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It's magic

Gay Fairytale Story

von Wolf Vierblatt (Autor:in)
159 Seiten

Zusammenfassung

Es gibt Magie – du musst ihr nur eine Chance geben. Und wenn du ein ganz besonderer Mensch bist, dann gibt die Magie auch dir eine Chance. (Ubaldur Vine) Als Philipp spontan in eine Zaubershow geht, ahnt er noch nicht, dass er dadurch in einen Zeit-Strudel gerissen wird. Denn es gibt Dinge, die er eigentlich vergessen sollte – und einen Mann, den er nicht mehr lieben darf. Doch der Magier Orlando ist eine viel zu große Versuchung, und die sexuellen Begegnungen mit ihm vermisst Philipp ebenso, wie die zärtliche und erfüllende Gemeinsamkeit. Also gibt er sich nicht damit zufrieden, Orlando ein zweites Mal aufzugeben. Doch die Liebe der beiden stößt in der Magier-Welt auf einen mächtigen Gegner – das Beschützer-Bündnis. Und plötzlich ist das alles sehr viel mehr, als nur eine Sache zwischen zwei Männern, die gegen jede Regel zusammen bleiben wollen. Denn nun wird eine Geschichte aus der Vergangenheit aufgedeckt, die alles verändert. --- „It's magic – Gay Fairytale Story“ ist nicht ganz so abgedreht wie Vierblatts Nick-Reihe – oder etwa doch? Möglich – jedoch verträumter und nicht umsonst als Fairytale bezeichnet. Einfach eine Geschichte zum Draufeinlassen, Entführtwerden und Genießen. Auch wenn selbst in Vierblatts Braydalon nicht alles nur rosarot ist und nach Einhornpups duftet. Man darf mit Orlando und Philipp auch mitfiebern – und genau so soll es in einer unterhaltsamen Geschichte doch auch sein! Ach ja, und eine gute Portion Sex kommt auch wieder drin vor. Eben alles, was schön ist. ;)

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Über das Buch

Inhaltsangabe:

Es gibt Magie – du musst ihr nur eine Chance geben. Und wenn du ein ganz besonderer Mensch bist, dann gibt die Magie auch dir eine Chance. (Ubaldur Vine)

Als Philipp spontan in eine Zaubershow geht, ahnt er noch nicht, dass er dadurch in einen Zeit-Strudel gerissen wird. Denn es gibt Dinge, die er eigentlich vergessen sollte – und einen Mann, den er nicht mehr lieben darf. Doch der Magier Orlando ist eine viel zu große Versuchung, und die sexuellen Begegnungen mit ihm vermisst Philipp ebenso, wie die zärtliche und erfüllende Gemeinsamkeit. Also gibt er sich nicht damit zufrieden, Orlando ein zweites Mal aufzugeben. Doch die Liebe der beiden stößt in der Magier-Welt auf einen mächtigen Gegner – das Beschützer-Bündnis. Und plötzlich ist das alles sehr viel mehr als nur eine Sache zwischen zwei Männern, die gegen jede Regel zusammenbleiben wollen. Denn nun wird eine Geschichte aus der Vergangenheit aufgedeckt, die alles verändert.

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„It's magic – Gay Fairytale Story“ ist nicht ganz so abgedreht wie Vierblatts Nick-Reihe – oder etwa doch? Möglich – jedoch verträumter und nicht umsonst als Fairytale bezeichnet. Einfach eine Geschichte zum Draufeinlassen, Entführtwerden und Genießen. Auch wenn selbst in Vierblatts Braydalon nicht alles nur rosarot ist und nach Einhornpups duftet. Man darf mit Orlando und Philipp auch mitfiebern – und genau so soll es in einer unterhaltsamen Geschichte doch auch sein! Ach ja, und eine gute Portion Sex kommt auch wieder drin vor. Eben alles, was schön ist. ;)

Über den Autor

Wolf Vierblatt ist in den besten Jahren, also zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Und wenn es nach ihm geht, wird sich das auch niemals ändern. Aus diesem Grunde arbeitet er in seiner Freizeit an einer Zeitmaschine – bislang mit wenig Erfolg.

Vierblatt wurde in der Großstadt geboren, wuchs jedoch die meiste Zeit auf dem Land auf. Heute lebt er wieder in der großen Stadt und arbeitet in einem Geschäft, das mit Betten zu tun hat. Allerdings ist es kein Matratzengeschäft, was jedoch nichts zur Sache tut.

Wolf Vierblatt wollte mit seiner Nick-Reihe vor allem eines erreichen: sich den ganzen Quatsch mal aus dem Kopf zu schreiben. Seine Vorliebe für Alliterationen ist entstanden, als die große Anlautdürre im Sommer 2018 ihn zur Sparsamkeit zwang. Aus der Not hat er kurzerhand eine Tugend gemacht, auch wenn er heute gerne wieder aus dem gesamten Alphabet schöpft, als gäbe es kein Morgen. Mit „Goodbye Nick“ hat Wolf Vierblatt den letzten Teil seiner Nick-Trilogie verfasst.

Nun ist mit „It's magic – Gay Fairytale Story“ eine weitere Story aus seiner Feder erschienen, die die Leserin oder den Leser in eine andere Welt entführt und für eine Weile den Alltag vergessen lässt.

Impressum

Titel: It's magic – Gay Fairytale Story

Coverfoto: Magier: Urheber: https://de.123rf.com/profile_liakoltyrina

Ring: Urheber: https://de.123rf.com/profile_denzelll

Logo: Wolf: https://de.123rf.com/profile_mehibi

Kleeblatt: https://de.123rf.com/profile_liole

Wolf Vierblatt c/o Werneburg Internet Marketing und Publikations-Service, Philipp-Kühner-Straße 2, 99817 Eisenach

mailto:wolfvierblatt@gmx.de

Die Person auf dem Coverfoto steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Textes. Der Inhalt sagt nichts über die sexuelle Orientierung der abgebildeten Person aus. Handlung, Orte und Personen sind frei erfunden.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar.

In dieser fiktiven Geschichte wird nicht immer Wert darauf gelegt und den erfundenen Personen droht keine gesundheitliche Gefahr, aber in der Realität ist Safer Sex ein Muss!

