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Crazy desire

Liebesrausch auf Sylt

von Kerry Greine (Autor:in) Ben Bertram (Autor:in)
64 Seiten

Zusammenfassung

Seitdem Tinka den Barkeeper Malte auf einer Abschiedsfeier kennenlernte, geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf! Fast jeden Abend geht sie auf die Strandpromenade und sucht sich in der Bar einen ruhigen Platz, um ihn zumindest sehen zu können. Ihre erotischen Fantasien fordern mehr, ihr Herz sehnt sich nach seiner Nähe. Doch ihr Verstand sagt ihr, dass ein Barkeeper wie Malte nichts für sie ist, hat er doch sicher an jedem Finger gleich mehrere Frauen hängen. Ein solcher Mann passt nicht in ihr Leben – viel zu groß ist ihre Angst, verletzt zu werden. Als er jedoch völlig überraschend als Patient in ihrer Praxis auftaucht, kann Tinka sich nicht länger von ihm fernhalten. Obwohl ihr Kopf protestiert, folgt sie ihrem Herzen und lässt sich auf das Abenteuer mit ihm ein. Schon bald wird ihr klar – Malte ist genau so, wie sie es vermutet hatte ... Oder etwa doch nicht? Hatten ihr lediglich ihre Ängste einen Streich gespielt?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Fantasie

Während ich Laken und Handtücher aus der Waschmaschine holte und in den Trockner stopfte, dachte ich darüber nach, ob ich noch etwas in der Praxis zu tun hatte, bevor ich endlich in den Feierabend starten konnte. Doch mir fiel nichts weiter ein, außer dass ich bei der Bank und der Post vorbeigehen musste, um etwas abzugeben.

Als ich das Licht in den Praxisräumen löschte und mich auf den Weg nach draußen machte, lächelte ich. Wieder einmal stellte ich fest, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, hier auf Sylt diese kleine Physiotherapiepraxis zu kaufen. Ein halbes Jahr war es mittlerweile her, dass ich von Passau hierher gezogen war. Meine Bekannten dort hatten mich für verrückt erklärt, doch es stellte sich heraus, dass es die beste Entscheidung war, die ich hatte treffen können. Bis zu diesem Tag hatte ich das Meer nur von Bildern gekannt, hatte es noch nie live gesehen, aber es war trotzdem schon immer mein großer Traum gewesen, irgendwann am Meer zu leben. Als ich im Internet die Anzeige gelesen habe, dass diese kleine Praxis zu verkaufen war, hatte ich nicht lange gezögert und zugeschlagen.

Das Angebot kam einfach zur richtigen Zeit. Zu einer Zeit, in der ich beschlossen hatte, mein Leben von Grund auf zu ändern. Ich hatte genug Geld, die Praxis zu kaufen, da ich durch den Tod meiner Eltern einiges geerbt hatte. Sie waren ums Leben gekommen, als ich noch ein Kind gewesen war, und hatten mir damals einiges hinterlassen. Ich fand, ich war mit meinen 26 Jahren im richtigen Alter, mich selbstständig zu machen, und nutzte deshalb mein Erbe dafür, mir diese Praxis zu kaufen. So packte ich ein paar Wochen später meine Sachen und zog auf diese wunderschöne Insel in der Nordsee.

Nachdem ich bei der Post und der Bank gewesen war und somit alles für den heutigen Tag erledigt hatte, beschloss ich, auf der Promenade bei Gosch noch ein Bier trinken zu gehen. Zu Hause erwartete mich keiner, da ich Single war und allein lebte, deshalb wollte ich den Rest des Tages mit Aussicht auf das Meer genießen und ein wenig die Leute beobachten.

Na gut, „die Leute“ war vielleicht etwas übertrieben. Vor allem hoffte ich, eine ganz bestimmte Person dort zu sehen. Den gut aussehenden Kellner, den alle nur den „Wiener“ nannten. Ich hatte keine Ahnung, wie er mit richtigem Namen hieß, und ich wusste auch nicht, wie alt er war. Es war schwer zu schätzen, aber ich vermutete, er musste ungefähr Ende zwanzig sein und somit zwei, drei Jahre älter als ich. Vor ein paar Wochen hatte ich ihn kennengelernt, als meine beste Freundin Smilla die Insel für einige Monate verlassen wollte. Wir hatten uns hier zum Abschied getroffen und gemeinsam mit ihrem Freund Jonas und dem Wiener eine Flasche Prosecco geleert.

Bereits an diesem Abend hatte mich irgendetwas an ihm angesprochen, was ich nicht einordnen konnte. Ob es dieses Selbstbewusstsein war, das er ausstrahlte? Er hatte ein Auftreten, als würde er komplett in sich ruhen. Als könnte ihn nichts und niemand so leicht aus der Fassung bringen. Oder war es doch eher die wirklich heiße Optik? Er war mehr als einfach nur nett anzusehen. Das Tragen der schweren Tabletts in seinem Job hatte seinen Oberkörper geformt. Sein kurzärmeliges Shirt spannte um seinen ausgeprägten Bizeps und die breite Brust. Was auch immer es war, das mich so an ihm faszinierte, seit diesem Tag war ich häufiger Gast des Goschs an der Promenade. Mittlerweile war es zu meinem Stammlokal geworden, wenn ich abends nach Feierabend noch ein Bier trinken ging.

