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GIPFELrot

von Stina Jensen (Autor:in)
280 Seiten
Reihe: GIPFELfarben-Reihe, Band 3

Zusammenfassung

Valerie ist tieftraurig. Ihr Traum vom Leben mit ihrer großen Liebe ist wie eine Seifenblase zerplatzt und auch einen anderen Herzenswunsch musste sie schmerzlich aufgeben. Was wäre da wohltuender, als ganz allein in die malerische Abgeschiedenheit Schottlands zu reisen, um wieder zu sich selbst zu finden? Doch ihre beiden Freundinnen wollen davon nichts wissen und reisen spontan mit. Als auch noch der kernige Schotte Matt mit seinem Sohn auftaucht, ist es endgültig vorbei mit der Ruhe. Zudem scheint der geheimnisvolle Mann, dessen Akzent und Lachfältchen Valerie gegen ihren Willen faszinieren, etwas vor ihnen zu verbergen. Die Einladung ins touristische Pitlochry am Fuße der Highlands lehnt Valerie kategorisch ab, doch hat sie ihre Rechnung ohne den Einfallsreichtum ihrer Begleiterinnen gemacht ...

Die Romane der INSELfarben- und GIPFELfarben-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Die chronologische Reihenfolge der Romane: Inselblau (Svea, Langeoog und Mallorca), Inselgrün (Wiebke, Irland), Inselgelb (Claire, Island), Inselpink (Ida, Mallorca), Inselgold (Amanda, Rügen), Gipfelblau (Annika, Zermatt), Gipfelgold (Mona, Bad Gastein), Gipfelrot (Valerie, Schottland), Inseltürkis (Terry, Sardinien), Inselrot (Sandra, Sylt), Gipfelpink (Susa, Teneriffa), Inselhimmelblau (Svea, Langeoog), Gipfelglühen (Sebastian, Allgäu)

Außerdem: »Plätzchen, Tee und Winterwünsche«, »Misteln, Schnee und Winterwunder«, »Sterne, Zimt und Winterträume«, »Muscheln, Gold und Winterglück«, »Vanille, Punsch und Winterzauber«, »Mondschein, Flan und Winterherzen«, »Engel, Blues und Winterfunkeln«, »Sommertraum mit Happy End«, »Stürmisch verliebt«

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

Erstausgabe: April 2019

© Stina Jensen

Robert-Bosch-Straße 48

61184 Karben

info@stina-jensen.de

www.stina-jensen.de

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Verfasserin urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werkes sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Lektorat und Korrektorat: Ricarda Oertel www.lektorat-oertel.de

Covergestaltung © Traumstoff Buchdesign by Claudia Toman

Covermotive © Sebastian Studio shutterstock.com

Das gesamte Programm von Stina Jensen findest du hier.

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Über die Autorin

STINA JENSEN schreibt Insel- und Gipfelromane, romantische Komödien und Krimis. Sie liebt das Reisen und saugt neue Umgebungen in sich auf wie ein Schwamm.

Meist kommen dabei wie von selbst die Figuren in ihren Kopf und ringen dort um die Hauptrolle in ihrem nächsten Roman. Wenn sie nicht verreist, lebt die Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.

Stina Jensen

Das Buch

Valerie wünscht sich nur eines: allein zu sein. Denn ihr Traum vom Leben mit ihrer großen Liebe ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Was wäre da wohltuender, als in die malerische Abgeschiedenheit Schottlands zu reisen?

Doch sie bekommt ungewollt Gesellschaft: Zwei Freundinnen reisen spontan mit. Als auch noch der kernige Schotte Matt, dessen Akzent und Lachfältchen Valerie gegen ihren Willen faszinieren, mit seinem Sohn auftaucht, ist es endgültig vorbei mit der Ruhe.

Die Einladung ins touristische Pitlochry am Fuße der Highlands lehnt Valerie zwar kategorisch ab, doch hat sie ihre Rechnung ohne den Einfallsreichtum ihrer Begleiterinnen gemacht. Es geht zu wie in einer schottischen Familiensaga!

Bald weiß Valerie gar nicht mehr so genau, ob Einsamkeit wirklich das ist, was sie sich am meisten wünscht.

Was sie aber nicht ahnt: Nicht nur sie selbst, auch Matt verbirgt ein sorgsam gehütetes Geheimnis ...

Ein Roman, ergreifend wie der Blick in die Weite der Highlands.

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

für jeden meiner Romane reise ich an die Orte, an denen meine Geschichten spielen. Nach meiner Reise nach Schottland vergingen allerdings zwei Jahre, bis dieser Roman entstehen konnte. Umso mehr Freude hat es mir bereitet, mir die Schauplätze noch einmal in Erinnerung zu rufen und neu aufleben zu lassen.

Obwohl ich mir Mühe gebe, bei den Ortsbeschreibungen so exakt wie möglich zu bleiben, komme ich nicht darum herum, die örtlichen Gegebenheiten teilweise den Erfordernissen der Handlung anzupassen. Sollten Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen bestehen, wären diese rein zufällig.

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1

Dass ausgerechnet du allein nach Schottland fährst!«, sagte Susa. »Ich dachte, dich zieht es mehr in den Süden? Hast du dich nicht deswegen bei dieser Boutique-Hotelkette beworben, weil die hauptsächlich Häuser in Frankreich und Italien betreiben?« Sie schüttelte den Kopf. »Schottland ist jetzt nicht gerade berühmt für sein gutes Wetter. Außerdem hätte ich gedacht, dass das mehr so Eriks Ding wäre, nicht deins. Machst du das, um ihm eins auszuwischen?«

Meine Freundin und ich hockten in ihrer gemütlichen Küche, jede von uns einen Latte macchiato vor der Nase. Susas fünfzehnjährige Tochter Miri lehnte an der Anrichte und lauschte unserem Gespräch mit gelangweiltem Gesichtsausdruck, scrollte dabei über den Bildschirm ihres Handys.

»Das ist doch Blödsinn«, entgegnete ich Susas Frage. Von Erik hatte ich mich im Januar nach fünfeinhalb Jahren Beziehung getrennt. Er war während unseres gemeinsamen Skiurlaubs fremdgegangen, und ich hatte das zum Anlass genommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht hatte ich nur auf diesen Moment gewartet. Unter der Oberfläche hatte ich mich schon Monate zuvor mit dem Gedanken getragen. Jedenfalls war er sehr sportlich, und seinen Sport betrieb er am liebsten in der freien Natur. Schottland hätte ihm deshalb wahrscheinlich wirklich gefallen. Aber seinetwegen tat ich das ganz bestimmt nicht.

»Ich will dort etwas ganz anderes. Ich habe dieses einsame Cottage mit Blick aufs Meer angemietet, um zu mir zu finden. Diese zerklüftete Küste und diesen Wind – noch dazu jede Menge Mystik, das bekommst du sonst nirgends.«

Vor einigen Wochen war ich beim Fernsehen zufällig auf eine Dokumentation über die schottische Isle of Skye gestoßen. Unter anderem war es darin um eine Frau gegangen, der es nach dramatischen Erlebnissen am sogenannten Neist Point, dem nordwestlichsten Punkt der Insel, gelungen war, einen Cut mit ihrer Vergangenheit zu machen. Die Aussicht, dass auch ich endlich die Geschehnisse des letzten Jahres hinter mir lassen könnte, klang verheißungsvoll in meinen Ohren. Die Trennung von Erik war gar nicht das Schlimmste gewesen.

»Außerdem«, fuhr ich fort, »möchte ich einen neuen Roman anfangen. Und wo könnte ich das besser als in der Abgeschiedenheit? Würde ich in den Süden fahren, wäre ich umgeben von Familien mit Kleinkindern und kontaktfreudigen Alleinreisenden.«

Ich zeigte Susa ein Foto des Cottages auf meinem Handy. Es handelte sich um ein romantisches Steinhäuschen, rosenberankt, mit Terrasse und gemauertem Grill. Wie gut ich es mir dort gehen lassen würde!

»Bist du eigentlich bei Insta?«, fragte Miri und war mit einem Schritt bei mir, hielt mir ihr Smartphone unter die Nase. Ich konnte mich noch immer nicht daran gewöhnen, wie sehr mein Patenkind innerhalb eines Jahres in die Höhe geschossen war. Inzwischen überragte sie ihre Mutter und mich um fast einen Kopf. Ihre schlanken, gebräunten Beine reichten mir bis zum Bauchnabel. Und dann dieses erdbeerblonde, lockige Haar. Beneidenswert.

»Was soll ich denn bitte auf Instagram?«, fragte ich und schnaubte belustigt. »Ich habe schon bei Facebook weniger als hundert Freunde.«

»O mein Gott.« Miri verdrehte die Augen. »Facebook ist so was von out, Valli. Du musst zu Snapchat und Insta. Dann kriegst du auch mehr Follower.«

Mehr Follower. Von denen hatte ich wirklich nicht genug. Wäre ich eine ehrgeizige Romanautorin, hätte ich mich von Anfang an intensiver mit Social Media beschäftigen sollen. Aber irgendwie bekam ich es nicht auf die Reihe. Instagram war jetzt also angesagt. Dank der Kinder meiner Freundin – Susa hatte auch noch einen neunzehnjährigen Sohn namens Ben – merkte ich, dass ich langsam alt wurde. Ich ging auf die Vierzig zu – was ich kaum glauben konnte. Manchmal fühlte ich mich nämlich so hilflos wie ein Kind. Ich hoffte inständig, dass ich gestärkt von meiner Schottlandreise zurückkehren würde. Innerlich gefestigt. Nicht wie ein Grashalm im Wind.

Miri hielt ihr Handy vor mein Gesicht. »Geiler melancholischer Blick, bleib mal so. Und jetzt nur noch leicht schräg.« Sie nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände und kippte ihn. »Und jetzt ein bisschen vollere Lippen.« Sie machte ein Duckface, und ich tat es ihr gleich.

Susa hielt sich kichernd die Hand vor den Mund.

»Bist du denn bei Instagram?«, fragte ich meine Freundin.

Susa hob beide Hände in Abwehr. »Lass mich mit so was in Ruhe. Ich verstehe nichts davon und habe auch gar keine Zeit dafür. Nicht mal Ben ist auf Insta.«

Miri verdrehte die Augen. »Ben hat auch nichts als Fußball im Kopf. Aber für dich wäre es sogar was, Mama.« Sie drückte ab und nickte mir anerkennend zu. »Du bist ziemlich fotogen.« Routiniert tippte sie herum, schnalzte zufrieden mit der Zunge.

Ich nahm sie beim Handgelenk, um mir das Bild selbst anzuschauen. »Bin ich das?«, fragte ich zweifelnd. Mir strahlte eine Art Mangamädchen mit Kulleraugen entgegen.

