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Rock Dance Love_2 - NOAH

Gay Rockstar Romance

von Sasha Lilus (Autor:in)
236 Seiten
Reihe: Rock Dance Love, Band 2

Zusammenfassung

Tänzer Noah liebt Rockstar Colin, doch damit steht er auf verlorenem Posten, denn Colin würde lieber sterben, als sich zu outen. Über ein Jahr geht ihre geheime Beziehung schon, doch für Colin scheint Noah nur eine unverbindliche Affäre zu sein, jemand, der immer zur Verfügung steht und bei dem er sich nicht erst ins Zeug legen muss, um zum Schuss zu kommen. Noah kämpft vergebens um Colins Aufmerksamkeit, doch bevor er an seinem Liebeskummer zerbricht, zieht er schweren Herzens die Reißleine und macht Schluss.
Als Noah in dieser schweren Zeit auf Magnus trifft, kommt ihm das sehr gelegen, denn der große, sexy Schwede ist all das, was Colin nicht sein will: romantisch, warmherzig und total verliebt in Noah.
Doch dann gerät Noah mit einer Straßengang aneinander und muss um sein Leben bangen. Magnus verteidigt ihn heldenhaft, doch nichts ist umsonst in dieser Welt und am Ende muss Noah zahlen - mit seiner Freiheit …

In sich abgeschlossener Roman, Band 2 der „Rock Dance Love“ Reihe, in dem es auch ein Wiedersehen mit Jay und Nick gibt.
Das Buch enthält eine Leseprobe des 3. Bandes Rock Dance Love_3 - Dragon.


Bücher von Sasha Lilus:
Rock Dance Love_1 - Jay
Rock Dance Love_2 - Noah
Rock Dance Love_3 – Dragon
Rock Dance Love_4 – Dylan

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Prolog

Noah

 

 

 

 

Samstagabend, Los Angeles Theater, „The Yellow Pilots“ live in Concert. Die günstigste Eintrittskarte kostet stolze siebenhundertfünfzig Dollar und das Publikum ist entsprechend erlesen. Um mich herum entdecke ich jede Menge bekannte Gesichter. Hollywoodstars, Musiker und die, die ich nicht erkenne, gehören auf jeden Fall zu den oberen Zehntausend der Stadt.

Die Band, allen voran Frontmann Colin Masters, hat zu ihrem jährlichen Charityevent zugunsten sozial benachteiligter Kinder geladen. Alle Einnahmen des heutigen Abends werden gespendet und weil sich von den wirklich reichen Fatzken keiner die Blöße geben will, knauserig zu sein, tummeln sich nach dem wie immer sehr guten Konzert noch ein paar hundert Selbstdarsteller auf der After Show Party, wo zusätzlich die Spendentrommel gerührt wird.

 

Noch vor ein paar Monaten wäre ich nie im Leben auf die Idee gekommen, an einem solchen Event teilzunehmen, mal ganz davon abzusehen, dass ich mir das nie im Leben hätte leisten können. Ich meine, wer bin ich schon? Doch nur Noah Stevenson, ein einfacher Tänzer.

Gut, so einfach auch nicht, gemeinsam mit meinem besten Freund Jay leite ich immerhin eine eigene und sehr erfolgreiche Dance Company. Doch eher wird der Los Angeles River zufrieren, als dass ich jemals auf dem finanziellen Level der heute Anwesenden sein werde.

Dass ich heute Abend hier bin, habe ich Nick Pearce, seines Zeichens Rockstar und Lebensgefährte meines besten Freundes, zu verdanken. Nick kommt jedes Jahr zu diesem Konzert und hat Jay und mich eingeladen, ihn zu begleiten.

Ich habe mich ganz besonders über die Einladung gefreut, denn ich durfte Colin noch nie live auf der Bühne erleben. Hat sich einfach nicht ergeben. Leider weiß ich nicht, wie er reagieren wird, wenn er mich sieht, denn offiziell kennen wir uns nicht.

Inoffiziell fallen wir übereinander her, sobald sich eine Gelegenheit dafür ergibt. Colin und ich sind … naja, eigentlich weiß ich nicht, was wir sind. Er würde es wahrscheinlich als reine Fickbeziehung bezeichnen, aber für mich ist es viel mehr, denn ich liebe ihn. Ist halt so passiert und sonderlich glücklich schätze ich mich nicht darüber, denn Colin ist nicht geoutet und hat es auch nicht vor.

Wahrscheinlich ignoriert er mich sowieso, wenn er hier auftaucht. Und er wird zu uns kommen, denn Nick ist für ihn das, was Jay für mich ist - sein bester Freund. Noch wahrscheinlicher allerdings wird er stocksauer sein auf mich. Man mag es paranoid nennen, aber er vermeidet wirklich jeden Kontakt mit mir in der Öffentlichkeit.

 

Nachdem Nick und Jay von einem Typen, den ich nicht kenne, in ein längeres Gespräch verwickelt werden, entschuldige ich mich und verschwinde Richtung Toilette.

Auf dem Rückweg werde ich plötzlich am Arm gepackt und in einen schmalen Flur gezogen. Ich erschrecke und wehre mich, doch dann habe ich eine Hand auf dem Mund und es flüstert in mein Ohr:

„Halt still, ich bin es nur.“

„Verdammt, Colin, du hast mich erschreckt“, schimpfe ich leise. Ich drehe mich um und sehe in seine schokoladenbraunen Augen, die mich jedes Mal dahinschmelzen lassen. Ich weiß, das klingt kitschig, aber ich kann es nicht ändern. Colin löst Reaktionen in mir aus, die ich so bisher nicht kannte.

„Das Konzert, es … es war fantastisch“, stammle ich. „Du warst fantastisch. Ich konnte meine Augen nicht von dir lassen.“

Colin sieht mich an und sein Pokerface ist mal wieder unergründlich. Ich weiß nie, was er denkt. Doch dann erstaunt er mich, wie so oft. Als ich schon fast damit rechne, dass er mich anschnauzt, weil ich in einen Teil seines Lebens eingedrungen bin, der mich nichts angeht, zieht er mich tiefer in den Flur, drückt mich in eine Nische und presst seinen Mund auf meinen.

Völlig überrumpelt öffne ich die Lippen, lasse seine forsche Zunge ein. Er schmeckt nach Whiskey, hat wohl schon ein wenig mit seinen Bandmates gefeiert.

 

Colin erforscht mich, seine Zunge erkundet jeden Winkel meines Mundes, als hätte er mich nie zuvor geküsst und ich kann kaum glauben, was hier gerade passiert. Wir beide, knutschend in einem Flur des Los Angeles Theater, wo uns jeden Moment jemand entdecken kann.

Als er mich leicht in die Unterlippe beißt, höre ich auf, zu denken, ergebe mich, als er sein Knie fordernd zwischen meine Beine schiebt. Mit einer Hand kralle ich mich in sein dichtes, schwarzes Haar, die andere bahnt sich einen Weg unter sein Hemd, tastet über warme Haut, erfühlt jeden Muskel seines Rückens. Ich bin längst hart und er ist es auch. Sein Becken bewegt sich rhythmisch gegen meins und irgendwie scheint er vergessen zu haben, wo wir sind.

„Ich liebe dich“, stöhne ich zwischen zwei Küssen und Colin drängt sich dichter an mich, seine schlanken Finger krallen sich in meinen Hintern, massieren ihn aufreizend und wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich fast annehmen, dass er mich an Ort und Stelle vögeln will.

Doch im Gang nähern sich Schritte und Colin stößt mich reflexartig weg. Die plötzlich fehlende Wärme lässt mich frösteln. Colin zieht sich hektisch seine Klamotten zurecht, versucht fahrig, sein Haar zu glätten. Noch immer atmet er schwer vor Erregung und ich weiß, dass er einen Ständer hat, den sein langes Hemd gerade noch so verbirgt.

 

„Colin? Was machst du hier? Wir suchen dich schon die ganze Zeit“, eine aufgedonnerte Frau und ein dürrer Mann mit einer Mappe unter dem Arm stehen plötzlich vor uns. Die Frau mustert mich von oben bis unten und registriert natürlich meinen derangierten Zustand.

„Was ist denn hier los? Hat der Kerl dich belästigt?“

„Belästigt? Der?“, Colin verzieht hochmütig das Gesicht. „Mit dem bin ich schon fertig. Ist nur ein verknallter Fan, der nicht weiß, wo die Grenzen sind.“

Ich erstarre, fühle mich, als hätte mir jemand einen Schwall Eiswasser über den Kopf gekippt.

„Ich lasse ihn rauswerfen“, das Männlein ist schon auf dem Sprung, doch Colin hält ihn zurück.

„Ist nicht der Mühe wert. Er ist niemand.“

Er hakt die Frau unter, die mir im Vorbeigehen noch einen abfälligen Blick zuwirft.

„Wusste gar nicht, dass man neuerdings schwules Latinopack hier rein lässt“, zischt sie boshaft und stolziert mit Colin am Arm aus meinem Blickfeld.

 

Als sie weg sind, lasse ich mich an der Wand hinuntersinken, verberge meinen hochroten Kopf in den Händen und spüre, wie die Tränen zu fließen beginnen. Tief, ganz tief verkrieche ich mich in die Ecke, in der mich Colin eben noch so leidenschaftlich geküsst hat.

Ich bin niemand!