Prolog

Wenn unten zugleich oben ist, hält dich nichts mehr am Boden. Das kann gut oder schlecht sein. Je nachdem, wie man es gerade sieht. Ich sehe es positiv. Sehr sogar. Denn während meine Füße in der Luft baumeln, und mein Körper schwerelos im Raum schwebt, erlebe ich den geilsten Orgasmus meines Lebens. Er durchfährt meinen Körper in einer unbeschreiblichen Welle, die alles Denken mit sich reißt. Befreiend und erhebend wie ein kompletter Neubeginn. Alles steht auf null und ist bereit, sich von mir formen zu lassen. So fühlt es sich an, kurz nach dem Höhepunkt – wie es sich währenddessen anfühlt, brauche ich dir hoffentlich nicht zu beschreiben, denn du solltest es selbst nur zu gut kennen. Zumindest, wenn du Glück hast. Ich habe seit einiger Zeit wirklich verdammtes Glück. Und das verdanke ich einem Mann, der eigentlich gar nicht real sein kann. Jedenfalls nicht, wenn man nicht an Magie glaubt – denn genau das ist er: ein Magier! Einer, der mit Tricks arbeitet … aber nicht nur, denn er ist auch in Wahrheit ein magisches Wesen. Ich weiß, dass du mir kein Wort glauben wirst – aber, um ehrlich zu sein, ist mir das eigentlich egal. Andererseits glaube ich, es würde mir Spaß machen, von ihm zu erzählen – und von mir. Und da ich nur noch Dinge tun will, die mir Spaß machen, werde ich gleich damit beginnen, sobald ich wieder Boden unter den Füßen habe – und zwar ganz von Anfang an. Zumindest von dem Zeitpunkt an, von dem ich dachte, es wäre der Beginn. Verwirrt? Keine Sorge, alles wird sich aufklären.

Kapitel 1 – Philipp lässt sich verzaubern

Oktober 2019

Büro hin, Büro her – es gibt auch noch etwas anderes im Leben als die Arbeit. Es war an einem gewöhnlichen Freitag, als ich in der Mittagspause eine Entscheidung traf, die mein Leben von Grund auf ändern sollte. Eigentlich war es nicht mehr als eine spontane Idee. Während ich im Restaurant saß und auf meinen großen gemischten Salat wartete, den ich immer freitags mittags zu mir nehme, fiel mein Blick auf die Plakatwand, die gleich neben dem Eingang angebracht war. Außer einem angekündigten Flohmarkt und einer Kinder-Ballett-Aufführung hing dort auch ein Plakat mit einem geheimnisvollen Mann, der im Fokus stand. Man konnte beinahe nur seine Silhouette erkennen, dafür stachen seine Augen umso mehr hervor. Sie waren grün und so unergründlich, dass ich den Blick eine ganze Weile nicht davon abwenden konnte. Es war so, als würden sie mich ansehen – was natürlich unmöglich war, denn es handelte sich schließlich nur um Farbe auf Papier. Dennoch fühlte es sich verdammt lebendig an, wie sie ausgerechnet mich in diesem Raum voller Leute packten und intensiv zu erforschen schienen. Ein wirklich toller Effekt, schoss es mir durch den Kopf. Endlich konnte ich mich davon lösen und las den Text. Dort stand, dass es sich um einen Magier namens Orlando Vine handelte, dessen Show am gleichen Abend in der Stadthalle stattfinden sollte. Eintrittskarten waren an der Abendkasse erhältlich. Der Preis dafür war absolut im Rahmen, also entschied ich, dorthin zu gehen, falls sich nichts Besseres ergeben würde. Eigentlich bin ich nicht so der Varieté-Typ. Mir steht eher der Sinn nach Disco und Gay-Sauna, aber ab und zu tue ich auch gerne etwas Kulturelles für meine Bildung. Ich gehe also manchmal ins Museum, lese ein Sachbuch, oder wähle im Kino einen Film mit Anspruch. Das ist so ähnlich wie die Sache mit dem Salat am Freitagmittag. Ich esse ihn, weil ich weiß, dass ich noch am gleichen Abend jede Menge Alkohol trinken und Fastfood in mich reinstopfen werde. Also bestelle ich mittags einen Salat und mache mir vor, ich würde mich gesund ernähren. Manchmal klappt der Selbstbetrug, aber nicht immer.