Nein, ich wollte nichts mit ihm anfangen, ich wollte mir nur etwas fürs Auge gönnen. Ich machte mir keinerlei Illusionen. Ein Typ wie der Wiener, der den ganzen Tag von willigen weiblichen Urlaubsgästen umgarnt wurde, war bestimmt nicht die Art Mann, mit dem ich was anfangen würde. Davon hatte ich genug. Ich hatte in meinem Leben viel zu viele gefühllose Affären gehabt, mit so etwas hatte ich abgeschlossen. Ich war einfach satt. Wenn ich mich wieder auf einen Mann einließ, sollte es was Festes sein. Trotzdem holte ich mir gern Appetit, regte meine Fantasie an. Doch im Bett war mein kleiner elektrischer Freund alles, was ich brauchte und wollte.

Da es heute Abend schon recht kühl war, suchte ich mir einen Platz im Innenbereich. Am Fenster war noch ein Barhocker am Tresen frei, von dem aus ich aufs Meer schauen konnte. Nachdem ich bei einer Bedienung ein großes Bier bestellt hatte, ließ ich meinen Blick unauffällig schweifen. Der Wiener hatte heute Abend anscheinend keinen Dienst, zumindest konnte ich ihn nirgends entdecken. Schade, ich hatte mich schon darauf gefreut, ihn zu sehen. Aber gut, ich wusste auch so, wie er aussah. Die Bilder seiner wasserblauen Augen, die im Kontrast zu seinen fast schwarzen Haaren schier leuchteten, konnte ich mir jederzeit wieder ins Gedächtnis rufen.

Während ich an meinem Bier, das mir die Bedienung bereits gebracht hatte, nippte, ließ ich meinen Blick über die Promenade schweifen. Es waren nicht mehr viele Menschen unterwegs. Der Sommer war fast vorbei und jetzt, Ende August, leerte sich die Insel, bevor in ein paar Wochen zum Surf-World-Cup die Horden wieder einfallen würden. Ich hatte es selbst noch nicht erlebt, was hier beim legendären Surf-Cup los war, aber einige meiner Patienten hatten mir erzählt, dass diese Zeit jetzt wie ein Aufatmen war. Die Ruhe vor dem Sturm.

Die Tür der Kneipe öffnete sich und ein lautes Lachen ließ mich aufhorchen. Schnell schaute ich mich um – dieses Lachen kannte ich doch. Ich hatte richtig gehört, der Wiener hatte, zusammen mit zwei Frauen und einem weiteren Mann, das Lokal betreten und steuerte einen Tisch in einer ruhigen Ecke an. Im Vorbeigehen lächelte er mir strahlend zu und sofort spürte ich ein Kribbeln in meinem Unterleib. Das war es, was ich wollte. Diese Art von Appetit, die ich nachher in meinem Bett ausleben würde.

Während ich mein Bier austrank, beobachtete ich die kleine Gruppe aus dem Augenwinkel. Auf diese Entfernung sah es für mich aus, als würden die beiden Männer mit den Frauen flirten. Die Damen schienen diese Aufmerksamkeit zu genießen. Immer wieder warf die eine ihr Haar zurück und spielte mit den langen Strähnen, während die andere sich tief über den Tisch beugte und ihr mächtiges Dekolleté präsentierte. Künstliches Gelächter drang an mein Ohr, und ich sah, wie die eine dem Kumpel vom Wiener die Hand auf den Arm legte und sanft mit den Fingerspitzen darüber strich.

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Waren wirklich alle Männer so einfach gestrickt? Ein halbes Kilo Farbe ins Gesicht, freizügige Kleidung, dicke Möpse und schon fingen sie an zu sabbern und verwandelten sich in formbare Knetmännchen. Lange genug hatte ich diese Spielchen selbst gespielt, hatte die Männer, die ich wollte, einfach um den Finger gewickelt. Doch diese Zeiten waren für mich vorbei. Ich wollte keine Unverbindlichkeiten mehr, wollte nicht mehr eine unter vielen sein.

Ja, genau das war es, weshalb der Wiener für mich tabu war. Er war bestimmt der Typ Mann, bei dem man sich nie sicher sein konnte, mit wie vielen Frauen er es trieb. Ich konnte ihn ja irgendwie verstehen. Fast das ganze Jahr über waren auf dieser Insel Touristinnen unterwegs, die ein kleines Urlaubsabenteuer suchten, und wer wäre dafür besser geeignet als ein gut aussehender Kellner mit einem Traumkörper? Die Angebote, die er wöchentlich bekam, mussten im zweistelligen Bereich liegen. Welcher Mann konnte da schon widerstehen?

Dennoch ließ mich der Gedanke, wie er wohl nackt aussah, nicht los. Dieses Lachen, die strahlenden Augen, der wohltrainierte Körper, die starken Arme. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn er mich auf seine Arme hob. Wenn er über mir war und sich in mir versenkte.

Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, als sich das Kribbeln in meinem Bauch und zwischen meinen Beinen bei meinen Gedanken verstärkte. Schnell trank ich mein Bier aus und machte mich auf den Weg in meine kleine Wohnung.

Kaum angekommen, ging ich als Erstes unter die Dusche. Noch immer hatte ich das Bild vor Augen, wie der Wiener mich beim Reinkommen so strahlend angelächelt hatte, sah das Blitzen in seinen Augen, und bei dem Gedanken daran spürte ich wieder dieses Kribbeln. Wie von selbst fuhr meine Hand zwischen meine Beine, während ich mit geschlossenen Augen unter dem Wasserstrahl stand. Ich fühlte eine Feuchtigkeit, die nicht vom Wasser der Dusche kam, und biss mir von innen auf die Wange.