»Ich hab nen Filter drübergelegt, dass die Falten noch’n bisschen smoother werden. Und die Mundwinkel einen Touch hochgezogen. Sieht doch gut aus.« Zufrieden betrachtete Miri ihr Werk. »Ich werd deine Augen noch ein bisschen mehr zum Leuchten bringen, dann ist es perfekt. Ich leg dir nen Account an, okay? Du musst mir nur deine E-Mail-Adresse geben und sagen, welches Passwort du willst. Schottland123 vielleicht?«

»Und was mache ich dann mit diesem Account?«

Miri tätschelte mir den Arm. »Zeig ich dir noch. Auch das mit den Hashtags. Auf jeden Fall musst du ganz viele Fotos posten. Wenn die cool aussehen, kriegst du ganz schnell ganz viele Follower.«

Ich nickte ergeben. Die Idee war gar nicht übel. So ein kleiner Reisebericht mit Fotos der mittelalterlichen Burgen und Schlösser wäre doch ganz schön. Vielleicht würde ich auch von ein paar dudelsack-spielenden Kerlen im Schottenrock berichten können oder von den berühmten langhaarigen Rindern. Ich hatte natürlich trotz der Sehnsucht nach Rückzug vor, mir verschiedene Sehenswürdigkeiten anzusehen – meine Reiseroute von Edinburgh über die Westküste zur Isle of Skye stand bereits fest. Aber neben all den wunderbaren landschaftlichen Eindrücken wollte ich vor allem Kraft tanken und mich von dem lösen, was mich im letzten Jahr zu sehr mitgenommen hatte. Zurückfinden zu der Valerie, die ich früher einmal war. Fröhlich und unbeschwert. Zu der Bevor-Erik-in-ihr-Leben-trat-und-dann-etwas-ganz-Schlimmes-passierte-Valerie. Und anschließend ganz neu durchstarten. Ich hatte meinen Job im Floyd’s gekündigt, wo ich seit vielen Jahren als Rezeptionistin arbeitete. Im September würde ich meine neue Stelle antreten – wo auch immer mich die Zentrale der Boutique-Hotelkette einsetzen würde. Das konnten beispielsweise der Mont Blanc oder Sardinien sein. Vielleicht auch Teneriffa. Überall dort, wo es die neuen Hotels gab und händeringend Personal benötigt wurde. Für exklusives Klientel aus aller Welt.

Susa und Hinnerk, meinem Kollegen im Floyd’s, gefiel es natürlich gar nicht, dass ich Deutschland für eine Weile den Rücken kehren wollte. Aber ein richtiger Neuanfang wäre in Frankfurt nicht möglich gewesen. Viel zu lange hatte ich hier festgehangen. In einer Beziehung, in der sich in fast sechs Jahren nichts bewegt hatte, weil mein Freund nicht nur ein sehr begeisterter Sportler, sondern nebenher auch noch ein Workaholic war.

»Aber jetzt mal ganz was anderes«, meinte Susa und holte ihrerseits ihr Handy hervor. »Schau mal, das ist unser Ferienhäuschen ganz in der Nähe von Husum.« Stolz blickte sie mich an. »Hat Tobi gefunden und gleich gebucht. Es war ja schon fast nichts mehr frei.«

Das Haus war weiß getüncht und hatte ein Reetdach. Eine blühende Ginsterhecke bildete den Zaun. Im Garten machte ich eine Wäschespinne und eine Schaukel aus.

Miri lauschte den Ausführungen ihrer Mutter mit zunehmend missmutigem Gesichtsausdruck. »Ja, toll!«, murrte sie. »Und ich dann mittendrin zwischen euch beiden Streithähnen. An der Nordsee! Das kannst du voll vergessen, Mama!«

Susa schüttelte den Kopf. »Papa und ich streiten meistens deinetwegen. Schon gemerkt?«

Ich versuchte, ihr ein Zeichen zu geben. Das war nicht besonders nett. Doch Susa fuhr fort: »Was stehst du eigentlich hier so bei uns rum, hast du nichts zu tun? Valerie ist meine Freundin. Bei dir darf ich mich nicht mal sehen lassen, wenn du Besuch hast.«

Miri stieß sich mit beiden Händen von der Anrichte ab und schlug mit einem lauten Knall die Küchentür hinter sich zu. Aus dem Flur schallte ein »Fuck you!« zu uns herein.

Mit offenem Mund sah ich meine beste Freundin an. Solche Worte hatte ich noch nie aus dem Mund ihrer Tochter gehört. Seit ihrer Geburt war Miri mein Lieblingsmädchen gewesen. Und jetzt so was?

Susa sah mich niedergeschlagen an. »Im Moment ist sie wirklich nicht gut auf uns zu sprechen. Man könnte meinen, sie hätte am liebsten ganz andere Eltern. Wie vehement sie sich dagegen wehrt, auch nur irgendeine Eigenschaft von mir oder Tobi geerbt zu haben.« Sie kicherte. »Sie hatten gerade Vererbungslehre in Bio, und ich glaube, sie hat nach Anhaltspunkten dafür gesucht, dass sie bei der Geburt vertauscht worden sein könnte.«

»Du meinst wegen ihrer rötlichen Haare?«

Susa nickte. »Hat ja sonst keiner bei uns. Aber bei Blond und Braun kann das schon mal rauskommen.«

»Die Liebe zur Nordsee habt ihr jedenfalls nicht an sie weitergegeben«, entgegnete ich trocken.

Susa seufzte und umfasste ihren Latte-macchiato-Becher mit beiden Händen. »So geht es hier jedenfalls jeden Tag. Seitdem sie Bekanntschaft mit dieser Mädchenclique aus der Nachbarklasse gemacht hat, wird es immer schlimmer. Jedes Gespräch endet im Streit. Jedes Argument beantwortet sie mit einem Gegenargument. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie sie sich aufführen wird, wenn wir sie wirklich dazu zwingen, mit uns nach Husum zu fahren. Wie sollen wir sie denn ins Auto bekommen? Fesseln und knebeln? Seit sie weiß, dass Ben hierbleibt, ist es ganz vorbei.«

Susas Sohn hatte schon eine Freundin und freute sich auf drei Wochen sturmfrei. Miri war immer so pflegeleicht und anschmiegsam gewesen. Eine Traumtochter. Jetzt erinnerte sie eher an eine Katze, der man den Schwanz angezündet hatte.

»Husum ist aber auch nicht gerade the place to be für eine Fünfzehnjährige. Da kann ich sie schon ein bisschen verstehen«, merkte ich an.

»Glaub mir, es gibt keinen Ort, der ihr gefallen würde. Vielmehr geht es darum, dass sie uns derzeit geradezu verabscheut. Wir sind spießig und haben vom Leben keine Ahnung. Und regen uns angeblich über jeden harmlosen Scheiß auf.« Susa seufzte vernehmlich. »Dabei geht es hier absolut nicht um Harmlosigkeiten, Valerie.«

Neugierig betrachtete ich meine Freundin. »Was stellt sie denn an?«

Susa schluckte. »Sie schwänzt die Schule, lügt uns und die Lehrer an, erfindet Geschichten, wo sie war …«

Meine Augen weiteten sich, und Susa nickte. »Es ist, als wären wir in einer schlechten Soap-Opera gelandet. Tobi und ich spielen dabei die Rolle der insgeheim miteinander zerstrittenen Eltern, die den Lehrern aber vorzumachen versuchen, dass zu Hause alles in bester Ordnung ist und wir uns das alles auch nicht erklären können. Dabei ist das alles Aufmerksamkeits-Heischerei, wenn du mich fragst.«

Ich griff über den Tisch hinweg nach Susas Hand. »Ihr kriegt euch schon wieder ein, war doch schon immer so. Dieser Urlaub könnte euch guttun – vorausgesetzt, ihr bekommt es hin, dass auch Miri sich wohlfühlt. Lange Strandspaziergänge begeistern Teenager eben nicht, das wäre doch bei uns nicht anders gewesen. Überlegt euch besser doch eine Alternative.« Plötzlich hatte ich eine Idee. »Oder ihr schickt sie mit anderen Jugendlichen irgendwohin auf eine Gruppenreise ans Meer.«

Susa schüttelte den Kopf. »Man kann sie nicht aus den Augen lassen. Wenn es jemand wäre, dem ich vertraue, okay. Aber bei solchen Gruppen weißt du nie, wer da sonst noch so mitfährt. Ich würde ja auch woanders hinfahren, aber Tobi hat nun mal diese Ferienwohnung schon gebucht und über tausend Euro anbezahlt, die wären futsch. Außerdem ist der ganze Mittelmeerraum total überbucht. Wir haben keine Chance auf einen Wechsel. Tobi meint außerdem, dass wir uns doch nicht unser Urlaubsziel von unserer Tochter diktieren lassen können. Darin sind wir uns sogar ausnahmsweise mal einig.«

»Bestimmt ist das nur eine Phase«, beschwichtigte ich, doch Susa sah mich zweifelnd an. »Dein Wort in Gottes Ohr.«

Natürlich konnte ich als Kinderlose eigentlich nicht mitreden. Und ehrlich gesagt wollte ich gerade auch wirklich nicht darüber nachdenken, warum ich kinderlos war. Erik hatte jedenfalls von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, dass er keine Kinder wollte. Und irgendwie war mir ziemlich schnell klar, dass es als Frau an seiner Seite ratsam war, auf eigenen Füßen zu stehen. Mich fallenzulassen war mir in unserer Beziehung nie gelungen. Im Grunde war sein Seitensprung zur rechten Zeit gekommen, um endlich den Absprung zu schaffen. Doch er akzeptierte meine Entscheidung nicht so richtig. Seit der Trennung sandte er mir immer wieder Nachrichten aufs Handy oder machte bei einer seiner Radtouren einen Abstecher zu mir. Schickte Blumen. Was versprach er sich nur davon?

Ich war so weit weg von ihm, konnte mir sogar vorstellen, nach meiner Schottlandreise wieder einen Mann kennenzulernen. Einen, für den sein Beruf nicht an erster Stelle stand. Oder sein Sport. Dieser Mann sollte zur Abwechslung mal unterhaltsam sein. Mich faszinieren und fesseln.

»Dienstag gehe ich übrigens zum Friseur«, sagte ich geheimnisvoll zu Susa. »Ich will einen ganz neuen Look.«

Die Augen meiner Freundin weiteten sich. »Inwiefern?«

Ich lächelte wissend und umspielte mein feines, kinnlanges Haar mit dem Finger. »Lass dich überraschen.«

In diesem Moment platzte Miri zurück in die Küche und war in zwei Schritten beim Kühlschrank, kramte lautstark darin herum. In ihren Ohren steckten Ohrstöpsel, aus denen hämmernde Musik schallte.

»Suchst du etwas Bestimmtes, Liebling?«, erkundigte sich Susa betont freundlich.

Miri nahm einen der Stöpsel heraus. »Hast du etwa keinen Himbeerjoghurt gekauft?« Ihr Gesichtsausdruck war ein einziger Vorwurf.

»Die waren leider ausverkauft.«

Miri sah aus, als wollte sie dem Kühlschrank einen Tritt verpassen. Oder ihrer Mutter. Wortlos knallte sie den Eisschrank zu und marschierte zur Küchentür, von dort schoss sie Susa erneut einen tödlichen Blick zu. »Hättest ja auch noch woanders schauen können. Irgendwo hätte es bestimmt welchen gegeben. Aber bin ja bloß ich.«

Diesmal ließ sie die Tür hinter sich offen stehen. Geräuschvoll nahm sie die Treppe nach oben zu ihrem Zimmer.

»Wie hältst du das aus?«, fragte ich lachend.

Susa fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Wer sagt denn, dass ich es aushalte? Wenn diese Phase nicht bald vorbei ist, wird es Tote geben. Spätestens in Husum gehen wir einander an die Gurgel.«

2

Der nächste Tag war ein Sonntag, und es regnete Bindfäden. Das schlechte Wetter passte mir eigentlich ganz gut, dann konnte ich mich schon mal dem Packen widmen; immerhin musste ich die Woche über arbeiten, sodass dafür nicht allzu viel Zeit bleiben würde.

Ich belud die Waschmaschine im Keller und nahm die große Reisetasche mit nach oben, in der ich alles unterzubringen gedachte, was ich in den drei Wochen meines Aufenthalts benötigen würde. Für die ersten beiden Nächte hatte ich in Edinburgh ein Hotelzimmer reserviert. Danach würde ich auf meiner Route an der Westküste entlang zur Isle of Skye für zwei weitere Nächte in B&Bs unterkommen – einfach dort, wo es mir am besten gefiel. Mein Ziel am Ende dieser kleinen Tour: das einsame Cottage auf der Isle of Skye oberhalb von Portree. Ab Mittwoch hatte ich es gebucht.

Der Gedanke an die Fahrt mit dem Mietwagen machte mich etwas nervös – ich war noch nie im Linksverkehr gefahren. Natürlich hätte ich auch den Zug nehmen können, aber dann wäre ich viel unflexibler gewesen. Irgendwie würde es schon schiefgehen.

