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Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee

von Thomas F. Rohwer (Autor:in) Bartholomäus von Werner (Autor:in)
535 Seiten
Reihe: Die Maritime Bibliothek, Band 1

Zusammenfassung

Vom 30.Oktober 1877 bis zum 30.September 1879 unternahm die deutsche Korvette SMS "Ariadne" unter dem Kommando des Korvettenkapitäns Bartholomäus von Werner eine Forschungs- und Flottendemonstrationsreise von Deutschland um Südamerika herum, quer durch den Pazifik zu den diversen Inselgruppen der Südsee, nach Neuseeland und Australien, und schließlich über Indonesien, den Indischen Ozean, den Suezkanal und das Mittelmeer zurück nach Deutschland. Bartholomäus von Werner verfasste über die Erlebnisse auf dieser Reise ein umfangreiches Tagebuch, das hier vollständig in einer neu editierten Ausgabe mit einer begleitenden Einführung vorliegt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einführung

Von Thomas F. Rohwer


Für die praktische Nicht-Existenz einer deutschen Marine bis in die 1870er Jahre gibt es vor allem zwei Gründe:

  • das Fehlen eines deutschen Nationalstaates, der eine eigenständige Marinepolitik hätte haben können
  • eine auffällige Hinwendung zum Binnenland und das weitgehende Fehlen einer eigenen Handelsschiffahrt und des Verständnis für eigene maritime Interessen

Preußen, dessen Flagge zur See noch im Krieg gegen Dänemark 1848/49 von Großbritannien zur „Piratenflagge“ erklärt worden war, begann 1853 unter Prinz Adalbert mit dem Aufbau einer eigenen Flotte. 1864 im Krieg gegen Dänemark war diese aber noch nicht ansatzweise in der Lage, der dänischen Flotte entgegenzutreten. Den größeren Teil der Auseinandersetzung zur See trug die österreichische Marine. Auch im Krieg gegen Österreich 1866 spielte die preußische Marine nur eine untergeordnete Rolle.

Aus der preußischen Marine wurde 1867 die Marine des Norddeutschen Bundes. Den Oberbefehl hatte, wie bei den Landstreitkräften, der preußische König (Artikel 53 der Bundesverfassung). Er übte im Norddeutschen Bund die Funktionen Bundespräsidium und Bundesfeldherr aus. Im Deutsch-Französischen Seekrieg 1870/1871 kam es zu einigen wenigen Begegnungen mit französischen Schiffen. Während des Krieges traten die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bund bei, der sich in „Deutsches Reich“ umbenannte. Entsprechend dem neuen Titel „Deutscher Kaiser“ für den preußischen König wurde aus der Marine die Kaiserliche Marine.

Bis 1888 der marinebegeisterte Wilhelm II. deutscher Kaiser wurde, führte die Kaiserliche Marine ein Schattendasein. 

Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege. Schon bald wurden erste Auslandsstationen gegründet, die bis 1900 global ausgebaut waren:

  • Ostasiatische Station (Asien, Stationsort Tsingtau)
  • Ostamerikanische Station (Ostküste Amerikas, kein festgelegter Stationsort, ­logistische Standorte u. a. Saint Thomas und Newport News)
  • Westamerikanische Station (Westküste Amerikas, kein festgelegter Stationsort, ­logistischer Standort während des Mexikanischen Bürgerkriegs San Franzisko)
  • Australische Station (Australien und Südsee, Stationsort Matupi)
  • Westafrikanische Station (Westküste Afrikas, logistischer Standort Kapstadt, ­eigentlicher Stationsort Duala)
  • Ostafrikanische Station (Ostküste Afrikas, logistischer Standort Kapstadt, eigentlicher Stationsort Daressalam)
  • Mittelmeer-Station (Stationsort Konstantinopel).

Die beiden amerikanischen Stationen (ursprünglich Westindische Station) waren in den 1880er/90er Jahren kaum besetzt, wurden aber zumindest im karibischen Raum regelmäßig von den Schiffsjungenschulschiffen angelaufen.

In den 1880er/1890er Jahren dann war die Kaiserliche Marine entscheidend am Aufbau des Deutsche Kolonialreichs in Afrika, Asien und Ozeanien beteiligt. 

Die Zeit zwischen dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und dem Beginn des „Dreadnought“-Zeitalters* kurz nach der Jahrhundertwende war eine Zeit marinetechnischer Umbrüche, vor allem des Übergangs von Kriegsschiffen mit Besegelung als ausschließlichem oder hauptsächlichen Antrieb zu reinen Dampfschiffen, außerdem vom hölzernen zum eisernen Rumpf. Die Kaiserliche Marine verfügte in dieser Zeit über eine kleine Zahl von Korvetten und Fregatten mit gemischtem Dampf-Segel-Antrieb, und gerade für Operationen in entfernten Gewässern bei der Entwicklung eines deutschen Kolonialreichs wusste man die Unabhängigkeit des Segelantriebs zu schätzen, denn das Kaiserreich verfügte anders als England nicht über ein ausreichend dichtes Netz an Kohlebunkerstationen.

Expeditionsfahrten in weit entlegene Gewässer hatten neben der Unterstützung des aufkeimenden Gedankens an deutsche Kolonien in aller Welt vor allem den Zweck, die Ausbildung von Seeoffizieren und Unteroffizieren zu fördern und wissenschaftliche Expeditionen durchzuführen.

Die SMS „Ariadne“

Die Fahrten der Korvette SMS „Ariadne“ entsprachen genau diesem Profil. Das Schiff war 1868, also noch vor dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, in Auftrag gegeben worden. Durch den Krieg verzögerte sich der Bau, nach der Ablieferung durch die Werft mussten verschiedene Schäden und technische Probleme beseitigt werden. Am 15. April 1873 konnte die „Ariadne“ schließlich in Danzig wieder in Dienst gestellt werden.

Die „Ariadne“ wurde dem Übungsgeschwader zugeteilt, aber schon im Oktober 1873 wieder außer Dienst gestellt, da das Übungsgeschwader aufgelöst wurde. Es folgte ein weiterer Werftaufenthalt, bei dem das Schiff zur Dreimast-Bark** umgetakelt wurde.

Im Mai 1874 wieder in Dienst gestellt, unternahm die „Ariadne“ ab Oktober 1874 ihren ersten Auslandseinsatz. Das Schiff lief durch das Mittelmeer und den Sueskanal nach Ostasien und erreichte an Heiligabend 1874 Singapur, wo der Jahreswechsel verbracht wurde. Am 4. Januar 1875 verließ die „Ariadne“ den Hafen wieder und fuhr über Manila nach Hongkong weiter. Dort löstedas Schiff die SMS „Elisabeth“ als Stationsschiff ab. 

Eine wichtige Aufgabe war dabei, chinesische Piraten zu bekämpfen, die eine ständige Gefahr für die Handelsmarine darstellten und gegen die die chinesischen Behörden nicht ausreichend vorgingen. Bei ihrem Einsatz wurde die Korvette im Jahr 1875 von der Korvette SMS „Hertha“ und dem Kanonenboot SMS „Cyclop“ unterstützt. Das Einsatzgebiet erstreckte sich entlang der Küste von Kanton bis Taku. In diesem Bereich liefen die Schiffe verschiedene Häfen an. So lagen die „Ariadne“ und die „Cyclop“ am 12. September vor Futschou, um die örtlichen Behörden zur Entschädigung für den Schoner „Anna“ zu zwingen, der Opfer eines Piratenüberfalls geworden war. Zu Beginn des Jahres 1876 hielt sich die „Ariadne“ in Amoy für Vermessungsarbeiten im dortigen Hafen auf.

Mitte April trafen die in Ostasien stationierten Schiffe in Hongkong zusammen, wo auch die aus der Heimat kommende Korvette SMS „Vineta“ eintraf. Deren Kommandant, Kapitän zur See Alexander von Monts, übernahm das Kommando über die zu einem Geschwader zusammengefassten Schiffe. Am 1. Juli stieß zudem noch die Korvette SMS „Luise“, ein Schwesterschiff der „Ariadne“, als deren Ablösung zum Geschwader. Die „Ariadne“ trat am 17. Juli die Heimreise an, die wieder durch den Sueskanal führte, und erreichte am 20. Oktober 1876 Wilhelmshaven. Zehn Tage später wurde das Schiff erneut außer Dienst gestellt.

Die zweite Auslandsreise der SMS „Ariadne“

Die zweite Auslandsreise der „Ariadne“ ist diejenige Reise durch den Atlantik, um die Südspitze Südamerikas, entlang der zentralamerikanischen Küste, und dann kreuz und quer durch die Inselwelt Polynesiens, Mikronesiens und Melanesiens im Südostpazifik und schließlich über Neuseeland, Australien, die indonesische Inselwelt, Aden, das Rote Meer, den Suezkanal und durch das Mittelmeer zurück nach Deutschland; über die ihr Kommandant Korvettenkapitän Bartholomäus von Werner in seinem Buch „Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee“ berichtet.

Diese Fahrt der „Ariadne“ ist nichts weniger als eine vollständige Weltumrundung in Westrichtung, wobei der Schwerpunkt der Reise auf den Inseln des Südostpazifiks lag, was nicht verwundert, gab es hier doch deutsche „Kolonialinteressen“, die man unterstreichen wollte.

1877 nahm die Werft zunächst eine Grundüberholung der „Ariadne“ vor. Am 15. Oktober wurde das Schiff wieder in Dienst gestellt und für die neue Auslandsreise ausgerüstet. Es verließ die deutschen Gewässer am 30. Oktober. Zunächst lief die „Ariadne“ das englische Margate an, um einen schweren Sturm in der Nordsee abzuwettern. Über Funchal (Madeira) ging die Fahrt nach Rio de Janeiro weiter, wo die Korvette am 16. Dezember ankam und bis Anfang Januar blieb. 

Auf der weiteren Reise nach Süden lief das Schiff Punta Arenas in Süd-Chile an, in der Absicht, dort Kohle zu bunkern. Das dortige Depot hatte jedoch keine Kohle vorrätig. Um weiterhin die Maschinen betreiben zu können – die „Ariadne“ war wie ihre Schwesterschiffe ein schlechter Segler – musste die Besatzung an Land Brennholz schlagen. Anschließend durchquerte die „Ariadne“ die Magellanstraße und lief dann entlang der chilenischen Küste nach Norden, wobei sie weitere Häfen ansteuerte. In Valparaíso traf sie auf die SMS „Leipzig“ und fuhr mit dieser gemeinsam nach Panama weiter. Dort kamen beide Schiffe am 9. März 1878 an. Sie bildeten gemeinsam mit der SMS „Elisabeth“, die sich bereits vor Panama aufhielt, und der im Karibischen Meer kreuzenden „Medusa“ das „Zentralamerikanische Geschwader“, dessen Kommando Kapitän zur See Wilhelm von Wickede übernahm.***

Auftrag des Geschwaders war es, die „Eisenstuck-Affäre“ in Nicaragua beizulegen. Auf den deutschen Honorarkonsul Paul Eisenstuck bzw. seine Familie waren 1876 in der Stadt Leon zwei Überfälle verübt worden. Eisenstuck lebte bereits länger in Mittelamerika und war dort verheiratet. Seine Stieftochter lebte in Scheidung, weshalb die Familie zweimal auf offener Straße angegriffen wurde. Beim ersten Überfall am 23. Oktober 1876 wurden durch den Schwiegersohn drei Schüsse abgegeben, die jedoch nicht trafen. Der zweite Überfall am 29. November 1876 war deutlich brutaler und wurde von Polizeisoldaten ausgeführt, die den Konsul verprügelten und verhafteten. Zwar wurde Eisenstuck wegen seines diplomatischen Status bereits auf dem Weg zum Gericht freigelassen, jedoch verliefen alle strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Täter im Sande. Das Strafgericht verwies auf den Weg einer Privatklage und gab dem Vorfall den Rang einer „Familienfehde“, bei der der Schwiegersohn lediglich versuchte, seine Ehefrau zurückzugewinnen. 

Während die „Medusa“ vor San Juan del Norte lag, begaben sich die drei anderen Schiffe nach Corinto, auf dessen Reede sie am 18. März eintrafen. Nachdem die Hafeneinfahrt mit Beibooten auf Minen abgesucht worden war, liefen die Schiffe am nächsten Tag in den Hafen ein. Der Erste Offizier der „Elisabeth“, Kapitänleutnant Wilhelm Stubenrauch, begab sich sofort nach Managua und überbrachte der nicara-guanischen Regierung das deutsche Ultimatum. 

Gefordert wurde die Zahlung von 30.000 US-Dollar, das Salutieren der deutschen Flagge sowie die Bestrafung der für die Affäre Verantwortlichen. Sollte deren Verurteilung nicht binnen zwei Wochen erfolgen, forderte das Auswärtige Amt weitere 8.000 US-Dollar Strafe. Das Ultimatum wurde am 31. März weitgehend angenommen. Von Wickede erhielt die Entschädigung ausgezahlt und in Corintho wurden der deutschen und auch der Flagge Nicaraguas Salut geschossen. Dazu waren 260 nicaraguanische Soldaten und 380 deutsche Matrosen – jeweils 140 von „Elisabeth“ und „Leipzig“ sowie 100 von der „Ariadne“ – ebenso wie alle Kommandanten und Offizier der deutschen Schiffe, nicaraguanische Offiziere und Regierungsvertreter sowie Konsul Moritz Eisenstuck anwesend. Drei Geschütze gaben 21 Salutschüsse für die Reichskriegsflagge ab, die „Elisabeth“ die gleiche Anzahl für die nicaraguanische Flagge. Die geforderte Verurteilung blieb jedoch zunächst aus, weshalb von Wickede die Landungskorps der Schiffe klarmachen ließ. Erst am 6. April wurde ihm bekannt, dass zwischenzeitlich auch diese Forderung erfüllt worden war. Die Affäre war damit beendet. Das Geschwader wurde am 7. April aufgelöst.

Die „Ariadne“ fuhr zunächst nach Panama zurück und trat von dort die Überquerung des Pazifik an. Sie fuhr, vorbei an den Galapagosinseln, in Richtung der Marquesas, wo das Schiff Fatu Hiva und Nuku Hiva anlief. Anschließend besuchte man Papeete auf Tahiti. Dort versicherte Kommandant von Werner der örtlichen Verwaltung, dass die deutschen Niederlassungen vor Ort rein wirtschaftlicher Natur waren und keine Annexionspläne bestanden, gleichzeitig aber auch eine Inbesitznahme durch Drittstaaten von deutscher Seite nicht erwünscht war. **** Die „Ariadne“ erreichte schließlich am 23. Juni 1878 Apia. Im März 1877 hatte der Kommandant der SMS „Augusta“, Korvettenkapitän Hassenpflug, mit samoanischen Häuptlingen Handelsverträge geschlossen, die zwischenzeitlich aber durch US-amerikanische Staatsbürger beeinflusst einseitig wieder gekündigt worden waren. 

Stattdessen hatten die Vereinigten Staaten Verträge mit den Samoanern abschließen können, wodurch die ansässigen deutschen Händler und Plantagenbesitzer ihre Marktposition in Gefahr sahen. Von Werner beschlagnahmte daher am 16. und 17. Juli 1878 die Häfen von Falealili und Saluafata auf Upolu für das Deutsche Reich. Die „Ariadne“ verließ Samoa am 16. September in Richtung Sydney, um Kontakt mit der Heimat aufzunehmen. In Sydney kam es zur Fahnenflucht einzelner Matrosen.

Das Schiff war am 8. Oktober vor Apia zurück und begann am 20. Oktober eine Fahrt durch die Inselwelt Mikronesiens und Melanesiens. An Bord befand sich auch der deutsche Konsul Weber. Vom 26. bis zum 29. Oktober lag die Korvette vor Nukualofa, vom 30. Oktober bis zum 2. November vor Levuka und Tariani. Weitere Stationen der Reise bildeten Funafuti und Vaitupu, wo von Werner die Gleichberechtigung deutscher Niederlassungen mit denen anderer Staaten vertraglich sichern konnte. Anschließend lief die „Ariadne“ nach Tabiteuea, Abemama und Butaritari. Dabei war es erforderlich, das Seegebiet zu vermessen, da nur ungenaue Seekarten zu Verfügung standen, die berichtigt werden mussten. Auf den Marshallinseln konnte von Werner am 29. November mit den Oberhäuptlingen von Jaluit einen Vertrag abzuschließen, der neben einigen Rechten für den deutschen Handel – besonders für die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft, Hernsheim & Co sowie Capelle & Co – die Anlage einer Kohlestation für deutsche Kriegsschiffe gewährleistete. 

Den Bewohnern der Ralik-Kette gewährte von Werner eine eigene Flagge. Die „Ariadne“ lief Mitte Dezember die Duke-of-York-Inseln Mioko und Makada an. Dort übernahm die „Ariadne“ Proviant und Kohlen. Die gelieferte Menge Brennstoff entsprach jedoch nicht der bestellten, weshalb die Besatzung erneut an Land Brennholz schlagen musste. Es folgte ein kurzer Einsatz der Mannschaft im Norden Neu-britanniens, wo sie gegen Eingeborene vorging, die eine Niederlassung von Herns-heim & Co überfallen hatten. Nach einem Besuch von Matupi kehrte die „Ariadne“ zu den Duke-of-York-Inseln zurück und von Werner kaufte am 19. und 20. Dezember auf Mioko und Makada Häfen, die später als Stützpunkte dienen sollten. Die Korvette verließ die Inseln am Folgetag und steuerte zunächst Savo an. Am 16. Januar 1879 kam das Schiff in Apia an, wo tags zuvor auch die „Albatross“ eingetroffen war.

Am 24. Januar 1879 schlossen die samoanischen Häuptlinge einen neuen Vertrag, der dem Deutschen Reich erlaubte, in Saluafata eine Kohlenstation für deutsche Schiffe zu errichten. Ebenso sicherten die Samoaner den deutschen Händlern dieselben Rechte zu wie den Briten und US-Amerikanern. Im Gegenzug wurden die ein halbes Jahr zuvor beschlagnahmten Häfen Saluafata und Falealili wieder freigegeben. Einen Tag später verließ die „Ariadne“ Apia mit dem Ziel Auckland, um von dort den Vertragsabschluss nach Berlin zu melden. Die Rückreise nach Apia führte über Nukualofa, wo König George Tupou I. im Namen Kaiser Wilhelms ein Orden verliehen wurde. 

Am 19. Mai kam die „Bismarck“ als Ablösung für die Ariadne in Apia an. Die „Ariadne“ trat daher am 28. Mai gemäß dem am 2. Februar in Auckland erhaltenen Marschbefehl die Heimreise an. Sie lief über die Neuen Hebriden, durch die Torres-Straße und die Arafurasee nach Batavia (dem heutigen Jakarta) und erreichte auf dem Weg durch den Suezkanal am 30. September letztlich Wilhelmshaven. Dort endete die knapp zweijährige Auslandsreise, auf der 52.850 sm zurückgelegt worden waren. Die „Ariadne“ war 401 Tage auf See gewesen und hatte 296 Tage in Häfen verbracht. In Wilhelmshaven wurde das Schiff am 12. Oktober 1879 erneut außer Dienst gestellt. 




* „Dreadnought“ war der Name eines vom britischen Admiral Lord Fisher entworfenen Schlachtschiffs. Als erstes Schlachtschiff der Marinegeschichte führte es zehn 30,5cm-Geschütze in fünf Doppeltürmen und erreichte eine Geschwindigkeit von 21 Knoten. Diese Eigenschaften machten es allen anderen seinerzeitigen Schlachtschiffen weit überlegen, die nicht nur langsamer waren, sondern nur je zwei Doppeltürme mit der Hauptartillerie im Kaliber zwischen 25,4cm und 30,5cm führten, und dazu zahlreiche Geschütze der Mittelartillerie mit kleineren Kalibern.

Vorteil dieser Bewaffnung war neben der höheren Feuerkraft vor allem auch die bessere Feuerleitung. Die Bezeichnung „Dreadnought“ wurde schnell zur Typ-Bezeichnung für solche Schlachtschiffe, die Indienststellung der HMS „Dreadnought“ 1905 führte zu einem weltweiten Rüstungswettlauf.

** Dreimast-Bark-Takelung: eine Takelung, bei der am (hinteren) Kreuz- oder Besanmast nur Gaffelsegel, keine Rahsegel geführt werden. Diese Takelung spart Mannschaftsbedarf für die Bedienung der Segel und macht das Schiff wendiger.

*** Die Aufteilung des „Zentralamerikanischen Geschwaders“ auf die Pazifik- und die Atlantik-Küste Mittelamerikas ist bemerkenswert, da zu dieser Zeit der Panama-Kanal ja noch nicht zur Verfügung stand und eine Verlegung der Geschwaderteile auf die jeweilig andere Seite der mittelamerikanischen Landbrücke den Weg rund um Südamerika erforderlicht gemacht und etliche Wochen gekostet hätte.

**** Die Rivalität der USA und des Deutschen Kaiserreiches in Samoa führte schließlich zur Teilung der Inselgruppe auf der Berliner „Samoa-Konferenz“ zwischen den USA, Deutschland und Großbritannein in den östlichen Teil „Amerikanisch-Samoa“, der bis heute zu den USA gehört, und dem westlichen Teil „Deutsch-Samoa“, der bis 1914 deutsche Kolonie war, nach Beginn des 1.Weltkriegs durch Neuseeländische Truppen besetzt wurde und bis zur Unabängigkeit der Republik Samoa 1962 neuseeländisches „Schutzgebiet“ war, zunächst ab 1920 als Völkerbundsmandat, nach 1946 dann als UN-Treuhandgebiet. 

Vorwort


Die nachfolgenden Reisebriefe, welche ich hiermit der Oeffentlichkeit über­gebe, wurden ursprünglich nicht zu diesem Zweck geschrieben, sondern sollten nur meinen Angehörigen dasjenige im Bilde vorführen, was ich selbst gesehen und erlebt hatte. Ich hielt mich weder für dazu berufen, die große Menge der vorhandenen Reisebeschreibungen vermehren zu helfen, noch hielt ich eine derartige literarische Thätigkeit vereinbar mit meiner Dienststellung als Schiffscommandant, sodaß ich schon aus diesem Grunde dahin zielende Vorschläge zurückweisen mußte, wenn ich auch fand, daß die vorhandenen Berichte über die Südsee nicht ausreichten, um sich ein einigermaßen getreues Bild von den dortigen Verhältnissen machen zu können. Denn die Südsee mit ihren Bewohnern war nicht nur mir vielfach in ganz anderer Gestalt entgegengetreten, als ich sie mir vorgestellt hatte: auch in Australien und Neu-Seeland, beim Anlaufen neuer Häfen während der Heimfahrt und schließlich auch in Deutschland wurden in Bezug auf die Südsee Fragen an mich gerichtet, die ich vordem ebenfalls gestellt haben würde und welche bewiesen, daß auch in weitern Kreisen die Vorstellung von jenen fernen Inseln und ihren Bewohnern eine unrichtige war.

Hatte ich somit nicht die Absicht, meine Aufzeichnungen einem größern Kreise zugänglich zu machen, so stellte ich sie doch denjenigen Personen gern zur Verfügung, welche sie zu lesen wünschten. Und als ich dann fast stets, und oft von competenter Seite, die Aufforderung erhielt, meine Briefe zu veröffentlichen, machte ich mich mit dem Gedanken vertrauter, wenigstens die auf die Südsee Bezug habenden Theile, als einen Beitrag zur Kenntniß derselben, der Oeffentlichkeit zu übergeben, wenn auch zu der Zeit meine dienstliche Stellung immer noch ein kaum zu umgehendes Hinderniß blieb.

Als dann nach Verlauf von nahezu zehn Jahren einer etwaigen Veröffentlichung nichts mehr im Wege stand, mußte ich mich fragen, ob nunmehr, nachdem neuere Werke über die Südsee oder Theile derselben erschienen waren, meine Aufzeichnungen noch etwas Neues zu bringen vermöchten, und kam zu dem Schluß, daß meine Beobachtungen und Erlebnisse, welche sich vorzugsweise auf dem rein menschlichen Gebiet bewegen, gerade geeignet sein würden, jene vornehmlich das wissen-schaftliche Gebiet berührenden Werke in erwünschter Weise zu ergänzen. Denn jene beschäftigen sich, sofern sie nicht Sammelwerke sind, immer nur mit einer bestimmten Inselgruppe, ergänzen und berichtigen die Angaben älterer Berichterstatter, bringen werthvolle Nachrichten für den Anthropologen, Ethnographen, für den Geologen, Zoologen und Botaniker, aber nur wenig für den Menschenfreund. Sie führen uns nicht in das Volksleben jener Stämme ein, und zwar wol deshalb nicht, weil die Berichterstatter keine Gelegenheit fanden, so tief in dasselbe einzudringen, wie sie so leicht einem Kriegsschiffscommandanten geboten wird, wenn er Interesse für die Menschen hat, ihnen wohlwollend entgegenkommt und außerdem noch durch glückliche Nebenumstände begünstigt wird, wie sie mir in so reichem Maße zutheil wurden. Meine Aufzeichnungen dürften daher sowol von diesem Gesichtspunkt aus demjenigen Leserkreis, welcher sich für die Südsee interessirt, willkommen sein, wie auch um deshalb, weil sie einen Einblick in die Vorgeschichte unserer dortigen Colonialer­werb-ungen gestatten.

So übergebe ich denn dem Leser meine Aufzeichnungen mit der Bitte, sie wohlwollend zu beurtheilen. Sind dieselben, soweit sie die politischen Verhältnisse in der Südsee berühren, theilweise auch schon durch die in den letzten fünf Jahren auf diesem Gebiet stattgefundenen Veränderungen überholt, so wird durch diese Thatsachen andererseits doch bewiesen, daß die seiner Zeit von der „Ariadne“ getroffenen Maßnahmen die richtigen waren und somit die Männer, welche mich belehrten und mir rathend zur Seite standen, die Lage richtig beurtheilt hatten. Derjenige Leser, welchem ein kurzer Ueberblick über die in der Südsee seitdem stattgefundenen Machtverschiebungen erwünscht sein sollte, wird einen solchen im Anhang finden, wo auch einige allgemeine Bemerkungen über die Bewohner der Südseeinseln, sowie Angaben über die am 10. Juni 1886 im Geysir-Gebiet von Neu-Seeland stattgehabte Katastrophe eingefügt sind. Die Briefe, welche nur wahre und selbsterlebte Begebenheiten behandeln, auch sich streng an die wirklichen Zeiten und Oertlichkeiten halten, jede Uebertreibung und poetische Ausschmückung vermeiden, sind, soweit sie die Magelhaens-Straße und die eigentliche Südsee betreffen, an Ort und Stelle, unter dem frischen Eindrucke des eben Erlebten geschrieben und später nur abgerundet und theilweise gekürzt worden, so namentlich auf dem Gebiet der Naturalia, welche bei Naturmenschen ja eine so große Rolle spielen. Und doch fürchte ich, gelegentlich dem Vorwurf zu begegnen, daß ich in dieser Richtung nicht genug gethan hätte, wenngleich nach mir auch Andere noch den Blaustift gebraucht haben. Was aber schließlich davon übriggeblieben ist, scheint mir für die Charakt-erisirung jener Menschen und zur Gewinnung eines richtigen Urtheils so nothwendig, daß ich mich mit weitern Kürzungen nicht einverstanden erklären konnte.

Die Berichte über die Küste Amerikas, über Australien, Neu-Seeland und die Heimfahrt sind entweder nur Auszüge aus Briefen, oder nachträglich aus Tagebuchnotizen unter Zuhülfenahme des Gedächtnisses zusammengestellt. Die hier berührten, den europäischen Verhältnissen größtentheils so nahe verwandten Ländergebiete sind aber so vielfach und eingehend geschildert, daß ich nicht gewagt habe, meine nur auf ganz oberflächlicher Kenntniß beruhenden Beobachtungen zum Gegenstand einer Veröffentlichung zu machen. Daß sie trotzdem in der Form von Skizzen hier erscheinen, findet seine natürliche Erklärung darin, daß dem Leser, welcher im Geiste doch die ganze Reise mitmachen will, Gelegenheit gegeben werden muß, dem Schiffe dauernd folgen zu können; andererseits es aber auch wünschenswerth erschien, ihm ab und zu durch Vorführung von Bildern aus andern Himmelsstrichen eine Erholung zu gönnen.

Sollte ich nun durch meine Schilderungen ein klein wenig mit dazu beitragen können, daß die Südsee-Insulaner von uns Europäern geschont und in ihrer Eigenart erhalten werden, daß man ihnen nur das nimmt, was die christliche Religion, den dortigen Verhältnissen angepaßt, fordern muß, dann würde mir dies der schönste Lohn für meine vorliegende Arbeit sein.

Wiesbaden, im Juni 1889.

B. von Werner.  

Inhaltsverzeichniß


1. Die Magelhaens-Straße.

Ziel und Zweck des Schiffes. Warum ich Reisebriefe schreiben will. Von Wilhelmshaven über Madeira und Rio de Janeiro nach der Magelhaens-Straße. 

Eintritt in die Straße. Ebbe und Flut. Scenerie des östlichen Theils. Die Wetterverhältnisse. 

Wechsel der Scenerie. Etwas über die Eingeborenen. Die chilenische Colonie Punta-Arenas. Das Feuerland. Kannibalismus bei den Eingeborenen. Punta-Arenas. Soldatenemeute. Lage des Ortes. Fisch- und Holzreichthum. Schweizercolonie.

Von Punta Arenas nach Port Angosto. Die Seefahrt in der Straße. Wasserpflanzen und Fische. Wald und Schneefelder. Famine-Kanal. Schweres Gewölk. Walfische. Cap Froward. Froward-Kanal. Alpen und Gletscher. Papagaien und Kolibris. Krummer und Langer Kanal. Eingeborene Feuerländer auf dem Wasser. 

Port Angosto. Schwere Pflichterfüllung. Die Straße bei Nacht. Der anbrechende Tag. Smyth-Kanal. Mount Burney. Die Collingwood-Straße. Sarmiento-Cordilleren. 

Puerto-Bueno. Fischreichthum. Eine Indianerfamilie. Tauschgeschäft. Die Indianer in europäischer Kleidung. 

Von Puerto-Bueno nach dem Gray-Hafen. Der Treppenberg. Wechsel in der Scenerie. Seehunde. Dampfschiffsenten und andere Wasservögel. Begegnung mit fremden Schiffen. Wide-Kanal. Wechsel in der Scenerie. Kleine Eisberge. Der Eiskanal. Der Seehund in der Freiheit. Wie die Seehunde hier gejagt werden. Die English narrows. Ein bedenklicher Augenblick. 

Gray-Hafen. Ein kleiner Ausflug. Waldbrand. Halt-Bay. Reicher Fischzug. Verirrte Boote. Schwierige Nachtfahrt in den Hafen Connor-Cove. Inselhafen. Austritt aus der Straße und Einfahrt in den Stillen Ocean. 


2. Von Valparaiso nach Panama und Nicaragua.

Valparaiso. Vorsichtsmaßregeln gegen Erdbeben. Ein Ausflug. Pappelpflanzungen. Callao. Alligator-Birne. Tropische Hitze auf See. Temperatur des Meerwassers. Vereinfachter Gesellschaftsanzug. 

Panama. Zusammentreffen mehrerer deutscher Kriegsschiffe zu einem Kriegszug nach Nicaragua. Schlechte Fußbekleidung zum Marschiren in den Tropen. Westküste von Centralamerika. Realejo. Corinto. Nicaragua hat Muth. Die deutschen Forderungen. Fahrt in den Urwald. Amapala. Nicaragua wird nachgiebig und erfüllt schließlich alle Forderungen. 


3. Von Panama nach den Marquesas-Inseln.

Abfahrt von Centralamerika. Austausch von Grüßen zwischen passirenden Kriegsschiffen. Was versprechen die Berichte über die Südseeinseln? Wind und Wärme. Schildkrötenfang. Der Malpelo-Fels. Die Temperatur sinkt. Die Galapagos-Inseln. Zuthunliche Thiere. Auf See. Etwas über die Thätigkeit des Commandanten und der Besatzung eines Kriegsschiffes. 


4. Die Marquesas-Inseln.

Auszüge aus alten Reiseberichten. Zweck unsers Anlaufens der Inseln. Die politischen Verhältnisse. Werth der Inseln als Colonie. Postverbindung. Der Gouverneur. Steuern. Erwerbung der Inseln durch die Franzosen. Verkehr zwischen den neuen Herren und den Eingeborenen. Die Bodengestaltung der Inseln. Ihr äußeres Bild. Wetterverhältnisse. Ertragfähigkeit. Der beste Standort für die Kokospalme. Handel. Bevölkerung. Tätowirung der Männer. Schamgefühl. Abnahme der Bevölkerung. Vielmännerei. Kriege. Trunksucht. Wie dem Aussterben der Bevölkerung am besten zu steuern wäre. Krankheiten. 

Ankunft vor Omoa auf Fatu-hiva. Ansicht des Landes. Cap Venus. Ein Kanu kommt vom Lande. Der Häuptling von Omoa kommt zum Schiff. Aeußere Erscheinung der Marquesaner. Das Kanu. Speisung der zum Schiff gekommenen Eingeborenen. Deren angeborene Würde. Das Schiff ankert. Die Wilden vor einigen Statuetten und Bildern in meiner Kajüte. 

Das Landen mit Booten und Kanus. Beschwerlicher Weg nach Omoa. Sorgsamkeit unserer Führer. Empfang am Lande. Brennender Durst. Die Wohnung des Häuptlings. Schöne Menschen. Schmuck. Verkehr der Eingeborenen untereinander. Kindesliebe. Geschenke. Die Wohnungen der Eingeborenen. Fliegenplage. Die Frauen. Tätowirung der Frauen. Die Ausführung der Tätowirung bei beiden Geschlechtern. Die Ohrläppchen als Blumenhalter. Ehrliche Träger. Die große Branntweinflasche. Der Rückweg zum Schiff. Etwas über Sitten. Warum die Frauen nicht aufs Schiff kommen wollen. 

Bootfahrt nach Hanavava. Vergleich zwischen Hanavava und Omoa. Deutscher Missionar. Französische und deutsche Missionare. Ihr vergebliches Wirken. Der Häuptling von Hanavava. Köstliches Landschaftsbild. Naturandacht. Der heidnische Tempel- und Opferplatz. Frühere Menschenopfer. Rückkehr nach Omoa. 

Besuch der Eingeborenen an Bord. Sie nehmen für ihre Waaren nur alte Kleidungsstücke an Zahlungsstatt. Eingeborene Frauen in meiner Kajüte. Schönheitssinn der Eingeborenen. Die Insulanerinnen in der Offiziersmesse. Spucknäpfe als Beruhigungsmittel. Tanz. Meine Ansicht über die Sitten der Eingeborenen. Das Leben auf dem Schiffsdeck. Ein halbwüchsiger Junge in meiner Kajüte. Die Eingeborenen verlassen das Schiff. Das Landen der Eingeborenen. Arbeit, Mahlzeiten, Trunksucht, Tödtung unliebsamer Genossen. Sittenlosigkeit oder Freiheit der Sitten? Sünden der Europäer. Abfahrt von Omoa nach Port Anna-Maria auf Nuka-hiva. 


5. Von den Marquesas-Inseln nach Tahiti.

Die Südküste von Nuka-hiva. Wasserfall bei Port Tschitschakoff. Der Archipel der Niedrigen Inseln. Laguneninseln oder Atolle. Die Seefahrt zwischen Koralleninseln. Die wahrscheinliche Entstehungsart der Koralleninseln. Ein Landschaftsbild derselben. Die Kokospalme hat stets reife Früchte. Südwest-Dünung. Auslug nach Tahiti. Insichtkommen des obersten Berggipfels. Das Mittagsbesteck verursacht Enttäuschung. Rein Schiff. Werth des Süßwassers auf See. Schiffsleben. Haifischfang. Allgemeines Matrosenbad auf dem Schiff. Abendruhe. Träumereien. 


6. Tahiti.

Das Leuchtfeuer von Point Venus kommt in Sicht. Ortsbestimmung des Schiffes nach einem Leuchtfeuer. Etwas über Seefahrt. Das Schiff wird für kurze Zeit beigedreht. Die Fahrt wird wieder aufgenommen. Der anbrechende Tag enthüllt unsern Blicken Tahiti. Unbewußte Morgenandacht. Kampf zwischen Fischen und Vögeln. Die Sonne steigt schnell. Tahiti hüllt sich in Wolken. 

Entdeckungsgeschichte von Tahiti. Die ersten Missionare. Französische Missionare auf dem Eroberungswege. Vergewaltigung Tahitis durch französische Kriegsschiffe. Beschreibung von Tahiti. Der Hafen und die Stadt Papeete. Die Bodengestalt. Productionsfähigkeit des Landes. Gefälschtes Speiseöl. Früchte und Thiere. Die Bevölkerung. Die politischen Verhältnisse. Der König von Tahiti. Gütergemeinschaft unter Verwandten. Die Grenzen des französischen Protectorats. Wunderliche Gesetze. Etwas über Ein- und Ausfuhr. Die Zölle. Der Gouverneur. Der französische Admiral des Südseegeschwaders als Oberregent aus eigener Machtfülle. Der Gouverneur im Arrest. Französische Beamte. Handhabung der Gesetze. Straßenfegerinnen. Etwas über das Missionswesen. Der Bischof von Tahiti als Handelsherr. Noch einmal der König von Tahiti. Die Hauptstadt. Die Europäer in Papeete. Einheimisches und europäisches Leben. 

Ausflug von Papeete nach dem See Waihiria. Der Fahrweg an der Küste entlang. Noch etwas über den besten Standort der Kokospalme. Tabu. Befestigungswerke der Franzosen auf Tahiti. Vanillepflanzungen. „Das schnell über das Land laufende Schwein.“ Klimatischer Kurort. Vorzügliches Frühstück. Die Tahitierin als Dienerin und als Gast. Fröhliche Gesellschaft in zeitweiser Verbannung. Ein Strandbild. Süßwasserquellen in der See. Wie der Eingeborene von der Kokospalme die Nüsse herunterholt. Unser Mittagessen. Französische Aufpasser. Unsere Führer und Träger. Beschwerliche Wanderung durch das Thal eines Bergflusses. Wir werden müde. Das letzte Stück des Weges. 

Der Waihira. Allgemeine Ermattung. Bewundernswerthe Ausdauer der Tahitier. Einige Eingeborene schwimmen über den See auf den Aalfang. Bad im See. Ein großer Aal. Wie die Eingeborenen kochen. Der Proviant trifft zu rechter Zeit ein. Vortreffliches Mahl. Verschiedenartigster Wechsel in unserer Stimmung. Abend am See. Gesang der Eingeborenen. Die tahitische Nationalhymne. Unser Nachtlager. Nacht am See. Träume. Der anbrechende Morgen sieht uns in trauriger Verfassung. Rückkehr nach Papeete. 

Die Königin von Tahiti. Französische Intriguen. Besuch der Königin auf der „Ariadne“. Abfahrt von Papeete.


7. Die Gesellschafts-Inseln.

Die Insel Morea oder Eimeo. Taloo-Hafen oder Papetoaï. Das Dorf Oponu. Die Insel Huheine. Der Owharre-Hafen. Anmeldung bei der Königin. Eine Bootfahrt. Volksansammlung am Lande. Besuch bei der Königin. Die Königin und ihre Familie. Die Eingeborenen bei uns an Bord. Huttausch. 

Von Huheine nach Bora-Bora. Sturm an der Küste von Bora-Bora. Gefährliche Fahrt. Die kleine Königin von Bora-Bora. Förmlicher Besuch bei der Königin. Begrüßung mit dem Volk. Die kleine Königin bei uns. Das polynesische Königsthum. Ein kleiner Zwischenfall. Eigene Sitten. 