Auf jeden Fall hielt ich es für eine gute Idee, meinen Horizont zu erweitern, indem ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine Zaubervorstellung ging. Alleine, weil ich irgendwie keine Lust hatte, meinen ewig dauernörglerischen Freund Justin zu fragen, ob er mitkommen wollte. Justin und ich führen eine sehr lockere Beziehung, die immer dann von Nutzen ist, wenn wir beide schon lange niemand anderen zum Vögeln mehr gefunden haben. Dann pimpern wir uns durch die Nacht und versprechen uns am nächsten Morgen, demnächst auch mal wieder was anderes miteinander zu unternehmen. Aber keiner von uns beiden zieht das noch ernsthaft in Erwägung, denn unsere Interessen sind einfach zu unterschiedlich. Justin hört zum Beispiel mit Vorliebe seinen Namenszwilling, dessen Nachname wie ein Nagetier klingt – ich mag das hier nicht schriftlich niederlegen, aber du weißt schon. Ich hingegen stehe eher auf die härtere Gangart. Beim Sex sind wir da zum Glück auch einer Meinung. Bei diesen erotischen Zusammentreffen ist er es übrigens, der mich hart rannimmt. Und das macht er schon ziemlich gut. Er hat echt zwei Gesichter, finde ich – aber keines von beiden ist für mich letztendlich so interessant, dass es für mehr als eine Notfall-Rammel-Nacht reicht. Jetzt habe ich also schon geoutet, dass es mich tierisch anmacht, wenn mir beim Sex einer sagt, was ich zu tun – oder noch wichtiger – was ich zu lassen habe. Aber ich schweife ab. Kommen wir also zurück zu dem Freitagabend, als ich tatsächlich nichts anderes geplant hatte, als Abwechslung bei dieser Zaubershow zu suchen. Ich zog eine schwarze Jeans und einen grauen Rollkragenpullover an. Ich mag es, in meiner Freizeit dunkle Kleidung zu tragen, denn ich finde, sie ist ein schöner Kontrast zu meinen blonden Haaren und blauen Augen. Im Büro muss ich immer hellblaue Hemden tragen, die wohl auch super zu meinen Augen passen, wie mir Kolleginnen gerne vorschwärmen – aber ich stehe weder auf die Hemden noch auf die Kolleginnen. Ich zog noch meine Jacke über, dann machte ich mich an diesem stürmischen Oktoberabend auf den Weg zur Stadthalle. Zu spät fiel mir ein, dass ich auch Pech haben könnte, und die Show inzwischen ausverkauft war. Doch meine Sorge war umsonst, ich bekam problemlos noch eine Karte an der Abendkasse. Ich blickte mich im Foyer um, aber ich sah niemanden, den ich kannte. Darüber war ich ziemlich froh, denn wenn man in der Finanzierungsabteilung eines Möbelhauses in der Kleinstadt arbeitet, hat man doch so einige Kontakte. Aber mein Job soll hier echt nicht das Thema sein … interessiert dich hoffentlich auch nicht besonders. Mir ginge es jedenfalls so, wenn mir jemand eine Geschichte erzählen möchte, die ja eigentlich in erster Linie mit Magie zu tun haben soll. Und ja, das hat meine Geschichte – die noch dazu wahr ist. Mir liegt nämlich nichts daran, dir Lügen aufzutischen … zumindest keine, die nicht dazu dienen sollten, dich gut zu unterhalten. Als ich mich also damals im Foyer umblickte, sah ich niemanden, den ich kannte – aber jemand sah mich, und schien zu glauben, er würde mich kennen. Es war ein junger Mann mit grünen Augen, die wie die Glut eines Feuers zu lodern schienen – hatte ich so etwas nicht schon mal gesehen? Ja, wirst du dir denken, aber ich konnte in diesem Augenblick nicht denken, daher musste ich passen. Das Haar des Mannes war kohlrabenschwarz und reichte ihm in leicht gewellten Strähnen bis zum Kinn. Er trug eine schwarze Hose und ein ebensolches Hemd, das mit goldenen Fäden durchzogen war. Außerdem war er mit einem langen dunklen Mantel bekleidet, den er offen trug. Der schlanke Mann war von stattlicher Größe, ohne jedoch lächerlich riesenhaft zu wirken. »Hey Fips, schön dass du hier bist«, begrüßte er mich, dann verschwand er auch schon in der Menge. Ich wäre ihm fast hinterher gegangen, so verwundert war ich über die Begrüßung. Denn mit Fips sprechen mich nur meine wirklich engen Freunde an, da ich eigentlich Philipp heiße. Wie seltsam, dachte ich, dass mich jemand so gut zu kennen scheint, an den ich mich jedoch überhaupt nicht erinnern kann. Und an diesen Typen hätte ich mich ganz bestimmt erinnert, wenn er mir schon mal untergekommen wäre! Der Duft seines unter Garantie kostspieligen Aftershaves umfing mich noch, aber von dem Mann hatte ich jede Spur verloren. Ich nahm mir vor, sobald ich im Saal saß, nach ihm Ausschau zu halten. Und genau das tat ich auch, als ich in der dritten Reihe auf einem der Holzstühle Platz genommen hatte. Er war nicht sonderlich bequem, und mir kam in den Sinn, dass die Veranstaltung wohl kaum an eine Vorstellung in einem echten Theater heranreichen konnte. Aber man hatte sich viel Mühe gegeben, der Stadthalle ein magisches Ambiente zu verleihen. Stehtische waren mit schwarzen Hussen dekoriert. Goldene Banner schmückten die Wände. Die Lichttechniker hatten alles in eine geheimnisvolle Düsternis getaucht – oder sie machten ihren Job einfach nicht gut, denn die Beleuchtung war wirklich sehr spartanisch. Ich bemühte mich dennoch, die anderen Zuschauer ins Visier zu nehmen – den geheimnisvollen Fips-Grüßer entdeckte ich aber nicht. Als das Licht komplett ausging, versuchte ich mir den Typen aus dem Kopf zu schlagen, denn ich war hergekommen, um die Show zu genießen, nicht um rumzugrübeln. Ein Scheinwerfer erhellte plötzlich die Bühne. Mein Blick war auf den Mann gerichtet, der in langem Mantel und eindrucksvoller Pose dastand; seine Augen hielt er auf sein Publikum gerichtet. Er tat sonst nichts, stand nur da und fokussierte einen nach dem anderen. Fast sah es so aus, als wäre er gekommen, um uns zu sehen, statt umgekehrt. Aber mir kam der Gedanke, dass er unmöglich etwas erkennen konnte, denn das Scheinwerferlicht musste ihn selbst blenden, während wir alle im Dunkeln saßen. Ich konnte spüren, wie mein Herz schneller schlug, als sein Kopf sich in meine Richtung drehte. Sein Blick tastete mich ab, und es fühlte sich so an, als würden Finger mich erkunden – sie berührten meine Arme, fuhren daran hinauf und massierten mir leicht die Schultern. Mein Gesicht wurde gestreift, meine Wangen gestreichelt, die unsichtbaren Finger wanderten bis zu meiner Stirn. Von dort aus wühlten sie sich in meine Haare, strichen sie zurück, und dann fühlte ich Lippen, die meine berührten. Das war nicht real! Oder etwa doch? Ich tastete selbst über meine Lippen und fuhr mir durchs Haar, um zu prüfen, ob meine Finger auf andere stoßen würden. Aber da war nichts. Nur der Blick des Mannes auf der Bühne … der Magier – Orlando Vine. An seinem hintergründigen Lächeln konnte ich erkennen, dass er mich tatsächlich gestreichelt und geküsst hatte … irgendwie. Ich war vollkommen verwirrt, aber auch auf gute Art elektrisiert. Das Licht ging aus. Es erstrahlte jedoch fast augenblicklich erneut an der linken Seite der Bühne, und wieder stand er dort. Katzengleich musste er sich mit einem einzigen Sprung dorthin befördert haben, denn einem Menschen wäre dieser Ortswechsel im nahezu selben Moment unmöglich gewesen. Aber da stand er, und das Licht auf der Bühne ging vollends an, während der Magier seinen Mantel fallen ließ. Das Publikum stieß verblüffte Laute aus, als der Stoff des Kleidungsstücks sich in etwa ein Dutzend schwarze Raben verwandelte, die über den Köpfen der Leute durch die Halle flogen und sich dann in Nichts auflösten. Eines kann ich mit Gewissheit sagen: von diesem Moment an waren alle davon überzeugt, dass eine großartige Show sie an diesem Abend unterhalten würde. Mir hingegen war noch weit mehr als das bewusst geworden. Denn ich begriff, dass ich nicht zufällig im Publikum saß. Orlando war der Mann, der mich persönlich im Foyer begrüßt hatte. Er kannte meinen Spitznamen – und sein Kuss eben war nicht der erste, den er mir gegeben hatte. Ich wusste nicht, wie das möglich war, aber als ich dort saß und ihm zusah, wie er einen Käfig aufbaute, in dessen Innerem Ketten mit ledernen Handschellen baumelten, wusste ich, dass ich darin bereits einige Zeit verbracht hatte, die so lustvoll gewesen war, dass ich alleine beim Anblick einen Steifen bekam. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her, um meine Latte bequemer zu positionieren, als mich erneut Orlandos Blick traf.