Ich wollte nicht warten, bis ich mit meinem elektrischen Freund im Bett lag, dafür war ich bereits jetzt viel zu heiß. Ich griff nach dem Duschkopf und ließ den harten Wasserstrahl langsam über meinen Körper gleiten. Meine Brustwarzen richteten sich steil auf, als das Wasser darüber lief, und das Kribbeln verstärkte sich. Ich wusste jetzt schon, lange würde ich nicht brauchen. Als der Strahl auf meine empfindlichste Stelle traf, schoss die Erregung wie ein Pfeil in meinen Bauch. Ja, das war es! Ich stellte mir vor, dass seine Finger es wären, die mich verwöhnten, seine Zunge, die an meiner Klitoris spielte. Ich öffnete die Beine ein wenig und lehnte mich gegen die kalten Fliesen hinter mir, während der Wasserstrahl meine Perle massierte. Nicht lange, da spürte ich, wie der Orgasmus mich überrollte, und ich kam laut stöhnend, das Bild von wasserblauen, blitzenden Augen in meinem Kopf.

Nach der Dusche ließ ich mich erschöpft, aber glücklich auf meine Couch fallen. Noch immer fühlte ich die Nachwehen meines Höhepunkts, und als ich an den Wiener dachte, kehrte das Kribbeln in meinen Unterleib zurück. Ja, ich mochte meine Fantasie! Auch wenn ich wusste, dass sie nie Realität werden würde. Dass ich Sex mit dem Wiener nie erleben würde.


Freier Tag

Klar mochte ich meine Cousine. Ansonsten hätte ich Sina und ihrer Freundin Karo ganz sicher nicht das Angebot gemacht, vom heutigen Donnerstag bis Sonntag bei mir zu übernachten. Allerdings hatte ich vor einigen Wochen, als ich die Zusage gegeben hatte, zwei Dinge nicht gewusst. Mein Dienstplan stand damals noch nicht, und somit hatte ich auch keine Ahnung, dass ich ausgerechnet heute an ihrem Ankunftstag einen meiner seltenen freien Tage hatte. Ich hätte diesen Tag sehr viel lieber für Ausschlafen, Sport und ein Sonnenbad am Strand genutzt, anstatt Sina bereits am frühen Morgen am Autozug in Empfang zu nehmen. Doch nicht nur der frühe Morgen passte mir nicht in den Kram. Noch schlimmer war, dass ich am heutigen Tag den Inselführer für die beiden jungen Hühner spielen musste. Ja, die zwei Schicksen waren schon eine Herausforderung für mich. Eine Herausforderung, da ich ihre Freundin bisher nicht kannte und sie am liebsten auch gar nicht kennengelernt hätte. Sie sah aus wie eine wandelnde Litfaßsäule mit ihrem viel zu dick aufgetragenen Make-up. An ihren Klamotten prankten in großen Lettern die derzeit angesagtesten Markenlabels. Noch dazu war sie einfach nur anstrengend und nervig. So nervig, dass ich am frühen Nachmittag Boje anrief und ihn zu uns bestellte. Ich hatte die Hoffnung, dass ich die beiden Mädels mit einer männlichen Verstärkung an meiner Seite etwas besser ertragen würde.

Als Boje in der Sansibar eintraf, hatte ich erst ein Bier, die Frauen allerdings schon zwei Erdbeerbowlen, getrunken. Während Sina noch fast nüchtern war, merkte man Karo die Drinks deutlich an.

„Essen hätte geholfen.“ Klar war ich genervt, hatte meinen schroffen Ton allerdings erst bemerkt, nachdem meine Cousine mir unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein verabreicht hatte. Ich quittierte ihn mit einem Achselzucken und freute mich darüber, dass Boje sich ab jetzt um Karo kümmerte.

Die beiden verstanden sich sofort, und ich war am Überlegen, ob es für oder doch eher gegen meinen Freund sprach. Vielleicht hatten mich aber auch nur die vorherigen Stunden geprägt, und ich sah das Verhalten von Karo daher kritischer, als es eigentlich war.

Auf der anderen Seite wusste ich von mir selbst, dass die Gefühle manchmal seltsame Wege gingen. Immerhin hing ich mit meinen Gedanken seit Wochen bei einer Frau, die ich gar nicht wirklich kannte, die mir aber dennoch unter die Haut gegangen war.

„Träumst du?“ Ich erschrak, als Sina mich aus meinen Gedanken riss.

„Nein. Ich genieße die Sonne.“ Den wahren Grund meiner geistigen Abwesenheit wollte ich meiner Cousine nicht auf die Nase binden.

„Die Sonne? Spinner! Du musst es mir ja nicht sagen.“ Zickig wäre die verniedlichte Variante vom Ton gewesen, in dem Sina mir antwortete.

„Geht’s noch? Was pampst du mich so an?“ Ich fand, dass ich diese Art keineswegs verdient hatte. Schließlich war ich noch immer dabei, meinen freien Tag für sie zu opfern.

„Schau selbst.“ Mit dem Zeigefinger der linken Hand deutete Sina gen Himmel und drehte sich anschließend, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zu ihrer Freundin und Boje um.

Erst jetzt erkannte ich die Wolken, die sich über die Sonne gelegt hatten. Wolkenwand passte besser, und es war sehr deutlich zu erkennen, dass die Sonne schon eine ganze Weile hinter dieser Wand versteckt sein musste. Da mein Cousinchen mir nun sowieso ihren kalten Rücken präsentierte, konnte ich mich auch wieder meinen Gedanken widmen. Schnell war ich erneut dort angelangt, wo Sina mich eben mit ihrer Frage herausgerissen hatte.

