ihn noch lange nicht anfassen!

„Haben Sie ein Problem? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte er gefährlich leise, nachdem er sich wieder in Griff hatte. Sie blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen hochmütig an.

„Abgesehen davon, dass ich Sie wegen sexueller Belästigung anzeigen könnte – was ich aber nicht tue, da ich es zu eilig habe, um mich damit zu beschäftigen –, haben Sie mich soeben eingeparkt.“

„Abgesehen davon, dass Sie das mit der sexuellen Belästigung vergessen können, da Sie mich angegrapscht haben und nicht umgekehrt – ich war in mein Telefonat vertieft –, habe ich niemanden eingeparkt.“

So nicht meine Süße, du bist heute definitiv an den Falschen geraten!

Nik warf einen demonstrativen Blick auf die Fahrertüre. „Genug Platz zum Einsteigen.“

Und da legte sie auch schon los: „Ich hatte aber eigentlich vor, die Beifahrertüre zu öffnen, um meine Sachen zu verstauen, was nun leider nicht möglich ist, da Sie Ihre Angeberkarre hier so verkehrswidrig abgestellt haben, was Ihnen aber offensichtlich total egal ist, da Sie einer von diesen Menschen zu sein scheinen, denen prinzipiell alles….“

Sie musste nicht einmal Luft holen, während sie schimpfte. Ohne Pause schoss sie ihre verbalen Giftpfeile auf ihn ab. Und plötzlich hatte er beim Klang dieser aufgebrachten Stimme ein höchst seltsames Déjà-vu, das er allerdings nicht zuordnen konnte.

„Halt, stopp, Auszeit!“, fiel Nik ihr entschlossen ins Wort, er hatte jetzt genug. Sie funkelte ihn empört an, war aber seltsamerweise ruhig.

„Meine … Angeberkarre … steht hier sehr gut und das wird sie auch weiterhin tun. Ich schlage Ihnen also vor, genauso in ihren Wagen einzusteigen, wie es jeder normale Fahrer tun würde: Faaaahrerseite!!! Tut mir leid, aber ich kann sonst nichts mehr für Sie tun. Ich habe es eilig, wirklich sehr eilig“, knurrte er und hatte die Frechheit sich an ihr vorbeizuquetschen – peinlich darauf bedacht, sie ja nicht zu berühren - und ohne einen weiteren Blick im Blumengeschäft zu verschwinden.

Lilli wollte ihm etwas ausgesprochen Unfreundliches nachrufen, ließ es aber dann doch bleiben. Die Klügere gibt nach!

Das Handy läutete, ihre Mutter, eh klar! Sie hatte gerade erst wieder die Profiteroles vom Dach ihres Wagens geholt und versuchte diese nun auf einem Arm zu balancieren, während sie das Gespräch entgegennahm.

„Wo steckst du, es ist schon nach sechs? Hast du die Nachspeise?“ Ihre Mutter sprach seltsam gedämpft, vermutlich waren die Gäste schon da. Na toll! Lästig, diese Pünktlichkeit!

„Ich bin schon unterwegs, hab alles dabei. Komme in fünf Minuten“, hechelte sie ins Telefon.

„Lilli, Schatz, wieso kommst du nicht einmal pünktlich“, jammerte Celia. Lilli schnaufte, sie versucht sich mit vorgestreckter Unterlippe eine Locke von der Nase zu blasen.

„Wenn du lange meckerst, komme ich gar nicht!“

Plötzlich hatte sie das Gefühl, alles kam ins Rutschen. Profiteroles am Arm, Handy am Ohr, der Handtaschenriemen machte sich ebenfalls selbstständig und glitt über die Schulter abwärts.

„Mama, ich muss jetzt auflegen!“, krächzte Lilli und versuchte mit seltsamen Verrenkungen erst einmal die Tasche daran zu hindern, sich schwer an ihren Arm zu hängen und – noch schlimmer – die Profiteroles mit hinunterzureißen.

Plötzlich waren da zwei Hände, die ihr entschlossen die verpackte Schüssel abnahmen. Sie drehte sich verdutzt zur Seite und neben ihr stand, diesmal etwas entspannter als vorhin, der Typ mit dem frisch rasierten Kinn und grinste sie frech an.

„Bei Ihnen kommt ja einiges ins Rutschen“, meinte er und sein staubtrockener Tonfall stand im totalen Gegensatz zu dem spöttischen Funkeln in seinen dunkelgrauen Augen.

„Das ist deshalb, weil ich nicht in mein Auto kann!“, murrte sie vorwurfsvoll.

Er zuckte ungerührt mit den Schultern.

„Ich bin schon weg, dann haben Sie freie Bahn. Und nicht gleich wieder loskeppeln!“

Er stellte die Schüssel wieder auf das Autodach und marschierte scheinbar bestens gelaunt zu der Fahrerseite seines Cabrios. Angeberkarre! Cabrio! Helle Ledersitze! Auf der Rückbank lag nun ein in buntes Seidenpapier gewickelter Blumenstrauß gewaltigen Ausmaßes. Deshalb hatte er es so eilig gehabt, hatte wohl ein spannendes Date. Und um schon mal in die richtige Stimmung zu kommen, hatte er mal kurz auf ihre Brust gestarrt.

„Was ist das eigentlich?“ Seine Stimme drang nur schwer durch ihre wirklich miese Laune durch. Er saß in seinem Wagen und blickte neugierig auf die Profiteroles, die schleunigst aus der Wärme sollten.

„Profiteroles, auch wenn Sie das eigentlich nichts angeht!“, fuhr Lilli ihn an.

„Mmmhhh.“ Ihr aggressiver Tonfall schien ihn nicht mehr sonderlich zu beeindrucken, er ließ ein genüssliches Brummen hören. Ein Laut, der eine Frau dazu brachte, selbst zu einer Profiterole werden zu wollen, um von ihm als Dessert … Lilli!!! Sie schüttelte über sich selbst empört den Kopf und starrte ihn umso kampflustiger an!

Er warf ihr noch einen letzten, seltsamerweise bedauernden Blick zu und fuhr los.

Bedauernd deshalb, weil diese aufregende, temperamentvolle junge Frau seiner Ansicht nach irgendwie nicht ganz richtig im Kopf zu sein schien!

Weit kam er allerdings nicht.

„Nik, Papa ist schon nahe am Ausrasten, wo steckst du bloß?“

Jetzt machte auch noch sein kleiner Bruder Stress. Nik hatte sein Auto in einer Bushaltestelle stehen und raufte sich gedanklich die Haare. Soeben hatte ihn ein ziemlich verzweifelter, um nicht zu sagen panischer, Anruf einer Mandantin erreicht. Es war einer der spektakulärsten Fälle, die die Kanzlei derzeit zu bearbeiten hatte, und äußerst medienwirksam. Bekannter Boxer verprügelte seine Frau, und das leider nicht zum ersten Mal. Nicht nur Alkohol, auch Drogen waren im Spiel. Unschöne Sache. Und nun schien er während eines Streits am Telefon endgültig die Nerven verloren zu haben und war angeblich auf dem Weg zu ihr. Was sollte er tun? Sich todesmutig dem Verrückten in den Weg stellen? Er war nicht Lorenas Bodyguard, er war ihr Anwalt, und das hatte er der ängstlichen Frau unmissverständlich klarzumachen versucht.

Die Polizei war vermutlich auch bald da. Es war nur die Frage, wer früher bei ihr eintreffen würde: Der gewalttätige und hoffentlich baldige Exmann oder die Polizeistreife.