»Herzlich willkommen, sehr verehrte Damen und Herren«, sagte er und ließ kurz seine Aufmerksamkeit dem gesamten Publikum zuteilwerden, bevor er sich wieder allein mir widmete. Ich erkannte, dass er ein Kopfbügelmikrofon trug, um die Hände frei haben zu können.

»Wir Magier können Sie verzaubern – wenn Sie uns lassen – aber oftmals benötigen wir dazu jemanden, der uns behilflich ist. Und nach guter alter Tradition möchte auch ich um Hilfe aus Ihren Reihen bitten. Ich benötige jemanden, der sich nicht scheut, von mir in einen Käfig gesperrt zu werden. Ach ja, und er sollte feuerresistent sein.« Das Publikum lachte nervös. Ich lachte nicht, denn ich wusste, dass er keinen Scherz gemacht hatte.

»Wie wäre es mit Ihnen?«, fragte der Magier und deutete auf eine Frau um die Vierzig, die seitlich saß, sodass viele Leute im Saal sie gut sehen konnten. Sie schüttelte vehement den Kopf und hob abwehrend beide Arme vor ihr Gesicht.

»Nein? Ich bekomme einen Korb von Ihnen? Sie sind wohl nur Feuer und Flamme für den Mann an Ihrer Seite«, mutmaßte Orlando. Er sprang elegant von der Bühne und überreichte der Dame eine rote Rose, die er wie aus dem Nichts plötzlich in der Hand hielt. »Ich wollte mich nicht aufdrängen«, versicherte der Magier dann dem Mann neben ihr, der schützend seinen Arm um die Frau gelegt hatte. Orlando zauberte eine Flasche hinter seinem Rücken hervor. »Vielleicht darf ich es mit einem Champagner wieder gutmachen?« Galant überreichte er die Flasche dem Mann. Die Frau stammelte nun entschuldigende Worte, weil sie seine Anfrage offensichtlich abgelehnt hatte.

»Schon gut, Sie können den Rest des Abends ganz entspannt genießen, das verspreche ich Ihnen. Ich lege nämlich großen Wert darauf, dass jeder im Raum sich wohlfühlt. Das gilt natürlich auch für meinen Assistenten, der sich seiner Rolle in diesem Augenblick noch überhaupt nicht bewusst ist.« Er wandte sich von dem Paar ab, das sichtlich erleichtert war. »Gibt es vielleicht einen Freiwilligen?«, fragte er. Man hätte denken können, er müsse nun unsicher geworden sein – vielleicht Sorge haben, niemand würde sich melden. Aber er klang sehr gelassen, und das imponierte mir, denn ich an seiner Stelle hätte bestimmt einen Schweißausbruch bekommen. Die meisten Leute kramten plötzlich sehr geschäftig in ihren Taschen, wischten imaginäre Fussel von ihrer Ausgehkleidung oder versicherten sich, ob ihre Schnürsenkel noch säuberlich gebunden waren, auch wenn sie eigentlich Slipper oder Pumps trugen. Mir kam der Gedanke, dass das wohl das Gefühl sein muss, wenn Eltern von schulpflichtigen Kindern von ihren Erlebnissen bei Elternabenden sprachen, sobald jemand für die Positionen gesucht wird, die von den Erziehungsberechtigten besetzt werden müssen. Ich selbst habe die Erfahrung nie gemacht, und es wird wohl auch nicht dazu kommen. Die beschriebene Beklemmung hatte jedoch auch mich ergriffen. Trotzdem hob ich die Hand. War ich etwa nicht mehr ganz dicht? Zumindest hatte mich ein ziemlich heftiger Kontrollverlust befallen, denn ich tat das nun echt nicht aus freien Stücken! In einen Käfig gesperrt werden? Vor Publikum? Brennen? MIT MIR DOCH NICHT! Aber ich saß da und hob den Arm. Es war, als wäre ein Seil daran gebunden, das ihn in Richtung Decke zog. Geradezu überdeutlich meldete ich mich als Freiwilliger. Fehlte nur noch, dass ich mit den Fingern schnipste, um zusätzlich auf mich aufmerksam zu machen … grotesk! Und natürlich hatte der Magier es bemerkt. Ich wandte mich um, vor Verlegenheit, und um von mir abzulenken. Zu meinem Erstaunen waren noch ein paar Arme in die Luft gegangen. Ich flehte stumm, er möge eine von den anderen Personen nehmen. Aber nein, er kam auf mich zu, und ehe ich mich versah, reichte er mir die Hand. Nichts befand sich darin: keine Rose, kein Schampus. Er wollte mir keinen Gegenstand geben, sondern er wollte, dass ich seine Hand ergriff. Und das tat ich. Unsere Finger berührten sich. Mich durchfuhr ein Gefühl, als wäre ich wieder fünf und dürfte auf der Kirmes so viel Zuckerwatte essen, wie ich Lust hatte. Ja, es war ein Zuckerwattegefühl: leicht, süß und herrlich prickelnd auf der Zunge – nur, dass ich es im gesamten Körper spürte. Aufregung erfasste mich, Vorfreude sogar. Wie hatte dieser Kerl das nur gemacht? Ich fühlte mich verzaubert und so gar nicht mehr wie ich selbst. Eigentlich sollte einem das Angst machen, nicht wahr? Aber da war kein Platz mehr für Angst in mir, denn jede meiner Zellen war angefüllt mit Freude und Leichtigkeit. Und so kam es, dass ich Orlando auf die Bühne folgte. Vor aller Augen gingen wir eine Symbiose ein – der Magier und sein Assistent.

