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Das Aktionstablett-Buch

Intuitive Tabletts zum Entdecken, Spielen & Erforschen (1–6 Jahre)

von Tamara Karas (Autor:in)
220 Seiten

Zusammenfassung

Fühlen, tasten, sortieren, ordnen, auffüllen sind nur einige Dinge, die Kinder mit ihren Tabletts erleben werden. Sie können ihre Erfahrungen mit verschiedenen Materialien machen und dabei nicht nur den Umgang damit lernen, sondern vielmehr auch die damit zusammenhängende Aufgabe lösen. Ein Aktionstablett unterstützt ein Kind dabei, viele seiner wichtigen Fähigkeiten zu erkunden, zu erlernen und nicht zuletzt zu erweitern. Jedes Kind soll sich als eigenständiges Individuum erleben und seine Selbstwirksamkeit erfahren. Das und vieles mehr soll möglichst natürlich in den Alltag integriert werden, denn dort warten unaufhörlich neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Gerade deshalb benötigt jedes Kind ungestört Zeit und Raum, um sich mit den Gegebenheiten seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Kurz gesagt: Aktionstabletts sollen Kindern selbstbestimmtes Lernen ermöglichen und ihre Kenntnisse natürlich erweitern. Dabei werden ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände dazu verwendet, um den Kindern auf immer ungewöhnliche und interessante Art und Weise Neues beizubringen. Ein Tablett beinhaltet immer mindestens eine besondere Aktivität mit den jeweils dazugehörigen Materialien. Am Anfang unseres Buches beschäftigen wir uns mit der Frage, was ein Aktionstablett überhaupt ist, was es für Vorteile bietet und was es zu beachten gilt. Anschließend gehen wir näher auf die Hintergründe rund um die Montessori-Pädagogik und Maria Montessori ein und widmen uns unseren Sinnen, die bei Aktionstabletts eine elementare Rolle spielen. Nun geht es ans Eingemachte und wir beschreiben und erklären viele verschiedene Typen von Aktionstabletts nach Montessori, darunter unter anderem Modelle zur Förderung der Feinmotorik, der Sprache sowie des mathematischen Verständnisses und auch, wie man neue Tabletts entwickeln kann, um sein Kind optimal in seiner Entwicklung zu unterstützen und auch selbst ein noch größeres Verständnis für Aktionstabletts zu entwickeln. Insgesamt beinhaltet das Buch über 40 verschiedene, abwechslungsreiche Modelle für Kinder von 1-6 Jahren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

In der heutigen Zeit wird uns vieles von Computern und Maschinen abgenommen. Schweres heben, genaues Arbeiten und eine Sammlung von schier endlosen Informationen sind nur wenige Dinge, die wir getrost auslagern können. Unser Leben ist angenehm, da all die Aufgaben, die wir ungern oder nicht machen wollen, auch von den kleinen technischen Helferlein erledigt werden können. Wer ein Problem hat, überlegt nicht mehr lange, wie man es lösen kann. Warum soll man denn seinen Kopf anstrengen, wenn man Google „fragen“ kann? Aber es geht noch extremer, so ist es auch bestimmt angenehm, wenn einem der Kühlschrank eine Nachricht schickt, dass man noch Milch kaufen soll, oder diese gegebenenfalls selbstständig bei einem Lieferanten nachbestellt und dann frei Haus geliefert wird.

Aber genau das ist das Problem, wir werden immer bequemer und lassen uns Dinge abnehmen, die wir eigentlich selbst können.

Unsere Kinder imitieren uns. Sie schauen sich genau an, wie macht Mama das? Was tut Papa da? Aber was ist, wenn Mama und Papa eben nicht mehr ihren eigenen Kopf anstrengen, sondern sich einfach ein Tutorial auf YouTube ansehen? Wie sollen Kinder dann lernen, sich selbst Gedanken zu machen und alleine eine Lösung zu finden? Wie sollen sie selbstbestimmte Erwachsene werden, wenn sie nicht von klein auf lernen sich selbst anzustrengen und zu bemühen?

Diese elementaren Fähigkeiten gehen dann einfach verloren, wo sie doch für ihre Zukunft so wichtig sind.

Diesen Trend kann man heute leider immer mehr beobachten. Gerade deshalb sind Aktionstabletts heute wichtiger als jemals zuvor.

Unsere Kinder in ihrer Entwicklung zu beobachten, jeden ihrer Schritte wertzuschätzen und sie dabei unterstützend zu begleiten, ihre jeweiligen Bedürfnisse und Interessen anzunehmen und zu selektieren – darauf basiert die Aufgabe der Eltern. Ihnen eine Umgebung zu schaffen, in der sie selbstständig mit ihren Materialien und Spielsachen agieren dürfen ohne Intervention der Eltern. Spielen und lernen nach ihren eigenen Bedürfnissen, Fähigkeiten und entsprechend der jeweiligen Interessen. Eine solche Umgebung bietet die optimalen Voraussetzungen für die individuelle Entwicklung des Kindes und damit auch für ein sinnvolles Lernen.

Doch wie kann man – wie kannst du das im Alltag, der oft mit Stress und Hektik verbunden ist, mit wenig Aufwand schaffen?

Eine mögliche Antwort darauf ist die besondere Pädagogik von Maria Montessori. Ihre von Individualität geprägte Sichtweise handelt immer nach ihrem Leitspruch: „Hilf mir, es selbst zu tun“.

1. Was ist ein Aktionstablett

Fühlen, tasten, sortieren, ordnen, auffüllen sind nur einige Dinge, die Kinder mit ihren Tabletts erleben werden. Sie können ihre Erfahrungen mit verschiedenen Materialien machen und dabei nicht nur den Umgang damit lernen, sondern vielmehr auch die damit zusammenhängende Aufgabe lösen.

Ein Aktionstablett unterstützt ein Kind dabei, viele seiner wichtigen Fähigkeiten zu erkunden, zu erlernen und nicht zuletzt zu erweitern. Diese sind vor allem:

die Förderung der Motorik

die Erweiterung der Sprachkompetenz

das Verständnis für Mathematik, Physik, Farbenlehre

die Entwicklung eines Selbstkonzeptes, was Kinder alleine können und auf was sie Einfluss ausüben

die Entscheidungen können selbstständig getroffen werden

das nötige Lernen, um Probleme selbst zu bewältigen

die Förderung der Phantasie

die Freude an Bewegung

die spielerische Förderung der Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer

das Lernen, sich gezielt mit Dingen zu beschäftigen

das Lernen, wie Alltagsgegenstände gezielt richtig genutzt werden

Übungen für das praktische Leben

ein Verständnis für die Nachhaltigkeit von Materialien entwickeln

den Erfolg der eigenen Arbeit erleben

Jedes Kind soll sich als eigenständiges Individuum erleben und seine Selbstwirksamkeit erfahren. Das und vieles mehr soll möglichst natürlich in den Alltag integriert werden, denn dort warten unaufhörlich neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Gerade deshalb benötigt jedes Kind ungestört Zeit und Raum, um sich mit den Gegebenheiten seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Kurz gesagt: Aktionstabletts sollen Kindern selbstbestimmtes Lernen ermöglichen und ihre Kenntnisse natürlich erweitern.

Dabei werden ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände dazu verwendet, um den Kindern auf immer ungewöhnliche und interessante Art und Weise Neues beizubringen.

Ein Tablett beinhaltet immer mindestens eine besondere Aktivität mit den jeweils dazugehörigen Materialien.

Diese sind aus dem Alltag der Kinder herausgegriffen und sie haben nun die Möglichkeit, sich ganz intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Das Essentielle dabei ist jedoch, dass die Aufgaben immer selbsterklärend sein müssen.

Die ganz natürliche Freude daran, ständig Neues zu entdecken, wird dabei gefördert. Dazu ist es wichtig, dass die Kinder alleine und selbstständig mit dem Material hantieren dürfen und es so auch erfahren können.

Damit ist gemeint, dass die Tabletts auf mehrere Sinne einwirken. Deshalb trainieren sie sowohl die Fähigkeiten als auch die verschiedenen Fertigkeiten im Umgang mit Materialien.

Um dies zu gewährleisten, ist jedoch eines ganz elementar: der Beobachter! Damit ein Aktionstablett auch die Konzentration steigern oder mathematische Grundkenntnisse vermitteln kann, ist eine wohl überlegte Vorarbeit nötig.

Eltern, Erzieher, Pädagogen müssen die Kinder zuvor genau beobachten. Was macht ihnen Spaß? Was weckt ihr Interesse? Welche Neigungen haben sie von sich aus entwickelt? Mit welchen Herausforderungen kann man sie konfrontieren und auch locken?

Erst wenn all diese Fragen geklärt sind, kann man sich Gedanken über das „Wie“ machen.

2. Der Ursprung der Montessori-Pädagogik

Maria Montessori wurde 1870 in Italien in eine sehr christliche Familie hineingeboren. Sie war schon seit ihrer frühesten Jungendzeit sehr engagiert und kämpfte für die Persönlichkeitsrechte eines jeden Einzelnen, vor allem für die Frauenrechte. Darüber hinaus hatte sie bereits in ihrer Schulzeit eine sehr kritische Meinung über das gängige Schulsystem und die Lehrmethodik, welche die Pädagogen anwandten.

Nach ihrem Abschluss war sie nicht nur eine der ersten Frauen, welche das Medizinstudium mit einer Promotion abschlossen, sondern die erste in Italien.

Ihre Passion für die Entwicklungspsychologie fand sie schließlich in einer Psychiatrie für Kinder. Dort arbeitete sie zunächst als Assistenzärztin.

Sie war in dieser Zeit vor allem für die Arbeit mit den geistig behinderten und den „zurückgebliebenen“ Kindern zuständig. Diese Kinder wurden weitestgehend nur mit dem Nötigsten versorgt, bekamen aber ansonsten keinerlei Aufmerksamkeit. Da auch Montessori zu Beginn heillos überfordert war, begann sie sich intensiv mit verschiedenen, vor allem neueren Erziehungstheorien zu beschäftigen.

Sie gelangte schließlich zu dem Schluss, dass die bisherigen bekannten Methoden absolut fehl am Platz waren und offensichtlich nicht funktionierten. Es müsste einfach eine eigene Fachrichtung zum Unterrichten der geistig und psychisch behinderten Kinder geben.

Sie entschloss sich kurzerhand eigene pädagogische Materialien und Lehrmethoden zu entwickeln.

Auf einem Fachkongress wies sie ihre 3000 Kollegen darauf hin, dass diese Gruppe von Kindern nicht zu dumm oder unfähig zum Lernen ist, sondern einfach besondere Bedürfnisse hat. Sie benötigen eigene, speziell auf sie zugeschnittene Methoden, damit auch sie die Möglichkeit haben, zu lernen und sich zu entwickeln.

Schließlich übernahm sie die Leitung der Nationalen Liga für Erziehung, wo sie ihre Ideen im Bereich der Arbeit mit behinderten Kindern umsetzte. Auf diese Weise konnte sie alles Erlernte direkt an den Kindern ausprobieren und auf ihren Nutzen hin prüfen.

Sie passte ihre Materialien unaufhörlich an. Anhand von vielen Stunden der Beobachtung und der Analyse ihrer Erkenntnisse fing sie irgendwann an intuitiv auf das jeweilige Verhalten, welches die Kinder zeigten, zu reagieren. Mit Hilfe der Mischung aus ihrer extremen Genauigkeit und der starken Empathie gegenüber den einzelnen Kindern gelang es ihr schließlich, ihr Arbeitsmaterial perfekt an deren Bedürfnisse anzupassen. Dies war die Geburtsstunde der Montessori-Pädagogik und ihres besonderen Lernmaterials.

Nach mittlerweile über hundert Jahren der Montessori-Pädagogik ist diese längst über die Behindertenpädagogik hinausgewachsen. So hat diese seit langem Einzug in die Kindergärten und Schulen gefunden, wo sie als eigene Fachrichtung gilt. Aktuelle Forschungen belegen zudem, dass es egal ist, ob ein Kind besondere Bedürfnisse hat oder nicht. Diese spezielle Art des Lernens fördert jedes Kind.

2.1 Die Montessori-Pädagogik

Das Arbeiten nach der Montessori-Methode wird oft auch als eine ganz eigene Philosophie verstanden. In ihrem Zentrum steht immer das Kind und seine Individualität. Kinder gelten dabei als Baumeister ihres eigenen Selbst. Das bedeutet, dass sie nicht durch direkte Anleitung sowie Erklärungen lernen und verstehen, sondern auf Grund ihrer ureigenen Neugierde dazu angetrieben werden. Die Lehre fußt dabei auf zwei elementaren Pfeilern:

Der erste ist das Material.

Der zweite ist der Beobachter.

Dieser wird oft auch als Lehrender bezeichnet, wirkt aber im Grunde nicht aktiv auf das spielende Kind ein. Seine Aufgabe besteht darin, im Vorfeld den Entwicklungsstand des Kindes einzuschätzen. Er muss wissen, welche Dinge, Materialien, Bereiche oder Fragen das Kind zurzeit am meisten beschäftigen. Anhand dessen muss er dann das geeignete Thema des Tabletts finden und entsprechendes Material auswählen. Unter Zuhilfenahme geeigneter sprachlicher Techniken kann er dann den Lernprozess sogar noch weiter fördern.

Der Grundgedanke, der aber hinter jeder Technik nach Montessori steht, ist:

„Hilf mir, es selbst zu tun.“

Die sprachliche Technik, von der Montessori spricht, hat ihre ganz eigenen Tücken. Das wichtigste Element bei der Begleitung des Lernens ist, dass der Erwachsene das Kind nicht beeinflussen darf. Er soll auf keinen Fall werten, belohnen, korrigieren oder sogar bestrafen. Dieser für uns eher natürliche Sprachgebrauch, wenn man seinem Kind etwas beibringen möchte, läuft also komplett konträr zur Philosophie nach Montessori. Sie geht davon aus, dass ein jedes Kind nicht nur aus eigener Motivation heraus lernt, sondern vor allem deshalb, weil es am Leben der Erwachsenen teilhaben möchte.

Die Pädagogik von Montessori fokussiert sich also auf die Bedürfnisse, die Talente und ganz eigenen Begabungen der jeweiligen Kinder. Deshalb ist ein regulärer Unterricht mit entsprechendem Lehrstoff und einem vorgegebenen Rhythmus das komplette Gegenteil von Montessoris Vorstellung von Pädagogik. Sie geht davon aus, dass jedes Kind in seinem eigenen Rhythmus lernt und dazu seine eigenen Methoden nutzt.

Nach Montessori gibt es im Leben von Kindern immer wieder so genannte sensible Phasen, in denen sie besonders einfach neue Inhalte lernen. Sie umreißen jeweils einen bestimmten Lebensabschnitt, in welchem ein Kind etwas Bestimmtes lernen will, da es ganz besonders daran interessiert ist.

Folglich gilt es immer wieder abzuwarten, wann das Kind in seine nächste sensible Phase übergeht, um ihm dann wieder neue Anregungen zu bieten. Kinder werden von den Lehrenden also ermutigt das Thema und die Geschwindigkeit, in der sie lernen möchten, selbst anzupassen. Dazu gehört, dass sie so viele Wiederholungen einer Lektion machen können, wie sie benötigen. Jede Unterbrechung und jede Einwirkung von außen wird folglich als störender Faktor aufgefasst und behindert das Kind entsprechend in seiner natürlichen Entwicklung.

Die Freiarbeit bildet mit das Kernstück der Montessori-Pädagogik. Dein Kind kann selbst entscheiden, womit es sich befassen möchte.

Unter Berücksichtigung des besonderen Materials, der ansprechenden Darbietung der Angebote sowie der guten Beobachtung der Eltern wird das Kind schließlich dabei unterstützt, sich ein Angebot herauszusuchen.

Den Arbeitsrhythmus reguliert das Kind dann selbst, ebenso wie lange es sich mit etwas beschäftigt. Wenn man mehrere Kinder hat oder Freunde da sind, wird sich das Kind auch einen Spielkameraden aussuchen, sofern es mit einem Partner lernen, spielen bzw. arbeiten möchte.

Dadurch, dass sich die Kinder hierbei frei entscheiden können, üben sie eine unglaubliche Disziplin ein. Gerade weil der Wille zum Lernen vom Kind selbst herauskommt und nicht vorgegeben wird, wird das Kind ein Leben lang etwas davon haben. Wer jemals einen Montessori-Kindergarten oder eine -Schule besucht hat, wird wissen, wie ruhig und entspannt diese spezielle Methode sowohl für Kinder als auch Erzieher ist.

2.2 Die besonderen Montessori-Materialien

„Vom Greifen zum Begreifen – Vom Konkreten & Sinnlichen hin zum Abstrakten“

Die Entwicklung der Intelligenz fußt auf der Entwicklung der Wahrnehmung und somit auch auf der Verfeinerung der Sinne. Erst durch den Kontakt zu seiner Umwelt und deren Erforschung kann der Verstand funktionieren und Gedanken aufbauen. Eben dieser Kontakt wird mit Hilfe der Sinne hergestellt.

Maria Montessori benutzte ganz besondere Materialien. Diese fördern nicht nur die geistige Entwicklung der Kinder, sondern ermöglichen ihnen eine bestimmte Tätigkeit gleich mit mehreren Sinnen zu erfahren.

Weil Kinder selbstständig mit dem Material arbeiten können, benötigen sie auch keine Kontrolle von außen, sondern merken selbst, ob sie etwas Neues gelernt haben oder nicht. Auf diese Weise spricht es alle Sinne der Kinder an.

Dieser besonderen Eigenschaft verdankt das Arbeitsmaterial von Montessori den Namen „Sinnesmaterial“.

Dabei geht es insbesondere darum, dass das Material den Kindern dabei hilft, selbstständig neue Strukturen zu erkennen und zu begreifen. Durch diese Art des Lernens entsteht bei den Kindern eine neue Arte von Selbstwertgefühl. Denn sie bekommen nichts vorgestellt oder gezeigt, sondern können durch ihr ganz eigenes Handeln selbst eine Lösung und einen Handlungsweg finden. Diese Art der Beschäftigung eignet sich bereits bei Kindern ab dem ersten Lebensjahr. Sie fördert neben der Motorik auch die Koordination der eigenen Bewegungen sowie das Verständnis von Ordnung und Strukturen.

Montessori betont immer wieder, dass die Entwicklung der Wahrnehmung eng mit der Entwicklung der Intelligenz verbunden ist. Somit ist eine gezielte Förderung der Sinne und der gewonnenen Eindrücke ein wesentlicher Grundstein für eine gelungene Entwicklung des kindlichen Gehirns. Heutzutage können häufig die Sinne der Kinder durch die hoch technisierten Spielwaren nicht mehr richtig angesprochen werden. Diese Art des Spielzeugs sorgt dafür, dass sie reizüberflutet und sensorisch fast dauerhaft überfordert sind.

Deshalb ist das Material von Montessori vor allen Dingen eines: schlicht.

Darüber hinaus stellte sie aber noch ganz besondere grundlegende Regeln für ihr Material auf:

alles Material soll sich selbst erklären und auch möglichst nur einen einzigen Lehrinhalt vermitteln

es muss sehr robust und widerstandsfähig sein

alles soll aus natürlichem Material bestehen wie Holz, Metall oder Stoff

die farbige Gestaltung und die Handhabung muss absolut kindgerecht sein

soweit es möglich ist, sollen die Kinder ihre eigenen Werkstoffe selbst kontrollieren können

Montessori unterscheidet fünf Übungs- und Materialgruppen, welche zur Erziehung der Sinne besonders wichtig sind:

1. das mathematische Material

2. die Übungen des praktischen Lebens

3. das Sprachmaterial

4. das Sinnesmaterial

5. das kosmische Material

Diese sind nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt, was aber auch nicht immer notwendig ist. Sie können vermischt und auch übergeordnet benutzt werden, wodurch noch mehr Sinne gleichzeitig angesprochen werden.

3. Die Sinne nutzen

Die Sinne sind allen Menschen von Geburt an mitgegeben, einige von ihnen sind sogar schon im Mutterleib voll ausgebildet. Sie helfen den Menschen ihre Umwelt und sich selbst nicht nur kennen zu lernen, sondern auch zu erkunden und zu verstehen.

Gerade aus diesen Gründen ist es unerlässlich, dass sie immer weiter gefördert und trainiert werden. Ansonsten drohen sie nach und nach zu verkümmern.

Kinder entdecken ihre Welt zunächst wie selbstverständlich mit den Sinnen. Sie bedienen ihren schier unendlichen Forscherdrang, wodurch ihre von Geburt an vorhandene Motivation, etwas Neues zu lernen, immer weiter angefacht wird.

Unter Berücksichtigung der ästhetischen Erziehung entwickelte Montessori deshalb Arbeitsmaterial, welches alle Sinne der Kinder anspricht. Ästhetische Erfahrungen wirken auf ganz besondere Art auf das Denken der Kinder ein. Allen voran rufen sie Gefühle hervor. Lernerfahrungen, die mit Gefühlen eng verknüpft sind, können viel schneller verarbeitet werden, sie bleiben ganz anders im Gedächtnis verankert, weshalb sie auch im hohen Alter noch abgerufen werden können. Lernen mit Emotionen ist somit eine sehr effektive Methode, um Kindern das Lernen enorm zu erleichtern.

Ästhetische Erfahrungen erweitern darüber hinaus die Sinnlichkeit. Diese wiederum ermöglicht es, uns selbst, aber auch andere Menschen und deren Situationen besser wahrzunehmen. Dadurch kommt es zu einem Verständnis für deren bzw. ihre eigene Situation, wodurch dann die Empathie entsteht.

Darüber hinaus lösen Handlungen, welche mehrere Sinne gleichzeitig ansprechen, auch immer wieder neue Entwicklungsschritte bei Kindern aus. Deshalb ist die kontinuierlich anhaltende Förderung der Sinne auch ein wesentlicher Faktor bei der kindlichen Entwicklung.

Wenn etwas mehrere Sinne gleichzeitig anspricht, dann wird jeder einzelne betroffene Sinn weiter geschärft. Womöglich kann es zu einer Änderung des bisherigen Blickwinkels kommen, wodurch wiederum eine neue Art von Denken angeregt wird. Also beginnen die Kinder anders über etwas nachzudenken. Das wiederum regt ihre Selbstbildung bzw. Persönlichkeitsentwicklung an. Eine Technik, die im Übrigen auch bei Erwachsenen immer noch funktioniert.

Die Sinne sind also die Grundvoraussetzung dafür, dass sich ein Kind mit seiner Umwelt auseinandersetzen kann. Es beginnt sie aktiv wahrzunehmen.

Wir können sie im Grunde auch als Werkzeuge betrachten, die das Kind dabei unterstützen, sich mit seiner Umgebung auseinanderzusetzen und sie kennen zu lernen. Wahrnehmung ist jedoch immer subjektiv und Werkzeuge muss ein Kind erst einmal richtig nutzen können, damit es auch ein entsprechendes Ergebnis bekommt. Folglich sind zwar im Normalfall alle Sinne eines Kindes von Geburt an nutzbar, können jedoch, ohne entsprechendes Training, noch nicht zielgerichtet eingesetzt werden.

3.1 Die Sinne richtig ansprechen

Die Sinne werden am besten dann angesprochen, wenn etwas Erstaunliches, nicht Vorhersehbares bzw. für den Betrachter Unerwartetes passiert. Etwas, das seine bisherige Weltsicht verändert. Allgemein lässt sich also sagen, dass die Sinne dann aktiviert werden, wenn das Kind ins Staunen gerät. Das liegt daran, dass es dann die neuen Eindrücke besonders intensiv aufnimmt.

Diese Art der Sammlung von Erfahrungen bildet den wesentlichen Grundstein dafür, dass die Kinder ihre Welt wahrnehmen und auch begreifen können. Diesbezüglich müssen sie objektive Bewertungen verstehen lernen, damit sich ihr Urteilsvermögen auch entsprechend ausbilden kann. Das ist auch einer der Gründe dafür, weswegen diese Form der Erziehung in unserer medienfixierten Zeit eine enorme Herausforderung für alle Eltern darstellt. Die schier unendliche Flut an akustischen und optischen Reizen, denen die Kinder im Grunde permanent ausgesetzt sind, erschweren diesen Prozess ungemein. Deshalb ist es vor allem die Aufgabe der Eltern, diese Sinnesüberflutung auf ein normales und angemessenes Maß zu reduzieren.

Dafür ist es wichtig, die Sinne und ihre Sinnhaftigkeit besser zu verstehen.

3.2 Die Unterscheidung der Sinne

Generell werden die Sinne in Nah- und Fernsinne aufgeteilt. Zu den Nahsinnen bzw. körpernahen Sinnen zählen der Gleichgewichtssinn, der Tastsinn sowie der Muskel- und Gelenksinn. Die Fernsinne sind der Gehörsinn, der Sehsinn, der Geschmackssinn und der Geruchssinn.

Nach Montessori gibt es aber noch weitere Sinne. Demnach hat ein jeder Mensch auch einen Formen- und Figurensinn. Dieser zählt für sie zu einer Untergruppe des Sehsinnes. Er ist dafür zuständig, Formen zu unterscheiden und einzuordnen, deshalb macht er z.B. aus einem Parkplatz ein Rechteck, aus einem Hausdach ein Dreieck usw.

Der Gesichtssinn ist ebenfalls Teil des Sehsinns, dabei aber ausschließlich dafür zuständig, Farben und Dimensionen zu erkennen und zu deuten, also die Wahrnehmung eines dreidimensionalen Gegenstandes und seiner besonderen Farbgestaltung.

Gerade der Sehsinn wird bei den Kindern zuerst überlastet. Aufgrund der schier endlosen Masse an Bildern, die auf sie einströmen, müssen sie zunächst einmal lernen Wichtiges herauszufiltern. Bei Montessori hat dieser Sinn eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen. Denn er ist in erster Linie dazu da, die unterschiedlichen Dimensionen zu unterscheiden. Er kann jedoch im Gegensatz zum Gehörsinn leicht vor Überreizungen geschützt werden.

Das Gehör kann jedoch gerade beim Schließen der Augen besonders geschult werden, da es den Kindern so viel leichter fällt, sich auf ein bestimmtes Geräusch zu konzentrieren.

Nach Montessori kann der Gehörsinn jedoch nur in Zusammenhang mit Bewegung existieren, ohne Bewegung herrscht folglich Stille. Das liegt vor allem daran, dass sich fast alle Handlungen aus Tönen und Geräuschen ableiten lassen. Das Öffnen einer Türe, das Klappern der Kochtöpfe, das Bellen eines Hundes usw.

Der Geruchssinn ist auf die Wahrnehmung der Nase reduziert. Diese ist z.B. dafür zuständig zu wissen, ob ein Lebensmittel noch gut ist oder schon schlecht riecht.

In Kombination mit Zunge und Mund entsteht aus dem Geruchssinn der Geschmackssinn. Jeder Mensch hat zwar die gleichen körperlichen Ausbildungen, dennoch werden komplexe Geschmäcker wie Pizza, Salat, Soßen von jedem anders wahrgenommen und beschrieben.

Montessori hat dem Wissen um Gewicht und deren Unterscheidung einen eigenen Sinn, den Gewichtssinn zugeordnet. So kann jeder für sich selbst die Unterscheidung in schwer und leicht treffen. Er wird für die Messung und das Vergleichen von Gewichten benötigt.

Der stereognostische Sinn ist dafür zuständig, die durch den Gesichtssinn und den Formensinn erkannten geometrischen Figuren zu ertasten und zu erfassen. Es wird das Muskelgedächtnis angesprochen bzw. der Muskel- und Gelenksinn. Daher kann ein Grundriss selbst bei geschlossenen Augen problemlos ertastet werden und ein Bild entsteht vor dem inneren Auge.

Kinder lernen neue Dinge vor allem mit ihren Händen kennen. Sie ertasten sie, spüren die Oberflächen, die Größe, die Materialien mit den Händen und die Form wird so wahrgenommen. Der Tastsinn unterscheidet deshalb die Oberflächenstrukturen voneinander.

Der Wärmesinn nimmt, wie der Begriff schon sagt, Temperaturen wahr. Dieser Sinn hat sogar besondere Nervenzellen im Körper, die sogenannten Thermozellen, die jedem Menschen die Möglichkeit bieten, Temperaturen voneinander zu differenzieren.

Im Grunde ist es nicht wichtig, welche Sinne zuerst angesprochen werden oder welche Kombination von Sinneseindrücken du mit deinem Kind zuerst einübst. Wichtig ist allein, dass sie alle trainiert werden. Diesbezüglich hat Montessori ein ganz besonderes Gerät entwickelt, das Aktionstablett.

4. Lerntabletts nach Montessori

Wie jeder weiß, isst das Auge mit, neu für viele dürfte jedoch sein, dass das Auge auch mitspielt.

Zuallererst ist ein Aktionstablett eine Einladung an das Kind, es zu entdecken.

Dank einer geordneten und einladenden Präsentation des Materials werden Kinder sofort anfangen, damit zu spielen, ohne eine genaue Instruktion zu benötigen. Die Einladung, welche das Lernangebot mit sich bringt, spricht immer für sich.

Das Essentielle des Tabletts dabei ist die Anordnung des vorhandenen Materials. Denn nur wenn es korrekt angerichtet wurde, ist es dem Kind auch möglich, die Aufgabe zu verstehen. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob die Materialien auf einem Tablett, in einem Korb, einer Schüssel oder einem Eimer präsentiert werden. Das Wichtigste ist, dass sie einfach und vor allem übersichtlich geordnet sind.

Die individuelle Arbeit mit dem Tablett kann zu ganz verschiedenen Zeiten stattfinden. Als Eltern ist es natürlich einfacher, das Tablett entsprechend des Entwicklungsstandes ihres Kindes anzupassen. Erzieher müssen im Kopf haben, welches Kind gerade welcher Herausforderung gewachsen ist. Denn die Aufgaben müssen so gestellt sein, dass sie das Kind weder unter- noch überfordern, um ein optimales Lernergebnis zu erreichen.

Ein jedes Aktionstablett ist auch gleichermaßen mit einer Aufforderung zum Entdecken gleichzusetzen oder einem Rätsel mit einem Rahmen außen herum. Es ist gefüllt mit Materialien, die das Kind dabei fördern, das Kennenlernen und Erforschen der zurzeit interessanten Materialien und Handlungen zu vereinfachen.

Es soll den Kindern den letzten Anstoß zum Forschen geben. Die Tabletts fördern unterschiedliche Fähigkeiten bei den Kindern. Feinmotorik, Konzentration oder auch mathematische Grundkenntnisse können so spielerisch vermittelt werden.

Wichtig ist neben dem Kennenlernen des Materials aber auch, dass das Kind lernt eine Tätigkeit zu vollenden. Das bedeutet, dass die Utensilien nach dem Erforschen wieder genau so angeordnet werden müssen, wie sie das Kind zu Beginn vorgefunden hat. Es gibt ein paar Regeln, die du beim Aktionstablett als Erwachsener beachten musst, allen voran, dass du dein Kind während der Spielzeit mit dem Tablett nicht stören darfst, also auch nicht eingreifen oder helfen darfst. Denn bei einem richtig gestalteten Aktionstablett ist die Selbstkorrektur der Fehler inbegriffen. Das Aktionstablett soll dem Kind vermitteln, dass dies der eigene und geschützte Raum zum Spielen ist. Niemand außer dem Spieler wird hier tätig. Das ist der Grundstein dafür, dass auch Kinder die Grenzen der anderen respektieren lernen.

4.1 Das Aktionstablett möglichst effektiv nutzen

Wie bereits beschrieben geht Montessori davon aus, dass die Entwicklung eines jeden Kindes nach einem speziellen und vor allem individuellen inneren Plan verläuft. Dieser sollte von den Eltern und den Erziehern bestmöglich berücksichtigt und verfolgt werden. Denn in diesen so genannten sensiblen Phasen haben Kinder besonders großes Interesse daran, etwas Neues zu erlernen und ihre interkulturellen Erfahrungen zu erweitern. Das Besondere daran ist, dass sie dies in den sensiblen Phasen beinahe mühelos meistern.

In dieser Zeit ist es deshalb ganz natürlich, dass sie von bestimmten Bereichen in ihrer Umwelt absolut fasziniert sind und somit auch völlig von ihnen beansprucht werden.

Diese speziellen Phasen finden, nach Montessori, von der Geburt bis zum sechsten Lebensjahr statt. Die Ausbildung der Sprache fällt beispielsweise auf die sensible Phase in den ersten Lebensjahren, die Ausbildung der Sinne fällt ihrer Meinung nach in die ‚formative Periode‘. Sie umfasst in der Regel die Zeit vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr der Kinder. Das liegt daran, dass in dieser sensiblen Phase das körperliche und das geistige Wachstum enorm voranschreiten, weshalb der Lernerfolg in dieser Zeit am größten ist.

Die Eltern können ihr Kind in dieser Zeit nicht nur dadurch fördern, dass sie ihnen das bevorzugte Material zur Verfügung stellen, sondern auch darüber hinaus.

Gerade durch das gezielte Abstufen und Anpassen der äußeren Reize des Kindes kann es zunehmend in seiner Entwicklung gefördert werden. Denn in diesen Phasen unterliegen Kinder einem inneren Zwang, der sie dazu antreibt, ihre Aufmerksamkeit auf diesen einen bestimmten Aspekt zu legen.

Demzufolge ist das Timing und das Arbeitsmaterial ebenso wichtig wie eine entsprechende Umgebung. Die Eltern müssen also spezielle Rahmenbedingungen schaffen, in denen das Kind sich systematisch entwickeln kann. Denn ein Kind lernt nie so mühelos und effektiv wie in dieser Zeit.

Mittlerweile wurde auch nachgewiesen, dass, wenn eine sensible Phase nicht ausgenutzt wurde, um etwas Spezielles zu lernen, die Chance, sich dieses besondere Wissen anzueignen, verstrichen ist. Die benötigten Informationen kann sich das Kind zwar immer noch später holen, jedoch nicht ohne einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe.

Gerade aus diesem Grund ist es so bedeutungsvoll, dass diese sensiblen Phasen auch erkannt und entsprechend genutzt werden.

Deshalb ist es zunächst einmal wichtig, dass sich das Kind selbstbestimmt mit dem Tablett beschäftigen kann. Es soll die Möglichkeit haben, es sich dann zu holen, wenn es dies auch möchte, und nicht nach irgendeinem Plan.

Darüber hinaus muss dem Kind Zeit und Raum gegeben werden, damit es sich auch auf das Tablett konzentrieren kann. Es ist unumgänglich, dass es lernt, dies alleine von sich aus zu tun. Gerade im Kinderzimmer muss deshalb alles auf seine Bedürfnisse und die Größe angepasst sein. Das Kind muss alle Gegenstände erreichen und sie auch handhaben können. Das Zimmer muss ordentlich sortiert und nicht nur aufgeräumt sein. Es soll freundlich und hell sein, besondere Dekoelemente verschönern nicht nur den Raum, sondern tragen auch zum Wohlfühlen bei. Die Spielsachen sollen aber so angeordnet sein, dass sie auch ohne das Öffnen von Schranktüren erreichbar sind. Schubladen oder Kisten sind gut, aber die Materialien sollten nicht in einem geschlossenen Schrank verschwinden.

Auf diese Weise bewegt sich das Kind frei im Zimmer und kann seinen inneren Impulsen besser folgen.

Autor

  • Tamara Karas (Autor:in)

Ich bin Sozialarbeiterin & Therapeutin, aber vor allem bin ich Mutter. Meine zwei Söhne halten mich neben dem Beruf ordentlich auf Trab und so bin ich froh, wenn sie sich auch einmal selbst beschäftigen können. Da ich sie aber nicht einfach vor den digitalen Kinderbetreuer platzieren möchte, sondern sie im Gegenteil fördern will, habe ich mich aufgemacht und nach geeigneten Möglichkeiten gesucht. So entstand daraus dann dieses Buch über intuitive Tabletts zum Entdecken, Spielen und Erforschen.
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Titel: Das Aktionstablett-Buch