Sie hatte geheult am Telefon und Nik war nicht aus Stein. Er würde wohl zu ihr fahren, sicherheitshalber. Sie war im Moment die wichtigste Mandantin der Kanzlei und er konnte sie nicht so einfach hängen lassen. Nicht, wenn sie ihn weinend und zähneklappernd am Telefon anflehte, sofort zu ihr zu kommen. Sein Vater würde das sicher verstehen.

„Ich kann nicht kommen, gib ihn mir!“, sagte Nik knapp und wie durch ein Wunder gehorchte Max sofort, ohne weiter nachzufragen.

3. Kapitel

„Ein Lehrer, nein, wie süß!“, gluckste Kathi. Lilli hatte ihrer besten Freundin soeben alles über das erste „Familientreffen“ erzählt, bei dem sie den Herzbuben ihrer Mutter und dessen neunundzwanzigjährigen Sohn kennengelernt hatte. Max Johran war der Familientradition nicht gefolgt und war Volksschullehrer geworden. Kathi hatte eine Schwäche für Lehrer, sie konnte selbst nicht erklären warum, aber es war so. Wenn Lillis Freundin einen Mann kennenlernte, der sich als Lehrer entpuppte – wobei Volksschullehrer besonders anziehend auf Kathi wirkten -, hatte er schon gewonnen.

„Ja, er ist wirklich nett. Wenn auch ein wenig zu …“, Lilli suchte nach den richtigen Worten, die blonde junge Frau ihr gegenüber sah sie aufmunternd an.

„Er war etwas zu aufdringlich. Er hat sofort zu flirten begonnen, zwar auf eine wirklich nette Art, aber so eindeutig, du verstehst?“

„Du hast ihm gefallen, was soll der arme Kerl sonst tun?“

„Es war mir richtig peinlich! Sein Vater hat uns schon ganz komisch angesehen, dem war das überhaupt nicht recht. Und Max hat dann sogar gefragt, ob wir nicht einmal etwas allein unternehmen wollen!“ Nun bekam Lillis Stimme einen empörten Klang. „Eine Ballonfahrt! Wie kommt er nur auf die Idee, Kathi, eine Ballonfahrt!“

„Offensichtlich wollte er sich etwas Besonderes einfallen lassen und so hoch oben in den Lüften, dem siebten Himmel so nah …“, Kathi blinzelte vielsagend.

„Wenn unsere Eltern heiraten, wären wir verwandt – denke ich zumindest –, stell dir vor, ich würde was mit ihm anfangen! Das geht doch gar nicht!“ Lilli klopfte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte.

„Ich könnte ja für dich einspringen“, kicherte Kathi. „Und der andere Bruder ist nicht gekommen?“

„Nein. Der hatte einen wichtigen Termin. Ich fand das ziemlich unhöflich, einfach nicht aufzutauchen. Aber er ist anscheinend ein Arbeitstier, Anwalt wie der Vater. Den Erzählungen nach ein ziemlicher Langweiler!“, seufzte Lilli und leerte ihr Glas.

„Kathi, ich bin langsam wirklich müde. Ich bin dafür, dass wir gehen.“

Sie blinzelte kurz, um ihre trockenen Augen etwas zu befeuchten und damit das leichte Brennen, das die Müdigkeit hervorrief, zu lindern. Sie war den ganzen Tag am Computer gesessen und zu allem Übel musste sie auch ihre Abrechnungen machen. Das hasste sie und es verdarb ihr regelmäßig die Laune.

„Ja, ich muss morgen auch früh raus.“ Kathi lehnte sich im Sessel zurück und blickte nun etwas missmutig über die Stadt. Sie saßen auf der Terrasse einer Bar, im obersten Stockwerk eines neugebauten Hotels, das mit seiner etwas gewöhnungsbedürftigen Fassade für ziemlichen Aufruhr gesorgt hatte. Der Blick war genial und die Drinks wirklich gut, wenn auch eine Spur zu teuer. Kathi blickte deswegen so sauer drein, weil sie seit der Trennung von ihrem letzten Freund auf der Suche war. Lillis Freundin war nicht gerne Single und die fünf Monate allein reichten ihr bereits!

Aber wie das so ist, je mehr man sucht, desto weniger findet man – in diesem Fall Frau - das Passende!

Kathi strich sich mit einem kleinen Seufzer die blonden Fransen aus der Stirn und blickte sich ungeduldig nach dem Kellner um. Heute ging die Rechnung auf sie. Plötzlich verflog die Müdigkeit aus ihren Augen und sie deutete aufgeregt hinter Lillis Schulter. „Dreh dich mal unauffällig um und schau auf den linken Stehtisch bei der Türe. Da wäre etwas für uns beide.“

„Nein danke, ich teile nicht. Ich steh nicht so auf Dreier“, erwiderte Lilli trocken. Kathi verdrehte die Augen.

„Natürlich meine ich zwei Typen, sehen beide gut aus. Und du weißt wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, an einem Abend zwei gutaussehende Freunde kennenzulernen.“

Lilli seufzte und warf den gewünschten Blick über ihre Schulter.

„Nein, nicht jetzt!“ Kathis Ruf kam zu spät. Lilli sah in ein - zugegeben - ganz nettes Gesicht, das offensichtlich gerade ausgesprochen interessiert ihre Freundin musterte. Ihre Augen wanderten weiter und … nach einem scharfen Atemzug drehte sie sich schnell um, bevor der großgewachsene, breitschultrige Mann im Business Look von seinem Handy hochsah und sie entdeckte. Er war definitiv nichts für sie, es war dieser Kotzbrocken, mit dem sie vor dem Blumengeschäft aneinandergeraten war.

„Na, was sagst du?“, flüsterte Kathi aufgeregt. Das Flüstern war jedoch vollkommen unnötig, denn durch die Musik und das laute Stimmengewirr hätten die beiden Männer auch in einer normalen Lautstärke nichts hören können.

„Gefällt mir nicht“, brummte Lilli mürrisch, Kathi schüttelte ungläubig ihren Kopf.

„Du spinnst. Den Schwarzhaarigen würde ich dir sowieso nicht überlassen. Aber an dem anderen ist doch auch nichts auszusetzen, im Gegenteil!“

Lilli zuckte nur mit der Schulter und versuchte nicht allzu nervös zu wirken. Sie verstand auch gar nicht, warum sie so unruhig war, er würde sie vermutlich nicht einmal wiedererkennen.

„Mist, sie gehen, nein, oh mein Goohott! Lilli, sie kommen rüüüber!“, quietschte Kathi und griff sich mit den Händen hektisch ins Haar, um es etwas aufzuplustern und so nach mehr aussehen zu lassen. „Wie sehe ich aus?“

Lilli nickte, ohne die Frisur ihrer Freundin genau in Augenschein zu nehmen.

Bitte, bitte, mach, dass er mich nicht erkennt, betete sie inständig. Ihr Auftritt war doch etwas peinlich gewesen, so wie sie ihn angegiftet hatte.

Kathi strahlte den beiden Männern erwartungsvoll entgegen.

„Ich bin nicht so geübt darin Frauen anzusprechen und so frag ich einfach mal gerade heraus, ob wir Sie beide auf einen Drink einladen dürfen?“, erklang eine nervöse Stimme neben ihr.

Lilli verdrehte die Augen. Nicht geübt! Peinlicher gings ja nicht mehr! Sie gewann wieder etwas an Selbstsicherheit und richtete ihre Schultern gerade.

Kathi schien von diesem Spruch jedoch ganz verzückt, sie lächelte strahlend und deutete auf die beiden leeren Sessel an ihrem Tisch. „Aber nur, wenn ihr euch zu uns setzt“, zwitscherte sie.