Kapitel 2 – Orlando bricht die Regeln der Magier-Welt

Oktober 2019

Diese Bühnennummer war ja eigentlich nicht so seine Sache. Aber für Fips war ihm nichts zu unangenehm. Fips … Philipp! Was für ein Zufall, dass sie sich überhaupt getroffen hatten. Ein tragischer Zufall, wenn man es genau betrachtete. Aber alles zwischen ihnen hatte sich einfach großartig entwickelt. Allerdings war daraus so viel mehr geworden, dass Fips davon nichts mehr wissen durfte. Es war nämlich schon schlimm genug, die Welten zu wechseln, aber noch viel härter wurde die Offenlegung der Magier-Welt geahndet. Klar, die Menschen kannten Zauberei, aber sie vermuteten immer einen Trick dahinter. Von den meisten Magiern, die in der Menschenwelt auf Bühnen auftraten, konnte man schließlich auch nichts anderes als Augenwischerei erwarten, denn sie waren alles, nur keine echten Magier! Orlando hingegen schon. Und das machte die Sache so unheimlich kompliziert. Um genau zu sein, machte es seine Liebe zu Fips ungeheuer schwierig. Aber er war weit davon entfernt, sich darüber zu beschweren, denn zugleich war die Zeit mit Philipp die beste seines bisherigen Lebens. Orlando war in Braydalon geboren und aufgewachsen – der Welt der Magier, die von den Menschen wohl als Parallelwelt beschrieben werden würde. Vorausgesetzt, sie würden sie kennen, was aber nicht der Fall ist. Und im Grunde wäre auch die Bezeichnung Parallelwelt nicht korrekt. Dennoch wäre es noch viel falscher, Orlando als Außerirdischen zu bezeichnen. Nein, Orlando war ein menschliches Wesen – genau wie Philipp. Nur, dass er eben über einige Fähigkeiten verfügte, von denen Menschen nur träumen konnten. Für Orlando hingegen war es normal, Dinge und Lebewesen der Schwerkraft trotzen zu lassen. Es war alltäglich, von dem Ort, an dem man nicht mehr sein wollte, zu verschwinden, und sich im nächsten Moment dort wieder erscheinen zu lassen, wo man sich hin gewünscht hatte. Es war üblich, Dinge zu wissen … viele Dinge … auch die Gedanken von jemanden, wenn man es geschickt anstellte. Als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, waren Fips Gedanken für ihn wie ein offenes Buch gewesen. Eines, in dem er zu lesen begonnen hatte und einfach nicht mehr damit aufhören konnte. Oder wollte? Aber kam das nicht auf dasselbe raus? Auf jeden Fall bedeutete es massiven Ärger mit dem Beschützer-Bündnis. Der Zusammenschluss wurde vorwiegend von alten Magierinnen und Magiern gebildet, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Braydalon gegen Eingriffe von außen zu verteidigen. Und das funktionierte deren Ansicht nach nur, wenn gar nicht erst jemand von dessen Existenz erfuhr. Vermutlich hatten sie recht damit. Und genau das war das Vertrackte an der ganzen Situation, denn Orlando wusste im Grunde seines Herzens, dass es stimmte. Aber dieses Wissen stand im starken Kontrast zu seinen Gefühlen Philipp gegenüber. Orlando wusste also, dass er die Magier-Welt betrog, wenn er die Regeln missachtete. Die Sache wurde aber noch um einiges erschwert, weil sein Vater eben jenem Beschützer-Bündnis angehörte. Und den eigenen Vater zu belügen, war nun nicht gerade das Angenehmste. Sicher, Braydalon musste um jeden Preis geschützt werden, aber was war mit Fips und dessen Welt? Hätte er sich besser niemals dorthin gewagt? Orlando wusste, dass die Antwort ja lautete, aber nun war es zu spät. Er konnte zwar alles ungeschehen machen – zumindest für Philipp – aber er selbst war nicht in der Lage, seine Erinnerungen an diesen tollen Mann auszulöschen. Orlando war klar, dass er egoistisch handelte, aber wenn er diese Liebe jetzt aufgeben würde, wäre etwas verloren, das viel zu wichtig war, um es ungeschehen zu machen. Es war die Neugier auf diese andere Welt gewesen, in der die Menschen lebten, und die er sonst nur wie hinter einer dicken Glaswand hatte sehen können. Die Welt auf der anderen Seite gehörte immer zu Orlandos Leben, aber je älter er wurde, desto mehr nahm er sie wahr. Bei vielen Magiern war es wohl umgekehrt. Sie waren als Kind interessiert gewesen, aber mit der Zeit hatten sie begriffen, dass das nur Hintergrundrauschen war, das man am besten ignorierte. Orlando hingegen hatten die schattenhaften Gestalten früher nicht besonders beeindruckt. Sie waren halt da, aber es gab so viel anderes, das ihn begeisterte. Er erlernte lieber sämtliche Fähigkeiten, die man ihm beibringen konnte. So wurde er zu einem der besten Magier in seiner Welt. Aber dann fühlte er sich unterfordert, und plötzlich rückte das Unbekannte in den Fokus: die Welt hinter der Magier-Welt.

»Geh nicht dorthin! Die Menschen haben nicht mehr als wir. Weniger, um nicht zu sagen, sie leben in ständiger Zwietracht miteinander. Es hat einen Grund, warum sie nicht zaubern können. Denn wenn sie es könnten, würden die Menschen diese Gabe nutzen, um sich gegenseitig zu vernichten. Und wenn das geschieht, reißen sie unsere Welt mit ins Verderben. Denn alles hängt zusammen – ob wir es wollen, oder nicht. Deshalb ist es besser, sich von ihnen fernzuhalten und ihnen nicht zu offenbaren, dass es Möglichkeiten gibt, die sie für ihre Machenschaften nutzen könnten. Es gibt Menschen, die keine Skrupel hätten, einen Magier zu entführen und ihn dazu zu zwingen, seine Fähigkeiten gegen dessen Feinde einzusetzen. Und was wärst du dann, wenn dir so etwas passiert? Ein Zerstörer eines Ausmaßes, das ich mir nicht einmal vorstellen möchte. Nein, Orlando, die Menschen- und die Magier-Welt müssen stets getrennt bleiben. Merk dir das, mein Sohn!« Sein Vater hatte ihm das immer und immer wieder eingetrichtert – mit wenig Erfolg, wie Orlando zugeben musste. Vielleicht waren es gerade diese Worte seines Vaters gewesen, die die Neugier in Orlando sogar noch angestachelt hatten. Was waren das für merkwürdige Wesen, die es einerseits nicht wert sein sollten, erkundet zu werden, die jedoch zugleich Magiern auf gewisse Art Angst zu machen schienen? Würden sie wirklich so weit gehen, einen Magier zu entführen, um ihn für ihre Zwecke zu benutzen? Vor allem, da sie doch wissen mussten, dass sie diesem Entführten gnadenlos unterlegen waren. Das ergab alles gar keinen Sinn! Oder doch? Orlando wollte sie nur ein einziges Mal sehen, diese Menschen. Er nahm sich vor, vorsichtig zu sein und sich selbst nicht als Magier zu offenbaren. Das war ihm gelungen – fast! Aber dann war es eben doch anders gekommen. Und damit hatte zwar einerseits das Verhängnis begonnen, aber auch ein Gefühl, das er bislang nicht gekannt hatte – grenzenlose Liebe.