Eins

Noah

 

 

 

 

Wummernde Bässe durchdringen mich bis ins Knochenmark, lassen meinen Körper vibrieren. Der aufpeitschende Rhythmus schraubt mich höher und höher, bis ich zu fliegen scheine. Ich liebe den Zustand, in dem sich mein Geist von meinem Körper abkoppelt und zu schweben beginnt.

Auf der Bühne geht es mir jedes Mal so, wenn ich ein Solo tanze, wenn die Musik mich durchdringt und ich in meine eigene Welt abdrifte. Dann vergesse ich alles um mich herum, das Publikum, die blendenden Scheinwerfer, den knarzenden Bühnenboden. Dann gibt es nur noch die Musik und mich und genauso lasse ich mich gerade treiben, bis mich jemand von hinten antanzt und seine Arme um meinen Bauch legt.

Obwohl ich nicht sehe, wer es ist, lehne ich mich zurück, schmiege meinen schweißnassen Rücken an die ebenso schweißnasse Brust und bewege mich vollkommen im Einklang mit dem Unbekannten hinter mir.

Hände tasten an mir herab, schieben sich über meinen halbharten Schwanz und ich stöhne leise auf. Hinter meinen geschlossenen Augenlidern sehe ich dich, stelle mir vor, dass du mit mir tanzt, dass es deine Brust ist, an die ich mich lehne und deine Hände, die fordernd über meinen Schwanz streichen und ich dränge ihnen entgegen, will mehr davon, viel mehr.

 

Mitten in meinen Wunschtraum hinein spüre ich das Handy in meiner Hosentasche vibrieren und das wirft mich in die Wirklichkeit zurück. Ruckartig befreie ich mich aus der feuchten Umklammerung und ohne mich umzusehen und ohne auf den erstaunten Ausruf in meinem Rücken zu reagieren, verlasse ich die Tanzfläche, um meine Nachrichten zu checken.

Colin, endlich! Seit einer Woche ist er wieder in der Stadt und genauso lange warte ich auf ein Lebenszeichen von ihm, aber natürlich lässt mich Mister Rockstar wie immer am ausgestreckten Arm verhungern.

Ich hasse mich dafür, dass ich bei jeder Nachricht, die eintrifft, wie ein Süchtiger zum Telefon greife und hoffe, dass sie von ihm ist. Ich hasse mich dafür, dass ich jedes Mal vor Enttäuschung heulen könnte, wenn er sich wieder nicht gemeldet hat. Ich hasse mich dafür, dass ich jedes Mal losrenne, sobald er mit dem Finger schnippt.

Ich gebe ihm alles, aber ich bekomme nichts zurück. Er nimmt sich, was er braucht und verpisst sich, wenn er genug hat.

 

‚In einer halben Stunde bei dir. Ich bin heiß auf dich, lass mich nicht warten. C.‘

Ich fasse es nicht! Eine geschlagene Woche höre ich nichts von ihm und jetzt hat er harte Eier und erwartet, dass ich umgehend zur Verfügung stehe?

„Hast wohl auf die Schnelle nichts Besseres gefunden“, murmle ich bitter vor mich hin. Mir ist absolut klar, wie die weitere Nacht verlaufen wird. Wie immer lasse ich seinetwegen alles stehen und liegen. Wie immer wird er mich ficken, wird mir sagen, wie geil ich bin, und noch ehe die Sonne aufgeht, wird er verschwinden, denn ich bedeute ihn nichts.

Jay wirft mir regelmäßig vor, dass ich es nie lerne, dass ich ihm immer wieder verzeihe, wenn er reuevoll angekrochen kommt. Doch jetzt ist Schluss. Ich habe keine Lust mehr, ein ‚Niemand‘ zu sein.

Nach einem kurzen, aber nicht minder heftigen Kampf mit mir selbst beschließe ich, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und Colins Nachricht zu ignorieren. Das Maß ist voll.

 

Ich werde zurückgehen zu dem verschwitzten Unbekannten und ihm im Darkroom das Hirn rausvögeln. Colin fickt schließlich ständig andere Kerle und macht vor mir auch keinen Hehl draus. Er hält es keine drei Tage ohne Sex aus.

Colin Masters – Sänger und Songwriter der ‚Yellow Pilots‘, einer der erfolgreichsten Indie- Bands des letzten Jahrzehnts. Ich mag die Band, tanze gern nach ihrer Musik und seit über einem Jahr lasse ich mich von ihrem Frontmann unter dem Siegel der Verschwiegenheit vögeln, weil Colin lieber sterben, als sich outen würde.

Die Typen, die er unterwegs aufgabelt, lässt er ein doppelseitiges Vertragswerk unterschreiben, in dem haarklein aufgelistet ist, was sie dürfen und was nicht. Außerdem verpflichten sie sich zu absoluter Geheimhaltung. Kein Geflüster hinter vorgehaltener Hand, keine Fotos, keine Interviews, ansonsten droht eine Konventionalstrafe in sechsstelliger Höhe, aber für die Möglichkeit, mit einem Superstar zu ficken, akzeptieren diese Idioten alles.

Am Anfang unserer Nicht- Beziehung forderte er von mir tatsächlich frech, diesen Wisch zu unterschreiben, doch ich habe das Ding vor seinen Augen zerrissen und ihm vor die Füße geworfen. Trotzdem vertraut er mir, jedenfalls kommt er immer wieder an.

 

Ich weiß, ich bin vollkommen bescheuert, weil ich das ganze Theater mitmache. Schon unser Kennenlernen war furchtbar, geprägt von Beschimpfungen und sogar von Handgreiflichkeiten und anfangs fand ich ihn einfach nur grauenhaft. Wir fetzten uns, waren nie einer Meinung und dennoch habe ich mich ziemlich schnell in ihn verliebt, denn wenn wir allein sind, ist er toll. Allein mit ihm lässt er mich glauben, dass ich etwas Besonderes bin. Er geht auf mich ein, ist wild und verrückt, aber auch unglaublich zärtlich. Er ist intelligent, witzig, interessiert sich für meine Arbeit. Wir können miteinander reden, miteinander lachen, es passt einfach mit uns.

Aber dieses „uns“ spielt sich nur innerhalb geschützter Bereiche ab. In meiner Wohnung, in abgelegenen Strandhäusern oder anonymen Hotelzimmern unter Verwendung von blödsinnigen Pseudonymen und unter Beachtung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen. Wir gehen nicht einmal miteinander essen, auch nicht, wenn Jay und Nick dabei sind. Ich werde nie begreifen, was an einem Restaurantbesuch mit Freunden verfänglich sein soll.

Sein Lieblingsargument ist, dass man ihm einen schwulen besten Freund nachsieht, doch zwei machen ihn verdächtig und das kann er sich nicht leisten. Schlimm genug, dass der Skandal um das Enthüllungsbuch über Nick, eben diesen schwulen besten Freund, ihn beinahe geoutet hat.

Im Endeffekt macht Colin Masters, was er will und Rücksicht auf meine Gefühle nimmt er gleich gar nicht.

 

Wenn ich mich nicht von ihm löse, werde ich daran kaputt gehen. Ich ertrage es nicht mehr, dass er sich nicht zu mir bekennt, dass er mich in der Öffentlichkeit verleugnet und nicht mal ansatzweise so tut, als stünde er in irgendeiner Beziehung zu mir.

Stattdessen führt er seine Alibifreundin Charlene Ross, mit der er seit Jahren zum Schein zusammenlebt, auf irgendwelchen Societypartys vor, knutscht sie vor den Kameras ab, flirtet öffentlich mit allem, was Brüste hat und einen kurzen Rock trägt. Charlene spielt das Spiel mit, denn es pusht ihre Modelkarriere. Sie bewohnt einen eigenen Flügel in Colins Haus und da die beiden jedem, der es wissen will erzählen, dass sie seit kurzem eine offene Beziehung führen, stört sich auch niemand mehr an Charlenes Männergeschichten. Ein Rockstar und ein Supermodel – einer solchen Paarung sieht man alles nach.

 

Und ich? Ich bin, seit ich ihn kenne, all meinen Prinzipien untreu geworden. Niemals wollte ich mit jemandem zusammen sein, der sich verleugnet, der nicht dazu steht, wer er ist.

Aber wenn man es genau betrachtet, bin ich nicht mit Colin zusammen. Er hat nie auch nur ansatzweise so etwas verlauten lassen und ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass er es so sieht. Für ihn bin ich nur eine unverbindliche Affäre, ein komplikationsloser Fick, der zur Verfügung steht, wenn es ihn juckt, und bei dem er sich nicht erst verrenken muss, um zum Schuss zu kommen.

 

Noch immer starre ich die Nachricht auf dem Display an. Drei Wochen lang war er auf Tour und drei Wochen lang habe ich auf ihn gewartet, war dankbar für jeden Brocken, den er mir ab und zu mal hingeworfen hat. Seit beschissenen sieben Tagen ist er zurück in L.A., aber er schert sich einen feuchten Dreck um mich. Ich war ihm nicht einmal einen Rückruf wert und auf meine Nachrichten hat er gleich gar nicht geantwortet.

Gleich am Anfang unserer Beziehung hat er mir verboten, bei ihm zu Hause aufzukreuzen, doch gestern Abend hatte ich die Schnauze gestrichen voll und fuhr trotzdem hin. Ich kam nicht weit. Einer seiner Speichellecker drohte mir über die Sprechanlage mit der Security und ich blieb wie ein idiotischer Stalkerfan vor verschlossenen Türen.