Von dem Busenstarrer war noch kein Ton zu hören, Lilli drehte vorsichtig den Kopf in seine Richtung. Er stand unbeteiligt da und blickte sich, nach was auch immer, um. Alles an seiner Haltung drückte Langeweile und Desinteresse aus. Offensichtlich war er nur seinem Freund zuliebe mitgekommen und überlegte gerade, wie er sich am schnellsten wieder verkrümeln konnte. Typisch! Keine Manieren!

Lilli vermutete, dass er direkt vom Büro kam, denn er trug wieder einen teuer aussehenden Anzug, der eindeutig nicht von der Stange war. Vielleicht hatte er ja nur den einen, weil sein gesamtes Einkommen für das Auto und Blumen für seine Dates draufging. Die Krawatte, die ihn am Vortag so genervt hatte, fehlte allerdings und die obersten zwei Knöpfe seines weißen Hemdes waren lässig geöffnet. Nun sah er auf die Uhr, eine von diesen wirklich teuren, nicht protzigen, aber zeitlos schönen Uhren. Lilli kannte sich da aus, ihr Vater sammelte neben jungen Frauen auch Armbanduhren.

Na gut, vermutlich plagten diesen unsympathischen Kerl keine Geldsorgen und in seinem Kasten hingen mindestens zehn gleichaussehende, teure Designeranzüge. Wie phantasievoll! Allerdings fehlte ihm wirklich jedes Benehmen, der Blick auf die Uhr hätte ruhig etwas dezenter ausfallen können.

„Mein Name ist Arno, das ist Nik“, übernahm in diesem Moment der Schwarzhaarige die Vorstellung. Kathi streckte ihm die Hand entgegen, Arno ergriff sie und hielt sie ziemlich lange in seiner.

„Freut mich, Arno. Ich bin Kathi und das ist meine Freundin Lilli.“

Arno setzte sich, nach einem freundlichen Hallo in Lillis Richtung, neben Kathi, die ihn nicht aus den Augen ließ.

„Und Nik, Sie sind auch nicht so geübt?“, konnte Lilli sich nicht verbeißen. Irgendwie musste man dieses Ekel doch aus der Reserve locken können. Wenigstens einen Blick – in ihr Gesicht! - hatte sie sich verdient! Der Typ runzelte überrascht die Stirn und fixierte sie aufmerksam. In seinen Augen flackerte etwas Neugierde auf und plötzlich schnellte seine linke Augenbraue für den Bruchteil einer Sekunde, kaum wahrnehmbar, in die Höhe.

Als er sich ungefragt in den Stuhl neben sie gleiten ließ, grinste er leicht. Und dieser schiefe Grinser war ziemlich eindeutig, er hatte sie wiedererkannt! Seine kräftige Hand fuhr lässig durch sein dichtes, dunkelblondes Haar, das sich gegen jeden exakten Haarschnitt erfolgreich zu wehren schien, aber trotzdem sehr gepflegt wirkte.

„In manchen Dingen mehr, in manchen weniger“, raunte er ihr zu und wandte sich dann an Kathi. „Freut mich, euch beide kennenzulernen.“

Arno bestellte nach einer kurzen Diskussion eine Flasche Rotwein, natürlich den guten, teuren und schweren … Lilli seufzte innerlich. Eigentlich hatte sie schon genug getrunken, und dieses letzte Glas Wein würde sie vermutlich morgen früh daran hindern, ihre Arbeit rechtzeitig zu beginnen. Sie musste sich unbedingt zurückhalten.

Nik reichte ihr das gefüllte Glas und sah ihr dabei tief in die Augen. Dieser Blick trieb ihr kurzfristig den Puls in schwindelerregende Höhen.

„Auf dein Wohl, Lilli. Das war doch dein Name, oder?“ Sie nickte leicht und bemühte sich ihren aufgeregten Herzschlag zu ignorieren und ebenso gelangweilt dreinzusehen wie er vorhin.

„Prösterchen, Nik.“ Prösterchen! Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte Lilli Prösterchen gesagt! Sie versank tiefer in ihrem Sessel, gleichzeitig wurde Niks Blick noch eine Spur intensiver. Mann konnte aber auch alles übertreiben!

„Und mit wem treibst du es so?“

Lilli starrte ihn schockiert an, bevor sie noch den ersten Schluck nehmen konnte.

„Wie bitte?“, fragte sie und ihre Stimme klang, als hätte sie einen ganzen Froschteich verschluckt. „Das fragst du mich jetzt ernsthaft?“ Das war nun etwas zu laut. Kathi und Arno sahen sie erschrocken an und selbst der unerschütterlich wirkende Nik schien etwas verwirrt.

„Ja, frage ich. Fragt man das nicht, wenn man sich zum ersten Mal trifft? Höflichkeitshalber?“

„Nein, tut man nicht!“, pfauchte Lilli.

Kathi sah Arno entschuldigend an und zuckte ratlos mit der Schulter. Nach dem Motto: Ich weiß auch nicht, was sie hat, sonst ist sie ganz normal.

„Ich könnte mich auch gewählter ausdrücken und statt ‚was treibst du so‘ fragen: Mit was verdienst du deinen Lebensunterhalt?“, grinste Nik und meinte an die beiden anderen gewandt: „Bin wohl auch etwas aus der Übung.“

Lilli glühte derweil vor sich hin, das war wirklich zu peinlich. Er hatte gefragt, was sie so trieb – auch eine dumme Frage - aber nichts gegen das, was sie verstanden hatte!

„Das tut mir leid, ich habe jetzt etwas total anderes gehört“, murmelte sie mit roten Wangen. Nik kapierte sofort und begann laut zu lachen. Kathi war glücklicherweise mit Arno wieder in ihren ganz persönlichen siebten Himmel eingetaucht.

So witzig musste dieser Nik das nun auch wieder nicht finden. Sie nahm einen großen Schluck Wein und sah ihn herausfordernd an. Sein Gesicht wurde wieder ernst, in seinen Augenwinkeln hockte jedoch noch ein unsagbar freches Grinsen. Er war genau diese gefährliche Mischung aus seriös und lausbubenhaft, die auf die meisten Frauen vermutlich ziemlich unwiderstehlich wirkte.

„Ich beginne nochmals von vorne, meine Frage war wirklich ziemlich dumm. Was du tust, geht mich eigentlich nichts an, nicht nach 18 Minuten.“ Er warf einen kurzen Blick auf seine exklusive Armbanduhr.

Ich hab jetzt langsam kapiert, dass du dir so ein teures Stück leisten kannst, dachte Lilli genervt.

Er rückte mit seinem Stuhl ein wenig näher zu ihr. „Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich schon lange keinen Smalltalk betreiben musste, um eine Frau kennenzulernen.“

??? Fand er diesen Spruch jetzt wirklich gut???

„Genau genommen hat das dein Freund erledigt. Du hast nicht unbedingt interessiert gewirkt.“ Hoffentlich kam das jetzt nicht zu beleidigt rüber, sie bemühte sich schnell um einen möglichst lockeren Gesichtsausdruck, um den Worten die nötige Leichtigkeit zu verleihen. Er schmunzelte.

„Das tut mir leid, ich war nur abgelenkt, in Gedanken bei einer wichtigen Sache. Und als Anwalt muss ich manchmal mein Pokerface aufsetzen.“

Das auch noch, wurde ja immer besser!

Er dachte wohl, das würde Lilli jetzt beeindrucken. Anwalt! Viele Frauen standen seltsamerweise auf Anwälte, auf erfolgreiche Anwälte, natürlich! Gutes Einkommen, teuer und geschmackvoll gekleidet, gutaussehend, selbstsicher – zumindest nach außen hin! Und genau so ein Exemplar saß gerade neben ihr, aber sie war gänzlich unbeeindruckt, total!!