Von Bora-Bora nach Raiatea. Raiatea und Tahaa. Formenübereinstimmung zwischen den verschiedenen Inseln der Gruppe. Der Hafen Uturua. Die Königin von Huheine läßt ihren Hut zurückfordern. Beschwerden des deutschen Agenten gegen das im Hafen liegende französische Kriegsschiff. Die deutsche Faktorei. Unser Besuch bei dem König. Stürmische Verhandlung. Die Eingeborenen auf unserm Schiff. Die Töchter des Königs. Etwas über Perlen und Perlenfischerei. Sociale und religiöse Verhältnisse. Die Stellung der Missionare auf diesen Inseln. Abfahrt von Raiatea nach Papeete und von da nach den Samoa-Inseln. 


8. Samoa. I.

Die Nordküste von Upolu und Ansicht des Landes. Ankunft im Hafen von Apia. Die Samoa-Gruppe. Lebensweise unserer Landsleute. Consul Weber. Entwickelung des deutschen Südsee-Geschäfts. Die ersten deutschen Plantagen. Die Kopra. Die Regierung von Samoa. Alte Geschichten. Die deutschen Interessen. Deutsche Klagesachen gegen die samoanische Regierung. Besuch bei den Regierungsmitgliedern. Kawabereitung. Der Kawatrunk. Theilweise Erledigung der Klagesachen. Ankunft der Amerikaner in Apia. Amerikanische Landcompagnie. Samoanisch-amerikanischer Freundschaftsvertrag. Die Regierungsmitglieder erwidern meinen Besuch. Niederbrennen eines Dorfes. Amerikanische Intriguen. Erledigung der letzten Klagesache. Ratificirung des samoanisch-amerikanischen Vertrags. Alte Rechte Deutschlands. Beabsichtigte Abtretung der Samoa-Inseln an die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Einladung zu einem samoanischen Fest und Ablehnung. 

Nach Saluafata. Kampfesmuth der Samoaner. Ein weiser Häuptling. Unsere armen Halbweißen. Das Schiff ist gefechtsklar. Der Consul und ich gehen allein an Land. Beschlagnahme von Saluafata. Von da nach Falealili. Wir werden am Lande nur von Damen empfangen. Die Beschlagnahme dieses Hafens geht ohne weitere Umstände vor sich. Die Damen werden handgreiflich und verschenken ihre Blumen. Zurück nach Apia. Große Aufregung unter den Samoanern. Am Lande wird auf mich geschossen, ich antworte mit Stockschlägen. Die Aufregung legt sich. 

Amerikanische Geldforderungen. Noch einmal die amerikanische Landcompagnie. Amerikanische Bewerber um die Regierungsgewalt in Samoa. Auf Manono. 

Die Samoaner als Menschen. Ihre Formen. Die Häuptlingsfamilien. Kleidung. Tätowirung. Hautfarbe. Schmuck. Körperpflege. Fischfang. Schwimmkunst. Mahlzeiten. Eintheilung des Landes in Districte. Abgaben. Gastfreiheit. Reiselust. Dörfer bezw. Städte. Der Berathungs- und Festplatz. Die älteste Tochter des Häuptlings. Bauart der Häuser und deren innere Einrichtung. Hausrath. Kanu. Der Samoaner auf dem Wasser. Das häusliche Leben. Selbständigkeit junger Mädchen. Sitten. Die ehelichen Verhältnisse. Die Eingeborenen als Christen. Besitz. Alte Matten. Künstliche Erzeugnisse. Waffen. Krankheiten. Wirkliche und sagenhafte Wasserthiere. Tauchkunst. Tanz. Toë als Tänzerin. 

Ausflug nach der Plantage Vaitele. Beliebter Badeplatz. Tonganischer Talolo. Deutsch sprechender Samoaner. 


9. Sydney.

Port Jackson. Nach langer Zeit einmal wieder in civilisirten Verhältnissen. Beförderung der Post durch Kriegsschiffe und Kauffahrer. Schwere Bö. Walfische. Einfahrt in den Hafen. Der Hafen. Sydney. Der Gouverneur von Neusüdwales. Geld macht nicht immer frei. Bei dem Gouverneur zu Tisch. Selbständigkeit der australischen Colonien. Die Stadt. Der botanische Garten. Vergnügungen. Der Rennsport. Das Klima. Wohnungen außerhalb der Stadt. Gastfreundschaft. Merkwürdige Vögel. Die Blue-Mountains. Eukalyptenwälder. Geselligkeit. 


10. Samoa. II.

Vergebliches Suchen nach einem Korallenriff. Tod meines frühern Dolmetschers. Die politische Lage. Thätigkeit der Amerikaner während unserer Abwesenheit. Stand unserer Vertragsangelegenheit. Der Palolo. Seine Aufsteigezeit vom Meeresboden. Ausfahrt zum Fang. Der Fang selbst. Abendbesuch bei Toë. Wir stören sie in ihrer Nachtruhe. Gemeinsamer Schlafraum. Betrachtungen über den Werth der Südseeinseln als Colonialbesitz. Nothwendigkeit, die einheimische Bevölkerung zu schonen und zu erhalten. Ein Lebensretter. 


11. Von Apia nach den Marshall-Inseln.

(Tonga-, Fidji-, Ellice-, Kingsmill-Inseln.)

Abfahrt von Apia nach den Tonga-Inseln. Einige Angaben über die vor uns liegende Reise. Das Ansteuern von Nukualofa. Die Stadt. Ihr äußerer Eindruck. Ausflug nach einem Baumriesen (Ficus indica). Besuch bei dem König von Tonga. Er selbst und die Prinzen Davita Uga und Wellington Gu. Aus der Heidenzeit stammende Trauerzeichen. Tonganisches Zeichen der größten Ehrerbietung. Unsere Musik spielt am Lande. Ein Blick auf das Volk. Hunde und Schweine. 

Von Nukualofa nach Levuka. Einfahrt in den Hafen von Levuka während der Geisterstunde. Ein deutscher Gruß. Gefährlicher Ankerplatz. Levuka. Entwickelung einer englischen Colonialstadt. Wir müssen doch auch einmal in den Besitz von Colonien kommen. Die Wohnung des Gouverneurs. Beweglichkeit der englischen Beamten. Von Levuka nach Taviuni. Vor Soma-Soma. Besuch bei dem Häuptling. Seine Frau und sein Haus. Glück bringende Menschenleiber. Das Innere der Häuptlingswohnung. Merkwürdiges Gemisch an Hausrath. Frau Tui-Kakao mit ihrem Diener. Polynesische Sitte. Wasser holende Mädchen. Ein großes Doppelkanu. Besichtigung einer Kaffeepflanzung. Der Besitzer. Etwas über Kaffeeplantagen. Zu Gast bei dem Besitzer der Pflanzung. 305

Abfahrt von den Fidji-Inseln nach Fotuna. Das Anlaufen von Fotuna aufgegeben. Funafuti. Einfahrt in eine Laguneninsel. Eingeborene als Lootsen. In der Lagune zu Anker. Bedeutung der Laguneninseln für den Handel und Werth der Verträge mit solchen Inseln. Handel und Plantagenbau müssen sich gegenseitig ergänzen. Etwas über Plantagenbau und den derzeitigen Ertrag desselben. Nothwendigkeit der Arbeiterzufuhr nach den Samoa-Inseln. Grundriß von Funafuti. Poesie und Prosa. Bootfahrt durch die Lagune. Das Leben auf dem Meeresboden. Biche-le-mare, Trepang oder Holothuria. Ich freue mich, daß ich kein Naturforscher bin. Bevölkerungszahl der Insel. Peruanische Sklavenjäger. Die Kirche und die Hütten. Unsauberkeit. Hautkrankheiten. Kleidung der Eingeborenen. Ertragfähigkeit der Insel. Träge Menschen. Fliegenplage. Ein Bad. Im Innern der Insel. An dem äußern Ufer. Etwas über die Entstehung der Koralleninseln. Contrast zwischen dem äußern und innern Ufer. Kanakerkinder. Schweine, Hühner, Schmetterlinge und Fliegen. Versuchter und misglückter Schildkrötenfang. Der König an Bord. Abschluß einer Uebereinkunft. Die Eingeborenen beschließen ihr Tagewerk mit geistlichen Liedern.

Von Funafuti nach Baitupu. Starke Nervenerschütterung. Vor Baitupu. Beschwerliche Landung. Ein kleines Kanakermädchen. Deutsche Beschwerden. Besuch bei dem König. Ich erkenne den mit der Absetzung Bedrohten als König an und damit werden seine Widersacher machtlos. Verhandlungen mit dem König. Baitupu, eine volle Koralleninsel ohne Lagune. Das Dorf, die Eingeborenen und ihre Wohnungen. Die Ohrläppchen als Taschen. Bevölkerungszahl. Besuch bei dem eingeborenen Missionslehrer. Geschenke. Der König auf dem Schiff. 

Von Baitupu nach Tapituwea. Meeresströmungen. Tapituwea. Die Art der Anwerbung von Plantagenarbeitern. Werth der Insel als Arbeiterquelle. Wildheit der Eingeborenen. Narben auf den nackten Leibern. Haifischzahnwaffen. Vorsichtsmaßregeln im Verkehr mit den Eingeborenen. Fahrt an Land. Nur wenige Menschen zeigen sich, wo sind die andern? Die Eingeborenen in Kleidung, Hautfarbe, Haartracht, Gesichtstypus und Körperformen. Wozu die Kokosnuß nicht gut ist. Besuch der Wohnstätten. Betragen der Eingeborenen. Die Wohnungen. Ueberraschende Sauberkeit und Ordnung allenthalben. Das Hauptberathungshaus mit dem Allerheiligsten. Baukunst der Eingeborenen. Erwerbung einiger Waffen. Taback als Geld. Ein wunderlicher Tänzer. Ein gekentertes Kanu wird von den Eingeborenen ohne weiteres preisgegeben. Gefährliche Meeresströmung. 

Von Tapituwea nach Apamama. Unzuverlässigkeit der Karten. Warum wir nach Apamama gehen. Vergeblicher Versuch, mit Booten das Haus eines Deutschen zu erreichen. Schöne Bootfahrt. Im Hause des deutschen Agenten. Die Fahrt zum König ein Märchen. Der König von Apamama. Sein Kanu. Seine Residenz. Sein Vater. Die Eingeborenen. Tätowirung der Frauen. Die Mutter und die Schwester des Königs. Großer Tanz. Ein Albino. Die Töchter des Königs. Die mir gemachten Geschenke. Einschiffung des Königs. Sein Besuch auf der „Ariadne“. Wirkung eines Scheingefechts auf ihn und auf die Eingeborenen überhaupt. Der König als Herrscher. 340

Von Apamama nach Taritari. Ankunft daselbst. Zweck des Anlaufens. Besuch an Land. Die Eingeborenen und ihre Wohnungen. Allgemeine Trunkenheit. Wasser tragende Mädchen. Der König von Taritari. Lange Fingernägel. 


12. Die Marshall-Inseln.

Jaluit kommt in Sicht. Herr Franz Hernsheim kommt dem Schiff entgegen. Ankunft in Jaluit. Die deutsche Ansiedelung. Die Wohnungen. Die Eingeborenen. Haartracht. Ohrlappenring. Tätowirung. Körperbildung. Kleidung. Körperpflege. Sauberkeit. Sociale Verhältnisse. Die Stellung der Frauen. Der König Lebon in seinem Hause. Kriegstanz. Unser Landungscorps landet und exerciert im Feuer. Wirkung auf die Insulaner. Die Eingeborenen bei uns an Bord. Eine Uebereinkunft wird unterzeichnet und der Hafen von Jaluit wird deutsche Kohlenstation. Wir salutiren die neue Landesflagge der Marshall-Inseln. Abfahrt nach Ebon. Bedeutung dieser Insel. Den Häuptlingen wird ihr Standpunkt klar gemacht. Abfahrt von Ebon.


13. Im Bismarck-Archipel.

Die Fahrt von den Marshall-Inseln bis zum südlichsten Cap von Neu-Irland. Die Inseln Bougainville und Sir Charles Hardy werden passirt. Die Süd- und Westküste von Neu-Irland. Heißes Wetter. Eingeborene von Neu-Irland. Die Blanche-Bai und die Duke of York-Inseln. Allgemeines über die letztern Inseln. Die deutschen Kaufleute als Geschäftsleute und als Menschen. Etwas über frühere Kämpfe mit den Eingeborenen. Die englischen Missionare. Besondere Geschmacksrichtung der Menschenfresser. Schwierige Lage eines Missionars.

Aeußere Erscheinung der Duke of York-Inseln. Die Inseln Meoko, Muarlin und Amakada. Zwischen Korallen. Ankunft vor Meoko. Die Reize der Landschaft. Klarheit des Meerwassers. Echte Menschenfresser in harmloser Gestalt. Die deutsche Faktorei. Ein braver alter Mann. Widerstandsfähigkeit der Europäer in den Tropen. Ich sehe mir die Wilden an. Erwerbung einiger Waffen. Besichtigung und Prüfung des Hafens in Bezug auf seinen Werth als deutsche Kohlenstation. Morgenspaziergang auf Meoko. Die Eingeborenen bei Tagesanbruch. Ihre Bewaffnung. 

Abfahrt von Meoko nach Makada. Etwas über Korallen. Noch einmal Klarheit des Meerwassers. Ankunft in Makada. Herr Eduard Hernsheim. Gründung von Handelsstationen durch Deutsche. Der deutsche Kaufmann. Herr Robertson. Kapitän Levison. Deutsches Wohnhaus auf Makada. Deutsche Faktorei. Topulu oder King Dick. Politische Verhältnisse. Wie Topulu König wird. Achtung vor fremdem Eigenthum. Topulu's Haus. Seine Frauen. Paradiesische Kleidung und paradiesische Ungenirtheit. Die Schatzkammer. Geld. Topulu's Dug-Dug-Masken und Fischereianlagen. Der englische Missionar Herr Brown. Erledigung einer Klagesache. Auf dem Hafen von Makada. Ich entschließe mich, den Hafen für das Reich zu kaufen. Besuch bei Herrn und Frau Brown. Des Königs Dug-Dug-Kanu. Torragud, das Urbild eines Menschenfressers und Menschenjägers. Menschenjagd. Die Eingeborenen. Mästung von Mädchen auf Neu-Irland. Menschenfleisch. Hautzierathe. Halsbänder. Das Armband als Tasche. Körperpflege. Die Waffen und die Kampfweise. Werkzeuge. Musikinstrumente. Künstliche Erzeugnisse. Tanzstöcke. Schädelmasken. Dug-Dug-Masken. Nahrungsmittel. Noch einmal Menschenfleisch. Topulu schickt mir eine Einladung zu einem Tanz. Im Urwald bei Urakukua. Edles Wild. Bei Torragud. Verkauf der Mädchen. Entwickelung der Gemeinwesen. Ein seltenes Schmuckstück. Tanz. Deutsche Klagen gegen Eingeborene. Der Dug-Dug und sein wahrscheinlicher Zweck. 

Abfahrt von Makada nach Ruluana. Das Schiff läuft auf einen Korallenblock. Vorbereitungen zur Landung. Landung in Ruluana. Wirkung unserer Musik auf die Eingeborenen. Die Eingeborenen geben ein Geldpfand. Verängstigte Eingeborene. Tanz. Aeußere Trauer der Frauen. Gestrafte Frau. Neu entstandene Insel. Port Weber. Ein Handelsagent. Waffen-Attrape. 

Wieder in Makada. Erwerbung des Hafens für das Reich. Der Kaufbrief. Ein großer Dug-Dug. Die Dug-Dugs auf dem Wasser und im Walde. Der eigentliche Dug-Dug. Scheingefecht unserer Landungstruppe. Abschied von der Familie des Missionars und den deutschen Herren. Abfahrt nach Meoko. Kauf des Hafens. Besuch bei einem kranken Häuptling. Abfahrt von Meoko. 


14. Samoa. III.

Im Heizraum eines Kriegsschiffes. Ungeziefer. Verschiedene Inseln der Salomons-Gruppe. Savo. Ein Engländer. Die Eingeborenen. Das Ei des Buschhuhns. Künstliche Erzeugnisse. Folgen eines Tabu-Bruches. Wetterverhältnisse. Rührei von Buschhuhneiern. Apolima als natürliche Festung. Durchfahrt zwischen Apolima und einer Felsenklippe. In Apia finden wir unser Kanonenboot „Albatros“ vor. Die politischen Verhältnisse. Die beiden samoanischen Königsparteien. Wirkung unserer Durchfahrt bei Apolima auf die Samoaner. Vertragsverhandlungen. Abschluß des Freundschaftsvertrages. Voraussichtliche Wirkung des Vertrages auf andere Inselgruppen. Landverkauf der Samoaner bei Kriegswirren. 


15. Neu-Seeland.

Auckland. Geselligkeit. Ausflug nach dem Seen- und Geysir-Gebiet. Kosten des Ausflugs. Die Ueberfahrt nach Tauranga. Tauranga. Landbesitz der Eingeborenen und Landtage. Maoris im Rausche. Abfahrt nach Ohinemutu. Urwald auf Neu-Seeland. Ein Blick auf die Seen. Der Roto-rua. Ohinemutu. Heiße Quellen. Alte Schnitzereien. Abfahrt nach Wairoa. Der Whakarewarewa. Wieder heiße Quellen. Durch den Tikitapu-Wald nach dem Tikitapu-See. See und Berg Tarawera. Wairoa. Nach dem Roto-mahana. Unsere Führerin. Der Roto-mahana. Die weiße Sinterterrasse. Verschiedene Wärme des Wassers. Das Teufelsloch. Fahrt über den See. Die rosafarbene Sinterterrasse. Bad in einem Becken der Rosa-Terrasse. Von Wairoa zurück nach Ohinemutu. Erwerbung einiger alter Schnitzereien. Zurück nach Tauranga. Begegnung mit der Postkutsche. Rückkehr nach Auckland. 


16. Die Tonga-Inseln.

Hohe Dünung als Vorbote eines heranziehenden Cyklons. Erwägung der Möglichkeit, ob dem Orkanfeld noch auszuweichen ist. Gewöhnlicher Weg der bei den Tonga-Inseln auftretenden Cyklone. Das Orkancentrum nähert sich uns. Im Orkan und Flucht vor ihm.

Ankunft in Nukualofa. Zusammentreffen mit dem „Albatros“. Durch den Orkan verursachte Verwüstungen am Lande. Gefährliche Lage des „Albatros“ während des Orkans. Ueberreichung der dem Könige von Tonga und den beiden Prinzen verliehenen preußischen Orden. Der König beehrt unser Schiff mit seinem Besuch. Zu Gast bei dem englischen Missionar. Raubanfall auf einen unserer Unteroffiziere durch Tonganer. Forderung der Bestrafung der Thäter. Schwierigkeiten von Seiten der tonganischen Regierung. Entdeckung der Räuber und Bestrafung des einen. Tod eines unserer Matrosen. Prinz Gu macht als mein Gast die Reise nach Vavau mit. Ankunft in Vavau. Beerdigung des verstorbenen Matrosen. 486

Neiafo. Prinz Gu als tonganischer Häuptling. Des Prinzen Wohnhaus in Neiafo. Seine Dienerschaft. Zu Gast bei dem Prinzen. Tonganische Häuptlingstöchter. Kawa auf tonganische Art. Gesang. Eigenthümliche Sitten. Prinz Gu's Liebe. Tonganische Rechtspflege, Denunciantenthum und Folter. Tonganische Damen in meiner Kajüte. Ein Tanz und seine Folgen. Unerwarteter Morgenbesuch. In großer Versuchung. Besuch der blauen Grotte bei Neiafo unter Führung des Prinzen Gu. Die Tonganerinnen zeigen sich in neuem Reiz. Laubkränze. 


17. Samoa. IV.

Ankunft in Apia. Kaisers Geburtstag. Samoanische Regierungsangelegenheiten. Saluafata. Verkehr mit den Eingeborenen. Sangapolutele und Loau. Gegenseitige Freundschaft. Der Hafen. Spottlieder. Einladung zu einem Talolo. Empfang am Lande. Auftreten der Buschmänner, der Häuptlinge und sonstigen Festtheilnehmer. Loau als commandirender Häuptling. Der Redner. Das Volk. Der Festplatz. Die äußere Erscheinung Loau's, der andern Häuptlinge, des Volks und des Redners. Ansprache und Antwort. Ueberreichung der Geschenke. Tanz. Kawatrunk. Ceremoniell bei solch feierlichem Trunk. 

Meine Abendbesuche am Lande. Etwas über die politischen Verhältnisse. Verkehr der Samoaner unter sich. Häusliche Spiele. Samoanische Kriegführung. Meine mittäglichen Besuche im Faletele. Lolle als Kopfkissen. Badeplatz bei Lufi-lufi. Die Fahrt dahin. Ein Höhlenfluß. 

Ein samoanisches Festmahl. Die Vorbereitungen dazu. Die Kleidung der Häuptlinge und ihrer Damen. Das Faletele als Festhalle. Die Speisen und ihre Anordnung auf dem Fußboden. Sitzordnung. Schwierigkeiten beim Essen. Die Häuptlingstöchter als Kinderfrauen. Lebende Raupen als besondere Delikatesse. Die Speisung der Damen und des Volks. Samoanische Spiele. Festessen auf der „Ariadne“ für unsere samoanischen Freunde. 

Ausflug in das Innere. Führer und Gepäckträger. Der Dolmetscher schützt Fieber vor und schickt Sa, hat aber nur Katzenjammer und muß doch mit. Die schließliche Reisegesellschaft. Das Gepäck. Abmarsch. Erste Rast. Menschen, Katzen, Hunde, Hühner und Ferkel. Kokosnußfleisch als Viehfutter. Verschiedenartiger Nutzen der Hausthiere. Durch den Wald. Fliegende Hunde und fehlende Vögel. Brennnesselbaum. Ein Klippensprung. Zweite Rast in Sanga. Die beste Kleidung für den Europäer in den Tropen. Bad im Fluß. Sa macht sich nützlich. Besichtigung einer Höhle. Mittagsmahl. Passiren einer dritten Stadt. Dritte Rast. Bad im Fluß. Sa spielt Aal. Abendandacht der Eingeborenen. Die Häuptlinge trinken zu viel. Einsamer Spaziergang. Ein Naturkind. Durchtriebene Mädchen. Der Weg nach Falifa. Reizvolle Scenerie und Wasserfall. Bad unter weiblicher Aufsicht. Ein Albino. Sa begrüßt ihren Onkel mit Nasenreiben. Rückkehr nach Saluafata. Kosten des Ausflugs. 

Tanz. Tanzschmuck. Die Hütte. Allgemeines über den Tanz. Die Mitwirkenden. Die Gruppirung. Der Tanz selbst. Ein Festtanz nach altem Brauch. Kanufahrt. Das Kanu kentert. Im Wasser. Wieder am Lande. Geisterfurcht. 

Abfahrt von Saluafata nach Safune. Der Häuptling Mulitalo. Kawarausch. Wie der Häuptling Recht spricht. Safune. Bei Mulitalo zu Gast. Besuch bei einigen Häuptlingen. Savai'i hält am zähesten an den alten Gebräuchen fest. Schmackhafte Speisen. Noch ein Talolo. Schöne Gruppen- und Einzeltänze. Drei schöne Mädchen. Ich verzichte auf eine mir zugedachte Ehre. Ende meiner Schilderungen samoanischer Art und was ich mit denselben bezwecke. Besuch des See Lauto. 


18. Die Heimfahrt.

Ankunft der Fregatte „Bismarck“. Der Heimatswimpel. Abschied von den Samoa-Inseln. Bei den Neu-Hebriden. Die Fahrt von hier bis zur Torres-Straße. Segelpressen. Die Besatzung wittert die Heimat. Auf hoher See. Etwas über die Seefahrt. 

Eintritt in die Torres-Straße. Fahrt durch dieselbe. Die Scenerie der Straße. Mount-Ernest-Insel. Vergeblicher Landungsversuch. Prince of Wales-Kanal. Ausfahrt aus der Straße. 

Die Arafura-See. Die Booby-Insel als selbstthätiges Postamt. An Timor, Sumba und Sombawa vorbei. Durch die Lombock-Straße. Ankunft vor Batavia. Die Stadt. Die Europäer in Batavia. Der Gecko. Lebende Bäume als Telegraphenstangen. Buitenzorg. Ein Ausflug in die Umgebung. Fuhrwerk und Läufer. Eingeborene. Ihre Gier nach dem Besitz von Brillanten. Ein schöner Badeplatz. Skorpione. 

Von der Sunda-Straße nach der afrikanischen Küste. Die Somali-Küste. Ein hehrer Morgen auf dem Meere. Ansteuerung der Küste mit Hülfe des Thermometers. Große Temperaturschwankungen. Starke Meeresströmung. Auf dem Auslug nach dem Lande. Die Küste kommt in Sicht. 

Ankunft vor Aden. Die Stadt und ihre Umgebung. Großes Wasserwerk. Etwas über Kamele. Das Rothe Meer. Hitze. Gesundheitliche Vorsichtsmaßregeln. 

Ankunft vor Djidda. Ansicht des Landes. Die Stadt. Mekkapilger. Beduinen. Besuch bei dem türkischen Pascha. Arabische Frauen. Ein Fall von Hitzschlag. Wieder in der Heimat. 


Anhang.

1. Die in den letzten fünf Jahren in der Südsee vorgekommenen Machtverschiebungen. 

2. Allgemeine Bemerkungen über die Bewohner der Südseeinseln. 

3. Die Katastrophe im Geysir-Gebiet Neu-Seelands. 

Fußnoten

4. Erklärung einiger seemännischer Ausdrücke. 

5. Aussprache polynesischer Namen.  

Die Magelhaens-Straße.

An Bord S. M. S. „Ariadne“, 14. Januar 1878.

Die Südsee ist das Ziel unsers Schiffes. Dort von der Hauptstation, den Samoa-Inseln aus, soll ich als Commandant des Schiffes mit diesem die weitverzweigten, sich über ein schier endloses Gebiet erstreckenden deutschen Handelsinteressen schützen und fördern, unsern dort wirkenden tapfern Landsleuten Schutz und Schirm geben. Ich kann mir allerdings noch kein Urtheil darüber bilden, was ich dort finden werde, wie ich die mir gestellte Aufgabe lösen kann und lösen werde, denn die Südsee ist mir trotz der Vorstudien, welche ich bisher gemacht habe, noch immer ein so unbekanntes Gebiet voller Räthsel, daß ich das Grübeln aufgegeben habe und geduldig der Zeit warten will, wo ich mit eigenen Augen sehen und nach Selbsterlebtem urtheilen kann.

Die sich so häufig widersprechenden Berichte über jene fernen Inseln haben aber in mir den Entschluß zur Reife gebracht, auf dieser Reise von meiner Abneigung, Reiseschilderungen zu verfassen, abzusehen und meinen Angehörigen über meine eigenen Erlebnisse getreulich Bericht zu erstatten, damit sie Gelegenheit finden, ihre Kenntniß von Land und Leuten zu erweitern. Und so will ich denn schon mit der Magelhaens-Straße, der Pforte zu dem südlichen Theil des Stillen Oceans oder der Südsee, in die ich noch heute einzulaufen hoffe, den Anfang machen und vorher der rückliegenden Zeit nur soweit gedenken als nothwendig, daß der Kreis unserer Erdumsegelung am Schluß der Reise auch wirklich geschlossen ist.

Am 3. November v. J. haben wir den heimatlichen Strand verlassen, durch Sturm und Regen, Kälte und Nebel unsern Weg durch die unwirthliche Nordsee und späterhin auch durch die nicht minder unfreundliche Bai von Biscaya gesucht und gefunden.

Am 20. morgens 8 Uhr passirten wir das östliche Cap von Madeira und hielten damit gewissermaßen unsern Einzug in die Tropen. Der nordische Spätherbst mit all seinen Unannehmlichkeiten lag hinter uns; wie durch Zauberschlag waren wir in eine andere Welt versetzt. Ein weicher, warmer, mit Blumen- und Waldesduft gesättigter Hauch umfing uns; das Meer mit seiner wunderbaren blauen Farbe war ein anderes; statt der niedrigen, in Nebel und Regen gehüllten deutschen und englischen Küsten lag, von den Strahlen der niedrig stehenden Sonne goldig überhaucht, die hohe, mit ihren Berggipfeln in den Wolken verschwindende Südküste Madeiras vor unsern entzückten Blicken, so schön wie nur diese Perle unter den Inseln es sein kann. Am 21. abends 10 Uhr, nach Einnahme von Kohlen und Proviant in Funchal waren wir wieder unter Segel, auf dem Wege nach Rio de Janeiro.

Die schöne Fahrt unter Segel durch die berauschende Passatzone des Atlantischen Oceans nahm auch ihr Ende. Am 16. December morgens mit Tagesanbruch lag der Schlafende Riese, jener das Wahrzeichen von Rio de Janeiro bildende mächtige Gebirgszug, vor unsern Blicken, und um 12 Uhr mittags ankerten wir in der herrlichen Bai zu Füßen der großen Stadt.

Unser Aufenthalt in Rio, welcher auf 4 bis 5 Tage berechnet gewesen war, dehnte sich infolge besonderer Verhältnisse zu einem elftägigen aus, wodurch ich Gelegenheit fand, von der liebenswürdigen Gastfreundschaft unsers Consuls Gebrauch zu machen und unter seiner Führung auch die großen Naturschönheiten der Umgebung der Stadt kennen zu lernen und mit Entzücken zu genießen.

Am 27. December verließen wir Rio und damit die heiße Zone wieder, denn schon am 30. fing es an zu wettern und zu stürmen, und am 1. Januar schon trugen wir wieder warme Kleider, obschon wir uns im Sommer der südlichen Halbkugel befanden.

Nach mancherlei Fährlichkeiten sind wir nun hier an der südlichsten Spitze Südamerikas angelangt, und die Besatzung ist damit beschäftigt, die Takelage unsers Schiffes für die Fahrt durch die Magelhaens-Straße zu erleichtern, um dem Wind, welcher uns nach allen Erfahrungen wahrscheinlich während der ganzen Fahrt mit Sturmesstärke entgegenwehen wird, möglichst wenig Widerstand zu bieten.

Magelhaens-Straße, 23. Januar 1878.

Da wir jetzt am Ende unserer Fahrt durch die Magelhaens-Straße stehen, will ich einen Rückblick auf dieselbe werfen.

Am 14. Januar abends liefen wir von dem Atlantischen Ocean aus in die Magel-haens-Straße ein, mußten aber wegen der eingetretenen Dunkelheit und der unberechenbaren starken Strömungen (der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser beträgt hier 13 m) dicht an deren Eingang ankern und konnten erst am 15. morgens 2½ Uhr mit dem ersten Morgengrauen die Fahrt fortsetzen. Der Morgen war klar und schön, wenn auch kalt, denn wir hatten, da der hiesige Januar unserm Juli entspricht, im Hochsommer auf einer gleichen Breite wie Leipzig nur 6-7° C. Das in Sicht befindliche Land ist ohne Reiz, niedriges Sandland ohne Baum und Strauch, eine endlose Wüste, welche nicht eine Spur von Menschen aufweist und nur an der Meeresküste von unzähligen Scharen der verschiedensten Arten Wasservögel bewohnt wird. So reizlos die ganze Umgebung für das menschliche Auge ist, so interessant wird die Fahrt als solche für den Seemann. Jeder Augenblick bringt Abwechs-elung, weil die Straße nicht nur fortgesetzt ihre Richtung ändert, sondern auch noch viele Untiefen eine öftere Cursänderung nothwendig machen, sodaß die gespannteste Aufmerksamkeit erforderlich ist, zumal wenn das Schiff mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten oder 3 deutschen Meilen in der Stunde durch das Wasser eilt. Zeitweise befindet es sich auf einer großen Wasserfläche; nach einer halben Stunde steuert es durch einen engen Kanal von nur 500 m Breite; dann wieder zwischen dicht beieinander liegenden Inseln hindurch, geht danach mit einem scharfen Bogen dicht unter die Küste des Festlandes und verläßt nach einer kurzen Weile diese Seite wieder, um eine Insel anzusteuern, unter deren Küste der Curs so nahe vorbeiführt, daß man ohne Anstrengung einen Stein ans Land werfen könnte; und so geht es stunden-, in der Folge gar tagelang fort. Der Seemann muß hier auf dem Platze sein, er findet aber ein so reiches Feld vollster Thätigkeit und Aufregung, daß die mit einer solchen Fahrt verbundenen Strapazen in den Hintergrund gedrängt und nicht weiter beachtet werden. Denn eine Strapaze ist es wahrlich, wenn man morgens um 2½ Uhr bei noch kaum durchbrechendem Tageslicht den Ankerplatz verläßt und mit schneller Fahrt in ein unbekanntes Fahrwasser hineinsteuert, welches mit dem Vorschreiten des Tages immer schwierigere Passagen bringt, die dem Commandanten verbieten, die Commandobrücke auch nur auf Augenblicke zu verlassen, und ihn zwingen, dort bis zum Einbruch der Nacht, wo in irgendeinem kleinen Hafen geankert wird, auszuharren. So steht man, ohne sich von der Stelle zu rühren, viele Stunden ununterbrochen in ungewohnt frischer Luft, welche den in den Tropen verweichlichten Körper stark angreift; die Augen ruhen entweder auf dem fortwährend wechselnden Landpanorama oder auf der in einem Glaskasten sicher untergebrachten Karte; alle Sinne sind in Thätigkeit, um den richtigen Curs zu wählen, der Maschine den zweckmäßigsten Gang anzuweisen und dem Ruder die richtige Lage zu geben. Die Mahlzeiten müssen auch auf der Commandobrücke eingenommen werden, schmecken aller-dings vortrefflich, wenngleich man hierbei erst bemerkt, daß die Lippen von der scharfen Luft schon aufgerissen sind, ohne dabei indeß zu ahnen, daß das ganze Gesicht bereits halb wund ist. Ein scharfer Sturm weht uns entgegen und peitscht uns den von dem Schiffe aufgeworfenen Salzwassergischt in das Gesicht; glücklicherweise regnet es aber nicht, trotzdem es in dieser Gegend immer regnen soll. Doch dies ist nicht richtig, es regnet allerdings vor uns, hinter uns, links und rechts; nur wo die „Ariadne“ fährt, lacht die Sonne, als ob sie wie bisher uns auch in dieser verrufenen Gegend nicht verlassen wolle.

Um zu zeigen, daß das Wetter es wirklich gut mit uns meint, will ich hier einige Stellen aus den Segelanweisungen, welche alle bisher gesammelten Erfahrungen enthalten, ausziehen und einfügen; ein Vergleich zwischen diesen Notizen und dem weitern Verlauf unserer Reise wird dann am besten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen.

1. „August, September und October sind die kältesten Monate; westliche Winde, Regen, Hagel und Schnee sind dann vorherrschend. December, Januar und Februar sind die wärmsten Monate, die Tage sind lang und es kommt zuweilen etwas gutes Wetter vor; aber westliche Winde, welche häufig zu starken Stürmen anschwellen, mit heftigem Regen sind selbst während dieser Jahreszeit vorherrschend, welche weniger Sommer mit sich führt wie irgendein anderer Theil unserer Erde.

2. „Der Gipfel dieses ausgezeichneten Berges (Mount Burney), welcher gegen 1850 m hoch und mit ewigem Schnee bedeckt ist, ist selten sichtbar; sollte aber ein Vorbeireisender glücklich genug sein, einen klaren Tag zu finden, so wird er schwerlich je die Pracht dieses Panoramas vergessen.

3. „Das Charakteristische in dem Wetter dieser Kanäle ist weniger die Stärke des Windes, als der fast unaufhörliche Regen. Tag um Tag, wenn der Seemann unglücklicherweise länger hier verweilen sollte, wird er diesen stetigen Niederfall zu erdulden haben, es sei denn, daß er so glücklich ist, in einem jener seltenen Durchbrüche von lieblichem Wetter anzukommen, welches zuweilen vorkommt. Dann allerdings wird er die interessanteste Fahrt finden mit ruhigem Wasser, guten Ankerplätzen, umgeben von der großartigsten (most glorious) Scenerie; doch diese Fälle sind gar selten, und er wird schon glücklich zu nennen sein, wenn er überhaupt einmal den Regenrock ablegen kann, welchen er anzog, als er um Cap Tres Montes ging. Eine Jahreszeit ist so gut, oder besser gesagt so schlecht wie die andere, immer-hin aber ist der Sommer wegen seiner geringern Kälte und der längern Tage für diese Passagen vorzuziehen.“

Diese Schilderung verspricht gewiß viel, und ebenso läßt die „Vineta“, welche vor zwei Jahren dieselbe Tour in beschränkterer Ausdehnung machte, sich vernehmen und klagt über das anhaltend schlechte Wetter, das sie zu erdulden hatte. Ein Vergleich dieser beiden Reisen zeigt auch in eclatanter Weise, von welchem Einfluß das Wetter auf derartige Reisen ist; denn zu derselben Strecke, welche die „Ariadne“ unter den günstigsten Wetterverhältnissen in 6 Tagen zurücklegte, gebrauchte die „Vineta“ mühsam gegen Wind und Wetter anringend 21 Tage. 

Doch zu unserer Reise.

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Bild: Küste des Feuerlandes in der Magelhaens-Straße.

Nachdem am 15. Januar etwa 80 Seemeilen zurückgelegt waren, vollzog sich allmählich ein Wechsel in der Scenerie. Wir waren den Ausläufern der Anden, des mächtigen Gebirgszuges, welcher mit seinen 7000 m hoch gelegenen Felsen- und Schneerücken das platte Land Patagonien von Chile und Peru trennt, näher gekommen und zeitweise entwickelten sich schon aus den vorbeijagenden Wolkenfeldern einzelne schneebedeckte Gipfel. Das untere Land zeigt jetzt auch einen andern Charakter: einzelne mit grünem Gestrüpp bewachsene Hügel und Felsen werden sichtbar, das Land hebt sich immer mehr und wächst langsam zunehmend bis zu 300 m hohen Bergen an, welche mit dichtem Wald bedeckt sind. Auffallend ist, daß in diesen frisch-grünen Wäldern kaum 150 m über dem Meeresspiegel große Schneefelder verstreut liegen, und daß trotz der geringen Kraft, welche die Sonne demnach im Hochsommer hier nur hat, große Scharen von Papagaien und Kolibris in den Sommermonaten ihren Wohnsitz in dieser Gegend aufschlagen. In Punta Arenas fanden wir diese Vögel allerdings noch nicht, da sie erst 14 Tage später erwartet wurden, in einem der nächsten Häfen trafen wir sie aber schon an. Würde man nur nach den hier lebenden Eingeborenen, ohne Rücksichtnahme auf die herrschende rauhe Witterung zu urtheilen haben, so wäre das Räthsel, wie diese buntgefiederten Bewohner der brasilianischen Urwälder hierherkommen, leicht gelöst, denn diese Menschen gehen ohne jede Kleidung vollkommen nackt, besitzen kein Heim, leben in einem elenden offenen Boot oder tragen sich an dem Fleck, wo sie gerade landen, aus Reisern eine Hütte in der Größe eines runden Tisches von etwa 1½ m Durchmesser zusammen, wo Mann, Frau oder Frauen (es herrscht Vielweiberei), große und kleine Kinder, oft 10-12 Personen, Unterkommen für die Nacht finden, wie ein Rudel Thiere zusammengeschachtelt und sich mit ihren Körpern gegenseitig erwärmend. Kälte, Wind und Regen machen keinen Eindruck auf ihre Nerven, eine wunderbare Menschenrasse in ihrer Art, da alle sonst in kalten Klimaten wohnenden Menschenstämme stets warm bekleidet sind. Ich werde später noch Gelegenheit finden, auf diese Eingeborenen zurückzukommen.