Diese Frau ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Zum ersten Mal gesehen hatte ich sie, als Jonas und Smilla ihren vorläufigen Abschied von Sylt gefeiert hatten. Dieser Abend, der mir so viel bedeutet hatte, da ich die beiden sehr schätze und sie nicht nur Gäste von mir, sondern mit der Zeit Freunde geworden waren. Mit Prosecco hatten wir an diesem Abend ihre Abfahrt und auch ihre Liebe gefeiert. Eine Liebe, wie ich sie noch niemals vorher erlebt hatte. Die Liebe hatte sie erneut zusammengeführt. Zum zweiten Mal hatten sie sich auf meiner Insel ineinander verliebt. Die Liebe hatte bewiesen, wie stark sie ist und dass sie sich nicht von einem Vergessen von ihrem Weg abbringen ließ. Smilla hatte Jonas vergessen. Nicht, weil sie ihn nicht mehr geliebt hatte, sondern weil sie ihn nicht mehr kannte. Von einem Moment auf den anderen war alles aus ihrem Gedächtnis verschwunden gewesen. Alle Schubladen waren verschlossen, und schuld daran war ein betrunkener Autofahrer, der sie umgefahren hatte.

Doch die Liebe war stärker, und seit diesem gemeinsamen Proseccoabend wusste ich, dass die Liebe das stärkste Gefühl der Welt war. Aber nicht nur das hatte ich durch Smilla und Jonas begriffen. Nein, seit diesem Abend wusste ich ebenfalls, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nie wahrhaftig geliebt hatte. Seit der Geschichte der beiden hatte ich einen Wunsch. Einen Wunsch? Nein, einen Traum! Auch ich wollte auf diese Art lieben dürfen und geliebt werden.

Frauengeschichten hatte ich viele. Bedingt durch meinen Job ergaben sich häufig Möglichkeiten für mich, die ich fast immer dankend angenommen hatte. Manchmal wurde aus einer Nacht sogar eine längere Zeit. Allerdings hatte ich inzwischen begriffen, dass all diese Affären nichts mit einer richtigen Beziehung, geschweige denn mit einer wirklichen Liebe zu tun hatten. Natürlich wusste ich, dass es keinen Sinn hatte, krampfhaft nach der Liebe zu suchen. Die Liebe musste mich finden. Allerdings nahm ich mir vor, der Liebe bei ihrer Suche nach mir behilflich zu sein.

Diese tolle Frau, die bei der Abschiedsfeier ebenfalls anwesend gewesen war, hatte es mir angetan. Mein Herz hatte es mir sofort durch heftiges Klopfen mitgeteilt. Allerdings wäre es mir auch sonst bewusst gewesen, da ich mich schon eine ganze Weile kannte. Sozusagen von meinem ersten Tag an, und daher verriet mir mein eigenes Verhalten, dass sie etwas ganz Besonderes für mich war. Ansonsten war ich ein Schnacker. Ich konnte nur selten meine häufig viel zu vorlaute Klappe halten. Bei den meisten Gesprächen übernahm ich ausgesprochen gerne die Rolle des Alleinunterhalters.

An diesem Abend war es nicht so gewesen. Fast schüchtern und verklemmt stand ich am Bistrotisch und suchte nach Worten. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie mein Blick durch die Gegend wanderte, anstatt auf meinen Gesprächspartner gerichtet zu sein. Auch wenn ich mich noch heute dafür in den Hintern beißen könnte, hatte ich keine Chance, es zu ändern.

In den letzten Wochen hatte ich die Frau meiner Begierde häufig, meistens zum Feierabendbier, bei uns sitzen sehen. Es wäre so einfach gewesen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Leider schaffte ich es nicht. Ganz im Gegenteil! Oftmals bat ich sogar einen Kollegen darum, ihre Bestellung aufzunehmen.

„So geht es nicht weiter. Gleich morgen werde ich es machen.“

Dass ich diesen Satz aussprach, anstatt ihn wie geplant nur zu denken, wurde mir erst bewusst, als Sina mich fragend ansah.

„Was willst du machen?“

„Nichts.“ Meine Antwort war kurz und knapp.

„Nichts ist ja wohl Quatsch.“

„Nichts, was dich etwas angeht. Besser?“ Sofort drehte meine Cousine ihren Kopf wieder zur Seite und spielte die beleidigte Leberwurst.

Als ich von der Toilette zurückkam, hatte ich einen freien Blick auf Karo und Boje, die nebeneinander auf der Holzbank gegenüber von Sina und mir saßen. Erst als ich einige Schritte näher an die beiden herankam, fand ich die Erklärung für seine verkrampfte Sitzhaltung und die merkwürdige Haltung seines Arms. Seine Hand befand sich in Karos Hose. Sie saß am vordersten Rand der Sitzfläche, um ihm den Zugang zu erleichtern. Ihr Becken hatte sie etwas vorgeschoben, damit Boje mit seiner Hand weit in ihre Hose hineingelangen konnte. Da er ein T-Shirt trug, waren deutlich die Bewegungen seiner Muskeln zu erkennen. Mal langsam, dann wieder ein wenig schneller, bewegte er seine Finger, und es gab keinerlei Zweifel daran, dass er gerade dabei war, Karo zu fingern.