„Ähm, entschuldige, aber ich habe jetzt langsam kapiert, was für ein toller Kerl du bist. Du siehst nicht so schlecht aus, dass du diese Angebersprüche wirklich notwendig hättest, ganz ehrlich.“

Hatte sie das jetzt wirklich gesagt?

Er blickte sie für einen kurzen Moment etwas ratlos an, dann begann er schallend zu lachen. Er hob sein Glas und prostete Lilli zu.

„Touchè, das hat gesessen.“ Er trank einen Schluck, ohne sie aus den Augen zu lassen. Dann stellte er sein Glas wieder auf den Tisch zurück und ließ es zwischen seinen gepflegten Fingern kreisen. „Du musst mir jetzt einen Moment Zeit geben, um meine Strategie zu ändern. Ich bin gleich wieder bei dir“, murmelte er und sah konzentriert über die beleuchtete Stadt.

Das war eine coole Reaktion, das musste Lilli neidlos anerkennen.

„Wie haben die Profiteroles geschmeckt? Konntest du sie noch rechtzeitig … abliefern?“, fragte er plötzlich und lächelte spitzbübisch.

„Natürlich, nachdem alle Hindernisse aus dem Weg geräumt waren.“ Lilli nickte ihm anerkennend zu, kluger Gesprächsneubeginn. „Und du hast deinen Blumenstrauß auch gut abgeliefert? Hat sie sich gefreut?“

Nik zuckte kurz mit der Schulter. „Der Abend lief etwas anders als geplant und über die Blumen hat sich am nächsten Tag meine Sekretärin gefreut“, erwiderte er.

„Das ist aber schaaaade“, meinte Lilli gedehnt.

Er zwinkerte ihr zu. „Ich wollte meine Sekretärin unbedingt noch in das Gespräch einbauen. Du weißt schon, wichtiger Typ im Büro und so. Das kommt meistens gut an!“

„Okay, jetzt bin ich beeindruckt.“ Lilli musste schmunzeln, die Unterhaltung begann ihr Spaß zu machen.

Er musterte sie eine Weile, ohne ein Wort zu sagen. Nichts in seiner Miene ließ erkennen, ob ihm das gefiel, was er sah. Pokerface!

Lilli erwiderte entschlossen seinen Blick und versuchte, sich nicht ihre aufkeimende Nervosität anmerken zu lassen. Nik beugte seinen Kopf zu ihr.

„Bekomme ich eine zweite Chance bei dir? Nachdem unser erstes Treffen etwas … turbulent verlaufen ist?“

Er sah sie durchdringend an und inzwischen war er ihr so nahe gerückt wie es nur ging, ohne zu aufdringlich zu wirken. Und obwohl Lilli sonst entschlossen auf einen gewissen – eher weiter gehaltenen - Sicherheitsabstand bei neuen Bekanntschaften beharrte, war ihr das diesmal seltsamerweise alles andere als unangenehm.

Ein vielversprechender Hauch seines Aftershaves stieg ihr in die Nase. Es roch interessant und irgendwie aufregend. Warm und würzig, ein ungewöhnlicher Duft, der Lust darauf machte, die Nase in seiner Halsbeuge zu vergraben. Er schien sich frisch rasiert zu haben, wie bei ihrem ersten Zusammentreffen war ihr das sofort aufgefallen. Normalerweise war sie nicht so auf das Kinn eines Mannes fixiert, aber seine Mundpartie mit den schmalen und doch sinnlich geschwungenen Lippen und diesem angedeuteten Grübchen im Kinn faszinierte sie einfach. Sie fand es sogar ausgesprochen sexy! Und diese Augen! Nik hatte wunderschöne tiefgraue Augen. Grau war jetzt normalerweise nicht unbedingt die aufregendste Farbe, aber in diesem Gesicht schien sie einfach überirdisch! Überhaupt, wenn er sie gerade so intensiv wie im Moment anblickte. Ein verführerisches Lächeln schummelte sich in sein Gesicht. Wie viele Frauen waren wohl darauf schon reingefallen? Ab heute Abend eine mehr! Lilli hatte gerade das Gefühl auf glühenden Kohlen zu sitzen und die Hitze begann sich wellenartig in ihrem Körper auszubreiten. Die beginnende Leichtigkeit des Gesprächs war schon wieder verschwunden und hatte einer prickelnden Erwartung Platz gemacht. Was Lilli genau erwartete, konnte sie allerdings noch nicht sagen …

„Ich zeige dir, dass ich eigentlich ein ganz netter, höflicher Kerl bin. Ich werde mich den ganzen Abend wie ein Gentleman benehmen und nur in deine wunderschönen Augen sehen, und sonst nirgendwo hin.“

Diese Worte hätten bei Lilli unter anderen Umständen und von einem weniger interessanten Exemplar Mann gesagt, höchstens ein müdes Lächeln hervorgerufen. Nun aber setzte ihr Herz aus und sein schmeichelnder, rauchiger Tonfall stieg ihr in den Kopf, um dort ihr Vernunftzentrum komplett lahmzulegen.

„Normalerweise gebe ich keine zweite Chance“, flüsterte sie und ihre Stimme klang furchtbar kratzig.

Bitte, lass ihn das sexy finden!!!

„Dann wird das noch ein interessanter Abend. Ich gebe nicht so leicht auf“, brummte er und seine Augen hefteten sich auf ihre Lippen.

„Nette und höfliche Gentleman sind nicht besonders reizvoll.“

Er erwiderte nichts.

„Was ist nun mit deiner neuen Strategie? Ich warte auf Antwort“, sagte sie vorwurfsvoll.

„Keine Strategie. Offensichtlich magst du es ehrlich und direkt. Was soll ich da noch lange um den heißen Brei herumreden? Die Nacht ist bald vorbei und du bist die schärfste Frau, die ich seit langem getroffen habe. Und das sage ich jetzt nicht, weil ich bereits drei Whiskys vor dem Wein getrunken habe. Lass uns irgendwohin verschwinden, wo wir allein sind.“

Eigentlich wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um aufzustehen und zu gehen, oder – noch besser - ihm eine zu knallen! Aber da war dieses unwiderstehliche, charmante Lausbubenlächeln in seinem Gesicht, das seine Worte nicht nach einer billigen Anmache klingen ließ, sondern wie eine unglaublich verführerische Einladung, die man bzw. frau unbedingt ernsthaft in Erwägung ziehen sollte. Und das tat Lilli!

Das Kribbeln in Lillis Bauch wurde heftiger, ebenso dieses lustvolle Ziehen zwischen ihren Beinen, das sie daran erinnerte, schon seit einiger Zeit keine Mann mehr in ihrem Bett gehabt zu haben. Sie fühlte sich gerade wirklich unheimlich sexy und einfach unwiderstehlich! Irgendetwas in seinem Blick brachte sie dazu, sich für die verführerischste und wunderschönste Frau auf der ganzen Welt zu halten. Und dieses Gefühl war echt gut!

„Ich frage mich nur, ob du nach dieser Menge Alkohol überhaupt noch dazu in der Lage bist, mit mir zu verschwinden“, flüsterte sie und konnte es selbst kaum erwarten. Sie wollte endlich seine kräftigen Hände spüren, überall auf ihrem Körper, auf ihrem nackten Körper! Und das ziemlich schnell!

Er kniff die Augen zusammen und sah sie gespielt streng an.