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Bild: Hütte der Feuerländer.

Bald nachdem das flache Land hinter uns lag, näherten wir uns der chilenischen Colonie Punta Arenas, welche, früher als Verbrechercolonie gegründet, in der Neuzeit durch den regern Dampfschiffsverkehr eine andere Bedeutung erlangt hat. Die an der Küste steil aufsteigenden niedrigern Gebirgszüge von 300-400 m Höhe versagen dem Auge zwar noch den Blick auf die dahinter liegende mächtige Alpenwelt des Festlandes, das Auge kann nun aber frei über die düstern, unfruchtbaren, bis zu 2000 m Höhe aufsteigenden schwarzen Felsmassen des Insellandes Feuerland, welches sich auf der andern Seite der Wasserstraße unheimlich aus der See erhebt, schweifen: schwarzes, kaltes, zerklüftetes Gestein ohne eine Spur von Leben und Pflanzenwuchs, welches dem Auge nirgends Ruhe gönnt, da keine Linie zu finden ist, welche man festhalten könnte. Ein Pic steigt neben dem andern empor, erhebt seinen Gipfel immer noch wilder und trotziger wie sein Nachbar und erweist dem menschlichen Auge dann eine wahre Wohlthat, wenn er mit Schnee bedeckt ist. So frostig der Anblick des Schnees sonst macht, hier, inmitten dieses schwarzen Höllengesteins, um welches unermeßliche schwere Wolkenbänke von tiefgrauer Farbe sich lagern und, von dem heulenden Sturme getrieben, ihre Wasserballen in die unzähligen tiefen Schluchten hineinzwängen, hier ist der Schnee erwärmend. Hätte Dante dieses Stück Erde gekannt, seine Hölle wäre nach diesem Feuerland gebildet worden, welches ja auch richtige Teufel in sich birgt. Der Name „Feuerland“ ist allerdings nicht von vulkanischem Feuer hergeleitet, sondern hat einen harmlosen Ursprung; er ist dem Umstande zuzuschreiben, daß die ersten Entdecker überall am Lande kleine Rauchsäulen sahen, welche nie erloschen. Die Eingeborenen dieses nassen Landes, wo die Erzeugung des Feuers so sehr schwer ist, sind gezwungen, wo sie gehen und stehen, stets ein Feuer zu unterhalten, wenn sie dieses wichtige Element nicht zeitweise verlieren wollen; es wird also immer da, wo Menschen sich aufhalten, auch die unentbehrliche Rauchsäule zu sehen sein. Daß hier, wie ich vorhin sagte, auch wirkliche Teufel in Menschengestalt hausen, dürfte vielleicht aus dem nachfolgenden Auszuge aus Darwin's Reise um die Erde hervorgehen:

„Die verschiedenen Stämme sind Kannibalen, sobald sie miteinander in Fehde leben. Dies beweist auch die Aussage Jemmy Button's (ein Junge, welcher während zweier Jahre auf Kosten eines englischen Seeoffiziers in England erzogen und mit dem Schiffe, auf welchem Darwin war, dann zurückgebracht wurde), wonach die Eingeborenen im Winter, wenn sie sehr unter dem Hunger leiden, erst die alten Frauen schlachten und verschlingen, bevor die Hunde an die Reihe kommen, denn die Hunde fangen Ottern, alte Frauen aber nichts. Die Frauen werden derart getödtet, daß sie über Rauch gehalten werden, bis sie erstickt sind. Der Junge ahmte auch mit sichtlichem Vergnügen in spaßhafter Weise das Geschrei der Opfer nach und beschrieb die Körpertheile, welche am besten schmecken. Oft sollen die alten Frauen, sobald sie den Zeitpunkt gekommen wähnen, in die Berge flüchten, sie werden aber von den Männern dann gejagt, um in ihre Hütte gebracht und geschlachtet zu werden. — Schrecklich, wie solch ein Tod durch die Hand der Freunde und Verwandten sein muß; schmerzlicher noch ist es daran zu denken, was diese Frauen empfinden müssen, wenn der Hunger sich einzustellen beginnt.“

Nachmittags 3 Uhr am 15. Januar, nach Zurücklegung von 120 Seemeilen an diesem Tage, ankerten wir vor Punta Arenas, dessen kleine Holzhäuser kurz vorher als erste Zeichen menschlichen Lebens hinter einer kleinen Landzunge zum Vorschein gekommen waren. Dieser weit vorgeschobene Posten menschlichen Unternehmungsgeistes zeigte allerdings ein anderes Bild, als wir nach den vorhandenen Beschreibungen erwarten konnten. Eine vor wenig Wochen stattgehabte Soldatenemeute hatte traurige Spuren hinterlassen. Die aus 100 Soldaten gebildete Garnison soll von ihrem Commandanten so barbarisch behandelt worden sein, daß sie schließlich zum Aufstand getrieben wurde. Sie tödteten und verstümmelten den Commandanten, rissen ihm Augen und Zunge aus, schnitten Nasen und Ohren ab und zerstückten den ganzen Körper. Darauf befreiten sie die Gefangenen (der Platz ist noch Strafcolonie), etwa 80 an der Zahl, und fingen dann an zu brennen und zu morden. Alle größern Gebäude wurden eingeäschert und etwa 80 Personen verloren ihr Leben. Nachdem die Meuterer auf diese Weise zwei Tage gehaust hatten, wurden sie unsicher, da täglich ein in der Nähe befindliches chilenisches Kanonenboot eintreffen konnte, und verließen den verwüsteten Platz. Vorher aber bemächtigten sie sich aller Frauen und Mädchen, deren sie habhaft werden konnten, und schleppten diese mit Gewalt mit sich in die Pampas Patagoniens, wo ihnen mit den dortigen Indianern jedenfalls ein Krieg bis aufs Messer bevorsteht. — Wenige Tage vor unserm Eintreffen hatte ein chilenisches Kriegsschiff die neue Garnison und eine Untersuchungscommission gebracht.

Der kleine Ort liegt recht hübsch dicht am Ufer des hier stets wellenlosen Meeres, lehnt sich im Rücken an den Fuß eines Berges an und ist umsäumt von jungfräulichem Urwalde. Die in den Gebirgen lagernden großen Schneemassen führen in kleinen Flüssen vorzügliches Wasser zum Strande, wo in den geringern Tiefen des Meeres ein unerschöpflicher Reichthum an wohlschmeckenden Fischen herrscht. Rindvieh und Schafe gedeihen vortrefflich und finden auf dem herrenlosen Lande die saftigste Nahrung im Ueberfluß. Auch Pferde sind fast mehr wie Menschen vorhanden, denn hier in diesem kleinen Dorfe ist sogar der Bäckerjunge zu faul, das Brot zu Fuße auszutragen, er setzt sich dazu aufs Pferd. Der Wald liefert ein vorzügliches Holz, das vorläufig noch als werthlos betrachtet wird. Die mächtigen Stämme — ich habe solche von 4 Fuß Durchmesser gesehen — haben einen vollständigen Eisenkern; schwere Schmiedehämmer, welche als Keile zum Auseinandertreiben des Holzes benutzt wurden, zersprangen unter den wuchtigen Hieben eines noch schwerern Hammers in dem Holze, ohne es zu spalten. Jeder kann sich soviel Holz nehmen wie er will; wir haben an einem Tage 40 cbm Kernholz gefällt und an Bord geschafft, ohne Zahlung dafür zu leisten, weil den Ansiedlern auf diese Weise das Land ohne eigene Mühe urbar gemacht wird. Die Häuser, oder besser Holzhütten bestehen selten aus mehr als zwei kleinen Zimmern; Comfort ist nirgends zu finden. Ackerbau und Gartencultur fehlen vorläufig noch ganz, die Leute leben nur von den durchkommenden Schiffen, denen sie vornehmlich Fleisch verkaufen. Einige Meilen von diesem Ort entfernt ist noch eine kleine Schweizercolonie, welche sich mit Landwirthschaft beschäftigt und ihre Erzeugnisse hierher abliefert. Von diesen Producten erhielten wir recht gute Butter und namentlich ganz vorzüglichen Kopfsalat. Für die übrigen Erzeugnisse der Schweizercolonie, Gemüse und Kartoffeln, war die Zeit der Reife noch nicht gekommen, sodaß wir uns von ihrer gerühmten Vortrefflichkeit nicht selbst überzeugen konnten.

Der Totaleindruck dieses Ortes ist, von innen gesehen, ein öder, schmutziger und wüster. Die Straßen sind allerdings regelmäßig und breit, ja so großartig angelegt, daß sie einer großen Stadt Ehre machen würden, die menschlichen Wohnungen zeigen aber sofort, daß nur mittellose Abenteurer, welche kein anderes Streben als ihr Leben zu fristen kennen, ihr zeitweiliges Heim hier aufgeschlagen haben. Natürlich sind die Deutschen wie überall auch hier vertreten, bilden aber das beste Element.

In Punta Arenas wurde mir die große Enttäuschung zutheil, daß ich keine Kohlen, auf die ich sicher gerechnet hatte, erhalten konnte. Es ist eine Kohlengrube, welche sich in soliden englischen Händen befindet, in nächster Nähe, die Meuterei hatte aber auch hier störend eingegriffen, da die Soldaten, die mit Genehmigung der Regierung die Grubenarbeiter gewesen waren, jetzt fehlten. So blieb mir nur übrig, mit meinen Kohlen hauszuhalten und das Brennmaterial durch Holz zu ergänzen. Auch meine Reisedisposition für die Straße erhielt dadurch eine Abänderung; ich hatte vorher auf einen drei- bis viertägigen Aufenthalt in Punta Arenas gerechnet, ließ mich aber jetzt nicht länger aufhalten, da ich in dem herrenlosen Lande, durch welches ich noch 600 Seemeilen zurückzulegen hatte, überall Holz schlagen konnte. Ich blieb daher nur noch den 16. in Punta Arenas und benutzte diesen Tag zum Holzschlagen. Nachts 12 Uhr war das Holz an Bord, am 17. morgens 2 Uhr war das Schiff fertig und weiter ging die Reise aus der Nacht zum Tage.

Ich hatte einige Stunden geschlafen und stand nun in der rauhen Nachtluft mit der Gewißheit auf der Commandobrücke, dieselbe vor 9 Uhr abends nicht wieder verlassen zu können. Die Aufgabe, welche ich mir gestellt hatte, war, bis zum Eintritt der Dunkelheit einen Hafen zu erreichen, welcher von unserm Ausgangspunkt 170 Seemeilen entfernt lag. Der Weg dahin führte durch eine enge Felsenstraße, in welcher der Sturm stets mit der Gewalt eines Orkans wüthen soll; die in ihrer Großartigkeit auf dieser Welt einzig dastehende Gebirgswelt soll fast immer bis zum Wasserspiegel herunter in dichtes grauschwarzes Gewölk gehüllt sein, aus welchem der Regen in Strömen herniederfällt; die Navigirung soll nur dadurch möglich werden, daß der Sturm ab und zu das Gewölk auf Augenblicke zertheilt und so dem Auge Gelegenheit gibt, den Curs bis zur nächsten Zertheilung der Wolken festzustellen. Dies war der vor mir liegende Tag mit seinen Aussichten. Fand ich wirklich solches Wetter, dann war die Erfüllung meiner Aufgabe unmöglich und ich konnte höchstens zwei Drittel des vorgenommenen Weges zurücklegen, mußte dann aber auch für die ganze Passage etwa die doppelte der in Ansatz gebrachten Zeit rechnen. Einigermaßen gruselig war mir zu Muthe, als ich meine Fahrt in der dunkeln Nacht mit 10 Seemeilen Geschwindigkeit und mit der Aussicht begann, nun während etwa 10 Tagen, wenn auch in sicherm Fahrwasser, täglich 12-15 Stunden dem Regen und Sturm voll ausgesetzt auf der Commandobrücke zuzubringen. Immerhin vertraute ich aber meinem guten Glück und gab zunächst keinem Zweifel an dem Gelingen des festgesetzten Planes Raum. Allerdings hatte ich noch einen vertrauenerweckenden Führer zur Seite, nämlich den Bericht unserer Corvette „Vineta“, welche als erstes deutsches Kriegsschiff die Passage durch die Magelhaens-Straße gemacht hat. Wenn auch dieser Bericht die vorzüglichen englischen Segelanweisungen als durchaus zuverlässig anerkennt, so vertraut man dem, was Kameraden gesehen und erfahren haben, doch immer mehr; man fühlt sich dort, wo ein Bruderschiff schon gewesen ist, eher heimisch.

Bis gegen 8 Uhr morgens bleibt der Curs in offenem Fahrwasser südlich und durch die an der Westseite liegenden Berge gegen den erwarteten Weststurm geschützt. Der Morgen läßt sich gut an, der Sonnenaufgang war zwar nicht sehr vertrauenerweckend gewesen, die Sonne zeigt aber doch wenigstens ab und zu ihr erwärmendes Gesicht. Zu unserer Rechten liegen weich geformte Berge mit dichtem frischen Wald bestanden, aus dessen grünem Laub hier und dort verstreut blendend weiße Schneefelder hervorlugen. Die Berge steigen direct aus dem Wasser auf, bilden aber doch hin und wieder freundliche kleine Einbuchtungen, welche den vorbeifahrenden Schiffen gute Ankerplätze bieten, aber auch einen grell in die Augen springenden Beweis liefern, wie alles Lebende, was die Natur hervorbringt, dazu dient, von dem Stärkern wieder vernichtet zu werden. Hier in diesen geschützten lieblichen Baien steigen die der Magelhaens-Straße eigenthümlichen mächtigen Wasserpflanzen tief von dem Meeresgrunde bis zu einer Höhe von 10 m hoch aus und geben mit ihren 6-7 dcm langen und 2 dcm breiten Blättern den kleinen niedern Wasserthieren Schutz und Nahrung. In diesem Wasserpflanzenwald lebt aber auch die junge Fischbrut, welche ihr Leben mit den kleinern Thieren erhält, dieses aber auch sofort hingibt, sobald sie das schützende Dach verläßt, denn außerhalb der Pflanzen stehen Scharen von Raubfischen, welche jeden kleinen Wasserbewohner ihresgleichen erbarmungslos verschlingen, sobald er sich aus seinem Versteck hinauswagt. Wieviel Mord und Vernichtung spielt sich nicht an einem Tage in einem solch kleinen Stück Wasser ab?

Zu unserer Linken liegt eine weite Wasserfläche, begrenzt durch in blauen Dunst gehülltes Bergland, durch dessen weite Schluchten die noch hinter den Bergen niedrig stehende Sonne ihre Strahlen wirft und das wild geklüftete Alpenland magisch beleuchtet. Vor uns haben wir den Eingang zu der berüchtigten Felsenpassage mit einem Aussehen, welches einen schlimmen Tag verspricht. Das aus dem Wasser steil aufsteigende nackte Gestein ist infolge des ewigen Regens von tiefschwarzer Farbe, welche nur selten durch einige hellere Flecke unterbrochen wird. Sichtbar ist das Land dort überhaupt nur bis etwa 100 m über dem Wasser, von da ab ist alles in dicht übereinander geschichtete feste Wolkenmassen von tief blaugrauer Färbung gehüllt, in Wolkenbänke, welche so tief liegen, daß man sie mit den Mastenspitzen zu berühren glaubt und damit ihre Entladung herbeizuführen befürchtet. Regen erwartet man von ihnen aber nicht, sondern das schärfste Schneegestöber. Das Gewölk eines schweren Schneesturmes unserer Gegenden ins Vielfache übertragen gibt ein ungefähres Bild von der vor uns liegenden Wolkengestaltung und dem Aussehen der Luft. In diesen Sturm- und Regenkessel muß man hinein. Was hilft's! Mehr wie naß werden kann man ja nicht, also frisch drauf los.

Einige mächtige Walfische von 14 bis 18 m Länge — ich sehe im ganzen vier — spielen so harmlos in der Nähe des Schiffes, daß das Behagen, welches sie athmen, sich unwillkürlich dem Menschen mittheilt und sein Gemüth beruhigt. Hoch werfen sie aus ihren Spritzlöchern das Wasser in die Luft, strecken ihren mächtigen Kopf aus dem Wasser oder heben ihren kolossalen Rücken wie eine kleine Insel über die Wasserfläche, tauchen dann in die Tiefe und schnellen dabei den riesigen Schwanz aus dem Wasser, daß das hinterste Drittheil des Fisches für einen Augenblick senkrecht in die Luft ragt. Solch ein harmloses Spiel übt eine beruhigende Wirkung auf uns Zuschauer aus, die Gegend vor uns sieht sich schon gar nicht mehr so erschreckend an. Ein tüchtiges warmes Frühstück war oben in der frischen Luft mit köstlichem Appetit eingenommen; der kurze Rock, unter welchem eine warme wollene Weste sitzt, wird fest zugeknöpft, die Mütze fest in die Stirn gedrückt, der Kneifer auf der Nase zurechtgerückt und dann um 8 Uhr um das verschriene Cap Froward herumgejagt. Jetzt soll es kommen, Sturm und peitschender Regen! Ein frischer Sturm, welcher in diese 100 Seemeilen lange unabsehbare Felsenstraße eingekeilt an Stärke gewinnt, weht uns zwar in die Zähne, die Wolken über uns bilden eine feste undurchdringliche Decke; unten aber ist es schön klar, kein Hagel und kein Regen, kalte frische Luft und überall viel zu schauen. Was es zu sehen gibt läßt sich aber nur schwer schildern.

Die Gestaltung des Landes ändert unausgesetzt. Hier springt ein hohes, steiles Cap trotzig in die Straße vor und deckt die hinter ihm liegende tiefe Bucht; dort läuft das Land in eine weit vorgeschobene flache Spitze aus; an jener Stelle brechen aus den vorbeijagenden Wolken für Augenblicke scharf gezackte Bergkämme hervor; hier steigt senkrecht aus dem Wasser eine Felsenwand von dem Aussehen einer von Menschenhand sorgsam aufgebauten Riesenmauer auf; dort ziehen sich mächtige Kanäle, welche große Wasserstraßen nach einem andern Theil des Weltmeeres bilden, hin; hier liegen kleine, in frischem Laub prangende Inseln oder einzelne nur mit ihrer Spitze aus dem Wasser hervorragende Klippen, dort mehrere Quadratmeilen umfassende Inseln. Das alles vermag das Auge wol für Stunden und Tage, ja Wochen unausgesetzt zu fesseln, da es in seiner natürlichen Großartigkeit immer Neues und Interessantes bietet, in der Beschreibung wird es aber immer nur ein sehr verblaßtes Bild geben.

Ab und zu fegt der Sturm das Gewölk stellenweise fort und gestattet dann einen Blick in dieses eigenartige Gebirgsland, das noch im Hochsommer seine ewig starren Gletscher bis zum Meeresrand hinabsendet und gleichzeitig den an die Tropensonne gewöhnten Zugvögeln ein begehrenswerthes Asyl gewährt. Der Grundton des sich entrollenden Bildes ist Grau in Grau: eine grau erscheinende Wasserfläche als Vordergrund, graues Gewölk als Hintergrund. Aus diesem unbestimmbaren, farblosen und doch auf das Auge so mächtig wirkenden Grundton treten riesige Steinmassen, tiefschwarz gefärbte oder mit einer blendenden Schneedecke überzogene hohe Berge mit ihren entschiedenen und wilden Contouren scharf heraus. Das massige Unterland entsendet ungezählte scharfgeschnittene Pics in die Lüfte, welche bei annähernd gleicher Höhe scheinbar ganz willkürlich theilweise mit ewigem Schnee überzogen sind, theilweise mit vollkommenster Nacktheit prahlen und ebenso allen Unbilden des Wetters trotzen, wie die an ihrem Fuß lebenden Eingeborenen, mit welchen sie so große Charakterähnlichkeit haben. Zwischen jenen blendend weißen, zart überhauchten Berggipfeln und diesen schwarzen rauhen Gesellen liegen in tiefen unheimlichen Schluchten große, in ihrer ganzen Ausdehnung wol noch von keinem Menschenauge berührte Schneefelder, welche sich bis zum Meeresspiegel, bis dicht an die vorbeipassirenden Schiffe hinabsenken und auf ihrer Wanderung dahin sich allmählich aus duftiger Schneedecke von dem reinsten Weiß in starrende zerklüftete Gletscher von heller, bläulich-grüner Farbe umbilden, deren Mächtigkeit nach unserer Schätzung 5-8 m beträgt. Und neben diesen Gletschern findet das Auge an geschützten Stellen die üppigste Vegetation, den Urwald in seiner ganzen Schönheit mit seinen herrlichen Laubkronen, seinen Schlinggewächsen, Parasiten, elastischen Moosdecken und farbenprächtigen Blumen, über welchen in denselben Sommermonaten, die den nebenliegenden Schnee nicht zu schmelzen vermögen, nach glaubwürdigen Berichten die Kolibris über den Blumenkelchen schwirrend ihr Ver-nichtungswerk gegen die Insekten betreiben. Weiterhin öffnet sich die Wasserstraße, das Land tritt zurück, und man glaubt auf einem großen Binnensee zu sein, welcher keinen Ausgang zeigt. Einige Inseln vor uns scheinen den Abschluß zu bilden, auf diese ist der Bug des Schiffes gerichtet. Dort angekommen geht das Schiff in scharfem Bogen um eine derselben herum und läuft in einen von hohen Felswänden gebildeten Hohlweg ein. Der größte Theil der Straße behält jetzt den Charakter eines Hohlwegs von vorherrschend enormen Dimensionen.

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Bild: Der Berg Sarmiento auf dem Feuerland, Magelhaens-Straße.

Während der Fahrt versucht ein Boot mit Feuerländern das Schiff zu erreichen, jedenfalls um gegen Bogen, Pfeile und Felle andere Sachen, Taback und Eßwaaren einzutauschen. Da es die ersten Eingeborenen sind, welche wir zu Gesicht bekommen, so entsteht eine allgemeine Aufregung in dem Schiffe; die Offiziere drängen mich, auf das Boot zu warten, ich kann ihnen aber, so groß auch meine eigene Neugierde ist, nicht willfahren, da das Reiseprogramm in so enge Grenzen gezogen ist, daß ein kleiner Aufenthalt das ganze Gebäude umwerfen kann. Ich lasse indeß das Schiff an das Boot heranscheeren, um es dicht zu passiren und so einen flüchtigen Blick zu erhalten. Zwei junge nackte Männer führen die Ruder, eine nackte Frau das Steuer, die übrigen Insassen, mehrere Erwachsene und eine größere Zahl kleiner Kinder sitzen oder vielmehr kauern in der Mitte des Bootes, wo auch auf Steinen das nie fehlende Feuer unterhalten wird. Alle zusammen schreien und heulen, mit den Armen gestikulirend, aus Leibeskräften, um das Schiff zum Anhalten zu bewegen, aber wie schon erwähnt ohne Erfolg.

Abends 8 Uhr scheint es mir doch zweifelhaft, daß wir vor Eintritt der Nacht den als Ziel gesetzten Hafen noch erreichen können; die Entfernung ist zwar nicht zu groß, aber vor uns sieht es so dick und drohend aus und der Seegang nimmt in der nun nach dem Stillen Ocean hin offenen Straße so merklich zu, daß ich mich entschließe, nach dem kleinen Hafen Port Angosto, welchen wir vor einer Viertelstunde passirt haben, zurückzulaufen. Der Eingang, keine 40 m breit, ist bald gefunden, und die „Ariadne“ geht, oft nur wenige Fuß von den Klippen entfernt, durch eine schmale Gasse in einen Kessel, welcher gerade genug Platz bietet, daß das Schiff ohne den Grund zu berühren sich vor dem Anker drehen kann. Die steilen Bergwände sind dicht bewaldet, einige kleine und ein größerer Wasserfall ergießen mit anheimelndem Geplätscher das geschmolzene Schneewasser von den Höhen hinab. Der Abend ist schön und ruhig, aber ohne Anziehungskraft für einen Mann, welcher 19 Stunden auf der Commandobrücke zugebracht hat und nach Verlauf von 5 Stunden Ruhe wieder dahin berufen wird, um das eben überstandene Tagewerk noch einmal durchzumachen.

Abends ging ich gleich, nachdem ich schnell einige Bissen zu mir genommen hatte, zu Bett, um sofort in einen tiefen traum- und bewußtlosen Schlaf zu verfallen. Um 2½ Uhr morgens wurde ich wieder geweckt — ein kritischer Moment. Niemand kann mich hier zur Eile treiben, mir vorschreiben, an diesem Tage weiter zu gehen oder eine so große Distanz abzulaufen, wie ich sie mir gesteckt habe; auch zwingen mich die natürlichen Verhältnisse nicht zu einem so großen Pensum, da in den vor uns liegenden Kanälen alle 20-30 Meilen Häfen zu finden sind. Durch das Wetter begünstigt habe ich an dem gestrigen Tage ein besonders großes Stück Weg zurückgelegt, ich bin über alle Begriffe müde — ein Wort und der Aufbruch wird verschoben oder ganz aufgehoben. Der Gedanke „beschleunigte Segelordre“ durchzuckt traumhaft mein Hirn und — „Reveille und Ankerlichten“ ist die Antwort auf den vielleicht schon mehrmals wiederholten Weckruf. Ich verlasse mein Lager, mache unter Absehung von dem gewohnten kalten Bade die den Verhältnissen entsprechende Toilette, nehme schnell ein warmes Frühstück ein, welches mein vortrefflicher, aber im Punkte des Schlafens sonst unverbesserlicher Diener heute ausnahmsweise schon bereit hat, und stehe nach 15 Minuten auf der Brücke, um in dem Dunkel der noch herrschenden Nacht die meinem Ruf willig gehorchende „Ariadne“ aus diesem kleinen Felsenlabyrinth hinaus in ein 500 Meilen langes hineinzuführen. Die Nachtluft ist kalt; die todten Bergmassen, von welchen her kein Ton eines lebenden Wesens zu hören ist, werfen tiefe Schatten auf die unter Windstille regungslos daliegende schwarze Flut und machen es unmöglich, die schwarze Wasserfläche von dem schwarzen Lande zu unterscheiden. Nichts ist zu hören als das dumpf nach oben schallende Arbeiten der rastlosen mächtigen Schiffsmaschine und das monotone Rauschen des von dem Schiffsbug aufgeworfenen Wassers, nur ab und zu unterbrochen von einem kurzen Rudercommando aus meinem Munde, welches von den Leuten am Ruder ebenso kurz erwidert wird. Die durchbrechende Tagesdämmerung nimmt dieser Fahrt bald das Geisterhafte des Anfangs. Zur Linken liegt die jetzt schon breite westliche Oeffnung der dort ihr Wasser mit dem des Stillen Oceans bereits mischenden Magelhaens-Straße; vor uns öffnet sich der Smyth-Kanal, in welchen unser Weg uns führt, theilweise noch versteckt im Morgendunst, welcher auch das umliegende Land verhüllt. Eine halbe Stunde später — die Sonne bricht mit einzelnen Strahlen durch die Wolken, gewinnt immer mehr an Macht, hat bald die Nacht- und Morgennebel verzehrt und beschert uns einen selten schönen Tag. Der über 1800 m hohe Mount Burney erhebt sich als regelmäßiger Kegel mit abgestumpfter Spitze, welche jedoch mit mehrern kleinen Pics geziert ist, majestätisch aus einer Ebene, die halbkreis-förmig von einem hohen Gebirgszuge umrahmt ist, dessen Gipfel in ungezählte schneebedeckte Pics auslaufen. Die jetzt durch den wolkenlosen Aether ungehindert durchstrahlende, noch tiefstehende Sonne übergießt das vor uns liegende Bild mit einem seltenen Duft. Die in goldigem Schimmer erglänzenden Lichtseiten der untern Partien heben sich nur unmerklich von den Schattenseiten ab, da die Sonne kurz nach ihrem Aufgange nur zarte Schatten zu erzeugen vermag. Die von ihrer erhabenen Höhe aus weithin strahlenden jungfräulichen Gipfel spiegeln die Färbung des Aethers wieder und schimmern in einem fast ins Weiße übergehenden duftig zarten Grün. Die höher steigende Sonne bringt uns einen prachtvollen, windstillen und wolkenlosen Sommertag, wie er für eine Vergnügungsreise nicht schöner gewünscht werden könnte. Die Fahrt geht rastlos weiter, immer neue Bilder vor uns aufrollend, enge Hohlwege, Klippenstraßen, mit Inseln gezierte Alpenseen, freiere Passagen, welche den Blick weiter schweifen lassen — nur eins bleibt bis gegen Abend unverändert, das ist der herrliche Mount Burney, welcher über alles hinwegragend in fortwährend wechselnder und immer erhebend schöner Umgebung uns den Anblick seiner edeln Gestalt gönnt.

Es ist zwecklos, auf die Fahrt dieses Tages näher einzugehen, da jede neue Schilderung doch nur eine Wiederholung sein würde; aber ein uns an diesem Tage in der Collingwood-Straße und dem Sarmiento-Kanal noch gebotener Blick auf diese große Natur verdient doch besondere Beachtung. Das Bild war das schönste unserer ganzen bisherigen Reise und von so großartig wilder Schönheit, wie sie schwerlich in irgendeinem Theil unsers Erdballs wiedergefunden wird. Obwol meiner Schwäche bewußt, will ich dennoch versuchen, eine oberflächliche Skizze dieses erhabenen Naturbildes zu entwerfen.

Vor uns und zu unserer Rechten liegen die Sarmiento-Cordilleren, zwei regelmäßig hintereinander gereihte Gebirgsketten von etwa 25 Seemeilen Länge und 1000-1500 m Höhe. Die uns zugekehrte vordere Kette steigt direct aus dem Wasser auf, die zweite liegt so weit verschoben hinter der ersten, daß man einen ziemlich weiten Blick in das von den beiden Bergzügen gebildete Thal erhält. Die vielen Gipfel dieser mächtigen malerischen Bergreihen streben in schönen und edeln Formen zu dem reinen Blau des Himmelsgewölbes empor und sind mit ewigem, tadellos weißen Schnee bedeckt, welcher nach unten hin unmerklich sich verändernd allmählich Gestalt und Farbe eines Gletschers annimmt, sich auf den Thalseiten bis zur Thalsohle hinabsenkt und dort ein ebenso unwegsames Eisfeld bildet, als die mit Wasser angefüllten Thäler der tieferliegenden Bergketten dem Menschen nutzbare Wasserstraßen bieten. Zu unserer Linken liegen niedrigere, steile und nackte Felswände, und vor denselben dicht bewaldete Inselgruppen mit saftigen, frischgrünen Bäumen, zwischen denen farbenreiche Blumen hervorlugen. Dieses von der warmen Sonne mit einem eigenen Reiz übergossene Bild erhält seinen würdigen Abschluß durch den Mount Burney, welcher, seine Umgebung weit überragend, sich in unserm Rücken aus der von ihm beherrschten Ebene, die mit Ausnahme der uns zugekehrten Seite jetzt vollständig von hohen schneebedeckten Gebirgszügen umrahmt ist, gigantisch emporhebt und in seiner majestätischen Größe das um ihn liegende gezackte, mit unendlich vielen kleinen Pics gekrönte Berggewirre verspottet. Dieser ausgezeichnete Berg, welcher nur ein riesengroßer Kegel ist, aber durch seine einfachen edeln Linien alles Plumpe von sich weist und voll Grazie nach dem unendlichen Weltall zeigt, muß auf dieser Erde einzig in seiner Art sein und kann wol als ein würdiges Denkmal der urkräftigen Allgewalt der Weltenschöpfung angesehen werden. Der in Japan auf der Insel Nipon liegende und als heilig verehrte Berg Fusijama, welcher wegen seiner reinen Formen einen hohen ihm auch gebührenden Ruf genießt, kann sich in Bezug aus großartige Schönheit mit diesem Mount Burney nicht messen und muß nach meinem Geschmack, trotz seiner doppelten Höhe, vor seinem hiesigen Rivalen zurücktreten.

Abends gegen 9 Uhr, nach einem herrlichen, an Naturgenuß so reichen Tage ankern wir in Puerto-Bueno, dem Hafen, welcher bei Aufstellung des Reiseprogramms als Ziel des zweiten Tages in Aussicht genommen war; wir haben somit die am gestrigen Tage verlorenen 20 Seemeilen wieder eingeholt. Der kreisförmige kleine Hafen Puerto-Bueno, in welchen man durch eine schmale Oeffnung einsteuert, bietet gerade ausreichenden Platz für ein großes Schiff und ist rundherum von niedrigem Land eingeschlossen. Er weist einen außerordentlichen Fischreichthum auf; auch kommt eine eßbare sehr schmackhafte Muschel, welche wol mit der Kieler Mießmuschel verwandt ist, häufig vor und kann bei Niedrigwasser ohne weitere Mühe in großen Massen eingesammelt werden. So brachten vier Mann in einer halben Stunde ein ausreichendes Gericht für die 200 Köpfe zählende Besatzung des Schiffes zusammen. In zwei dicht aufeinander folgenden Fischzügen in einer kleinen Bucht von etwa 12 m Breite und 10 m Tiefe des Hafens wurden mit jedem Zuge in dem Netze je 120 Fische im Totalgewicht von 105 resp. 108 kg gefangen. Die große Mehrzahl der Fische bestand aus vorzüglichen fetten, bis zu 1¾ kg schweren Makrelen, der Rest aus einer Lachsforellenart bis zu 2¾ kg Schwere. An der einen Seite des Hafens mündet cascadenartig über Felsblöcke hinwegspringend ein Wasserlauf, welcher sich aus einem dicht dahinter liegenden Süßwassersee ergießt. Leider ist das Wasser aber wegen des moorigen Bodens im See schlecht und zum Trinken nicht recht geeignet. Eine Recognoscirung des Sees, welche mit einem beschwerlichen Wege durch den Urwald, über umgefallene Baumstämme und große Felsblöcke, über Moosdecken, in die man oft bis unter die Arme einsinkt, durch dichtes Gestrüpp u. s. w. verbunden ist, ließ uns auch die Spuren und die Losung von Guanacos auffinden. Natürlich wurde in der nächsten Nacht von den Jägern ein Jagdzug unternommen, um womöglich eins dieser seltenen Thiere, welche zwischen dem Kamel und dem Lama liegen und ein vielbegehrtes schönes Fell haben, zu erlegen, doch verlief die Jagd resultatlos.

Dieser Tag verschaffte uns auch die interessante Bekanntschaft mit einer Indianerfamilie. Einer der hier gebräuchlichen großen, aus drei Bretern zusammengesetzten Kähne kam in der gewöhnlichen Weise längsseit des Schiffes, d. h. zwei Männer ruderten, eine Frau steuerte und die übrigen Personen hockten in der Mitte. Der ganze Inhalt des Boots bestand aus folgenden Personen: ein älterer Mann, durch ein weißbemaltes Gesicht als Familienhaupt gekennzeichnet; zwei ältere Frauen, jedenfalls die Gattinnen des Häuptlings; ein Mann von etwa 25 Jahren; ein halbwüchsiger auffallend hübscher Bursche von 16-17 Jahren; ein ebenso hübsches gleichalteriges Mädchen oder junge Frau, dem Burschen wie aus dem Gesicht geschnitten; ein Junge von 12-13 Jahren; 5 oder 6 Kinder zwischen 5 und 10 Jahren. Sämmtliche Personen waren von dunkler Kupferfarbe, mit einer dicken Schmutzkruste überzogen, hatten hübsche regelmäßige Gesichter, schöne sanfte dunkle Augen, großen Mund und waren von guter Mittelgröße. Die Körperformen der Männer waren gut; die Frauen hatten schöne Nacken und Schultern, schöne Arme, Hände und Fingernägel, und wußten Arme und Hände mit Grazie zu gebrauchen. Der Leib der Frauen war stark, die Hüften traten nicht hervor, waren daher ohne jede Taille, die Oberschenkel waren auffallend schwach, Unterschenkel und Füße jedoch wohlgeformt. Die Brüste der ältern Frauen hingen lang und schlaff herab, die des jungen Frauenzimmers dagegen waren sehr üppig, aber doch nicht so fest wie es ihrem Alter zukam. Der Leib des jungen Frauenzimmers war sehr stark, es blieb aber fraglich, ob dies ein Zeichen noch großer Jugend war, da der Leib aller Kinder infolge der mangelhaften Ernährung (die Leute leben nur von Fisch, Kräutern und einer bestimmten Erdart) stark aufgetrieben war. Die tiefschwarzen Haare waren nicht gepflegt, struppig, reich mit Ungeziefer bevölkert und bei beiden Geschlechtern gleich lang bis auf die Schultern herabreichend; Bartwuchs fehlte bei den Männern ganz. Der Häuptling trug ein Seehundsfell auf dem Rücken und eins um die Hüften geschlungen, die andern Personen hatten gleichmäßig nur ein Fell auf dem Rücken und waren sonst ganz nackt, den kleinsten Kindern fehlte auch das Rückenfell.

Gleich nach ihrer Ankunft begann das Tauschgeschäft. Für eine Cigarre, etwas Taback, ein Stück Brot oder eine Schachtel Zündhölzer wurde aus dem Boot eine aus Seehundsknochen gefertigte Lanzenspitze, ein ebensolcher Dolch oder ein Albatros-Schnabel hinaufgereicht. Geschenkt nehmen diese Leute, solange sie noch etwas zu geben haben, nichts, sondern reichen für jede Gabe, wenn sie auch als Geschenk bezeichnet wird, einen Ersatz hinauf und ruhen nicht eher, als bis ihnen der Gegenstand abgenommen ist. Nach Erschöpfung des Vorraths der Indianer richtete sich der Sinn unserer Offiziere auf die Seehundsfelle, und nun entwickelte sich eine höchst lächerliche Scene. Mit Ausnahme des Häuptlings, welcher seine Kleidung nicht hergab, haben die Männer ihre Kleidung bald gewechselt. Der Eine trägt an Stelle seines Fells zwei alte Civilröcke übereinandergezogen, ist unten aber nackt; der halbwüchsige Bursche hat eine Hose an und eine zweite als Mantille über die Schultern gehängt; der dreizehnjährige Junge prangt in einer alten blauen Cadettenjacke, unter welcher der braune Unterkörper sich komisch ausnimmt. Das Verlangen nach Seehundsfellen ist aber noch nicht gestillt, ein Offizier hat noch einen alten Unterlieutenants-Frack zur Hand und will für diesen ein Fell haben. Das europäische Schicklichkeitsgefühl verbietet ihm, eins der Frauenfelle zu begehren, wenngleich diese gerade das nicht bedecken, was bei uns als bedeckungswürdig angesehen wird, er zeigt daher auf ein mit noch einem Fell versehenes Kind. Der Alte, welcher unmöglich glauben kann, daß für den schönen Frack nur ein elendes Fell verlangt wird, nimmt den von der Mutter bereits weggestoßenen Jungen am Wickel, macht ihm mit einer Holzkohle einen schwarzen Strich quer über Backen und Nase und stellt ihn zum Tausch. Als nun der Offizier, um sich verständlicher zu machen, auf das Fell des jungen Frauenzimmers und dann wieder auf das des Jungen zeigt, glaubt der Alte, er wolle beide haben, packt sie daher auch am Genick, macht ihr auch einen schwarzen Strich über Backen und Nase und stellt sie für den Frack ebenfalls zur Verfügung. Während dieser Manipulation ist in den Gesichtern der Betheiligten keinerlei Erregung zu bemerken; so wie alle gleichzeitig zu dem Schiff hinaufschwatzten, plappert auch das junge Frauenzimmer, während der Alte sie zeichnet, ohne Unterbrechung weiter fort und scheint mit demselben Gleichmuth in den Besitz eines neuen Herrn übergehen zu wollen, mit dem sie vorher die ihr zugeworfenen Brosamen auffing, und kokettirt mit ihren schönen sanften Augen ohne wechselnden Ausdruck nach wie vor zu dem jungen Lieutenant hinauf. Endlich fangen die Wilden an zu verstehen, um was es sich handelt, und nun muß das Mädchen ihr Fell hergeben. Höchst lächerlich ist es zu sehen, wie nun auf einmal ein gewisses Schamgefühl bei der Person durchbricht. Da das Schamgefühl wol in dem Körpertheil sitzt, welcher gewöhnlich bedeckt getragen wird, wie es ja bei den türkischen Frauen z. B. im Gesicht liegen soll, so wird das Ding plötzlich unruhig, zieht sich mit verängstigtem Gesicht hinter die andern im Boot befindlichen Personen zurück und läßt sich erst dort ganz zusammengekauert das Fell von ihrem uns abgewandten Rücken abnehmen. Das Fell kommt nach oben, der Frack geht hinunter; nach einigen vergeblichen Versuchen gelingt das Anziehen dieses fremden Kleidungsstücks endlich, und nun haben wir das seltene und prächtige Vergnügen, diese junge, nunmehr wieder vergnügte Schönheit der Wildniß mit nur einem offenen Unterlieutenants-Frack bekleidet vor uns stehen zu sehen. Die Erscheinung wird aber noch lächerlicher, als die Kinder die für sie höchst merkwürdigen Taschen in den Frackschößen entdecken; sie graben ihre Arme tief hinein, strecken beide Frackschöße nach oben und seitwärts hoch hinaus und die Person steht vor uns wie ein Pfau mit ausgespreiztem Rad.