Ihr Hinterteil begann nun auch, sich rhythmisch zu bewegen. Ob es außer mir noch jemand mitbekam, wusste ich nicht, und es war mir wahrscheinlich ebenso egal, wie es den beiden war. Als ich zurück zum Tisch kam, warf ich Sina einen Blick zu und fragte, ob wir neue Drinks holen wollten.

„Kannst du keine vier Gläser tragen?“ Erstaunt wurde ich von meiner Cousine angesehen. Klar hätte ich es gekonnt. Immerhin war es mein Job, andere Menschen mit Getränken zu versorgen. Ich fand nur, dass mein Freund ruhig noch ein wenig Zeit mit seinem Fingerspiel verbringen sollte und dass mein Cousinchen dabei nicht unbedingt am Tisch sitzen musste.

„Ich habe meinen freien Tag. Los komm und hilf mir tragen.“ Ohne weitere Diskussion stand Sina auf und folgte mir, was mich selbst etwas überraschte.

Vom Tresen aus konnte ich erkennen, dass die beiden inzwischen eine andere Sitzhaltung eingenommen hatten. Sie waren nicht nur näher zusammengerückt, sondern hatten nun auch jeweils die Hand des anderen in der Hose. Die Bewegungen wurden schneller und teilweise zuckten ihre Körper. Wahrscheinlich vor Geilheit oder weil sie gekommen waren.

Erst als sie wieder etwas weiter auseinandergerutscht waren und ihr Spielchen mit einem Zungenkuss besiegelt hatten, kehrten wir zurück. Ob andere Gäste ihr Tun ebenfalls mitbekommen hatten, wusste ich noch immer nicht. Allerdings wurde an den anderen Tischen weder getuschelt noch wurden Blicke zu unserem Tisch hinübergeworfen.

„Auf euch. Liebt das Leben“, sagte ich und wurde dafür von Sina erstaunt und von Boje verschmitzt angesehen. Karo hingegen zog es vor, mir keinen Blick zu schenken.

Erst am frühen Abend kamen wir wieder in Westerland an. Alle meine Versuche, die drei loszuwerden, funktionierten leider nicht. Nur zu gerne wäre ich alleine auf die Promenade, zu meinem Arbeitsplatz gegangen. Auch wenn ich freihatte und an diesen Tagen normalerweise einen Bogen um meine Arbeit machte, zog es mich heute hierher. Ich hoffte, diese wunderschöne Frau zu sehen. Sie heimlich beobachten zu können und dabei ihren Anblick zu genießen. Es war eindeutig so, dass sie mich faszinierte, und vielleicht würde ich es sogar schaffen, endlich mit ihr zu reden. Ihr zumindest einen liebevollen Blick zu schenken.

Ich entdeckte sie sofort, und mein Herz begann, wie wild zu schlagen. Der Rhythmus wurde immer stärker, und als ich es tatsächlich hinbekam, sie anzusehen, drehte sie ihren Kopf zur Seite. Hatte sie etwa keinerlei Interesse an mir? Wollte sie wirklich nur den Blick auf das Meer genießen und war aus diesem Grund hier?

Schon ein kurzer Blick von ihr hätte mich glücklich gemacht. Irgendein kleines Zeichen, das mir andeutete, dass ich ihr nicht ganz egal war, wäre toll gewesen. Andererseits, warum sollte sie es machen? Bei ihr standen die Männer bestimmt Schlange. Weshalb sollte sie sich daher mit einer Bedienung abgeben? Sich auf jemanden einlassen, der auf das Trinkgeld der Menschen angewiesen war, mit denen sie ihre Zeit verbrachte? Trotzdem kam in diesem Augenblick nur eine Möglichkeit für mich in Betracht. Jetzt oder nie, dachte ich und ging zum Tresen, um zwei Biere zu holen. Mehr als ein NEIN konnte ich von ihr nicht als Antwort bekommen. Ja, jetzt war der Moment, um zu ihr zu gehen.

Die Biere standen bereits auf der Theke, als ich versuchte, mir die richtigen Worte in meinem Kopf zurechtzulegen. Noch einmal atmete ich tief durch. Dann griff ich nach den Gläsern und drehte mich herum. Mein Weg sollte mich zu ihr bringen. Ich wollte zu ihrem Platz gehen und von dort aus, nachdem wir zusammen angestoßen hatten, auf das Meer schauen.

Leider war sie nicht mehr da!


Pause

Der heutige Vormittag war besonders stressig gewesen. Nicht nur, dass sich seit sieben Uhr morgens ein Termin an den nächsten gereiht hatte, auch das Telefon hatte ununterbrochen geklingelt. Jedes Mal, wenn ich aus dem Behandlungsraum kam, blinkte mein Anrufbeantworter und zeigte mir mehrere neue Anrufe an. Die wenige Zeit, die mir zwischen den Terminen blieb, nutzte ich dazu, die Patienten zurückzurufen, die mir eine Nachricht hinterlassen hatten.

„Ich muss endlich diese Anzeige schalten!“, murmelte ich vor mich hin, während ich die nächste Nummer wählte. Als ich die Praxis übernommen hatte, wollte ich das Geld für eine zusätzliche Kraft einsparen und erst einmal schauen, wie es lief. Das war für den Anfang auch gut so gewesen, aber jetzt war es an der Zeit, mir Verstärkung zu suchen. Ich hatte hier vier Behandlungsräume, von denen ich nur zwei wirklich nutzte. Die anderen beiden waren noch nicht eingerichtet, bis auf ein paar Kartons, die ich dort zwischengelagert hatte. Ein wenig Angst hatte ich schon, mich so schnell bereits zu vergrößern, doch allein konnte ich die Arbeit kaum noch schaffen.