„Lilli, wirke ich auf dich, als könnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten?“

Wie er ihren Namen aussprach, allein deswegen hatte er sich eine zweite und dritte Chance verdient! Machte er das absichtlich oder kam das einfach so, dieses Lilli, schmelzend und schmeichelnd. Sie hatte gar nicht gewusst, dass man ihren Namen so weich aussprechen konnte.

„Ich rede nicht von den Beinen …“ Sie schlug ihre Knie übereinander, um diesen heftiger werdenden Druck zwischen ihren Schenkeln etwas zu mildern. Was hatte dieser Kerl bloß an sich, dass ihr Körper dermaßen überreagierte? Alkohol war immer eine gute Ausrede, sie hatte eindeutig zu viel getrunken!

„Da braucht es auch etwas mehr, um mich außer Gefecht zu setzen“, brummte Nik, Lilli kicherte leise und drehte eine Locke über ihren Zeigefinger. Kurz fing sie einen fragenden Blick ihrer Freundin auf, Lilli ignorierte ihn. Sie war bereit für den ersten One Night Stand ihres Lebens.

Ja, Lilli war einunddreißig Jahre alt und hatte bis dahin entschlossen Sex mit tiefen, ehrlichen Gefühlen verbunden – und die stellten sich bei ihr für gewöhnlich nicht bereits nach einer halben Stunde ein. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ihr noch nie in ihrem Leben jemand wie dieser Nik begegnet war. Alles an ihm roch nach wirklich gutem Sex! Dieser Kerl war nichts für eine Beziehung, das war vollkommen klar. Wohlhabend, gutaussehend und vermutlich, was das Privatleben betraf, ein ziemliches Arschloch. Vielleicht plante er gerade seine Freundin oder Frau mit ihr zu betrügen, was ihr aber herzlich egal war. Er wollte diese Nacht seinen Spaß haben, mit ihr, und sagte das auch deutlich. Und ein Blick in diese Augen garantierte, dass es vermutlich eine der besten Nächte ihres Lebens werden würde.

Er war genau der Typ Mann, den Lilli nicht in ihrem Leben haben wollte, aber heute Nacht in ihrem Bett!

Sie beugte sich vor und flüsterte in sein Ohr. „Du bist nicht so betrunken, wie du mich gerne glauben lassen würdest, oder? Du willst mich einfach nur ins Bett bekommen und nachher kein schlechtes Gewissen haben müssen.“

„Wieso sollte ich ein schlechtes Gewissen haben?“, flüsterte er zurück. „Wir wollen doch beide dasselbe, ganz einfach.“

4. Kapitel

Die Frage des Wo war schnell geklärt, Lillis Maisonette lag nur ein paar Gassen entfernt. Als sie auf der Straße standen und sie ihm die Adresse genannt hatte, nahm Nik ihre Hand und zog sie entschlossen in Richtung ihrer Wohnung. Sie sprachen kein Wort miteinander und er sah sie nicht einmal an. Endlich vor ihrem Wohnhaus angekommen, waren ihre Hände so zittrig, dass sie es nicht schaffte, den Schlüssel in dieses verdammte Schlüsselloch zu stecken und er musste das übernehmen. Nik stand dicht hinter ihr, ohne sie jedoch zu berühren und als er mit einer Hand die Eingangstüre aufsperrte, lehnte sie sich leicht an ihn.

Lilli spürte seinen unruhigen Atem in ihrem Nacken und die Ausbuchtung in seiner Hose war deutlich zu spüren, der Kerl konnte es kaum mehr erwarten!

„Bitte bleib weg von mir, ich halte es schon nicht mehr aus“, flüsterte er und strich ihr mit einer leichten Handbewegung die Haare hinter das Ohr. Sie spürte den Hauch eines Kusses auf ihrem Ohrläppchen. Ganzkörpergänsehaut!

Nik schob sie eilig in den Aufzug, sie schlug hektisch mit der Hand auf die Sechs und als sich die Türe schloss, zog er Lilli an sich und küsste sie. Endlich! Und … WOW! … was für ein Kuss! Es war einer dieser Küsse, die einem den Boden unter den Füßen wegzogen und gleichzeitig den Himmel auf den Kopf fallen ließen. Sein Kuss hatte nichts Sanftes oder Verspieltes, er war fordernd und heiß und gierig und zeigte Lilli auf erregende Weise, was in dieser Nacht noch auf sie zukommen könnte.

Er drückte sie gegen die Aufzugwand, seine Hände wanderten ihren Rücken hinab und umfassten mit festem Griff ihren Po. Dieser entschlossene Griff machte sie schwach, sie wollte mehr und das schnell. Lilli zerrte das Hemd aus seiner Hose und ihre Hände fuhren sehnsüchtig darunter, strichen über seine angespannten Bauchmuskeln und genossen die feste warme Haut unter ihren Fingern. Er biss in ihren Nacken, zog ihr die Strickjacke von den Schultern und küsste ihre nackte Schulter. Ein leises Pling kündigte die Ankunft des Lifts in ihrem Stockwerk an, die Türe öffnete sich mit einem leisen schleifenden Geräusch und sie stolperten hinaus.

Auch ihre Wohnungstüre sperrte er auf, um sie dann mit einem für Mitternacht viel zu lauten Knall mit dem Fuß zuzuwerfen.

Guten Morgen, liebe Nachbarn!

„Schlafzimmer?“, fragte er knapp, während er sein Jackett und das Hemd auszog und beides achtlos über einen Sessel warf.

„Wohnzimmer!“ Sie hatte keine Lust auf die Wendeltreppe hinauf in ihr Bett. Viel zu gefährlich in ihrem Zustand!

Sie warf ihre Schuhe in eine Ecke, nahm ihn an der Hand und zog ihn ins Wohnzimmer, wo ihr ganzer Stolz, ein großes, kuscheliges, mit einem Wort wirklich einladendes, Sofa stand. Irgendwie schaffte er es, sich während des Gehens Schuhe und Socken auszuziehen. Vor der Couch schlang sie ihre Arme um ihn und küsste ihn stürmisch. Sie wühlte in seinen Haaren und rieb sich sehnsüchtig an seiner Erektion, die durch die Hose bereits deutlich zu spüren war.

„Hey, da kann es ja jemand kaum erwarten“, raunte er und zog ihr eilig das Seidentop über die erhobenen Arme. „Das gefällt mir.“

Er ließ sich auf das Sofa plumpsen und hielt sie fest um die Taille. Er küsste ihren Bauch, während er mit geübten Fingern ihren BH öffnete. Dann wanderten seine Lippen aufwärts und saugten und knabberten an ihren harten Brustwarzen.

„Zieh dich ganz aus“, flüsterte er rau. Abwartend saß er da und beobachtete mit gierigem Blick, wie sie langsam ihre Jeans abstreifte. Im Höschen stand sie vor ihm.

„Weiter“, sagte er nur, während er sich an seiner Hose und den Boxershorts zu schaffen machte. Als Lilli langsam ihren Slip hinunterzog, hatte er bereits ein Kondom in der Hand und streifte es sich ungeduldig über.

Offensichtlich war Nik einer von der ganz besonders schnellen Truppe und Lilli befürchtete plötzlich, dass dieses Vergnügen wohl doch ein unerwartet kurzes werden würde.