Juli 2019

Es war ein heißer Nachmittag gewesen, den Orlando auf der Veranda seiner Hütte nahe des Silberwaldes verbrachte. Er war sehr früh aufgestanden und hatte bereits bis zum Mittag all seine Pflichten erfüllt: die Bäume inspiziert und mit ihnen gesprochen. Einen Streit zwischen zwei verfeindeten Dachsfamilien geschlichtet. Einen verwundeten Hirsch geheilt und einen verstorbenen Adler beerdigt. Außerdem hatte er Nuts mit nach Hause genommen – ein Eichhörnchenmännchen, das unter chronischem Schwindel litt und daher oftmals im Sprung sein Ziel verfehlte. Diesmal hatte es Nuts besonders arg erwischt, denn statt auf einem dicken Ast zu landen, war er in einen Dornbusch gefallen, sodass seine Haut an mehreren Stellen aufgeritzt war. Orlando hatte auch ihn heilen können, aber der kleine Nager war immer noch ziemlich verwirrt gewesen, sodass er sich bei ihm zuhause erst auskurieren sollte, bevor er sich wieder auf die Bäume begab. Seine große Klappe hatte das Eichhörnchen allerdings nicht eingebüßt, und Orlando, der die Sprache der Tiere problemlos verstand und sprechen konnte, ahnte, dass ihm wieder mal ein paar unterhaltsame Stunden ins Haus standen, denen er mit gemischten Gefühlen entgegensah. Er hatte Nuts in ein Tuch gelegt, und zum Glück war der nach seiner langen Nacht im Dornenbett nun immerhin so müde, dass er auf der Stelle einschlief. Orlando blickte sich um, aber ihm fiel nichts mehr ein, das seine Aufmerksamkeit erfordern würde. Also wollte er sich für den Rest des Tages ebenfalls Ruhe gönnen und ein wenig im Lehrbuch der Magie des Waldes lesen, das er zu seinen Lieblingslektüren zählte. Das Buch half ihm bei seinen Aufgaben als Hüter des Silberwaldes. Dass er diesen Job übernehmen durfte, zählte zu den glücklichsten Fügungen seines Lebens. Viele Magier bevorzugten es inzwischen, in den Städten zu leben, die auf Braydalon eine noch recht neue Sache waren. Auch Orlando hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, sich in Vorlet niederzulassen, wo es neuartige Wohnungen gab, die einem jede erdenkliche Annehmlichkeit boten. Aber im Grunde seines Herzens war er ein Mann, der lieber selbst sein Holz hackte, um heizen zu können, statt nur auf einen Knopf zu drücken, um behagliche Wärme im Handumdrehen zu haben. Ihm reichten seine Zauberfähigkeiten, die ihm halfen, falls er des Holzhackens zu müde wurde. Er zauberte ständig für andere – für die Tiere vor allem, wenn sie magische Kräfte benötigten. Aber er setzte die Magie nur selten ein, wenn es um sein eigenes Wohlbefinden ging. Zumindest hatte er bis zu dem besagten Nachmittag im Juli – an dem es schrecklich heiß gewesen war, und er nicht mal im Traum ans Holzhacken dachte – diesen Eindruck von sich selbst gehabt. Aber dann war etwas Sonderbares geschehen, und vielleicht war es seinen eigenen magischen Fähigkeiten entsprungen, ohne dass er es wissentlich geplant hatte. Denn obwohl er bestimmt schon an die hundert Male in dem Buch geblättert hatte, waren da plötzlich Seiten, die er nie zuvor gesehen hatte. Orlando hätte gedacht, dass es Magie sein müsste, aber in der Magier-Welt existierte eine solche Metapher nicht, denn dort geschah schließlich alles mit Magie – wenn man es denn wollte. Also dachte er nur: »Wie sonderbar.« Genaugenommen waren es zwei Seiten – eine Doppelseite. Und sie zeigte eine Flügeltür aus kostbarem Eichenholz – was vielleicht noch erklären mochte, warum sie sich in diesem Buch über Wälder befand. Er tippte die rechte Seite mit seinem Finger an: die Tür öffnete sich. Einfach aus Spaß probierte er auch die andere Seite zu öffnen: es gelang. Und dann trat Orlando in seinen Gedanken einfach hindurch. Gleich im nächsten Moment fand er sich in der Menschenwelt wieder, die er bislang nur vom Hörensagen gekannt hatte. Eine Welt, die er laut seinem Vater und den anderen Weisen vom Beschützer-Bündnis unbedingt meiden sollte. Er sah sich um. Sie sah unglaublich verlockend aus. Und Orlando ließ sich locken.