Anscheinend hatte ich mir im letzten halben Jahr einen guten Ruf erarbeitet, zumindest kamen immer mehr Anfragen nach Terminen. Erst mittags hatte ich eine Lücke in meinem Arbeitsplan. Eine Stunde Pause war es, die ich mir eigentlich gönnen wollte. Doch anstatt mir etwas zu essen zu holen, setzte ich meine Gedanken von eben als Erstes in die Tat um. Auf mehreren Online-Job-Seiten schaltete ich Anzeigen, dass ich einen weiteren Physiotherapeuten suchte. Ich hoffte, es würde sich schnell jemand melden, denn wenn ich mir den Kalender für die nächsten Wochen so anschaute, würde sich der Stress so bald nicht legen. Kaum eine Lücke war noch zu finden, der Anrufersturm heute Vormittag hatte mich den Großteil meiner noch freien Termine gekostet. Maximal zwei oder drei weitere Patienten konnte ich in den nächsten vier Wochen unterbringen.

Nachdem ich mit meinen Anzeigen fertig war, schaute ich auf die Uhr. Eine halbe Stunde blieb mir noch, bis der nächste Termin anstand. Kurz überlegte ich, dann holte ich meine Jeansjacke, schloss die Praxis ab und ging los. Zum Mittagessen musste ein Fischbrötchen von Gosch reichen, mehr Zeit blieb heute nicht. Obwohl der Laden an der Friedrichstraße die größere Auswahl hatte, steuerte ich den Gosch auf der Promenade an. Wer weiß, vielleicht konnte ich ja einen Blick auf den Wiener werfen?

Je näher ich der Lokalität auf der Promenade kam, desto lauter schlug mein Herz. Ob er wohl da war? Gestern Abend hatte er freigehabt, musste er heute wieder arbeiten? Die Bilder, wie er da mit seinem Kumpel und den beiden Schicksen gesessen hatte, tauchten in meinem Kopf auf. Es war ein merkwürdiges Gefühl, das ich dabei verspürte. Ein Gefühl, das ich so noch nicht oft erlebt hatte und das ich gar nicht empfinden dürfte. Immerhin war er ein Fremder für mich.

Während ich Gosch schon von Weitem sehen konnte, dachte ich darüber nach, wie sein Abend wohl weitergegangen war. Vermutlich hatte er eine der beiden Damen mit nach Hause genommen. Oder war er eher mit zu ihr gegangen? Auf jeden Fall konnte ich mir kaum vorstellen, dass er sich nach einem Bier verabschiedet hatte.

Als ich mir am Tresen draußen mein Fischbrötchen holte, konnte ich ihn nicht entdecken. Na gut, vielleicht fing seine Schicht ja auch erst gegen Abend an. Mit dem Brötchen in der Hand ging ich weiter zum nächsten Strandabgang und setzte mich dort in den Sand. Die Möwen flogen kreischend über meinem Kopf, und ich musste aufpassen, dass sie mir mein Fischbrötchen nicht direkt aus der Hand klauten.

„Ich würde euch ja gern etwas abgeben, aber ich darf nicht“, sagte ich in Richtung zweier Möwen, die nur wenige Meter von meinen Füßen entfernt im Sand saßen. Möwen füttern war hier in Westerland strengstens verboten, dabei mochte ich die Vögel so sehr und hätte gern mein Mittagessen mit ihnen geteilt.

Nachdem ich aufgegessen hatte, machte ich mich auf den Rückweg zur Praxis. Gleich würde Thomas kommen, ein zehnjähriger Junge, der nach einem Autounfall bei mir in Behandlung war. Mein Weg führte mich wieder am Gosch an der Promenade vorbei, und erneut fing mein Herz an, schneller zu schlagen. Als ich noch vielleicht zehn Meter entfernt war, stockte ich. Der Wiener trat aus dem Lokal und schaute sich im Außenbereich um, ob es dort etwas für ihn zu tun gab. Dann machte er ein paar Schritte auf einen leeren Tisch zu und bückte sich. Langsam ging ich weiter und war mir nicht sicher, was ich mehr hoffen sollte. Dass er mich bemerkte? Oder dass ich ungesehen vorbeischleichen konnte?

Einerseits wollte ich, dass er mich wahrnahm. Immerhin war er bereits seit Wochen meine Lieblingsfantasie. Der Reiz, diese Fantasie nur ein einziges Mal ausleben zu können, war riesengroß, obwohl ich diese schnellen Nummern aus meinem Leben verbannt hatte. Trotzdem wollte ich wissen, wie es war, wenn er mich küsste. Wollte die Muskeln unter seiner glatten Haut fühlen. Wollte sehen, ob er nackt ebenso gut aussah wie angezogen. Allein beim Gedanken, wie es wohl sein könnte, wurde ich bereits wieder kribbelig. Wie konnte ein Mann nur so etwas in mir auslösen? Oder war ich einfach derart untervögelt? Ja, das war es bestimmt! Es lag nicht an ihm persönlich, mein letzter Sex war nur schon viel zu lange her.

Außerdem wusste ich doch genau, er war nicht der Typ Mann, den ich wollte. Ich wollte keine Nummer mehr sein, nicht irgendeine, die man flachlegte und danach vergaß.

