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Die Gefährtin des Wolfes

Ein paranormaler Liebesroman

von Eliza Moon (Autor:in)
60 Seiten

Zusammenfassung

Was passiert, wenn die Liebe deines Lebens ein glücklicher Single ist?

Die Gestaltwandler-Bärin und Jungfrau Iduna Hudson will keinen Gefährten, aber sie möchte ein Baby. Sie hat sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen und ist bereit für das Leben als alleinerziehende Mutter. Wer braucht schon einen Mann?

Werwolf Stephen Jackson ist sich dessen bewusst, dass seine einzige Chance auf eine Familie darin besteht, die Frau aufzuspüren, die sein Sperma erhalten hat. Sein Wolf weiß sofort, dass er seine Gefährtin gefunden hat, als er sie sieht.

Aber Liebe ist keine Option. Iduna ist viel jünger als Stephen. Hinzu kommt, dass die Beziehung zwischen Wölfen und Bären bestenfalls angespannt ist. Und es waren nicht die besten Zeiten.

Es brechen mörderische Zeiten für Stephen und Iduna an, als sie den brutalen und bewaffneten Anti-Gestaltwandler-Fanatikern von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten.

Stephen sucht allerdings bereits seit Jahrzehnten nach seiner Gefährtin und wird nun, da er sie endlich gefunden hat, nicht aufgeben. Selbst wenn das bedeuten sollte, dass er den Kampf seines Lebens führen muss.

Können Stephen und Iduna ihren Feinden entkommen? Können sie sich und ihr Baby retten? Wird Liebe Hass überwinden?

Dies ist eine eigenständige Geschichte mit kurvigen Frauen, Formwandlern, Magie und Action. Es gibt ein Happy End, also keine Cliffhanger.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1 – Iduna

Es war ein wunderschöner Tag im südlich gelegenen Landesinneren von British Columbia, Kanada. Die Berge waren grün und gelb gesprenkelt. Der Kontrast zwischen den Laub- und Nadelbäumen zeichnete einen malerischen Übergang von Sommer zu Winter. Iduna Hudson saß auf einer Parkbank direkt vor der Bibliothek und zog es ausnahmsweise vor, die Natur zu genießen, anstatt ihre Nase in ein Buch zu versenken.

Es half, dass sie allein war. Niemand gab vor, an einem Gespräch interessiert zu sein, nur um die Konversation dann plötzlich uninteressiert abzubrechen, wenn sie darüber sprechen wollte, warum die Blätter im Herbst ihre Farbe wechselten.

Ein Tritt ihres ungeborenen Babys ließ sie zusammenzucken, die Bärin legte eine Hand auf ihren Bauch. Nach acht Monaten Schwangerschaft wollte sie die letzten vier Wochen einfach nur noch hinter sich bringen. Sie war es leid, schwanger zu sein. So sehr sie auch das Gefühl genoss, ein Lebewesen in sich heranwachsen zu lassen, so sehr wollte sie die Rückenschmerzen, die geschwollenen Füße und die Weigerung ihres Körpers, es sich nachts bequem zu machen, nun auch wieder loswerden.

Aber sie bedauerte die Entscheidung, schwanger geworden zu sein, keineswegs. Sie wollte ein Kind – und das sollte sie auch haben.
Iduna atmete die frische Luft tief ein. Ihre kleine Gestaltwandler-Bärengemeinde, die hauptsächlich aus Landwirten und Obstbauern bestand, die es bevorzugten, ihre Arbeit zu Fuß oder mit ihren Bären zu erledigen, lag relativ abgelegen. Nur sehr selten benutzen die Leute der Gemeinschaft Fahrzeuge, obwohl jeder ein Auto hatte. Das führte dazu, dass nicht nur die Luft sauber und frisch, sondern die Gemeinschaft zudem auch gemütlich und ruhig war. Dies war einer der Gründe, warum Iduna es so liebte, hier zu leben. Sie konnte frei atmen, ohne sich über ihre Gesundheit Gedanken machen zu müssen.

Ein unbekannter Geruch flatterte ihr vor die Nase und sie drehte sich um.