Er zog sie, ohne sich noch auf ein weiteres lustvolles Vorspiel einzulassen, auf seinen Schoß und als sie sein steifes Glied in sich aufnahm, stöhnte er laut und genussvoll auf. Langsam begann sie sich zu bewegen und reizte seinen bereits steinharten Schwanz. Er bog seinen Kopf nach hinten und starrte sie mit verzückten, leicht glasigen Augen an. Seine Hände legten sich um ihre Hüften, rückten sie etwas zurecht und wollten das Tempo beschleunigen. Aber sie ließ sich das nicht vorschreiben, in dieser Nacht wusste sie genau, was und wie sie es wollte. Sie bewegte sich in ihrem eigenen Rhythmus, der für sie angenehm war, und das tiefe, kehlige, immer lauter werdende Stöhnen, das aus seinem halb geöffneten Mund drang, zeigte, dass ihm ihr Ritt gut gefiel. Er starrte ihr weiter unverwandt ins Gesicht und seine Hände wanderten aufwärts, eine legte sich fest um ihre Brust, die andere strich weiter nach oben, ihren Nacken entlang und schließlich rieben seine Finger sanft über ihre Lippen. Sie leckte mit ihrer Zunge seine Handfläche und saugte an seinem Daumen. Er schloss seufzend die Augen.

„Lll …“, murmelte er und seine Finger kneteten abwärts und krallten sich in ihren Hintern.

Ernsthaft, hatte er jetzt etwa ihren Namen vergessen???

Ihre Nägel fuhren strafend über seine Schultern und er zuckte kurz zusammen. Der Schmerz schien ihn aber nur mehr zu erregen, er stöhnte laut auf und ein leichter Schweißfilm bildete sich auf seiner Haut.

Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er packte Lilli fest um die Mitte, ließ sich mit ihr gemeinsam nach hinten fallen und drehte sie auf den Rücken.

„Du glaubst wohl, du kannst mich fertig machen“, knurrte er. „Ich werde dir zeigen, wer hier der Boss ist“.

Mit einem heftigen Stoß drang er erneut in sie ein, ihr blieb die Luft weg und sie schrie vor Lust so laut auf, dass sie Angst hatte, die Nachbarn endgültig aufzuwecken.

„Und, willst du mehr davon?“, sein Atem wurde schneller und er bewegte sich mit kraftvollen, tiefen Bewegungen auf und ab.

„Ja, bitte“, hauchte sie vollkommen unemanzipiert. Was ihr in diesem Moment aber egal war. Das, was er mit ihr anstellte, war einfach zu gut! Er traf einen Punkt in ihrem Inneren, der ihr ein süßes, kaum auszuhaltendes, unglaublich intensives Prickeln durch den ganzen Körper jagte.

„War das ein Bitte? Ich hab das nicht genau gehört“, raunte er leise, biss in ihr Ohrläppchen und leckte mit seiner Zunge ihr Ohr. Sie spürte seinen heißen, unregelmäßigen Atem an ihrer Wange und wiederholte: „Bitte, ja, bitte!“

Ihr ganzer Körper zitterte, sie drehte ihm ihr Gesicht entgegen und spitzte sehnsüchtig ihre Lippen, um einen Kuss zu bekommen. Doch er grinste nur, streichelte kurz mit seiner Zunge die Innenseite ihrer Oberlippe und schüttelte verneinend seinen Kopf.

Seine Hand schob sich zwischen ihre Körper und sie spürte seinen Finger, der sie zusätzlich stimulierte. Das Blut rauschte heiß durch ihre Adern und sie hatte das Gefühl, vor Verlangen innerlich zu verglühen. Sie war bereits kurz davor zu kommen.

„Ja, lass dich gehen, meine Süße“, diese Stimme brachte sie dazu, sich vollkommen aufzugeben. Tausend kleine Höhepunkte, die sie daran zweifeln ließen, den kommenden aushalten zu können, brachten ihren Körper zum Beben.

Sein Puls raste und das Blut pochte dröhnend laut in seinem Schädel. Diese Frau war einfach unglaublich! Sie fühlte sich göttlich an, ihre heiße Haut an seiner, ihre feuchte Enge, die ihn umschloss und tief in sich aufnahm. Ihr hektischer, unregelmäßiger Atem klang nun wie ein Keuchen, oder war er das selbst? Er schloss die Augen und ließ sich von diesem erregenden Wirbel, der sie beide nun mit aller Kraft erfasste, davontreiben.

Zitternd presste sie sich danach an ihn, während er schwer atmend auf ihr lag. Sie strich mit ihren Handflächen über seine noch immer zuckenden Rückenmuskeln und saugte den männlichen Duft ein, so tief und so gierig, als wollte sie ihn für immer in ihrer Lunge konservieren.

„Also … ich sollte jetzt lieber gehen“, Nik zog sich seine Boxershorts an und begutachtete dabei die Skizzen und fertigen Illustrationen, die auf Lillis Tisch lagen. Sie bewunderte derweil seinen Oberkörper, die kräftigen, schön geformten Muskeln und die schmalen Hüften. Auf den Schultern waren Kratzspuren zu sehen, ein Andenken an sie. Das würde wohl Erklärungsbedarf ergeben, falls er eine Freundin hatte.

„Du zeichnest?“, fragte er und warf ihr einen kurzen, überraschten Blick zu. Lilli nickte.

„Ja, hauptsächlich Buchillustrationen.“

Er starrte äußerst interessiert auf die Bilder. „Nicht schlecht.“, sagte er leise.

„Wie heißt du eigentlich wirklich. Wofür ist Lilli die Abkürzung?“, fragte er plötzlich, ohne seine Augen von ihren Illustrationen zu nehmen.

„Liliane.“

„Liliane“, wiederholte er gedehnt und schickte ein kurzes Lächeln über die Schulter. Dann begann er seine restliche Kleidung einzusammeln.

„Falls du meine Krawatte irgendwo findest, behalte sie als Souvenir“, grinste er.

„Du hattest keine dabei“, sagte Lilli. Sie saß im Bademantel auf der Couch, denn plötzlich war es ihr peinlich, nackt vor ihm herumzulaufen.

„Behalte sie als Souvenir.“ Okay, das war jetzt wirklich eindeutig, was für ein arroganter Depp!

Sie stand auf und kam ihm ein Stück entgegen, die Arme fest um ihren Oberkörper geschlungen, als wäre ihr kalt. Sie war aber nur unsicher, total verunsichert. Was erwartete er jetzt von ihr? Einen Abschiedskuss? Nein, sicher nicht. Je unkomplizierter, desto besser.

„Kann ich kurz ins Bad?“

„Natürlich“, sie deutete ihm den Weg.

„Möchtest du einen Kaffee?“, rief sie ihm nach.

Das war wohl das Mindeste, was sie ihm noch anbieten sollte, höflichkeitshalber.

„Nein danke, ich muss wirklich los. Hab morgen einen frühen Termin und etwas Schlaf wäre da vielleicht nicht schlecht“, klang es aus dem Badezimmer.

Ein paar Minuten später war er weg, ohne nach ihrer Telefonnummer oder nach einem neuerlichen Treffen gefragt zu haben.

Es war eine tolle Nacht gewesen. Sie fühlte ihn noch in sich, auf ihrer Haut und an ihrem Mund, und doch war da eine seltsame Leere.

5 Kapitel

„Und habt ihr Telefonnummern ausgetauscht, seht ihr euch wieder?“ Kathi quietsche aufgeregt durch das Telefon. Ihre Enttäuschung darüber, dass Lillis Bekanntschaft weitaus aufregender geendet hatte als ihre eigene, war offensichtlich schon wieder verflogen.

„Natürlich nicht, das war nur eine einmalige Geschichte. War von Anfang an klar“, nuschelte Lilli in das zwischen Kinn und Schulter eingeklemmte Handy. Sie bemühte sich gerade ihre Zehennägel zu lackieren. Was mit dem Telefon am Ohr nicht einfach war.