Als ich auf seiner Höhe war, hing er noch immer kopfüber unter dem Tisch und rührte sich nicht. Es sah schon ein wenig merkwürdig aus, wie er da tief gebückt unter dem Tisch stand. Eine Hand hatte er auf den Oberschenkel gestützt, in der anderen, die bis auf den Boden hinunterhing, hatte er etwas Weißes. Es sah aus wie eine Serviette. Anscheinend sammelte er gerade den Müll auf, den die Gäste unter den Tisch hatten fallen lassen oder den der Wind dorthin geweht hatte. Die Tür hinter ihm schwang auf und ein Kollege trat heraus.

„Ach, da bist du! Ich suche dich schon drinnen. Kannst du mir mal eben helfen?“

Ich hörte, wie der Wiener etwas als Antwort murmelte, aber ich konnte ihn nicht verstehen, da er von mir abgewandt unter diesem Tisch hing. Ich hörte nur noch seinen Kollegen laut auflachen und sah, wie dieser ihm auf die Schulter schlug. Mein Handy klingelte, und während ich es aus meiner Tasche kramte, ging ich weiter.

„Smilla, Süße. Wie schön, von dir zu hören! Wie geht es dir?“, fragte ich, nachdem ich den Anruf entgegengenommen hatte.

„Sehr gut geht’s mir“, antwortete meine Freundin, und ich konnte an ihrer Stimme hören, dass sie die Wahrheit sagte. Sie klang so glücklich und ausgeglichen. Ich freute mich wahnsinnig, dass sie mit Jonas ihre absolut große Liebe gefunden hatte. Auch wenn ich sie hier auf der Insel wirklich sehr vermisste, ich wusste ja, es war nicht auf Dauer. Sobald sie in Hamburg alles geregelt hatte, würde sie zurück nach Sylt ziehen und hier mit ihrem Jonas leben. Ich freute mich bereits jetzt darauf, wenn sie endlich wieder hier war.

Ich war nie der Typ für eine beste Freundin gewesen. In meiner Kindheit war ich oft umgezogen, daher ergab sich nie die Gelegenheit, eine wirklich enge Freundschaft aufzubauen. Doch als ich Smilla hier auf Sylt kennengelernt hatte, spürte ich gleich, dass sie jemand ganz Besonderes war. Schon bald merkte ich, dass uns viel verband. Wir schwammen auf der gleichen Wellenlänge und uns war eines gemein. Wir waren einsam. Wir waren Heimatlose gewesen, als wir hergezogen waren. Und auch wenn wir beide hier eine Heimat gefunden hatten, fehlte uns der menschliche Anschluss. Ich hatte mit dem Aufbau der Praxis so viel zu tun, dass ich bisher noch keine Freunde gefunden hatte, und Smilla … Sie schaffte es nicht, Kontakte zu knüpfen aufgrund ihrer schweren Vergangenheit. Aber gleichzeitig belastete es sie – ebenso wie mich. So beschlossen wir, uns zusammenzuschließen, und waren schnell ein Herz und eine Seele.

„Ich glaube, ich habe gute Nachrichten für dich“, riss Smilla mich aus meinen Gedanken. „Wir kommen bald wieder nach Sylt. Ich konnte Jonas überzeugen, mit mir zum Surf-Cup zu fahren. Und danach sind es nur noch ein paar Wochen, dann ist schon der Umzug.“

„Oh, wie schön! Das sind wirklich großartige Neuigkeiten! Ich dachte, er wollte dieses Jahr nicht zum Surf-Cup, weil er befürchtet, die ganzen Menschenmassen könnten zu viel für dich sein. Wie konntest du ihn denn davon überzeugen?“ Ich lachte auf. Dadurch, dass Jonas und Smilla sich durch den Unfall beinahe verloren hatten, schien es mir manchmal, als würde er seine zukünftige Frau besonders beschützen und ein wenig in Watte packen.

„Na, schließlich haben wir uns ja ursprünglich einmal dort kennengelernt. Das muss doch gefeiert werden. Und wo sonst als direkt vor Ort.“

„Okay, stimmt. Das ist ein Argument!“

Ich sprach weiter mit meiner Freundin, bis ich meine Praxis erreicht hatte. Dann musste ich mich leider verabschieden, da Thomas gleich kommen würde. Aber es hatte gutgetan, mal wieder Smillas Stimme zu hören, und ich freute mich darauf, sie und Jonas demnächst wiederzusehen.

Als ich hinter den Empfangstresen trat, sah ich schon, dass das Lämpchen am Anrufbeantworter wieder blinkte. Seufzend hängte ich meine Jacke über den Stuhl. Hoffentlich kamen bald die ersten Bewerbungen!


Serviettentechnik

Ob ich heute Vormittag so genervt davon war, dass ich von einigen Frustbieren gestern einen dicken Kopf hatte? Oder lag es daran, dass meine Cousine und Karo fast meine komplette Wohnung in Beschlag genommen hatten? Ich wusste es nicht genau. Vielleicht war es aber auch der gestrige Abend. Ich war noch immer wütend darüber, dass ich bei …

Wie so oft, wenn ich an sie dachte, ärgerte ich mich, dass ich mir den Namen der tollen Frau nicht gemerkt hatte. Ich war am Abschiedsabend von Smilla und Jonas einfach zu aufgeregt gewesen.

„Wie konnte ich nur ihren Namen vergessen? Ich bin aber auch so ein Idiot“, schimpfte ich lauthals.