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Bild: Alte Feuerländerin.

Alle Gegenstände, welche von dem Schiffe aus in das Boot gelangten, wurden mit Ausnahme der Kleidungsstücke, ohne lange betrachtet zu werden, gleich der am Steuer sitzenden Frau zugereicht, welche sie in Verwahrung nahm. Nur etwas Hartbrot und Zucker behielt die zweite ältere Frau für sich, um ab und zu daran zu naschen. Eine Handvoll Rosinen, welche ich in das Boot warf, wurde aufgesammelt, die Kinder naschten wol eine, den Rest aber gaben sie ab. Das junge Frauenzimmer biß eine Rosine an, gab die zweite Hälfte ab, griff in ihre Haare und verzehrte an Stelle der Rosine einen ihrer Kopfbewohner, welchen sie wie ein Affe vorher genau betrachtete und wol für essenswerther hielt. Ein als Geschenk hinuntergereichter kleiner Spiegel ließ jeden, der hineinsah, ein so urkomisch dummes Gesicht machen, daß man annehmen muß, daß Spiegel etwas bisher Unbekanntes waren. Die zwei jungen Männer mußten auf Deck antreten; es wurde ihnen ein Cognak vorgetrunken, worauf sie es nachmachen mußten. Der Cognak wurde getrunken und beide standen gleichmäßig wie Statuen vor uns mit offenen Mäulern, gehobenen Nasenflügeln und so sprechend lachenden Augen, daß wir uns Gewalt anthun mußten, um nicht jedem eine derbe Ohrfeige zu geben und sie damit aus ihrer Verzauberung zu reißen. Sie erhielten den zweiten Cognak — dieselbe Wirkung, den dritten Cognak — der gleiche Erfolg; dann ließen wir es genug sein.

Gleich zu Anfang während des Tauschgeschäfts kroch ein etwa 6 Jahre alter Junge an seine Mutter heran, nahm die eine Brust, saugte daran, warf sie aber zur Seite und nahm die zweite, welche ihm das Gesuchte zu geben schien. Die Mutter, deren Gedanken nur nach dem Schiffe gerichtet waren, schien diesen Vorgang gar nicht zu bemerken; ohne nur den Kopf zu drehen oder ihre erhobenen Arme zu senken, schrie sie in derselben Weise nach dem Schiff hinauf. Wir sehen doch unwillkürlich nach der Stelle hin, wo eine Fliege uns belästigt, geschweige denn wenn ein Kind uns unerwartet auf den Leib rückt, hier aber scheint fast jedes Gefühl am Körper zu fehlen.

Als ich abends in meinem Boote noch etwas segelte und zu der Hütte unserer Indianerfamilie kam, sah ich die beiden jungen Männer auf einem Steine sitzend in das Wasser stieren, der eine immer noch mit seinen zwei Röcken, der andere mit seinen zwei Hosen; der dreizehnjährige Junge stolzirte in seiner Jacke auf einem im Wasser liegenden großen Stein umher, beide Hände in den Seitentaschen und damit die Jacke so knapp an den Rücken holend, daß die untere nackte Partie um so besser hervortrat. Das Mädchen stand am Ufer, aber wieder mit einem Fell auf dem Rücken; der Frack ziert jedenfalls schon den alten Häuptling, welcher sich in diesem Staatskleid in seinem Wigwam wol von seinen Frauen bewundern läßt.

Als Curiosum führe ich noch an, daß auf der „Leipzig“ in der eigentlichen Magelhaens-Straße ein Besuch der Wilden den Matrosen Veranlassung gab, ein junges Frauenzimmer in eine große Bütte mit Wasser zu setzen und sie mit Bürsten und Seife gründlich zu waschen. Sie soll nach Schluß der Wäsche ordentlich hell gewesen sein und ganz appetitlich ausgesehen haben.

Morgens 3½ Uhr setzen wir die Reise nördlich fort, mit der Absicht gegen Abend in dem 150 Seemeilen entfernten Gray-Hafen zu ankern. Der vor uns liegende Tag schließt den schwierigsten Theil der ganzen Fahrt durch die Straßen in sich, da gerade hier zusammengedrängt die engsten Stellen liegen und ein Theil der Straße noch dazu mit sehr vielen blinden wie sichtbaren Klippen übersäet ist. Auch führt der vor uns liegende Weg durch einen langen Kanal, welcher oft mit Treibeis, welches die Navigirung erschwert, angefüllt sein soll. Die Morgenluft sieht gut aus und wir dürfen wieder auf einen schönen Tag rechnen. Schon gegen 6 Uhr morgens stehen wir vor einer der hervorragendsten Engen und sind von einer Scenerie umgeben, welche lebhaft an die der schönen norwegischen Fjorde erinnert. Das Schiff befindet sich bereits in einem ziemlich engen Kanal; vor uns liegt eine Insel, welche sich in ihrer Grundform als regelmäßiger Kegel aus dem Wasser erhebt, deren kahles Gestein nach oben zu aber stufenförmig einfällt, sodaß der Berg den Namen Treppenberg erhalten hat. Dieser mächtige Felsblock scheint den Weg zu verschließen, denn er lehnt sich von unserm Standpunkt aus gesehen direct an die hinter ihm liegenden 800-1000 m hohen Felswände an. Das Schiff macht einen Bogen nach rechts und läuft dann zurückdrehend um den Treppenberg in die sich links öffnende und immer mehr verengende Straße ein, erreicht nach Zurücklegung von etwa 3 Seemeilen die engste Stelle und steuert dann nach Passirung derselben in ein weites Wasserbecken von etwa 20 Seemeilen Breite. Hiermit ändert sich auch ganz plötzlich der Charakter unserer Umgebung. Während wir vorher zwischen hohen dunkeln Felswänden, welche mit ihren Schatten die ganze Straße beherrschten, eingekeilt waren, befinden wir uns jetzt auf freiem, von der Sonne hell beschienenen Wasser. Die Berge sind in weite Ferne gerückt, das Land in unserer Nähe wird nur durch kleine niedrige, mit dichtem Wald bewachsene Inseln repräsentirt. Das Wasser, welches vorher keine Bewohner zu haben schien, ist auf einmal reich bevölkert, die ganze Flut lebt. Große Scharen von Möven, Tauchern und Enten der verschiedensten Gattungen schweben und fliegen kreuz und quer über das Wasser hin oder sonnen sich, ruhig auf demselben schwimmend, um nur dann aufzufliegen, wenn das Schiff nahe an sie herankommt. Große Heerden von Seehunden folgen, wie in unsern Meeren die Delphine, hoch aus dem Wasser herausspringend mit eleganten Sätzen dem Schiffe. Und trotz dieses Lebens — welche Grabesstille! Bei der herrschenden Windstille kann die Takelage ihren uns so wohlbekannten Gesang nicht anstimmen; die spiegelglatte Flut ist frei von dem Geräusch sich überstürzender Wellen, welches uns sonst fast immer begleitet; alle Thiere gehen, ohne einen Laut von sich zu geben, stumm ihrer Beschäftigung nach; alles ist stumm, denn auch vom Lande her lassen weder Vögel noch anderes Gethier ihre Stimme vernehmen. Diese sonntägliche Stille wird nur unterbrochen, wenn das Schiff in zu große Nähe von Dampfschiffs-Enten kommt, welche in diesem Falle mit geräuschvollem Geplätscher das Weite suchen.

Dieser Vogel kommt meines Wissens nur in den Gewässern der Magelhaens-Straße vor; er gehört zu den Enten, ist klein, von sehr zierlichem Bau und hat einen reizenden Kopf. Die Thierchen nehmen auf dem Wasser dieselbe Stufe wie der Strauß auf dem Lande ein, d. h. sie können nicht fliegen, sondern sind nur vorzügliche Schwimmer und Taucher. Wie der Strauß beim schnellen Lauf seine kurzen Flügel mit benutzt, so thut diese Ente dasselbe beim schnellen Schwimmen; wie die Schaufelräder eines Schiffes schlagen die kleinen unentwickelten Flügel auf und in das Wasser. Es sieht höchst possirlich aus, wenn sich eine Heerde dieser zierlichen Thiere in schnelle Bewegung setzt. Die Köpfchen sind weit aus dem Wasser gestreckt, die Flügel schlagen immer abwechselnd so schnell und kräftig auf das Wasser, daß es hoch aufspritzt, von dem Arbeiten der Füße wird das Wasser hinten ebenso wie von einer Schiffsschraube aufgeworfen. Sowol aus diesem Grunde, wie auch wol wegen ihrer Schnelligkeit, hat man ihnen ihren Namen gegeben; trotzdem wir mit 10 Knoten Geschwindigkeit gingen, liefen uns diese kleinen plätschernden Dinger doch in ziemlich raschem Tempo vorbei.

Hier will ich auch noch eines absonderlichen Vogels erwähnen, den wir am 17. Januar an einer Stelle in der Magelhaens-Straße in großen Scharen sahen. Es ist ein ganz kleiner Wasservogel von der Größe eines Sperlings oder vielleicht besser gesagt der eines Reisvogels, weil er auch dessen Farbe hat. Da man nicht gewohnt ist, so kleine Wasservögel zu sehen, so kamen diese Thiere uns vollständig märchenhaft vor. Wir hatten uns kurz vorher mit den riesigen Walfischen beschäftigt, hatten große Möven in der Nähe, waren von mächtigen Gebirgszügen umgeben und sahen uns inmitten dieser großartigen Natur, wo alles sich in großen Dimensionen hält, nun plötzlich bei dem Einlaufen in einen großen Kessel von diesem kleinen Volk umgeben, das wie die Heinzelmännchen in zauberartiger Schnelligkeit das ganze Wasserfeld bedeckte und an der nächsten Ecke ebenso plötzlich wieder verschwand. Höchst putzig sah es aus, wenn dieses winzige Gethier von dem Schiffe aufgescheucht sich scharenweise gleichzeitig erhob, in geschlossener Truppe einen großen Bogen abflog und dann plumps! wieder regungslos auf dem Wasser saß, geradeso wie eine Heerde frecher Sperlinge, welche von einem Kirschbaum aufgescheucht schnell und ohne weiteres Besinnen sich auf dem nächsten niederläßt.

Als wir in das freiere Wasser einsteuern, steht vor uns fern am Horizont dickes Gewölk, welches wol zu der Sorge berechtigt, ob uns das gute Wetter erhalten bleibt. Bald wird in der verdächtigen Wolkenbank ein großes uns entgegensteuerndes Schiff entdeckt, was mir zu der übermüthigen Bemerkung Veranlassung gab, daß jetzt in Betreff des Wetters nichts mehr zu befürchten sei, da es ja genug sei, wenn ein Schiff den Regen zu tragen habe; denn ich konnte gar nicht daran glauben, daß das hier so seltene herrliche Wetter nun auf einmal ein Ende haben sollte. Merkwürdig genug, daß es wirklich so kommt. Um 7 Uhr morgens passiren wir unter trübem Himmel dicht aneinander vorbei, um 8 Uhr schwimmen wir bereits wieder unter wolkenlosem Himmel und erfreuen uns eines prächtigen, windstillen Tages, während die amerikanische Corvette*, mit welcher wir die übliche Höflichkeitsform des Flaggen-zeigens ausgetauscht hatten, in dickem Regen hinter uns verschwindet. Da sich zur selben Zeit in unserer Nähe noch ein kleines Segelschiff, welches wahrscheinlich auf Seehundsjagd ist, befindet, so feiern wir ein gewiß seltenes Zusammentreffen in einer Gegend, wo oft monatelang kein Schiff passirt. Gegen 10 Uhr vormittags, nach Zurücklegung von etwa 30 Seemeilen seit dem Verlassen der Enge, rückt das Land allmählich wieder zusammen, und bereits um 11 Uhr steuern wir in den Wide-Kanal ein. Es ist dies ein 25 Seemeilen langer und 2-2½ Seemeilen breiter Hohlweg, welcher durch fast senkrecht aus dem Wasser aufsteigende nackte Felswände von etwa 300 m Höhe gebildet wird. Wie die ganze Magelhaens-Straße mit ihren angrenzenden Kanälen reich an Ueberraschungen ist, so stand uns auch hier eine bevor.

Mit dem Einlaufen in diesen Kanal kamen wir plötzlich in eine ganz andere Welt. Die Landschaft, durch welche während der letzten Tage unser Weg führte, hatte gewiß einen winterlichen Anstrich, die Temperatur war verhältnißmäßig niedrig, so niedrig, daß wir trotz Sonne und Windstille Winterkleider trugen; der empfangene Eindruck mahnte aber nicht an den Winter, wir waren vielmehr uns dessen wohl bewußt, daß wir in dem Sommer einer hohen Breite waren. Jetzt treten die schneebedeckten Gipfel zurück, wir sehen nur die Felswände des Hohlwegs, welche ebenso wie die unter Windstille liegende Flut von der vor und über uns im Mittag stehenden Sonne warm beschienen werden; die Temperatur ist höher als während der letzten Tage und hält sich auf 14° R.; wir befinden uns im Hochsommer auf einer Breite, welche Heidelberg entspricht, sind heute auch leichter bekleidet und trotzdem ist der Eindruck auf Auge und Gefühl eines jeden von uns der eines schönen, sonnigen Wintertages. Die Umgebung bietet nur wenig Abwechselung, und nur hin und wieder gestattet eine Schlucht einen Blick auf die ferner liegenden Schneeberge. Wie im Schiffe so herrscht überall sonntägliche Ruhe; einzelne hervortretende Punkte, welche das Schiff in seinem gleichmäßigen raschen Laufe passirt, werden zur Ortsbestimmung benutzt, die übrige Zeit gehört den Gedanken. Wo meine Gedanken weilen ist nicht schwer zu errathen: in der Heimat bei Weib und Kindern, welche nach ihrem Tageswerk jetzt wol beim Abendbrot sitzen. Meine Augen ruhen ohne zu sehen und ohne sehen zu wollen auf dem vor uns liegenden Bilde, das in seiner melancholischen Eintönigkeit den Menschen abstößt und ihn auf seine Gedanken allein verweist. Ein schnurgerader Hohlweg von solcher Länge, daß der Wasserhorizont noch vor den in weiter Ferne für das Auge zusammenstoßenden Seitenwänden liegt, unter uns ein schmaler Streifen blau-grauen spiegelglatten Wassers, zu beiden Seiten nackte und düster gefärbte Felswände von gleicher Höhe, über uns ein schmaler Streifen des wolkenlosen Himmels und in diesem die heißstrahlende Sonne. Auf solcher Scenerie kann das Auge wol ruhen ohne zu sehen, und doch ist plötzlich der Blick gefesselt, meine Gedanken kehren zum Schiffe zurück. An der Wassergrenze vor uns tauchen weiße Flecken auf, welche in grellem Contrast zu der hinter dem Horizont liegenden dunkeln Felsenwand stehen; wir sind in dem Kanal, welcher häufig Treibeis haben soll, und die neue Erscheinung kann nur Eis sein. Mit unserm Vorschreiten verwandeln sich denn auch die Flecken in Eisschollen, und bald läuft das Schiff in ein großes Eisfeld hinein, wirft die kleinen Schollen zur Seite, geht den großen aber vorsichtig aus dem Wege. Der ganze Kanal ist hier mit Treibeis der verschiedensten Formation bedeckt; einige Stücke sind krystallklar, andere milchig; die große Mehrzahl allerdings hat die schöne hellgrün-blaue Farbe der Gletscher. Einzelne dieser in phantastische Formen zusammengeballten Eisschollen sind kleine Eisberge von 6-10 m Dicke und wahre Prachtstücke in Bezug auf Formen und Schönheit ihrer Farben; ja sie suchen mit dem Glanz eines Edelsteins zu wetteifern, sobald sie von den Strahlen der Sonne getroffen werden.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das uns umgebende Eis sich von einem in der Nähe befindlichen Gletscher losgelöst hat; wir finden diesen auch bald in einer großen Bucht, welche er von den Bergen herunterkommend ganz mit Eis angefüllt und dieses in einer gewiß 5 m dicken Lage bis an den Hauptkanal vorgeschoben hat. Da wir nach Passirung dieses Gletschers kein Eis mehr im Wasser finden, so muß er naturgemäß auch die Quelle der treibenden Eisfelder gewesen sein.

Um 2½ Uhr nachmittags läuft das Schiff rechts in den Eiskanal ein und um 3½ Uhr mit einer scharfen Wendung nach links in den von hohen Felsen eng eingeschlossenen Grappler-Kanal. In den Eiskanal mündet ein 40 Seemeilen langer Sund, welcher, von ausgedehnten Gletschern umgeben, jedenfalls infolge der dort lagernden kolossalen Eismassen die Ursache ist, daß in dem Eiskanal eine von dem Sund herkommende regelmäßige kalte Luftströmung beobachtet wird, wegen welcher er seinen Namen erhalten hat. Als wir in den Eiskanal einsteuern, kommt uns ein leichter kalter Wind entgegen, die Temperatur fällt um 1,2° und steigt sofort wieder um 1,5°, sobald wir von hier in den Grappler-Kanal einlaufen.

Kurz nach 5 Uhr dampft die „Ariadne“ in eine Straße ein, die so voll sichtbarer und blinder Klippen ist, daß die größte Vorsicht nothwendig wird; die Fahrt des Schiffes wird daher sehr vermindert, um ein eventuelles Auflaufen auf eine Klippe nach Möglichkeit unschädlich zu machen. Hier im Indian-Kanal strandete auch vor Jahresfrist ein deutscher Dampfer.

Endlich finden wir auch Gelegenheit, den Seehund dieser Gewässer, welcher wegen seiner Größe gewöhnlich wol Seelöwe oder richtiger Seebär genannt wird, aus nächster Nähe in seiner Freiheit zu beobachten. Zwischen den vielen über Wasser liegenden Klippen, an welchen wir jetzt dicht vorbeidampfen, hausen ganze Heerden dieser Thiere, zeigen keinerlei Scheu vor dem Schiffe und lassen sich durch dasselbe nicht in ihrer Beschäftigung stören. Etwa 200 Schritt von uns entfernt wälzt sich im wahren Sinne des Wortes eine große Heerde in dem flachen Wasser, welches die Klippen umgibt, während ein kleineres Rudel, neugierig nach dem Schiffe hinsehend, unbeholfen auf den Klippen herumkriecht und kleine Trupps sich in tiefem Wasser und auch dicht beim Schiffe herumtummeln. Die in dem flachen Wasser spielenden Thiere bilden einen großen Knäuel von Köpfen und Schwänzen, da sie wegen der zu geringen Wassertiefe immer mit einem Theil ihres Körpers aus dem Wasser hervorschnellen müssen; die in dem tiefen Wasser befindlichen Thiere wetteifern, wie schon früher beschrieben, mit der Kunstfertigkeit der Tümmler; mit gekrümmten Rücken springen sie hoch aus dem Wasser hinaus und in elegantem Bogen wieder hinein. Waren wir vorher über die Identität dieser Thiere noch im Zweifel, trotzdem wir den Seehundskopf mit dem Fernrohr deutlich erkannt hatten, so mußten jetzt alle Zweifel schwinden; diese gelenkigen und eleganten Wasserbewohner sind dieselben Seehunde, welche auf den Klippen so grenzenlos plump und ungeschickt sind. Hier will ich noch anführen, daß der Seehund der Magelhaens-Straße, welcher den unsrigen so sehr an Körpergröße übertrifft, sich von diesem noch dadurch wesentlich unterscheidet, daß er ebenso neugierig wie dieser scheu ist. Auf diese stark ausgebildete Neugierde haben auch die Robbenschläger ihr eigenthümliches Jagdsystem gegründet. Sie betreiben die Jagd nur in kleinen Fahrzeugen, mit welchen sie dicht an und zwischen die Klippen kommen können. Werden sie nun einer Seehundsheerde ansichtig, dann steuern sie direct auf dieselbe los und machen dabei mit Pauken und Gongs so starken Lärm als sie überhaupt hervorbringen können, während ein Theil der Besatzung mit Repetirgewehren zum Schuß bereit steht. Der Seehund läßt sich merkwürdigerweise von dem ankommenden lärmenden Fahrzeuge nicht verjagen, sondern die ganze Heerde sammelt sich auf den Klippen, um das kuriose Ding, was da ankommt, anzuschauen, und gibt den Jägern so Gelegenheit, aus nächster Nähe so viele von ihnen niederzuschießen, als Patronen in den Gewehren vorhanden sind.

Um 7 Uhr abends langt das Schiff vor dem schwierigsten Theil unserer ganzen Kanalfahrt an. Wir stehen dicht vor der berüchtigten Enge (English narrows), welche allein viele Schiffe abhält diese Kanäle zu benutzen und in jedem Neuling ein wahres Grauen hervorbringen muß, da alle Bücher Vorsicht über Vorsicht empfehlen und mündliche Nachrichten mit Achselzucken begleitet werden, als ob der Berichterstatter sagen wolle: „Versuchen Sie es, es geht, ich übernehme aber keine Verantwortung.“ Mit einem chilenischen Corvetten-Kapitän und dem deutschen Kapitän eines chilenischen Dampfers, welch letzterer erst vor wenigen Tagen dort mitten zwischen Klippen gelegen hatte und es nur einem glücklichen Zufall zuschrieb, daß er ohne Schaden wieder freikam, hatte ich gesprochen. Beide führten nur kleine Schiffe und hielten die Passage schon für sehr bedenklich. Neuerdings ist sie auch den Postdampfern von ihren betreffenden Gesellschaften verboten worden, und doch kann es nicht so schlimm sein, da sie von englischen, französischen und amerikanischen Kriegsschiffen jeder Größe schon benutzt worden ist und noch benutzt wird.

Hier tritt nun einer jener Momente ein, welche im Seeleben häufiger vorkommen, als man vielleicht gemeinhin annimmt. Ein Moment, in welchem der Commandant eines Kriegsschiffes etwas wagen muß, was ihn in Conflict mit dem Strafgesetz bringt, sobald das unternommene Manöver unglücklich ausfällt. Die mit der Stellung verknüpften Pflichten sind aber höhere und verlangen die Uebernahme einer Verantwortung, welche man ablehnen könnte. Denn wie sollen die Offiziere die wirkliche Leistungsfähigkeit des Schiffes kennen lernen, wenn sie nicht Proben von derselben gesehen? Wie soll die Mannschaft das für den Moment der wirklichen Gefahr durchaus nothwendige Vertrauen zu ihrem Commandanten und ihren Offizieren erhalten, wenn sie nicht vorher schon gesehen hat, daß ihre Befehlshaber auch in schwierigen Lagen ihrer Aufgabe gewachsen sind?

Vor uns liegen durch eine kleine Insel getrennt zwei Passagen, die linke nahezu 300 m breit und frei von Untiefen, die rechte nur 70 m breit und durch eine unter Wasser liegende Sandbank so eng gemacht; mithin doppelt gefährlich, weil man den Feind nicht sehen kann. Auch liegen jenseit der engern rechten Passage Klippen in so geringer Entfernung, daß das Schiff gleich hinter der Passage fast auf der Stelle drehen muß, während die linke Seite einen bequemen Bogen gestattet. So sollte man meinen, daß zweifellos die linke Passage zu wählen ist, und doch neigt sich aus den vorher angegebenen die Wagschale nach der rechten Seite.

Mir ist höchst unbehaglich zu Muthe, denn es ist ein eigen Ding mit der Verantwortung über ein Kriegsschiff. Mein Herz pulsirt schneller — jetzt muß es kommen. Mit einem kleinen Bogen sind wir plötzlich vor einem aus vielen kleinen Inseln bestehenden Inselgewirre, welche sich an hohe, die Natur hier abschließende Bergketten anlehnt. Die Sonne steht schon so tief, daß sie die Schatten der Berge auf die Fluten wirft, wodurch alles vor uns Liegende, die Inseln, der auf den Klippen wachsende Seetang und das Wasser, eine übereinstimmende dunkelgrüne Farbe erhält: eine Beleuchtung, welche jede Distanzschätzung außerordentlich erschwert. Das Schiff dringt ganz langsam vorwärts; alles was gehen kann, ist auf Deck und lugt über die Brustwehr, um die Fahrt durch dieses Labyrinth mitanzusehen; die Offiziere schauen mehr nach der Commandobrücke als nach der Umgebung; ich blicke nach der noch 1½ Seemeilen entfernten kleinen Insel aus, welche als Wegweiser dient, und suche sie weit ab. Die Beleuchtung mahnt zur Vorsicht, die Insel ist in der Ferne nicht zu sehen, der scheinbar vor uns liegende kleine Humpel kann sie nur sein. Hier heißt es schnell und entschieden handeln; die kleinste Verzögerung kann die bedenklichsten Folgen haben. Der Mann, welcher eine Secunde vorher mit gebeugtem Kopfe unruhig und sorgenvoll auf der Commandobrücke hin- und hertrippelte, ängstlich nach der Karte schaute und dann wieder das umliegende Land studierte, fühlt jetzt seinen Herzschlag nicht mehr, die Beklemmungen sind geschwunden, er steht mit gehobenem Kopfe, gibt ein kurzes Commando nach dem Ruder, ein Avertissement nach der Maschine und ruft sorglos lachend den Offizieren zu: „Meine Herren, passen Sie auf, wie das Schiff sich durchzwängen wird!“ Das Ruder wird gedreht, der Bug wendet sich nach rechts, nach dem Fahrwasser, wo die Besatzung sehen kann, was ein gutes Schiff zu leisten vermag. Wir laufen so dicht an der kleinen Insel vorbei, daß die Raaen über dem Lande hängen; die Schiffsseite ist nur 3-4 m von der steinigen Küste entfernt, die Zweige der überhängenden Bäume können fast von dem Schiffe aus erreicht werden. Die Insel ist nur klein, viel Zeit zum Nachdenken ist nicht gegeben; noch während das Schiff an der Insel liegt, muß das Ruder schon gedreht werden, um sobald das Hinterschiff frei von der Küste ist, seine volle Kraft zur Geltung bringen zu können. Alles geht schnell und concentrirt sich auf Augenblicke; die Maschine erhält den Befehl, mit voller Kraft zu gehen, noch ehe das Schiff frei ist, hier müssen aber die Secunden, welche bis zur Ausführung des Befehls verstreichen, mit in Berechnung gezogen werden. Die Maschine schlägt mit voller Kraft an, das Schiff dreht sich wie ein Kreisel, das Ruder wird zurückgelegt und das Schiff schießt an den Klippen vorbei, um nach wenigen Minuten einen gleich scharfen Bogen zurückzumachen und dann in freiem Fahrwasser nach dem naheliegenden Hafen zu dampfen. Freies Fahrwasser? Unter gewöhnlichen Umständen würde man hier stets einen Lootsen nehmen, wenn man einen bekommen könnte, und würde nur mit langsamer Fahrt gehen. Nach dem, was heute hinter uns liegt, ist jedoch das vor uns liegende Fahrwasser so frei, daß es mit Volldampf nach dem Gray-Hafen geht, wo um 8½ Uhr abends unter einer dicht bewaldeten 6-700 m hohen Felsenwand geankert wird.

Es ist ein wahrhaft poetischer Abend. Vor uns liegt die mit dichtem Urwald bestandene hohe Felsenwand, welche das Himmelsgewölbe zu berühren scheint, sie sendet uns lange nicht mehr genossenen Blumenduft entgegen. Eulen lassen ihr geisterhaftes Geschrei vernehmen; mehrere über Felsen steil herabfallende Bergbäche ergießen sich mit einschläferndem Gemurmel in den Hafen, welcher, trotz der noch hellen Dämmerung, von der sich in den Fluten spiegelnden Felsenwand schon in dunkle Schatten gelegt ist. Zur Rechten öffnen sich die Berge und gestatten einen Blick auf einen weit abliegenden schneebedeckten hohen Vulkan, dessen Gipfelgestalt deutlich einen Krater erkennen läßt und dessen Schneedecke, wol durch übergestreute Asche, grau gefärbt ist. Hinter uns wird der Hafen durch eine niedrige dicht bewaldete Landzunge abgeschlossen, und über diese hinweg blickt das Auge auf einen von hohen Bergen eingeschlossenen, in tiefem Schlaf liegenden Alpensee, in welchem mit Genugthuung die Stelle erkannt wird, welche vor einer Stunde mit so banger Sorge passirt werden sollte und mit so frohem Gleichmuth passirt worden ist. Köstlicher Friede lagert über diesem anziehenden, in großartiger Ruhe daliegenden Bilde. Wir wissen, daß wir Hunderte von Meilen von menschlichen Ansiedelungen entfernt sind, daß wir, ebenso wie während der letzten Tage, uns in vollkommenster Einsamkeit befinden, und doch ist es hier anders — die Natur lebt, Blumenduft, Vogelstimmen und plätschernde Waldbäche athmen ein Leben aus, welches dem Menschen das Gefühl des vollständigen Verlassenseins benimmt und der Umgebung einen Zauberreiz verleiht, welcher sich wol empfinden aber nicht beschreiben läßt. Dieser kleine Hafen, welcher mit seinen Reizen zum Bleiben einladet, soll der letzte Halteplatz in diesen Straßen sein und ich habe für denselben einen Aufenthalt von drei Tagen in Aussicht genommen. Das noch vor uns liegende Fahrwasser bis zur freien See ist einfach und klar, alle schwierigen Stellen liegen hinter uns, die Distanz bis zum Ocean ist so gering, daß ein überfrühes Aufstehen nicht mehr nöthig wird; so kann ich also mit dem Bewußtsein zu Bett gehen, daß die Strapazen ihr Ende erreicht haben und einige Tage wohlthätiger Ruhe vor mir liegen.

Schon früh am Tage am 21. geht ein Theil der Mannschaft zum Holzfällen an Land. Ich beabsichtigte nach dem Frühstück auf den nächstgelegenen höchsten Berggipfel zu steigen, um von dort einen freiern Ueberblick über dieses noch so wenig erforschte, eigenthümlich wilde Land zu erhalten. Eine nähere Untersuchung ließ indeß alle Hoffnung schwinden. Die Bergwände sind so steil, daß sie nur mit Lebensgefahr und dann auch erst nach mehrtägiger Anstrengung zu erklimmen sind; daneben sind sie mit so dichtem Urwald, Gestrüpp und Schlingpflanzen bedeckt, daß ein Versuch, ohne Gebrauch der Axt nur wenige Schritte vorzudringen, als unausführbar aufgegeben werden muß. Ich entschließe mich daher, einen andern in Aussicht genommenen kleinen Ausflug zur Ausführung zu bringen. Einige Offiziere schließen sich an und bald sind wir in zwei Booten unterwegs. Von dem Hafen aus gelangen wir in einen Süßwassersee von einer Seemeile Ausdehnung, welcher sein Wasser von einem kleinen Fluß erhält, der wiederum von einem großen Wasserfall gespeist wird, welcher das Schneewasser von den Bergen in das Thal führt. Der See ist in Uebereinstimmung mit dem Charakter des ganzen Landes mit kleinen bewaldeten Inseln angefüllt, zwischen welchen einige Taucher hin- und herfliegen. Bald gelangen wir in den kleinen Fluß, wo auf den mit saftigem Laub bedeckten Ufern sich über hochrothen Blumen Schmetterlinge wiegen, ein vereinzelter Kolibri umherschwirrt und aus dem Gebüsch einige Papagaien ihre heisere Stimme vernehmen lassen. Auch finden sich hier die gemeine Pferdefliege sowie eine kleine schwarze Stechfliege ein und lechzen nach unserm Blute. Nach einer weitern Viertelstunde langen wir an dem schönen, zwischen Felsen aus dichtem Baumgewirre sich ergießenden Wasserfalle und damit an dem Ende unserer Fahrt an, da der Urwald ein weiteres Vordringen unmöglich macht. Eine leere Sardinenbüchse und ebensolche Mixed-Pickles-Flasche sind die einzigen menschlichen Spuren in dieser Wildniß.

Unsere Rückkehr bringt mir eine sehr unangenehme Ueberraschung. Einer der beim Holzfällen beschäftigten Leute hatte seine brennende Pfeife ausgeklopft und damit einen Waldbrand angefacht, welchen wir nicht mehr löschen konnten, diese Arbeit daher dem nächsten mitleidigen Regen überlassen mußten. Das Moos und Gestrüpp, sowie die aus früherer Zeit vom Holzfällen zurückgelassenen Astreste sind von einer solchen Dürre, daß, nachdem der brennende Taback das Moos erst entzündet hatte, ein Löschen schon nicht mehr möglich war. Das Feuer war zwar an der ersten Stelle gleich gelöscht worden, hatte sich aber in der 1-2 m dicken dürren Moosschicht so schnell fortgepflanzt, daß es gleichzeitig an zehn andern Stellen hervorbrach. Jetzt, eine halbe Stunde nach der ersten Entzündung, stand bei unserer Rückkehr zum Schiffe schon die ganze Landzunge in hellen Flammen. Die noch am Lande befindlichen Leute wurden sogleich zurückbeordert; eine kurze Ueberlegung sagt mir, daß das Schiff hier nicht bleiben darf. Springt der Wind um, was jeden Augenblick geschehen kann, dann wird der Aufenthalt hier wegen des Rauches nicht nur unleidlich, sondern bei der geringen Entfernung des Ankerplatzes von dem Herd des Feuers kann auch die größte Gefahr für das Schiff entstehen. Ich lasse daher Dampf machen, um nach dem nächsten nur drei Seemeilen entfernten Hafen zu gehen. Was ist aus der gestern erträumten dreitägigen Ruhe geworden?

Die Dampfpinasse wird mit einem andern Boot im Schlepptau vorausgeschickt, läuft zwar an dem ihr bezeichneten Eingange vorbei, hört die Signalschüsse nicht mehr und verschwindet um die nächste Ecke, sie wird aber zurückkehren, wenn sie das Schiff nicht folgen sieht, da dem Führer die erhaltenen Ordres ja bald sagen müssen, daß er zu weit gegangen ist. Um 4 Uhr nachmittags wird in dem nächsten, „Halt-Bay“ genannten Hafen geankert und dort gleich wieder mit Holzfällen und Wassereinnehmen begonnen. Dieser Hafen ist auch wieder eine köstliche kleine Idylle, das Ausbleiben der Dampfpinasse macht mir aber so viel Sorge, daß die Naturschönheiten jetzt ohne Reiz für mich sind. Das Holz ist gut, das Trinkwasser vorzüglich, ein Fischzug ergibt 146 Stück großer fetter Makrelen. Die Nacht bricht herein, der Himmel über dem Gray-Hafen ist von dem mächtigen Waldbrande blutroth gefärbt, und die Sorge um die verirrten Boote raubt mir den Schlaf. Das Schiff ist so mit Signallaternen behängt, daß es von außerhalb des Hafens gesehen werden muß, zum Ueberfluß lassen wir noch in gewissen Zwischenräumen eine Rakete steigen.

Beim ersten Tagesgrauen wird mir die Meldung gemacht, daß die Boote nicht zurückgekehrt seien; ich muß also mit dem Schiffe sie suchen gehen, da sie ohne Waffen und ohne Proviant zweifellos in Gefahr sind. Ich bin in sehr großer Sorge. Es ist zu häufig schon vorgekommen, daß in diesen Gegenden einzelne Boote von Indianern angegriffen, die Insassen ermordet und die Boote dann, um alle Spuren zu verwischen, vollständig vernichtet wurden; dies konnte also auch unsern Booten passiren. Um 4 Uhr morgens verläßt das Schiff den Hafen wieder und befindet sich in einer Stunde vor der nächsten tiefen Bucht, von welcher keine Karten existiren, in die ich daher ohne großen Zeitverlust und mögliche Gefahr für das Schiff auch nicht einlaufen kann. Der erste Offizier erhält daher den Auftrag, mit zwei bewaffneten Booten die Bucht abzusuchen, und das Schiff geht, nachdem Zeit und Ort der Wiedervereinigung angeordnet ist, weiter, um an der nächstgelegenen Küste nach den Verirrten zu suchen. Ich bin in wirklich ernster Sorge; sechs Menschen und zwei Boote auf solche Weise zu verlieren ist wahrlich keine Kleinigkeit. Das Schiff läuft kreuz und quer, alle Ferngläser sind in Thätigkeit, die obersten Sitze auf den Masten sind mit zuverlässigen und wegen ihrer scharfen Augen bekannten Männern besetzt, halbstündlich wird ein Signalschuß abgefeuert; doch alles ist vergebens, um 10 Uhr sind wir wieder ohne Resultat vor der erstgenannten Bucht, aus welcher auch bald die dahin entsandten Boote zurückkehren, ohne eine Spur von den Vermißten gefunden zu haben. Es waren zwar Fußspuren und verlassene Hütten von Indianern gefunden, die Fußspuren auch in das Innere verfolgt worden, doch wurden keinerlei Anzeichen gefunden, welche auf unsere Boote oder auf einen stattgehabten Kampf hätten deuten können. So blieb denn kein Zweifel, daß unsere verlorenen Boote hier und in dem Umkreis von 10 Seemeilen, welche das Schiff durchsucht hatte, nicht waren. Nun kam eine neue Sorge, nämlich die, daß, wenn die Boote weiter gegangen waren, sie leicht in ein 25 Seemeilen von Halt-Bay entferntes Labyrinth von unerforschten Kanälen eingelaufen sein konnten, weil von unserm Standort aus die Küste bis dahin keine Buchten mehr aufwies, die Boote also nur dort einen Liegeplatz finden konnten. Waren sie wirklich bis dahin gekommen und in jene unbekannten Straßen eingelaufen, dann waren sie meiner Ansicht nach verloren und mir blieb dann nur die Alternative, entweder mit großer Vergeudung von Zeit ein hoffnungsloses Suchen fortzusetzen, oder aber Menschen und Boote im Stich und ihrem Schicksal zu überlassen, weil ihnen meiner Ueberzeugung nach keine Rettung mehr zu bringen war. Nur eine Hoffnung war übrig. Der in der Dampfpinasse gewesene Kohlenvorrath konnte nach der Berechnung und unter Zugrundelegung der günstigsten Stromverhältnisse nur bis zum Eingang jenes Labyrinths gereicht haben, Holzfeuerung ist für diese Art Dampfkessel nicht geeignet; hat also nicht etwa ein tückischer Zufall die Geschwindigkeit der Boote beschleunigt, dann müssen sie noch vor der gefürchteten Stelle bewegungslos geworden sein und in irgendeinem kleinen Winkel an der Küste liegen.