Kapitel 3 – Philipp brennt lichterloh

Oktober 2019

Die Augen des Publikums waren auf mich gerichtet. Jede einzelne Pupille erfasste mich und ließ mich nicht mehr los. Und das war nur der Anfang. Orlando Vine machte ein paar Gesten, die die Zuschauer dazu veranlassten, mir Applaus zu spenden. Ich verbeugte mich nicht, denn ich hatte noch nichts geleistet. Aber das würde ich noch, wie mir siedend heiß klar wurde, als Orlando mich sanft am Arm fasste, um mich zum Käfig zu führen. Er forderte mich auf, die Stäbe auf ihre Festigkeit zu prüfen, um dem Publikum zu beweisen, dass es kein Entkommen gab. Und das gab es nicht. Ich bekam einen Schweißausbruch nach dem anderen. Der Magier öffnete eine Seite des Käfigs, indem er drei Vorhängeschlösser nacheinander mit einem Schlüssel aufschloss und die Riegel aus den Halterungen schob. Dann klappte er die Käfigwand zur Seite, die wiederum von drei stabilen Scharnieren gehalten wurde. Sehr einladend wirkte der Käfig nicht. Ein weißer Boden aus dickem Kunststoff, der mit den Stäben wie verschmolzen zu sein schien. Und im Inneren besagte lederne Handschellen, die an Ketten hingen, die ihrerseits mit robusten Ringen an den Stäben befestigt waren. Es sah echt gruselig aus, aber ich spürte erneut, wie ich einen Ständer bekam. Orlando wies mit der Hand in den Käfig, und während ich hineinkletterte, raunte er mir zu: »Nimm das und leg es über deinen Schoß.« Im nächsten Moment erschien wie aus dem Nichts ein großer Strauß aus roten Rosen in seiner Hand. Er reichte ihn mir, und ich kam seiner Aufforderung rasch nach, um zu verhindern, dass diese ganzen Augenpaare Zeugen meiner sexuellen Erregung wurden. Aber es stimmt, ich war unheimlich geil geworden – weiß der Geier warum eigentlich! Ich hockte in dem doch recht geräumigen Käfig und ließ zu, dass der mir eigentlich absolut fremde Mann die Hände mit ledernen Fesseln band. Erst die rechte, dann die linke. Er zog an den Ketten, sodass meine Arme gestreckt wurden – mein Glied hämmerte so fest, dass ich dachte, der Rosenstrauß müsse für alle im Raum sichtbar pulsieren. Der Magier klappte die Käfigwand wieder zu und ließ die Schlösser einschnappen. »Bequem?«, fragte er dann laut. Das Publikum lachte. Mir kam in den Sinn, dass man bestimmt die Schweißflecken unter meinen Armen sehen konnte, doch meine Sorgen wurden von dieser Nichtigkeit abgelenkt, als ein viel größeres Problem auf mich zukam – ein sehr viel größeres! Denn nun begann Orlando Vine damit, die Stäbe des Käfigs mit breiten Lappen zu umwickeln. Immer wieder ging er im Kreis, panthergleich mit geschmeidigen Bewegungen flocht er zwischen die Stäbe weißen Stoff. Ich ahnte nichts Gutes.

»Mögen Sie es heiß, mein Freund?«, fragte er abermals auf eine Art, dass ich begriff, er richtete sich an die Zuschauer. »Hören Sie auf damit!«, sagte ich, aber meine Stimme ging in dem allgemeinen Gelächter einfach unter. Orlando schien sie jedoch gehört zu haben. Er fixierte mich mit seinem Blick und flüsterte: »Nur noch ein paar Minuten, dann ist alles vorüber.« Sollte mich das etwa beruhigen!? Dann ging er zum Bühnenrand, holte einen Kanister und kippte Flüssigkeit auf die Lappen. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass es plötzlich intensiv nach Benzin roch? Alleine schon der Gestank ließ mich an meinen Fesseln zerren. Der Magier tat so, als würde er es nicht bemerken. Stattdessen richtete er sich erneut an die Zuschauer, die nun entweder gebannt schwiegen, oder leise panisch murmelten – oder war ich selbst das? Wie auch immer, ja, ich war einer Panik nahe. Ein Trick … klar, dieser Orlando wollte einen Trick anwenden. Aber war es nicht sinnvoll, diesen Trick seinem Assistenten auch mitzuteilen? Oder ging er etwa davon aus, dass ich schon wüsste, wie ich dem Flammeninferno, das er für mich geplant hatte, entkommen könnte? Weiß ein Normalsterblicher so etwas für gewöhnlich, und nur ich war nicht im Bilde? Klar, der Käfig musste eine verborgene Fluchtmöglichkeit haben. Vielleicht eine Art Falltür? Oder waren die Stäbe doch gar nicht so stabil, wie sie den Anschein machten? Möglicherweise waren ein paar von ihnen nur Attrappen. Aber woher sollte ich wissen, welche? Um so etwas herauszufinden – wenn man es denn nicht zuvor gesagt bekommt – benötigt man immerhin ein wenig Zeit. Und Zeit war genau das, was mir dieser verfluchte Magier-Typ nicht gab. Denn ehe ich mich versah, hatte er eine Fackel geholt, die er mit einem Grinsen in Richtung Publikum anzündete, und bereits im nächsten Moment an den Stoff hielt, der den Käfig bis gut zur Hälfte bedeckte. In Nu loderten Flammen in die Höhe und hüllten den Käfig ein, in dem ich gefesselt auf meinen überaus schmerzvollen Tod wartete. Echt ein toller Trick – Ich begann aus Leibeskräften zu schreien.

»Nicht so laut! Mir tut immer noch der Kopf weh. Ein bisschen Rücksicht könnte ja wohl echt nicht schaden. Immerhin habe ich bei meinem Sturz sogar meine Nüsse eingebüßt.«

Ich riss die Augen auf, die ich in Panik zusammengekniffen hatte. Da war ein Eichhörnchen. Es sah mich an – und witzigerweise hatte ich echt den Eindruck, die Stimme wäre von ihm gekommen. Was hatte das Tier denn da Weißes am Kopf? Einen Verband? Mit einer Pfote berührte es die Stelle, wo sein Ohr unter dem Stoff verschwand, und diesmal sah ich ganz deutlich, dass es seinen Mund bewegte, während ich hörte: »Guck doch nicht so! Diesmal hat's mich Kopf voran an einen Stamm gedonnert, dass mir Hören und Sehen verging. Orlando sagt, er konnte die Gehirnerschütterung auf Anhieb nicht komplett heilen. Aber mir geht’s schon besser. Ich sag Orlando, dass ich gleich gehe. Wo ist der überhaupt? Und was machst du hier?« Gute Frage für ein Eichhörnchen … und auch für mich! »Wo bin ich?«, fragte ich. Der Nager legte den Kopf ein wenig schief und fragte: »Bist du vielleicht auch gegen 'nen Baum gedonnert?«

»Nein«, erwiderte ich, dummerweise klang es eher wie eine Frage. »Ich … ich war in diesem Käfig. Gefesselt ... «, begann ich. Das Eichhörnchen hob abwehrend beide Pfoten. »Bitte verschone mich mit euren Sexspielchen. Ihr Menschen benehmt euch ja wie die Tiere, nur dass Tiere sich überhaupt nicht so benehmen. Aber jetzt fällt's mir ein. Du bist dieser Fips, von dem Orlando nur noch spricht. Wenn du mich fragst, klingt dein Name, als müsstest du eigentlich auch ein Eichhörnchen sein. Ich meine, welcher Mensch hat schon so einen Eichkaternamen?«

»Und welches Eichhörnchen kann schon sprechen?«, konterte ich. Nun blickte der Nager mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Na, hier in der Magier-Welt kann jedes Tier sprechen. In deiner Welt übrigens auch, nur dass ihr halt zu dumm seid, sie zu verstehen, du Mensch, du!« Es sollte wie eine Beleidigung klingen, da war ich mir sicher. Ich wollte jedoch nicht schmollen, weil ich sonst nichts mehr erfahren hätte – und das schien mir aufgrund der Situation ultimativ wichtig zu sein. »Und wieso kann ich dich hier verstehen? In der … Magier … Welt?«

»Weil das hier normal ist«, lautete die Erklärung des augenverdrehenden Hörnchens.