Scheiße, Colin, ich kann das nicht mehr. Kurzentschlossen lösche ich sämtliche Nachrichten und blocke seine Nummer. Trotzig wische ich die Tränen weg, die mir über die Wangen rinnen, und gehe zurück in den Club.

 

 

 

 

Auf der Tanzfläche versuche ich, meinen abgehobenen Zustand wiederzufinden und das Denken abzustellen, doch bevor es soweit ist, klebt mein Tanzpartner von eben wieder an mir.

„Hi, ich bin Magnus“, raunt er mir mit tiefer Stimme und einem umwerfend süßen Akzent ins Ohr und diesmal drehe ich mich um und schaue ihn an. Kurzes dunkelblondes Haar umrahmt ein kantiges Gesicht und trotz meinem einen Meter dreiundachtzig Körpergröße überragt er mich um einiges, er muss ein gutes Stück über einen Meter neunzig sein. Er sieht toll aus und macht seinem nordischen Namen alle Ehre. Austrainiert ist er und das ganze Gegenteil von Colin. Muskulös statt drahtig, blond statt schwarz, blaue Augen statt brauner. Perfekt! Fuck, ich muss aufhören, alle Männer mit Colin zu vergleichen.

„Noah“, ich lächle und Magnus nimmt erneut Tuchfühlung auf, legt seine Hände auf meine Hüften und wir bewegen uns ein paar Minuten geschmeidig im Takt. Trotz seiner Größe wirkt er nicht ungelenk. Er hat gute Moves drauf und er riecht gut, das gefällt mir. Was er will, ist auch klar, denn reibt sich an mir und ist bereits halbhart. Ich greife ihm ins Genick und ziehe seinen Kopf zu mir herunter. Mein Kuss ist hart und fordernd und er scheint es zu mögen, jedenfalls schlägt sich seine Zunge gut im Kampf mit meiner und er stöhnt leise in meinen Mund.

„Ich bin hinten“, knurre ich in sein Ohr, greife entschlossen in seinen Hosenbund und ziehe ihn hinter mir her Richtung Darkroom. Magnus grinst dreckig und salutiert wie ein Soldat.

„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Sir.“

 

Ich nicke knapp zurück. Na bitte geht doch. Noch so ein Ding, das mit Colin unmöglich ist. Mister Superstar lässt sich nämlich niemals ficken und obwohl ich den Sex mit ihm sehr genieße, will ich trotzdem nicht immer Bottom sein.

Kurz vor dem Darkroom stoppe ich Magnus und dirigiere ihn zurück.

„Was ist, du hast es dir jetzt doch nicht schon wieder anders überlegt?“, fragt er mit ärgerlich zusammengekniffenen Augenbrauen.

„Doch, hab ich. Vergiss den Darkroom, ich will dich richtig vögeln. Wir gehen zu mir, ist nicht weit.“

Magnus umwölkte Miene hellt sich sofort wieder auf.

„Okay, na dann ...“

Mir ist klar, dass ich mich wie ein berechnendes Schwein verhalte, denn ich weiß, dass ich Magnus nur benutze. In wenigen Minuten wird Colin bei mir zu Hause aufschlagen und ich will, dass er mich mit Magnus sieht. Er braucht eine Schocktherapie und ich wahrscheinlich auch, damit ich endlich von ihm loskomme.

 

 

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Ich sehe den schwarzen Range Rover, Colins neuste Errungenschaft, schon von weitem vor meinem Haus stehen. Die riesige Karre ist nicht zu übersehen und passt so überhaupt nicht in die Gegend. Ich weiß, dass Colin hinter dem Steuer sitzt und auf mich wartet und allein der Gedanke daran lässt mein Herz rasen. Am liebsten würde ich Magnus zum Teufel jagen, die Wagentür aufreißen und mich von Colin noch im Auto nehmen lassen, aber ich muss vernünftig sein. Colin Masters und ich, das hat einfach keine Zukunft.

Bisher habe ich mit Magnus nicht viel geredet, aber jetzt lege ich provokant einen Arm um seine Taille und ziehe ihn näher zu mir. Er quittiert das mit einem Lächeln und als wir in Colins Sichtweite kommen, lässt er sich von mir widerspruchslos gegen eine Hauswand pressen. Auf der anderen Straßenseite hängen die Kids von Tyreeqs Gang ab und grölen, als sie uns sehen. Magnus versteift sich.

„Bleib locker, die tun uns nichts“, knurre ich und ziehe seinen Kopf zu mir herunter. Unter dem lauten Gejohle der Gang küsse ich ihn fordernd und obwohl sich mir fast der Magen dabei umdreht, ziehe ich es unerbittlich durch, gebe mich absichtlich viel dominanter, als ich bin.

Wie gesagt, Schocktherapie …

 

 


Zwei

Colin

 

 

 

 

Ich fühle mich nicht wohl … ich fühle mich ganz und gar nicht wohl! Diese Gegend ist einfach das Letzte!

Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße hat sich eine Meute Ghettokids zusammengerottet. Sie sind laut, versuchen, den aggressiven Rap, der aus einer riesigen Beatbox donnert, zu überbrüllen und ich wundere mich, dass sich niemand über den Lärm um ein Uhr Nachts beschwert. Aber wahrscheinlich tragen die alle ne Knarre unter ihren überdimensionalen Shirts und niemand traut sich, sich mit denen anzulegen.

Zwei zugedröhnte, über und über tätowierte Gestalten wanken über die Straße, genau auf meinen Wagen zu. Einer tritt mit voller Wucht dagegen, schlägt wütend mit der Faust auf die Motorhaube und obwohl ich weiß, dass er mich in der Dunkelheit und durch die getönten Scheiben nicht sehen kann, mache ich mich in meinem Sitz ganz klein. Passieren kann mir nichts, der Wagen ist gepanzert. Ich weiß, das klingt paranoid, aber ich bin nicht irgendwer und ich gehe gern auf Nummer sicher. Doch mit solchen Leuten sollte man sich lieber nicht anlegen und auch wenn ich sonst immer die große Fresse habe, ich bin nicht lebensmüde.

Der Kerl stößt einen markerschütternden Schrei aus und wird dann glücklicherweise von seinem Kumpel weitergezogen.

 

Ich verstehe nicht, wieso Noah noch immer in diesem Viertel wohnt. Er verdient längst genug, um in eine bessere Gegend ziehen zu können. Aber wenigstens lebt er jetzt allein in der Wohnung, denn sein bester Freund Jay ist vor ein paar Wochen endgültig bei meinem besten Freund Nick eingezogen.

Nicholas Pearce und Jasper Caine, die beiden sind DAS schwule Traumpaar und ich bekomme regelmäßig Zahnschmerzen, wenn ich mit ihnen zusammen bin. Selbst nach über einem Jahr lieben sie sich wie am ersten Tag und daran lassen sie die ganze Welt teilhaben.

In Wahrheit beneide ich die beiden darum, dass sie ihre Liebe offen leben. Ich darf das nicht oder vielmehr will ich es nicht, denn wenn meine Mutter wüsste, dass sie einen schwulen Sohn hat, würde es sie umbringen.

Ich weiß, dass ich Noah damit wehtue. Auch, wenn er es bisher nicht laut ausgesprochen hat, weiß ich trotzdem, dass er mich liebt und ich weiß auch, dass er ein ziemliches Problem damit hat, dass ich ihn in der Öffentlichkeit verleugne. Aber ich kann mich nicht outen und das müsste ich, um mit ihm zusammen sein zu können.

Ich mag ihn sehr, mehr als ich dürfte, und deshalb halte ich ihn auf Abstand. Aber so ganz ohne ihn geht es auch nicht, ich brauche einfach ab und zu meine Dosis Noah, und darunter verstehe ich nicht nur den Sex mit ihm. Er erdet mich, bringt mich runter, wenn ich mal wieder einen Höhenflug habe und mal abgesehen von Nick ist er der einzige in meinem Umfeld, der mir auch mal gepflegt in den Arsch treten darf, wenn ich es zu weit treibe.

 

Ich wäre gern öfter mit ihm zusammen, aber erstens geht das aus beruflichen Gründen nicht, denn Noah ist mit seiner Dance-Company genauso viel unterwegs wie ich mit meiner Band, und zweitens ist es nicht gut, zu oft mit ihm gesehen zu werden. Ich will nicht, dass es wieder Gerede über meine sexuelle Orientierung gibt, das kann ich mir einfach nicht mehr leisten.

 

Noah sagt, ich bin feige, weil ich nicht zu mir stehe und er hat vollkommen recht. Aber meine Mutter ist alles, was ich an Familie habe. Meinen Vater kenne ich nicht. Mama hat sich als naive Siebzehnjährige von einem Franzosen namens Jean schwängern lassen und als sie bemerkte, was mit ihr los war, war besagter Jean längst zurück über den großen Teich geflogen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Meine Mutter ist erzkatholisch erzogen worden und zur Strafe für ihre Sünden lebt sie seitdem streng nach den Regeln ihrer Kirche. Sie erzog mich aufopfernd, aber auch sehr streng und verkraftet nur sehr schlecht, dass ich im Sündenpfuhl des Showgeschäftes gelandet bin und ohne Trauschein mit einer Frau zusammenlebe. Würde ich mich als schwul outen, wäre das für sie wahrscheinlich die letzte Strafe Gottes dafür, dass sie als junges Mädchen einen schwachen Moment hatte.

Aber trotz allem war sie eine gute Mutter, die alles dafür tat, mir eine gute Kindheit zu ermöglichen. Mit meinem Beruf fand sie sich schließlich zähneknirschend ab und auch damit, dass ich mit Charlene in „wilder Ehe“ lebe. Wüsste sie, dass ich mit Männern schlafe, würde ihre Welt zusammenbrechen.

 

Noah hat nicht auf meine Nachricht geantwortet und zu Hause ist er auch nicht. Ich verstehe das nicht, da sind wir endlich mal wieder zur gleichen Zeit in der Stadt und er hat offenbar Besseres zu tun, als mich zu treffen.

Naja, wahrscheinlich ist er sauer, weil ich mich nicht gemeldet habe, aber ich hatte einiges in der Plattenfirma aufzuarbeiten. Das Label ‚Masterpiece- Records‘ gehört Nick und mir zu gleichen Teilen. Wir gründeten es vor ein paar Jahren gemeinsam, als wir keine Lust mehr auf die Gängeleien der großen Plattenfirmen hatten.

Es war ein Befreiungsschlag für uns. Seither können wir mit unseren Bands schalten und walten, wie wir wollen. Wir müssen uns nicht mehr in unserer künstlerischen Freiheit einschränken und niemand schreibt uns mehr vor, welche Songs wir veröffentlichen und welche nicht. Außerdem fördern wir vielversprechende Newcomer und sind damit bisher sehr gut gefahren.

Doch auch wenn wir einen sehr fähigen Geschäftsführer haben, müssen Nick und ich uns regelmäßig dort sehen lassen und Entscheidungen treffen. Am Ende haben immer noch wir das Sagen und auch die Verantwortung.

 

Fuck, ganz sicher ist Noah sauer, weil ich ihn nicht angerufen habe. Um ehrlich zu sein, war das ein Stück weit Absicht, weil ich nicht will, dass er zu viel Raum in meinem Leben einnimmt. Obwohl es wunderbar wäre, wenn er es täte, aber, wie gesagt, ich kann mir das einfach nicht erlauben. Und letzten Endes ist es auch für Noah besser, wenn er weiß, wo sein Platz ist. Ich weiß, das klingt obermies, aber ich kann es nicht ändern. Ich würde es gern, aber es geht nun einmal nicht und das weiß er auch.

Trotzdem könnte er sich jetzt langsam mal blicken lassen, ich warte schon geschlagene zehn Minuten vor seiner Haustür und ich bin es nicht gewohnt, dass man mich warten lässt.

 

Wieder kommt ein Pärchen die Straße herunter, wieder zwei Männer, aber diesmal eng umschlungen. Einer von ihnen ist sehr groß, aber der andere, etwas Kleinere, scheint die Hosen anzuhaben, denn er presst den Großen gegen eine Wand und macht sich gierig über ihn her. Die müssen es echt nötig haben, fehlt nur noch, dass sie es gleich hier, mitten auf der Straße, treiben.

Ich grinse, denn ein heißer Anblick ist das allemal. Die Typen auf der anderen Straßenseite johlen und pfeifen und der Kleinere löst sich, zeigt der Meute den Mittelfinger und greift dem Größeren vorn in den Hosenbund, zieht ihn hinter sich her. Das Johlen wird lauter, aber es bleibt friedlich, man scheint sich zu kennen.

Der Typ lässt sich ohne Gegenwehr in den Lichtkegel einer Straßenlaterne führen und das Grinsen vergeht mir schlagartig, denn der Kleinere ist Noah, mein Noah, auf den ich hier sehnsüchtig warte.

 

Mein erster Reflex ist, wütend aus dem Wagen zu springen und dem verkappten Riesen eins aufs Maul zu geben. Glücklicherweise schaltet sich sofort mein Hirn ein. Nie im Leben kann ich jetzt da raus gehen und eine Szene machen. Erstens würde ich unweigerlich erkannt werden, zweitens ist der Typ ziemlich muskulös und drittens ist da diese unberechenbare Meute zugange und mit der möchte ich mich auf gar keinen Fall anlegen.

Fuck, fuck, fuck!

Noah stapft mit dem Kerl im Schlepptau entschlossen an mir vorbei, den Blick starr auf meine Windschutzscheibe gerichtet. Der verdammte Mistkerl hat das geplant, er weiß genau, dass ich hier drin sitze. Mittlerweile haben sie die Haustür erreicht. Noah schiebt sein Mitbringsel hindurch, dreht sich noch einmal zu mir um, hebt die Hand und zeigt auch mir den Mittelfinger.

 

Fassungslos starre ich auf die inzwischen längst zugefallene Tür und kann nicht glauben, was da eben passiert ist. Noah hat mich abserviert … mich! Aber er liebt mich doch! Er kann doch nicht einfach …

Ich spüre einen feinen Stich in der Herzgegend. Und noch einen, diesmal stärker, dann einen dritten. Ich schnappe nach Luft, keuche und presse die Faust auf meine Brust. Ist das ein Herzinfarkt? Verdammt, ich bin gerade mal dreißig, das kann doch nicht sein!

Gleichzeitig fühle ich etwas Feuchtes auf meiner Wange. Ich wische es weg, doch es nützt nichts, die Haut wird immer nasser. Und dann kommt in meinem Gehirn an, dass ich weine und dass das Stechen in meiner Brust kein Herzinfarkt ist.

Nein, verdammt, das sind ganz normale Reaktionen, denn so, wie es aussieht, habe ich gerade Noah verloren … den Mann, den ich liebe.

 


Drei

Noah

 

 

 

 

Mein Blick brennt sich durch die Frontscheibe von Colins Wagen. Ich bin mir absolut sicher, dass er völlig entgeistert da drin sitzt und die Welt nicht mehr versteht. Mein steil nach oben gereckter Mittelfinger tut sein Übriges und ich hoffe, er begreift die Botschaft. Fick dich, Colin Masters! Ich will dich nie wieder sehen!

Gleichzeitig sträubt sich in mir alles gegen meine Entscheidung, aber es muss sein. Colin wird sich nie zu mir bekennen und damit kann und will ich nicht länger leben. Also nehme ich das Ende mit Schrecken in Kauf.

 

Oben vor meiner Tür zittern meine Hände und ich bekomme kaum den Schlüssel ins Schloss. Magnus bezieht das wohl auf sich, er legt mir die Hände auf die Hüften und flüstert:

„Ich kann’s auch kaum erwarten, deinen harten Schwanz zu spüren. Ich will, dass du mich so hart fickst, dass ich dich die nächsten zwei Tage noch spüren kann.“

Endlich bekomme ich die Tür auf und meine Frustration schlägt um in Wut und Lust. Wir sind kaum drin in der Wohnung, als ich Magnus gegen die Wand dränge und ruppig an seiner Hose zerre. Sein Schwanz reckt sich mir schon fast voll erigiert und kerzengerade entgegen. Wenigstens ist das Teil ordentlich lang und wirklich schön anzusehen. Allgemein ist Magnus sehr schön anzusehen, aber darum geht es gerade überhaupt nicht.

„Dreh dich um!“, befehle ich harsch und fummle ein Kondom aus der Hosentasche. Gleitgel ist im Schlafzimmer, aber ich habe keine Lust, da noch extra hinzurennen. Ich will ihn jetzt und gleich und allem Anschein nach steht er auf eine härtere Gangart, also muss das extrafeuchte Kondom und Spucke als Gleitmittel ausreichen.

Magnus streckt mir seinen prallen Hintern entgegen, stöhnt ungeduldig auf, als ich ihn vorbereite.

„Jetzt mach schon, ich kann das ab“, fordert er ungeduldig. „Ich will dich endlich spüren.“

 

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, also schiebe ich mich langsam, aber stetig in ihn und Magnus geht dabei ab wie eine Rakete. Er scheint auf den Schmerz zu stehen und ich bin geladen genug, um ihm für den Moment zu geben, was er will. Magnus nimmt mich bereitwillig auf, ich warte ein wenig, bis er sich an mich gewöhnt hat und dann lege ich los. Obwohl ich normalerweise überhaupt nicht der Typ für solche harten Aktionen bin, rammle ich mir im wahrsten Sinne des Worte den Frust von der Seele, ficke Magnus, bis er vor Lust schreit und sich mit wackligen Knien auf den Boden sinken lässt, als alles vorbei ist.

„Scheiße, war das geil“, debil grinsend wischt er sich den Schweiß aus den Augen. Er sieht etwas derangiert aus, sein Gesicht ist hochrot, sein Hemd hat Schweißflecken und klebt an seiner Haut, aber ich sehe sicher nicht anders aus. Ich strecke ihm die Hand entgegen und er lässt sich von mir hochziehen.

„Nächste Runde in deinem Bett oder soll ich lieber gehen?“, fragt er ruhig. Ich schiebe meine Hände unter seine Klamotten und streiche über die ausgeprägten Bauchmuskeln.

„Schlafzimmer“, sage ich rau, denn ich will das hier jetzt auf gar keinen Fall abbrechen. Denn dann würde ich anfangen, nachzudenken und das will ich auf gar keinen Fall. Ich trete die Hose, die mir noch immer um die Knöchel hängt, weg und Magnus tut es mir nach.