„Duhuuu! Gerade duuuu sagst das?“ Kathi kicherte. „Na ja, ich gönn es dir von Herzen. Der Kerl war ja wirklich nicht zu verachten. Und wie ihr beide euch mit den Augen aufgefressen habt. Lilli, so kenne ich dich ja gar nicht!“

„Ich hab zu viel getrunken“, versuchte Lilli die Begeisterung ihrer Freundin zu dämpfen. „Genau genommen war seine Anmache schon ziemlich plump. Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist, ihn mit zu mir zu nehmen.“

Lilli erstarrte in der Bewegung, das Pinselchen mit der dunkelroten Farbe schwebte über ihrem großen Zeh, wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf. Wie hatte sie eigentlich nur so dämlich sein können? Jetzt, wo sie darüber sprach, im nüchternen Zustand und einige Stunden später, wurde ihr erst bewusst, wie peinlich das Ganze gewesen war. Wie leicht hatte sie es ihm eigentlich gemacht? Wie, um alles in der Welt, hatte sie sich nur so vergessen können?

„Kathi, sag es bitte ehrlich, hab ich mich peinlich benommen? Ich hab mich furchtbar peinlich benommen, oder?“

Ihre Stimme klang plötzlich, als wäre sie nahe einer Panikattacke, kurzatmig!

„Lilli, hör auf damit! Du warst einfach scharf auf den Kerl, was ist schon dabei? Ich hab dir schon oft gesagt, du sollst dir mehr Spaß gönnen. Du bist eine tolle Frau! Hol dir doch einfach das, was du willst. Pfeif auf deine ewigen Gefühlsduseleien.“

„Er wird sich kaputtlachen über mich! So leicht hat es ihm sicher noch nie eine Frau gemacht!“

„Wird er nicht! Er war doch auch nur auf das Eine aus. Und abgesehen davon, ist doch egal! Ihr werdet euch vermutlich nie wiedersehen. Nachdem dieser Arno auch keine Anstalten gemacht hat … er wollte nicht mal auf einen Kaffee zu mir rauf kommen.“ Kathi seufzte theatralisch.

„Vielleicht ist er nur schüchtern“, versuchte Lilli ihre Freundin zu trösten. „Hat er deine Telefonnummer?“

„Ja, aber ich musste sie ihm regelrecht aufdrängen.“ Kathi versuchte ein halbherziges Lachen, das ziemlich frustriert ausfiel. „Ich werde einfach abwarten, ob er sich meldet.“

„Kathilein! Wenn nicht, weiß er nicht, was er versäumt! Dann ist er ein Idiot.“ Lilli schmatzte einen dicken, tröstenden Kuss durchs Telefon.

„Meinst du?“, piepste Kathi weinerlich.

„Ja, ein riesengroßer Idiot sogar!“

***

Nik saß seinem Vater in dessen Büro gegenüber. Kurt Johran konnte gar nicht glauben, was er da soeben von seinem Sohn gehört hatte.

„Er prügelt sie grün und blau, und das nicht zum ersten Mal, und sie verzeiht ihm schon wieder? Nik, ich kann das nicht verstehen“, knurrte der Ältere und schob aufgebracht einen Stoß Akten von links nach rechts und wieder zurück. Nik zuckte ratlos mit den Schultern. Sein Zorn war inzwischen einer tiefen Resignation gewichen, er konnte nichts mehr tun.

„Er hat sich zu einem Antiaggressionstraining bereit erklärt, sitzt in dieser Entzugsklinik und sie machen Paartherapie. Ihr reicht das. Lorena liebt ihn und will ihm noch eine Chance geben“, erklärte er. Seine Finger klopften einen nervösen Takt auf die Tischplatte.

„Er wird sie eines Tages umbringen“, murmelte Kurt und machte einen tiefen Atemzug, Nik massierte nun mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken.

„Vielleicht hilft das etwas, die Therapie und der Entzug. Ich würde es ihr wirklich wünschen … und mir auch. Mich nervt dieses Getue langsam und“, er seufzte und lehnte sich im Sessel zurück, „ich habe mir überlegt, das Mandat niederzulegen.“

Sein Vater sagte nichts, er sah ihn nur aufmerksam an und Nik beantwortete die ungestellte Frage.

„Falls ihm doch wieder die Hand ausrutscht, hätte sie mich gerne an ihrer Seite. Deshalb möchte sie den Vertretungsauftrag bis auf Weiteres aufrechterhalten.“

„Das heißt aber für mich, dass die gute Lorena dem Frieden nicht ganz traut!“

Niklas nickte.

„Ich denke, sie ist ihm sexuell hörig. Die ist total scharf auf den Typen. Sie lässt sich lieber prügeln, als ganz auf ihn zu verzichten. Und ich bin so eine Art Druckmittel, um ihn doch ein wenig in Zaum zu halten.“

„Nach dem Motto: Wenn du mir wehtust, verlasse ich dich und mein Anwalt macht dich fertig“, sein Vater nickte wissend. Hatte er alles schon gesehen im Laufe der Jahre. Kurt stand auf und streckte sich seufzend.

„Ich fahre zu der Sitzung in die Rechtsanwaltskammer. Nik, ich habe eine große Bitte. Celia wartet auf Unterlagen, ich schaffe es heute nicht mehr. Könntest du noch bei ihr vorbeifahren und sie ihr zur Durchsicht bringen? Dann könnt ihr euch auch gleich ein wenig kennenlernen, nachdem das Abendessen leider nicht geklappt hat.“

„Klar, ein paar Dinge muss ich noch schnell erledigen, dann gerne“, erwiderte sein Sohn und schloss kurz die Augen.

Kurt sah ihn aufmerksam an, Nik wirkte furchtbar müde. Die Falte zwischen seinen Augen hatte sich in den letzten Wochen tiefer eingegraben und diese Leichtigkeit, die es in Max‘ Ausdruck im Überfluss gab, war aus seinen Gesichtszügen fast gänzlich verschwunden.

„Und dann mach dir noch einen schönen Abend. Du arbeitest zu viel.“ Er lächelte aufmunternd und legte Nik mit sanftem Druck die Hand auf die Schulter. Der grinste halbherzig.

„Keine Sorge, mache ich.“ Er stand ebenfalls auf und legte die Mappe mit den Papieren für Celia auf seinen eigenen Stapel, um sie in sein Büro hinüberzutragen.

Gemeinsam verließen sie das Zimmer.

Nik setzte sich an seinen Schreibtisch, der um einiges unaufgeräumter wirkte als der seines Vaters. Was aber nicht daran lag, dass er so viel mehr Fälle zu bearbeiten hatte, sondern eher an seiner chaotischen Ablage. So durchdacht und gut strukturiert er seine Arbeit geistig anging, so unordentlich war er mit den dazugehörigen Akten. Seine Assistentin hatte am Beginn ihrer Zusammenarbeit leichtsinnigerweise versucht, Ordnung in die auf dem Tisch und in den Regalen gelagerten Papierstapel zu bringen und wurde daraufhin von Nik ziemlich gereizt mit der Kündigung bedroht. Er brauchte dieses Chaos um sich herum, nicht in seinem Kopf, aber in seinem Büro! Nur wenn er leise vor sich hin fluchend in den Papieren wühlen konnte, um dann kurze Zeit später triumphierend die richtigen Unterlagen daraus hervorzuziehen, hatte er das Gefühl seine Arbeit so richtig im Griff zu haben.

Verstehen konnte das keiner, aber seine Erfolge gaben ihm Recht.