Ihre Augen öffneten sich weit und ihr Herzschlag schoss nach oben, als sie den Mann erblickte, der auf sie zulief. Er war kein Bär, soviel war klar. Er ging mit einem gewissen Grad an Beherrschtheit und Grazie, es handelte sich nicht um die bleifüßigen Schritte, die sie gewohnt war. Sein dunkles Haar war an wenigen Stellen bereits ergraut, um seine Augen herum zeichneten sich Krähenfüße ab. Iduna schätzte, dass er so um die vierzig sein musste. Sein leicht blasser Hautton ließ darauf schließen, dass er wohl eher im Büro als draußen arbeitete.

Er war einfach wunderschön. Iduna befahl ihrem Herzen, langsamer zu schlagen. Ihre Reaktion beunruhigte sie etwas. Es gab so viele gutaussehende Männer in der Gemeinschaft, warum wurden ihre Hormone gerade jetzt in Wallung gebracht? Das war an und für sich schon seltsam. Sie konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie sich sexuell von jemandem angezogen fühlte.

Na ja, es würde auch wieder schnell vorbeigehen. Sowie sie ins Gespräch kämen, würde er klingen wie ein Idiot und ihre Anziehung würde genauso schnell wieder vergehen wie sie zuvor aufgeblüht war.

„Hallo“, sagte sie.

„Hallo.“ Er nahm seine Baseballkappe ab. „Bist du Iduna Hudson?“

Iduna blinzelte überrascht. „Kennen wir uns?“

„Nein. Ich . . . ich weiß, es ist seltsam und ich entschuldige mich, wenn ich dir Unannehmlichkeiten bereite. Aber ich bin der Spender.“

Was für ein Spender? Iduna schnappte nach Luft; ihr Baby begann wieder zu treten. Ihre Augen öffneten sich weit. Natürlich. „Du meinst den Samenspender, den ich für meine künstliche Befruchtung ausgewählt habe?“

„Ja, ich bin der Spender.“

„Ich verstehe.“ Sie blickte ihn prüfend an und nickte. Er war genauso so, wie es ihr in der Klinik versichert worden ist. „Wie hast du mich gefunden?“

„Du hast einige Papiere unterschrieben, die es der Klinik erlaubten, mir deine Kontaktdaten zu geben. Darf ich mich setzen?“
Iduna nickte und rückte zur Seite, um Platz für ihn zu schaffen. Der Mann setzte sich hin. Jetzt, da er näher war, erkannte die Bärin, wonach er roch: Es war ein würziger Duft, vermischt mit Druckerfarbe. Unbewusst beugte sie sich nach vorne, um seinen Duft zu erschnüffeln. Ihr Herzschlag beschleunigte sich wieder und sie spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Ihre Reaktion überraschte und ängstigte sie ein wenig.

Sie hatte sich trotz ihres jungen Alters letztendlich für die künstliche Befruchtung entschieden, da sie mit ihrem Kind all die Dinge unternehmen wollte, die ihre Eltern mit ihr nicht erleben konnten. Alle hatten sie gefragt, warum sie sich für diese Methode entschieden habe, anstatt den richtigen Partner zu suchen und finden. Die Antwort war einfach. Sie kannte meilenweit jeden Gestaltwandler-Bären und zudem auch einige Menschen-Männer. Der Richtige war nicht dabei. Niemand hatte ihr Blut bisher so in Wallung gebracht wie dieser Mann.

Und sie kannte nicht mal seinen Namen.

„Du bist ein Wolf!“, rief sie plötzlich überrascht. Sie hatte diesen unverkennbaren Hundegeruch bei ihm festgestellt. „Oder du lebst mit einem zusammen.“

„Ich bin ein Wolf“, bestätigte er. „Hat dir die Klinik das nicht mitgeteilt?“

Sie schüttelte ihren Kopf. Sie hatte nach einer Gestaltwandler-Bärenspende verlangt, aber anscheinend wurden die Proben vertauscht, oder es hatte sich einfach niemand genügend Mühe gegeben. Angesichts der Art und Weise, wie sie behandelt wurde, nachdem sie bekanntgegeben hatte, eine Gestaltwandler-Bärin zu sein, würde sie Letzteres kaum wundern. Anti-Gestaltwandler-Strömungen gab es hier überall.