Wieder stieg diese Wut über mich selbst in mir auf, und ich war mir gerade nicht wirklich sicher, worüber ich in diesem Moment wütender war. War es der vergessene Name oder doch die Tatsache, dass ich für diese wunderschöne Frau keinen Spitznamen, sondern immer den Namen „Dings“ im Kopf hatte? Ich empfand es selbst als sonderbar, schaffte es aber leider nicht, mir einen schönen Namen für sie auszudenken. Alle Kosenamen waren mir entweder nicht passend genug oder mir fehlte der Bezug zu ihr. Was ja logisch war, da ich Dings leider nicht wirklich kannte.

Da war es wieder. Erneut hatte ich dieses Unwort in meinem Kopf. Wenn es so weiterginge, würde ich noch einen Antrag stellen, dass dieses Dings zum Unwort des Jahres gekürt werden musste. Sauer auf mich selbst machte ich mich auf den Weg auf die Promenade. Sonne und Meer würden mir jetzt sicher helfen, obwohl ich natürlich nur einen kurzen Blick darauf werfen durfte. Immerhin befand ich mich mitten in meiner Schicht, auch wenn bisher nicht viele Gäste da waren und ich mir daher diesen kurzen Moment erlauben konnte.

Tief atmete ich die raue Nordseeluft ein und lehnte mich gegen den
Eingangsbereich, um einen Augenblick zu verweilen. Nicht nur die Luft in meinen Lungen tat gut, auch das kurze Abstützen war eine Wohltat, da ich mein Kreuz von der letzten Nacht merkte. So wie es sich für einen Gentleman gehörte, hatte ich mein großes Bett den Mädels überlassen und mich auf die alte Schlafcouch verzogen. Auf die Couch, die ich schon längst hatte entsorgen wollen, wofür jedoch immer die Zeit gefehlt hatte.

Zeit ist Geld!

Ich lachte über meinen Gedanken und erwischte mich anschließend dabei, dass ich heimlich nach Dings Ausschau hielt.

Ohne sie entdeckt zu haben, wollte ich mich gerade umdrehen und mich auf den Weg zurück nach drinnen machen, als ich eine Bewegung wahrnahm. Schnell drehte ich mich wieder herum und ignorierte dabei das Zwicken, das sich mir in meinem Lendenbereich präsentierte.

Eine Serviette war es, die meine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Nicht, dass ich auf Servietten besonders stand. Allerdings war mir, so wie auch jedem meiner Kolleginnen und Kollegen, sehr wichtig, dass die Promenade nicht verunreinigt wurde. Nicht nur, weil wir unseren Restaurantbereich ordentlich halten wollten, sondern auch, weil unsere tolle Insel in einem sauberen Zustand einfach noch schöner war.

Unter einem der Tische lag das kleine Scheißerchen. Vermutlich glaubte es, dass es ein gutes Versteck gefunden hatte. Einen Platz, an den niemand ankommen würde und es so mit dem nächsten Windstoß bis an den Strand fliegen konnte.

„Nicht mit mir!“

An mein Grinsen und an diese drei Worte erinnerte ich mich auch noch zehn Minuten später.

Leider, denn ich ärgerte mich maßlos über mich selbst. Darüber, dass ich diese beknackte Serviette überhaupt gesehen hatte. Ja, sie war in der Hierarchie vom kleinen Scheißerchen aus um einige Plätze geklettert und hatte einen der ersten Ränge erreicht. Der Grund dafür war meine noch immer gebückte Haltung, die wiederum daran lag, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Unfähig und gefangen fühlte ich mich. Auch wenn ich, dank der Hilfe meines Kollegen Sven, inzwischen wieder unter dem Tisch hervorgekrochen war, und versuchte auf die Beine zu kommen.

„Das Alter?“ Sven grinste höhnisch, und wäre ich in diesem Moment nicht körperlich eingeschränkt gewesen, so hätte ich ihm sicher einen kleinen Schlag auf den Hinterkopf verpasst.

„Der Rücken!“ Im schroffen Ton sagte ich diese beiden Wörter.

„Also doch das Alter.“ Mein Blick genügte, um Sven zu einer abwehrenden Handbewegung zu bringen, der auch eine mündliche Entschuldigung folgte.

„War ja nicht so gemeint. Sorry! Kann ich was für dich tun?“

„Lass mal. Geht sch…“ Ein erneuter Schmerz schoss mir durch alle Glieder.

„Was geht? Lass dir helfen, Malte.“ Da Sven mich mit meinem richtigen Namen ansprach, musste die Situation wohl ziemlich dramatisch aussehen.

„Das geht schon. Was sollen die Leute denken, wenn du mich hier wie einen alten Mann stützt und über die Promenade schleifst?“ Ich versuchte, mich etwas gerader hinzustellen, und freute mich darüber, dass es mir sogar gelang.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752120394
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Sylt Kuss Liebe Urlaub Erotik Insel Liebesroman

Autoren

  • Kerry Greine (Autor:in)

  • Ben Bertram (Autor:in)

Ben Bertram ist ein Hamburger Jung. Er erblickte er das Licht der Welt und fand im Umgang mit Wort und Witz schnell ein Hobby, welches er pflegt. Er verbringt viel Zeit auf der Sylt, auf die er sich auch gerne zum Schreiben zurückzieht. Kerry Greine ist Autorin aus Leidenschaft. Sie ist eine Träumerin, Bloggerin, Tänzerin und emotionale Chaotin. Ein Dorfkind mit großer Liebe zu Hamburg. So viel Zeit wie möglich verbringt sie mit ihrer "Wauz" auf Sylt, denn im Herzen ist sie ein Inselkind.
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Titel: Crazy desire