Zu meiner Stimmung, welche ich wol nicht näher zu schildern brauche, paßt auch das Wetter. Im Laufe des Vormittags hat sich die ortsübliche Witterung eingestellt, es weht ein Sturm. Die ganze Straße ist in Wasserdampf eingehüllt; die vor dem Sturm hinjagenden Wolken legen sich schwer bis aufs Wasser und hüllen alles in dichten Nebel. Der Wind fegt die Straße allerdings so oft auf Augenblicke rein, daß man mit dem Schiffe sicher vorwärts gehen kann, immerhin ist solches Wetter aber schlecht geeignet, um weite Strecken, in welche das Schiff nicht eindringen kann, durch Boote absuchen zu lassen. Endlich um 12 Uhr mittags bin ich an der Stelle angelangt, wo es sich entscheiden soll, ob die verlorenen Boote gefunden oder aufgegeben werden. Die beiden Kutter werden fertig gemacht, mit Proviant und Waffen versehen und sollen eben von dem Schiffe absetzen, als aus der Takelage ein Boot unter Land in Sicht gemeldet wird und zwar in der Richtung zum Eingang in die unerforschten Kanäle. Das Schiff dampft gleich, soweit die Sicherheit dies erlaubt, näher heran und bald wird in dem Boot unsere Jolle recognoscirt, welche mit aller Anstrengung aber ohne Erfolg gegen Wind, Wellen und Strom anrudert. Hier waren also richtig die Boote festgelegt! Es ist keine Möglichkeit, daß die Jolle auf diese Weise zum Schiff herankommen kann; die Manöver des Schiffes, um das Boot zum Abhalten zu bewegen, werden auch nicht verstanden; so muß denn ein Kutter unter Segel hin, um das Boot zu holen und mit ihm, der empfangenen Weisung gemäß, mit dem Wind und dem Strom hinter eine Insel in ruhiges Wasser zu laufen, wo das Schiff sie aufnehmen wird.

Ich enthalte mich einer nähern Beschreibung der Mühen mit welchen die Herbeischaffung der Boote bei dem schlechten Wetter verknüpft war; der Umstand, daß die Jolle erst um 3 Uhr und die Dampfpinasse erst abends um 6 Uhr im Schlepptau eines Kutters zum Schiff zurückkehrte, sagt wol genug. Boote und Leute habe ich also gottlob! unversehrt wieder, nach dem in Aussicht genommenen Hafen kann ich aber wegen der vorgerückten Tageszeit nicht mehr kommen. Vielleicht ist es möglich, vor vollständiger Dunkelheit noch einen näher gelegenen Ankerplatz (Connor-Cove) zu erreichen. Also vorwärts mit dem Schiffe!

 Bei Dämmerung wird noch die Stelle festgestellt, wo der Eingang zu dem kleinen Hafen liegen muß, und mit Volldampf geht es darauf los. In dunkler Nacht stehen wir vor einer hohen Wand, weder ein Eingang ist zu sehen, noch die am Eingang liegende, noch die in dem Hafen liegende kleine Insel. Soll ich umdrehen? Eine im Fahrwasser verborgene blinde Klippe macht den Aufenthalt dort bei Nacht gefährlich; noch ein Blick auf die dunkle Wand läßt eine leichte Senkung in den obern Contouren erkennen, darunter wird der Eingang wol liegen. Der Navigationsoffizier sitzt auf dem Bugspriet, um zu melden, wenn dieses die vor uns liegende Felsenwand berühren will. Das Schiff geht langsam vorwärts, immer dunkler wird es, das Vordertheil des Schiffes scheint sich schon in die Felsenwand einzubohren, zu beiden Seiten haben wir schon feste schwarze Massen: da meldet der Navigationsoffizier die kleine Insel am Eingang dicht voraus. Ich schaue mich um und sehe hinter uns in der Dunkelheit einen dunkler schattirten kleinen Fleck, welcher die Insel am Eingang, mithin die vorn gemeldete die im Hafen liegende sein muß. Ein Rundblick sagt mir, daß die Dunkelheit rund um uns her gleich tief ist, daß wir also nach allen Seiten hin annähernd gleich weit vom Lande abliegen — Fallen Anker! Der Navigationsoffizier mißt noch in einem Boote mit einer Leine die Entfernung nach vorn, hinten und beiden Seiten aus und bestätigt, daß das Schiff ohne Gefahr so liegen bleiben kann, da es sich ziemlich in der Mitte des Hafens befindet. — Die Seefahrt in der Magelhaens-Straße hat doch ihre ganz eigene Seite!

Stiller Ocean, 24. Januar.

Gestern morgens 5 Uhr verließen wir Connor-Cove wieder und ankerten nach drei Stunden im Inselhafen, um dort noch etwas Holz zu fällen und unsern Wasser-vorrath zu ergänzen. Heute nachmittags 3 Uhr war das Schiff nach Beendigung der Arbeiten wieder seeklar, verließ den letzten Hafen in der Magelhaens-Straße und steuerte abends 6 Uhr in den Stillen Ocean ein. Die große Wasserfläche vor mir berührt mich fremdartig, es ist mir als gewänne ich nach langer Einschließung die Freiheit wieder. Vor uns und zu beiden Seiten freies Wasser, keine Aufregung, keine besondere Anstrengung mehr, und hinter uns verschwindet in der hereinbrechenden Nacht allmählich das mächtige Felsenthor, aus welchem wir vor wenig Stunden wieder in das freie Leben eintraten.

Ein steifer Südwind treibt uns unter Segel mit 12 Seemeilen Geschwindigkeit in der Stunde unserm nächsten Ziele entgegen; aber weder diese schöne Fahrt, noch die auf ihren riesigen Schwingen hinter uns herschwebenden Albatrosse haben mich an den Schreibtisch geführt, sondern ein eigenthümlicher Wahn, welchem ich Ausdruck geben muß. Die Fahrt durch die Magelhaens-Straße hat die fixe Idee in mir hinterlassen, daß wir uns nunmehr schon auf dem Heimwege befinden. Die acht Tage, welche ich in jenen Straßen zubrachte, fassen eine solche Fülle von Anstrengung und Aufregung in sich, haben den für Erinnerung bestimmten Theil des Gehirns mit so viel großartigen Naturschönheiten und interessanten kleinen Zufällen angefüllt, daß es sorgsam vertheilt für ein ganzes Jahr ausreichen würde. So nahe die Zeit noch liegt, so fern ist sie mir schon gerückt; sie erscheint mir wie ein langes Ringen, nach welchem die Ruhe folgen muß. Ich habe 11000 Seemeilen oder nahezu 3000 deutsche Meilen jetzt schon zurückgelegt, der Weg durch den Stillen Ocean über Australien, Indien, Suezkanal, durch das Mittelmeer, weist nur noch 18000 Seemeilen auf, auf meiner eigentlichen Station werde ich höchstens sechs Monate sein: so macht das vor mir Liegende auch fast nur den Eindruck einer ununterbrochenen Reise nach der Heimat zu.  

2. Von Valparaiso nach Panama und Nicaragua.

Stiller Ocean, 9. Februar 1878. 

Seit heute Mittag liegt auch Valparaiso hinter uns und damit eine ununterbrochene Kette von Festlichkeiten und Vergnügungen, welche uns dort während unsers neuntägigen Aufenthalts geboten wurden. Am letzten Januar hatten wir vormittags im Hafen geankert. Schon mit Tagesanbruch war das hohe, die Bai von Valparaiso umrahmende Bergland zu sehen, welches allerdings im Vergleiche zu den im Hintergrunde liegenden Anden so ziemlich verschwindet, obgleich wir diese nicht einmal in ihrer ganzen Größe und Majestät zu Gesicht bekommen haben, da sowol auf dem 7000 m hohen Aconcagua wie den übrigen Bergriesen während der ganzen Dauer unsers Aufenthalts Wolken lagen, welche die Kuppen und Gipfel dieses mächtigen Gebirgszugs unsern Augen entzogen.

Valparaiso bedeutet bekanntlich „das paradiesische Thal“, eine Benen-nung, welche schwer zu verstehen ist, da die Stadt weder in einem Thale liegt, noch der kahle Bergrücken, auf welchem sie erbaut ist, den Vergleich mit einem Paradies beanspruchen kann. Allerdings soll in der Regenzeit das ganze Land um die Stadt herum, der ganze Berg bis zu seinem Kamm, von einer dichten Decke frischer saftiger Gräser, Moose und Kräuter überzogen sein, welche die Feuchtigkeit aus der Erde hervorzaubert; jetzt aber war alles kahl und dürr, da Wälder ganz fehlen. Deshalb verdankt der Name seinen Ursprung wahrscheinlich den verschiedenen in der nächsten Umgebung der Stadt gelegenen schönen und fruchtbaren Thälern, wenngleich auch sie eine so überschwengliche Bezeichnung kaum verdienen.

Die Stadt ist am Fuße eines 400 m hohen, steilen Gebirgszuges, welcher, wie schon angeführt, die Bai von Valparaiso umschließt, angelegt und zwar auf Hügelwellen, welche dicht nebeneinander und rechtwinkelig zum Ufer liegend nach oben zu allmählich mit der Hauptwand des Bergrückens verlaufen. Die Stadt kann, wenngleich sie unten am Strande einige schöne breite Straßen und einen großstädtischen Verkehr hat, doch nie den vollen Eindruck einer Großstadt machen, weil die dazu erforderlichen Gebäude fehlen. Denn Valparaiso steht auf einem so unsichern Boden, daß die Regierungsgebäude, Kirchen und Privatpaläste niedrig gehalten und, in der Regel nur aus einem Erdgeschoß bestehend, leicht gebaut sind, um den häufigen Erdbeben besser widerstehen zu können oder beim Einsturz möglichst wenig Schaden anzurichten. Einige stets vorhandene Häusertrümmer und klaffende Risse in einzelnen Straßen zeigen, daß eigentlich ununterbrochen solch kleinere Katastrophen eintreten. Die Menschen sind sich der sie stets bedrohenden Gefahr auch wohl bewußt, gehen allabendlich nur mit Sorge zu Bett, weil sie nicht wissen, was die Nacht ihnen bringen wird. Wie der Soldat sich im Felde, ehe er zur Ruhe geht, stets versichert, daß seine Waffe in Ordnung und ihm zur Hand ist, so geht in Valparaiso niemand zu Bett, ohne sich vorher sein eigens für den Zweck angefertigtes Erdbebengewand, in welches er nur hineinzuschlüpfen braucht, an seinem Lager zurechtgelegt zu haben, um bei dem ersten Alarm gleich auf den vor dem Schlafzimmer liegenden freien Hof eilen zu können. Diese Umstände machen die Wohnungsverhältnisse trotz der leichten Bauart der Häuser äußerst kostspielig, weil die vielen reichen Leute sich in der Zahl ihrer Wohnräume nicht beschränken wollen und daher sehr viel Baugrund für ihre Häuser beanspruchen. Oft ist ein solches Wohnhaus ein kleines Stadtviertel für sich, und selten liegen mehr als vier Häuser, je von einer Familie bewohnt, in einem von vier Straßen begrenzten Viertel.

Solche Wohnungen haben nun zwar den großen Vortheil, daß man innerhalb seines Hauses keine Treppen zu steigen braucht, derselbe wird aber dadurch aufgehoben, daß man bei dem Verkehr mit der Stadt fast immer treppauf und treppab muß. Die untern am Strande gelegenen Straßen haben allerdings gute Pferdebahn und auch eine Ringeisenbahn für den innern Personenverkehr; da aber in diesen Straßen vorzugsweise nur öffentliche Gebäude und Geschäftshäuser stehen und die Privatwohnungen höher hinauf auf den Hügelwellen liegen, so kann man die Bahnen wol benutzen, um zu dem Fuß der verschiedenen Hügel zu gelangen, muß aber von der Bahn bis zur Wohnung, oder umgekehrt, Straßen passiren, die so steil sind, daß sie vielfach in Treppen umgewandelt wurden, weil sie sonst überhaupt nicht begangen werden könnten.

Einen durchaus großartigen Anblick bietet dagegen der Verkehr auf dem Hafen, da Valparaiso wol mit zu den bedeutendsten Handelsplätzen der Erde gerechnet werden muß. Die großen einheimischen und fremden Kriegsschiffe, die vielen fast täglich hier ankommenden und abgehenden Passagier- und Fracht-Dampfer, die große Zahl der Segelschiffe, welche noch immer den Weg um das gefürchtete Cap Horn nehmen müssen und daher nur aus großen und guten Schiffen bestehen, die vielen an der Landungsbrücke sich drängenden Boote, der durch die dort versammelten Menschen verursachte Lärm, die vorbeipassirenden Pferdebahnwagen und Eisenbahnzüge geben hier das Bild des Getriebes einer Weltstadt.

Von der Stadt und ihren Bewohnern weiß ich sonst nichts zu erzählen, weil ich von beiden zu wenig gesehen habe. Dienstgeschäfte am Tage und die nicht zu umgehende Geselligkeit an den Abenden nahmen meine Zeit ganz in Anspruch. Reizend waren die kleinen Feste in dem gastfreien Hause unsers Generalconsuls, welches den geselligen Mittelpunkt für die deutschen Familien bildet.

Eine Partie nach einem beliebten Ausflugsort, zu welcher unser Generalconsul mich eingeladen hatte, führte uns in die Ebene, welche zwischen dem Höhenzug an der Küste und dem Fuß der Anden liegt. Erst hat man etwa eine Stunde mit der Eisenbahn zu fahren und dann noch ein größeres Stück Weg zu Pferde oder Wagen zurückzulegen. Ein sehr geräumiges gutes Gasthaus mit schönen Gartenanlagen bietet vielen Fremden Unterkunft, und zur Zeit war das Haus gut besucht. Den Hauptanziehungspunkt bildet wol die Bade- und Schwimmanstalt in dem kleinen Flusse, denn da Valparaiso nur See- und keine Frischwasserbäder hat, der Mensch aber immer dasjenige begehrt, was er nicht täglich haben kann, so geht jeder, der es ermöglichen kann, auf einige Zeit hierher um zu baden.

Als eine Eigenthümlichkeit der Landschaft außerhalb der Stadt möchte ich noch die vielen Pappelpflanzungen bezeichnen. Der Baum, welcher bei uns in Acht und Bann gethan ist, gilt hier als eine gute Kapitalanlage und wird daher mit Vorliebe in ganzen Wäldern angepflanzt.

 Es war eine schöne, Körper und Geist erfrischende Zeit, die der letzten vier Wochen, da wir auch in Valparaiso nur eine Temperatur fanden, welche unserm deutschen Sommer entspricht, am Tage in den heißesten Stunden zwischen 18 und 27° C. im Schatten und nachts stets nur zwischen 15 und 17°. In zwei bis drei Tagen allerdings werden wir uns wieder in den Tropen und zwar in dem tropischen Hochsommer befinden, welcher an dieser Küste unleidlich heiß ist, sodaß die inzwischen gewonnenen Kräfte bald wieder dahingeschwunden sein werden.

Vor unserer Abreise von Valparaiso hatten wir übrigens noch die Freude, unsere Fregatte „Leipzig“, welche ebenso wie wir nach Panama geht, zu begrüßen.

Bai von Panama, 7. März 1878.

Das ganze Südamerika haben wir nun umschifft. Eine weite, von bewaldeten Höhen umrahmte Wasserfläche liegt vor uns; heiß brennt die Sonne auf die große Bai von Panama, welche, wie fast immer so auch heute, unter vollständiger Windstille liegt. Die Hitze ist kaum zu ertragen und doch muß dies geschehen; es ist unbeschreiblich, was wir in den letzten vierzehn Tagen in dieser Beziehung auszustehen hatten. Am 14. Februar traten wir mit einer Tageswärme von 27°-29° und einer Nachttemperatur nicht unter 23° wieder in die Tropen ein und hatten, was das unangenehmste war, anhaltend Windstille oder nur ganz leichten südlichen Wind, welchem wir unter Dampf wegliefen, sodaß kein Lufthauch das Schiff durchstreichen konnte. Eine kleine Erfrischung fanden wir allerdings in Callao, welches wir anliefen, um frischen Proviant einzunehmen. Am 18. März nachmittags kamen wir dort an, setzten aber schon am 21. morgens die Reise wieder fort. Die kurze Zeit habe ich benutzt, um unserm Consul in Callao und dem Ministerresidenten in Lima Besuche abzustatten. Da der letztere eben in seine Villa in Miraflores am Meeresstrand übersiedelte, habe ich von Lima nur wenig gesehen.

Eine wunderbare Frucht, von den Engländern „Alligator-Birne“ genannt, von welcher ich schon viel gehört und die ich auch schon in Valparaiso gegessen hatte, lernte ich hier recht schätzen. Nachdem man mit einem Löffel das weiche gelbe Fleisch aus der kürbisartigen Hülle herausgeschält und stark mit Pfeffer und Salz gewürzt hat, erinnert der Geschmack sehr an gequirlte, ebenfalls mit Pfeffer und Salz gewürzte rohe Eier. Ich zog diese Früchte bald allen andern hiesigen vor und bedauerte nur, daß sie sich nicht lange genug halten, um in größern Mengen mitgenommen werden zu können.

Die auf Callao folgenden Tage brachten uns das schlimmste an tropischer Hitze, was ich je erlebt habe. Der gefürchtete trockene heiße Nordwestwind an der brasilianischen Küste, welcher das Thermometer auf 34° treibt, ist weniger angreifend als die feuchte Wärme, in welcher wir uns vom 23. Februar bis zum 2. März befunden haben. In der Luft hatten wir während der Tagesstunden durchschnittlich 33° und während der Nacht nicht unter 27°, während das Thermometer die Meereswärme Tag und Nacht dauernd zu 31° angab. Schweres bleiernes Gewölk, das nach meiner Schätzung höchstens 200 m über dem Wasserspiegel lag, hing als feste Decke, welche keinen Sonnenstrahl durchließ, über uns und verhinderte auch eine stärkere Abkühlung während der Nächte. Die Luft war so mit Feuchtigkeit gesättigt, daß der unaufhörlich aus unsern Poren strömende Schweiß nicht verdunsten konnte, sodaß Haut und Kleidungsstücke während der ganzen Zeit triefend naß blieben. Der erträglichste Platz war eigentlich im Heizraum vor den Feuern. War die Hitze dort auch sehr viel größer als oben, so bewirkte das Feuer doch eine Verdunstung und erfrischte in gewisser Beziehung den Körper, und diesem Umstand schreibe ich es zu, daß die Heizer in diesen Tagen nicht mehr und sogar vielleicht weniger litten als die übrige Besatzung. Ich ließ den Leuten in dieser Zeit in Betreff ihrer Kleidung volle Freiheit, da ich ihnen keine andere Erleichterung verschaffen konnte, denn die Dampfspritzen konnten auch keine Erfrischung mehr gewähren. Das 31° warme Wasser floß in der warmen Dunstatmosphäre über den Körper hin, ohne irgendeine erfrischende Wirkung auf die Haut auszuüben, und der Salzgehalt desselben reizte nur den Rothen Hund, welchen wir alle hatten, bis zur Unerträglichkeit. Ich trug in meiner Kajüte bei offenen Thüren und Fenstern auch nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen, weil ich kein Kleidungsstück auf dem Körper vertragen konnte. Auch nicht einmal der ab und zu leicht niederrieselnde Regen brachte uns Erfrischung, weil die auf den Körper fallenden Tropfen, deren Wärmegrad ich leider nicht gemessen habe,  im Vergleich zu der sonstigen Hitze so kalt erschienen, daß sie auf der gereizten Haut die Wirkung von leichten Peitschenschlägen hatten. Ich habe es wiederholt versucht, ein solches Regenbad zu nehmen, mußte mich aber immer sogleich wieder zurückziehen, weil der Schmerz auf der Haut zu groß war.

Am ersten Tage dieser fürchterlichen Zeit hatte ich auch noch einige Offiziere, welche ich schon vorher geladen hatte, zu Tisch. Ich wollte den Herren anfänglich absagen lassen, bedachte aber doch noch, daß es in ihrer Messe noch schlimmer sei als in meiner an und für sich luftigen Kajüte, und sodann hatte mein Eisschrank für den Tag auch noch so viel Vorrath an Eis, daß ich wenigstens kalte Getränke anbieten konnte. Doch bat ich die Herren, ehe wir uns zu Tisch setzten, um die Erlaubniß, uns aller überflüssigen Kleidungsstücke entledigen zu dürfen, welchem Vorschlag sie freudig zustimmten. So ging es mit Hülfe von Fächern einigermaßen.

7. März abends.

Bei unserer um 4 Uhr nachmittags erfolgten Ankunft fanden wir schon unsere von Japan gekommene Fregatte „Elisabeth“ hier vor. Der Commandant dieses Schiffes wird den Oberbefehl über ein hier zusammentretendes deutsches Geschwader, zu welchem auch wir gehören, übernehmen, um von dem Freistaat Nicaragua eine Genugthuung für die dem deutschen Consul in der Stadt Leon vor einiger Zeit zugefügte Gewaltthat zu erzwingen, da Nicaragua die Gewährung der von unserer Regierung geforderten Genugthuung verweigert hat. Außer „Elisabeth“ und uns wird noch die „Leipzig“ hier erwartet, während unsere Corvetten „Freya“ und „Medusa“, von denen die letztere auch schon in Colon anwesend ist, von der atlantischen Seite aus gegen Nicaragua operiren sollen. Da nun der Zweck unsers Hierseins schon am Lande bekannt ist oder doch soweit vermuthet wird, daß unserm Geschwaderchef bereits die Warnung vor einigen Abenteurern, welche im Auftrage Nicaraguas unsere Schiffe hier mit Torpedos angreifen sollen, zugehen konnte, so ist die Geheimhaltung unserer eigentlichen Mission nicht mehr geboten, zumal wir uns jetzt schon zur Abwehr eines etwaigen feindlichen Handstreichs in Kriegszustand befinden.

12. März.

Das Geschwader ist nach erfolgter Ankunft der „Leipzig“ beisammen. Kohlen und Proviant sind eingenommen, ein Dampfer mit Kohlen und Proviantvorräthen ist gemiethet und alle militärischen Vorbereitungen sind beendet, sodaß wir gleich nach Ankunft unsers Ministerresidenten aus Guatemala, welcher von dort aus noch den letzten Versuch macht, die Streitfrage auf diplomatischem Wege zu lösen, vorgehen können.

Unter den obwaltenden Umständen haben wir von dem hiesigen Aufenthalt wenig oder nichts gehabt, aber auch nichts verloren. Bei einem Gang durch die Stadt sieht man wol alles, was zu sehen ist. Die Stadt, welche zur Zeit der spanischen Herrschaft blühend, mächtig und reich war, wie noch die imposanten Straßen mit den übriggebliebenen palastartigen Gebäuden zeigen, glänzt jetzt nur noch durch großartige Ruinen. Die einheimische Bevölkerung besteht aus alten spanischen Familien, Mischlingen und Negern; dazu kommen die wenigen Fremden, von welchen die Engländer (die Besitzer der großartigen Kohlenlager, die Directoren der Eisenbahn und Agenten der Dampfschifflinien) wol die erste Stelle einnehmen. Unser Consul und der Photograph, ein früherer bairischer Unteroffizier, sind die einzigen Deutschen; das Gasthaus ist in französischen Händen.

Sollte Nicaragua nicht doch noch im letzten Augenblicke nachgeben, dann sehe ich übrigens mit einiger Sorge der Entwickelung der Dinge entgegen, weil es mir sehr fraglich erscheint, ob unsere Leute wegen ihrer ungeeigneten Fußbekleidung im Stande sein werden, den weiten Marsch nach der Hauptstadt von Nicaragua zu machen, wenn sie nicht etwa schließlich den Weg barfüßig zurücklegen können. Die uns zugegangenen Warnungen vor Giftschlangen und Sandflöhen und die damit verbundenen Rathschläge haben zur Folge gehabt, daß für den Marsch das Tragen hoher Stiefeln angeordnet wurde. Da nun aber unsere Leute gewohnt sind, auf dem Schiff barfuß zu gehen, und die Stiefel, wie alles Lederzeug auf den Schiffen, so von Salzwasser durchzogen sind, daß sie trotz aller Bemühungen hart bleiben, so ist ein weiter Marsch in ihnen, und zwar in diesem Klima, meiner Ansicht nach ein Ding der Unmöglichkeit. Mein Vorschlag, Segeltuchschuhe zu beschaffen oder doch wenigstens die leichten Lederschuhe zu wählen, ist zurückgewiesen worden, und so müssen die Leute, um sich an die Stiefel zu gewöhnen, dieselben jetzt schon über eingefetteten Füßen und wollenen Strümpfen tragen. Ein gegen die Natur laufender ärztlicher Rath ist aber auch nicht immer der beste, und das vorläufige Resultat ist, daß nach dreitägiger Probe nahezu ein Viertel des ganzen Landungscorps mit kranken Füßen im Lazareth liegt. Ich sollte meinen, daß man von den hiesigen einheimischen Truppen auch etwas lernen kann, und da diese Leute, bei möglichst leichter Bekleidung, nur Sandalen unter den Füßen tragen, so kann die Gefahr vor den Schlangen und Flöhen keine so große sein, zumal wenn eine Truppe von nahezu 1000 Mann zusammen ist. Schließlich würden aber auch Segeltuchgamaschen die Flöhe abhalten, und die Schlangen werden schwerlich ein so großes Lager, wie wir es während der Nacht bilden würden, aufsuchen.

16. März.

Vorgestern haben wir mit dem Geschwader Panama verlassen und dampfen seitdem mit Nordcurs in Sicht des Landes an der Küste von Centralamerika entlang. Gestern haben wir die Grenze zwischen Columbien und Costa-Rica passirt, morgen werden wir die Küste von Nicaragua sehen.

Welch märchenhafte Erinnerungen aus der Jugend tauchen bei diesen Namen auf und wie prosaisch ist doch die Gegenwart! Großartig zwar ist die Umgebung, die von der hoch oben im Zenith stehenden Sonne beschienene weite Meeresfläche und das mit unendlichen Wäldern dicht bedeckte hohe gebirgige Land; aber Land und Wasser sind ohne Leben und ohne besondern Reiz. 32° haben wir in der Luft und 31° im Wasser; keine Stadt, kein Dorf, keine Hütte ist zu sehen, nur Wald, Strand und Brandung. Kein fremdes Schiff ist in Sicht — die diese Länder begrenzenden Fluten werden nur von den drei mächtigen deutschen Kriegsmaschinen durchfurcht, welche in eiligem Laufe dem Haupthafen Nicaraguas zustreben, um dieses Land mit Schrecken zu überziehen. Uebermorgen, Montag den 18., sollen wir auf der Rhede von Realejo eintreffen, die nächsten vier Tage werden also die Entwickelung bringen.

8. April.

Nicaragua hat nachgegeben, das Geschwader ist aufgelöst und unsere Schiffe haben ihren Curs nach den verschiedensten Himmelsrichtungen gesetzt. Von den im Atlantischen Ocean befindlichen bleibt „Medusa“ noch in Westindien, während „Freya“ um das Cap der Guten Hoffnung nach China geht; wir sind auf dem Wege nach Panama, um die Geschwaderpost dort abzugeben und dann nach den Samoa-Inseln zu gehen. Die „Leipzig“ hat die Reise nach Japan angetreten, und die „Elisabeth“ wird nach einem kurzen Aufenthalt in Guatemala, wohin sie den Ministerresidenten bringt, nach Europa zurückkehren.

Am 18. März vormittags kam das Geschwader auf der Rhede von Realejo an und lief, nachdem die Einfahrt zum Hafen von Corinto und der Hafen selbst daraufhin untersucht waren, daß sich keine künstlichen unterseeischen Hindernisse und Minen dort befanden, am 19. vormittags in den Hafen ein. Derselbe ist groß und gut, während der Ort nur unbedeutend ist und eigentlich nur eine Zollstation darstellt. Zwei deutsche Kauffahrer befanden sich dort, welche edle Nutzhölzer, vorläufig noch der Hauptausfuhrartikel, luden.

Es wurden der Regierung von Nicaragua sogleich noch einmal, und zwar jetzt mit dem Nachdruck von fünf Kriegsschiffen, die deutschen Forderungen zugestellt, welche in Folgendem bestanden:

  • Die Regierung von Nicaragua spricht ihr Bedauern über den Vorfall aus;
  • Nicaragua zahlt an den Consul für die ihm widerfahrenen Unbilden ein Sühnegeld von 30000 Dollars;
  • Nicaragua salutirt in noch näher festzusetzender Form die deutsche Flagge;
  • die an dem Vorfall schuldigen Beamten und Civilpersonen werden bestraft.

Wenn bisher der Freistaat die deutschen Forderungen in der überheb-endsten Weise zurückgewiesen hatte und die uns anfänglich zugehenden Nachrichten auch anzudeuten schienen, daß Regierung und Volk entschlossen seien, es zum Kampf kommen zu lassen, weil sie vertrauensvoll auf leichten Sieg hofften, so änderte sich die Lage doch sehr bald. Nachdem nach drei Tagen keine Antwort eingegangen war, überbrachte ein Offizier von uns das deutsche Ultimatum nach Leon und alle Vorbereitungen für die Eröffnung der Feindseligkeiten wurden getroffen. Hierzu gehörte auch die Recog-noscirung des in Aussicht genommenen Marschweges, welche der Geschwaderchef mit uns Commandanten vornahm. Wir fuhren morgens, von einer Dampfpinasse geschleppt, zunächst einen Fluß hinauf, bis wir ziemlich weit oben mitten im Urwald an die Landestelle kamen, wo der Weg seinen Anfang nimmt. Anfänglich ist der Fluß, oder hier wol richtiger Meeresarm genannt, ziemlich breit, an beiden Ufern mit dichtem Mangrovegebüsch bestanden, über welches die mächtigen Laubkronen der Baumriesen des Urwaldes hervorragen. Taucher und Möven beleben das Wasser, Scharen krächzender Papagaien, von denen ab und zu ein Geschwader mit lautem Geschrei über unsern Köpfen von Ufer zu Ufer fliegt, den Wald. Zwischen den Wurzeln der Mangroven nach Würmern suchende Schnepfen und in kleinen Einbuchtungen fischende Reiher, sowie andere uns unbekannte hochbeinige große weiße Vögel werden aufgescheucht und suchen fliegend das Weite. Ein üppiges, echt tropisches Bild umgibt uns. Der Fluß wird enger, niedrige Sträucher, Wasser- und Schlingpflanzen treten an Stelle der Mangroven und zeigen an, daß wir die Scheide, bis zu welcher das Seewasser vordringt, überschritten haben. Die Laubkronen rücken zusammen und bilden schließlich einen hohen, prächtigen, grünen Dom, unter dessen Decke wir hinfahren, begleitet von dem Leben des Waldes, zu welchem sich hier ab und zu auch schon ein kleiner vorwitziger Affe gesellt.

Endlich sind wir am Ziele angelangt und betreten das Ufer. Die beiden andern Herren, von welchen der eine bis zu den Knien reichende Ledergamaschen, der andere hohe Wasserstiefel trägt, betrachten mitleidig meine leichten Segeltuchschuhe und freuen sich auf den Augenblick, wo ich, von Insekten zerstochen und vielleicht auch von einer Schlange gebissen, zugeben muß, daß nichts über hohe Lederstiefel geht.

Der Weg ist breit und gut, der Spaziergang in dem herrlichen Urwald köstlich und einzig in seiner Art. Nach einer halben Stunde stießen wir auf eine kleine Lichtung, wo wir eine kurze Rast machten und danach den Rückweg antraten, weil die Straße sich bis hierher als brauchbar erwiesen hatte und nach zuverlässigen Nachrichten der  Weg in seiner ganzen Folge von gleicher Güte ist. Aus der Rast wurde allerdings nicht viel, weil die beiden andern Herren leidenschaftliche Jäger sind und die mitgenommenen Jagdgewehre doch benutzen wollten. So verschwand unser Commodore sehr bald im Walde, während der andere Herr von der Lichtung aus einen Papagai nach dem andern aus den hohen Bäumen herunterholte und nur gelegentlich zu mir kam, um etwas mit zu frühstücken. Ich hatte es mir auf einem umgestürzten Baum bequem gemacht und verfolgte von hier aus bei dem Duft einer guten Cigarre die Jagderfolge meines Freundes. Unser Commodore brachte uns schon in einige Unruhe, weil wir fürchteten, daß er sich verirrt habe, doch schließlich kam er auch wieder zurück mit zerrissenen Kleidern und verschiedenen kleinen blutenden Rißwunden. Er hatte eine Tigerkatze angeschossen und sie dann vergeblich in das Dickicht verfolgt.

Zum Boot zurückgekehrt, nahm ich noch im Fluß ein Bad, weil der Staub auf dem trockenen Wege doch ziemlich lästig gewesen war, und dies wurde von den beiden andern Herren dazu benutzt, ihr Müthchen an mir zu kühlen, da ich trotz meiner leichten Schuhe weder gestochen noch gebissen worden war. Sie suchten nun wenigstens die Nothwendigkeit des Bades auf meine Schuhe zurückzuführen und gingen dann dazu über, mir mit Krokodilen Angst zu machen, was mich allerdings bald veranlaßte, zu allgemeiner Heiterkeit das Baden aufzugeben. Denn wenn man auch an der afrikanischen Küste behauptet, daß der Haifisch keinen Neger und das Krokodil keinen Weißen angreift, so bleibt es doch fraglich, ob die Krokodile auch hier einen so ausgebildeten Geschmack haben. Nachmittags waren wir wieder in Corinto.

Das Ultimatum brachte die Regierung von Nicaragua zur Besinnung und zur Nachgiebigkeit. Am 26. vormittags waren zwar erst die Forderungen 1 und 2 erfüllt, und das in guten mexicanischen Silberdollars richtig eingezahlte Geld wurde zunächst in unsern Kassen deponirt, die Erfüllung der beiden andern Forderungen, wegen welcher noch Schwierigkeiten gemacht wurden, durfte danach aber auch zuversichtlich erwartet werden. Der sprichwörtliche Stolz des Spaniers bäumte sich eben noch etwas auf. So konnte mein Schiff am 27. für einige Tage nach Amapala, dem einzigen Hafen der Republik Honduras an der Küste des Stillen Oceans, geschickt werden, um dort lagernde von uns gekaufte Kohlen einzunehmen.

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Bild: Kreuzerfregatte „Leipzig“.

Interessant war es mir, auch diesen reizlosen Platz kennen zu lernen, aber nur um dagewesen zu sein. Amapala ist ein kleiner Ort, wo als einziger Europäer nur ein Deutscher, ein Kaufmann aus Hamburg, wohnt, welcher nicht einmal unter den Einheimischen einen passenden Umgang finden kann und in dieser Beziehung allein auf die hier anlaufenden englischen Passagierdampfer angewiesen ist, mit welchen er als englischer Viceconsul auch geschäftliche Beziehungen hat. Sogar die nähere Umgebung Amapalas bildet noch eine solche Wildniß, daß auch Spaziergänge außerhalb der Stadt, wie dieser kleine Häusercomplex sich nennt, ausgeschlossen sind. Verhältnißmäßig großartig ist die am Ufer erbaute hölzerne Halle, wo die von andern Küstenpunkten kommenden Boote anlegen und ihre Früchte u. s. w. zum Verkauf stellen. Der Beobachtung werth ist hierbei die Grandezza, mit welcher sich die braunen Insassen der Boote bewegen und wie sie in ihrem Wesen das bischen „spanisches Blut“, welches vielleicht in ihren Adern rollt, zur Geltung bringen wollen. So war namentlich das Landen mit besonderer Würde verbunden, denn da die Boote wegen des zu flachen Wassers am Ufer nicht direct am Quai anlegen können, ließen sich die weiblichen Insassen von den Männern ans Land tragen. Diese bildeten dazu aus ihren Armen in der Weise einen Sessel, daß der rechte wagerecht gehaltene Unterarm als Sitz und der linke Arm als Rückenlehne diente. Mit einer Verbeugung trat der im Wasser stehende Mann zu der im Boot stehenden Dame, welche mit Würde ihr Kleid ordnete, sich vorsichtig und zimperlich auf den einen Arm setzte, sich gegen den andern lehnte und sich so, ohne den Träger zu umfassen, wie eine Glaspuppe vorsichtig ans Land tragen und dort absetzen ließ.

Am 31. nachmittags waren wir wieder in Corinto, und am 4. April erklärte endlich Nicaragua, auch die Forderungen 3 und 4 erfüllen zu wollen. Am 6. vormittags fand dann, nachdem vorher die erfolgte Erledigung der Forderung 4 angezeigt worden war, im Beisein einer nicaraguensischen Truppenmacht und unsers Landungscorps auf einem großen Platz am Lande angesichts unserer Schiffe die feierliche Hissung der deutschen Flagge statt. Nicaragua feuerte den Salut von 21 Schüssen, die Flagge wurde wieder niedergeholt, von unserer Seite wurde die Flagge von Nicaragua salutirt, der Salut vom Lande erwidert, und nach einem Vorbeimarsch unserer Truppen kehrten wir auf unsere Schiffe zurück, um am 7. morgens Corinto wieder zu verlassen.

Erwähnt sei noch, daß der beleidigte Consul die Annahme des Sühnegeldes abgelehnt und dasselbe einer Wohlthätigkeitsanstalt geschenkt hat. 



Korvette_SMS_Ariadne_1871

Glattedecks-Korvette (später: Kreuzerkorvette) SMS „Ariadne“
Bauwerft: Kaiserliche Werft, Danzig
Baupreis: 1.840.000 Mark
Stapellauf: 21.Juli 1871
Indienststellung: 23.November 1872
Verbleib: 1891 in Hamburg abgewrackt
Wasserverdrängung: 1.692 Tonnen (max. 2.072 Tonnen)
Höchstgeschwindigkeit: 14,1 kn
4 Kofferkessel 3-Zylinder-Verbundmaschine mit 2.260 PS
1 Schraube, vierflügelig, Durchmesser 4,56 m
Länge über alles: 68,16 m
Breite: 10,8 m
Tiefgang: max. 5,7 m
Bewaffnung: 6  Ringkanonen 15,0 cm L/22 (mit 400 Schuss), 2 Ringkanonen 12,0 cm L/23 (mit 200 Schuss), ab 1882 zusätzlich 4 Revolverkanonen 3,7 cm

 3. Von Panama nach den Marquesas-Inseln.

„Ariadne“, 17. April 1878. 

Vor wenigen Stunden hat unser Anker sich 12 Uhr mittags von dem Boden Panamas gelöst, um sich während dieser Reise hoffentlich nicht mehr in denselben einzugraben. Panama und die ganze Küste Centralamerikas sind, um einen Volksausdruck zu gebrauchen, eine von Gott verlassene Gegend. Weder Natur noch Menschen vermögen dem Fremdling etwas zu bieten; das Land ist am schönsten, wenn man es aus möglichst weiter Ferne beschauen kann, die Leute, wenn sie dem Auge erst wieder entschwunden sind. Wie Land und Leute hier unerträglich sind, so ist es auch die Sonne. Tag für Tag sendet sie ihre versengenden Strahlen fast senkrecht auf die Schädel der Bewohner dieser Länderstrecken herab mit einer Glut, daß man darüber wahnsinnig werden könnte. Doch wozu jetzt noch der Aerger! Lacht uns doch aus weiter Ferne das Paradies der Seeleute entgegen; das Land, wo nach dem Urtheil mancher Reisenden die schönsten und besten Menschen unsers Erdballs wohnen sollen.