„Ok.“ Iduna schaute ihn an. „Wie heißt du?“

„Entschuldige. Ich heiße Stephen Jackson.“

„Stephen. Das bedeutet Krone, Ehre. Ein königlicher Titel. Griechisch.“

„Wirklich? Das wusste ich nicht.“ Stephen lächelte entspannt. „Ich glaube nicht, dass ich irgendeinen griechischen Vorfahren habe, aber der Name meines Großvaters war Stephen. Seltsam, wenn man darüber nachdenkt, wie Namen sich so weit von ihren Ursprüngen entfernen können.“

Iduna nickte. „Ja, es ist erstaunlich wie Namen durch ganze Kulturen wandern können. Aber warum bist du hier? All deine Spenderdaten waren unter Verschluss. Ich dachte, das bedeutet, dass du nicht kontaktiert werden möchtest.“

„Ich wollte das zuerst auch nicht. Zum Zeitpunkt der Spende war ich . . . rustriert. Ich hatte keine Frau. Aber der Gedanke, trotzdem ein Kind zu haben, der gefiel mir.“

„Und warum hast du jetzt versucht, mich zu finden?“
Stephen drehte sich von ihr weg. „Ich hatte kürzlich einen Unfall und kann nun keine Kinder mehr zeugen.“

„Oh“, Iduna schlug ihre Hände auf die Schenkel. Eine Welle an Mitgefühl vermischt mit einem Hauch Enttäuschung rann durch ihren Körper. Aber worüber war sie enttäuscht? „Nur unfruchtbar oder auch impotent?“

Stephens Kinnlade fiel hinunter. „Was?“

„Kannst du noch Sex haben?“

Iduna zog ihre Stirn in Falten. Es handelte sich hier um eine einfache, direkte Frage, oder nicht? Warum war er so schockiert? Manchmal verblüfften Leute sie einfach.

„Ich, mmm . . . “

„Ich habe etwas Falsches gesagt, oder?“ Iduna biss sich auf die Lippen. „Das passiert mir öfter. Meine Mami sagt, ich hätte keinen Filter.“

„Mami? Wie alt bist du?“

„Fünfundzwanzig. Ich finde Mami klingt einfach besser als alle anderen Koseformen für ‚Mutter‘.“

„Ich . . . verstehe.“ Stephen strich sich mit einer Hand durch sein dunkles, grau werdendes Haar.

„Also, um deine Frage zu beantworten . . . Ich kann keine Kinder mehr haben. Und deshalb habe ich versucht, dich zu finden. Ich erhoffe mir, irgendwie am Leben des Babys teilnehmen zu können. Ich wollte immer schon Kinder haben und das hier ist jetzt meine Chance.“

Iduna biss sich auf die Lippen, um nicht sofort mit einem Ja herauszuplatzen. Sie konnte ihre Entscheidung nicht darauf begründen, dass sie sich sexuell zu ihm hingezogen fühlte. Eine Entscheidung, die auf Hormonen beruht, kann keinen guten Ausgang haben.

Wir müssen uns erst mal besser kennenlernen“, entschied sie. „Wenn du am Leben des Babys teilhaben möchtest, bist du auch ein Teil meines Lebens und ich will sichergehen, dass unsere Charaktere zueinanderpassen, bevor wir irgendeine Entscheidung treffen.“

„Das klingt fair“, sagte Stephen. „Ich meine, ich verstehe voll und ganz, falls du das nicht willst. Du hast dich ja sicherlich nicht ohne Grund zu einer künstlichen Befruchtung entschieden.“

Ihr Gesicht verdunkelte sich. Ihre Eltern hatten ihr über zwei Jahre hinweg regelrecht verboten, die künstliche Befruchtung durchführen zu lassen, damit sie sich ihrer Entscheidung wirklich sicher sein konnte. Fakt war, dass all ihre Bekannten in ihrem Alter bereits einen festen Partner gefunden hatten. Fünfundzwanzig war sicherlich kein Alter, aber sie hatte ihr Leben durchgeplant. Da gab es einfach keine Zeit, auf jemanden zu warten. Die Chancen, dass es überhaupt einen richtigen Gefährten für sie gab, liefen gegen Null.