Ich war mit meiner Reisetasche aus dem Keller gerade vor meiner Wohnungstür im dritten Stock angekommen, als Rosina den Kopf zur Tür herausstreckte. Seit ich nach meinem Auszug bei Erik wieder hier eingezogen war – ich hatte meine Wohnung nie ganz aufgegeben, sondern an Studenten untervermietet –, lud meine Nachbarin mich andauernd zu sich ein, um mit mir über ihn zu reden. Wir hatten uns durch sie kennengelernt, und Rosina bedauerte noch immer, dass unsere Beziehung in die Brüche gegangen war.

In der einen Hand balancierte ich die Reisetasche, mit der anderen mühte ich mich ab, die Wohnungstür zu entriegeln.

»Wartest du, ich helfe dir.« Rosina nahm mir die Tasche ab, während ich am Schloss nestelte.

Endlich stieß ich die Tür auf, und meine Nachbarin folgte mir hinein. Irgendetwas hatte sie auf dem Herzen, das sah ich ihr an der Nasenspitze an. Wenn sie allerdings wieder von Erik und mir als Traumpaar anfing, würde ich sie sofort abwimmeln. Vielleicht wollte sie aber auch mit mir über die Versorgung meiner Wellensittiche sprechen, deren Gezwitscher aus dem Schlafzimmer schallte. Die beiden würden mir während meines Urlaubs am meisten fehlen.

Doch es ging um etwas anderes. In der Küche goss ich jeder von uns ein Glas Wasser ein und setzte mich zu ihr.

»Du hast gut«, sagte sie, »fährst du bald weg. Einfach mal raus hier aus ganze Alltag. War ich so lange nicht verreist, würde mir auch guttun.«

Ich nippte am Glas. »Dann mach doch mal frei, fahr in die Heimat. Wie lange warst du nicht in Russland?«

Rosina schnalzte mit der Zunge. »Ist lange her. Aber ist auch nicht so einfach zu reisen dorthin. Ich habe doch, wie sagt man, abgebrochene Zelte. Mit deutsche Papiere und alles. Es gibt Register, und jeder der ist gegangen, muss nicht kommen wieder.«

Stimmt, das hatte sie mir schon einmal erzählt. Keine Ahnung, wie sie an ein Bleiberecht gekommen war. Trotz gelegentlicher Fragen hatte ich nie viel über ihre Vergangenheit herausgefunden. Außer, dass »es war eine ganz andere Leben«.

Rosina lehnte sich konspirativ nach vorn. »Könnte ich mitfahren nach Schottland. Was meinst? Interessiert mich, was tragen schottische Männer unter Rock.« Sie lachte auf. »Nichts, oder?«

Ich hob eine Augenbraue. Sie meinte das hoffentlich nicht ernst. Beides. Ehe ich etwas entgegnen konnte, schickte sie nach: »Habe ich Schwierigkeiten mit jemand, wo ist nicht ganz einfach, Valeria. Was soll ich nur machen mit ihn? Ruft mich an, steht vor Tür. Aber egal, ob ich lege auf oder gehe an ihn vorbei, kommt immer wieder.«

Ich runzelte die Stirn. War der Mann, von dem sie sprach, ein Typ mit Schnauzer und Lederjacke? So ein Kauz hatte tatsächlich etliche Male im Hausflur herumgesessen. Unser Flur unter dem Dach diente als Rosinas Wartezimmer, sie hatte eigens einen Korbstuhl und einen Beistelltisch für ihre Klienten aufgestellt. Sie bezeichnete sich selbst als »Medium«, praktizierte »Rückführungen«. Bei mir biss meine Nachbarin allerdings selbst mit ihren Heilsteinen auf Granit. Die Wasserkaraffe mit den Mineralsteinen darin, die sie mir zu einem Geburtstag geschenkt hatte, hatte ich nur wenige Male benutzt. Ich fand Wasser auch ohne Steine heilsam.

Ich fragte sie nach dem Mann, und sie nickte.

»Du meinst, er ist ein Stalker?«, vergewisserte ich mich.

Sie sah mich stirnrunzelnd an.

»Fühlst du dich verfolgt?«

Rosina nickte nachdrücklich. »Und wie.«

»Ach du lieber Himmel.« Mehr fiel mir nicht ein.

Was konnte man gegen solche Typen unternehmen? Wie suchten sie sich ihre Opfer aus? Rosina fiel natürlich schon rein optisch auf. Wegen ihrer weißblonden, knapp schulterlangen Haare und der weiten Kleider oder bunten Pumphosen, ihrer eng anliegenden, gemusterten Tops sah mancher ein zweites Mal hin. Besonders, weil sie oft barfuß lief, nicht nur im Sommer. Wir waren hier nicht in Berlin, sondern in Frankfurt – in Kleidungsfragen wagte man hier kaum Experimente. Hinzu kamen Rosinas Tätigkeitsfeld und ihr originelles Auftreten.

»Was genau will er denn von dir?«

Sie rang die Hände. »Will er etwas haben, was ich kann ihn nicht geben.«

Sie sprach in Rätseln. »Ist er ein Klient?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Und woher kennt er dich?«

Rosina leckte sich über die Lippen. »Aus frühere Leben.«

Ich bemühte mich, nicht die Augen zu verdrehen. Wenn sie von diesen Dingen anfing, konnte ich einfach nicht folgen. Es war ja nicht so, dass ich es vollkommen abstreiten würde, dass es ein Leben nach dem Tod und auch schon vor der Geburt geben könnte. Aber wieso um Himmels willen sollte man »zurückreisen« können und etwas »daraus lernen«? Mir fehlte dafür die Fantasie. Ich hatte nicht vor, das Thema zu vertiefen.

»Sag Herrn Brehm, dass er dafür sorgen soll, dass die Haustür immer ins Schloss fällt und man sie ohne Schlüssel nicht öffnen kann«, riet ich.

Herr Brehm war unser Hausmeister, und wenn man mich fragte, ging er mit der Haussicherheit viel zu lax um.

»Habe ich schon. Er kommt nicht mehr so leicht rein. Aber jetzt er begegnet mir auf Straße, und traue ich mich nicht raus.«

»Wie bitte? Du musst die Polizei informieren! Das kannst du dir nicht gefallen lassen.«

Rosina sah bekümmert auf den Tisch. »Ist aber noch nichts passiert. Machen die nur etwas, wenn ist etwas geschehen.« Abermals sah sie mich geknickt an. »Wenn ich wäre paar Wochen fort, er würde vielleicht geben auf. Ich müsste versuchen, dass er denkt, bin ich weg und komme nicht wieder.«

Ich betrachtete sie argwöhnisch. »Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich fahre wirklich allein nach Schottland.«

Mit Rosina musste man Tacheles reden, das hatte mich die Vergangenheit gelehrt. Ein deutliches »Nein, das kommt nicht infrage« hätte mich schon früher vor manch peinlicher Situation bewahrt. Sie konnte nicht wirklich annehmen, dass ich sie auf meine Reise einladen würde? Zwar hatte ich in Edinburgh ein Doppelzimmer gebucht, aber bloß, weil ich sichergehen wollte, in einem breiten Bett zu liegen. Allerdings nicht mit Rosina. Allein der Gedanke. Bestimmt sang sie Mantras vorm Schlafengehen.

»Würde ich dich gar nicht stören«, beteuerte sie. »Wäre ich wie Schatten.«

Ich schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Wenn du unbedingt fortwillst, musst du dir schon ein eigenes Reiseziel suchen.«

Rosina knetete ihre Finger. »Und wenn ich vielleicht unterkomme hier bei deine Hotel?«, fragte sie. »Arbeitest du da, vielleicht du kriegst Spezialpreis für mich. Kann Kollege von dir mich beschützen.«

Ich lachte und tätschelte ihr den Arm. »Ich vermute nicht. Aber du kommst ganz sicher ohne Aufpasser klar.«

Dabei hätte mein Kollege Hinnerk bestimmt großen Spaß mit Rosina gehabt. Und nah genug wäre es auch gewesen. Das Floyd‘s, in dem ich seit Jahren als Rezeptionistin arbeitete, lag nämlich keinen Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Als ich noch bei Erik wohnte, benötigte ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln dreißig Minuten dorthin. Dieses Opfer hatte ich gern für ihn erbracht, so wie ich auch sonst alles getan hatte, um ihm zu gefallen. Dass jemand wie er – ein gutaussehender, intelligenter und erfolgreicher Marketingspezialist mit fünfstelligem Monatseinkommen – sich für mich – eine einfache Hotelrezeptionistin – interessierte, war Grund genug gewesen, meine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen.

Schnell spielte es sich ein, dass ich mich um unsere sozialen Kontakte kümmerte und Erik alles Organisatorische und Finanzielle regelte. Dazu gehörte auch das Planen von Urlaubsreisen, die er bezahlte. Im Vergleich zu ihm verfügte ich über kein üppiges Gehalt, und ihm machte es nichts aus, mich einzuladen. Doch irgendwie nahm es mir auch die Grundlage, bei unseren Urlaubszielen mitzureden. In all den Jahren unserer Beziehung waren wir einmal am Meer gewesen, sonst ausschließlich in den Alpen, da er leidenschaftlich gern kletterte. Die Konflikte, wenn wir unterschiedlicher Meinung waren, quälten mich zu sehr, und ich gab irgendwann nach.

Nur beim Thema Romane-Schreiben ließ ich nicht mit mir verhandeln. Als Erik und ich uns kennenlernten, hatte ich gerade meine erste Geschichte begonnen, und Erik war regelrecht besessen davon, mich als erfolgreiche Schriftstellerin zu sehen. Er vermittelte mir sogar den Kontakt zu einem Verleger. Und dann das Entsetzen darüber, dass er selbst in meinem Roman vorkam. Angeblich rückte die Handlung seinen Charakter in kein gutes Licht. Erik sah sich ganz anders als meine Romanfigur Erik. Und natürlich war er das auch. Aber ihm klar zu machen, dass einige reale Ereignisse mich lediglich inspiriert hatten, sie entsprechend meiner Fantasie auszuschmücken, war unmöglich.

Der Verleger und ich versprachen, alle Namen zu ändern. Doch irgendwem beim Verlag rutschte es durch. Und dann war es zu spät. Eine Auflage von zweitausend Stück war gedruckt. Und für eine Folgeauflage die Vornamen meiner Protagonisten zu ändern, kam nicht in Frage. Erik hätte natürlich darauf klagen können, dass er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah, und er hätte womöglich sogar Recht bekommen. Aber so weit ging er dann doch nicht.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits zusammengezogen. Erik schmollte tagelang. Fühlte sich als Gespött unter den Kollegen, unter Freunden. Dabei sah es keiner so eng wie er. Im Gegenteil, alle fanden die Geschichte gelungen. Doch er mäkelte nur daran herum. Er ging sogar so weit, dass ich ihm versprechen sollte, nie wieder einen Roman zu schreiben.

Daran war auch eine ganze Weile nicht zu denken: Wegen dieser Auseinandersetzungen litt ich unter einer regelrechten Schreibblockade. Doch während unseres Skiurlaubs in Bad Gastein im letzten Winter – den ich allein Erik zuliebe angetreten war – platzte der Knoten. Unsere Mitbewohner im luxuriösen Alpenloft halfen mir dabei, eine Geschichte zu entwickeln, die nichts mit mir, Erik oder Rosina zu tun hatte, die ebenfalls in meinem ersten Roman vorgekommen war. Aber Erik glaubte mir nicht. Er wollte, dass ich damit aufhörte. Ich tat es nicht.

Und während ich zusammen mit den anderen Loft-Bewohnern im nachbarlichen Skiort für ein paar Stunden eingeschneit war und mit ihnen über meine Romanfiguren beratschlagte, verbrachte Erik einen Nachmittag mit der Gasteinerin Josefin. Das gestand er mir allerdings erst, als wir wieder zu Hause in Frankfurt eintrafen. Zuvor hatte er mir und den anderen eine andere Version aufgetischt und es noch geschehen lassen, dass wir mit Josefin sogar Heiligabend feierten.

Bis heute hatte ich ihm diesen Seitensprung nicht verzeihen können. In meinen Augen war es viel mehr gewesen als das. Es war Eriks Rache dafür, dass ich für etwas brannte, das er nicht guthieß. Jedenfalls war das meine Vermutung. Er stritt es natürlich ab. Und neben allem anderen, was mich zu diesem Zeitpunkt quälte, war dies das Tüpfelchen auf dem I.

3

Du willst dir die Haare verlängern lassen?«, fragte meine Mutter zwei Tage später am Telefon. Ich war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen, wollte mich nur kurz frisch machen und dann zu meinem Friseurtermin aufbrechen. »Was wird denn nur Erik dazu sagen?«

Ich verdrehte die Augen. Meine Mutter kam nicht darüber hinweg, dass ich ihren Traum-Schwiegersohn verlassen hatte. Sie fand meine Entscheidung fahrlässig, hielt sie mich doch für schwer vermittelbar, weil ich angeblich so unberechenbar und eigenwillig sei, und die Tatsache, dass Erik sich damals in mich verliebt hatte, für einen absoluten Glücksfall. Mama fand außerdem, ein Seitensprung sei quasi kein Seitensprung. Dass Eriks Liaison für mich das Ende nur besiegelt hatte, ging nicht in ihren Kopf – ganz nach dem Motto »Beggars can’t be choosers«.

Meine Eltern waren beide Ärzte und hatten es nie gutgeheißen, dass ich mich mit einer Ausbildung zur Hotelfachangestellten angeblich »unter Wert verkaufte«. Meine Mutter leitete seit längerem eine Privatklinik in München, mein Vater praktizierte als Internist. Glücklicherweise war ich trotz aller Widerstände meinen eigenen Weg gegangen. Ich konnte weder Blut sehen, noch interessierten mich Krankheiten. Mich reizte das Leben!

Ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, entgegnete ich: »Ich tu das für mich. Ich brauche mal etwas Neues.«

»Aber lange Haare brauchen viel mehr Pflege. Und wie soll das überhaupt gehen mit einer Verlängerung? Du hast nicht viel Haar, das man verlängern könnte.« Damit spielte sie auf mein sehr feines und glattes Haar an – unter Volumen verstand man etwas anderes.

»Es wird nicht nur verlängert, sondern auch verdichtet«, rechtfertigte ich mich. »Das wird ein ganz neuer Look.«

»Was meinst du denn genau mit ›ein neuer Look‹?«, fragte Mama jetzt. »Für Erik warst du doch genau richtig!«

»Offenbar nicht, sonst hätte er mich nicht betrogen.« Hätte ich nur nicht mit dem Thema angefangen. Ich hatte doch ausnahmsweise mal über etwas anderes als Erik sprechen wollen.

»Also willst du, dass er sich neu in dich verliebt?«

»Nein! Und wenn du ihn noch immer so toll findest, dann triff doch du dich mit ihm. Vermutlich würde er sich sogar darüber freuen, wenn du ihm die Absolution erteilst. Aber ich werde es nicht tun. Niemals. Du erinnerst dich sicher daran, dass ich schon mal mit jemandem zusammen war, der mich betrogen hat. Ich möchte nicht, dass daraus ein Muster wird. Das mit Erik ist vorbei – begreif es endlich.«

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, vibrierte mein Handy. Eilig beendete ich das Gespräch mit Mama. Es gab ohnehin nichts mehr zu sagen.

Wie war dein Wochenende?, fragte Erik – dabei war bereits Dienstag. Seit ein paar Tagen hatte er nichts von sich hören lassen, und ich hatte Hoffnung geschöpft, dass er es sein lassen würde, sich zu erkundigen, wie es mir ging. In Wahrheit wollte er nur hören, dass ich ihn entsetzlich vermisste. Doch das tat ich nicht. Nur ein ganz kleines bisschen. Aber das war normal. Wir hatten ja auch gute Zeiten miteinander erlebt.

Susa hatte mir geraten, ihn zu blockieren, aber das fand ich zu drastisch. Schließlich konnte ja auch mal etwas Wichtiges sein.

»Was sollte das denn sein?«, hatte Susa gefragt. »Etwa die Nachricht, dass er wieder mal eine Kletterplakette gewonnen hat?«

Es geht mir gut, und dir?, beantwortete ich seine oberflächliche Frage. Als seien wir Bekannte, die gelegentlich miteinander chatteten.

Eriks Antwort kam überraschend. Ich würde gern mal mit dir über Rosina reden.

Wieso?

Sie scheint sich von jemandem bedroht zu fühlen.

Nachdenklich betrachtete ich die Worte. Vielleicht hätte ich doch mehr auf sie eingehen und sie nicht so harsch abwimmeln sollen. Oder wollten die beiden auf diese Weise erreichen, dass ich sie mitnahm? Als meine Aufpasserin zum Beispiel. Damit ich in Schottland auch brav war.

Ich glaube, das hat sich erledigt, antwortete ich. Ich hatte keine Lust, mit Erik über Rosinas Probleme zu diskutieren. Außerdem war seit meinem Gespräch mit ihr die Haustür immer abgesperrt.

Halt bitte die Augen offen, okay? Wenn du etwas bemerken solltest, melde dich bei mir. Ich bin ja schnell vor Ort.

Also war es ein Trick. Damit wir einander wiedersahen und uns »aussprachen«.

Mach ich, schrieb ich dennoch. Ich würde noch mal mit Rosina sprechen. Sie fragen, was genau dieser Mann von ihr wollte. Was glaubte sie denn, in einem früheren Leben mit ihm erlebt zu haben? Welche Rechnung war zwischen den beiden noch offen? Innerlich tippte ich mir an die Stirn.

Ich wollte dir übrigens noch was anderes erzählen, schrieb Erik jetzt.

Ich knabberte an meiner Unterlippe. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die Unterhaltung an dieser Stelle beenden können.

Hm?, tippte ich. Vielleicht signalisierte das genügend Desinteresse.

Ich habe jemanden kennengelernt.

Blinzelnd betrachtete ich die Worte. Ich freute mich natürlich für ihn. Immerhin waren wir schon ein halbes Jahr auseinander, da war das völlig normal.

Yeah, antwortete ich und schickte einen erhobenen Daumen hinterher. Dann atmete ich geräuschvoll aus.

Na dann … Ciao, schrieb Erik.

Anschließend kam nichts mehr. Kein Herzchen, wie sonst. Kein Kussmund.

War es Enttäuschung, die da in meine Brust schwappte? Wohl kaum. Es war Erleichterung.

Ich legte das Handy beiseite und sah auf die Uhr. Ich musste gleich los. Dabei hatte ich auf einmal das Gefühl, gar keine Typveränderung mehr zu benötigen. Ich musste Erik rein optisch nicht mehr vor den Kopf stoßen, er hatte sich entliebt.

Mit beiden Händen fuhr ich mir ins kinnlange Haar und wuschelte ein wenig darin herum, dann ging ich zu dem Wandspiegel im Flur und betrachtete mich. Das Haar schwang fedrig um meinen Kopf, und das figurbetonte, rosafarbene T-Shirt mit den glitzernden Applikationen zusammen mit Jeansrock und Riemchensandalen standen mir gut. Ich sah jünger aus, als ich war, hatte kaum Falten. Mein Busen war noch straff. Würden mir lange Haare stehen? Verliehen sie mir mehr Selbstbewusstsein? Einmal eine Haarsträhne mit Schwung über die Schulter zu schnicken – das hatte ich mir schon immer gewünscht. Ich zuckte die Schultern.

Vielleicht ließ ich doch nur die Spitzen schneiden. Ich langte nach meiner Handtasche und war kurz darauf aus der Tür.

Als ich das Haus verließ, den Innenhof und dann die Ausfahrt unseres Mehrfamilienhauses durchquerte, bemerkte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen an der Straßenlaterne lehnenden Mann, der sich gerade eine Zigarette anzündete. Stirnrunzelnd musterte ich ihn. War das nicht der Kerl, von dem Rosina erzählt hatte, und dem ich selbst schon in unserem Hausflur begegnet war? Er erinnerte an das Klischee eines Privatdetektivs. Dieses weiße, kurzärmelige Hemd, die gebügelte Jeans und die schwarzen Anzugsschuhe. Das dunkelblonde Haar war etwas länger, die Augen blieben hinter einer Sonnenbrille verborgen. Die hatte er hier im Haus nicht getragen.

Ich sah auf meine Armbanduhr. Ein paar Minuten hatte ich noch. Mutig überquerte ich die Straße.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, erkundigte ich mich und deutete nach oben zum Haus. »Sie kommen mir bekannt vor.«

Der Mann warf die Zigarette zu Boden und trat sie aus. Dann fragte er: »Kennen Sie …«, er malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, »... Rosina Daric?«

Ich nickte zögernd. Wieso setzte er ihren Namen in Anführungszeichen? »Was wollen Sie von ihr?«

»Sie schuldet mir was.«

Aha. Sie hatte gesagt, was er von ihr wollte, könnte sie ihm nicht geben.

Vielleicht erfuhr ich ja von ihm, um was es sich handelte. »Was genau schuldet sie Ihnen denn?«

Er lächelte abschätzig und ließ meine Frage unbeantwortet. »Ich vermute, Sie sind die Valerie. Das hätte ich mir ja eigentlich denken können.«

Ich hob eine Augenbraue. Was wollte er damit andeuten? Hatte Rosina mit ihm über mich gesprochen? Woher wusste er, wie ich aussah?

Jetzt fiel mir ein, an wen er mich erinnerte. Matula. So hieß dieser Privatdetektiv aus einer uralten Fernsehserie. Vor so einem musste Rosina sich bestimmt nicht fürchten. Und ich genauso wenig – auch, wenn sein Auftreten merkwürdig war.

Wieder warf ich einen Blick auf die Uhr. So langsam musste ich los. »Sollen wir uns vielleicht in den nächsten Tagen mal zusammensetzen – also Sie, Rosina und ich – und gemeinsam überlegen, wie Sie beide sich einig werden könnten?«, fragte ich.

Mein Flug ging erst am Samstag, da blieb ja noch genügend Zeit.

Der Mann sah mich prüfend an, als überlegte er, ob man mir trauen könnte. Schließlich sagte er: »Das finde ich eine sehr gute Idee. Setzen wir uns zusammen und einigen uns. Je schneller, desto besser.«

»Wie kann ich Sie erreichen?«

Er zeigte auf den Boden. »Hier vor der Laterne. Womöglich mit ein paar Unterbrechungen, wer weiß, aber grundsätzlich werde ich hier warten.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn es Ihnen Spaß macht.«

Er setzte die Sonnenbrille ab und zeigte zu den Fenstern. »Ich habe doch eine schöne Aussicht.« Er zwinkerte. »Besser als fernsehen.« Er setzte die Brille wieder auf.

Ich starrte ihn an. Was bildete dieser unverschämte Kerl sich eigentlich ein? Beobachtete hier die Anwohner! Etwa auch mich? Entschlossen riss ich mich los. »Also dann«, sagte ich.

So schnell ich konnte, lief ich die Straße hinunter.

4

Als ich zurückkehrte, war der Mann an der Laterne verschwunden. Doch selbst wenn er noch dort gewesen wäre, hätte er mich höchstwahrscheinlich nicht erkannt. Ich war ein anderer Mensch.

Um meinen Kopf schwang ein voluminöser Wust aus Haaren. Meine Friseurin Babsi hatte mir außerdem ein paar bronzefarbene Highlights gesetzt, die mein Haar in Californiablond schimmern ließen. Auf dem Rückweg durch die Bergerstraße hatte ich in den Scheiben der Schaufenster mein Spiegelbild nicht auf Anhieb gefunden. Was hatte ich getan? Ich sah aus wie ein Vamp und nicht wie die schüchterne Valerie, die ich war. Außerdem roch ich ganz ungewohnt. Als wäre die Frisur noch nicht genug Veränderung, hatte Babsi mir ein blumig-frisches Parfum aufgeschwatzt, das mich umgab wie eine Wolke.

Eilig erklomm ich die Stufen zu meiner Wohnung und klingelte bei Rosina. Wenn sie Klienten behandelte, stellte sie die Glocke aus. Doch jetzt vernahm ich das Bimmeln überdeutlich, und kurz darauf erklangen Rosinas barfüßige Schritte.

Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und sah mich an, als sähe sie einen Geist. Dann griff sie sich an die Brust und hauchte: »Ach, du bist! Dachte ich, wer ist Frau, aber kenne ich.«

Ich schlängelte mich an ihr vorbei in ihre Wohnung und ließ mich kurz darauf an ihrem Küchentisch auf einen Stuhl plumpsen. In vollkommen ungewohnter Weise floss Haar über meine Schultern. Rosina strich mir über die Löwenmähne und schnupperte an mir. »Parfum ist auch neu. Riecht gut.«

Ich seufzte vernehmlich. »Was tut man nicht alles für einen Neustart.«

»Neustart?« Rosina sah mich fragend an. »Mit Erik?«

Ich zog einen Flunsch. Wann begriff sie es endlich?

»Hast du in letzter Zeit eigentlich etwas gehört von ihn?«, fragte sie weiter.

»Wieso?«

»Hast du oder hast du nicht?«, beharrte sie.

»Er hat mich vorhin angetextet.« Ich zeigte mit dem Finger auf sie. »Und zwar deinetwegen.«

Meine Nachbarin sah mich erstaunt an. »Warum das?«

»Wegen diesem Typen, der dich verfolgt. Ich habe ihn übrigens auf der Straße gesehen. Und mit ihm gesprochen.«

»Wirklich? Was hat er gesagt?«

»Dass du ihm etwas schuldest.« Ich sah sie herausfordernd an. »Was denn genau? Kann man einander aus einem früheren Leben etwas schulden?«

»Natürlich kann man.«

»Und jetzt erpresst er dich? Droht er damit, dich nicht in Ruhe zu lassen, solange du nicht zahlst?« Der Mann war wohl weniger ein Stalker, als ein Erpresser.

Rosina sah mich an, als würde sie gleich platzen. Als kämpfe sie mit sich, ob sie mir Näheres erzählen sollte, oder nicht. Aber sie kannte ja meine Einstellung bezüglich Rückführungen. Da war es aus ihrer Sicht wohl klüger, keine Details zu nennen.

»Jetzt sag schon«, drängte ich.

Doch Rosina presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Tränen traten in ihre Augen. »Es geht nicht um Geld.«

Beruhigend streichelte ich ihr über den Arm. »Ich habe ihm vorgeschlagen, dass wir drei uns mal zusammensetzen, um die Sache aufzuklären. Was auch immer du ihm schuldest, du müsstest es ihm einfach nur geben, und schon lässt er dich wieder in Frieden.«

Rosina strich sich die Tränen aus den Augenwinkeln, dann meinte sie: »Und Erik – hat er dir etwas anderes auch noch gesagt?«

Sie meinte sicher seine neue Freundin.

»Er hat geschrieben, dass er jemanden kennengelernt hat, richtig. Aber falls du annehmen solltest, dass mich das aus der Bahn wirft, dann täuschst du dich. Ich freue mich für ihn. Soll er glücklich werden mit seiner Neuen. Ich hoffe für ihn, dass sie eine kletterbegeisterte und sportliche Frau ist, die seinen Ansprüchen genügt, und vor allem: dass sie keine Romane schreibt. Vor allem nicht über ihn.«

»Hast du nach Foto gefragt?«

Ich lachte. »Von seiner neuen Flamme? Nein – wozu?«

Rosina verschwand im Flur, kehrte kurz darauf mit ihrem Smartphone zurück. Sie setzte sich wieder zu mir.

»Guckst du hier«, meinte sie und tippte aufs Display, »habe ich Foto von die Frau.«

Abwehrend hob ich beide Hände, doch schon hielt Rosina mir das Gerät unter die Nase.

Ich schnappte nach Luft. Eine langhaarige Blondine. Ihr dickes Haar fiel ihr voluminös über die Schultern. Genau wie meines.

Unsicher sah ich zu Rosina. »Du machst Witze.«

»Ich glaube, wer macht Witz, bist du.«

Verzweifelt fasste ich mein neues Haar im Nacken zu einem Zopf zusammen. »Ich schwöre dir, ich hatte keine Ahnung, wie diese Frau aussieht! Du kannst Susa fragen, als ich das letzte Mal bei ihr war, habe ich ihr schon von meinen Plänen, zum Friseur zu gehen, erzählt!«

Meine Nachbarin schnalzte mit der Zunge. »Wie du weißt, ich glaube nicht an Zufall. Du hast gemacht wegen Unterbewusstsein. Vielleicht Erik hat dir mal erzählt, dass er gerne hätte Frau mit lange blonde Haare. Du hast gezählt eins und eins und dann du hast so gemacht. Weil du willst ihm zurück.« Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Bist du ehrlich zu mir, Valeria, ich habe recht, stimmt?«

»Nein!«, rief ich abermals. Dabei fühlte ich mich wie ein Kind, das trotz verschmierten Schokomundes behauptete, es hätte nicht genascht. Und mir fiel siedend heiß ein, dass die Bad Gasteinerin Josefin auch so eine Mähne gehabt hatte wie ich seit neuestem. Spielte mein Unterbewusstsein mir etwa doch einen bösen Streich?

Rosina fixierte mich unter zusammengezogenen Augenbrauen, als wollte sie meine Gedanken lesen.

»Na gut«, sagte sie endlich. »Ist ja nicht schlimm, dass du siehst aus wie neue Frau von Erik. Kein Verbrechen ist. Kann jeder machen, wie er will.« Jetzt lächelte sie. »Und steht dir sehr gut.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl und klang wieder versöhnt. »Wir schauen mal, ob du vielleicht triffst in Schottland nette Mann, wo dir gefällt und wo mag auch Frau mit solches Haar. Hole ich Tarotkarten.«

Verzweifelt sah ich ihr hinterher. Rosina hatte mir vor Ewigkeiten schon einmal die Karten gelegt, allerdings war nichts Gescheites dabei herausgekommen. Diese Dinge waren ohnehin sehr allgemein gehalten, sodass man aus allem etwas für sich Passendes herauslesen konnte, wenn man nur wollte – so wie bei jeder Art von Religion, wenn man mich fragte. Dennoch blieb ich ergeben sitzen. Die Sache mit meiner Doppelgängerin hatte mich tief getroffen.

Als Rosina sich mit den Karten zurück an den Tisch setzte, schloss sie die Augen, richtete das Gesicht zur Decke. »Was wird erwarten Valerie in Schottland?«, fragte sie in den Raum hinein.

Nun mischte sie die Tarotkarten und legte sie in mehreren Reihen nebeneinander auf den Tisch. Nachdenklich betrachtete sie die verschiedenen Motive, fuhr mit dem Zeigefinger darüber, wandte den Kopf hin und her, setzte sie offenbar in Beziehung zueinander.

Unauffällig tastete ich an meinen neuen Haaren entlang, die sich so ungewohnt dick anfühlten. Ob sie überhaupt noch unter meine Mütze passten? In Schottland würde ich möglicherweise gelegentlich eine tragen müssen. Allein wegen des rauen Windes an der Küste. Ich goss mir einen Schluck von Rosinas Heilwasser ein und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.

Meine Nachbarin schaute noch immer zwischen den Karten hin und her und warf mir merkwürdige Blicke zu. Las ich Mitleid darin? Unbehaglich rutschte ich hin und her. Sie würde doch nicht …?

Doch jetzt sah sie wieder positiver drein. »Es wird geben eine Begegnung.« Sie blitzte mich an.

»Davon gehe ich aus«, antwortete ich trocken, »mir begegnen täglich Menschen.«

Sie überhörte meinen Einwurf. »Wird nicht einfach. Mann hat Probleme.«

»Du prophezeist mir einen Mann mit Problemen in Schottland?«

Sie nickte. »Aber wirst du ihn helfen. Alles wird gut.«

Ich schielte auf die Karten, wollte endlich in meine Wohnung zurück, mit Susa telefonieren, sie fragen, ob sie einen guten Friseur kannte, der Haarverlängerungen korrigierte. Zu meiner Friseurin konnte ich damit nicht gehen, das würde sie kränken.

Jetzt stupste Rosina mich an. »Vielleicht du erkennst nicht gleich, was hat er für Sorgen, er spielt nicht mit offene Karten. Aber wirst du noch herausfinden, was ist sein Geheimnis.«

»Das klingt alles wahnsinnig interessant«, erwiderte ich und trank mein Wasser aus, »aber ich muss jetzt wirklich gehen. Und bitte tu mir einen Gefallen: Erzähle Erik nichts von meiner Typveränderung, nicht, dass er sich noch etwas darauf einbildet.

»Aber willst du denn gar nicht wissen, wie geht weiter für dich?«

»Ich lasse mich viel lieber vom Leben überraschen«, entgegnete ich. »Übrigens werde ich garantiert keine Männer in Schottland kennenlernen. Ich möchte viel eher zu mir finden, und zwar ohne Mann.« Eine neue Liebe kam frühestens nach meiner Reise für mich infrage. Wenn ich mit allem abgeschlossen haben würde. Vielleicht würde ich irgendwann bei meiner neuen Arbeitsstelle jemanden kennenlernen.

Ich verabschiedete mich mit einer Umarmung. Mit Blick auf die Tarotkarten auf Rosinas Tisch sagte ich: »Am besten du legst sie dir selbst. Vielleicht findest du heraus, wie du deinen Stalker wieder loswirst.«

Rosina nickte. »Habe ich schon viele Male Karten gelegt wegen ihn. Aber kommt immer heraus selbe.«

»Nämlich?«

»Dass es wäre besser, ich würde sein nicht hier. Aber wo soll ich hin?«

Ich hob die Schultern und wandte mich endlich zum Gehen. »Diese Frage kann ich dir beim besten Willen nicht beantworten.«

Zurück in meiner Wohnung lief ich zu meinem Schlafzimmerfenster und spähte am Käfig meiner zwitschernden Wellensittiche vorbei nach draußen. Matula stand wieder dort. Er war gerade dabei, mit einem Hemdzipfel die Gläser seiner Brille zu reinigen.

Ich fürchtete mich nicht vor diesem Typen, er nervte mich bloß. Ich räumte den Vogelkäfig und ein paar Blumentöpfe beiseite und öffnete das Fenster.

»Hören Sie«, rief ich hinab, »Rosina ist nicht zu einem Gespräch bereit, sie sagt, dass sie Ihnen überhaupt nichts schuldet. Es lohnt sich also nicht, hier herumzustehen. Wenn Sie irgendwelche Rechte geltend machen wollen, konsultieren Sie einen Anwalt.«

Diese Juristen-Sprache verstand einer wie er bestimmt.

Der Mann setzte die Sonnenbrille wieder auf und wandte das Gesicht nach oben. Den nach unten gezogenen Mundwinkeln nach zu urteilen, sah er mich spöttisch an.

Ich schloss das Fenster wieder und schob alles zurück an Ort und Stelle.

»Na meine beiden?«, flüsterte ich Piep und Matz zu, die mich mit schräggelegten Köpfchen beäugten. Die beiden waren im besten Wellensittich-Seniorenalter. Hoffentlich blieben sie mir noch eine Weile erhalten. Ich hatte sie von meiner Großmutter geerbt, und sie waren mir über die Jahre mit ihrem Gezwitscher ans Herz gewachsen. Ich säuberte das Wasser meiner gefiederten Mitbewohner und öffnete die Käfigtür, um ihnen ein bisschen Bewegung zu gönnen. Dann griff ich nach meinem Handy und schickte Susa ein Foto von meinem neuen Ich und sprach ihr eine Sprachnachricht auf, berichtete ihr von Eriks neuer Liebe.

Doch Susa hatte nicht viel Zeit. Sie antwortete mit einem kurzen WOW, sieht super aus und schrieb außerdem: Hier brennt mal wieder die Luft. Ich hoffe, du liest nicht bald von Miri und mir in der Zeitung.

Als ich am Abend ins Bett ging, fühlte es sich an, als läge ich auf einem dickeren Kissen. Um meine Nase schwirrte der Duft des neuen Parfums, das mir tatsächlich gefiel. Es roch frisch und verheißungsvoll.

Ich beschloss, beides noch ein, zwei Tage auf mich wirken zu lassen. Vielleicht gewöhnte ich mich ja an dieses Feeling.

5

Den nächsten und übernächsten Tag widmete ich mich der Arbeit und schwelgte weiter in Urlaubsvorfreude. Leider musste ich zugeben, dass sich der Gedanke an Erik und seine neue Freundin mir zwischendurch immer wieder aufdrängte wie ein eiternder Pickel.

Am Donnerstag telefonierte ich mit Susa, die wegen Miri am Ende ihrer Kräfte zu sein schien. »Vielleicht setze ich sie an irgendeiner Raststätte auf unserer Strecke gen Norden aus«, grummelte sie halblaut durch die Leitung.

Ich hielt den Hörer ans Ohr und schaute aus dem Fenster nach unten zur Laterne. Niemand war zu sehen. Auch gestern hatte ich Matula nicht erblickt. Wahrscheinlich hatte er endlich eingesehen, dass er hier seine Zeit vergeudete.

»Das machst du auf gar keinen Fall«, kehrte ich gedanklich zu meiner Freundin zurück. »Erstens machst du dich damit strafbar, zweitens hätte sie das nicht verdient, ganz egal, wie sehr sie sich auch daneben benimmt.«

»Das sagst du so leicht! Es ging heute um das Grillfest zum Ende der 9. Klasse. Eine Feier, um den Kindern eine Freude zu machen.«

»Das macht ihr doch jedes Jahr«, stellte ich fest. Draußen fuhr eine rundliche Frau auf einem Rennrad vorbei. Sie schwankte gefährlich hin und her.

Susa schnaubte. »Genau das hat sie mir heute vorgeworfen. Dass wir jedes Jahr dasselbe machen, und ob uns nichts Besseres einfallen würde. Da hab ich gesagt, dass die Kinder sich doch bitte selbst etwas Besseres einfallen lassen sollen. Ist sie wieder total pampig und ausfallend geworden. Ihretwegen könnten wir das Gegrille sein lassen, sollten lieber jedem zwanzig Euro geben, damit könnten sie mehr anfangen.«

»Dann haben die Kids wohl keine Lust mehr auf diese Art von Events.«

»So sieht’s aus! Zwanzig Euro sind in etwa der Betrag, den jede Familie der Spaß mit Platzmiete und Grillgut kostet … hab ich ihr ja sogar noch brühwarm erzählt … und dann bekomme ich zum Dank wieder so eine Unverschämtheit um die Ohren gehauen.«

»Ach Susa«, meinte ich wenig hilfreich, »nimm dir das alles nicht so sehr zu Herzen.«

»Wenn nicht noch der ganze Ärger mit Tobi wäre«, klagte sie. »Wie sollen wir drei einen erholsamen Urlaub verleben, wenn die ganze Zeit nur jeder jeden anpflaumt? Tobi und ich bräuchten mal wieder Zeit nur für uns, für ausgiebige Gespräche, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.«

»Was denn für Missverständnisse?«, fragte ich hellhörig.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte meine Freundin ihren Mann angeflunkert, wenn irgendetwas schiefgegangen war, von dem er nichts wissen sollte. Es waren nur Kleinigkeiten, aber diese hatten dazu geführt, dass er ihr eine Zeit lang nicht mehr vertraute. Susa hatte daraus gelernt und sich geändert – so hatte ich zumindest geglaubt.

»Ich hab doch diese neuen Terrassenmöbel angeschafft«, erklärte Susa zerknirscht.

»Ja?«

»Ich hab ihm gesagt, die wären ein Schnäppchen gewesen, hätten bloß achthundert Euro gekostet, dabei waren es zweitausend.«

Ich zog die Luft ein. »Das ist aber wirklich ne Menge.« Obendrein war es eine typische Susa-Lüge. Und kein gutes Vorbild für ihre Kinder.

»Ich weiß.«

»Und dann hat er die Rechnung gefunden?«, hakte ich nach.

»Nein, in einem Prospekt waren genau unsere Möbel abgebildet, und zwar reduziert auf fünfzehnhundert. Da ist er natürlich ins Grübeln gekommen.«

»Und jetzt?«

»Ist er wieder total sauer. Ich überlege, ob wir nach dem Urlaub vielleicht eine Paartherapie machen sollten, was meinst du?«

Das klang nach einem guten Plan – den Susa jedoch niemals in die Tat umsetzen würde. Susa und Tobi hatten schon Krisen gehabt, als mit Miri noch alles im Lot war. Sie hätten inzwischen mehrere Therapien erfolgreich bewältigen können. Doch vermutlich waren diese Ups and Downs das Salz in ihrer Beziehungssuppe.

»Klingt gut«, sagte ich daher leichthin und kam wieder auf Miri zu sprechen. »Wenn es dir so sehr stinkt, was sie zum Thema Grillen zu sagen hat, würde ich einfach nicht mit ihr hingehen. Ist ja eine freiwillige Veranstaltung, oder? Soll sie sich eben anderweitig vergnügen, und du musst keinen Kartoffelsalat machen, oder was du sonst so dafür vorbereitest.«

»Na ja, mal sehen, vielleicht nicht ganz so drastisch«, antwortete meine Freundin prompt.

»Aber sie an der Raststätte auszusetzen, damit hättest du kein Problem«, kicherte ich.

Endlich fiel Susa in mein Lachen ein.

Nach dem Telefonat beschloss ich, noch ein bisschen rauszugehen. Die Sonne schien, vielleicht fand ich in einem meiner Lieblingsläden auf der Berger Straße ein hübsches Kleid für meinen Urlaub – auf ein paar Sonnentage hoffte ich immerhin.

Meine neue Haarpracht brachte ich mit einem Haargummi zu einem Dutt in Form und hopste kurz darauf leichtfüßig die Treppen hinab. Im Hof grüßte ich Herrn Brehm, der das spärliche Grün in den Beeten bewässerte und meinen Kopf erstaunt musterte. Leichten Schrittes durchquerte ich die Ausfahrt und stoppte abrupt in meinem Lauf, als ich Matula erblickte, der mal wieder an der Laterne herumstand. Hatte ich mich denn vorgestern nicht klar genug ausgedrückt?

Ärgerlich machte ich mich auf den Weg zur anderen Straßenseite, und im selben Moment riss mich etwas mit voller Wucht zu Boden. In meine Schulter fuhr ein stechender Schmerz. Innerlich bebend blieb ich auf dem Asphalt liegen. Eine männliche Stimme stöhnte: »Scheiße, scheiße, scheiße.«

Matula beugte sich über mich, kurz darauf tauchte ein anderes Gesicht mit Fahrradhelm vor meiner Nase auf.

»O mein Gott, Valerie, du bist das«, sagte Erik.

Mir wurde schwarz vor Augen.

6

Missmutig blickte ich aus dem Fenster des Wartezimmers in der Notaufnahme der Unfallklinik nach draußen in den Innenhof. Eine tiefe Schürfwunde zierte meine Schulter, man hatte sie gereinigt und mit einem Pflaster versorgt. Das Schmerzmittel, das mir eine Schwester gegeben hatte, wirkte nicht besonders gut. Vor allem aber war ich noch immer total zittrig. Gleich würde ich geröntgt werden, um nachzuschauen, ob nichts gebrochen war. Bewegen konnte ich meine Schulter jedenfalls nicht.

Eriks Knie und Ellenbogen waren bandagiert worden, ich sah ihm an, dass er sich den Verband am liebsten sofort wieder abgerissen hätte. Ein Indianer kennt keinen Schmerz.

Seitdem wir in der Klinik waren, schielte er immer wieder auf meine verrutschte Frisur. Wegen der Schmerzen in meiner Schulter hatte ich sie noch nicht richten können, und ich würde einen Teufel tun und ihn darum bitten. Ich wusste genau, welche Frage ihm im Kopf herumspukte. Wehe, wenn er sie stellen würde. Überhaupt hatte ich die ganze Zeit jegliches Gespräch mit ihm verweigert, so wütend war ich darüber, was geschehen war.

»Was wolltest du überhaupt da?«, fragte ich endlich.

»Ich habe nur eine Tour durch die Stadt gemacht«, antwortete er, und es klang so, als hätte er diese Antwort einstudiert. Er hatte ja auch genügend Zeit gehabt, sie sich zu überlegen.

Ich nickte wissend. »Eine Tour.« Es wäre naheliegend gewesen, von seiner Wohnung aus eine Fahrt am Main entlang zu machen, sicher keinen Abstecher durch den Berufsverkehr nach Bornheim. Er hatte zu mir gewollt, möglicherweise auch zu Rosina, was fast dasselbe war.

Mir war zum Heulen. Würde ich mit dieser schmerzenden Schulter überhaupt mit dem gemieteten Auto fahren können? Es war unwahrscheinlich. Und was, wenn sie auch noch gebrochen war? Vor lauter Frust hätte ich laut aufschreien mögen.

»Rosina hat mir erzählt, dass du vorhattest, zu verreisen«, sagte Erik, als könnte er meine Gedanken lesen.

»Ich werde verreisen«, erwiderte ich bestimmt.

Erik seufzte. »Du hast recht, ich war nicht zufällig in Bornheim.«

Innerlich flehte ich die geschlossene Tür des Behandlungszimmers an, sie möge sich endlich öffnen und jemand mich hineinbitten. Ich wollte endlich geröntgt werden. Doch nichts geschah.

»Willst du gar nicht wissen, was ich von dir wollte?«

»Ehrlich gesagt nicht«, sagte ich fest und starrte zu Boden.

Nun nahm er mich sachte beim Arm. »Bitte sieh mich an, Valerie.«

Ich blickte ihm in diese braunen Augen, denen ich früher alles geglaubt hatte. »Spuck’s schon aus, was wolltest du von mir?«

»Dich um etwas bitten.«

Fragend sah ich ihn an.

»Dass du dir während deines Schottlandurlaubs überlegst, ob du nicht doch noch den klitzekleinen Hauch einer Chance für uns beide siehst. Wir könnten uns gemeinsam eine neue Wohnung suchen. In der Nähe deiner Arbeit, oder wohin auch immer du möchtest.«

Erik wusste noch gar nichts davon, dass ich meinen Job gekündigt hatte, um im Ausland zu arbeiten. Er wusste im Grunde so wenig von mir. »Ich denke, du hast eine neue Freundin?«, fragte ich dennoch.

»Hatte ich auch, aber nachdem wir beide gechattet hatten, hab ich gemerkt, dass ich mir nur etwas vormache. Ich weiß, es fällt dir wahnsinnig schwer, mir zu verzeihen, aber ich bitte dich: Wenn du noch etwas für mich übrig hast, dann gib uns noch eine Chance. Ich möchte wieder gutmachen, was ich getan habe. Die Sache mit Josefin war dumm und falsch und überhaupt nicht so, wie ich eigentlich bin.«

»Würdest du sogar in meine Zweizimmerwohnung ziehen?«, fragte ich aus Spaß an der Provokation. Das hatte er vor fünf Jahren rigoros abgelehnt. Meine Wohnung wäre nach seinem Industrieloft ein Rückschritt gewesen, und den wollte er auf keinen Fall gehen.

Erik fasste nach meinen Händen und drückte sie. »Würde ich. Sofort. Noch heute.« Sein Blick bat um Verzeihung. »Ich weiß, dass diese Josefin-Geschichte nur die Spitze des Eisbergs war, und dass ich dich schon eine ganze Weile vorher nicht gut behandelt habe.«

Ich sah ihn irritiert an. Worauf spielte er an? Er konnte doch nicht …? Mein Herz stolperte. Nein. Er konnte nicht wissen, was geschehen war. Ich hatte niemandem davon erzählt.

»Besonders, was deine Schreiberei betrifft. Ich hab dir mit meiner Wut über deinen ersten Roman unrecht getan. Dabei hast du mich gar nicht so lächerlich dargestellt, wie ich es aufgefasst habe.« Er hob die Schultern. »Ich war über alle Maßen eitel und egoistisch.«

Sein Blick erinnerte mich an die guten Zeiten, die wir miteinander erlebt hatten. Anfangs war ich so verliebt in diese tiefen Grübchen und die lieben Augen. In seine zarten Hände und in seine Küsse. In die Art, wie er mich ansah und für Dinge bewunderte, die ich selbstverständlich fand. Zum Beispiel selbst dann freundlich zu Hotelgästen zu sein, wenn sie sich dem Personal gegenüber im Ton vergriffen.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, erwiderte ich leise.

Was er sagte, berührte mich. Seine wiederholten Liebesschwüre, seitdem ich unsere Beziehung beendet hatte, prallten nicht an mir ab. Ich hatte noch Gefühle für ihn, jetzt, wo er mich so inständig um einen Neuanfang bat. Es wäre leicht gewesen, seine Hand zu nehmen, mich zu ihm hinüberzubeugen und ihn zu küssen. Ich sehnte mich in diesem Moment sogar danach, genau das zu tun. Aber was dann? Würden wir wieder zusammen sein? Und was sollte aus meinen Plänen werden, im Ausland zu arbeiten? Würden wir eine Fernbeziehung führen?

»Es müsste sich etwas Grundlegendes zwischen uns verändern, weißt du?«, sagte ich.

Eriks Handy piepte, und er griff geistesabwesend danach, nahm den Anruf entgegen. Fragte einen Bernd, was es Neues gab.

Den Namen Bernd kannte ich noch nicht. Wären wir zusammen gewesen, hätte ich es gewusst, und wenn nicht, dann hätte ich ihn gefragt. Erik hätte mir erklärt, welche Funktion dieser Bernd in der Firma – oder vielleicht war es auch ein Kunde – hatte, was für ein Typ Mensch er war, ob er ihn mochte oder nicht.

Doch so traurig es war: Es interessierte mich nicht mehr. Ich wollte nicht wissen, wer Bernd war. Das Aufflammen meiner alten Gefühle für Erik war so schnell wieder vorbei, wie es gekommen war.

Die Tür zum Behandlungszimmer wurde geöffnet, und eine junge Frau im weißen Kittel nannte meinen Namen.

Ich nickte ihr zu und stand auf. Erik signalisierte mir mit einer Handbewegung, dass er genau hier auf mich warten würde.

Zumindest darüber war ich ganz froh.

7

Es ist keine Option, nicht zu fahren, damit das schon mal klar ist«, widersprach ich Susas Einwand, in meinem Zustand auf keinen Fall verreisen zu können. Zumindest nicht allein.

Ich hockte wieder einmal in ihrer Küche. Von der Unfallklinik hatte ich ein Taxi genommen, und Erik war mit der U-Bahn in die Innenstadt gefahren, um sein demoliertes Fahrrad bei Herrn Brehm abzuholen. Mein Hausmeister hatte es in unserem Keller untergestellt.

Vorsichtig tastete ich an dem Pflaster auf meinem rechten Oberarm entlang und sah meine Freundin verzweifelt an. »Wieso passiert mir so etwas immer? Wieso geht immer alles schief?«

Susa hob die Augenbrauen. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich übertrieb. Denn abgesehen von der gescheiterten Beziehung mit Erik wusste sie nicht, was sonst noch in meinem Leben so tragisch schiefgelaufen war. »Natürlich ist es bescheiden, dass du dir kurz vor deiner Reise die Schulter geprellt hast. Aber davon geht doch die Welt nicht unter. Verschiebst du sie eben.«

Der Klinikarzt war nicht begeistert von meinen Urlaubsplänen gewesen. Ich sollte den Arm ruhig halten, um die Schulter zu entlasten und der Wunde eine Chance zu geben, abzuheilen. Er hatte mich für den Rest der Woche krankschreiben wollen, aber das ging nicht. Erst krankfeiern und dann ab in den Urlaub … das war nicht meine Art. Aber für den nächsten Tag hatte er darauf bestanden. Worüber ich gerade ganz froh war, denn inzwischen tat mir nicht nur die Schulter, sondern mein ganzer Körper weh.

Mit einem Schluck Wasser spülte ich eine zweite Schmerztablette hinunter und jammerte weiter. »Zuerst lasse ich mir die Haare im Stil von Eriks neuer Freundin verlängern, dann verbringe ich mit ihm den Nachmittag in der Notaufnahme, wo er ungehindert versuchen kann, mich weichzukochen.«

»Anscheinend ist es ihm sogar gelungen«, entgegnete meine Freundin und deutete mit dem Kinn auf mein Pflaster. Mitten darauf prangte ein rotes Herz in der Größe einer Briefmarke. Erik hatte es sich nicht nehmen lassen, sich von der Dame an der Notaufnahme einen Edding zu leihen und seine Pinkelmarke zu hinterlassen. Wahrscheinlich stand ich noch unter Schock, als ich es zuließ.

»Ist es ihm nicht«, widersprach ich. »Ich werde nicht wieder dahin zurückgehen, wo ich vor sechs Monaten stand. Ich möchte mein eigenes Leben leben und diese Reise antreten, ohne andauernd an Erik denken zu müssen.«

Wütend wandte ich den Kopf, um das Pflaster besser sehen zu können, und betrachtete die wacklige Zeichnung. Das Herz sah aus, als hätte es ein Kind gekrakelt.

»Wohin fährst du nochmal?«, fragte Miri, die in diesem Moment die Küche betrat und meine letzten Worte aufgeschnappt hatte. Jetzt musterte sie mich erstaunt. »Was ist denn mit dir passiert?« Sie griff sich an den Kopf. »Wow, das ist ja mal ein Look. Voll ungewohnt!«

Mein »Look« war noch immer der völlig derangierte Knoten. Wie sollte ich ihn eigentlich richten, wenn ich die Schulter keinen Millimeter heben konnte?

»Nach Schottland«, beantwortete ich den ersten Teil ihrer Frage. »Und falls du das Pflaster auf meiner Schulter meinst: Ich hatte einen kleinen Zusammenstoß.«

»Schottland«, wiederholte Miri andächtig. »Stimmt, du hast davon erzählt.« Nun sah sie in die Ferne und strahlte mich plötzlich an: »O mein Gott! Outlander! Die Story spielt doch da? Wow. Das wäre ja mal nur cool. Was hältst du davon, wenn ich mitkomme?«

Ich nahm ihren Vorschlag nicht ernst. »Ich fahre nicht zu irgendwelchen Steinkreisen, um mir die Schauplätze von Outlander anzusehen, sondern von Edinburgh aus mit ein paar Zwischenstopps zur Isle of Skye. Auf diesem Weg gibt es so etwas gar nicht.« Der größte Steinkreis lag meines Wissens auf der Insel Lewis. So weit nach Norden wollte ich nicht.

Miri setzte sich neben ihre Mutter und legte die Hände auf der Tischplatte ab, beugte sich zu mir nach vorn. »Aber man könnte bestimmt einen Abstecher zu diesen Steinkreisen machen, wo damals alles passiert ist?«

Susa kicherte. »Wo damals alles passiert ist? Miri-Schätzchen, diese Story ist fiktiv. Es gibt keine Zeitenwandler.«

Miri wischte den Einwurf ihrer Mutter beiseite. »Die Steinkreise gibt es trotzdem. Und bestimmt gibt es einen Shop. Mit Souvenirs und Fanartikeln!« Sie klatschte in die Hände. »Alter, das wäre total super.« Erwartungsvoll sah sie mich an. »Nimmst du mich mit? Das wäre zu geil.« Ehe ich etwas erwidern konnte – dazu war ich zu entsetzt –, sah sie Susa an. »Du und Papa, ihr wärt doch sogar froh, wenn ich nicht mit euch kommen würde! Und ich war doch schon öfter mit Valli weg. Da habt ihr auch nie was dagegen gehabt!«

Susa blies die Wangen auf, als wollte sie widersprechen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken, genau wie mir.

Ich warf meiner Freundin einen flehenden Blick zu. Sie musste etwas sagen. Das hier war doch eine ganz andere Nummer als ein Wochenende im Europapark. Warum sagte sie nichts? Ich konnte meinem Lieblingsmädchen nichts abschlagen, das wusste sie genau!

Susa aber hob die Schultern und sah mich unschuldig an. »Wir müssten natürlich noch Papa fragen, und der wäre wahrscheinlich sehr enttäuscht, wenn du nicht mitkommst … Aber jetzt, wo Valli verletzt ist und dringend Hilfe braucht …«

Miri stieß einen spitzen Schrei aus und umarmte ihre Mutter. Meine Freundin zuckte richtig zusammen, und was mich betraf: Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Was wurde hier denn gerade ohne meine Zustimmung beschlossen?

Schon war ich an der Reihe. Miri lief um den Tisch und umarmte mich, ich stöhnte schmerzhaft auf, und sie entschuldigte sich, gab mir einen Kuss auf die Wange. »O mein Gott! Wir fahren zu den Steinkreisen und sehen uns Loch Ness an, ja?« Sie sah in die Ferne, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Wann finden die Highlandgames statt? Haben die da nicht so lustige Spiele wie Baumstammweitwurf und solche Sachen?«

Nahm sie mich auf den Arm? Mit allem? Ich wollte »Komm, hör auf mit dem Quatsch!« rufen – doch mir blieb nur der Mund offen stehen.

Susa nickte Miri anerkennend zu. »Das Internet ist ja doch für was gut. Du weißt Sachen über Schottland, von denen ich noch nie etwas gehört habe.«

Miri stieß noch einen spitzen Schrei aus. »St. Andrews! Valli, wir müssen auch unbedingt nach St. Andrews!«

»Findet dort die Tauzieh-Weltmeisterschaft statt?«, fragte ich matt.

Die Tochter meiner Freundin sah mich entrüstet an. »Dort haben Prinz William und Kate Middleton sich kennengelernt!«

Tatsächlich hätte ich es wissen müssen. An jenem Samstag, als die Royale Hochzeit der beiden stattfand, hatten wir drei uns das Spektakel im Fernsehen angeschaut, während Tobi den Garten auf Vordermann brachte. Aber ich kaute noch viel zu sehr daran, so überrumpelt zu werden.

»Gibt es dort ein William-und-Kate-Kennenlernmuseum?«, fragte Susa, die anscheinend nichts von meiner inneren Aufruhr mitbekam.

Miri verdrehte die Augen. »Nur das Café, in dem sie sich getroffen haben. Aber das Örtchen muss total cosy sein. Kleine Häuschen direkt am Meer und so.«

»Ich sage nur: Husum«, entgegnete ihre Mutter. »So ein entzückendes Städtchen. Und man spricht Deutsch.«

Miri beachtete ihre Mutter gar nicht. »Wenn wir dort sind, sagst du bitte ›Miriam‹ zu mir, Valli.« Sie sprach ihren Namen englisch aus, mit einem versnobten Unterton. Mein Spitzname hingegen klang sehr unroyal, doch das schien Miri nicht zu stören. Sie hatte mich schon als Kind immer nur »Valli« genannt.

»Wieso nicht gleich ›Lady Miriam‹?«, setzte ich nach.

Miri ließ sich nicht beirren. »Ohne Mama und Papa zu verreisen wäre wirklich das Geilste.« Treuherzig blickte sie mich an. »Ich würde natürlich immer auf dich hören, wie sonst auch, versprochen.«

Jetzt war es an Susa, laut aufzulachen. »Keine Versprechungen, die du nicht halten kannst!«

Miri legte vorsichtig ihre Arme um mich und presste ihre Wange an meine. »Hab ich dir übrigens schon gesagt, dass dein neues Parfum sehr lecker riecht?«, hauchte sie.

Ich lachte unglücklich. »Du willst mich bloß um den Finger wickeln.«

Miri hob beide Hände. »Ich sage bloß die Wahrheit!«

Nachdem auch Susa das Lob auf meinen neuen Duft bestätigte und mir zusammen mit Miri das Haar zu einem neuen Knoten gebunden hatte, schien Miris Mitkommen nach Schottland beschlossene Sache. Merkte Susa eigentlich nicht, dass meine geprellte Schulter schon schlimm genug war? Aber ich kam aus dieser Nummer nicht mehr heraus. Miris unbändige Freude hatte mich besiegt.

Mein Handy vibrierte, und ich sah aufs Display. Eine Nachricht von Rosina.

Erik hat mir gesagt, was ist passiert mit deine Schulter und dass du nicht kannst Autofahren. Weißt du, warum ist passiert? Schicksal. Damit ich komme mit und bin Fahrerin. Siehst du. Alles wird gut.

Ein paar Stunden später steckte ich erschöpft und fluchend den Schlüssel ins Schloss meiner Wohnungstür. Mit links war das gar nicht so einfach. Und wenn ich dafür noch längere Zeit benötigte, würde es nicht lange dauern, bis Rosina von meiner Heimkehr Wind bekam. Es war nach einundzwanzig Uhr. Tobi hatte noch den Grill angeworfen, Susa einen Nudelsalat zubereitet. Meine Wenigkeit lag derweil im Liegestuhl auf ihrer Terrasse, während Miri mir Getränke reichte. Mein Patenkind zeigte sich von ihrer allerbesten Seite, wie um mir zu beweisen, dass sie die richtige Urlaubsbegleitung für mich wäre.

Zu meinem Verdruss hatte nicht einmal Tobi Einwände angemeldet. Susa und er wirkten hinsichtlich der Aussicht, ihre Tochter los zu sein, wie frisch verliebt. Und so ließ ich davon ab, ihnen begreiflich zu machen, wie ungelegen mir das alles kam. Ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln, dass sie dachten, sie täten mir einen Gefallen, wussten sie doch gar nicht, worum es auf dieser Reise wirklich ging. Wovon – außer von Erik – ich mich noch verabschieden wollte. Für immer.

Endlich ließ sich die Tür öffnen, und ich schlüpfte in meine Wohnung, erleichtert, Rosinas neugierigen Blicken entkommen zu sein. Auf ihre Nachricht hatte ich nicht reagiert. Was sollte ich auch auf so einen Unfug entgegnen? Ich benötigte keine Fahrerin. Zur Not blieb ich etwas länger in Edinburgh, nahm anschließend einfach den Zug nach Skye und ließ stattdessen auf dem Weg ein paar Schlösser, Burgen und Museen aus. Von wegen Steinkreise, Loch Ness und St. Andrews. Mein Reiseplan stand fest!

Und ganz abgesehen davon: Wer sollte sich denn um meine Wellensittiche kümmern? Wir hatten ausgemacht, dass Rosina diesen Job übernehmen würde, weil Susa zeitgleich an der Nordsee weilte.

Im Stillen ahnte ich, was Rosina mir vorschlagen würde. Das Ganze erschien mir allmählich wie ein Komplott. Wahrscheinlich hatte sie Erik auf mich angesetzt, nachdem sie meine neue Haarpracht erblickt hatte. Noch immer war sie der unumstößlichen Meinung, ich wollte der Tatsache, dass ich Erik noch immer liebte, nicht ins Auge sehen und befände mich deshalb in besorgniserregendem innerlichen Aufruhr. Da konnte sie mir viel von irgendwelchen problemgeplagten Schotten vorgaukeln, die ich angeblich treffen würde. Wahrscheinlich hatte sie mich damit von meiner Reise nur abschrecken wollen.

Und Erik seinerseits behauptete nur deshalb, er mache sich Sorgen um Rosina, damit ich leichter einzufangen war, da war ich mir inzwischen sicher.

Natürlich hatte er mich nicht absichtlich umgefahren, das wollte ich ihm nicht unterstellen. Aber gelegen kam es sowohl ihm als auch Rosina trotzdem.

In meiner Küche ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. Es würde ein Akt werden, mich umzuziehen, geschweige denn zu duschen. Und das auch noch mit dieser ungewohnten Menge an Haaren. Doch ich war wild entschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen.

8

Am nächsten Morgen betrachtete ich die Sache nicht mehr ganz so optimistisch. Jede Bewegung und jeder Schritt taten mir weh. Die Schramme auf meiner Schulter pochte, und inzwischen zeigte sich unter meinem rechten Auge ein dunkler Schatten. Die Nacht über hatte ich kaum geschlafen. Ich schluckte zwei Schmerztabletten und lehnte mich benommen gegen die Anrichte.

Wie sollte ich die Kaffeemaschine bedienen, wie mir ein Toastbrot schmieren? Abends bei Susa hatte sie alles für mich erledigt, aber jetzt, auf mich allein gestellt, war ich aufgeschmissen. Gut, vielleicht würde ich mich halbwegs daran gewöhnen und mich mit der Zeit nicht mehr ganz so schwertun. Die Schmerzen ließen hoffentlich bald nach.

Im Bad benötigte ich eine Ewigkeit, und beim Zähneputzen bekleckerte ich mich wie ein kleines Kind. Ich verschluckte einen wütenden Schrei, starrte knurrend mein Spiegelbild an, das an eine Barbiepuppe erinnerte, der jemand wider besseres Wissen das künstliche Haar toupiert hatte. Als ich mich wieder beruhigt hatte, zog ich stöhnend meinen Bademantel über und klingelte bei Rosina.

Als sie öffnete, sagte ich: »Ich weiß nicht mehr weiter.« Und dann kullerten die Tränen. Dabei wollte ich das überhaupt nicht.

Rosina führte mich wortlos in ihr Wohnzimmer, das ihr auch als Therapieraum diente, und half mir auf eine weiche, am Boden liegende Matte. Behutsam bettete sie ein Kissen unter meinen Kopf und entzündete ein Räucherstäbchen.

Nun setzte sie sich im Schneidersitz neben mich. »Schließ die Augen«, forderte sie mich mit sanfter Stimme auf.

Sie roch wieder so pudrig und rein, kein Wunder, dass die Leute ihr alles erzählten, was ihnen auf der Seele brannte. Nur bei mir hatte es bisher noch nie Klick gemacht.

Zu meiner Überraschung sprach sie kein weiteres Wort.

Zögernd öffnete ich ein Auge und schielte zu ihr herüber.

Sie lächelte mich an. »Geht es dir besser?«

Ich nickte und schloss wieder die Augen. »Ich werde die Reise absagen müssen. Mit meinem Handycap tue ich mir wirklich keinen Gefallen.«

In dem Fall wäre ich auch die Sorge mit Miri los.

»Unsinn. Nimmst du mich mit, wie ich schon habe geschrieben. Wie Pflegerin.«

»Ich halte das für keine gute Idee.«

»Warum nicht?«

»Weil ich mir nicht sicher bin, ob das mit uns beiden gutgeht«, antwortete ich.

Rosinas Augen weiteten sich. »Aber wieso? Sind wir gute Team. Ich helfe dir, du hilfst mir.«

»Außerdem solltest du die Wellensittiche versorgen, schon vergessen?«

Rosina setzte an, etwas zu erwidern, doch ich unterbrach sie: »Ich weiß genau, was du sagen wirst, Rosina«, gab ich meine Vermutung preis. »›Geben wir die Wellensittiche doch Erik, er kann sich um sie kümmern‹, wirst du sagen.«

Rosina sperrte den Mund auf. »Aber das ist fantastische Idee!«, rief sie. »Ich wollte vorschlagen, geben wir Wellensittiche Bekannte von mir, wo wohnt nicht weit, aber Erik ist noch viel besser: Tiere kennen ihm schon.«

Ich wies ihren Einwand zurück. »Du wirst sie nehmen, genau so, wie es verabredet war.«

Rosina nahm mich sanft beim Arm. »Sagst du, Valeria«, erklärte sie mit ernstem Gesichtsausdruck, »hast du bessere Idee wie das? Wie willst du schaffen? Ich glaube dir nicht, dass du willst Reise absagen. Dazu du hast dich gefreut zu lange Zeit.«

Mir traten die Tränen in die Augen. »Das alles ist ein einziger Albtraum!«

»Aber nein. Kann werden sehr schöne Zeit. Wirst du gar nicht merken, dass ich bin dabei.«

Ich seufzte und wischte mir mit der linken Hand die Tränen aus den Augenwinkeln. »Es kommt aber noch jemand mit.«

Rosina sah mich fragend an, und da erzählte ich ihr, wie Susa sich ihr Liebes-Comeback mit Tobi vorstellte.

Meine Nachbarin griff sich an die Brust. »Siehst du, wie arbeitet Schicksal für mich und deine Freundin? Wollte ich nicht noch einmal wiederholen, aber weißt du, ich muss wirklich auch weg von hier. Wenn du bist nicht da, weiß ich nicht, was wird passieren.«

Stöhnend richtete ich mich auf und sah sie an.

»Meinst du deinen Stalker? Jetzt sag doch mal, was hat er denn nur gegen dich in der Hand? Er schien halbwegs umgänglich zu sein, hat gestern sogar einen Krankenwagen gerufen. Was will er von dir, das sich nicht regeln lässt?«

»Ich kann dir nicht sagen. Ist, wie sagt man, zu heikel.« Rosina knabberte auf ihrer Unterlippe. »Vielleicht du würdest mich verurteilen. Und nicht mehr mit mir sprechen.«

Ich lachte. »Bin ich ein solcher Moralapostel? Du wirst ja niemanden umgebracht haben …?« Und wen interessierte das überhaupt, wenn es in einem früheren Leben geschehen war?

Rosina schüttelte den Kopf.

»Na also. Du kannst mir ruhig sagen, was er von dir will. Vielleicht finde ich ja sogar eine Lösung für deine Situation. Immerhin hätten wir uns mit ihm zusammensetzen können, aber das hast du ja abgelehnt. Vielleicht wäre die ganze Sache schon aus der Welt?«

»Nein, wäre nicht«, widersprach sie. Plötzlich schwammen ihre Augen in Tränen. »Er will etwas, das ich ihm niemals kann geben.«

»Also doch Geld?«

»Nein.« Jetzt presste sie die Lippen zusammen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739445038
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Liebesroman Highlands Inselroman Ferienlektüre Reiseroman England Urlaubsroman Schottland Familiensaga Bergroman

Autor

  • Stina Jensen (Autor:in)

STINA JENSEN schreibt Insel- und Gipfelromane, romantische Komödien und Krimis. Sie liebt das Reisen und saugt neue Umgebungen in sich auf wie ein Schwamm. Meist kommen dabei wie von selbst die Figuren in ihren Kopf und ringen dort um die Hauptrolle in ihrem nächsten Roman. Wenn sie nicht verreist, lebt die Autorin mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.
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Titel: GIPFELrot