Panama mit seinen Ruinen verschwindet langsam unsern Blicken. Vor dem Verlassen der Rhede hatten wir mit den dort liegenden englischen Kriegsschiffen noch durch Austausch von drei Hurrahs einen letzten Gruß gewechselt und eine Stunde später erkannten wir in einem uns entgegenkom-menden Kriegsschiff unsere „Elisabeth“, welche von Guatemala kommend nach Panama ging, um von dort aus die Heimreise anzutreten. Wir passirten uns auf Spruchweite, tauschten einige Grüße aus, wechselten drei Hurrahs, und die „Elisabeth“ ging dahin, wo wir herkommen, während wir frohen Muthes den schönen Inseln der Südsee entgegensteuern, wo sich prächtige Natur mit herrlichem Klima vereinigt, um dem Seefahrer die liebenswürd-igen und schönen Bewohnerinnen jener Inselperlen noch anziehender erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. So sagen wenigstens die über die Südsee-Inseln erschienenen Bücher.

Ich habe die Absicht, auf unserm Wege nach den Samoa-Inseln einen Abstecher nach den Marquesas-Inseln und Tahiti zu machen, um dort die dann jedenfalls schon sehr zusammengeschmolzenen Vorräthe an Proviant, Wasser und Kohlen zu ergänzen. Ob ich dort wol so viel Interessantes finden werde, wie andere gefunden haben?

Die Marquesas-Inseln sind von allen Reisenden so sehr gepriesen worden, daß man sich fast scheuen muß hinzugehen, um nicht zu sehr enttäuscht zu werden. Ueber die Pracht der Natur und die Schönheit der dortigen Eingeborenen sind fast alle einer Ansicht, nur bestehen Meinungsverschie-denheiten über den Grad der Schönheit der Frauen; denn während einige ihnen die Palme der Schönheit und Grazie zuerkennen, behaupten andere, daß sie nur auf der Höhe der Rasse stehen und sich vor den Männern nicht auszeichnen. Auch im Urtheil über den Charakter dieser Eingeborenen stimmen die Reisenden darin überein, daß Zügellosigkeit der Hauptzug sei, was auch für Tahiti gelten soll, obwol sich dort schon civilisirtere Zustände eingebürgert haben.

Im Stillen Ocean, 18. April 1878.

Panama liegt zwar schon weit hinter uns, die Küste oder vielmehr die Gebirge Centralamerikas sind aber immer noch in unserm Gesichtskreise. Wir haben heute einen bösen heißen Tag, kein erfrischender Lufthauch, 32,5° C. in der Luft im Schatten, 33° C. in dem spiegelglatten Wasser. Mit Dampf muß hier gefahren werden, denn mit Segel allein hier durchzukommen ist oft eine Unmöglichkeit, wenigstens ist thatsächlich festgestellt, daß Schiffe, welche dieses Stück Meer zu durchsegeln versuchten, nach 2½ Monaten wieder in der Bai von Panama ankerten, weil es sich als unmöglich heraus-stellte, weiter zu kommen. Das von uns zu durchdampfende Stück Weges beträgt 700-800 Seemeilen; keine angenehme Aussicht bei dieser Hitze! Man muß aber immer suchen, das Beste aus dem zu machen, was Einem geboten wird; so legten wir uns denn heute auf den Schildkrötenfang.

Diese Thiere sind hier sehr häufig, schwimmen, wenn sie ruhen, an der Oberfläche und zwar mit etwa ein Drittel des Schildes über Wasser, sodaß sie schon von weitem zu erkennen sind. Sehr häufig dienen sie auch den Wasservögeln als Ruhestätte und geben diesen wol auch Nahrung, da die Schildkröten an ihrem Schilde gewöhnlich Saugefische und Muscheln, beides Nahrungsmittel der Vögel, tragen. Schildkröten wie Vögel lassen sich durch das ankommende Schiff in ihrer Ruhe sehr wenig stören; die Vögel fliegen auf, wenn das Schiff auf etwa fünf Schritte herangekommen ist, die Schildkröte dreht dann dem Schiffe den Kopf zu, entweder um es neugierig zu betrachten oder dem Feinde muthig in die Augen zu sehen, denn die Thiere lassen sich außerordentlich leicht fangen. Das spiegelglatte Wasser gestattete, ein Boot neben dem Schiffe zu schleppen, und so wurde auf jede Schildkröte, welche in dem Curs des Schiffes in Sicht kam, hingehalten, die Maschine einen Augenblick gestoppt und von dem Boote aus das Thier an einer Flosse gepackt und aus dem Wasser herausgehoben. In Zeit von zwei Stunden waren acht Schildkröten im Gewicht von je 25-35 kg an Bord, genügend, um der ganzen Mannschaft morgen eine schmackhafte Mahlzeit zu bereiten. Mit diesem Fang gaben wir uns zufrieden, heißten das Boot wieder und dampfen nun einem einsamen Felsen zu, um an demselben unser Besteck zu corrigiren und von da aus dann unsern Curs nach den Galapagos-Inseln zu nehmen.

25. April 1878.

Der einsame Fels, Malpelo-Insel genannt, ein mächtiger 400 m hoher Felsblock ohne irgendwelche Vegetation, von derjenigen Seite aus gesehen, welche sich uns zuerst darbot, in Form und Farbe einer alten Burgruine ähnlich, wurde am Charfreitag passirt und die Reise bei anhaltender Windstille in derselben Weise unter Dampf fortgesetzt. Allmählich fing die Wassertemperatur an zu sinken, leichte südliche Winde brachten ab und zu etwas Kühlung und seit zwei Tagen haben wir sogar ordentlich frisches Wetter, trotzdem wir uns noch immer unter dem Aequator befinden. Am Tage kann man schon eine Jacke aus ganz leichtem Tuch vertragen, während dies vorher kaum möglich war; es kommt sogar vor, daß man während eines ganzen Tages keinen Tropfen Schweiß verliert. Wenn auch infolge der starken Abkühlung — die Temperatur hält sich am Tage in der Luft im Schatten zwischen 27 und 28° und in der Nacht zwischen 25 und 26° C. — viele Erkältungen (Darmkatarrh mit Fieber, Schnupfen u. s. w.) zum Ausbruch gekommen sind, so macht sich doch im ganzen ein anderes Leben im Schiffe breit. Eine gewisse Elasticität durchdringt den Körper, die Lust zur Bewegung und zur Arbeit bricht wieder hervor. Diese Temperatur werden wir nun wol für den Rest der Reise ziemlich gleichmäßig behalten und sie wird nur dann sich noch einmal bis zur Unerträglichkeit steigern, wenn wir, wie es vorläufig von uns angenommen wird, auf der Rückreise durch das Rothe Meer fahren. Da läßt sich aber schon manches ertragen, lacht uns doch dann ein neues, altgewohntes und langentbehrtes Leben entgegen, welches schon werth ist, daß man vorher einige Unbequemlichkeiten überwindet.

Gestern und heute haben wir die Gruppe der Galapagos-Inseln durch-schnitten und sind heute vier Stunden lang dicht an der größten Insel der Gruppe vorbeigefahren, sodaß wir einen oberflächlichen Einblick in dieses merkwürdige Land bekamen. Ich hatte ursprünglich die Absicht, hier einen mehrtägigen Aufenthalt zu nehmen, die letzte Segelordre empfahl mir aber wieder so sehr Eile, daß ich Verzicht leisten mußte.

Dieses Inselland, bei dessen Schilderung ich auch Darwin benutze, ist deshalb so interessant, weil es in seiner ganzen Erscheinung, in seinem Thier- und Pflanzenleben von der übrigen Erde wesentlich abweicht und ganz für sich dasteht. Auch sind wieder Thiere und Pflanzen auf den verschiedenen dicht nebeneinander liegenden Inseln durchaus voneinander abweichend, wenngleich sie derselben Gattung angehören. Außer Insekten ist das Thierreich vertreten durch Landschildkröten von riesigen Körperverhältnissen, welche bis zu 400 kg schwer werden sollen, durch eine Art Landeidechsen und eine Art Wassereidechsen von 1-1½ m Länge, 26 Vogelarten; das Pflanzenreich durch eine größere Anzahl von Pflanzen; Bäume sind ursprünglich nicht vorhanden.

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Bild: Nordküste der Insel Albemarle (Galapagos-Inseln).

Früher waren diese Inseln gar nicht von Menschen bewohnt, seit einigen Jahren sind auf zwei derselben Ansiedelungen gegründet worden. Im vorigen Jahrhundert dienten sie den Seeräubern (Buccaniere) als Schlupfwinkel, in diesem Jahrhundert sind sie vielfach von Walfischfängern besucht worden, welche auch auf die Schildkröten Jagd machten, aus denen sie ein sehr feines Fett gewannen. Immerhin müssen Menschen aber sehr seltene Gäste gewesen sein, da die Thiere noch jetzt auf diesen Inseln untereinander in dem glücklichsten Frieden leben und keine Scheu vor Menschen kennen. Schildkröten, Eidechsen, Vögel fressen von demselben Blatt, ohne daß ein Thier nach dem andern hackt, eins das andere verdrängt. Alle Thiere lassen sich mit Leichtigkeit fangen, die Vögel fliegen dem Menschen auf den Finger und picken ihn verwundert in die Nase, welche sie wahrscheinlich für eine edle Frucht halten. Alle Thiere sind oder waren doch in großen Massen vorhanden, wie z. B. daraus zu ersehen ist, daß die Mannschaft eines englischen Kriegsschiffs in der nächsten Umgebung des Ankerplatzes an einem Tage über 200 große Schildkröten an Bord schaffte. Wozu? ist mir allerdings unklar, da das Schild werthlos ist, die Mannschaft höchstens 1/10 von dem Fleisch essen konnte und Kriegsschiffe sich mit Thrangewinnung nicht abgeben.

 Beim Vorbeilaufen an jenen Inseln glaubte ich den Mond vor mir zu haben; ich denke mir seine Oberfläche so und vermuthe, daß vor vielen Jahrtausenden die Erdoberfläche das Aussehen der jetzigen Galapagos hatte. Die Inseln bestehen eigentlich nur aus Vulkanen, welche sich bis zu 1430 m über das Meer erheben. Die Wände dieser Riesen bestehen wieder aus lauter kleinen Vulkanen. Von der Ferne gesehen hält man das Land für mit Lehmhütten übersäet; in der Nähe findet man, daß diese Hütten kleine Krater sind, welche in ihrem braunen Kleid auf Lavageröll stehen. Man kann sich in eine weit ausgedehnte Ziegelei oder Räucheranstalt versetzt wähnen, da diese Krater durchschnittlich nicht größer wie ordentliche Back- oder Räucheröfen sind. Ich habe an einer Strecke von ½ deutschen Meilen auf dem Kamme eines ganz niedrigen Höhenzugs über 40 solcher Kraterchen gezählt. In der Außenwand eines großen Kraters, welcher den vorgenannten Höhenzug abschließt, sahen wir eine andere Art Krater, vier dicht nebeneinander liegende runde Löcher von 5-7 m Durchmesser, welche wieder selbständige Krater sind, wie die von ihnen auslaufenden Lavaströme deutlich zeigen.

Ich will versuchen, das vor uns vorüberziehende merkwürdige Bild etwas näher zu schildern.

Aus dem tiefblauen, von Delphinen (wir prosaischen Seeleute nennen diese Fische nur Tümmler oder Schweinsfische) reich bevölkerten Meere erheben sich in sanften Linien aufsteigend große Ländermassen, deren 1430 m hohe Gipfel sich in den Wolken verlieren. Nichts läßt zunächst den vulkanischen Ursprung erkennen; erst in größerer Nähe fängt das Land an sich zu zergliedern, um bald dem menschlichen Auge zu offenbaren, mit welcher Kraft das allgewaltige innerirdische Feuer hier gewirkt hat. Die sanften Linien verschwinden, man sieht nur noch eine wildzerklüftete nackte Erdrinde, welche in den höhern Regionen allerdings größtentheils einen grünen Ueberzug von Gras, niedrigem Gestrüpp und Cacteen hat. Hohe Berge wechseln mit niedrigen Hügeln ab, die Wände der hohen Berge tragen ebenso wie die der kleinern Hügel wieder ganz kleine Berge, welche genau dieselben Formen haben wie diejenigen, auf welchen sie scheinbar erwachsen sind. Von dem größten Naturgebilde bis zu dem kleinsten, alles zeigt dieselbe Form, denselben Ursprung. Der brodelnde Feuerherd, welcher die Erdrinde hier in fast senkrechten Wänden bis zu 1430 m hohen Bergen über das Meer erhob, entsendete gleichzeitig unzählige schwächere Strahlen, welche wiederum die Bergriesen durchbrachen, um kleine niedrige Krater zu bilden, die ihren scharf geränderten Kamm mit ebenso viel Zierlichkeit tragen, wie ihre colossalen Genossen mit Majestät. Eine Abwechselung in diesen Gebilden tritt nur dadurch ein, daß der eine Theil unergründliche Oeffnungen zeigt, während der andere seine ehemaligen Feuerschlünde bereits mit Lava ausgefüllt hat und dem Auge an Stelle des unheimlichen Schlundes den Anblick einer grünbematteten Grube bietet. Nur einige wenige der Hauptkrater sollen noch thätig sein; die Krater, welche wir sehen, sind bereits mehr oder weniger zerstört. Die Kämme sind im Zerfallen begriffen, viele der kleinen Krater sind nur noch schwer zu erkennen, mit der Zeit werden diese ganz verschwinden und ihr verwittertes Gestein wird zu fruchtbarem Land geworden sein. Es ist interessant zu sehen, wie die Lavaströme sich von den Krateröffnungen aus ihren Weg gebahnt haben. An den grünen Bergwänden sieht man oben an ihrem Kamm feine braunrothe Striche, welche, sich nach unten immer mehr verbreiternd und noch deutliche Flußlinien zeigend, schließlich als mächtige Ströme in das Meer fließen. Der ganze Strand besteht nur aus Lavamassen, und alle Thäler sind damit angefüllt. Das Land macht den Eindruck, als ob auf einem enormen Lavahaufen große Gebirge aufgebaut seien. Trotz des großen Gegensatzes der Farben weiß ich für die vor mir liegende Landschaft kein passenderes Bild zu finden, als ein in tiefem Schnee liegendes Gebirgsland. Der Schnee wird hier durch die abgelagerte Lava vertreten, die Gletscher durch die Lavaströme, die nackten schwarzen Felswände durch die grünbewachsenen Berge. Wie sich aus einem großen Schneefeld die nackten Gebirge erheben, deren Wände nur in ihren Gruben ewigen Schnee beherbergen, wie aus den tiefen Schluchten Gletscher zu Thal fließen, aus deren Strombett Steinoasen sich erheben, so erheben sich hier auf dunkelm Steingeröll grüne Bergmassen mit Lavagruben und dunkeln Kratern, mit mächtigen Lavaströmen, aus denen hier und da freundliche grüne Flecken hervorleuchten. Im Laufe der Jahrhunderte werden all die scharfen Kämme vor der Einwirkung von Wind und Wetter verschwinden, um das Land zu einem sanftwelligen Gebirgs- und Hügelland zu machen, der Fels wird verwittern, der Mensch wird urbares Land finden und kann dann hier Hütten bauen.

8. Mai 1878.

Seit dem Passiren der Galapagos haben wir 1855 Seemeilen zurückgelegt, 1130 liegen bis zu den Marquesas noch vor uns. Der steife Passat bläst mit vollen Backen in unsere Segel und zwar häufig so stark, daß die leichteren Segel geborgen und die Marssegel gereeft werden müssen, obgleich ich kein Freund vom Reefen bin, denn wer segeln will, muß Segel führen, sagt ein alter weiser Seemannsspruch. Die schweren Böen bringen in der Regel auch Regen mit, etwas ganz Ueberflüssiges auf dem Meere, wenn man den Regen nicht gerade nach langem Dampfen zum Abwaschen der Takelage gebraucht. Dazu pfeift der Wind immer aus derselben Richtung in das Schiff; eine nicht zu umgehende Naturnothwendigkeit, wenn man eine Strecke von 2000 Seemeilen mit geradem Curs im Passat zurückzulegen hat. Die See geht hoch, thut uns aber nicht viel, weil Wind wie Wellen fast quer von der Seite kommen, mithin die Wellen uns in unserm Lauf nicht aufhalten und der Wind das Schiff gegen schweres Rollen stützt. Unaufhaltsam geht es vorwärts. Leicht sich hin- und herwälzend, zertheilt das brave Schiff mit seinem scharfen Bug das Wasser, steigt vorn höher aus seinem Bette heraus und senkt sich dann wieder so tief ein, daß man hinten von der Commandobrücke aus sieht, wie der breite Schaumgürtel des Bugwassers weit nach vorn und zur Seite geworfen wird. Das Schiff wird in seiner ganzen Masse von den es unterlaufenden mächtigen Wellen auf ihren breiten Rücken gehoben, indem es beim ersten Anprall 5-6° mehr nach Lee übergedrückt wird als die Segel dies schon thun, und neigt sich ein klein wenig nach der Luvseite, wenn es wieder in das Wellenthal hinabgleitet. Der vom Schiffsbug aufgewühlte Meeresschaum treibt als breites Band von Schaum- und Wasserblasen wie geschlagener Rahm auf der weder durch Farben noch Beschreibung wiederzugebenden Meeresflut unaufhörlich an dem Schiffe vorbei; sein Spiel hat den Seemann auf seinen vielen und langen Seefahrten schon hunderte mal entzückt und will ihn doch jedes neue mal glauben machen, ihm etwas noch nie Gesehenes zu bieten. 

Das Wasser rauscht, das Tauwerk singt, die Spieren ächzen, die Decksbalken knarren. Posten stehen an den Haupttauen der Segel bereit, um jedem unerwarteten Zufall begegnen zu können. Der Wachoffizier hält sorgsame Wacht auf Wind, Wetter und Schiff, faßt den ganzen Horizont und das ganze Schiff ins Auge, ist ständig auf der Brücke, geht aber auch zuweilen nach dem Vorschiff, um zu sehen, ob bei dem starken Segeldruck, unter welchem das Schiff liegt, dort auch noch alles in Ordnung ist. Der erste Offizier ist, wie immer, überall. Einzelne Abtheilungen der Wachmannschaft haben Dienstinstruction und stehen unter der Luvreling; andere bessern unter der Leitung des Bootsmanns kleine Schäden an der Takelage aus; die Zimmerleute repariren eine kürzlich gebrochene Raa, die Segelmacher schadhaft gewordene und ausgewechselte Segel; aus der Maschine klingt Eisen- und Metallarbeit nach oben. Unteroffiziere revidiren vor dem Schluß der Wache die ganze Takelage, um etwaige kleine Schäden an dieser wie an den Segeln gleich zur Anzeige zu bringen. 

In der Vorbramsaling, 40 m über dem Wasser, sitzt auf schmalem Stück Holz, angeklammert an ein Tau, der Ausguckposten, um nach Brandung und Felsen auszusehen, weil dieses spärlich befahrene Meer noch sehr wenig erforscht ist und man überall eine Gefahr finden kann, welche, wenn zu spät entdeckt, uns allen sichern Tod bringen muß. Aber auch der Commandant, welcher nach der Ansicht so vieler Leute nichts zu thun hat, steht auf der Commandobrücke und thut — nichts. Er sieht nur ins Wasser, nach den Wolken, ins Schiff, nach der Takelage. Seine ganze Beschäftigung ist ja nur die Verantwortung für Schiff und Mannschaft, und diese Verantwortung verläßt ihn keine Secunde. Er muß jedem einzelnen Mann im Schiff, vom ältesten Offizier bis zum letzten Matrosen von der Frucht seiner größern Erfahrung zu kosten geben, muß fortwährend belehrend eingreifen und zeigen, daß von den vielen hundert Tauen dies oder jenes nicht straff genug gespannt ist und dadurch Gefahr entstehen kann; daß die Segel nicht mehr richtig stehen, die Zurrung eines schweren Gegenstandes sich zu lockern beginnt u. s. w. 

Er beobachtet wie die Leute am Ruder steuern; wie die andern instruirt werden und wie sie antworten; wie die Leute in der Takelage sich bewegen und ob sie dabei den Vorschriften entsprechen, denn jeder Fehltritt dieses leichtsinnigen, übermüthigen Matrosenvolks kann ein Menschenleben kosten und der Commandant hat in seiner langen Dienstzeit schon viele mit zerschmetterten Gliedern auf dem Deck liegen und im Wasser mit dem Tod ringen, aber nur wenige von ihnen retten sehen, und jeder durch Leichtsinn oder Unachtsamkeit Verlorene fordert sein Leben von seinem Commandanten zurück. Er beobachtet den Posten in der Vorbramsaling, denn wenn das Schiff unten einen Bogen von nur 10-15° hin- und herschlingert, beschreibt der Mann oben einen sehr großen Bogen, und das in sehr kurzer Zeit, was selbst manch alter Seebär nicht vertragen kann. Er sieht neugierig mit dem Fernrohr — denn er kann auch neugierig sein — nach dem Horizont vor dem Schiff und überzeugt sich doch nur davon, daß ein blendender Schein auf dem Wasser keine Brandung, sondern nur ein Sonnenreflex ist. Er beobachtet wie der Wachoffizier seine Befehle gibt, denn dieser ist erst ein Anfänger und weiß noch nicht, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen Befehlen und Befehlen, wie zwischen Gehorchen und Gehorchen ist, er meint Befehl sei Befehl und damit basta. Der Commandant kann ihn mit Worten nicht überzeugen, da muß die Probe gemacht werden. Es wird ein Manöver ausgeführt, dasselbe mit wirkungsloser Stimme commandirt, und darauf noch einmal mit einem Ausdruck, welcher zeigt, daß der Befehlende den Befehl am liebsten selbst ausführen möchte. In dem ersten Falle kommen die Leute nur langsam vorwärts, in dem zweiten sind sie wie elektrisirt und fliegen. Mancher versteht auch das nicht und ist dann eben nicht im Stande zu begreifen, wie der Offizier sich nur nach der Art seines Auftretens den Grad seines Erfolgs sichert. — Eine Bö ist im Anzuge, der Wachoffizier will Segel bergen; der Commandant hat ein erfahreneres Auge; er sieht, daß das Schiff sie vertragen kann und verweigert seine Zustimmung zum Segelbergen. Die Bö setzt ein, das Schiff legt sich ächzend auf die Seite, schüttelt sich, bäumt sich auf, hält durch und die Bö ist abgewettert. Der nächste Wachoffizier will das nachmachen, obgleich er weiß, daß er nach den Bestimmungen den durch Leichtsinn oder Unachtsamkeit verursachten Schaden bezahlen muß, aber sein Commandant liebt das Segelbergen nicht und freut sich, wenn die Offiziere Selbstvertrauen zeigen. Er hat sich in der Bö verrechnet, der Commandant hört in seiner Kajüte, daß die Bramstängen knacken, springt schnell auf die Commandobrücke und sieht sein Schiff oben rasirt, Bramstängen mit den Bram- und Oberbram-Raaen und -Segeln baumeln an dem Tauwerk vor den Marssegeln herunter. Der Wachoffizier sieht seinen Commandanten entsetzt an und dieser sagt lächelnd: „Das habe ich nicht gut gemacht, ich hätte Ihnen doch sagen sollen, die Bramsegel zu bergen; ich habe nämlich hinter Ihnen gestanden. Es ist mein Fehler, und dem ist in dem Verlustprotokoll Ausdruck zu geben, damit ich für den Schaden aufkommen kann.“ Der Wachoffizier versteht nicht recht, muß seinem Commandanten aber doch Glauben schenken. — So hat der Commandant eines Kriegsschiffes keine ruhige Minute; das Gefühl der Verantwortlichkeit beherrscht jeden deutschen Offizier ununterbrochen bei Tag und bei Nacht, und der Commandant eines Kriegsschiffes hat eine gar große Verantwortung zu tragen.

Die Nacht bricht schon um 6 Uhr abends an, der Ausguck oben im Mast kann von dort aus nichts mehr sehen, dafür treten zwei Mann auf die Back des Schiffes und zwei in die Fallreeps, werden aber, wenn sie auch zu Vieren sind, von ihrem Standpunkt aus keine Brandung so rechtzeitig sehen, daß das in schneller Fahrt befindliche Schiff ihr noch ausweichen kann, wenn sie recht im Curse des Schiffes liegt und von einem größern Korallenriff herrührt. Am Tage würde sich bei einem etwaigen Verlust des Schiffes durch irgendwelche Ursache ein Theil der Mannschaft zunächst vielleicht in den Booten retten können, um nachher zu verhungern und zu verdursten, denn auf vorbeipassirende Schiffe ist hier nicht zu rechnen und die Entfernung vom nächsten Lande ist zu groß, um dasselbe vor dem eintretenden Hungertod erreichen zu können. Bei Nacht aber ist die Sache für alle schnell zu Ende: beim nächsten Morgengrauen bedeckt die See mitleidig alles, was sie verschlungen hat. Der Commandant sieht noch einmal die Karte an, ob nicht irgendeine auf seiner Curslinie eingezeichnete Tiefenangabe andeutet, daß schon einmal ein Schiff denselben Weg genommen hat. Nichts — eine weiße Fläche und weiter nichts in der Karte. Er bleibt auf der Commandobrücke, anscheinend um die Abendkühle zu genießen, so glauben wenigstens alle, denn niemand, der nicht diesen Posten schon bekleidet hat, kann sich in seine Lage hineindenken; er bleibt aber, um im Falle der Gefahr, auf seine Geistesgegenwart bauend, sogleich den richtigen Entschluß zu fassen. Er ist voll Sorgen und um ihn herum alles voll Jubel. Die Musik spielt, die Mannschaft singt und lacht in den Pausen und treibt ihre Späße; aus der Offiziermesse klingt Gläserklang und frohes Lachen herauf, und nur der Commandant ist allein, allein mit seinen Gedanken und Sorgen. Sein Diener ruft ihn zum Abendbrot; dasselbe ist in wenig Minuten eingenommen und der einsame Mann steht wieder auf der Brücke, die freie Wache geht zur Koje, in der Offiziermesse wird es still, und man hört nur noch das Rauschen des Wassers, das Singen der Takelage, das Aechzen der Spieren, das Knarren der Decksbalken und jede halbe Stunde den geisterhaften Ruf der vier Posten, daß sie wach und wachsam sind. Nach 11 Uhr geht der Commandant zu Bett, weil er doch nicht wochenlang Nacht für Nacht aufbleiben kann und der Tag doch auch so vielerlei Pflichten verlangt, doch läßt er sich um 12 und um 4 Uhr von dem abgelösten Wachoffizier Meldung über Wind und Wetter machen, wird auch geweckt, wenn der Wind stärker wird oder sich ändert, um wegen der Segelführung oder Cursänderung Bestimmung zu treffen. Weiß er aber einen Offizier auf Wache, auf dessen Geistesgegenwart er nicht fest zu bauen vermag, dann bleibt er auch einmal die ganze Nacht auf, um Berichte oder Briefe zu schreiben, oder wegen erheuchelter Schlaflosigkeit dem Offizier Gesellschaft zu leisten.  

4. Die Marquesas-Inseln.

18. Mai 1887.

Die Marquesas-Inseln liegen hinter uns und haben uns neben viel Schönem und Interessantem in der Hauptsache doch das gebracht, was wir erwartet hatten, nämlich - Enttäuschung. Die mit so großer Ueberschwänglichkeit geschriebenen Reiseberichte lassen von vornherein einige Uebertreibungen vermuthen; hier ist aber zu viel erdichtet, und man kann nicht anders annehmen, als daß die Reisenden infolge der fast übermenschlichen Entbehrungen, welche zu ihrer Zeit mit diesen langen Reisen in kleinen, übermäßig stark bemannten Segelschiffen verknüpft waren, beim Landen an diesen Inseln vollständig geblendet waren. Namentlich gilt dies für die Beurtheilung des weiblichen Geschlechts, denn man muß selbst monatelang von dem schönen Geschlecht abgesperrt gewesen sein, um zu verstehen, daß fast jeder Seemann nach jeder langen Seetour zunächst in jeder Schürze einen Engel sieht. Meines Erachtens hatten die Reisenden aber trotzdem keine Veranlassung mit so grellen Farben zu malen, weil das, was hier gefunden wird, immerhin interessant genug ist, um auch ohne Schönfärberei zu fesseln.

Ich wollte ursprünglich nur den Haupthafen Port Anna-Maria auf Nuka-hiva besuchen, änderte aber meine Disposition, als ich aus den Segelanwei-sungen ersah, daß die Franzosen, denen die Marquesas-Inseln nominell gehören, praktisch alle Controle über die Einwohner der Marquesas-Inseln aufgegeben haben und nur noch die Insel Nuka-hiva besetzt halten sollen. Da ferner die Berichte besagen, daß die Einwohner der Marquesas-Inseln am zähesten an ihren alten Gebräuchen festhalten, daß dieselben noch ziemlich auf demselben Standpunkte stehen wie vor hundert Jahren, und alle Missionare ihr Bekehrungswerk aufgeben mußten, entschloß ich mich, da es mir nur darauf ankam, zur Auffrischung unsers Speisezettels Früchte, Eier und Hühner einzunehmen, nach Omoa auf Fatu-hiva, der südöstlichsten Insel, zu gehen, um dort einen Einblick in die als so interessant geschilderten Verhältnisse zu erhalten und dann nur in Port Anna-Maria dem dortigen Gouverneur meinen Besuch zu machen, um seinen Machtbereich nicht besucht zu haben, ohne der Höflichkeit zu genügen. Erst hatte ich daran gedacht, auch die mittlere Insel Tahu-ata oder Santa-Cristina anzulaufen, weil sie früher von den Franzosen für der Befestigung werth gehalten worden war, gab diese Absicht aber auf, weil der Besuch doch zu viel Zeit gekostet hätte; ebenso verzichtete ich auf Dominica, weil dort nach den Segelanweisungen nichts zu holen ist, wogegen ich in Nuka-hiva allerdings erfuhr, daß die einzige größere Plantage in der ganzen Gruppe gerade auf dieser Insel liegt und — merkwürdig genug — in deutschen Händen ist.

In Bezug auf die politischen Verhältnisse ist zu bemerken, daß, wie schon gesagt, die Marquesas-Gruppe nominell französische Colonie ist, doch bekümmern sich die Franzosen mit Ausnahme von Nuka-hiva und ganz neuerdings auch Dominica aber so gut wie gar nicht um Land und Leute. Die Hoheitsrechte erwarb Frankreich im Jahre 1842 durch Ablösung, indem es Besitz von den Inseln nahm und dem ersten Häuptling von Nuka-hiva und dessen Erben eine monatliche Leibrente von 50 Frs. aussetzte, womit indeß ein Besitzrecht auf die andern Inseln nicht erworben werden konnte, weil nicht nur die einzelnen Inseln, sondern auch die verschiedenen Stämme auf jeder Insel ganz unabhängig voneinander sind. So kam es denn wol auch, daß die Franzosen überhaupt nicht versuchten, auf den verschiedenen Inseln festen Fuß zu fassen, sondern sich damit begnügten, nur auf Nuka-hiva eine Art von Regierung zu errichten und sich auf Tahu-ata zu befestigen, weil sie fürchten mußten, von dort ebenso vertrieben zu werden, wie sie von Huheine (eine der Gesellschafts-Inseln) durch die Eingeborenen vertrieben worden sind. An die andern Inseln haben sie sich wol zunächst überhaupt nicht herangewagt, denn wenn Dominica z. B. die bei weitem wichtigste und größte ist, so ist sie aber auch die am stärksten bevölkerte und zwar mit einem schwer regierbaren Menschenschlag.

Warum Frankreich diese Colonie überhaupt erworben hat, ist mir unverständlich geblieben. Wie aus der noch folgenden Beschreibung des Landes ersichtlich werden dürfte, war auf die Gewinnung von Landesproducten nicht zu rechnen, auch konnte bei der schwachen und namentlich armen Bevölkerung hier kein Absatzgebiet für französische Waaren vermuthet werden; somit bleibt der militärisch-politische Gesichtspunkt übrig. Die Inselgruppe ist aber geographisch so ungünstig gelegen, daß sie auch für militärische Operationen nie eine Basis abgeben kann, weil von hier bis zu dem nächsten Lande Distanzen zu durchlaufen sind, welche alle Dispositionen über den Haufen werfen müssen. Auch können die Inseln zu derartigen Zwecken schon deshalb keine Verwendung finden, weil für eine größere Zahl von Schiffen die Häfen fehlen; aber wären auch Häfen für große Flotten vorhanden, so bliebe immer noch die Frage zu beantworten, was die Flotten hier sollen, da in diesem unermeßlichen Wasserbecken, dessen Mittelpunkt die Marquesas-Inseln bilden, alle Angriffsobjecte fehlen. Die Inseln sind wegen ihrer abgeschiedenen Lage allerdings gut für Kaperschiffe gelegen, doch gibt es wiederum hier nichts zu kapern, weil dieses Meer so gut wie gar nicht befahren wird. Es bleibt daher für die Erwerbung dieser Colonie nur die Wahrscheinlichkeit übrig, daß es in jener Zeit für die großen Seemächte zum guten Ton gehörte, möglichst viele Colonien zu besitzen.

Die Marquesas-Inseln haben den Franzosen denn auch keinerlei Nutzen gebracht. Schiffahrt existirt hier nicht, weil die französischen Gesetze die Walfischfänger, welche nur allein und allerdings häufig hier anliefen, vertrieben haben. Diese Schiffe wurden mit so hohen Lootsengebühren belegt, daß sie das Anlaufen dieser Häfen aufgeben mußten. Dieses Ziel lag wol in der Absicht der Colonialregierung, denn es wurden französische Walfischfänger subventionirt, der Fang wurde auch mit schönen und guten Schiffen begonnen, bald aber wieder aufgegeben, wol weil dieser Erwerbszweig dem französischen Naturell nicht zusagt. Es gibt jetzt keine französischen Walfischfänger mehr, und diejenigen anderer Nationalität, welche wenigstens etwas Handel und Wandel brachten, sind verscheucht. Der einzige Schiffsverkehr wird zur Zeit durch den monatlich einmal hier anlaufenden Postschooner (Segelschiff), welcher zwischen San-Francisco und Tahiti fährt, hergestellt. Derselbe wird von Frankreich subventionirt und läuft die Marquesas nur auf dem Wege von Amerika nach Tahiti an; Briefe nach Europa müssen daher den großen Umweg über Tahiti machen und bleiben außerdem noch 14 Tage dort liegen, bis der Schooner wieder befrachtet ist. Die großen Geldzuschüsse, welche Frankreich an diese Colonie gezahlt haben soll, sind vermuthlich die Ursache einer später erfolgten Einschränkung gewesen. Die Regierung in Nuka-hiva wurde soweit vereinfacht, daß als Gouverneur nur ein lieutenant de vaisseau übrigblieb. Die Befestigungen auf Tahu-ata wurden verlassen und die Truppen zurückgezogen. Das Personal, welches jetzt übrig ist, wohnt auf Nuka-hiva und besteht aus dem genannten Gouverneur, einem untergeordneten Verwaltungsbeamten, einem frühern Bombardier als Wegebaumeister, einem gleichzeitig Lootsendienste versehenden Hafenmeister und vier Gensdarmen, welche zur Zeit auf Dominica sind, um die mit Chinesen bearbeitete deutsche Plantage zu beschützen, wie sie sagen. Da sie sich aber früher auf diese Insel nicht wagten, so glaube ich nicht an die gute Absicht, sondern eher daran, daß die Deutschen beaufsichtigt werden sollen, oder daß man ihnen eine hohe Steuer auferlegen und, durch den breiten deutschen Rücken gedeckt, auf der Insel sich überhaupt festsetzen will.

Der Gouverneur der Marquesas-Inseln steht unter dem Gouverneur von Tahiti, einem Stabsoffizier der französischen Marine, obgleich hier und dort ganz verschiedene Rechtszustände bestehen. Tahiti mit der Paumotu-Gruppe steht unter französischem Protectorat, während, wie erwähnt, die Marquesas-Inseln französische Colonie sind.

Der Unterschied besteht darin, daß der Gouverneur von Tahiti absoluter Herrscher ist, Gesetze nach augenblicklicher Laune erläßt und aufhebt, sofern nicht der etwa gerade anwesende Admiral des Südsee-Geschwaders ihm ins Handwerk pfuscht, während in der Colonie französisches Gesetz waltet.

Auf Nuka-hiva wird, um die Kosten der Verwaltung zu verringern, eine Kopfsteuer erhoben, von welcher die andern Inseln befreit sind, weil auf ihnen keine Autorität besteht, welche sie erheben könnte. Diese Kopfsteuer ist außerordentlich hoch und beträgt für jeden Mann 20 Frs. und für jeden Hund, obgleich derselbe seinem Herrn keinerlei Nutzen bringt, sondern nur aus alter Gewohnheit als Hausgefährte gehalten wird, 10 Frs. Ganz abgesehen davon, daß diese letztere Steuer die Eingeborenen sehr verbittert, werden sie aber dauernd noch durch die Art der Eintreibung der Steuer gereizt, durch welche der Gewinn der Steuer fast zu einem Nichts wird. Da der Eingeborene in der Regel kein Geld besitzt, muß er die Steuer abarbeiten, und wir sehen so die alten Frondienste hier wieder aufleben. Die Eingeborenen werden zum Straßen- und Brückenbau beordert und wird ihnen das Tagewerk zu 2 Frs. angerechnet; arbeiten müssen sie dann solange bis der Betrag ihrer Steuer und auch der ihres Hundes gedeckt ist. Die Arbeit wird von dem vorhergenannten Bombardier geleitet, welcher, wol infolge seines Unvermögens, die Arbeit richtig zu beurtheilen, keinerlei Autorität über die Eingeborenen zu haben scheint, und so kommt es, daß wenig gearbeitet und viel geschwatzt wird. Ich habe längere Zeit dem Wiederaufbau einer sehr nothwendigen, durch den starken Regen weggeschwemmten Brücke, bei welchem 10 Mann beschäftigt waren, zugesehen und konnte keinen Fortschritt der Arbeit wahrnehmen. Die Leute saßen zusammen, rauchten und unterhielten sich, während der Bombardier (ein Elsässer) mit uns eine deutsche Unterhaltung anfing. Ab und zu gingen 2 oder 3 Mann nach einem Stein, welchen bequem ein Mann hätte tragen können, und legten ihn behutsam mit viel Zeitaufwand in den Bergbach, anstatt ihn an seine Stelle zu werfen, und nahmen dann ihren alten Platz wieder ein. Ich bin der Ueberzeugung, daß dies auf 20 Frs. zu veranschlagende Tagewerk von einem fleißigen Arbeiter in einem halben Tage geschafft worden wäre.

Tahu-ata ist, wie schon erwähnt, seit vielen Jahren von den Franzosen wieder aufgegeben worden; von den Befestigungen und Blockhäusern konnte ich beim Passiren nichts mehr entdecken. Die Bauwerke sollen von den Eingeborenen längst abgetragen und das Material von ihnen zum Bau ihrer Hütten verwendet worden sein.