»Okay, angenommen ich würde dir glauben, dass es so eine Welt wirklich gibt – wovon ich derzeit ausgehe, weil ich mit einem Eichhörnchen spreche. Wie komme ich überhaupt hierhe...«

Ich hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da umfing mich beißender Rauchgeruch. Er war so intensiv, dass ich wenig wankte. Aber ich stand auf meinen eigenen Beinen neben dem Käfig, in den mich Orlando Vine irgendwann vor diesem Laber-Eichhörnchen-Wahn gepackt hatte. Der Magier griff mein Handgelenk, das ein wenig wundgescheuert war, und hob meinen Arm in einer Siegesgeste. Das Publikum johlte, pfiff und klatschte Beifall.

»Vielen Dank an diesen mutigen jungen Mann!«, rief Orlando. Er ließ meinen Arm wieder sinken und blickte mir direkt in die Augen. Das hatte er schon einmal getan, aber es war nicht neben, sondern in dem Käfig gewesen – schoss es mir durch den Kopf. Und plötzlich wusste ich ganz kurz wie sein Kuss schmeckte, obwohl er nun seinen Blick von mir abwandte und auf die Treppe deutete, die mich von der Bühne führen würde. Mit zittrigen Knien stieg ich die Stufen hinab. Als ich unten war, fuhr der Magier mit seinem Programm fort. Der Käfig war an den Bühnenrand geschoben worden. Die Fesseln hingen darin wie seltsame Wesen, die nach mir riefen. Die Stofflappen waren verkohlt, und ich fragte mich, was eigentlich geschehen war. Wie war ich da rausgekommen? Warum hatte ich auf einmal neben dem Käfig gestanden? Aber viel wichtiger noch: War ich zuvor wirklich in einer Magier-Welt gewesen und hatte eine Konversation mit einem Eichhörnchen geführt? Ich rieb mir die Stirn und schlurfte zu meinem Platz zurück. Jetzt verfolgten mich nur noch wenige mit ihrem Blick, denn Orlando ließ auf der Bühne gerade zwei Tücher durch die Luft schweben, die sich miteinander verknoteten, ohne dass der Magier sie auch nur berührte. Dann lösten sie sich wieder wie von Zauberhand. Zauberhand … eine solche Hand hatte ich gespürt … an meiner Erektion … irgendwann … irgendwo. Fuck! Wo war nur ein Strauß Rosen, wenn man ihn dringend brauchte? Ich kam mir vor wie ein Teenager, als ich mich mit einem enormen Ständer auf meinen Stuhl bugsierte, ohne die Leute links und rechts neben mir versehentlich zu berühren. Irgendwas hatte dieser Kerl mit mir gemacht. Und das war weit mehr, als mich in einem Käfig zu flambieren, ohne dass ich auch nur das Geringste davon mitbekommen hatte. Der Typ war in meinen Geist eingedrungen. Und er sorgte dafür, dass ich ständig geil wurde. Unangenehm … und zugleich ungeheuer aufregend!

»Wie sind Sie da rausgekommen?«, fragte die Frau zu meiner Rechten. Ich sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung«, gab ich zu. Die Frau schien mir nicht zu glauben. »Sie stecken mit dem unter einer Decke.«

Tat ich das? Steckte ich mit Orlando sprichwörtlich unter einer Decke? Oder sogar ganz real? Als sie ihre Worte sprach, konnte ich nämlich seinen Körper spüren, der sich unter einer Bettdecke an meinen schmiegte. »Ich … nein, tue ich nicht«, widersprach ich.

»Dann hat der Kerl echt was drauf. Ich meine, wir konnten ja die ganze Zeit über Ihren Kopf sehen. Das Feuer hätte Ihnen zumindest ein paar deftige Verbrennungen zufügen müssen. Und dann sind Sie plötzlich da raus und stehen von einer Sekunde zur anderen neben dem Käfig, während im gleichen Moment das Feuer verlischt, als hätte es ein Riese ausgepustet.« Klar, warum sollte es nicht genau so gewesen sein? Wenn Eichhörnchen sprechen konnten, dann konnten unsichtbare Riesen bestimmt auch ein Feuer auspusten. Ich unterließ es jedoch, der Frau genau das zu sagen, stattdessen schwieg ich nun vorsichtshalber. Sie schnaubte, weil sie wohl immer noch glaubte, ich wäre in alles eingeweiht. Ich spürte, dass der Rauch meine Nase gereizt hatte und griff in meine Hose, um ein Taschentuch hervorzuholen. Zu fassen bekam ich außerdem noch einen Zettel, von dem ich nicht wusste, wie er dort hineingekommen war. Ich putzte mir die Nase, dann entfaltete ich das Papier. Darauf waren Worte in einer mir unbekannten Handschrift zu lesen: Komm nach der Show in meine Garderobe. Orlando.

Die Frau neben mir hatte den Zettel ebenfalls gelesen. »Lügner. Da sieht man doch eindeutig, wie gut Sie beide sich kennen«, zischte sie mir zu, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit trotzdem wieder Orlandos Zauberkünsten zu. Wie gut wir uns kennen … Seine Hand an meinem Penis, seine Lippen auf meinem Mund, sein Körper mit mir gemeinsam unter der Decke – aber verdammt nochmal, ich kannte ihn doch gar nicht!

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752136234
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
erotik magie fantasy lovestory schwul liebe zeitreise gay Fantasy Humor Erotik Erotischer Liebesroman Liebesroman

Autor

  • Wolf Vierblatt (Autor:in)

Wolf Vierblatt ist in den besten Jahren, also zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Und wenn es nach ihm geht, wird sich das auch niemals ändern. Aus diesem Grunde arbeitet er in seiner Freizeit an einer Zeitmaschine – bislang mit wenig Erfolg.
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Titel: It's magic