 

„Du kannst mich fesseln, wenn du willst“, sagt er leise und schlägt die Augen nieder, als wir vor meinem Bett stehen. Fuck, an wen bin ich denn hier geraten? Fifty Shades of Magnus?

„Ich steh nicht auf sowas“, antworte ich unwirsch. „Wenn du dir den Arsch versohlen lassen willst, bist du bei mir an der falschen Adresse.“

„Aber du magst es doch hart?“, seine blauen Augen bohren sich prüfend in meine.

„Nur heute“, brumme ich und stoße ihn aufs Bett. Er lächelt mich von unten her an.

„Probleme mit ‘nem Kerl?“

„Kann man so sagen, wird bald besser sein.“

„Da helfe ich doch gern!“

Magnus‘ Lächeln wird breiter. Betont langsam zieht er sich den Rest seiner Klamotten aus und entblößt seinen muskulösen Body. Er ist ohne Zweifel sehr, sehr heiß. Zu anderen Zeiten hätte ich mir alle Finger nach ihm abgeleckt.

 

Er robbt zur Bettkante, umfasst meinen Hintern mit beiden Händen und saugt meinen Schwanz in seinen Mund. Fuck, ist das gut! Binnen kurzem sehe ich Sterne, doch knapp vor dem Overload lässt er von mir ab und dreht sich um. Mit beiden Händen hält er sich am Kopfteil des Bettes fest und reckt mir seinen wohlgeformten Hintern entgegen.

„Na los, fick mich nochmal“, fordert er rau. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Aus meinem Nachtkasten angle ich ein neues Kondom und diesmal auch Gleitgel heraus. Magnus stöhnt langgezogen, als ich mich mit einem festen Stoß in ihm versenke und für die nächsten Minuten alles um mich herum ausblende.

 

 

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Ich bin allein, als ich erwache. Gott sei Dank, mein One-Night-Stand ist weg. Es ist schon fast zwölf Uhr mittags und ich fühle mich genauso beschissen, wie ich wahrscheinlich aussehe.

Die letzte Nacht war Hochleistungssport, ich weiß nur noch, dass ich gegen fünf das letzte Mal völlig verausgabt von Magnus heruntergefallen bin und sofort eingeschlafen sein muss.

Jetzt ist mir schlecht und ich habe Kopfschmerzen, obwohl ich gestern kaum etwas getrunken habe. Dazu kommt die Sehnsucht nach Colin, die sich langsam, aber sicher in mir breitmacht. Wenn ich gestern nicht dieses beschissene Ding abgezogen hätte, würde er jetzt neben mir liegen und alles wäre gut.

Traurig und wütend über mich selbst ziehe ich mir die Decke über den Kopf und rolle mich zusammen. Ich weiß ganz genau, dass ein Scheißdreck gut wäre, hätte ich Colin heute Nacht wieder nachgegeben. Er wäre auch nicht mehr hier, hätte sich sowieso im Morgengrauen verpisst. Es wird sich nie etwas ändern, denn er will es ja überhaupt nicht. Colin hat sich eingerichtet in seinem Gespinst aus Lügen und Tarnung.

Die ersten Tränen beginnen zu fließen, ich drücke das Gesicht ins Kissen und lasse sie laufen.

 

Als es plötzlich gegen die Wohnungstür hämmert, vergrabe ich mich nur noch tiefer unter der Bettdecke. Ich kann mir gut vorstellen, wer das ist.

„Fick dich, Colin“, flüstere ich kraftlos, doch dann schrecke ich hoch. Jemand läuft durch meine Wohnung und öffnet die Tür. Magnus? Ist der etwa noch da?

Ich springe aus dem Bett, schnappe mir eine Jogginghose und will raus, doch im letzten Moment halte ich mich zurück und presse mein Ohr gegen die Tür. Es geht mir zwar total gegen den Strich, dass Magnus noch hier ist, aber wie war das mit der Schocktherapie?

„Noah schläft noch“, ja, das ist seine tiefe Stimme.

„Wer bist du denn?“, Colin klingt sauer, sehr sauer sogar und ich stelle mir vor, wie er versucht, an dem riesigen Magnus vorbei in die Wohnung zu kommen.

„Magnus und du?“

„Wie jetzt? Ich bin …“, Colin kommt ins Stottern und ich verdrehe die Augen. Passiert ihm wohl nicht so oft, dass man ihn nicht erkennt, oder vielleicht ist Magnus auch nur ein guter Schauspieler. „Ich bin ein Freund von Noah. Er hat mich gestern versetzt. Das ist nicht seine Art und ich will nach ihm sehen, also würdest du mich jetzt endlich reinlassen?“

„Ein Freund? Ach ja?“, fragt Magnus spöttisch. „Ich glaube eher, du bist dieser Arsch von Ex, wegen dem es ihm so scheiße geht.“

„Ex? Ich bin ganz bestimmt nicht sein Ex! Sehe ich aus, als wäre ich schwul?“

Colins bissige Erwiderung trifft mich ins Mark. Nein, er wird sich nie ändern. Meine Entscheidung war vollkommen richtig. Trotzig wische ich die Tränen weg, die mir schon wieder über die Wangen laufen und plötzlich bin ich froh, dass Magnus da draußen ist und mir die Drecksarbeit abnimmt.

„Ja, schon“, entgegnet Magnus freimütig und ich spüre förmlich, wie Colins Kinnlade herunterklappt.

„Lass mich durch, verdammt!“, brüllt er, dann höre ich ein unterdrücktes Ächzen.

„Keine Chance“, Magnus‘ Stimme ist ruhig wie zuvor. „Er will dich nicht sehen und an mir kommst du nicht vorbei, also verschwinde … nicht schwuler Freund von Noah.“

Das klingt jetzt ordentlich abfällig und es scheint zu wirken. Colin stößt einen Schwall übelster Flüche aus, die abrupt verstummen, als die Tür ins Schloss fällt.

 

Mir zittern die Knie. Jetzt ist es wirklich vorbei. Colin Masters ist endgültig Geschichte. Kraftlos lasse ich mich an der Wand hinuntergleiten und vergrabe das Gesicht in den Händen.

Ich schrecke auf, als neben mir die Tür aufgeht und Magnus hereinkommt. Er trägt nur seine äußerst knappen, schwarzen Briefs und das schwarze Tanktop, welches er unter dem Hemd anhatte. Dieser Anblick muss für Colin wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein.

Wortlos setzt sich Magnus zu mir auf den Boden und legt einen Arm um mich. Kurz lasse ich mich gegen ihn sinken, genieße für einen Moment die Wärme, die von ihm abstrahlt, doch dann schiebe ich ihn entschlossen weg.

„Danke, dass du ihn abgewimmelt hast, aber du solltest jetzt trotzdem gehen“, sage ich rau und reibe mir die Augen. „Wieso bist du überhaupt noch hier?“

Magnus zuckt mit den Schultern.

„Ich bin erst seit ein paar Tagen in der Stadt und hab noch keine eigene Bude. Mein Bruder, bei dem ich zurzeit wohne, ist irgendwo versackt und sein Handy ist aus. Den Schlüssel für seine Wohnung hab ich dummerweise vergessen und da dachte ich, dass es vielleicht kein Problem ist, noch ein wenig hierzubleiben? Ich hab Frühstück besorgt. Ein schöner, starker Kaffee würde dir sicher gut tun.“

 

„Ich muss ins Bad“, schwerfällig hieve ich mich hoch und drehe das Gesicht so gut es geht aus Magnus‘ Blickfeld. Er muss nicht sehen, dass ich geflennt habe und eigentlich sollte ich ihn rausschmeißen, aber andererseits ist es schön, nicht ganz allein zu sein.

Jay fehlt mir gerade wahnsinnig. Bei ihm würde ich mich, ohne zu überlegen, fallen lassen und einfach heulen. Seit unserem zehnten Lebensjahr haben wir zusammen gewohnt, alles Gute und alles Schlechte miteinander geteilt. Er war immer da und er steht mir näher als mein leiblicher Bruder.

Es ist ja nicht so, dass wir uns nie sehen. Im Gegenteil, wir sind immer noch so gut wie täglich zusammen, denken uns neue Choreografien für die Company aus, proben für die Show, treten gemeinsam auf. Ich gönne ihm sein Glück mit Nick von ganzem Herzen. Aber trotzdem fehlt er mir hier zu Hause an allen Ecken und Enden und vor allem jetzt, wo es mir so beschissen geht.

 

 

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In der Wohnküche umschmeichelt kräftiger Kaffeeduft meine Nase und ich pralle überrascht zurück. Der Tisch ist auf eine Art und Weise gedeckt, die man einfach nur als liebevoll betiteln kann. Ich lüfte eine überdimensionale Wärmeglocke, die definitiv nicht zu meinem Haushalt gehört und finde darunter Pancakes, Rührei und gebratene Würstchen, die ich niemals gekauft habe und auch für die Platte mit den vielen, sehr appetitlich aussehenden Häppchen habe ich eindeutig keine Zutaten im Kühlschrank.

Die Krönung des Ganzen ist ein Strauß exquisiter Tulpen in altrosa, der farblich genau auf die ebenfalls nicht auf meinem Mist gewachsenen, edlen Leinenservietten abgestimmt ist. Auf den Servietten ist am oberen Eck ein goldener Vogel eingestickt, das Logo des ‚Golden Swan‘ eines der teuersten Restaurants in Beverly Hills.

 

„Was soll das?“, frage ich knurrig und drehe mich nun doch zu Magnus um.

„Frühstück?“, erwidert er halb fragend und lächelt schüchtern. Dieses zaghafte Lächeln will so gar nicht zu seiner imposanten Erscheinung passen und macht ihn wahnsinnig süß.

„Das sehe ich“, gebe ich etwas milder zurück. „Frühstück aus dem ‚Golden Swan‘? Bist du Krösus oder was?“

„Nein, noch nicht ganz“, Magnus lacht und wenn sein Lächeln süß ist, ist sein Lachen einfach unwiderstehlich.

„Ich arbeite da seit ein paar Tagen“, erklärt er. „Keine Angst, ich habe mich nicht in Schulden gestürzt deswegen.“

„Ist sowas dort im Arbeitsvertrag enthalten? Du siehst nicht aus wie ein Kellner“, sage ich und schnappe mir eins der Häppchen. Es ist belegt mit feinstem, italienischen Schinken und dezentem Grünzeug und schmeckt fantastisch.

Magnus lacht wieder, lässt seien ebenmäßigen, weißen Zähne blitzen.

„Kellner? Wie kommst du darauf?“

„Keine Ahnung? Vielleicht bist du ja auch Koch? Oder Tellerwäscher?“

„Vielleicht?“

Magnus grinst spitzbübisch und kommt auf mich zu. Mit beiden Händen stützt er sich auf die Tischkante links und rechts neben mir und klemmt mich zwischen sich und dem Tisch ein.

„Ich wollte mich damit für die schöne Nacht bedanken. Schlimm?“

 

Sein Mund streift meine Schläfe, seine große, warme Hand gleitet an meinem Arm hinauf, schiebt sich weiter zum Hals und jagt mir wohlige Schauer über den Rücken. Scheiß auf Colin, der würde mir nie im Leben Frühstück servieren und so eins schon gar nicht.

„Nicht schlimm. Ganz im Gegenteil“, murmle ich und greife in seinen Nacken, ziehe seinen Kopf zu mir herunter und küsse ihn. Magnus steigt darauf ein und eine Weile knutschen wir einfach nur selbstvergessen herum. Schließlich meldet sich meine volle Blase zurück und schon ein bisschen widerstrebend löse ich mich von ihm.

„Sorry, ich muss jetzt wirklich ins Bad. Ich beeile mich.“

„Lass dir Zeit“, Magnus streicht zärtlich über meine Wange und tritt einen Schritt zurück. „Ich brühe dir inzwischen frischen Kaffee auf.“

„Die Kaffeemaschine ist …“, er unterbricht mich, indem er mir zwei Finger auf die Lippen legt.

„Deine Kaffeemaschine in allen Ehren“, sagt er lächelnd. „Aber es geht nichts über frisch gebrüht. Geh in Ruhe duschen und lass mich machen.“

Erst jetzt sehe ich auf meinem Küchenschrank eine altmodisch anmutende Porzellankanne und einen noch altmodischeren Kaffeefilter stehen. Meine Oma hatte so etwas, als ich noch ein Kind war. Herrje, Magnus scheint seine ganze Küche hier angeschleppt zu haben. Was soll man davon halten? Kopfschüttelnd verschwinde ich im Bad.

Vier

Magnus

 

 

 

 

Während ich den Kaffee für Noah vorbereite, habe ich Zeit zum Nachdenken.

Colin Masters also. Ich hätte Noah einen besseren Geschmack zugetraut. Masters habe ich vor ein paar Tagen im Swan erlebt und fand ihn zum Abgewöhnen. Großkotzig und arrogant hielt er Hof im Restaurant, umgeben von einer Handvoll Arschkriechern, und hinterließ eine Rechnung von knapp dreitausend Dollar, die mein Bruder süffisant lächelnd zur Seite legte und meinte, das ginge aufs Haus. Als ich ihn verärgert fragte, was das soll, sagte er lachend:

„Lass mal, Magnus, Gäste wie der sind gut fürs Geschäft, die müssen wir uns warmhalten. So einer lockt jede Menge neue Kunden an. Die dreitausend Dollar sind gut investiert, glaub mir.“

Nun, er muss es wissen, er hat mir ein paar Jahre Geschäftserfahrung in L.A. voraus und weiß, wie der Hase läuft.

 

Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass Colin Masters auf Kerle steht, obwohl es da wohl schon öfters Gerüchte gegeben haben soll. Als er im Restaurant war, befand sich eine Frau an seiner Seite und die war nicht das Model, mit dem er liiert ist. Masters ist wohl auch einer von der Sorte ‚ein bisschen Bi schadet nie‘, oder er verarscht tatsächlich alle und die Weiber sind nur Staffage.

Dass ausgerechnet so jemand Noahs Ex ist! Glücklicherweise hatte ich mich im Griff, als er vor der Tür stand. Ich konnte so tun, als wüsste ich nicht, wer er ist, und da er mich im Swan nicht gesehen hat, war das auch kein Problem.

Andererseits finde ich es fast ein wenig schade, dass die Beziehung vorbei ist. Ich hätte es als äußerst spannend empfunden, nicht nur gegen irgendeinen Rivalen, sondern gegen jemanden wie Masters kämpfen zu müssen. So ein kleiner Fight hat durchaus etwas für sich.

 

Aber ich bin trotzdem nicht enttäuscht, dass Noah es mir so einfach gemacht hat. Ich will ihn, seit ich ihn auf der Bühne dieses dämlichen Tanztheaters sah, zu dem mich mein Bruder gleich nach meiner Ankunft in Los Angeles geschleift hat.

Für mich gibt es nichts Langweiligeres, als einer Handvoll Hupfdohlen bei ihren Verrenkungen zuzusehen, doch dann war da plötzlich Noah auf der Bühne und zog mich von der ersten Sekunde an in seinen Bann. Sein geschmeidiger Körper, seine harmonischen Bewegungen und sein wunderschönes, ebenmäßiges Gesicht ließen mein verkümmertes Herz höher schlagen. Von mir aus hätten sich sämtliche Gestalten, die um ihn herumtanzten, in Luft auflösen können. Ich sah nur ihn und für mich war sofort klar, dass ich ihn haben muss. Und dann läuft er mir einfach so in einem Club über den Weg. Manchmal bin ich tatsächlich ein Glückspilz.

 

Noah Stevenson, vierundzwanzig Jahre alt, ausgebildeter Bühnentänzer und Mitinhaber der ‚Stevenson Caine Dance Company‘, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Jasper Caine leitet. Besagter Caine ist der Lebensgefährte von Rockstar Nicholas Pearce, der wiederum der beste Freund von Colin Masters ist. Verworrene Verhältnisse!

Wie es aussieht, muss ich mich nur ein wenig ins Zeug legen und Noah gehört mir. Masters scheint ihn gefühlsmäßig recht knapp gehalten zu haben. Nun, mit Gefühlen kann ich dienen, denn wenn ich mich verliebe, dann richtig. Und in Noah bin ich definitiv verliebt. Liebe auf den ersten Blick, genauso war es und ich weiß, dass es nicht lange dauern wird, bis Colin Masters endgültig Geschichte ist und Noah mich auch liebt.

 

„Wie ich sehe, hast du die frischen Handtücher und die Ersatzzahnbürsten bereits gefunden.“

Noah kommt aus dem Bad, hat sich einen schneeweißen, flauschigen Bademantel übergeworfen und sieht einfach nur hinreißend aus. Das Weiß des Mantels kontrastiert wundervoll mit seiner zart braun getönten Haut. Meine umfangreichen Recherchen verrieten mir bereits, dass sein Vater US-Amerikaner und seine Mutter Kubanerin ist. Die mütterlichen Gene bestimmen sein Aussehen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für hübsche, gutgebaute Latinos.

„Sorry wegen der Zahnbüste“, antworte ich grinsend. „Ich ertrage es nicht, morgens ungeduscht und mit ungeputzten Zähnen herumzulaufen. Ich kaufe dir eine neue.“

„Lass stecken“, er verschwindet im Schlafzimmer und kommt nach einer Weile in ausgeblichenen Jeans und einem engen weißen Shirt zurück und mir läuft bei seinem Anblick das Wasser im Mund zusammen.

 

„Du siehst umwerfend aus!“

Ich schlinge von hinten meine Arme um seinen Bauch und küsse sanft seinen Hals.

„Ich weiß, dass du gerade eine beschissene Zeit durchmachst und sicher keinen Bock auf etwas Neues hast“, sage ich leise. „Aber ich mag dich und ich würde mich sehr freuen, dich wiedersehen zu dürfen.“

Noah dreht sich in meinen Arme, schiebt mich ein Stückchen weg und sieht mir fest in die Augen.

„Wir hatten keine Beziehung. Genau genommen ist er nicht mal mein Ex, denn wir waren nie richtig zusammen. Es ist kompliziert.“

„Ist es das nicht immer?“, ich streiche über seinen Arm und sehe ihn mitfühlend an. „Er ist nicht out, habe ich das richtig erkannt?“

„Ich will nicht drüber reden“, Noah ringt sich ein gequältes Lächeln ab. „Was ist jetzt eigentlich mit dem Frühstück und dem Kaffee, den du mir versprochen hast? Ohne Koffein bin ich ein Wrack.“

 

„Aber bitte sehr, sofort, der Herr“, flöte ich, ziehe einen der Stühle zurück und eskortiere ihn mit einer angedeuteten Verbeugung dort hin.

„Doch Kellner?“, fragt Noah spitzbübisch und nimmt Platz. Formvollendet gieße ich ihm Kaffee ein, er trinkt und verdreht genießerisch die Augen.

„Gut?“, frage ich.

„Sehr gut. Hast du eventuell Verwendung für eine uralte Kaffeemaschine?“

Lachend schüttle ich den Kopf.

„So etwas habe ich schon lange aus meinem Haushalt verbannt. Wenn du magst, lasse ich dir die Kaffeeutensilien gern da. Guter Kaffee ist keine Hexenwerk.“

„Das musst du nicht. Also Magnus, wer oder was bist du denn nun? Kellner oder doch eher Barista?“, Noah lässt nicht locker. Ich setze mich und hebe die Wärmeglocke vom Rührei und den Würstchen.

„Weder, noch, obwohl ich als Student mal eine Weile gekellnert habe“, erkläre ich. „Ich heiße Magnus Lundquist, bin achtundzwanzig Jahre alt und ein langweiliger Buchhalter. Mein Bruder und ich besitzen zusammen einige Bars und Restaurants und seit ein paar Wochen auch den ‚Golden Swan‘.“

„Euch gehört der Swan? Respekt!“, Noah zieht anerkennend eine Augenbraue nach oben. „Kommst du aus Europa? Du hast einen süßen Akzent.“

„Süß? Ich dachte, dass hört man nicht mehr“, gespielt entsetzt sehe ich ihn an, aber dann lache ich. „Ich bin Schwede, geboren und aufgewachsen in Stockholm, aber ich habe in Chicago Betriebswirtschaft studiert und lebe seit acht Jahren in den Staaten.“

„Ein bisschen hört man es noch. Es klingt schön, ich mag es“, er nickt mir zu und lädt sich den Teller voll.

 

„Ich hoffe, das wiederspricht nicht deinem Diätplan?“, ich deute auf das Essen.

„Wie kommst du denn darauf?“, erstaunt zieht er eine Augenbraue hoch.

„Na du bist Tänzer, muss man da nicht auf seine Ernährung achten?“

Noahs Kopf geht ruckartig hoch und in seinem Blick ist plötzlich leises Misstrauen.

„Du kennst mich?“

Ich schaffe es, einigermaßen zerknirscht zu wirken, als ich sage:

„Schon, irgendwie. Naja, mein Bruder hat mich letztens ins Palladium geschleift und da hab ich dich tanzen gesehen. Ich fand dich hinreißend, obwohl ich überhaupt keine Ahnung von Tanz oder Ballett habe. Und als ich dich gestern im Club wiedersah, musste ich dich einfach ansprechen.“

„Du bist aber kein Stalker oder sowas?“, Noah schiebt sich eine Gabel voll Ei in den Mund und beißt herzhaft in einen Bagel.

„Dann würde ich dich nur aus der Ferne bewundern und dir obszöne Briefe schicken“, antworte ich und trinke einen Schluck Kaffee. „Nein, mal im Ernst. Ich möchte dich wirklich gern wiedersehen. Du gefällst mir sehr, Noah.“

„Ich mag deinen Kaffee“, er grinst mich frech über den Rand seiner Kaffeetasse an.

„Genau das will ein Mann hören“, brumme ich zurück und verdrehe dabei gespielt genervt die Augen, doch Noah ist plötzlich ernst.

„Ich will ehrlich sein. Du bist ein super Typ, Magnus, und das hier …“, er zeigt auf den Frühstückstisch. „… ist wirklich toll. So etwas Schönes hat schon lange niemand mehr für mich gemacht. Aber das mit … meinem Ex war für mich ziemlich ernst, auch wenn er das ganz und gar nicht so gesehen hat. Ich muss mich neu sortieren. Für etwas Neues bin ich einfach noch nicht bereit.“

„Keine Angst, ich will dich nicht morgen schon heiraten“, spöttele ich. „Vielleicht kann ich dir ja helfen beim neu sortieren. Wir lernen uns besser kennen und schauen, was draus wird.“

 

Ich schenke ihm meinen allerbesten Augenaufschlag und schlage einen wirklich mitleiderregenden Ton an.

„Ich bin neu in der Stadt und ganz allein und mein Bruder ist ein verdammter Hetero. Willst du mich wirklich dazu verurteilen, mein Dasein ausschließlich in Gesellschaft von Heten fristen zu müssen?“

„So wie gestern, was? Du spinnst doch!“

Noah boxt feixend gegen meinen Arm. Ich schnappe mir sein Handgelenk und ziehe ihn zu mir, bis sich unsere Nasen berühren. Aufreizend lecke ich über seine Lippen und er reagiert, kommt mir mit seiner Zunge entgegen und sofort sind wir in eins der besten Knutschgefechte aller Zeiten verwickelt. Meine Hände wandern tiefer, unter den Bund seiner Hose, doch als ich meine Finger zwischen seine prallen Hinterbacken schiebe, stoppt er mich.

 

Fünf

Noah

 

 

 

 

Wenn Magnus einen auf diese Weise ansieht, kann man kaum widerstehen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann mit blauen Augen einen solchen Hundeblick drauf hat. Gleich darauf sind wir schon wieder am Knutschen und daran könnte ich mich glatt gewöhnen. Magnus ist ein außerordentlich guter Küsser und seine masochistischen Anwandlungen scheint er auch abgelegt zu haben, denn er wirkt jetzt schon ziemlich dominant. Nicht, dass ich nicht gern weitermachen würde, aber ich habe mich um drei Uhr mit den Straßenkids zum Tanzen verabredet und die kann und will ich nicht versetzen.

 

„Sorry Magnus“, schon ein bisschen widerwillig entziehe ich mich ihm. „So gern ich das hier weiterführen würde, aber ich habe noch einen Termin. Aber vorher würde ich gern noch ein wenig von den schönen Sachen hier genießen, wenn du nichts dagegen hast.“

„Kannst du nicht absagen?“, wieder kommt dieser Bettelblick und ich muss lachen.

„Du hast das echt perfektioniert. Übst du das vor dem Spiegel?“

„Natürlich“, antwortet er vollkommen ernst, aber ich sehe den Schalk in seinen Augenwinkeln blitzen.

„Kannst du dich an die Jungs erinnern heute Nacht? Die unten auf der Straße standen?“, frage ich.

„Die Gang? Das war echt gruselig. Ist nicht die beste Gegend hier, oder?“

„Nein, wirklich nicht. Ich hätte längst wegziehen sollen. Aber ich wohne hier schon fünf Jahre und ich kümmere mich ein wenig um die Jungs. Ich tanze mit ihnen, wenn ich Zeit habe, früher einfach auf der Straße und jetzt in unserem Studio.“

„Sind die nicht gefährlich?“, Magnus verzieht das Gesicht.

„Ich komme klar“, wiegle ich ab. „Natürlich sind das keine braven Kids und die haben alle ordentlich was auf dem Kerbholz. Aber so lange sie tanzen, machen sie keinen Scheiß, und wenn ich es schaffe, auch nur einen von ihnen von der Straße zu holen, hat sich die Sache gelohnt.“

„Dein Idealismus in allen Ehren, aber was machst du, wenn die dir einfach eins über die Rübe hauen und dich ausrauben? Diese Drogenopfer sind doch vollkommen unberechenbar.“

„Sie mögen mich und bisher waren sie eher dankbar“, entgegne ich bissig. „Die Jungs haben alle kein leichtes Leben, sie kommen aus zerrütteten Familien und besitzen kaum Schulbildung. Wenn ihnen das Tanzen dabei hilft, besser klarzukommen, ist das ein Gewinn für alle, also, warum sollte ich ihnen nicht helfen?“

„Ja, warum solltest du nicht“, Magnus lächelt besänftigend. „Wenn ich dich irgendwie unterstützen kann, sag es einfach.“

„Danke“, jetzt bin ich doch überrascht. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich drücke ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und frage:

„Bekomme ich noch Kaffee? An das Zeug könnte ich mich echt gewöhnen.“

„Nur, wenn ich dafür deine Nummer kriege.“

„Darüber werde ich nachdenken.“

„Ich sehe schon, du wirst dich in meine Kaffeekanne verlieben und ich ziehe wiedermal den Kürzeren“, schmollt Magnus und gießt mir die Tasse voll.

Ich nehme einen großen Schluck des starken, aromatischen Gebräus und verdrehe genießerisch die Augen.

„Verdammt guter Stoff“, murmle ich.

„Schon gut, ich lass dir alles da, was du brauchst. Dann kannst du dir den verdammt guten Stoff in Zukunft selbst zusammenbrauen und brauchst mich nicht mehr. So geht es mir immer. Kaum trinken die Männer meinen Kaffee, bin ich abgeschrieben.“

„Du tust mir so leid!“, ich küsse ihn sanft auf die Lippen. „Besser?“

Magnus zuckt mit den Schultern. Ich küsse ihn noch einmal, diesmal etwas länger und die Leidensmine hellt sich etwas auf. Der dritte Kuss ist sehr lang, sehr intensiv und sehr feucht und ich keuche zum Abschluss wie eine Dampflok. Ja, Magnus ist definitiv ein super Küsser.

 

 

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Als ich eine Stunde später Richtung Studio radle, muss ich immer noch grinsen. Magnus hat mich beeindruckt, das gebe ich unumwunden zu. Mogelt sich einfach so mit einem Frühstück in mein Leben, dieser gerissene Hund. Der hat ganz genau gemerkt, welche Knöpfe er bei mir drücken muss. Und ich habe es sehr genossen, ich lasse mich gern mal verwöhnen und bei Colin könnte ich wahrscheinlich warten, bis ich schwarz werde, bevor der auch nur einen Finger für mich krumm machen würde.

 

„Wo sind die anderen?“, begrüße ich erstaunt Dragon, der als Einziger auf den Stufen zum Eingang sitzt. Normalerweise sind wir mindestens zu zehnt.

„Weiß nicht. Soll ich wieder abhauen?“

„Nein, komm doch rein“, ich schließe die Tür auf und warte, bis er an mir vorbeigegangen ist.

Dragon ist einer der Jungs, die ich nicht richtig einschätzen kann. Vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt, groß, schlank, nicht so muskulös aufgepumpt wie die meisten Kerle in der Gang. Seine Haut hat einen hellen Braunton, fast so wie meine, doch seine Gesichtszüge sind asiatisch. Eigentlich weiß ich so gut wie nichts von ihm, nur, dass er ein ziemlich vielversprechender Tänzer, aber auch sehr verschlossen ist.

 

„Worauf hast du Lust?“, frage ich und hantiere an der Anlage. „Hip Hop, wie immer? Oder was anderes?“

„Warte … ich muss … dir was sagen …“, Dragon bricht ab und sieht mich unsicher an. Ich werfe ihm einen aufmunternden Blick zu.

„Na ja, ich hab die „Silver Idol“ Show gesehen und …“

„Du warst in unserer Show?“, unterbreche ich ihn überrascht. „Aber warum hast du denn nichts gesagt? Ich hätte dir Freikarten besorgen können.“

„Das wollte ich nicht. Ich will auch nicht, dass es jemand erfährt. Die anderen würden mich … na du weißt schon.“

Ich nicke verstehend. Die „Silver Idol“ Show ist anders als das, was wir sonst tanzen. Es gibt viele klassische Elemente und vor allem haben wir die Frauen diesmal ausgeklammert. „Silver Idol“ ist eine rein schwule Angelegenheit.

„Bist du schwul?“, frage ich unumwunden und nach kurzem Zögern nickt er.

„Die anderen wissen es nicht. Niemand weiß es.“

„Ich werde es ihnen nicht sagen“, antworte ich. „Hast du jemanden? Einen Freund?“

„Nein, wie stellst du dir das vor? Ich kann doch nirgends mit ‘nem Kerl aufkreuzen. Weißt du, was die mit mir machen?“

„Ich kann’s mir vorstellen“, sage ich und kämpfe die Wut nieder, die unweigerlich in mir aufsteigt. Die Gangkids tolerieren mich, schließlich wollen sie was von mir. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie Dragon die Scheiße aus dem Leib prügeln würden, sollten sie jemals erfahren, dass er auf Männer steht.

Wann werden die Menschen endlich so weit sein und uns akzeptieren, wie wir sind? Wann werden sie endlich aufhören, uns als minderwertige Kreaturen zu sehen, die man ungestraft zusammentreten darf!

 

Dragon hat sich auf den Boden gesetzt und die Knie angezogen. Er hält sie fest umklammert und zittert ein bisschen, als würde er frieren.

„Ich hab die Schnauze voll von Tyreeq und den anderen Typen“, sagt er leise. „Ich halte das nicht mehr aus. Ich will nicht mehr dealen und Leute tyrannisieren für ein bisschen Geld.“

„Und was willst du stattdessen?“, frage ich und setze mich ihm gegenüber.

„Tanzen.“

Er sieht mich an und seine Augen leuchten.

„Ich hab in der Show gesessen und es war so Wahnsinn, so überwältigend und plötzlich war alles so klar. Ich weiß, dass ich niemals so gut sein werde wie ihr, aber ich würde gern daran arbeiten, hart trainieren, es wenigstens versuchen.“

„Und woran scheitert es?“

„An allem“, seine ausdrucksvollen braunen Augen glänzen plötzlich verdächtig und er kneift sie schnell zusammen und drückt die Handballen hinein.

„Ich müsste von der Gang weg, aber das ist nicht so einfach, wenn man keinen Job hat. Ich hab versucht, einen zu kriegen, heimlich, damit es die anderen nicht merken. Aber mich will keiner, so wie ich aussehe, mit meinen Tattoos und dem ganzen Zeug.“

 

Da muss ich ihm leider beipflichten. An Dragons Armen scheint es kaum noch freie Haut zu geben, den Rest verbirgt das weite Shirt, das er trägt, aber es kann gut sein, dass er überall so aussieht. Zudem trägt er Piercings in Ohren, Augenbrauen und der Unterlippe.

„Wie kann man in deinem Alter schon so tätowiert sein?“, frage ich neugierig.

„Hab mit fünfzehn angefangen“, Dragon zuckt mit den Schultern.

„Muss man nicht volljährig sein dafür?“

Für den Einwurf ernte ich lediglich ein herablassendes Schauben.

„Hat ein Bekannter gemacht. Wenn die Kohle stimmt, tätowiert er jeden.“

„Und deine Eltern?“

„Denen bin ich scheißegal. Mein Vater hat sich verpisst, als ich elf war und meine Mutter ist ein Junkie. Die hab ich bestimmt schon drei Jahre nicht mehr gesehen.“

„Harter Stoff, tut mir echt leid. Wie alt bist du, Dragon?“

„Bin im März siebzehn geworden. Mit vollem Namen heiße ich Edgar Ryū Stewart.“

„Edgar, echt?“, ich unterdrücke ein Grinsen und frage:

„Ryū? Das klingt schön, wo kommt der Name her?“

„Meine Mutter ist Japanerin. Ryū ist japanisch und bedeutet Drachen.“

„Deshalb nennst du dich Dragon?“

„Ja, Ryū kann hier keiner richtig aussprechen und würdest du Edgar heißen wollen?“

Er wartet meine Antwort nicht ab, schnauft nur verächtlich.

„Mein Vater nannte mich Eddy, nach seinem Großvater. Findest du, dass ich wie ein ‚Eddy‘ aussehe?“

Ich muss lächeln.

„Nein, ganz und gar nicht. Ryū passt sehr gut zu dir, obwohl ich befürchte, dass auch ich das nicht richtig aussprechen kann.“

„Klingt bei dir besser als bei den anderen. Aber bleib einfach bei Dragon. Ist mir auch am liebsten.“

 

Wir sitzen eine Weile schweigend da. Dragon hat den Kopf gegen die Wand gelehnt, starrt in die Luft und ich kann ihn in Ruhe betrachten. Er ist ein hübscher Kerl mit schmalen, aber ausdrucksstarken Augen, hohen Wangenknochen und einem schönen, mit vollen Lippen gesegneten Mund. Glattes, schwarzes Jahr reicht ihm bis auf die Schultern, einzelne Strähnen fallen ihm immer wieder ins Gesicht und manchmal habe ich das Gefühl, dass er sich dahinter versteckt. Seine Haut ist nur leicht gebräunt, also nehme ich an, dass einer seiner Vorfahren zumindest zu einem Teil Afroamerikaner oder Latino gewesen sein muss.

Dragons Name ist auch bei seinen Tattoos Programm. Seine Arme werden von Scharen kleiner und größerer, zum Teil ineinander verschlungenen Drachen bevölkert und ich bewundere seinen Mut, sich so nachhaltig dem Schmerz des Tätowierens auszusetzen.

Ich besitze kein einziges Tattoo, konnte mich nie überwinden, mir eins stechen zu lassen. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde, aber ich habe viel zu viel Schiss vor der ganzen Prozedur. Als Profitänzer bin ich zwar Schmerzen gewöhnt, aber das ist eine ganz andere Hausnummer.

 

Shit, wieder kneift er die Augen zusammen, doch diesmal kann er nicht verhindern, dass ihm Tränen über die Wangen rinnen.

„Ich kann nicht mehr“, flüstert er. „Ich will da weg, aber ich weiß nicht, wo ich hin soll. Wir hausen zu zwölft in Tyreeqs winziger Bude und alle sind ständig zugedröhnt. Es ist dreckig und immer muss man kämpfen, um was zu essen, um einen Schlafplatz, um Anerkennung. Nie ist Ruhe. Ich hätte so gern mal Ruhe …“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739492254
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Hollywood Millionär Queer Slash Homosexuell Los Angeles Erotik

Autor

  • Sasha Lilus (Autor:in)

Sasha Lilus, geboren und aufgewachsen im grünen Herzen Deutschlands, schreibt seit frühester Jugend. „Für mich ist das Schreiben ein Instrument, um mich aus dem stressigen Alltag auszuklinken. Ich mag es, zu träumen und dabei meiner Fantasie freien Lauf zu lassen und wenn sich meine Leser und Leserinnen von meinen Fantastereien einfangen und auf eine aufregende Reise mitnehmen lassen, habe ich alles erreicht, was ich mir wünsche.“
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Titel: Rock Dance Love_2 - NOAH