Das Besitzrecht auf diese, wie auf die andern thatsächlich unabhängigen Inseln wird dadurch aufrecht erhalten, daß alljährlich einmal ein französisches Kriegsschiff die verschiedenen Ankerplätze für ein bis zwei Tage anläuft. Eine Verbindung mit den Eingeborenen scheint aber auch dann nicht stattzufinden, wenigstens gehen in Fatu-hiva, nach Aussage der Eingeborenen, die französischen Offiziere und Mannschaften weder an Land, noch kommen die Eingeborenen auf das Schiff. Ein englisch sprechender Eingeborener in Omoa gab mir als Grund die Unmöglichkeit einer Verständigung an, weil auf den französischen Schiffen niemand englisch und von den Eingeborenen keiner französisch verstände; die Ursache liegt aber tiefer, da die französischen Seeoffiziere größtentheils so viel englisch verstehen, um sich verständlich machen zu können. Der Grund liegt einfach in dem ausgeprägten Haß, welchen die Insulaner gegen die Franzosen hegen und welchem sie auf den andern Inseln auch ungescheut Ausdruck geben. Der Sohn der sogenannten Königin von Nuka-hiva, ein Mann von etwa 25 Jahren, welcher in Paris erzogen worden ist, sprach sich einigen unserer Offiziere gegenüber dahin aus, daß sie das französische Joch sofort abwerfen würden, sobald sie auswärtiger Hülfe gewiß seien. Auch bestätigte ein dort lebender Däne, welcher wol nationaler Ueberlieferung gemäß mit französischem Wesen sympathisiren muß, das Vorhandensein einer sehr feindlichen Stimmung gegen die Franzosen; des abfälligen Urtheils eines Engländers will ich hierbei gar nicht Erwähnung thun.

Die Bodengestaltung der Inseln ist eine ganz merkwürdige und bei allen eine auffallend übereinstimmende. Die Marquesas-Inseln erheben sich nicht, wie dies in der Regel bei derartigen Inseln der Fall ist, kegelförmig aus dem Meere, sondern auf einer länglichen, nach den Enden spitz zulaufenden Basis steigt ziemlich genau in der Mittellinie ein Gebirgsrücken von 1000 bis 1250 m Höhe mit scharf gezacktem steilen Kamm an, welcher die Insel ihrer ganzen Länge nach in zwei voneinander vollkommen abgeschiedene Hälften theilt, da ein Uebersteigen dieses an seinen Endpunkten fast senkrecht nach dem Meere abfallenden Bergrückens unmöglich scheint und wol auch unmöglich ist. Nimmt man an, daß der Fuß des eigentlichen Bergrückens da beginnt, wo zwischen den nachher genannten Rippen, welche sich rechtwinkelig an den die Insel durchschneidenden Bergrücken anlehnen, das ebene Gebiet der kleinen Thäler aufhört, dann erhält man für diese obere Felsenwand eine Basis, welche an den schmäleren Stellen der Insel etwa gleich der Höhe ist, an den äußersten Enden die Höhe des Bergrückens lange nicht erreicht. Dies gibt der Insel das äußere Ansehen eines langgestreckten Keils, der für das Auge so scharf erscheint, daß man ihn unwillkürlich mit einer auf dem Rücken liegenden Messerklinge vergleicht, zumal der obere Kamm eine so geringe Dicke zu haben scheint, daß man nicht versteht, wie dieses Gestein Jahrtausenden trotzen konnte. Man hat das Gefühl, als ob ein Geschoß diese Felsenwand durchschlagen müßte, und wird in dieser Anschauung dadurch noch bestärkt, daß an verschiedenen Punkten nahe dem Gipfel sich dem Auge in der Felsenwand Durchbrüche oder Löcher bieten, an welchen man keine für das Auge meßbare Dicke des Gesteins feststellen kann. Selbst die Natur scheint sich dessen bewußt gewesen zu sein, wie künstlich das von ihr hier aufgeführte Bauwerk ist, denn sie hat den Mittelrücken mit rippenähnlichen Strebepfeilern versehen, wie der Baumeister große Steinwände abstrebt. Diese Seitenrippen lehnen sich an den schmalen Enden der Insel unter sehr steilem Winkel an das Hauptgebirge an und reichen hier, wo der Mittelkamm eine geringere Höhe hat, bis zu dessen Gipfel hinan. Im allgemeinen indeß zweigen sie sich von der halben Höhe aus ab und laufen dann unter einem Winkel von etwa 45° nach dem Meere zu aus, wo sie kleine Buchten mit fruchtbaren Thälern bilden, wenn sie sich, allmählich abfallend, in das Wasser senken, aber sich in steile Klippen umwandeln, wenn sie plötzlich, wie absichtlich jäh unterbrochen, eine senkrecht nach dem Wasser abfallende Wand als Abschluß erhalten. In diesem letztern Falle hat man dann das äußere Bild der Giebelwände einer Reihe dicht nebeneinander gestellter Schuppen, da die Oberfläche der Rippen fast überall wellenartig gebildet ist, und die einzelnen Wellen fast gleiche Form und Höhe mit spitzem Winkel sowol am Kamme wie im Thale zeigen. Dieser Wechsel gibt der Landschaft großen Reiz, welcher noch dadurch erhöht wird, daß aus den Einschnitten der oft hoch über der Meeresfläche liegenden Giebel häufig sich kleine Bäche oder Wasserfälle ergießen und ihr Wasser direct in das Meer hinabstürzen lassen, ohne die senkrechten Felswände zu berühren.

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Bild: Grundriß einer Marquesas-Insel.

Das Bild, welches sich dem Beschauer an der Leeseite der Inseln als Ganzes bietet, ist etwa das folgende.

An eine mächtige Felsenwand, welche in der Höhe nur mit Gräsern und kleinen Sträuchern bewachsen ist, zwischen denen hier und da eine vereinzelte Kokospalme, von welcher man nicht weiß wie sie dorthin kommt, sich erhebt, lehnen sich Bergabhänge, welche auf ihrem Rücken in der Regel keinerlei Cultur zeigen, daher auch wol nicht culturfähig sind, wahrscheinlich aus Mangel an Erde und Wasser, sowie wegen Ueberfluß an Sonne. Die zwischen den Abhängen liegenden Thäler, welche selten eine große Tiefe haben, zeigten zu unserer Zeit eine Ueppigkeit der Vegetation, wie sie nicht reicher gedacht werden kann. Die Thäler waren mit solchen Laubmassen angefüllt, daß man hätte wähnen können, die hohen Bergwände seien eines reichen Laubschmucks entkleidet worden und das ganze abrasirte Laub habe sich in dicken Wolken in den Thälern abgelagert. Auch am Lande konnte dieser Eindruck keine wesentliche Aenderung erfahren, weil der aus Brotfruchtbäumen, Kokospalmen, Orangen- und andern Fruchtbäumen verschiedener Art gebildete Wald ein so dichtes Laubdach hatte, daß die Sonnenstrahlen nur sehr vereinzelt Durchgang fanden. Immer wird hier die Vegetation jedoch nicht in so überreicher Fülle prangen — glücklicherweise, darf man sagen, denn die letzten zehn Monate waren eine ununterbrochene scharfe Regenzeit, welche das Laub zu seltener Kraft und Schönheit getrieben, die Früchte aber vom Reifen abgehalten hatte. So haben wir, die wir zur richtigen Reifezeit hier waren, nur halbreife Früchte erhalten können. In der Regel sollen die Marquesas-Inseln vorzugsweise an Dürre, welche oft einen an Hungersnoth grenzenden Zustand erzeugt, leiden, doch sollen geregelte Jahreszeiten überhaupt selten sein. Entweder herrschen unaufhör-liche schwere Niederschläge, oder das Wasser fehlt ganz.

Ich kehre zu meinem Bilde zurück. Von den höhern Regionen des Mittelgebirges stürzen Wasserfälle in die Thäler hinab, welche während der wolkenbruchartigen Regengüsse oft von großer Schönheit sind, ihre Kraft und ihr ganzes Ansehen aber sofort verlieren, sobald der Regen aufgehört hat. An der Südküste von Nuka-hiva, welche ich in ihrer ganzen Länge passirte, habe ich mit Ausnahme des einen besonders großen Wasserfalls keinen der von Krusenstern enthusiastisch geschilderten Wasserfälle entdecken können, obgleich wir in der stärksten Regenzeit dort waren.

Die schmalen Enden der Inseln werden durch steilabfallende Felswände gebildet und man sieht hier häufig schroffe, dunkelgefärbte Steingebilde, welche, von dem Hauptlande abgelöst, der Landschaft an diesen Stellen ein wildzerrissenes Ansehen geben, während die Inseln im allgemeinen und für die Hauptmasse des Landes diese Bezeichnung nicht verdienen.

Ueber die Ertragfähigkeit des Landes glaube ich mich erschöpfend dahin aussprechen zu können, daß das Land wol im Stande wäre, viele Kokosnüsse zu liefern, weil der Baum insofern sehr genügsam ist, als er eigentlich nur Seeluft beansprucht. Je näher am Strande, desto besser für ihn; ob er dort fetten Boden oder magern Sand findet, ist ihm gleichgültig; ja es wird sogar behauptet, daß der unvermischte Korallensand ihm am zuträglichsten sei. Die Eingeborenen arbeiten aber nicht und so bleibt diese Ertragsquelle unausgenutzt. Baumwolle wird auch in guter Qualität gewonnen, es ist aber mit Ausnahme von Dominica und in beschränkterm Maße auch Nuka-hiva nicht genügend Land verfügbar, um nutzbringende Baumwollpflanzungen anlegen zu können, weil das vorhandene Land ganz für die den Lebensunterhalt der Eingeborenen bildenden Früchte in Anspruch genommen wird.

Handel wird zur Zeit eigentlich nicht getrieben, weil man die jährlich nur aus einigen kleinen Schoonerladungen bestehenden Producte wol nicht als solchen rechnen kann.

Die Bevölkerung der Marquesas-Inseln zeigt keinen einheitlichen Typus, man findet vielmehr auf jeder Insel, ja sogar in jedem Thal einen andern Menschenschlag, und wenn der Unterschied zuweilen auch nur gering ist, so ist er immerhin doch in die Augen fallend. Ich selbst kann allerdings nur von den Eingeborenen von Nuka-hiva und Fatu-hiva sprechen, doch wurde mir berichtet, daß die Eingeborenen von Dominica einer ganz andern Rasse angehören. Auf Fatu-hiva habe ich die beiden Hauptthäler besucht, auf Nuka-hiva nur oberflächlich die Bewohner von Port Anna-Maria gesehen, wie denn ja meine Beobachtungen überhaupt nur ganz oberflächliche sind und keinen Anspruch auf wissenschaftlichen Werth erheben können. Wäre die Annahme richtig, daß die Inseln der Südsee, wie von verschiedenen Seiten behauptet wird, Ueberreste eines versunkenen Continents und die Bevölkerungen der verschiedenen Inseln die Nachkommen derjenigen sind, welche sich bei der Katastrophe auf die Berggipfel gerettet haben, dann könnte man behaupten, daß in altersgrauer Zeit ein fremder Volksstamm einen Einfall in das jetzige Gebiet der Marquesas-Inseln gemacht habe, von der Katastrophe überrascht worden sei und sich mit den Einheimischen auf die Berge rettete, um sich später mit ihnen in die übriggebliebenen Inseln zu theilen. Andernfalls bleibt nur die Annahme übrig, daß die Ursache der Verschiedenheiten in vielfachen Kreuzungen mit hierher verschlagenen Bewohnern anderer Inseln, sowie mit den früher hier verkehrenden Walfischfängern liegt, weil Frauen wie Mädchen dieser Inseln dem Fremden als ein Gebot der Gastfreundschaft zur Verfügung gestellt werden.

Was das Aeußere betrifft, so haben mir die Bewohner von Omoa am besten gefallen; ich bemerkte unter diesen einige wirklich schöne Menschen, doch fand ich im Widerspruch mit den frühern Berichten die Männer schöner wie die Frauen. Unter ihnen waren viele wirklich auffallend hübsche Gestalten mit schön geformten und muskelkräftigen Gliedern. Die Gesichter zeigten auch schöne Züge, und so wild und verwegen diese Leute infolge ihrer reichen Tätowirung auch aussahen, so entdeckte man doch, wenn man sie schärfer betrachtete, die gutmüthigsten Züge. Auf die Tätowirung wird hier außerordentlich viel Werth gelegt, und ich muß gestehen, daß diese fast ganz nackten Menschen durch ihre eingeäzte reiche Malerei eigentlich anständig angezogen sind. Ich hatte das Gefühl, daß diese Leute in ihrer Nationaltracht sich in jeder europäischen Stadt auf der Straße zeigen könnten, ohne daß der Mangel an Kleidung auffallen würde; jedenfalls verhüllt diese musterreiche Malerei mehr, wie ein einfarbiges Tricot dies zu thun vermag. Ich kann nicht leugnen, daß diese tätowirten Menschen einen tiefen Eindruck auf mich gemacht haben und ich es bedauern würde, wenn diese Sitte abkäme; ich kann daher auch nicht verstehen, wie der Commodore Powell diese Leute als durch Tätowirung entstellt bezeichnen kann, doch dies ist Geschmackssache. Ich kann mir wol denken, daß man mit diesen bunten, wild aussehenden Gesichtern unsere Kinder schrecken kann, scheußlich sehen die Köpfe deshalb aber noch nicht aus. Daß die hier lebenden Europäer gegen das Tätowiren eifern, hat den einfachen praktischen Grund, daß mit dem Aufhören dieser Sitte die Sitte des Kleidertragens einzieht und die Kleider nur von den Weißen bezogen werden können. Die englischen Missionare und die Kaufleute ziehen hier an demselben Strang, denn beide leben vom Handel. Der Eingeborene hat keine Verwendung für Geld; Taback und gleichartige Genußmittel schaffen zu wenig, Eisenwaaren haben einen zu langen Bestand, Branntwein geht gegen die eigenen Interessen, weil man den Eingeborenen arbeiten sehen will, um die Früchte seines Fleißes einzuheimsen. Da sind nun Kleider das beste Tauschobjekt. Für wenig Geld erhält man von Europa ein großes Stück leichten Stoffes, und ist die Sitte der Bekleidung allgemein eingeführt, dann bringt diese durch die Masse den Gewinn, weil Männer, Frauen und Kinder dieser bald sehr strengen Sitte gleichmäßig unterworfen sind. Soll ein Handelsartikel gefunden werden, welcher den Europäern Gewinn bringt und die Eingeborenen gleichzeitig zur Arbeit erzieht, dann ist der eingeschlagene Weg wol richtig; aber eine religiöse Nothwendigkeit zum Kleidertragen liegt für diese Menschen nicht vor, weil das Schamgefühl in so hohem Grade ausgebildet ist, daß es uns Europäern geradezu lächerlich vorkommt. Denn es werden z. B. zwei gleichalterige Männer, wenn sie auch ganz allein unter sich sind, nie beim Baden sich ganz entkleiden, wie es bei uns doch sehr häufig vorkommt. Ich beobachtete einmal in Omoa zwei Männer, welche in ihrem Kanu vom Fischfang kamen und in ziemlich großer Entfernung von dem Dorfe, wo ich mich befand, mit der Brandung auf den Strand liefen, um das leichte Fahrzeug nach dem ersten Auflaufen auf den Strand schnell vor der Rückkehr der Brandung ganz aufs Trockene zu ziehen. Da die Brandung fortwährend über das Kanu und dessen Insassen hinwegbrach, so hatten die beiden Männer sich ihrer dürftigen Kleidungsstücke auch noch entledigt und dieselben um den Kopf gewunden. Der hinten im Boot sitzende Mann hatte sich aber einen Lappen vorgebunden und der vorn Sitzende kehrte dem andern während der ganzen Landung stets den Rücken zu, sofern er nicht anderweit gedeckt war, bis sie ihre Kleidung wieder angelegt hatten. Wenn somit aus moralischen Gründen die Sitte des Kleidertragens nicht erforderlich ist, so würde es doch ein gutes Werk sein, wenn man die Eingeborenen hierfür gewinnen könnte, weil meiner Ansicht nach der Mangel an Kleidung die Hauptursache des Aussterbens dieses Menschenstammes ist. Ich will dies zu beweisen versuchen.

Es wird behauptet, daß an der rapiden Abnahme der Bevölkerung der Marquesas-Inseln die folgenden Ursachen Schuld tragen:

1. Die Sitte der Vielmännerei bei den Frauen. Dieselbe ist nicht in der Weise vorhanden, wie nach Berichten angenommen werden muß. Die Leute leben vielmehr in unserer Ehe ähnlichen Verhältnissen, d. h. ein Mann und eine Frau leben in der Regel zusammen und sorgen für ihre oder für fremde Kinder. Die Ehe wird indeß nicht auf Lebenszeit geschlossen, sondern kann jederzeit dadurch gelöst werden, daß entweder der Mann seine Frau wegschickt oder die Frau ihren Mann verläßt. Beide Theile sind in dieser Beziehung frei und ganz gleichberechtigt. Die Frau kann sich weder der Ausweisung widersetzen, noch kann der Mann seine weggegangene Frau zurückfordern oder mit Gewalt zurückholen. Eheliche Treue ist keine Tugend, weil das Verhältniß jederzeit gelöst werden kann, wenn der eine Theil dies wünscht. Die Kinder scheinen, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, Gemeingut zu sein, jedenfalls werden sie von jedermann gut behandelt und beschützt. Die Leute eines Dorfes oder Thales bilden somit gewissermaßen eine große Familie, in welcher die einzelnen Glieder gewohnheitsmäßig paarweise zusammenleben, solange Neigung sie zusammenhält. Vielmännerei kommt zwar insofern vor, als die nicht verheiratheten Männer zeitweise mit der Frau eines Andern und zwar mit dessen Einwilligung für eine bestimmt verabredete Zeit zusammenleben, aber nur dann, wenn keine Mädchen vorhanden sind, welche mit diesen Junggesellen die Probe machen, wie es im Ehestande hergeht. Ob diese Freiheit der Sitten nun wirklich von nachtheiligem Einfluß auf das Wachsthum der Bevölkerung ist, wird schwer zu entscheiden sein, da die Zahl der prächtig aussehenden Kinder zur Zeit eine recht große ist. Muß der nachtheilige Einfluß aber nach unumstößlichem Naturgesetz vorliegen, dann wird eben von der bestehenden Freiheit sehr wenig Gebrauch gemacht, und ich glaube das letztere. Es ist allerdings eine Thatsache, daß die Männer ihre Frauen auf die früher hier häufiger zu Anker kommenden Walfischfänger geschickt und sie zwei bis drei Tage auf dem Schiff belassen haben, weil sie dann manches Werthvolle für die Gemeinde mit ans Land gebracht haben, die Schiffe kamen aber doch immerhin so selten und sind so schwach bemannt, daß dieser Einfluß kein einschneidender gewesen sein kann.

2. Die fast ununterbrochenen Kriege zwischen den benachbarten Thälern. Wie mir ein deutscher katholischer Missionar und ein englisch sprechender Eingeborener übereinstimmend versicherten, kommen diese sogenannten Kriege, wenn auch nicht häufig, zwar immer noch vor, verlaufen aber stets unblutig. Die ursprünglichen Waffen existiren gar nicht mehr und es werden nur noch Feuerwaffen gebraucht, zu denen aber entweder die Munition fehlt, oder die Waffen sind in so verkommenem Zustande, daß sie kaum noch gebrauchsfähig sind. Die Kriege entstehen gewöhnlich durch Landstreitigkeiten und werden in der Weise durch Verrath entschieden, daß die eine Partei die andere überrascht und Sieger wird, mithin die Bedingungen stellen kann, welche die unterliegende Partei annehmen muß. Diese Kriege können daher unmöglich die Ursache der allmählichen Entvölkerung sein.

3. Der übermäßige Genuß von Branntwein. Der Trunk scheint hier allerdings das alles beherrschende Laster zu sein, welchem vorzugsweise die rasche Abnahme der Bevölkerung zugeschrieben werden muß, wenn eine Abnahme wirklich stattfindet; letzteres kann noch angezweifelt werden, da der deutsche Missionar, dessen Angaben ich vollen Glauben schenke, vor sechs Monaten auf Fatu-hiva über 700 Seelen gezählt hat, während der englische Commodore Powell im Jahre 1867 nur 500 als die Einwohnerzahl dieser Insel angibt. Aber wirklich angenommen, daß die stets sich wiederholenden Klagen über das Aussterben dieser Eingeborenen begründet sind, so liegt die Ursache hier nicht in den directen Folgen der Trunksucht, sondern der Trunk tödtet meiner Ansicht nach nur auf indirectem Wege. Vor allen Dingen muß hervorgehoben werden, daß die Leute auf diesen Inseln, wo keine Europäer leben, sich ihren Rausch nicht in europäischem oder amerikanischem Schnaps, von welchem in Port Anna-Maria die ganze Flasche nur 10 Pfennig kostet, antrinken, sondern in einem selbstbereiteten berauschenden Getränk, welches aus gegorener Kokosmilch gewonnen wird und wegen fehlender Beimischungen der Gesundheit sehr viel weniger schädlich ist, als die billigen, von den klugen Weißen zusammengebrauten Höllentropfen es sind. Erwägt man, daß die Männer sich allabendlich gemeinsam bis zur vollsten Besinnungslosigkeit betrinken, so müßte man nach unsern Erfahrungen über Säufer jedenfalls annehmen, daß die große Mehrzahl der Männer die äußern Merkmale des Säufers tragen müßte, daß sie nicht nur des Abends sondern auch am Tage trinken würden, und schließlich, daß jede Nachkommenschaft ausgeschlossen wäre. Von alledem ist hier aber nichts zu merken. Die äußerlichen Merkmale des Säufers habe ich bei keinem entdecken können, wenngleich mein Gewährsmann, der englisch sprechende Eingeborene, mir sagte, daß er arbeite und dies nur könne, weil er sich nicht betrinke, obgleich er auch ganz gern trinke, aber stets Maß halte, während die andern so viel tränken, daß sie am andern Tage nicht arbeiten könnten. Ferner trinken die Leute nur des Abends und bleiben am Tage der Flasche fern, können aber auch am Abend enthaltsam sein, wie sie es während unsers Aufenthalts in Omoa durchgeführt haben, und zwar aus einem gewissen Schamgefühl vor uns, wie zwei zu verschiedenen Zeiten befragte Eingeborene übereinstimmend versicherten. Sei es nun, daß wirklich Scham sie vom Trinken abgehalten, oder daß die Ankunft des Schiffes die Geister so angeregt hatte, daß sie auf das gewohnte Gelage verzichteten, Thatsache bleibt es, daß das Trinken noch nicht die Form des gewohnheitsmäßigen Betrinkens angenommen hat. Ich glaube überhaupt nicht, daß die Leute trinken um zu trinken, sondern nur um den langen Abend zu verkürzen und einen Schlaftrunk zu nehmen — sie trinken aus Langeweile. Man muß bedenken, daß hier tagaus tagein die Nacht um 6 Uhr abends und der Tag erst 6 Uhr morgens beginnt, also Tag für Tag 12 Stunden Nacht. Da nun Arbeit unbekannt ist und die Leute den ganzen Tag träge im Nichtsthun hinbringen, so fehlt ihnen am Abend die körperliche Abspannung, um 12 Stunden schlafen zu können. Da ferner die Eingeborenen jedes Thales auf sich angewiesen sind, Schiffe hier nicht anlaufen, Kindererziehung überflüssig ist, keine Person etwas thun kann, was nicht jeder sieht, so fehlt aller Unterhaltungsstoff, nicht einmal klatschen können sie. Schließlich fehlt ihnen auch noch der Taback, um die Zeit mit Rauchen zu vertreiben, und so bleibt diesen bedauernswerthen Menschen, solange die französische Regierung nicht für Handel und Wandel sorgt, weiter nichts übrig als das Trinken. Daß der Abendtrunk nur als Schlafmittel gebraucht wird, kann vielleicht auch daraus gefolgert werden, daß das Getränk nahezu geschmacklos ist, also auch der Kitzel der Geschmacksnerven nicht in Rechnung zu ziehen ist.

Das Getränk wird gleich für das ganze Gemeinwesen bereitet und in einem großen Bambusrohr aufbewahrt, welches am Strande liegt und jedermann zugänglich ist. Das Herausziehen eines Stöpsels genügt, um sich die neben der großen Flasche liegende Kokosnußschale füllen zu können. Abends nach Sonnenuntergang versammeln die Männer sich um ein Feuer, und auch die Frauen kommen, um ihnen für einige Zeit Gesellschaft zu leisten; die Männer trinken solange bis sie liegen bleiben, während die Frauen Maß halten und sich nach einiger Zeit zurückziehen, um die Nacht in ihren Hütten zu verbringen. Hierbei wird nun meines Erachtens der Keim zu vielen unheilbaren Krankheiten gelegt. Das Klima, welches in der trockenen Jahreszeit ja so heiß ist, daß man froh sein muß, wenn man möglichst leicht bekleidet herumlaufen kann, ist in der Regenzeit frisch und während der Nacht viel zu rauh, um unbekleidet schlafen zu können. Die Leute müssen bei dem Mangel an Kleidung und dem Fehlen aller schützenden Hüllen, wie Decken oder Matten, daher des Nachts schon in ihren Hütten unter der Kälte leiden, und müssen geradezu frieren, wenn der Rausch sie verhindert, das wenigstens etwas schützende Dach aufzusuchen, und sie statt dessen unter freiem Himmel liegen bleiben, wo ihre nackten Körper nicht nur dem kalten Regen, sondern auch der rauhen Nachtluft voll ausgesetzt sind. So wird der innere Organismus dieser Menschen nicht direct durch den Trunk zerstört, sondern dadurch, daß durch häufige Erkältungen und danach durch mangelnde Pflege lebensgefährliche Krankheiten und in erster Reihe viele Fälle von Lungenschwindsucht entstehen. Zu unserer Zeit war die ganze Bevölkerung erkältet, Weiber und Kinder hatten den Schnupfen, die Männer husteten stark, und der Schiffsarzt will aus dem von allen Seiten ertönenden Husten vornehmlich Schwindsuchtshusten herausgehört haben. Nach allen Berichten soll Lungenschwindsucht hier auch sehr verbreitet sein.

Alte Männer habe ich in den beiden von mir besuchten Thälern auf Fatu-hiva nur drei gesehen, alte Frauen mehrere; ich glaube daher, daß die Weiber, welche mehr bekleidet sind und sich nachts in ihren Hütten aufhalten, den schädlichen Witterungseinflüssen weniger unterworfen sind und aus diesem Grunde ein höheres Alter erreichen. So wird aller Voraussicht nach dieser in sich abgeschlossene Menschenstamm in nicht zu langer Zeit infolge der Erblichkeit der Lungenschwindsucht ausgestorben sein. Wie sehr diese Menschen zeitweise unter der rauhen Witterung leiden, dürfte auch daraus hervorgehen, daß diese Leute, welchen die größte Gleichgültigkeit gegen das Tragen von Kleidern nacherzählt wird, während unserer Anwesenheit nur danach trachteten, alte Kleider zu erwerben. Für Geld war nichts, für alte Kleider alles zu haben. Ein nackter Eingeborener kam mit seinem ganzen, aus nahezu 100 Dollars bestehenden Vermögen an Bord, um dafür alte Kleider zu erwerben, und daß er gleich eine so große Summe mitbrachte, zeigt jedenfalls, welch geringen Werth er auf das Geld und welch hohen er auf Kleidungsstücke legte. So könnte eine wohlwollende Regierung oder Missionsgesellschaft gewiß leicht die Sitte der Bekleidung einführen, wenn zur richtigen Zeit eine verhältnißmäßig unbedeutende Summe gespendet und versucht würde, die Eingeborenen zunächst zur Arbeit zu erziehen, anstatt sie mit Lesen und Schreiben zu belästigen, was sie nicht gebrauchen, und ihnen christliche Lehren zu predigen, welche sie noch nicht verstehen. Da aber voraussichtlich aus dieser Insel Fatu-hiva, von welcher ich hauptsächlich spreche, nie ein Gewinn zu ziehen sein wird, läßt man die Eingeborenen verkommen, anstatt ihnen aus christlicher Liebe zu helfen. —

Ich will nun zu meinen eigenen Erlebnissen übergehen, bei deren Erzählung noch mancherlei zu Tage treten wird, was das Vorstehende ergänzt.

Nach ziemlich vierwöchentlicher Fahrt waren wir am 13. Mai abends der südlichsten der Marquesas-Inseln so nahe gekommen, daß es nöthig wurde, während der Nacht mit kleinen Segeln zu laufen, um das Land nicht vor Tagesanbruch zu erreichen. Vorsicht war um so mehr geboten, als es stürmisch war, die See hoch ging und der Mond durch dickes Gewölk verdeckt wurde. Mit Tagesanbruch am 14. wurden die Segel wieder gesetzt, und gegen 8 Uhr vormittags traten aus dickem Regengewölk die Umrisse der Insel hervor. Unsere Position war genau richtig, was bei einer Reise von 3000 Seemeilen, ohne Land gesehen zu haben, immer etwas zweifelhaft ist, weil die Chronometer doch auch zuweilen ihre Mucken haben und man so ziemlich auf diese allein angewiesen ist, wenn es sich um die Richtigkeit der Länge handelt. Wir waren zunächst an der Wetterseite der Insel, welche mit ihren 1200 m hohen Bergwänden die von dem Passatwind angetriebenen Wolkenmassen auffängt und hierdurch an dieser Seite fast bis zum Wasserspiegel in dichtes Gewölk eingehüllt ist, eine Erscheinung, welche sich bei allen in der Passatregion liegenden hohen Inseln während der Regenzeit wiederholt. Mit dem Näherkommen wird der Wolkenschleier allerdings durchsichtiger, doch nicht genügend, um eine Totalansicht der Insel erhalten zu können. Immerhin löst sich wenigstens die Südspitze der Insel aus dem Gewölk heraus und bietet uns einen schönen Blick. Wie die Ansicht der Südspitze von Fatu-hiva mit dem Thal Omoa zeigt, erhebt sich hier der Mittelkamm der Insel nahezu senkrecht aus dem Wasser, steigt in seltsam gezackter Linie beinahe 700 m hoch und zieht sich, allmählich bis zu einer Höhe von 1200 m anwachsend, durch die ganze Insel hindurch. Es ist ein außerordentlich fesselndes Bild.

Aus den schönen blauen Fluten, welche in hohen Wogen mit mächtigen weißen Schaumköpfen gegen das Land heranrollen, erhebt sich in majestätischer Ruhe diese wunderlich geformte Klippenwand. An ihrem Fuße bricht sich die Kraft der Wogen, welche zu weißem dampfenden Gischt gepeitscht an diesem ehernen Wunderwerk hinauflecken und brodelnd und schäumend den Fuß zu unterwühlen suchen. Unten ewige Unruhe, fortwährendes Anstürmen der Meeresgewalten, oben feierliche Ruhe. Hier steht diese Felsenwand, wie sie schon seit Jahrtausenden dagestanden hat, überall, wo überhaupt nur etwas wachsen kann, mit grünem Gras und Moos bewachsen, und nur dort kahl und finster, wo von den vorspringenden Steinrücken der jahraus jahrein wehende Passatwind jedes Stückchen Erde, jedes Samenkorn wegfegt und sie in die geschützteren Schluchten schleudert, wo die Erdkrumen Ruhe, die Samenkörner Gedeihen finden. So kommt es, daß die Steinpfeiler sich besonders scharf aus dem Landschaftsbilde herausheben, weil ihre Rücken schwarz sind, die umliegenden Wände aber ein grünes Kleid haben. Oben auf den einzelnen Zacken der Felsenwand stehen Sträucher, auf dem Kamm einige Kokospalmen, welche sich scharf von dem blauen Himmelshintergrunde abheben und ihre großen Blätter in dem frischen Winde spielen lassen. Dieses an saftigen frischen Farben, sowie an schönen und kühnen Linien so reiche Bild wird noch anziehender durch den Contrast, welchen es mit seiner nächsten Umgebung zeigt. Denn während dieses Stück Land von der Sonne hell beschienen wird, der blaue Himmel sich über ihm wölbt, wird das dicht daneben liegende Land von Regenwolken vollkommen eingehüllt und der ganze Horizont ist mit festen Wolkenmassen, welche an verschiedenen Stellen wolkenbruchartige Regengüsse entsenden, umlagert.

Der Passat weht frisch, unser Schiff hat schnellen Lauf, das Land rückt rasch näher, es ist nicht mehr weit bis zu der Cap Venus genannten Südspitze der Insel, und der Ankerplatz liegt gleich auf der andern Seite des Caps, unsern Augen fast bis zu dem Augenblick des Ankerns verborgen. Von Menschen ist vorläufig noch nichts zu sehen, weil dieselben die Wetterseite der Inseln nicht bewohnen und Cap Venus die ganze Südseite von Fatu-hiva nach der Seite, von welcher wir kommen, abschließt, sonst auch kein Weg und Steg um dieses Cap herumführt, weil die Natur hier die Anlage eines Weges verbietet. Den Bewohnern bleibt daher auch die Ankunft eines von Osten kommenden Schiffes bis zum letzten Augenblick verborgen. Ich hätte dem Schiff vorher so viel Fahrt geben können, um von dem Cap an ohne Segel bis auf den Ankerplatz zu schießen; die Karten sind aber noch nicht ganz zuverlässig, auch ist es nicht gerathen, ohne Lootsen einen ganz fremden Platz anzulaufen, ohne ihn zuerst aus gewisser Entfernung zu besichtigen und sich zu orientiren. So ging ich nicht dicht unter das Land, sondern blieb weiter ab und versuchte mit kleinen Segeln den noch auf tiefem Wasser liegenden Ankerplatz zu erreichen. Ich lief damit Gefahr, nicht sofort zu Anker zu kommen, da man an der Leeseite solch hoher Inseln gewöhnlich unstete Winde trifft, doch blieb mir mit Rücksicht auf die Sicherheit des Schiffes keine Wahl. Das Cap wird umschifft, ein köstliches Thal öffnet sich vor unsern Blicken, dessen genauere Besichtigung mir aber noch nicht erlaubt ist, weil die Führung des Schiffes mich ganz in Anspruch nimmt. Langsam geht es dem Ankerplatz zu, die Segel sind schon weggenommen, da stößt der Wind von vorn und drängt uns wieder hinaus. Es ist gerade 12 Uhr mittags und keine Aussicht bleibt, unter Segel allein den Ankerplatz vor dem Abend zu erreichen. Ich lasse daher in einem Kessel Dampf machen, das Schiff wird unter den wieder gesetzten kleinen Segeln beigedreht und die Mannschaft zum Essen geschickt. Nun wird mir Gelegenheit, das Thal Omoa oder Bon Repos-Bai, wie die Franzosen es nennen, mit Muße zu betrachten.

Die das Cap Venus bildende Klippe fällt an dieser Seite ebenso steil ab wie an der andern, zeigt auch dieselben Umrisse, zieht sich aber halbkreisförmig zurück und bildet einen Kessel, welcher durch malerisch gruppirte Höhenzüge, schöne Thäler und überreiche Vegetation ausgefüllt, ein Bild abgibt, welches jeden packen muß. Besonders malerisch treten auf einem Höhenzuge einige Felsnadeln hervor, welche in ihrer Form so sehr den Pappeln ähneln, daß man sie für riesige Bäume dieser Art halten könnte, zumal das auf ihnen wachsende Gras und Moos ihnen auch das grüne Kleid gibt. Unten im Thal öffnet sich der Strand, einige Hütten leuchten aus dem überreichen Pflanzenwerk hervor, mit dem Fernrohr sind auch Eingeborene am Strande zu erkennen, sie können indeß das vor uns liegende Bild nicht beleben, weil unsere Entfernung von ihnen zu groß ist.

Cap_Venus_mit_Thal_Omoa_auf_Fatu-hiva_Marquesas-Inseln

Bild: Cap Venus mit Thal Omoa auf Fatu-hiva (Marquesas-Inseln).

Während wir angesichts des Ankerplatzes liegen und darauf warten müssen, daß die Maschine Dampf bekommt, stößt ein Kanu vom Lande ab und kommt auf uns zu. In demselben befinden sich sechs Personen, welche alle hintereinander sitzen, weil das Fahrzeug so schmal ist, daß in der Breite nur ein Mensch Platz findet. Das Fahrzeug nähert sich schnell, die muskulösen Ruderer geben ihm durch das Arbeiten mit den kurzen Rudern, welche mit beiden Händen gefaßt senkrecht in das Wasser eingetaucht und dicht an dem Bootskörper entlang durch das Wasser gezogen werden, eine große Geschwindigkeit. Wie ein Seevogel schießt das zierliche elegante Fahrzeug über die hohen Wellen hinweg. Die vordere Hälfte liegt in der Luft, wenn es oben über den Wellenkamm klettert, kippt dann nach vorn herunter, und bergab schießt das gebrechliche Ding, um für kurze Zeit im Wellenthal zu verschwinden. Die Ruderer bücken sich mit kurzer schneller Bewegung weit nach vorn, die Ruder senken sich ins Wasser, die Männer heben sich wieder und das von den Rudern nach hinten geworfene Wasser spritzt hoch auf; der Vordertheil des Fahrzeugs ist in Wasserstaub eingehüllt, wenn er aus der Luft in das Wasser zurückfällt, sonst sieht man an dem Bug nur eine leicht gekräuselte, nach hinten verlaufende Linie, an welcher der Kenner sieht, daß das Fahrzeug sich außerordentlich schnell durch das Wasser bewegt und wol eine Geschwindigkeit von 1½ deutschen Meilen und mehr in der Stunde hat. Die in demselben befindlichen Personen sind anscheinend vier Europäer und zwei Eingeborene, denn vier sind bekleidet und zwei sind nackt.

Mit den Europäern hatte ich mich indeß getäuscht. Das Kanu kommt längsseit und wir sehen schon an den Gesichtszügen, daß alle Insassen Polynesier sind. Ein Mann steigt als erster aus und kommt an Bord, eine große kräftige Gestalt in dunkeln Hosen, darüber flatternd ein reines, mit braunen Blumen besprenkeltes weißes Hemd, ein schwarzer Filzhut auf dem Kopf und unten barfüßig. Er hat angenehme Gesichtszüge, sein Nasenschnitt erinnert an denjenigen der nordamerikanischen Indianer, sein langes Haar ist sehr voll und leicht gekräuselt, das Gesicht bartlos, die Hautfarbe braungelb und ziemlich hell, und vor allem ist der Mann sauber. Ein zweiter folgt, ist ähnlich gekleidet, hat kürzeres Kopfhaar, etwas Bart, einen schwermüthigen Zug im Gesicht, gebogene schmale Nase, spricht englisch und gibt sich als geborener Tonganer zu erkennen, welcher längere Zeit in San-Francisco gewesen ist und die deutsche Flagge kennt. Diesem haben wir wol den freundlichen Empfang zu verdanken, welcher uns später wurde. Er stellt den zuerst aufs Schiff Gekommenen als den Häuptling von Omoa vor. Der dritte ist ein kleiner, pfiffig aussehender Geselle, welcher sein Hemd schon in die Hosen eingesteckt trägt. Er ist Kajütsjunge auf einem amerikanischen Walfischfänger gewesen und spricht ebenfalls englisch. Der vierte, etwas reducirt in seiner Kleidung, schon älter an Jahren, mit intelligentem Gesicht, ist ein Sandwich-Insulaner und spricht auch englisch. Der fünfte und sechste sind prächtige nackte Kerle, nur mit dem Maro bekleidet, einem Kleidungsstück, welches auch von den japanischen Kulis getragen wird. Ein als Gürtel zusammengedrehtes Stück Zeug ist um die Hüften geschlungen und dient zur Befestigung eines zweiten Zeugstücks, das vom Nabel ausgehend, zwischen den Beinen durchgenommen und hinten an dem Gürtel wieder befestigt wird. Bei diesen Leuten, welche die richtigen Repräsentanten des hiesigen Menschenschlags sind und zwei ausgesucht schöne Exemplare zu sein scheinen, muß ich etwas länger verweilen.

Marquesas-Insulaner

Bild: Marquesas-Insulaner.