Eigentlich hatte Nik keine Lust mehr hier herumzusitzen und Akten zu wälzen, er legte den Kopf in den Nacken und starrte mit gerunzelter Stirn auf den Feuermelder an der Decke. Er hatte aber noch weniger Lust, zu Celia Almuth zu fahren. Die Gefahr, ihre Tochter dort zu treffen, war viel zu groß.

Dieser Zufall war unglaublich, wie in einer schlechten Schnulze. Unter allen sexwilligen Frauen Wiens musste er an diesem Abend gerade sie treffen und abschleppen.

Aufgefallen war es ihm erst danach, in ihrer Wohnung, als er die Illustrationen auf dem Schreibtisch gesehen hatte. Und auf einem Bild den Namenszug Lilli Almuth. Das Herz war ihm fast stehengeblieben. Und normalerweise konnte ihn nichts so schnell schockieren!

Schuld war nur Arno, weil der auf diese Kathi so scharf gewesen war und dann hatte er nicht mal den Mut gehabt, die Sache zu einem befriedigenden Ende zu bringen.

Das war verdammt schlecht gelaufen. Er schwankte zwischen Selbstmitleid und Zorn. Selbstmitleid deshalb, weil er eigentlich vorgehabt hatte, sie noch ein weiteres Mal zu beglücken. Sie war süß, wirklich süß, und der Sex war toll gewesen! Vielleicht war das auch an der beachtlichen Menge Alkohol gelegen, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie auch im vollkommen nüchternen Zustand eine Nacht wert war. Lilli war eine unglaublich leidenschaftliche Frau und sie war nicht zimperlich. Sie schien den Sex genauso zu genießen wie er selbst. Er hätte wirklich Lust auf eine zweite Nacht mit ihr gehabt.

Zorn deshalb, weil er sie unbedingt anbaggern musste. Obwohl er doch an diesem Abend früh ins Bett gehen wollte, allein, aber – wie gesagt – Arno war schuld!

Sein Vater würde ausflippen, wenn er etwas mit Celias Tochter anfing. Wo er doch schon auf Max sauer gewesen war, da er sie angeblich beim ersten gemeinsamen Abendessen so angeflirtet hatte. Aber bei Max war das keine Seltenheit, der konnte sich nur schlecht beherrschen und war immer viel zu schnell verliebt und sah in jeder neuen Frau eine potentielle Heiratskandidatin mit Garantie auf ewige Liebe. Das dramatische Ende war dann jedes Mal vorprogrammiert, was seinen Vater furchtbar nervte und regelmäßig zu Streitereien führte.

Nik hingegen war keiner dieser All-Inclusive-Typen. Wenn er Lust auf unverbindlichen, schnellen Sex hatte, dann musste es wirklich flott gehen. Und danach bloß nicht viel reden und schon gar kein gemeinsames Frühstück. Keine lästigen Anrufe, bloß keine „War schön mit dir“ SMS und höchstens ein zweites Treffen, das aber auch nur unter ganz besonderen Umständen.

Aber bei dieser Geschichte konnte er nicht so einfach an seinem üblichen Muster festhalten, er würde Lilli Almuth wiedersehen, ob er wollte oder nicht.

Sein Blick fiel auf die Aktenmappe mit Celias Unterlagen und er erhob sich seufzend. Er hatte noch einen Auftrag zu erledigen und konnte nur hoffen, dass Lilli nicht gerade bei ihrer Mutter war. Und wenn, vielleicht sollte er dieses „Missverständnis“ lieber gleich aus dem Weg räumen …

6. Kapitel

Als Lilli mit den beiden Hundedamen von einem kurzen Spaziergang zurückkehrte, hörte sie Stimmen aus dem Wohnzimmer. Die ihrer Mutter und eine, die sie nicht gleich richtig zuordnen konnte. Genauer gesagt weigerte sich ihr Unterbewusstsein, die Erkenntnis, wer da bei ihrer Mutter saß, zu akzeptieren. Sie hätte dieses unvergleichliche Timbre jederzeit und überall erkannt, diese Stimme hatte vor kurzem ihren gesamten Körper zum Pulsieren gebracht. Der Klang ihres Namens aus seinem Mund war einzigartig und vermutlich letztendlich daran schuld gewesen, dass passierte, was passiert war!

Was hatte Er im Haus ihrer Mutter zu suchen? Sie versuchte den Gedanken zu ignorieren, der sich hartnäckig in ihrem Kopf einnistete.

Nik … las! Anwalt!

Am liebsten hätte sie gleich wieder umgedreht und wäre nach Hause gefahren. Aber sie musste die vierbeinigen Mädels abliefern und eigentlich hatte sie versprochen, beim Abendessen Gesellschaft zu leisten.

„Möchtest du nicht zum Essen bleiben? Lilli wird bald hier sein, sie geht nur eine kurze Runde mit den Hunden. Dann könnt ihr euch kennenlernen“, sagte ihre Mutter soeben. Lilli verbiss sich gerade noch ein lautes, verzweifeltes Lachen.

Kennenlernen!

Sie betete, dass Nik verneinen würde.

„Danke Celia, aber ich habe noch etwas vor.“

Gott sei Dank! Sie entspannte sich etwas und versuchte die Hunde daran zu hindern ins Zimmer zu stürmen. Sie überlegte in den ersten Stock zu schleichen und dort Niks Abgang abzuwarten.

„Lilli, Schatz, wir sind im Wohnzimmer. Komm herein, ich habe eine Überraschung für dich!“ Ihre Mutter musste einen Sensor eingebaut haben, der sie jederzeit und überall aufspüren konnte. Keine Chance sich zu verstecken! Das hatte sie schon in der Teenagerzeit fertig gemacht.

Lilli ließ die Hunde von der Leine und die stürmten freudig voran. Sie atmete tief durch, versuchte ihre Locken, die durch das windige Wetter etwas in Unordnung geraten waren, mit wenigen Handgriffen halbwegs in Form zu bringen und stieß die halbgeöffnete Türe auf.

„Lilli, schau mal wer da ist! Niklas, das ist meine Lilli.“

Er stand neben dem Kamin und sah ihr mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Und das, was sie in den letzten Minuten im tiefsten Inneren bereits geahnt hatte, erlangte nun schockierende Gewissheit: Niklas Johran stand vor ihr. Der große Bruder, der Langweiler, das Arbeitstier! Der heißeste Typ, der jemals in ihrer Wohnung war!

„Hallo Lilli! Jetzt klappt es ja endlich mit unserem Kennenlernen.“

Er kam lässig auf sie zu und streckte ihr seine Hand entgegen. Nun war ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. Ein Lächeln, das er wohl für alle mehr oder weniger interessanten, neuen Bekanntschaften übrig hatte. Einstudiert.

„Ja, endlich!“ Lilli war verzweifelt bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Ihr gelang es jedoch selten, die Gefühle vollständig aus dem Gesicht zu verbannen und ihre Mutter merkte natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie sah Lilli aufmerksam an.

„Lilli, alles in Ordnung, ist etwas passiert?“, fragte sie beunruhigt.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739477442
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Liebesroman Leidenschaft prickeln sexy Familie Urlaub Romanze Humor Anwalt Liebe

Autor

  • Mara Waldhoven (Autor:in)

Mara Waldhoven ist das Pseudonym einer österreichischen Autorin. Ihre sexy Liebesromane handeln von leidenschaftlichen, starken Frauen, die Lust am Leben und an der Liebe haben … und sind auch für diese geschrieben. Geschichten mit viel Gefühl, Witz und einer scharfen Prise Erotik. Und da die unbelehrbare Romantikerin überzeugt ist, dass sich jedes Abenteuer ein Happy End verdient, wird es das in ihren Büchern auch immer wieder geben.
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Titel: Kein Mann fürs Frühstück