Außerdem mochte sie es nicht, unter Leuten zu sein. Sie würde ihm alles erzählen wollen und würde ihn wahnsinnig machen, wie sie alle um sich herum immer wahnsinnig machte. Ein Gefährte wäre nur eine weitere Person, die sie nicht wirklich verstehen würde.

„Ich habe keinen Partner und ich halte auch nach keinem Ausschau“, antwortete sie ein wenig barscher als nötig. „Ich war gerade auf dem Weg nach Hause. Du kannst mitkommen und meine Eltern kennenlernen.“

Stephen hatte diesen ihr vertrauten, überraschten Gesichtsausdruck, den Leute bekamen, wenn sie für eine Weile mit ihr sprachen, aber er drückte seine Freude über die Einladung durch ein Lächeln aus.

„Gut“, Iduna nickte. „Dann lass uns losgehen.“

***

Das Haus der Hudsons lag in der Stadtmitte. Oder zumindest im Wohngebiet der Stadt. Von hier aus brauchte man nur ungefähr zehn Minuten zum Supermarkt, fünfzehn Minuten zur Hauptstraße, zwanzig zu Idunas Lieblingsrestaurant und vierzig zur Bibliothek. Fünfundsechzig Minuten, wenn Mrs. Hart sie auf der Straße sah und alle Einzelheiten über das Blumengeschäft ihres Vaters wissen wollte.

Stephen bestand darauf, sie zu fahren, obwohl Iduna ihm versicherte, dass Bewegung für eine gesunde Schwangerschaft unerlässlich sei. Außerdem, sagte sie, bestünde bei einsetzenden Wehen für das Baby selbst jetzt keine Gefahr, da es bereits im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium sei. Aber aus irgendwelchen Gründen änderte diese Information seine Meinung nicht.

Ihre Eltern arbeiteten in ihrem Gewächshaus, wie sie es jeden Tag taten, seit sie sich als Lehrer der örtlichen High School zur Ruhe gesetzt und einen Blumenladen eröffnet hatten. Ihre Eltern schauten beide sehr besorgt aus, als Iduna ihnen Stephen vorstellte und ihnen mitteilte, wer er war und warum er da war. Ihre Mutter, Charity, schüttelte den Kopf, nachdem Iduna aufhörte zu sprechen.

„Ich weiß, das ist alles eine große Überraschung“, sagte Stephen. Es ist auch für mich überraschend. Aber ich möchte, dass sie wissen, dass Iduna alle Entscheidungen treffen soll, und dass ich sie alle respektieren werden. Unabhängig davon, ob sie mit meiner Meinung übereinstimmen oder nicht.“

Iduna griff nach der Hand ihrer Mutter. „Ich habe Stephen eingeladen, zum Abendessen zu bleiben.“

„Ich möchte mich keinesfalls aufdrängen“, sagte Stephen. „Oder Unannehmlichkeiten bereiten.“

Idunas Vater gab ein leises Geräusch von sich, eines, das man nur hört, wenn er verärgert ist. Aber ihre Mutter begann die Vermittlerrolle zu übernehmen. Sie lächelte Stephen an.

„Das ist gar kein Problem. Und du“, ihre Mutter schaute zu Iduna, „setz dich jetzt hin und leg deine Füße hoch. Nur weil du jedes existierende Buch über Babys gelesen hast, heißt das nicht, dass ich nicht weiß, wovon ich spreche. Ich hoffe, du hast heute bereits genügend Wasser getrunken?“

Iduna seufzte, aber ging ins Haus. Ihre Mutter folgte ihr. Ihr Vater und Stephen blieben noch draußen.

„Mr. Jackson und ich werden uns ein wenig unterhalten“, sagte Tyson.

Iduna konnte ihre Enttäuschung nicht zurückhalten. Das Letzte, was sie für Stephen wollte, war, dass ihr Vater ihn durch seine überfürsorgliche Art vergraulte.

Ihre Mutter wollte, dass Iduna sich im Wohnzimmer auf der Couch mit einem Kissen unter ihren Füßen hinsetzte. Sie setzte sich mit ihrem „Wir-müssen-reden“-Gesichtsausdruck daneben. Iduna wich zurück. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, aber ihre Eltern behandelten sie manchmal immer noch, als wäre sie ein Teenager – oder sogar noch jünger.

„An was denkst du?“, fragt ihre Mutter.

„Dass Wassereinlagerungen paradoxerweise von zu geringer Wasseraufnahme verursacht werden.“

Ihre Mutter seufzte. „Ich meine über diesen Jackson-Typ. Er ist bei weitem zu alt, dein Partner zu sein.“

„Mami, ich habe nie davon gesprochen, dass er jetzt mein Partner ist. Ich habe lediglich gesagt, dass er der Samenspender meines ungeborenen Kindes ist.“

„Ich habe gehört, was du gesagt hast. Aber ich habe auch gesehen, wie du ihn angeschaut hast. Er ist alt genug, dein Vater zu sein!“

Iduna blickte finster drein. „Er kann nicht viel mehr als fünfzehn oder zwanzig Jahre älter sein als ich. Realistisch gesehen könnte er also mein Vater sein, aber im Durchschnitt —“

„Nun werd‘ mir aber mal nicht frech.“

Das nun wieder. Iduna verschränkte ihre Arme und schwieg. Sie hatte nicht mal versucht, „frech“ zu sein, sie hatte einfach nur logische Schlussfolgerungen gezogen. Ihre Eltern waren Lehrer, sie sollten so etwas doch wissen. Hinzu kam, dass Iduna in einer Gemeinde aufwuchs, die sie als Besserwisserin abstempelte. Einfach nur, weil sie mehr wusste als die anderen. Aber es gab noch so viel, dass sie nicht wusste und gerne erfahren würde. Wenn sie nur alle wüssten, welche Gedanken sie für sich behielt . . . 

„Es geht darum, dass ich genau gesehen habe, wie du ihn angeschaut hast. Es ist derselbe Blick, den du hast, wenn eine neue Bücherlieferung an der Bibliothek eintrifft. Er ist zu alt. Du bittest jetzt Herrn Schickimicki, seine sieben Sachen zu nehmen und zu gehen, hast du mich gehört? Ich werde es nicht zulassen, dass solch ein Mann ein naives Mädchen wie dich ausnutzt.“

„Ich bin kein na—“

Das laute Geräusch eines Pistolenschusses unterbrach sie.

Kapitel 2 – Stephen

Stephen hatte Idunas Vater gerade seine Absichten bezüglich seiner Teilnahme am Leben des Kindes, und dass Iduna immer die absolute Entscheidungsmacht haben werde, zum wiederholten Male erklärt, als ihn der Knall eines Pistolenschusses aufspringen ließ. Bevor ihm überhaupt klar wurde, was passiert war, ertönten schon neue Schüsse. Er ließ sich instinktiv zu Boden fallen. Ein Kugelhagel schoss über seinen Kopf hinweg. Ein matschbespritzter Pick-up fuhr vorbei. Auf der Ladefläche saßen ein halbes Dutzend Männer, die mit Jagd- und halbautomatischen Gewehren in die Luft schossen.

Neben ihm ertönte ein markerschütterndes Brüllen. Tyson sprang auf, geschmeidiger, als Stephen es von jemandem mit so weißem Haar vermutet hätte, und verfolgte den Wagen. Seine Gestalt verwandelte sich nahtlos in die eines riesigen Bären mit glänzendem, braunem Fell.

Ein weiteres Brüllen ertönte aus dem Haus. Stephen sprang rollend zur Seite, um Charity nicht im Weg zu stehen. Er rappelte sich wieder auf die Knie. Überall rasten Bären aus ihren Häusern und rannten die Straße hinunter, um den Pick-up von allen Seiten anzugreifen. Die bewaffneten Männer, deren Gesicht mit Schutzbrillen und Schmutz verdeckt war, lachten nur und schossen mit ihren Gewehren weiter wild umher.

Stephen, noch etwas wackelig auf den Beinen, stand auf und rannte ins Haus.

„Iduna!“

Sie lag zusammengerollt mit den Armen um ihren Bauch im Wohnzimmer auf dem Boden und starrte mit aufgerissen Augen in den Raum. „Stephen?“

Da fielen weitere Schüsse. Er warf sich über sie. Glas zersplitterte. Er hielt ihren Kopf mit beiden Händen und benutzte seinen Körper als Schutzmantel. Sein Wolf knurrte und schlug gegen seine Brust. Normalerweise hatte er dieses Gefühl so stark nur bei Vollmond.

„Ich sollte dort draußen sein“, flüsterte Iduna. „Ich sollte ihnen helfen, sie wegzuscheuchen. Oder zu fangen. Wir müssen sie fangen. Sie kommen immer wieder. Niemand wurde bis jetzt getötet, aber beim letzten Mal wurden drei Kinder verletzt.“

Stephen kauerte auf dem Boden und war ganz auf die Außengeräusche und das Fahrzeug fokussiert.

Es verschwand in der Entfernung. Er streichelte Idunas enge, schwarze Locken. Ein Beschützergefühl breitete sich in ihm aus. Er wollte nie Gewalt anwenden und hatte es aus diesem Grund vorgezogen, nicht an den Alpha-Auswahlverfahren teilzunehmen, die seine Wolfsgemeinschaft hielt, wenn der alte Alpha ohne Nachfolger stirbt. Er war einfach nicht diese Art Wolf.

Aber falls irgendwelche bewaffneten Idioten in dieses Haus eindringen sollten, würde er sie umbringen, bevor sie Iduna etwas tun könnten.

„Bist du verletzt?“, fragte er sie, als die Schüsse plötzlich aufhörten und durch das Geräusch quietschender Reifen ersetzt wurden.

Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich kann aber seit der Schwangerschaft meine Gestalt einfach nicht mehr wandeln. Ich weiß nicht, warum.“

„Passiert das öfter?“ Er stand auf und half ihr in eine aufrechte Position.

Ihre schwarzen Kulleraugen schimmerten feucht und ihre dunkle Haut war von Schweiß überzogen, aber sie war erstaunlich ruhig. „Oft? Vielleicht. Die Angriffe finden jedenfalls öfter statt und werden zerstörerischer.“

„Wer greift euch an?“

„Menschen. Anti-Gestaltwandler. Fanatiker. Wir glauben, dass sie von der nahe gelegenen Menschen-Stadt kommen, aber wir können die Polizei nicht dazu bringen, uns ernst zu nehmen. Sie behaupten, dass es sich um harmlose Streiche handle und sich das Ganze zudem außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches abspielen würde. Die meisten Leute in unserer Gemeinschaft haben angefangen, über bewaffnete Gegenwehr zu sprechen, aber ich denke – riechst du auch Rauch?“

Stephen hob seinen Kopf. Es lag ein eindeutiger Rauch- und Gasgeruch in der Luft. Sein Wolf knurrte wieder. Er umfasste Idunas schlanke Taille und verhalf ihr auf die Füße, bevor er zur Tür eilte. Flammen umringten die Veranda des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Harmlose Streiche? Wie konnte jemand das hier nicht ernst nehmen? Stephen riss die Tür auf.

„Feuer!“, schrie er auf das Haus zulaufend. „Feuer!“

Er hörte ein Motorgeräusch und drehte sich blitzschnell um. Der matschbespritzte Wagen quietschte wieder die Straße herunter. Die Menschen auf dem Pick-up lachten, während sie kleine, rauchende Behälter auf die Häuser und Büsche warfen. Überall, wo sie landeten, flammte Feuer auf.

Stephen ging zum Haus zurück, bevor ihm überhaupt klar war, was er tat. Er konnte nur einen Gedanken fassen. Diese Menschen wollten Blut sehen, und er würde nicht zulassen, dass sie Iduna verletzten.

Sie stand mit weit aufgerissenen Augen im Hauseingang und drückte eine Hand auf den Mund. Er hob sie hoch und rann mit ihr zu seinem Auto. Sie hatten nur wenige Sekunden, bevor der Truck sie verfolgen würde. Eine Welle von Schimpfwörtern schoss aus ihm heraus, während er die Autotür auftrat und Iduna hineinschob. Sie sagte etwas, aber er konnte sie aufgrund der Geräusche des Trucks nicht hören. Er eilte zum Fahrersitz.

Das Auto sprang an. Stephen trat das Gaspedal so fest er konnte nach unten und sie rasten davon. Das laute Aufheulen des Motors durchdrang seine Ohren.

„Meine Eltern“, Iduna schnappte nach Luft, während sie sich zwischen die beiden Vordersitze beugte. „Ich habe mein Handy nicht mitgenommen!“

Stephen zögerte einen Moment, er fuhr langsamer und warf einen Blick in den Rückspiegel. Sie waren auf der Straße, die aus der Gemeinde hinausführte. Dieselbe Straße, die der Pick-up und die Fanatiker nehmen würden.

Er konnte sehen, wie ein Bärenrudel schon ganz in der Nähre des Trucks war und dieser immer schneller in deren Richtung fuhr. Stephen trat wieder aufs Gas. Er hatte keine Zeit, ihnen auszuweichen, er musste sie überholen und danach einen Weg finden, ihnen zu entkommen.

Beim Überholmanöver hing sich einer der Männer weit aus dem Fenster und zielte mit seinem Gewehr auf sie. Stephens Kehle schnürte sich zu. Das war kein harmloser Streit. Diese Leute wollten töten. Iduna wimmerte etwas über ihre Eltern.

„Kopf runter“, rief Stephen laut, während er das Gaspedal wieder soweit er konnte durchtrat.
Er umgriff das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. Der Truck holte auf.

Es knallte und klirrte.

Das Fenster zerbrach. Iduna schrie.

Stephen konnte nun Blut riechen. Es wehte ihm vor die Nase, süß wie Honig, roh wie frische Beute, so beißend wie der Winterwind. Sein Wolf erhob sich heulend und zornig bis auf die Knochen. Seine Zähne schärften sich in seinem Mund und ein tiefes Knurren stieg in ihm auf, bevor sein Wolf kurz vor der Oberfläche haltmachte. Er hatte noch nie zuvor töten wollen. Er hatte noch nie zuvor jemandem die Kehle rausreißen und ihm dabei zusehen wollen, wie ihm das Leben aus den Augen wich. Nicht bis zu diesem Moment.

Ein weiterer Schuss klingelte in seinen Ohren, aber er konnte nichts anderes mehr hören als Idunas leises Schmerzenswimmern.

Er riss ruckartig am Lenkrad und bremste gleichzeitig stark ab. Sie drehten sich im Kreis und konnten gerade noch so vermeiden, von dem Truck gerammt zu werden. Die Jäger schossen an ihm vorbei. Stephen wartete nicht, um zu sehen, ob sie langsamer fuhren oder zurückkommen würden. Er sprang aus dem Auto und rannte mit purem Zorn in den Adern und einem Heulen in der Kehle auf sie zu.

Das vertraute Gefühl des Wolfs, der nun in Erscheinung trat, erfüllte seinen Körper. Seine Haut kribbelte, sein Blick schärfte sich. Er konnte sehen, wie sich die blauen Augen des Mannes mit dem Gewehr weit öffneten, als der Wolf einen riesigen Sprung machte. Der Mensch brüllte. Der Truck kam ins Schleudern.

Stephen landete mit allen vier Pfoten auf der Ladefläche. Er unterbrach sein Wolfsgeheul, griff nach dem Bein des ersten Mannes und riss ihn durch die Luft. Der Mann schrie und das Gewehr fiel ihm aus Hand. Ein anderer Jäger zielte auf Stephen, aber der Wolf dreht sich blitzschnell weg, um dann wieder zähnefletschend über dem ersten Mann zu kauern. Der zweite Jäger ließ von ihm ab.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752138054
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Liebesroman shifter drachenromane Gestaltwandler werwolf formwandler Paranormal romantasy paranormale geschichten Romance Fantasy

Autor

  • Eliza Moon (Autor:in)

Eliza Moon ist seit langem fasziniert von Gestaltwandlern, Vampiren und paranormalen Biestern… und natürlich von heißen Männern! Ihre Bücher kombinieren diese Faszinationen und erzählen die dampfenden Geschichten heißer Biester und der starken Frauen, in die sie sich verlieben.

Eliza lebt auf einem Bauernhof und wenn sie keine Bücher schreibt, verbringt sie gerne Zeit mit ihren Pferden, träumt von weit entfernten Orten und von muskulösen Gestaltwandlern, die ihre Füße massieren.

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Titel: Die Gefährtin des Wolfes