Die Haare sind seitlich gescheitelt und werden, mit Ausnahme zweier Zöpfe, welche von den Ohren aus herabhängen, lang und weit abstehend getragen. Der ganze Körper ist tätowirt und theilweise mit wirklich künstlerischen Mustern versehen, welche dem Menschen ein ganz eigenartiges Aussehen geben. Namentlich tritt dies grell bei dem Gesicht hervor, weil die Malerei hier ganz unsymmetrisch angeordnet ist. Scheinbar zwischen den Haaren herauskommend, bedeckt ein blaues Dreieck die eine Seite der Stirn; unter diesem Dreieck läuft ein blaues Band horizontal über die Augen, welches oberhalb der Augenbrauen beginnt und sich bis zum halben Nasenrücken erstreckt. Innerhalb dieses Bandes ist mit Ausnahme der gelblich-weißen Hornhaut des Auges kein heller Fleck zu finden, weil sogar die Augenlider mit großer Sorgfalt ganz blau gebeizt sind. Daß die aus solch blauer Umgebung keck und frisch hervorleuchtenden großen schwarzen Augensterne beim ersten Anschauen einen wilden Ausdruck zu haben scheinen, liegt auf der Hand; das erste Befremden schwindet aber, sobald man sich erst gewissermaßen eine geistige Brille aufgesetzt hat, um die eigentlichen Augen herauszufinden, und hat man sie gefunden, dann lacht einem ein gutmüthiger Schalk entgegen. Etwas oberhalb der Nasenspitze beginnt ein zweites Band, welches bis unter die Unterlippe reicht. Dieses ist jedoch nicht ganz blau, sondern hat willkürlich offen gelassene helle Flecken, welche kleinere Muster in sich tragen, wie denn auch das in der Mitte des Gesichts quer über die Nase laufende helle Band mit kleinen Mustern verschiedener Art ohne bestimmte Ordnung ausgefüllt ist. Die Malerei des Gesichts erhält ihren Abschluß am Kinn durch ein dem Stirndreieck diametral gegenüberliegendes kleines Dreieck. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Gesicht, welches durch seine natürliche hellbraune Farbe, durch frisch-rothe Lippen und schöne weiße Zähne noch bunter wird, das äußerste Befremden erregt, zumal wenn der Eigenthümer einer solch bunten Musterkarte dieselbe noch zum Lachen verzieht und seine Augen fröhlich hin- und herlaufen läßt. Das Auge des Beschauers findet in solchem Gesicht nirgends Ruhe, alles ist darin unregelmäßig und daher sowol scheinbar, wie auch in Wirklichkeit in fortwährender Bewegung. Während in einem natürlich gefärbten Gesicht Muskelbewegungen schon stärker sein müssen, um einen andern Ausdruck hervorbringen zu können, genügt hier die geringste Bewegung, um die Malerei zu verändern und das Gesicht zu einem andern werden zu lassen. Ueber die Tätowirung des übrigen Körpers ist nur zu sagen, daß sie mit großer Sorgfalt durchgeführt ist und manch schönes Muster enthält. Besonders bevorzugt sind dabei Arme und Hände, Unterschenkel und Füße; auf den Armen findet man in der Regel auch noch den eigenen Namen, sowie solche naher Freunde.

Das Kanu, in welchem die Leute gekommen sind, ist ein außerordentlich zierliches, leichtes Fahrzeug. Es ist aus zwei Stämmen des Brotfruchtbaumes zusammengesetzt; der eine Stamm gibt den Boden, der andere auseinandergeschnitten die Seitenwände. Da dieses lange, schmale und flache Fahrzeug nun aber gar keine Stabilität hat und daher auf See stets umschlagen würde, so haben diese Naturvölker sich eine sehr sinnreiche Sicherung angebracht. Auf ein Viertel der Länge von vorn und ein Viertel von hinten ist je ein leichter Baumstamm quer über dem Boot befestigt, welcher an der einen Seite etwa 1 m über das Boot hinausreicht, an der andern mit der Seitenwand des Fahrzeuges abschneidet. An den Enden der über das Boot hinausreichenden Arme sind (meistens senkrecht) nach unten Stäbe befestigt, welche ebenso lang wie das Boot hoch sind und an ihren untern Enden einen mit dem Boot nahezu parallel laufenden, nach vorn etwas divergirenden Balken von ungefähr zwei Drittel der Bootslänge tragen. Die Schwimmkraft dieses Balkens ist so groß, daß das Boot nach der Seite, welche den Schwimmer trägt, nicht umschlagen kann, andererseits ist das Gewicht des Schwimmers ausreichend, um das Umschlagen desselben nach der andern Seite zu verhindern, solange es nicht gar zu ungeschickt behandelt wird und die Befestigung des Hebelbalkens hält. Die Arbeit an dem Kanu ist roh, alle die schönen Zierathen, welche man häufig auf Bildern findet, fehlen hier, die Formen des 10 m langen und 1 m breiten Fahrzeuges sind aber sehr gefällig und das ganze Kanu sieht aus einiger Entfernung zierlich und elegant aus.

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Bild: Boot mit Auslieger.

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Bild: Bootsriemen. - Querschnitt des Bootes.

Nachdem wir uns gegenseitig begrüßt hatten, gingen die Eingeborenen zunächst durch das ganze Schiff, um sich dasselbe anzusehen, und bekamen dann, als sie auf das Deck zurückgekehrt waren, etwas zu essen. Eine große Schüssel voll Bohnen wurde auf eine auf dem Deck ausgebreitete Presenning gesetzt, Corned-beef und Brot dazu gethan, die Insulaner herbeigeholt und jedem von ihnen ein Löffel in die Hand gegeben, nachdem vorher einige Aufpasser bestellt waren, welche diese als diebisch bezeichneten Menschen stets unter Aufsicht halten sollten. Hätte ich bei dieser Gelegenheit schon, wie wenige Stunden später, gewußt, welch großen Werth die Leute auf äußere Formen legen, ich hätte ihnen zu dem Zweck einen abgeschlossenen Raum angewiesen, so aber stand ich noch unter dem Eindrucke der Reiseberichte und glaubte, diese Leute dementsprechend behandeln zu müssen. Sie gruppirten sich hockend um die Schüssel, ließen dem Häuptling ziemlich viel Platz, indem die andern dicht zusammenrückten, und schienen sich an dem Gericht recht zu erlaben. Ohne Gier, mit Würde und Anstand aßen sie die für zehn Mann berechnete Portion ziemlich schnell auf, ließen aber doch von jeder Speise etwas zurück, legten dann die Löffel, welche sie mit Geschick gebraucht hatten, ordentlich zusammen und verließen den Speiseplatz. Die vier bekleideten Honoratioren kamen auf die Commandobrücke, um sich zu bedanken; die beiden andern kletterten wieder in ihr Kanu.

Gegen 1½ Uhr hatte die Maschine Dampf, die Segel wurden festgemacht, und unter Annahme der Lootsendienste, welche die Eingeborenen anboten, ging es nach dem Ankerplatz, wo wir gegen 2 Uhr ankerten. Ich entschloß mich, sogleich an Land zu gehen, um den Ort zu besichtigen und namentlich zu versuchen, für meine Mannschaften einigen frischen Proviant zu erhalten. Vorher wollte ich dem Häuptling noch eine Freude machen und rief ihn in die Kajüte, um ihm ein wollenes Hemd zu schenken. Die drei andern kamen natürlich mit und ich mußte nun, ehe ich mein Geschenk los werden konnte, Zeuge einer sehr komischen und doch zu ernstem Nachdenken anregenden Scene sein.

In der Vorkajüte stehen an einer Wand auf Sockeln drei Statuetten nebeneinander, in der Mitte die Ariadne von Dannecker, in ein Drittel Lebensgröße, rechts die Venus Kallipygos, links die Mediceische Venus, beide in ein Viertel Lebensgröße. Die Blicke der Insulaner schweifen an den Wänden entlang, über die dort hängenden Bilder hinweg und bleiben dann beim Umwenden plötzlich an diesen Statuetten hängen. Mit offenem Mund und weit geöffneten Augen stehen die Leute stumm da, sehen mich einen Augenblick an, richten aber ihre Blicke wieder schnell auf die Bildwerke und stoßen, mit halberstickter Stimme nach Athem ringend, nur den Staunensruf „Ai! A-i!“ aus. Die einzige Frage, welche sie noch zu stellen wagen, ist die, ob das Thier, auf welchem die Ariadne sitzt, wirklich ein Bär sei. Von den Männern wilder oder halbcivilisirter Völkerschaften darf man ja nie äußere Zeichen des Staunens erwarten, weil es bei ihnen zum guten Ton gehört, gegen Fremdes Gleichgültigkeit zu heucheln; die Sinne dieser Männer mußten daher sehr gefesselt sein, wenn sie sich soweit vergaßen, wie sie es gethan haben. Ich war nun aber nicht sicher, ob das Erstaunen nur der künstlerischen Arbeit oder den schönen classischen Formen galt, wollte jedoch Gewißheit haben. Ich rufe die Leute daher in mein Arbeitszimmer, wo zwei colorirte Bilder hängen, welche zwei duftige leichtbekleidete Mädchengestalten mit bunten Bändern im Haar darstellen. Auf den Zehenspitzen folgen sie mir, das ganze Gesicht nur Staunen und Verwunderung. Ich fordere sie auf sich umzudrehen, und in stiller Andacht bleiben sie vor diesen zarten Mädchenblumen stehen, welche durch weiter nichts als durch ihre feinen Farben zur Geltung kommen. Kein Auge wenden sie von den Bildern, als ob sie dieselben sich für immer einprägen wollten, und ich muß sie schließlich hinausdrängen. Nur mit Widerstreben folgen sie, und ihre etwas verdüsterten Mienen hellen sich erst wieder auf, als sie in der Vorkajüte die Puppen wiederfinden und ich sie auffordere, dort solange Platz zu nehmen, bis ich meinen Anzug für den Landgang in Ordnung gebracht habe. Ich unterließ aber nicht, die Thüre zwischen uns offen zu halten, um diese angeblich diebischen Menschen beobachten zu können, obgleich die offenen, ehrlichen Gesichter eigentlich jeden Verdacht beseitigen müssen. Die Statuetten haben es den Naturkindern aber so sehr angethan, daß sie heute keine Zeit zum Stehlen finden, wenn sie auch sonst Neigung dazu verspüren sollten — nur diese ziehen magnetisch ihren Blick an, alles andere ist für sie nicht vorhanden.

Als ich fertig war, rüttelte ich meine Gäste auf, gab dem Häuptling das ihm zugedachte Hemd, welches er kurzer Hand über sein anderes zog, und nun ging es in mein Boot, nachdem die Eingeborenen jede Vergütung für die dem Schiffe geleisteten Lootsendienste entschieden abgelehnt hatten. Einige Offiziere schlossen sich dem Landgange noch an und wir mußten eilen, wenn wir noch etwas am Lande sehen wollten, weil der Weg zum Dorfe weit war und bei Dunkelheit unpassirbar sein soll, wir aber jedenfalls vor Abend wieder auf dem Schiff sein mußten, wollten wir nicht mit einem sehr unbequemen Nachtlager vorlieb nehmen. Das Landen mit schweren Schiffsbooten ist hier stets sehr beschwerlich, weil man nur an einer Klippe landen kann und hier die See immer hoch geht. Die leichten Kanus laufen einfach auf den beim Dorfe liegenden Sandstrand, lassen sich von den hoch auflaufenden Wellen wie eine Blase auf den Sand werfen und werden dann schnell ganz aufs Trockene gezogen; die Leute sind dabei aber auch gewöhnlich ganz im Wasser, weil die Brandung so stark ist, daß das Fahrzeug, ehe es das Land erreicht, durch den Gischt der Brandung hindurch muß. Mit den Schiffsbooten kann man eine solche Landung nicht wagen und für diese liegt die Landungsstelle weitab vom Dorfe an den Felsen, wo an der am weitest vorspringenden Stelle ein platter Stein aus dem Wasser hervorragt. Die See bricht merkwürdigerweise nur sehr selten über diesen Stein weg, sondern zertheilt sich vor demselben und läuft an beiden Seiten vorbei. Diese Eigenthümlichkeit gestattet den Booten so dicht heranzugehen, daß man vom Boot aus auf den Stein springen kann, doch ist auch hierbei Vorsicht nöthig, weil das Auf- und Niederwogen des Wassers immerhin so stark ist, daß das Boot, wenn es durch eine ungeschickte Bewegung an den Felsen geworfen wird, auch an ihm zerschellt. Ohne die Hülfe der Eingeborenen hätten wir an diesem Tage, weil der Seegang infolge des starken Windes der letzten Tage sehr hoch war, überhaupt nicht landen und auch kaum den Weg nach dem Dorfe machen können, denn wahrscheinlich wären wir sehr bald durch die Brandung von den Felsen heruntergerissen worden. Die Leute waren wirklich rührend sorgsam mit uns und führten und leiteten uns, wie die Mutter ihr Kind, wobei man es ihren Gesichtern ordentlich ansah, wie besorgt sie waren, daß wir nicht zu Schaden kämen.

An der Landungsstelle angekommen, sahen wir wol, daß mit einem geschickten Sprung ans Land zu kommen ist, wir fanden aber auch, daß ein Fehlsprung sicher ins Wasser führt und daß man bei dem Sprung auf den glatten Stein auch nicht das Gleichgewicht verlieren darf, denn sonst schlägt man auf die scharfen Felsen und kann sicherlich auf eine erhebliche Verwundung rechnen. Unsere Freunde wissen das auch zu beurtheilen, denn als ich von dem bei solchen Gelegenheiten etwas zweifelhaften Vorrecht des Aeltesten, als erster den Vortritt zu nehmen, Gebrauch machen will, werde ich festgehalten und neben mir springt der Sandwich-Insulaner zwar nicht auf den Stein, aber mit seinem einzigen Anzug auf dem Körper in das Wasser und schwimmt wassertretend wie ein Frosch vor dem Felsen. Ich verstand nicht, was der Mann beabsichtigte, der Stein hat vollkommen senkrechte glatte Wände und das Niveau des Wassers liegt etwa 1½ m unter der Plattform des Steins, sodaß ein Erreichen des Steins vom Wasser aus unmöglich erscheint. Der Mann kennt die Situation aber besser. Nach kurzer Frist steigt das Wasser plötzlich 2-3 m, flutet über den Stein weg, fließt ab und unser Insulaner steht auf dem Stein, um uns nunmehr die Hand zu reichen. Nach und nach, je nachdem das Auflaufen der Wellen das Boot zum Abrudern zwingt oder ihm gestattet nahe heranzukommen, werden alle Personen glücklich gelandet und wir betreten einen Weg, wie man ihn nicht oft in seinem Leben geht. Da die Bergwände zu steil sind, um auf ihnen ohne gebahnten Pfad gehen zu können, die Eingeborenen in einem solchen Weg aber keinen Nutzen sehen, weil die vorhandenen ihnen genügen, so war für uns auch nur der eine Weg am Strande entlang über die Klippen vorhanden. Das Stück, welches wir auf diese Weise zurückzulegen hatten, betrug etwa 40 Minuten, weit genug, um ohne Zaudern loszumarschiren, wenn wir vor Eintritt der Dunkelheit zurück sein wollten.

Ein solcher Klippenweg hat die Eigenthümlichkeit, daß man nicht eben weggehen kann, sondern unausgesetzt die Richtung ändern muß. Einmal muß man sich nach links wenden, dann nach rechts, wie die vorspringenden Steinspitzen gerade am bequemsten liegen, oft muß man mehrere Fuß tief hinunterspringen und dabei gut darauf achten, den richtigen Stein zu treffen, dann muß man das wieder mühsam hinaufklettern, was man vorher hinuntergesprungen ist. Hat man nun hierbei nur auf den Weg zu achten, dann geht es noch, hier heißt es aber noch unausgesetzt die Brandung im Auge zu behalten. Dieses Zusammentreffen der ruhelos auflaufenden Brandung mit einem an sich schon beschwerlichen Wege macht diesen geradezu gefahrvoll, und hier erwiesen sich die Eingeborenen in so sorgsamer Weise nützlich. An diesen Weg gewohnt und mit ihren nackten Füßen sehr viel sicherer auf den Beinen, sind sie mehr befähigt, auf Weg und Brandung zugleich zu achten, und verstehen auch zu beurtheilen, wie weit das Wasser jedesmal steigt. So lassen sie uns zeitweise plötzlich halten, und dicht vor uns werden höher liegende Felsen als diejenigen, auf welchen wir stehen, von der hellen klaren See überspült; dann wieder lassen sie uns auf einen andern Stein springen oder gar in eine Vertiefung, und um uns herum steht alles in voller Brandung, während wir trocken bleiben, müssen dann aber schnell auf einen der eben erst bespülten Steine flüchten, weil das abfließende Wasser nun unsern letzten Zufluchtsort ausfüllt. So kommen wir endlich zu dem Dorfe, zwar ohne von dem Seewasser durchnäßt zu sein, trocken sind wir aber nicht, denn die Anstrengung des Weges hat allen Schweiß aus unserm Körper herausgepreßt, den er überhaupt abgeben konnte. Trotz des einsetzenden starken Regens benutzen wir unsere Regenschirme nicht, weil wir ja doch schon durch und durch naß sind. Das Anerbieten unserer Führer, uns durch einen ein Fuß tiefen Fluß zu tragen, lehnen wir auch ab, weil es für unsere brennenden Füße eine Wohlthat ist, dieselben in dem kühlern Wasser zu erfrischen. Von dem Dorf und seinen Bewohnern sehen wir zunächst nichts, weil ein wüthend brennender Durst erst nach irgendwelchem Getränk verlangt.

Der Häuptling führt uns zunächst in seine Wohnung, wo seine Frau uns empfängt. Um uns herum kribbelt und krabbelt es, mit der Gesellschaft in Ordnung kommen können wir aber erst, nachdem wir mit großer Gier die Milch einiger frischer Kokosnüsse getrunken haben. Endlich sind wir wieder Menschen und können nun Umschau halten. Wir sind in einem Holzhäuschen, welches aus einem Flur mit zwei daranstoßenden Zimmern besteht; die drei obersten von uns sitzen auf Stühlen, ein Holztisch ist vorhanden, an der Wand hängt ein Crucifix. Auf unsere Verwunderung über dieses behagliche Häuschen wird uns die Antwort, daß es das Haus des frühern Missionars ist und nach dessen Abgang mit sämmtlichem Inventar in den Besitz des Häuptlings übergegangen ist. Der Häuptling sitzt, nur mit Hosen bekleidet, auf einer Kiste, die beiden Hemden hat er also inzwischen schon ausgezogen; sein Oberkörper ist nur wenig tätowirt. Des Häuptlings Frau sitzt neben mir; sie ist von mittlerer Statur, hat eine schmale gebogene Nase, brennende Augen, bis zur Schulter reichendes schlichtes Haar und eine hellbraune Hautfarbe; ihr angenehmes und hübsches Gesicht hat einen schmerzlichen Zug. Ihre Kleidung besteht aus einem langen, bis zu den Knöcheln reichenden und mit Aermeln versehenen rothen Gewand, unter welchem sie noch ein gelbes, hemdartiges Kleidungsstück und darunter den Maro hat, welchen die Frauen ebenso wie die Männer, Mädchen und Kinder tragen. Ihre Beine und Arme sind tätowirt; Arm und Schulter zeigt sie uns auf Verlangen und würde uns wol auch ihr Bein gezeigt haben, wenn wir danach verlangt hätten. Als Begrüßung reicht sie uns die Hand, nickt graziös mit dem Kopf und verzieht das Gesicht zu einem angenehmen Lächeln; die ganze Begrüßung ist nach europäischem Geschmack so vornehm und fein, daß manche europäische Dame sich ein Beispiel daran nehmen könnte. Ich biete meiner freundlichen Nachbarin meinen ganzen Cigarrenvorrath an, welches Geschenk sie aber erst nach erfolgter Aufforderung ihres Mannes annimmt; sie zündet sich eine an und vertheilt die übrigen an die Anwesenden, welche nur aus Männern und Jungen bestehen, aber was für Männer und Jungen! Ein Maler würde in dieser Modellsammlung schwelgen. Die Erwachsenen sind durchweg kräftige, aber elegante schlanke Gestalten von über Mittelgröße, alle Glieder schön und ebenmäßig; die Gesichtszüge sind wegen der Tätowirung schwer zu erkennen, doch sieht man so viel, daß dieselben im Durchschnitt hübsch sind und Intelligenz verrathen, jedenfalls in der letztern Beziehung hoch über dem Ausdruck der Gesichter unserer niedern Volksklassen stehen, obgleich die Leute keine Schulzeit durchgemacht haben. Die Tätowirung des Körpers ist so stilvoll durchgeführt, daß man, wie früher schon erwähnt, die mangelnde Kleidung nicht vermißt; die Leute sind entschieden, so wie sie sind, anständig angezogen. Die Männer tragen auch noch Schmuck, entgegengesetzt unserer Sitte, während die Frauen sich hier nur mit Blumen zieren. Der Schmuck besteht aus Halsketten von bunten geschliffenen Glasperlen, nachgeahmten Korallen, auch zusammengereihten bunten Früchten, aus goldenen Ringen und Ohrringen, Blumen im Haar und in den an 1 cm großen Löchern der Ohrläppchen; als besonderer Schmuck wird auch noch ein Schlüssel angesehen, der um den Hals gehängt wird. Einige tragen Matrosenmesser; Waffen sind sonst nicht zu sehen, weil sie, wie schon erwähnt, einheimische Waffen nicht mehr besitzen. Die anwesenden Jungen im Alter von 6-14 Jahren sind wahre Prachtbengel, nur mit dem Maro bekleidet, daher ziemlich nackt, weil sie noch nicht tätowirt sind. Sie sind von heller braun-gelber Hautfarbe und haben offene, freundliche und hübsche Gesichter, in welchen sich schon ein gewisses Selbstbewußtsein ausspricht, denn sie dürfen mit den Männern zusammen sein, zu denen sie gehören und mit welchen sie schon alles theilen. Man sieht es diesen Jungen an, daß sie gut behandelt werden; unsere Dolmetscher bestätigen auch, daß die hiesigen Eingeborenen viel auf Kinder halten und sie gern haben. Ich stelle sie auf die Probe und frage, ob ich nicht einen Jungen kaufen oder eintauschen könne, erhalte aber nur eine freundliche, jedoch ganz bestimmte Abweisung. Da sich unter den Knaben auch einer mit hellerer Hautfarbe und blondem Haar befindet, welcher nach Angabe des Dolmetschers einen Weißen zum Vater hat, so frage ich, ob ich denn nicht diesen Bastard einhandeln könne. Die Antwort war, daß schon der Kapitän eines Walfischfängers sich alle erdenkliche Mühe gegeben habe, dieses Kind zu erhalten, der Adoptivvater (augenblicklicher Mann der Mutter) wolle es aber nicht hergeben und halte mehr von ihm wie von seinen eigenen Kindern.

Im allgemeinen fällt mir der nette, liebenswürdige Verkehr unter diesen Eingeborenen auf. Man sieht nur freundliche Gesichter; eine freundlich gestellte Bitte von einem Erwachsenen an einen andern, von einem Erwachsenen an einen Jungen, oder umgekehrt, wird sofort ohne Zaudern mit freundlichem Gesicht gewährt. So stehen und hocken die Männer und die Jungen an den Wänden, verhalten sich anständig und im ganzen ruhig, weil wir ja ihr Interesse vornehmlich erwecken.

Während wir hier im Hause des Häuptlings sitzen, werden Geschenke für mich herbeigebracht. Der Häuptling und der Tonganer schenken mir jeder einen Strauch Bananen; von dem kleinen Pfiffigen erhalte ich zwei Hühner, fünf Eier und einige Apfelsinen. Auf meine Frage, welches Gegengeschenk ich zu geben habe, wird mir die Antwort, daß sie kein solches erwarten; wolle ich ihnen aber etwas schenken, dann würde alles, was ich nicht mehr gebrauchen könne, dankbar angenommen. Ich schenkte später den Leuten ein Messer, eine Flasche Rum, einen Sack Hartbrot, Cigarren, Streichhölzer und noch einige Kleinigkeiten.

In dem Hause war es mittlerweile unerträglich warm geworden, und da wir auch noch etwas sehen wollen, entschließen wir uns zum Aufbruch und werden nun, infolge des anhaltenden Regens, vorläufig in ein anderes Haus, eine unverfälschte ortsübliche Hütte geführt, wo wir auch Damengesellschaft finden. Die Hütten sind alle gleich, und so genügt es eine zu beschreiben.

Auf eingegrabenen Pfählen ruht ein Dach, dessen Sparren aus Bambusstäben bestehen und dessen Decke durch eine aus Palmblättern geflochtene Matte gebildet wird, welche ziemlich regendicht ist und 5-6 Jahre vorhalten soll. Mit ebensolchen Matten sind die Längswände der Hütte geschlossen, die Schmalseiten sind offen. Die Hütte ist ungefähr 10 m lang, 3 m breit und in der Mittellinie 4 m hoch. Der Fußboden der Hütte liegt etwas mehr als 1 m über dem ihn umgebenden Erdboden und wird in der Weise hergestellt, daß der innerhalb der Pfähle liegende Raum bis zu der genannten Höhe mit großen glatten Steinen ausgefüllt wird, sodaß das etwa durch das Dach sickernde Wasser zwischen den Steinen ablaufen kann; auch wird das Ungeziefer, wie Ameisen u. s. w., wol die glatten Steine meiden. In solcher Hütte sitzt man luftig, kann aber die andachtvolle Ruhe und die herrliche Scenerie nicht genießen, denn der Schöpfer hat dafür gesorgt, daß diese Menschen, welche sonst in paradiesischer Trägheit ihr Leben verbringen, auch Bewegung finden. Denn wie bei uns die Thiere im Walde und auf der Weide durch allerlei Geschmeiß zu fortwährender Bewegung getrieben werden, so peinigen hier ungezählte Massen von Fliegen die Menschen. Sie sind eine wahre Landplage, und alles Fächeln unserer braunen Freunde hält sie von ihren eigensinnig wiederholten Angriffen nicht ab. So begrüßen wir es als eine wahrhafte Erlösung, als es endlich aufhört zu regnen. Das Anerbieten des Tonganers, mich auf die nächste Höhe zu führen, um von dort aus einen Ueberblick über das ganze landschaftliche Bild zu erhalten, mußte ich der vorgerückten Zeit wegen ablehnen und wir gehen statt dessen an den Strand zu den dort liegenden Hütten und der dort in größerer Zahl versammelten Damenwelt. Wir werden überall freundlich empfangen, die Verständigung erfolgt durch Zeichen und Lachen, und die so geführte Unterhaltung hält sich in den Grenzen feinen Anstandes; die berichtete Schamlosigkeit und Gemeinheit können wir hier nicht entdecken.

Der Anzug der Frauen besteht theilweise, und wol nur bei den Wohlha-benderen, aus dem bei der Häuptlingsfrau schon beschriebenen langen Hemde, in der Regel aber nur aus einem Stück Zeug aus Baumwolle oder selbstfabricirtem Stoff, welcher aus der Rinde des Maulbeerbaumes gefertigt wird. Der Anzug wird mit diesem in der Weise hergestellt, daß das Zeug unter den Armen um den Leib geschlungen wird und dann bis zur Erde reicht, beim Sitzen aber bis zu den Hüften heruntergleitet.

Ich unterscheide unter den hier versammelten Frauen vier verschiedene Typen, welche wahrscheinlich durch wiederholte Kreuzung entstanden sind. Die große Mehrzahl hat stark krauses schwarzes Haar, welches bis zur Schulter reicht und nach allen Seiten ungefähr 15 cm weit absteht, große schwarze brennende Augen, breite aber wohlgeformte Nase, großen Mund und hellbraune Hautfarbe. Eine zweite Klasse hat dasselbe Haar, jedoch mit röthlichen Strähnen durchzogen, kleinere Augen und Nase und ist kleiner an Körper. Die dritte Klasse hat schlichtes schwarzes Haar, welches auch nur bis zur Schulter reicht und wol der Mode halber abgeschnitten ist, eine schmale schöne Nase, stimmt jedoch sonst mit der ersten Klasse überein. Die vierte Klasse hat nur einige wenige Vertreterinnen; sie haben schlichtes schwarzes Haar, große schwarze sinnende Augen, feine leicht gebogene Nase, kleinen Mund und eine ganz hellgelbe Hautfarbe. Bis auf die zweite Klasse sind alle über Mittelgröße, einige sind sehr groß. Die Körperformen sind bei allen ebenmäßig und schön; alle sind gut gewachsen und haben volles üppiges Fleisch. Die der Insel ursprünglich angehörige Rasse glaube ich in der ersten Klasse zu finden, wogegen die vierte Klasse, welche man für Südeuropäer halten kann, wahrscheinlich viel weißes Blut hat. Ehe ich zu beweisen suche, weshalb man bei den Männern nicht so scharf ausgeprägte Typen unterscheiden kann, muß ich noch einer Frau der vierten Klasse Erwähnung thun. Auf dem hochgelegenen Fußboden eines Hauses saß halb mit dem rechten Bein, das linke auf dem Erdboden, an dem äußern Rand eine lichte Gestalt in unnachahmlicher Grazie, den rechten gekrümmten Arm gegen einen Pfahl lehnend, den schön tätowirten linken Arm mit der Hand im Schoß, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Der obere Theil ihres Gewandes ruhte auf den Hüften. Sie war eine vollendete Schönheit und sollte, soweit die Eingeborenen rechnen können, 35 Jahre alt sein. Ich konnte dem von ihr ausgehenden Zauber nicht widerstehen und trat mit dem Dolmetscher näher heran, zumal ich auch nicht glauben konnte, daß dieses zarte feine Gesicht und der jugendlich üppige Körper in diesem Klima schon 35 Sommer gesehen haben sollen. Trotz ihrer freundlichen Begrüßung lag im Auge der Frau so viel Abweisendes, als ob sie sagen wollte: „Rühre mich ja nicht an!“ Ich ließ ihr durch den Dolmetscher sagen, daß ich mir gern ihren tätowirten Arm ansehen möchte, worauf sie mir mit zufriedener Miene ihre kleine, schön geformte Hand reichte, damit ich mir das Muster, welches ich weiter unten beschreiben werde, genau ansehen konnte.

Daß man in dem Aussehen der Männer so wenig Verschiedenheit findet, liegt wol hauptsächlich in der Tätowirung. Die früher genannten vier Insulaner in europäischer Kleidung, welche sämmtlich nicht im Gesicht tätowirt sind, haben dagegen ganz verschiedene Gesichtszüge, doch gehören nur zwei von ihnen dieser Insel an, und von diesen ist der Häuptling groß mit breiter gebogener Nase, der Pfiffige klein mit langer schmaler Nase. Dies beweist aber auch noch nichts, weil auf den Südsee-Inseln die Häuptlinge immer größer an Gestalt sind und andere Gesichtszüge haben, als ob sie einer andern Rasse angehörten. Als besonders auffällig erschien mir bei unserm kurzen Besuch, daß sowol die nackten tätowirten Männer als auch die Jungen unter sich alle gleich aussehen. Die Männer haben durchgehends krauses schwarzes Haar, dunkle Augen, theilweise gebogene, theilweise breite Nasen, und man muß sehr genau hinsehen, um aus diesen bunten Gesichtern überhaupt bestimmte Formen herausfinden zu können. Die Jungen haben schlichtes kurzes Haar, große Augen, großen Mund und ebenfalls theilweise gebogene, theilweise breite Nasen.

Noch einmal auf die Frauen zurückkommend muß ich erwähnen, daß sie das Haar in der Mitte gescheitelt tragen und anscheinend in guter Pflege halten, denn bei ihnen waren ebenso wenig wie bei den Männern Spuren von Ungeziefer zu entdecken. Die Frauen tätowiren sich in die Lippen senkrechte blaue Striche ein, welche so unmotivirt sind und mit keinerlei Gesichtszügen in Verbindung stehen, daß sie das Gesicht entschieden verunstalten. Während die frühern Reisebeschreibungen sagen, daß die Frauen nur auf den Lippen tätowirt sind, haben wir diese Sitte bei ihnen auch auf andere Körpertheile ausgedehnt gefunden. Wie ich schon erzählt habe, hat die Frau des Häuptlings Arme und Beine tätowirt, wir finden dasselbe hier am Strande noch bei mehrern andern Frauen. Die Tätowirung des Armes reicht in der Regel von den Mittelgelenken der Finger bis zu dem halben Unterarm, besteht aus sich kreuzenden feinen Linien, welche ziemlich dicht zusammenliegen, auf dem Rücken der Hand und vor dem Abschluß am Arm aber ein offenes spitzenähnliches breites Band bilden, sodaß es aussieht, als ob die betreffende Person fein gewirkte lange Filethandschuhe anhabe; bei der Häuptlingsfrau geht das Muster bis zur Schulter. Die Tätowirung des Beines erstreckt sich von den Zehen über den Fuß und das ganze Bein bis zu den Hüftgelenken, bei einzelnen jedoch nur bis etwas über das Knie, und hier konnte man wähnen, feine Filetstrümpfe nach französischem Modell vor sich zu haben. Als wir den Wunsch äußern, ein solches Bein zu sehen, zaudert das betreffende Mädchen erst, schlägt aber nach Aufforderung der umstehenden Männer sichtlich verschämt das Tuch so weit zurück, daß man das Bein sehen kann. Es hat schöne Formen, reiche und schöne Muster, die Haut ist zart und weich.

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Bild: Tätowirungsmuster. Linker Oberarm - Schienbein

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Bild: Tätowirungsmuster. Fuß - Seitenansicht des Fußes. - Linke Brust.

Das Tätowiren der Männer nimmt viele Jahre in Anspruch, denn es beginnt mit dem 14. Lebensjahr und wird so ziemlich bis zum Lebensende fortgesetzt. Eine solche Procedur auf einmal ohne Unterbrechung ausgeführt würde vielleicht ebenso den Tod nach sich ziehen, als wenn ein Mensch bis zu zwei Drittel seiner Hautfläche verbrüht wird. Die ersten Linien werden im Gesicht, an Händen und Füßen angelegt, und die Arbeit, welche nach meiner Schätzung mehr als 30 Jahre in Anspruch nimmt, wird mit dem vorschreitenden Alter weiter durchgeführt; wenigstens habe ich nur einen Mann gesehen, welcher in dieser Beziehung als fertig angenommen werden konnte, und dieser war etwa 50 Jahre alt.

Bei den Mädchen ist es wegen der geringern in Betracht kommenden Hautfläche angängig, die ganze Procedur auf einmal auszuführen und diese soll auch nach dem 14. Lebensjahr bei Gelegenheit von Festen in einem Act ausgeführt werden. Ob es für die Mädchen wirklich ein Fest? Ich habe es in meinen jungen Jahren auch gekostet, wie das Tätowiren thut, und kann nur sagen, daß ein ganz kleines Stück schon schmerzhaft genug ist.

Die Füße und Hände der Frauen sind klein und gut geformt. Die Ohrläppchen haben sehr große Löcher, dieselben sind aber nicht für Ohrringe bestimmt, sondern nehmen Blumen und kleine Sträuße auf. Das Gebiß ist, soweit ich sehen konnte, durchweg gesund, schneeweiß und wird sauber gehalten.

Mit zwei oder drei Ausnahmen habe ich keine kleinen Mädchen gesehen. Meine Frage, ob sie die Mädchen als überflüssig gleich nach der Geburt erwürgten, wurde mit Entrüstung verneint und behauptet, daß diese alle weiter oben in dem sich durch das ganze Thal erstreckenden Dorf seien, wo noch 400 Menschen wohnten. Leider konnte ich mich nicht lange genug auf dieser Insel aufhalten, um noch Zeit für einen Ausflug nach dem obern Dorf zu finden.

Allmählich wird es Zeit, an den Rückweg zu denken, und ich schaue mich nach meinen Sachen um, an die ich gar nicht mehr gedacht hatte. Zu meiner Ueberraschung sehe ich einen ganzen Trupp Männer und Jungen, welche mir dieselben nachtragen. Einer hat meinen Rock, welchen ich der Hitze wegen ausgezogen hatte, ein anderer meinen Schirm, wieder einer meine Bananen u. s. f. Wir nahmen nun Abschied von den Damen, ich ziehe meinen Rock an und entdecke zu meiner Verwunderung, daß kein Stück der in den Taschen vertheilten Kleinigkeiten fehlt, nicht einmal die Schachtel mit Zündhölzern, welche in der jetzigen Regenzeit fast der begehrteste Artikel ist. Die andern Sachen lasse ich den Trägern noch und wir begeben uns nun, nachdem wir der großen Branntweinflasche noch einen Besuch abgestattet hatten, zurück auf den bedenklichen Klippenweg, wo es uns diesmal nicht so gut gehen sollte wie auf dem Herweg, denn als ich an einer Stelle, welche mir durchaus sicher erschien, einen Augenblick stehen blieb, um mit dem mir nachfolgenden Offizier einige Worte zu wechseln, hörten wir beide den Warnungsruf unsers Führers zu spät, standen plötzlich bis unter die Arme im Wasser und lagen dann zwischen den Klippen; dasselbe passirte auch dem größten Theil der Offiziere, weil alle auf dem Rückweg zu unaufmerksam waren. Glücklicherweise nahm indeß keiner größern Schaden; einige Risse in den Hosen und in der Haut waren das ganze Opfer.

Ehe wir das Dorf verließen, fragte mich der kleine Pfiffige, ob ich denn vorher nicht noch eine Frau haben wolle? Als ich darauf die Gegenfrage stelle, ob dies denn angängig sei, sagte er, ich solle mir nur eine aussuchen, denn mit Ausnahme der Häuptlingsfrau ständen alle Frauen und Mädchen des Dorfes zu meiner Verfügung. Um den Mann nicht zu verletzen und die Sache doch kurz abzubrechen, gab ich ihm zur Antwort, daß es dafür heute schon zu spät sei, weil ich auf das Schiff zurück müsse. „Gut“, sagte mein Freund, „ich werde dann zu morgen die Schönsten aussuchen.“ Diese kurze Unterhaltung brachte mich auf den Gedanken, mit den uns begleitenden Männern einige Frauen mit an Bord zu nehmen, damit sie sich das Schiff ansehen und etwas Musik hören könnten. Kaum ausgesprochen — und mein Führer ist schon auf dem Wege, die Einladung weiter zu befördern. Wir gingen weiter nach dem Boot, wo ich den eben wieder eintreffenden Eingeborenen frage, wie es denn mit den Frauen sei, da ich noch keine auf dem Wege sähe. Er sagt nun kleinlaut, daß sie nicht kommen wollten, da sie sich nicht auf ein so großes Schiff trauten. Als ich eine nähere Erklärung dieser mir unverständlichen Rede forderte, erzählte er, daß vor mehrern Jahren einmal alle Frauen auf einem französischen Kriegsschiff gewesen und dort so mishandelt worden seien, daß sie auf kein Kriegsschiff mehr gingen. Da es heute zu spät geworden war, in der Sache noch etwas zu thun, wiederholte ich meine Einladung für morgen mit dem Bemerken, daß alle Eingeborenen, Männer, Frauen, wie Kinder meine Gäste seien, und diese Einladung wurde mit Freuden angenommen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739481357
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
Schiffahrt Marine Expeditionsreise Südsee SMS Ariadne

Autoren

  • Thomas F. Rohwer (Autor:in)

  • Bartholomäus von Werner (Autor:in)

Thomas F.Rohwer beschäftigte sich als Journalist mehrere Jahrzehnte besonders auch mit Militär- und Marine-Themen und berichtete u.a. auch aus verschiedenen Krisen- und Kriegsgebieten in aller Welt. In der Kleinen Maritimen Bibliothek veröffentlicht er neu herausgegebene und editierte Klassiker der Marine-Literatur.
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Titel: Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee