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All your dirty Secrets

von J. K. Mooning (Autor:in)
453 Seiten
Reihe: All your dirty Secrets, Band 1

Zusammenfassung

Regel Nummer eins, wenn du einen neuen Job anfängst: Finger weg von deinem (heißen) Kollegen! Cathy bekommt die Chance ihres Lebens und fängt als Hauptdarstellerin bei der Serie „Deadly Races“ an. Sie glaubt, ihren Traum von der großen Schauspielkarriere endlich ausleben zu können. Die goldene Regel, keine sexuellen Beziehungen innerhalb des Filmsets einzugehen, ist für sie kein Problem, denkt sie. Ein kleiner One-Night-Stand am Tag vor Drehbeginn mit einem mysteriösen Fremden kann allerdings nicht schaden, glaubt sie. Als jedoch genau dieser Typ am nächsten Morgen am Filmset als Stuntman antritt, gerät ihre Welt ins Wanken. Von nun an sollen sie täglich eng zusammenarbeiten. Viel Zündstoff liegt in der Luft und das liegt nicht nur an den heißen Stunts und dem schleimigen Produzenten, der ein Auge auf Cathy geworfen hat. Achtung: Cliffhanger, Teil 2 ist bereits erschienen. Dieses Buch ist eine Neuauflage des Romans mit dem Titel „Hollywood Nights“ und „Ein Stuntman zum Verlieben“.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. 3

2. Kapitel 1 - Cathy 4

3. Kapitel 2 - Ryan 28

4. Kapitel 3 – Cathy 57

5. Kapitel 4 - Ryan, 5 Tage später 83

6. Kapitel 5 – Cathy, unmittelbar nach dem ersten Treffen am Set 111

7. Kapitel 6 – Ryan 138

8. Kapitel 7 - Cathy 163

9. Kapitel 8 – Ryan 192

10. Kapitel 9 – Cathy 223

11. Impressum 249

12. LESEPROBE von Kat Lawrence: Panther Nights – The Fight 250

13. Leseprobe von Mara Shepherd 260

 

 

 

ALL YOUR DIRTY SECRETS

 

 

Ein Liebesroman in zwei Bänden

Teil 1

Von J.K. Mooning

 

 

Inhalt:

 

Regel Nummer eins, wenn du einen neuen Job anfängst: Finger weg von deinem (heißen) Kollegen!

 

Cathy bekommt die Chance ihres Lebens und fängt als Hauptdarstellerin bei der Serie „Deadly Races“ an. Sie glaubt, ihren Traum von der großen Schauspielkarriere endlich ausleben zu können. Die goldene Regel, keine sexuellen Beziehungen innerhalb des Filmsets einzugehen, ist für sie kein Problem, denkt sie.

Ein kleiner One-Night-Stand am Tag vor Drehbeginn mit einem mysteriösen Fremden kann allerdings nicht schaden, glaubt sie.

Als jedoch genau dieser Typ am nächsten Morgen am Filmset als Stuntman antritt, gerät ihre Welt ins Wanken.

 

Von nun an sollen sie täglich eng zusammenarbeiten. Viel Zündstoff liegt in der Luft und das liegt nicht nur an den heißen Stunts und dem schleimigen Produzenten, der ein Auge auf Cathy geworfen hat.

 

Dieses Buch ist eine Neuauflage des Romans mit dem Titel „Hollywood Nights“ und „Ein Stuntman zum Verlieben“.

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Werkes oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne meine schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1.

2. Kapitel 1 - Cathy

Wut wallte in Wogen durch meinen Körper, obwohl das Gespräch mit meinem Vater bereits mehr als drei Stunden zurücklag. Wie so oft hatte er mir versucht ins Gewissen zu reden, die Schauspielerei sein zu lassen und stattdessen das Studium zu beginnen. Meinen Wunsch, eine berühmte und begehrte Schauspielerin zu werden, hielt er für Unsinn – noch immer. Längst lag mir ein Vertrag für eine neue Serie vor, die meinen Bekanntheitsgrad auf neue Ebenen tragen sollte. Vorher war ich ein Niemand gewesen, da lag mein Vater richtig, aber jetzt standen mir alle Türen und Tore offen. Endlich war ich nicht mehr auf unbedeutende Nebenrollen oder Hauptrollen in billig produzierten Indiefilmchen angewiesen, die später nur direkt auf Video erschienen. Und jetzt im Moment war ich mit meinem Auto unterwegs zu einem der bekanntesten Produzenten. Er hatte mich entdeckt und für sein neuestes Projekt engagiert, was einem Sechser im Lotto gleichkam. Als ich die gute Nachricht bei meinem Vater vor etwas mehr als drei Stunden ansprach, war er in hämisches Gelächter ausgebrochen. Nicht einmal die Erwähnung des Produzenten „Rodney Rod Chimney“, hatte ihn umstimmen, ihn von seinem Standpunkt stoßen können. Schauspielerei war, genauso wie das Musizieren, eine brotlose Kunst, die früher oder später in die Armut führte, wie es bei meinem Bruder Ken der Fall war.

Naives Dummerchen!, Worte, die mir tief in die Seele stachen, scharfe Splitter hinein jagten, die das ohnehin schwierige Verhältnis zu meinem Vater weiter belastete. Ging es nach ihm und meiner Mutter, die ihm selten widersprach, sollte ich wie meine Vorzeigeschwester Kendra Schönheitschirurgin werden.

„Kendra, der Stolz der Familie“, knurrte ich, ehe ich mit bitterem Blick in den Innenspiegel schaute.

Seufzend folgte ich dem Straßenverlauf, vorbei an meterhohen Hecken, breiten Automatiktoren und teilweise mit Stacheldraht abgesicherten Mauern. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Zäune hier in dem Villenviertel unter Strom standen, um Unbefugten den Übergang zu vergällen. Kein einziges Haus sah ich von der Straße aus, die lagen scheinbar alle eingebettet in mehrere Hektar große Grundstücke. Ich schluckte. Nein, hier wohnte garantiert niemand, der von der Hand im Mund lebte, hier residierte die Creme de la Creme von Hollywood. Filmmoguls und bestbezahlte Schauspieler.

Vor dem Anwesen Rod Chimneys standen zwei muskelbepackte Männer in schwarzen Anzügen mit Sonnenbrillen. Ein Anblick, der mir im ersten Moment Angst bescherte, dann Respekt einflößte, Herr Chimney schien es nötig zu haben, sein Anwesen von solchen Kerlen bewachen zu lassen. Wie es aussah, war das Grundstück besser bewacht als der Palast der Queen.

Scheu ließ ich das Fenster meines Sedan runter und streckte meinen Kopf raus, um dem entgegenkommenden Mann ins Gesicht zu sehen. Automatisch tastete ich zum Beifahrersitz, auf dem ein Briefumschlag großes Kärtchen lag, das meine Einladung für die Produzentenparty darstellte. Als der dunkelhaarige Mann die Karte für mich eine gefühlte Ewigkeit lang gemustert hatte, reichte er sie mir zurück und nickte.

Sehr freundlich, schoss es mir durch den Kopf und ich wollte nur noch weg von hier, weg von den Kerlen, die statisch wie Roboter agierten. Ein ungutes Gefühl durchfuhr mich, dass ich am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht hätte, um zurück in meine kleine Wohnung zu fahren. Die Verlockung war jedoch zu groß. Unmöglich durfte ich die Chance auf ein regelmäßiges, hohes Einkommen, immerhin zwanzigtausend Dollar pro Folge, an mir vorbeiziehen lassen. Von zwei bereits fertig geschriebenen Staffeln a zwanzig Episoden war die Rede gewesen, rief ich mir ins Gedächtnis. Als Drehzeit waren grob zwölf Monate angesetzt.

Während ich mich an das Gespräch vor einer Woche mit Chimney in seinem kalt eingerichteten Büro zurückerinnerte, kribbelte es seltsam in meinem Bauchraum. Eine Mischung aus Furcht und Aufregung. Es war eine völlig neue Erfahrung für mich, ob ich nun zwanzigtausend für einen belanglosen abendfüllenden Direct-to-Video-Film erhielt oder pro sechzig Minuten lange Einzelepisoden. Es trieb mir Tränen in die Augen, dass ein großer Produzent wie Chimney einer war, so viel Vertrauen in mich setzte, indem er mich zu einem der beiden Hauptdarsteller seiner neuen Erfolgsserie machte. Er hatte mich in meiner letzten Billigproduktion – ein Actionstreifen – gesehen und mein scheinbar großartiges Talent erkannt. Jedes einzelne seiner Worte hallte in meinem Gedächtnis wider, sie klangen beinah zu schön, um wahr zu sein. Oder besser gesagt, um wahr zu werden. Ich sah mich nach wie vor am Anfang meiner Karriere. Wenigstens reichte das Geld, was ich mit meinen Auftritten verdiente, um ein für mich angenehmes Leben zu führen. Den großen Luxus brauchte ich nicht, dafür stand ich sonst mit beiden Beinen im Leben.

Bei Erfolg seiner neuen Serie versprach mir Rod Chimney, in Hollywood als Mr Goldfinger bekannt, eine steile Karriere und vielversprechende Rollen. Er sah mich bereits gemeinsam mit Stars wie Johnny Depp oder Halle Barry vor der Kamera stehen und einen Oskar gewinnen. Ich war klar genug im Kopf, um jeden Schritt nach und nach zu gehen, nichts zu überstürzen und im Voraus zu beschreien. Aus Erfahrung wusste ich, dass nicht alles Gold war, was glänzte und die berufliche Niederlage meines Bruders gab mir zu denken. Er hatte vor zwei Jahren einen Hit und gut verdient, worauf er sich auf seine Musikkarriere fokussierte. Leider gelang es ihm nie mehr wieder, einen Hit zu landen und seitdem zog er mit seiner Gitarre von Bar zu Bar. Davon lebte er leidlich, lieh sich immer wieder mal Geld bei mir, wenn es arg eng wurde, da er für meine Eltern gestorben war. Für sie war er so was wie das schwarze Schaf der Familie, nur weil er seinen Träumen gefolgt war, statt Chirurg zu werden. Wenn man mich fragte, lag es nicht daran, dass Ken kein Talent hatte, er hatte einfach Pech gehabt. Leider hatte er auch das verdiente Geld sinnlos für teure Autos und Alkohol verprasst. So sah es aus. Trotzdem hielt ich zu ihm, ich liebte Ken so, wie er war und er liebte mich so, wie ich war.

Chimneys steril wirkendes Büro, an das ich mich noch deutlich erinnern konnte, spiegelte seinen privaten Wohlstand nicht wider. Der Luxus, der mich erwartete, als ich den gefühlt endlosen Weg durch den Park hinter mich gebracht hatte, haute mich beinahe um. Das Haupthaus ließ mit seiner Eleganz meinen Atem stocken. Säulen umrahmten die Villa mit den zwei Etagen, vor der ein Springbrunnen mit wasserspeienden steinernen Engeln stand. Ich hielt direkt vor dem Eingang, vor dem zwei Männer in Fracks mir entgegen kamen. Einer davon nahm mir prompt meinen Wagen ab, mit dem ich mir angesichts des luxuriösen Hauses billig vorkam. Er fuhr ihn um die Ecke, um ihn zu parken, der andere Angestellte geleitete mich ins Haus.

„Cathelyn Bruckheimer“, stellte ich mich rasch vor.

„Mr Chimney erwartet Sie bereits. Kommen Sie!“

Mit sanftem Druck an meinem Unterrücken dirigierte mich der schwarzhaarige, geschniegelte Mann durch die riesige Eingangshalle, die mit etlichen Büsten geschmückt war, hinüber in die Wohnräume. Ein Gewirr von Stimmen drang an meine Ohren, scheinbar tummelten sich viele Menschen auf der Party. Ich fand kaum Zeit, das Innenleben der Villa zu bestaunen, die selbst das nicht gerade kleine Landhaus meiner Eltern in Sachen Größe in den Schatten stellte. Plötzlich flog vor mir die zweiflügelige Zwischentür auf. Ich spürte, wie Hitze in mir aufstieg. Meine Wangen wurden heiß und sicherlich auch knallrot, als ich die Menschen erblickte, die für mich den beruflichen Durchbruch bedeuteten. Damit einher gingen etliche Fragen, die mich plagten.

Trage ich angemessene Kleidung? Sieht man in meinem Gesicht keine Pickel? Ist mein Haar okay? Angesichts der in Maßanzügen oder Designerkleidern gehüllten Menschen, die allesamt aussahen wie einem Modekatalog entsprungen, fühlte ich mich fehl am Platz. Nie zuvor war ich auf solch einer rauschenden, überbordenden Party geladen gewesen, wenn ich von den Festen meines Vaters einmal absah. In einer Ecke, in der mehrere cremefarbene Ledersessel um einen runden Tisch aus dunklem Holz standen, meinte ich, die Stars eines aktuellen Blockbusters auszumachen, den ich vor ein paar Tagen gemeinsam mit meinem Bruder im Kino gesehen hatte. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Mit meinen zwanzigtausend Dollar pro Film kam ich mir gegenüber diesen Gagenmillionären bedeutungslos vor. Wie ein winziges Sandkorn in der Wüste, oder ein Zahnrädchen im riesigen Getriebe. Unter zwei Millionen Dollar ging bei diesen Stars in der Sitzecke gar nichts. Pro Film versteht sich.

„So viele Menschen und ich kenne keinen einzigen davon, um mich einfach so mal eben dazuzugesellen“, flüsterte ich beschämt.

Hilflos sah ich mich weiter um, suchte den leicht untersetzten, beleibten Mann mit der Halbglatze, dem ich meine Einladung zu verdanken hatte.

Ohne es bewusst wahrzunehmen, strich ich mir laufend über meine heißen Wangen und erschrak, als zwei Hände sich auf meine Schultern legten. Ein strenger Duft eines Parfums biss in meine Nasenschleimhäute, unter den sich die Note von Zigarrenrauch schlich.

„Hallo Cathelyn, schön, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben. Genießen Sie den Abend mit den anderen Schauspielern der Serie. Machen Sie sich vorab bekannt, keiner wird Sie beißen.“

Sein kratzendes Gelächter knallte mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Er schien sich selbst nicht so ernst zu nehmen, wie der Luxus den Anschein machte. Solche Menschen liebte ich ja, ironisch gemeint, hatte ich in der Vergangenheit einige negative Erfahrungen mit Personen seiner Art gemacht. Dennoch gab ich mich gelassen, schließlich war ich auf seine Gunst angewiesen, denn mit ihm stand und fiel meine Karriere.

„Nehmen Sie sich Cocktails und Häppchen, Cathy … ich darf Sie doch Cathy nennen?“

Er zwinkerte mir zu, während er mit seiner rauchig einzigartigen Stimme sprach und mir die ganze Zeit über streng in die Augen blickte. Obwohl er mich gefragt hatte, kam es einem Befehl gleich, worauf ich sofort nickte.

„Gut, gut. Also Cathy, fühlen Sie sich wie zu Hause. Wir sehen uns später sicher noch mal.“

Ein tiefer Bariton ließ seine Stimme derber klingen, als seine Figur den Anschein machte, er war klein gewachsen und ging mehr in die Breite. Auf seiner Stirn glänzten vereinzelte Schweißperlen, stellte ich bei einem genaueren Blick fest. Noch immer lagen seine behaarten Hände auf meinen Schultern, strahlten Hitze aus, während er grinste. Seine dunklen Augen funkelten, ehe sie sich leicht verdunkelten. Für eine Sekunde erkannte ich Gier in ihnen, was mir eine Gänsehaut einbrachte. Es schüttelte mich innerlich. Dann verschwanden seine Hände, wobei er mir die rechte hinhielt.

„Angenehm“, sagte ich und nahm seine Hand an.

Sein Händedruck war hart, ganz, als wollte er meine Hand zerquetschen, doch ich unterdrückte ein schmerzvolles Aufstöhnen.

Nachdem er mich nach einer gefühlten Ewigkeit aus seinen Pranken entlassen und mir den Rücken zugedreht hatte, widmete ich mich einem Cocktail, den ich von einem Tisch nahm. Es gab sie in allen Farben und Glasformen bestückt mit allerlei exotischem Obst. Farben wie ein Regenbogen wohlschmeckend süß oder auch herb, je nachdem, was dort an Alkohol drin war. Mein Cocktail war rotorange wie ein Sonnenaufgang, schmeckte herrlich süß nach Mango und Maracuja mit einer feinen alkoholischen Note. Da ich nicht der Kenner in Sachen Alkohol war, wusste ich nicht, was in dem Cocktail war. Ich hatte ihn zügig ausgetrunken und ehe ich mich versah, das leere Glas gegen ein volles ausgetauscht, diesmal himmelblau. Das leere Glas stellte ich auf die andere Seite des Tisches an der Wand, wo die Gläser von einer herbei eilenden Dame im schwarz-weißen Dress abgeholt wurden.

Nach dem dritten Cocktail spürte ich, wie die Spannung von mir abfiel und ich locker in die Runde schaute. Überall standen kleine Grüppchen, die sich geschäftig miteinander unterhielten, wobei mir eine Blondine und ein äußerst gut gebauter Mann mit sonnengebräunter Haut ins Auge fiel. Er erinnerte mich an den Schauspieler Taylor Lautner. Die Blondine war Tina Macintosh, eine der Darstellerinnen der Serie, ergo musste der augenscheinliche Mann lateinamerikanischer Abstammung ebenfalls zum Team gehören. Neben den beiden standen weitere Schauspieler, die ich nach und nach der Truppe der neuen Serie zuordnete. Die Serie, bei der ich eine der Hauptrollen übernehmen sollte. Etwas zwang mich, mich dazuzugesellen, während ein anderer Teil in mir schrie, auf der Stelle stehen zu bleiben.

„Verdammt Cathy, reiß dich am Riemen!“, sprach ich bei mir und drehte mich um.

Neben mir stand ein hochgewachsener sehr schlanker Mann im Frack, dessen Alter ich nur schwer einschätzen konnte. Seine dunkelblonden Haare waren akkurat zu einem Seitenscheitel gekämmt.

Staunend musterte ich die verschiedenen Häppchen, die er auf der Aluplatte mit sich führte und mir darbot. Darunter waren welche mit Lachs, Kaviar und anderen Meeresfrüchten. Ich nahm mir zwei, eines mit Garnelen, das andere mit Lachspastete.

„Wenn Sie etwas anderes wünschen, Madame, bedienen Sie sich einfach.“

Er wies mit einer allumfassenden Geste in den Raum, in dem ich bei genauerem Hinschauen andere Angestellte mit ähnlichen Platten herumlaufen sah. Mein Magen knurrte bei dem Anblick, der sich mir bot. Obwohl ich durchaus von Haus aus gutes Essen gewohnt war, erreichten die edlen Häppchen noch mal eine andere Dimension. Der Hausherr hatte weder Geld noch Mühen gescheut, seinen Gästen das bestmögliche zu bieten.

Dankend nickte ich dem Mann zu, der es mit einem kurzen Kopfnicken erwiderte und dann weiterging, um die vom Luxus verwöhnten Leute zu bedienen. Mir war der Luxus hier ein bisschen zu viel, stellte ich schnell fest und spürte den Knoten, der sich in meinem Magen festsetzte und immer dicker wurde. Der schwarze Marmor, der den Bereich des Hauses dominierte, schien mich zu erdrücken, die Wände auf mich zuzukommen. Das Gerede der vielen Leute baute sich zu einer Welle über mir auf, dass ich mich erst mal setzen musste, dazu taten die süßen Cocktails ihr übriges.

Ich aß beide Häppchen und beobachtete von einem Ledersessel in einer ruhigen Ecke aus das geschäftige Treiben. Immer wieder fiel dabei mein Blick auf den schönen Latino, der sich unbewusst öfter durch seine rabenschwarzen Haare fuhr. Wer war er und welche Rolle spielte er in der neuen Serie? Spielte er überhaupt eine Rolle darin? Von Chimney wusste ich, dass mein Partner in der Serie Simon Sparrow sein sollte, ein strohblonder Hüne, bekannt aus diversen Actionstreifen und Frauenheld. Von ihm war nichts zu sehen. Ob er heute nicht hier war wegen anderer Termine? Sparrow war bekannt dafür das zu tun, wozu er Lust hatte und nicht auf jeder Party zu erscheinen – ein eigensinniger Schauspieler, der sich auf seinem Beliebtheitsgrad ausruhte. Ein Luxus, den ich mir leider (noch) nicht leisten konnte, sonst wäre ich dieser steifen Party fern geblieben.

Ich sah kurz auf mein Smartphone, um zu schauen, ob ich eine Nachricht von meinem Lebensgefährten Dax erhalten hatte und blickte dann auf. Es traf mich wie bei einem Stromschlag. Diese funkelnden Augen fixierten mich, mich allein, und als sich ein geheimnisvolles Lächeln auf die Lippen des Latinos legte, kribbelte es in meinem Magen. Ich schluckte und schloss die Augen, umklammerte mein iPhone, damit es mir nicht aus der Hand rutschen konnte. Er sah mich an wie einen Engel, obwohl ich unter den vielen fein gekleideten Leuten sicher die graue Maus war. Wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein, rief ich mich zur Ordnung, denn ein Bild von einem Mann wie er, konnte sicher Jede haben.

Als ich mich wieder soweit unter Kontrolle gebracht hatte, mein heftig schlagendes Herz ignorierend, sah ich wieder auf mein Handy, nur um keine neue Nachricht vorzufinden.

„So ein Arsch“, raunte ich, stand auf und strich mir mit einer nervösen Geste das Kleid glatt.

Dax hatte mir nicht geschrieben, warum auch. Manchmal kam es mir so vor, als hätte er kein Interesse an unserer Beziehung und es ging ihm nur darum, im Ansehen weiter zu steigen. Dax war bei meinem Vater in der Klinik angestellt, erhoffte sich durch eine Beziehung mit mir, eines Tages Teilhaber zu werden. Offiziell verneinte er das natürlich, wie klang das auch? Die Wahrheit aber war, dass unsere Beziehung, vom gelegentlichen, lieblosen Sex mal abgesehen, mehr oder weniger in den Köpfen der Leute und im Kopf meines Vaters existierte, eine Scheinbeziehung. Ich fühlte mich von Dax, dem schwarzhaarigen Südstaatler, wenig wertgeschätzt. Vor allem seine Art mir klarzumachen, dass ich es wäre, die die Beziehung blockiere, ärgerte mich maßlos. Dabei war er es, der es, der meine Versuche etwas zu unternehmen, gemeinsam Urlaub zu machen oder Essen zu gehen, ständig boykottierte. An allem war immer nur ich schuld, niemals er. Die Folge davon war diese lieblose, kalte Beziehung, die wir nach nur einem halben Jahr zusammen führten. Gott sei Dank lebten wir noch in getrennten Wohnungen, wenn es nach meinen Eltern ging, sollten wir schnellstmöglich heiraten und Nachwuchs zeugen. Meinem Vater ging es einzig und allein um sein Ansehen und den Fortbestand der Klinik, obgleich dafür sicher meine Schwester sorgte.

Dass die Lautstärke stetig zunahm, bekam ich während meiner Grübelei nur halbherzig mit. Aus meinen Gedanken gerissen wurde ich erst, als mich jemand anrempelte. Mein Cocktail schwappte über den Zuckerrand des Glases, klebte unangenehm zwischen meinen Fingern.

„Verdammt“, stöhnte ich.

Als ich mich umdrehte, war der Übeltäter natürlich nicht mehr auszumachen und ich konnte niemanden für den Fleck auf meinem Kleid auf Brusthöhe belangen. Niemand schien mich wahrzunehmen, noch immer nicht, und ich selbst traute mich nicht, den ersten Schritt auf einen aus der illustren Riege zuzumachen. Meine Beine fühlten sich an wie mit Gummi gefüllt, ich kam mir wie mit dem Boden verwachsen vor. Was war nur los mit mir? So schüchtern kannte ich mich nicht.

„Reiß dich zusammen, Cathy! Wenn du in Zukunft zu den Stars und Sternchen gehören willst, musst du dich wohl oder übel mit diesen Partys arrangieren.“

Ich riss mich von meiner Stelle, auf der ich gefühlt seit Stunden gestanden hatte. So schnell wie möglich wühlte ich mich durch die angeheiterten, nach teurem Parfum duftenden Leiber, bis mir frische Luft entgegenwehte. Endlich draußen! Tief einatmend reckte ich meine Nase in den lauen Wind und schloss für einen Moment meine Augen. Alles um mich herum band ich aus, fühlte mich frei von Zwängen. Was gäbe ich dafür, in meiner gemütlichen Dreizimmerwohnung im Haus des alten Ehepaares Fletcher zu sitzen, dem Flackern der Kerze auf dem Stubentisch zuzusehen und mich bei einem Glas Rotwein zu entspannen. Das Schnurren meines Katers Ben drang mir an die Ohren, genauso wie ich sein weiches Fell unter meiner Hand zu spüren glaubte. Himmel auf Erden.

Seufzend öffnete ich meine Augen und sah mich um. Auf der riesigen Terrasse spannten sich Sonnensegel, die gleichzeitig als Windschutz fungierten, über ausladende Sitzecken. Champagnerfarbene Outdoormöbel herrschten hier vor, passten haargenau in das luxuriöse Ambiente – Chimney hatte sich den Luxus eines Stararchitekten gegönnt, erkannte ich schnell, was sich im Garten fortsetzte. Hier war nichts dem Zufall überlassen worden. An einer Ecke der Terrasse standen ein paar einsame Raucher um den stählernen hochbeinigen Aschenbecher herum, weil Rod Chimney das Rauchen in seiner Villa nicht gestattete, was mir als Nichtraucherin gelegen kam. Lange hielt ich mich nicht auf der Terrasse auf. Mein Weg führte mich einen von kniehohen Leuchten umrahmten Pfad hinab. Ich folgte dem gewundenen Plattenweg über den kurz geschorenen Rasen, der mir unendlich vorkam, bis das Rauschen der Brandung erklang. Es übertönte das Lachen der Menge, die ich hinter mir ließ, war wie Musik in meinen Ohren. Mit meinem Cocktail in der Hand erreichte ich einen hölzernen Weg, der mich bis ans Meer führte. Der Strand war zu meiner Überraschung leer, niemand hielt sich hier auf, was für mich unverständlich war. Sehen und gesehen werden schien für Chimneys Gäste das A und O zu sein, mir hingegen bedeutete die Stille am Wasser weitaus mehr, als das. Gierig sog ich den Rest aus dem Cocktailglas und steckte es in den Sand, in der Hoffnung, es bei der Rückkehr nicht zu vergessen, ehe mir die Lippen leckte und den Steg bis zum Ende ging.

Als ich das Ende des Stegs erreicht und mich umgedreht hatte, stellte ich fest, dass er ziemlich weit ins Meer hineinragte. Das Ufer kam mir weit weg vor, während die Wellen gegen die Standbeine des Stegs prallten. Laut schallte die Macht des Wassers in meine Ohren und kurz überkam mich ein mulmiges Gefühl. Was wäre, wenn ich ins Stolpern geriet und ins Wasser fiele. Die Wellen kamen mir noch höher vor, die Dunkelheit schluckte meine Sicht in die Weite, was mir eine Gänsehaut bescherte. Niemand würde meine Schreie hören, geschweige denn mich sehen können. Plötzlich geriet ich ins Straucheln, was mich aus meiner Trance riss, denn der melodiöse Gleichklang der Gischt hatte etwas Hypnotisches. Gerade rechtzeitig gelang es mir, mit rudernden Armen die Balance zu halten, was mich vor einem Sturz in die Fluten bewahrte.

„Hätte ich bloß nicht so viele Cocktails getrunken.“

Die süßen Alkoholika waren tückisch, ich hätte es besser wissen müssen.

Langsam drehte ich mich vom Meer weg, um den Rückweg anzutreten. Je näher ich dem Strand kam, desto mehr wich meine Unsicherheit, die Angst, ins Wasser zu fallen und zu ertrinken. Als ich etwas mehr als die Hälfte des Stegs überwunden hatte, blieb ich verwundert stehen. Mir fiel die Silhouette eines Körpers am Strand ins Auge. Aus der Entfernung, rund zehn Meter, erkannte ich einen Mann. Mit wackeligen Knien setzte ich meinen Weg fort, fixierte den Umriss. Breite Schultern, schmale Hüfte und leicht im Wind wehende, schulterlange Haare weckten meine Neugierde. Ein Anblick, der mir direkt in den Unterleib schoss und sich dort prickelnd festsetzte. Ein schwarzer Umriss, mysteriös und geheimnisvoll und vielleicht sogar gefährlich. Ich kam mir vor wie die Heldin in einem dieser Dark Romance-Romane. Ich schüttelte mich, um den Gedanken loszuwerden, versuchte damit gleichzeitig meine Nervosität einzudämmen, scheiterte damit aber kläglich.

Mit meiner rechten Hand suchte ich in meiner Clutch nach meinem Smartphone, dabei bemerkte ich meine innere Unruhe, die von Sekunde zu Sekunde schlimmer zu werden schien. Verdammt, was hatte der Kerl, von dem ich nichts außer seinen in Schwärze getauchten Körper sah, an sich, um mich derart durch den Wind zu bringen? So war es doch sonst nie bei mir. Verdammt noch mal! Etwas zog mich magisch an und der Kerl schien ganz genau zu wissen, welchen Einfluss er auf das weibliche Geschlecht – in diesem Fall auf mich – hatte.

„Du Arsch, warum schreibst du mir nie zurück!“, rief ich gegen den Wind und ballte zornig meine freie Hand.

Was hatte ich anderes erwartet, als keine neue Nachricht von meinem Freund. Es war mir ein tiefes Verlangen, mich an meinem gefühlskalten Partner rächen zu müssen – auf meine Art. Genugtuung widerfahren, genau das war es, was mich in diesem magischen Moment antrieb. Entgegen meiner üblichen höflichen Zurückhaltung gegenüber fremden Männern, schritt ich nun mit starrem Blick selbstbewusst auf die Silhouette zu, die sich nicht von der Stelle rührte. Es war, auch wenn es seltsam klang, als erwarte der Mann mich bereits.

War es Trotz? Ein mir aus meiner Zeit als Teenie zu gut bekanntes Gefühl durchzuckte mich, dieser kleine Teufel namens „Mit dem Kopf durch die Wand“, der dafür gesorgt hatte, dass ich eben Schauspielerin war, statt Chirurgin. Ich war mindestens genauso stur wie mein Bruder, der erfolglose Musiker, der mit seiner Gitarre und seinem ausgeblichenen Rucksack durch die Kneipen zog, aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Mein Blick klebte an dem Bild von einem Mann, dessen Körper klar definiert, muskulös aber nicht derb wie ein Bodybuilder daherkam. Ich hatte mein Ziel erreicht und blieb stehen. Der seichte Mondschein fiel auf sein ebenmäßiges Gesicht mit dem markanten Kinn und den starken Kieferknochen. Sein Teint war etwas dunkler als der eines typischen Amerikaners, er schien tatsächlich lateinamerikanischer Herkunft, was seiner atemberaubenden Ausstrahlung keinen Abbruch tat. Seine dunklen Haare wehten – der Wind hatte zugenommen – verdeckte sein Gesicht hin und wieder, was ihn noch geheimnisvoller machte.

Schnell sah ich mich in alle Richtungen um, und erst als ich niemanden außer ihm sah, traute ich mich, ihn anzusprechen. Normal war ich nicht so schüchtern, aber etwas warnte mich davor leichtsinnig zu werden, auf der Hut zu bleiben.

„Schöner Abend, was?“

Wie einfallsreich von mir und noch dazu kam es mir leiser als gewollt über die Lippen. Er musste sonst was über mich denken.

„Wohl eher steife Party“, sagte er geradeheraus, kam bis auf zwei Handbreiten auf mich zu und sah mir direkt in die Augen.

In seinen dunklen Augen spiegelte sich der Mond.

Ich räusperte mich.

„Ähm, so kann man es auch sehen.“

Ja, er war es, der Taylor Lautner Doppelgänger, der vorhin neben meinen zukünftigen Drehpartnern gestanden hatte. Ob er dabei, einer aus dem Team war? Gedanklich überflog ich die Darsteller-Liste, aber einen wie ihn fand ich nicht darunter. Meine nächste Frage blieb mir im Halse stecken, als er mir eine Hand auf die Schulter legte. Sofort schien die Stelle in Brand zu stehen, mir wurde unerträglich heiß und mein Herz drohte mir ins Höschen zu rutschen. Ich schluckte, linste verlegen an seinem Kopf vorbei hinauf zur Villa. Hinter den hohen Hecken erkannte ich sporadisch Lichtpunkte und bunte Farbkleckse der feiernden Menge.

„Für mich ist das“, er wies mit einem Kopfnicken auf den Herd der Geräusche, „nichts weiter als eine von vielen Pflichtveranstaltungen, denen ich beiwohne, um es mir mit den Produzenten nicht zu vergraulen. Es reicht, um sich satt zu essen und zu trinken, bis man betrunken in irgendeiner Hecke landet.“ Er lachte trocken auf. „Tja, und hin und wieder findet sich eine heiße Lady, sofern er sie sich nicht unter den Nagel reißt.“ Wieder lachte er heiser auf.

„Wer?“

Ich sah, wie er sein Gesicht verzog, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Grimmig war sein Blick, den er auf einen mir unbekannten Punkt in der Ferne richtete.

„Wer ist gemeint?“

„Ach, ist unwichtig. Möchte Ihnen den Spaß nicht verderben.“

Ich nahm mir vor, erst mal die Beine stillzuhalten und nicht weiter zu fragen, da es dem schönen Unbekannten unangenehm zu sein schien, den betreffenden Frauenhelden zu benennen. Warum auch immer.

„Was treibt Sie hierher? Ich habe Sie noch nie auf einer seiner Partys gesehen.“

Seine Stimme klang ehrlich interessiert.

„Chimney?“

Er nickte.

„Er hat mich erst vor kurzem in einer Indieproduktion entdeckt. Keiner der Schauspieler darunter hat Rang und Namen, kein einziger, war trotzdem ein toller Dreh“, sagte ich. „Ich spiele demnächst in der neuen Serie Deadly Races mit, um genau zu sein. Rodney Chimney scheint mich für eine talentierte Schauspielerin zu halten und ich freue mich, endlich in einer großen Rolle zu sehen zu sein. Für die meisten Schauspieler der Elite ist es sicher nichts besonderes, so ein Part in irgendeiner Serie über illegale Autorennen, aber für mich bedeutet es die Welt.“

Schwärmerisch drehte ich mich im Kreis, was ich fix einstellte, als ich wieder mitkriegte, dass da noch jemand war, der mir dabei zusah. Doch der schöne Unbekannte verzog keine Miene, lachte nicht, sah mich einfach nur an mit seinem Silberblick.

„Und was machen Sie, wenn ich fragen darf?“

„Ich bin Stuntman, also eher hinter den Kulissen und im Film selbst unsichtbar.“

Er erzählte allgemein über seinen Job, den Gefahren und der Spannung, die dieser Beruf barg, ebenso vom knallharten Training, um körperlich und geistig fit zu bleiben.

„Disziplin ist alles“, endete er.

„Ich bin beeindruckt“, sagte ich, die mir nie wirklich Gedanken um die Wichtigkeit eines Stuntman gemacht hatte. Dabei ging mir der letzte Dreh durch den Kopf, in dem einer jener Männer den männlichen Hauptdarsteller bei einer Explosion doubelte. Statt ihm flog der Stuntman durch das Fenster.

„O Mann, ich muss Ihnen ja wie ein Idiot rüber kommen, hab mich nicht einmal vorgestellt. Ryan!“

Selbstbewusst hielt er mir seine rechte Hand hin, fokussierte mich wieder mit diesem Blick, der mich ganz wuschig machte. Während er mir das Du anbot, erzählte er von einem Reiterstunt, wie er im Steigbügel hängend von einem durchgehenden Pferd mitgeschleift wurde.

„Cathelyn, aber alle nennen mich einfach nur Cathy“, erwiderte ich.

„Freut mich, Cathy“, druckste Ryan herum.

Wenn er so weiter machte mit seinem unverhohlenen Flirten, würde ich sicher gleich in Ohnmacht fallen. Meine Hemmungen fielen nach und nach, ja, ich fühlte mich regelrecht zu ihm hingezogen und das lag ganz sicher nicht allein an den Cocktails. Ryan roch verführerisch, eine Mixtur aus Zedernholz, Limette und Moschus, was mir durch Mark und Bein ging. In meiner Mitte pochte es wie verrückt und mein letztes, liebloses Mal mit Dax fiel mir dazu ein. Rein, raus, fertig. Und lautstark schnarchen. Schrecklich unromantisch. Da für Dax Vorspiel ein lästiges Übel war und er es hasste wie die Pest, blieb mir oft nichts anderes übrig, als es mir selbst zu besorgen, wollte ich noch zu einem halbwegs akzeptablen Abschluss der Liebesnacht kommen. Daher war Johnny, mein elektrisches Spielzeug, in den letzten Monaten zu meinem besten Liebhaber geworden.

Warum ausgerechnet hier und heute diese Gedanken um mein mieses Sexleben, woran ich mich gewöhnt hatte? Leidend und schweigend hatte ich meine stockende Erotik akzeptiert; hingenommen traf es besser. Sex wurde ja auch gnadenlos überbewertet. Im wahren Leben kam eine Frau nicht auf dem Penis eines Mannes, das einfache Rein und Raus gab ihr gar nichts und ein großes Glied war nicht geil, sondern eher schmerzhaft. Wie meine beste Freundin Mallory zu sagen pflegte: Es kommt nicht auf die Größe an, sondern auf denjenigen, der es bedient.

„Alles okay bei dir? Du wirkst so abwesend.“

Ryans Stimme klang so sanft und gleichzeitig dunkel, dass mir ein wahrer Schauer über den Rücken lief und in meinem Bauch hielten tausende Schmetterlinge Einzug. Was für ein verrückter Abend. Konnte der noch besser werden? Er konnte!

Das Grollen der stärker gewordenen Brandung drang dumpf und weit entfernt an meine Ohren. Es kam mir vor, als umhüllte uns beide ein unsichtbares Vakuum. Warum musste dieser Mann auch so eine Wirkung auf mich haben? Meine Knie fühlten sich wie Pudding an und mein Herzschlag verdreifachte sich, als Ryan seine Hand zärtlich über meine rechte Wange streifen ließ. Lag es daran, dass er so viele alkoholhaltige Cocktails intus hatte wie ich, weil er so schamlos heran ging, obwohl er mich nicht kannte? Zu viel getrunken, um seinen Hormonen Einhalt zu gebieten?

Keiner von uns sagte ein Wort, wir ließen uns treiben, die Körper einfach reagieren. Vollkommen willenlos sank ich gemeinsam mit diesem sexy Stuntman in den noch warmen Sand, gab mich seinen Händen hin, die überall auf meiner Haut einen kribbelnden Flächenbrand auslösten. Mir war in diesem Moment alles egal; mein rigider Vater, meine ihm hörige Mutter, meine geltungssüchtige Schwester, die Geldsorgen meines Bruders und auch Dax' Gefühlskälte mir gegenüber. Das, was für mich augenblicklich zählte, war das Hier und Jetzt: das stürmische Meer, der nach Zedernholz duftende Adonis und ich, die sich der Leidenschaft hingab, dem Prickeln in mir.

„Wir sollten das nicht tun“, hauchte ich. „Was, wenn jemand kommt und uns beobachtet?“

„Denk nicht so viel nach, Cathy, genieße den Abend. Lass dich fallen. Wir werden es beide nicht bereuen. Ich weiß das.“

Seine Stimme betörte mich, sodass ich gar nicht anders konnte, als mich ihm und seinen warmen Händen hinzugeben. Seine Hände schienen überall und nirgendwo zu sein. In meinen Ohren rauschte es und mein Innerstes stand in sündigen Flammen. Was träumte ich da bloß für einen süßen Traum? Dieser Fremde gab mir so viel mehr, als Dax es mir in der gemeinsamen Zeit je geben konnte. Ich fühlte mich wie eine begehrenswerte Frau, nicht wie die Tochter eines über Landesgrenzen hinaus bekannten Schönheitschirurgen mit eigener Klinik.

Ryans warmer Atem streifte meinen Nacken, als er mir erneut, „Lass dich fallen!“, ins Ohr flüsterte, und dann ging es sehr schnell. Wir küssten uns, seine weichen Lippen lagen auf meinen. Sein Atem, süß riechend nach Cocktails, sein eigener Geruch, der mich betörte, mich willenlos machte. Ich erkannte mich selbst in dem Rausch der Sinne nicht mehr wieder, trat in eine andere, magische Welt über. Wir wälzten uns wie zwei verliebte Teenager im Sand, ruinierten unsere Frisuren und die schicken Kleider, doch das war uns egal. Der Moment zählte, war für die Ewigkeit und sonst nichts. Um uns herum hätten Bomben fallen können, wir hätten es nicht bemerkt.

Die Wut auf meine egoistischen Eltern, gepaart mit dem Unverständnis über Dax' Lieblosigkeit meldeten sich blitzartig zurück in meine Gedanken. Aber nur kurz, dann spornten sie mich an, mich erst recht Ryan hinzugeben, diesem unbekannten Stuntman. Ein Mann, dem ich heute das erste Mal begegnet war, erzeugte in mir mehr siedendes Verlangen, als Dax, mit dem ich etwas länger als ein halbes Jahr zusammen war. Seufzend gab ich mich den Küssen hin, die ich an meinem Dekolleté spürte, genoss die Reibung, als Ryan seine Erregung an meinem Unterleib rieb. Über uns stand der Mond voll am sternenverhangenen Himmel und hinter uns toste der Pazifik im rauen Wind. Sand stob hoch, Steinchen hämmerten wie winzige Geschosse in mein Gesicht, dass ich aufstöhnte.

„Sag, wenn ich aufhören soll“, raunte Ryan in mein Ohr.

Offenbar hatte er mein Stöhnen missverstanden. Sein heißer Atem an meinem Ohr löste eine wohlige Gänsehaut und ein Prickeln in meinem Schoß aus.

„Normalerweise bin ich nicht so, dass ich sofort nach dem ersten Kennenlernen über Frauen herfalle, das musst du mir glauben, Cathy, auch wenn ich so aussehe“, stöhnte Ryan hörbar erregt, am Rande seiner Beherrschung.

Er nestelte nervös an meinem Kleid, versuchte es aufzubekommen, leider war der Reißverschluss auf meinem Rücken. Ich half ihm, indem ich mich umdrehte, sodass er freie Bahn hatte, mir das Kleid öffnen konnte.

„Noch können wir es beenden.“

„Warum?“, fragte ich, selbst überrascht von mir, wie drängend meine Stimme war.

„Ich habe keine Kondome dabei.“

„Keine Angst, ich nehme die Pille.“

Seitdem ich mit Dax zusammen war, nahm ich die Pille, auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Kinder kamen für ihn nicht in Frage, was er mir von Anfang an deutlich klar gemacht hatte. Was ich wollte, schien ihn nicht zu interessieren, obwohl ich momentan mit meinen vierundzwanzig Jahren ohnehin alles andere als reif für Kinder war. Vielleicht lag es an Dax, den ich mir als dauerhaften Partner nicht vorstellen konnte, schon gar nicht als Vater meiner Kinder. Das spielte jetzt keine Rolle, als mich Ryan mit dem sanften Kneten meiner Brüste aus meinem Gedankensumpf holte, mich rettete.

Jetzt fielen meine letzten Hemmungen und ehe ich mich versah, lagen wir beide nackt im Sand. Warm umkreiste Ryan meine rechte Brust, saugte am Nippel, ehe er dasselbe mit der linken tat. Ich fühlte mich wie in einem Rauschzustand, einem geilen Rausch, als ich nach Ryans Glied tastete. Fühlend glitt ich seine gesamte Länge auf und nieder, spürte jede Erhebung und jede Ader darauf, bis ich seine Hoden erreichte und diese vorsichtig massierte. Er stöhnte voller Wohlbehagen, und begann ebenfalls, mich zwischen den Beinen zu streicheln. Seine Berührungen waren wie ein Hauch, angenehm und zart, ganz anders als ich es von Dax gewohnt war, für den nur der Akt zählte. Groß Zeit für ein Vorspiel fanden Ryan und ich jedoch nicht.

„Lass mich machen!“

Mit einer Hand drückte ich ihn nieder, bis er auf dem Rücken lag, beide Arme neben sich, sein Blick auf mich gerichtet. Obwohl es fast dunkel war, bemerkte ich, wie er jeden meiner Schritte genau beobachtete. Auch dann, als ich mich auf ihn setzte. Ich fasste hinter mich, dirigierte sein steifes Glied an meine Öffnung und ließ es langsam in mich hineingleiten. Feucht wie ich war, dauerte es nicht lange und ich saß fest im Sattel. Stöhnend nahm Ryan seine Hände an meine Hüften und unterstützte meine Bewegungen, ließ mir dabei die Zügel, mich mein Tempo wählen, in dem ich ihn ritt. Sein Atem ging schneller, je mehr ich mich auf ihm auf und ab bewegte, mich auf seiner Brust abstützend. Sein Mund stand halb offen und Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.

Es dauerte nicht lange und er kam stöhnend zu seinem Höhepunkt, während er mich mit zwei Fingern befriedigte, indem er meine Klit massierte. Wenige Sekunden später war es bei mir soweit und ich kam, warf meine Haare nach hinten und legte den Kopf in den Nacken. Von der feiernden Partymeute dürfte niemand meinen Lustschrei gehört haben, die waren sicher längst alle sturzbetrunken.

Eine Weile lagen wir, hingen unseren eigenen Gedanken nach, nebeneinander im Sand, ehe wir uns in der Wirklichkeit wiederfanden. Ich erhob mich zuerst und zog mich rasch wieder an, bis mich ein Knacken innehalten ließ. Dort, wo ich das Geräusch vermutete, meinte ich einen Schatten gesehen zu haben, der sich aus dem Geäst löste und Richtung Haus verschwand. Ich schüttelte mich.

„Hast du das eben auch gehört?“

„Was?“

„Ich meine dahinten etwas gehört zu haben“, sagte ich und deutete auf einen Busch rund zehn Meter entfernt neben dem Weg zur Villa hinauf.

„Vielleicht eine Katze oder ein anderes Tier.“

Ryan hatte sich inzwischen aufgesetzt.

So sehr ich mich darum bemühte, etwas zu hören, da war nichts außer das Rauschen des Meeres, das Aufprallen der Wellen auf den Stand.

„Du hast recht, wahrscheinlich ein Tier oder ich habe es mir eingebildet.“

Intuitiv gab ich dem Alkohol die Schuld, der meine Sinne verschleierte. Durch die Brandung war es schier unmöglich, das Knacken eines zehn Meter entfernten Busches zu vernehmen, oder doch? Selbst wenn uns jemand, einer der betrunkenen Gäste, beim Sex heimlich beobachtet hatte, so hatte er zumindest eine fantastische Show erhalten. In dem Dunkel konnte die Person sicherlich nicht gesehen haben, wer wir sind. Und war es nicht in Hollywood Gang und Gäbe, hinter den Kulissen allerhand Skandale zu weben?

„Und wenn uns jemand gefilmt hat“, schoss es aus mir heraus.

In einem Atemzug fiel mir ein Fall eines berühmten, verheirateten Arztkollegen meines Vaters ein, der fremdgegangen war und fotografiert worden war. Für ihn hatte es das Ende seiner Ehe bedeutet. Nun, ich hatte zwar Dax, aber ein Ende der Beziehung war das, was ich mir insgeheim wünschte, bloß kein Schmierentheater drumherum. Meine Eltern würden mich umbringen, wenn herauskäme, dass ich Dax fremdgegangen war, selbst wenn es sich nur um einen harmlosen One-Night-Stand handelte. Mehr war das hier für mich nicht.

„Quatsch, wer sollte das tun?“

Ryan ereiferte sich ebenfalls aufzustehen und sich anzukleiden.

„Was weiß denn ich, wer so abgebrüht ist. Wir sind hier in der Villa eines Filmmoguls und da ist alles möglich.“

„Du liest zu viel Klatschpresse, Cathy“, lachte Ryan in einer Art und Weise, die mich aufregte.

„Kann sein, aber das sollte dir egal sein, Ryan. Ich bereue das hier jetzt schon.“

Aufgebracht stellte ich mich direkt vor ihn, reckte meinen Kopf stolz in die Höhe und sah ihm in die Augen.

„Mir hat das rein gar nichts bedeutet und du wirst schweigen, verstanden?“

Statt zu antworten, schluckte mein Gegenüber nur, während sich sein Blick schlagartig verfinsterte. Es hinterließ in meinem Magen einen Knoten, meine Kehle wurde trocken.

„Ob du verstanden hast, Ryan?“

Sein Blick senkte sich und ich erkannte, wie er seine Rechte zur Faust ballte. Es schien ihm nicht zu gefallen, was ich von ihm verlangte.

„Was?“, fauchte ich ihn an. „Noch mal, für mich war der Sex eben nichts, was ich wiederholen möchte. Ich hab einfach nur zu viel getrunken, wusste nicht mehr, was ich tue. Okay!“

Ohne zu erwidern löste er sich von mir, drehte sich um und ging auf den Steg. Ich beobachtete ihn mit herunter gelassenen Schultern, bis er von der Dunkelheit verschluckt wurde. Etwas in mir rügte mich dafür, so schroff zu ihm gewesen zu sein.

„Verdammt, zu so etwas gehören immer zwei dazu“, grollte ich nun wieder stocknüchtern, und marschierte im Sand hoch zum Weg, zurück zur Villa.

Die Party hatte sich etwas geleert, aber nach wie vor waren viele Gäste da, die miteinander redeten oder tanzten. In einem Sessel am Panoramafenster erblickte ich Rod Chimney, der mich seltsam schmierig angrinste und sich über die Lippen leckte. Ein Anblick, der mich unangenehm berührte, bis ich Ekel empfand, als mich seine Augen praktisch auszogen.

„Bloß weg hier!“

Ohne mich von irgendjemandem zu verabschieden, öffnete ich meine Clutch im Gehen, suchte mein Smartphone und gelangte durch den Eingangsbereich zur riesigen Haupttür. Die Absätze meiner Schuhe erzeugten auf dem Marmor hallende Töne, hoch wie die Decke der Villa war. Ein schwarz gekleideter Angestellter nahm meinen Wunsch nach meinem Autoschlüssel skeptisch, wohl wegen meiner offensichtlichen Fahne, entgegen.

„Chimney lässt Gäste, die zu viel getrunken haben und nicht mehr alleine wegkommen, in seiner Villa übernachten. Fragen Sie ihn doch einfach.“

Erschrocken dachte ich sofort an Chimneys lüsternen Blick als ich ankam und an seine schmierige Hand auf meiner Schulter. Vor lauter Ekel breitete sich eine Gänsehaut wie ein Lauffeuer auf meiner Haut aus, dass es mich schüttelte. Verlegen blickte ich dem Mann in die Augen.

„Oh, ich weiß, ich sollte lieber nicht mehr selbst fahren, aber ich … ich … muss dringend zurück. Ich werde aber ganz vorsichtig und extra langsam fahren“, lehnte ich höflich ab, auch, um weiteren Fragen zu entgehen.

Ergeben nickend geleitete er mich zu meinem Wagen, den er zuvor bei meiner Ankunft auf dem riesigen Parkplatz seitlich des Hauses geparkt hatte. Erst jetzt sah ich die Fahrzeuge der anderen Gäste, die, die nicht mit Chauffeur erschienen waren. Von Porsche über Bentley, Mercedes und Lamborghini war an Fabrikaten alles dabei, was Rang und Namen hatte. Mein Fahrzeug wirkte unter den Boliden fehl am Platz und erinnerte mich daran, was für ein winziges Licht ich am Schauspieler-Himmel doch (noch) war. Allein auf Rodney Chimneys Gunst kam es an, eine Tatsache, die meinen Magen rumoren ließ. Es hinterließ einen bitteren Beigeschmack, der erst verging, als ich sein Anwesen hinter mir ließ. Richtig geborgen fühlte ich mich aber erst, als ich das Grundstück des alten Ehepaares erreichte, in dessen Haus ich eine Einliegerwohnung gemietet hatte. Mein ganz persönlicher Ort des Friedens. Zu Dax war ich um diese Uhrzeit nicht mehr gefahren, denn er hatte mir via WattsApp deutlich gemacht, seine Ruhe haben zu wollen. Sicher hätte ich ihn geweckt, wenn ich zu der späten Zeit die Türen geschlagen hätte, egal wie leise ich auch war. Dax hörte es immer.

Ich begrüßte eilig meine maunzende Katze, die sich um meine Beine schlich und gab ihr etwas Trockenfutter. Sie war klein und zierlich und hörte auf den Namen Kitty-Cat. Dann ging ich ins Bad und putzte mir schnell die Zähne. Zurück in meinem kleinen Schlafzimmer zog ich mich um und schlüpfte unter die Decke. Kaum berührte mein Kopf das Kissen, fiel ich in einen traumlosen Schlaf.

 

 

3. Kapitel 2 - Ryan

Verdammte Scheiße, was war das denn?!

Zornig rammte ich meinen Fuß in den weichen Boden, bis der Sand in alle Richtungen flog. Leider auch direkt in meine Augen. Mit dem Handrücken fuhr ich mir grob über die Lider, um die fehlgeleiteten Sandkörner wegzuwischen, die bereits höllisch zu brennen begannen.

Was für eine Drama-Queen hatte ich da denn erwischt? Gerade noch war alles gut gewesen und wir hatten geilen Sex am Strand gehabt. Gut, ein wenig kurz vielleicht, aber sie schien es so gewollt zu haben. Und ich – ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr zurückhalten.

Sie war extrem sexy. Wie sie roch, ihre anmutigen Bewegungen, alles an ihr machte mich scharf. Ihr betörender Duft vernebelte mir jetzt noch die Sinne. Schon vom ersten Augenblick an, als ich sie sah, blieb mir die Luft weg. Nicht nur, weil sie atemberaubend schön aussah, sondern auch, weil sie anders war. Sie schien nicht wie die zig hirnlosen Möchtegern-Schauspielerinnen auf den großen Auftritt aus zu sein. Nein, sie bewegte sich eher geduckt und vorsichtig, fast, als wollte sie um keinen Preis der Welt auffallen. Dabei war das ein unmögliches Unterfangen für diese Frau, denn sie überstrahlte jeden Einzelnen, der sich mit ihr im Raum befand. Ihre blonden Haare glänzten in einem Goldton, der sicherlich Natur pur war. Und ihr geschmeidiger Körper zeigte keinerlei Schwachstellen. Vermutlich machte sie viel Sport, so straff wie alles an ihr war. Und dennoch hatte sie an den richtigen Stellen weibliche Rundungen, was ich liebe. Nichts ist schlimmer als ein dürrer Kleiderhaken ohne Po und Holz vor der Hütte. Das Kleid, das sie trug, schmiegte sich wie eine zweite Haut an sie und zeigte genug, aber nicht zu viel von ihren perfekten Brüsten. Klein und fest, sodass sie genau in meine großen Hände passten. Zuckersüße Melonen, von denen ich gar nicht genug kriegen konnte, so fantastisch fühlten sie sich unter meinen Berührungen an. Alles an ihr war großartig und hatte Stil. Sie sah einfach zum Anbeißen aus. Ihr Kleid schien nicht aus teurem Stoff gemacht, ok, aber es brachte jeden Mann, der sie darin sah, um den Verstand. Dessen war ich mir sicher. Und es sah keinesfalls billig oder nuttig an ihr aus. Im Gegenteil. Mann, da konnten sich die anderen Weibchen auf der Party einiges von ihr abschneiden.

Diese verwöhnten Luxuszicken wie Tina Macintosh zum Beispiel, die Erfolg und Glamour wollten, aber zu keinerlei wirklicher Anstrengung bereit waren. Sie trugen die teuersten Kleider, die irgendein reicher Gönner ihnen gekauft hatte, aber blieben trotzdem blass und farblos. Weil sie keine echte Schönheit besaßen, weil sie nicht von innen heraus strahlten. Daran konnten kein roter Lippenstift und keine noch so dicke Spachtelmasse im Gesicht etwas ändern. Sie waren nur eine nett anzusehende Mogelpackung. Wie eine riesige Chipstüte aus dem Supermarkt, die dir, prall gefüllt, viele knusprige Kartoffelscheiben verspricht. Wenn du sie aber zu Hause öffnest, ist sie halb leer. Viel Verpackung, wenig Inhalt. Diese Sorte Frauen ging auf Hollywoods Partys ein und aus. Es gab sie wie Sand am Meer. Ich wusste das, ich kannte viele von ihnen. Berufsbedingt. Am schlimmsten fand ich die Seriendarsteller. Sie hielten sich für begabte Schauspieler, die eine große Karriere vor sich hatten – nur weil sie, mit viel Glück, eine mickrige Rolle in einer billigen TV-Produktion ergattern konnten. Wenig Hirn, kaum Talent, dafür aber das Ego und die Allüren eines Superstars.

Diese hier war anders.

Cathy.

Ein starker Name, der zu ihr passte. Zielstrebig war sie am Strand auf mich zugelaufen, und meine Hose hatte sich blitzartig bis zum Bersten gefüllt. Die Beule unübersehbar, gut, dass es bereits dämmerte. Doch eigentlich war dies egal, ich konnte meine Erregung nicht verbergen, mich nicht zurückhalten. Und ihr Blick ... er schien so sehnsuchtsvoll, so leidenschaftlich zu sein.

Da wusste ich es. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich sie wollte. Egal, was es kostete, sie war DIE Frau für mich – dachte ich. Ihr Strahlen und ihre Erotik brachten mich fast um den Verstand. Deshalb tat ich etwas, was ich sonst nie mache. Ich gab mich ohne Zögern meiner Lust hin. Ohne langes „Daten“ und vorheriges Kennenlernen, einfach so. An Ort und Stelle. Und es war großartig. Sie war der beste Fick, den ich seit Langem gehabt hatte. Und es sollte nur der Erste einer unendlich langen Reihe werden. Ich wollte sie kennenlernen. Wer war sie wirklich, wie hörte sich ihr Lachen an, was mochte sie und was verachtete dieses zierliche und doch so starke Persönchen?

Und gerade, als ich sie nach ihrer Handynummer fragen wollte, fing sie an, sich wie die Oberzicke in Person zu verhalten. Erst dieses paranoide Getue, von wegen und so jemand hätte uns beobachtet. Blödsinn! Wer sollte denn Interesse an mir, einem Stuntman und an ihr, einer noch unbekannten Schauspielerin haben? Im Ernst, noch bis vor wenigen Tagen hatte ich nie von ihr gehört. Auf keiner Producer-Liste hatte ich ihren Namen gelesen, auf keiner Set-Party etwas von ihr vernommen.

Gut, der alte Schleimer Rod wollte sie unbedingt für diese neue Serie haben. Aber das musste nicht unbedingt etwas mit ihren Qualitäten als Schauspielerin zu tun haben. Der Kerl war einfach nur scharf auf alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Meiner Meinung nach war der komplett schwanzgesteuert. Ständig hatte er irgendwelche unbekannten Sternchen am Hals, denen er den großen Durchbruch im Filmgeschäft versprach. Doch hatte nur eine seiner Spielgefährtinnen dies je mit seiner Hilfe geschafft? Nein, never ever! Er benutzte sie nur für seine Zwecke. Schnappte sich willige, unbekannte Darstellerinnen und produzierte ein Filmchen mit ihnen. Danach ließ er sie fallen, wie eine heiße Kartoffel. Und keine von ihnen hörte wieder von ihm. Ich glaubte sogar, er sorgte dafür, dass seine Ex-Weibchen keine Tür mehr in der Traumfabrik öffnen konnten. Es war extrem verdächtig, dass alle Mädels, die in einem seiner Filme mitspielten, danach monatelang untertauchten. Man sah sie in keiner Produktion mehr, nicht mal in einem der billigen „Direct to Video“- Projekte.

Keiner engagierte sie, wenn er mit ihnen fertig war, es schien wie eine Art Fluch zu sein. Meine Meinung war, er verbrannte sie und warf sie dann weg. Wie eine seiner Zigarren, die seine Dienstboten ihm ständig hinterhertrugen. Kubanische Havannas mussten es sein, andere waren ihm nicht gut genug. Das wusste ich natürlich von meinen Kollegen. Wir Stuntmen tauschten uns aus. Immer im Hintergrund, bekamen wir fast alles mit, was in dieser Branche so lief. Daher wusste ich auch, dass Schweinsgesicht Chimney sich angeblich alles nahm, was er wollte. Man munkelte, dass er keinerlei Rücksicht auf seine Frau nahm, sondern alles knallte, was ihm vor die Füße fiel. Selbst wenn das Obst eher unwillig reagierte. Aber Letzteres waren Gerüchte. Und da es keinerlei Beweise dafür gab, hielt ich besser meine Klappe und erwähnte dies keinem gegenüber. Erwischte man eine redselige Person, der man es im Vertrauen erzählte, so konnte diese Verdächtigung bei ihm landen. Dann war man hier, im Glanz und Gloria der Filmindustrie, geliefert. Du fandest nie wieder einen Job. Denn nichts ging an Filmmogul Chimney vorbei. Er hatte überall seine fetten Pranken drin.

Mach ihn dir zum Feind und du findest hier nie wieder 'nen Job, keiner stellt dich mehr ein.

Ich war, mit meinen 24 Jahren, erst am Anfang meiner Karriere und ich wollte noch so viel mehr. Mein Ziel war es DER Name im Stuntmangeschäft zu werden. Der Typ, an den man als Erstes dachte, wenn es um die verrücktesten, schwierigsten und gewagtesten Stunts ging. Ryan Carter, der Mann fürs Grobe. Der war ich.

Hoffentlich war diese Cathy clever genug, sich nicht vom Ekel-Rob übers Ohr hauen zu lassen. Vielleicht sollte ich sie warnen? Allerdings war sie selbst erwachsen und wusste sehr wohl, was sie wollte. Und was nicht.

Mich wiederzusehen war offensichtlich etwas, das sie keinesfalls mochte, wie sie gerade eindrucksvoll bewiesen hatte. In einer Sekunde küsste sie mich leidenschaftlich und nahm gierig meine harte Stange in sich auf. Und in der nächsten verhielt sie sich, als ob ich sie anwiderte. Hatte ich mich so von ihr blenden lassen? Jedenfalls hatte sie sich mal kurzerhand von der Traumfrau in eine durchgeknallte Furie verwandelt. Schade, da traf ich endlich mal eine interessante Lady und dann stellte sie sich als weibliche Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde heraus. Herrje, konnte ich nicht einmal Glück haben mit den Frauen? Na ja, offensichtlich sollte ich mich nur auf das konzentrieren, was ich wirklich kann: Stuntman sein. Darin war ich gut, wie ich selbst inzwischen wusste. Anfangs war ich noch etwas eingeschüchtert, von der ach so tollen Traumfabrik Hollywood. Aber jetzt wusste ich, dass die auch nur mit Wasser kochen, wie alle. Klar, sie hatten Riesen-Budgets für ihre Filme zur Verfügung. Und damit wollten sie sich das Beste für ihre Produktion kaufen. Die besten Kulissen, die besten FX-Tricks, das beste Drehbuch, die besten Darsteller, Statisten – und natürlich die besten Stuntleute. Und ich war dabei, einer von ihnen zu werden, zum kleinen Elite-Kreis zu gehören.

Wer hätte das gedacht, als ich im Teeniealter zum ersten Mal diesen Berufswunsch geäußert hatte. Meine Eltern lachten damals nur, hielten es für eine momentane Laune von mir. Doch als ich begann, meinen Körper und Geist zu stählen, als ich in sämtlichen Sportarten glänzte und den nötigen Biss und die Disziplin zeigte - da boten sie mir ihre Unterstützung an. Sie gaben mir fast alles, was sie an Geld gespart hatten, nur um meine teure Ausbildung finanzieren zu können. Die unzähligen Kurse und Fortbildungen. Denn es gab hier keine geregelte Ausbildung. Man musste sich selbst darum kümmern und immer wieder Neues dazulernen. Leider waren diese Kurse verdammt kostspielig. Manchmal zahltest du 3000 Dollar für nur zwei Wochen. Alleine hätte ich das nie bezahlen können. Das Wichtigste in diesem Job waren Disziplin und Erfahrung. Ersteres hatte ich von Geburt an. Das Zweite musstest du dir mit unzähligen Weiterbildungen und Spezialisierungen teuer erkaufen. Meine Eltern taten das für mich. Sie hatten jeden ersparten Cent in mich gesteckt, damit mein Traum wahr wurde. Und sie glaubten immer an mich. Obwohl diese Welt ihnen völlig fremd war. Mein Vater war ein einfacher Handwerker, ein Maler- und Tapeziermeister. Meine Mutter arbeitete als Arzthelferin. Beide verdienten gerade so viel, um über die Runden zu kommen. Tag für Tag, Monat für Monat. Seit ich etwas mehr verdiente, versuchte ich ihnen manchmal, etwas abzugeben. Doch das war nicht einfach. Stolz wie sie waren, mochten sie keinen Cent von ihrem Sohn annehmen. Auch Josie, meine Schwester, die inzwischen als Immobilienmaklerin recht ordentlich verdiente, hatte es nicht einfach mit ihnen. Wir sahen ja beide, wie knapp es in Sachen Geld für sie war. Doch anstatt ihnen etwas in die Hände drücken zu können, mussten wir heimlich vorgehen. Hier mal das Auto volltanken, dort einige Scheinchen in Vaters Geldbeutel reinschmuggeln. Immer nur ein kleines Bisschen, damit es nicht auffiel. Glücklicherweise wohnten wir alle in derselben Stadt, sodass wir uns regelmäßig sahen. Und Josie und ich ihnen regelmäßig Knete unterschieben konnten.

Urplötzlich blitzte wieder ihr Bild in meinen Gedanken auf. Cathys feuchte Haare, die golden im Abendlicht schimmerten. Ihre feinen, feenhaften Gesichtszüge. Das Feuer, das in ihren Augen brannte. In mir zog sich alles zusammen, als ich mich an ihren großartigen Körper erinnerte. Diese kleinen, festen Rundungen, die samtweiche Haut und ihr Stöhnen unter meinen Berührungen. Diese Frau war Gift für mich, vernebelte mein Gehirn, ließ mich an nichts anderes mehr denken. Wieder erschauderte ich, als ich an ihre zarten Lippen dachte und an dieses irre Gefühl, als ich in ihr war. Wie gern würde ich dies noch mal mit ihr machen, dann aber anders, ruhiger. Ich würde mir viel Zeit nehmen und sie nach allen Regeln der Kunst verwöhnen, ihrem wundervollen Körper die Erfüllung schenken, die er verdiente.

Doch sie spielte nicht mit, sie wollte mich einfach nicht. Verdammt! Wie ein Messer schnitten ihre Worte wieder und wieder in mich hinein:

„Für mich war der Sex nichts, was ich wiederholen möchte.“

Das hatte sie gesagt. Wie konnte es sein, dass ich es als den geilsten Fick der letzten Jahre ansah, wo es für sie offensichtlich ein Reinfall war. Wobei das auf mich nicht so gewirkt hatte, als sie, vor Lust leise stöhnend, in meinen Armen lag. Und ihr Blick erst, diese tiefblauen Augen schienen direkt in mich rein zu sehen und „mehr, gib mir mehr!“, zu schreien.

Was war ich nur für ein Volltrottel! Die lachte sich jetzt ins Fäustchen, über den dummen Kerl, der sich tatsächlich eingebildet hatte, sie befriedigen zu können. Ihr gerecht zu werden.

Dumme Zicke, solche Spielchen hatte ich nicht nötig. Mich sah die jedenfalls nicht wieder, das war klar. Sollte sie mir unerwarteterweise doch einmal über den Weg laufen, würde ich ihr die kalte Schulter zeigen. So eine wie sie war kein „Girlfriend-Material“, die konnte ihre Show gerne mit anderen abziehen. Nicht mit mir. Ich hasste Spielchen. Klar war ich kein Heiliger und erst recht kein enthaltsamer Mönch. Ich holte mir, was ich brauchte. Doch dabei waren die Fronten immer klar abgesteckt. Wollte ich Sex, sagte ich das der Frau – im Voraus. Ich war stets ehrlich und direkt. Geradeaus, ohne Schnörkel durchs Leben gehen, so lautete mein Motto. Spaß wollte ich auch, aber dabei sollte keiner verletzt werden.

Ich dachte sofort an Hannah, meine letzte längere Beziehung. Wir waren zwei Jahre zusammen gewesen und ehrlich, ich hatte mich wohl mit ihr gefühlt. Sie war meine Partnerin auf Augenhöhe, mein Kumpel, mit dem ich die Tage verbrachte und meine Gespielin, mit der ich die Nächte durchsexte. Anfangs zumindest. Dann wurde es von Monat zu Monat weniger, ich war gestresst, ständig unterwegs. Beruflich war das nun mal so bei mir. Hatte ich ein Projekt am Start, war ich oft monatelang weg. Das gehörte zu meinem Job und es war ok für mich. Es war Teil des Paketes, das ich wollte. Aber jedes Mal, wenn wir uns nach meiner Rückkehr sahen, hatten wir weniger Lust aufeinander. Irgendwann hatte ich bei einem unserer Treffen gemerkt, dass ich sie null vermisst hatte. Nicht einmal, in den ganzen acht Wochen der letzten Berufsreise. Es hatte sich schnell herausgestellt, dass es ihr ähnlich ergangen war. Bei uns war einfach die Luft raus. Das war der Punkt, an dem wir uns trennten. Würdevoll und mit Respekt. Es fiel kein böses Wort, denn keiner konnte etwas dafür. So war nun mal der Lauf des Lebens, man traf sich und trennte sich irgendwann wieder. Außer man hatte das Glück den perfekten Partner zu finden. So wie meine Eltern sich gefunden hatten. Mein Vater war die Ruhe selbst, ein Fels im tosenden Ozean, wie er sich selbst nannte. Während meine Mutter das quirlige Energiebündel war. Beide mit einem großen Herzen.

Ich stutzte und betrachtete einen Stein vor meinen Füßen, der besonders herausstach. Wie Cathy. Etwas Einzigartiges. Verflixt, wieder kroch sie in meine Gedanken. Was hatte sie nur an sich, was mir so das Hirn vernebelte? Ich war doch sonst nicht so. Ich, Ryan, war stets klar ausgerichtet, zielorientiert. So kannten mich meine Leute. Sie würden staunen, wenn sie wüssten, was momentan in mir abging. Gut, dass keiner in mich reinschauen konnte. Meine Gedanken, meine Welt. Wieder starrte ich diesen Stein an. Er war weiß, elfenbeinweiß, wie Cathys Haut. Langsam bückte ich mich zu ihm nieder, nahm ihn vorsichtig in die Hand und fragte ihn. Ich bat ihn um Erlaubnis, ihn mitnehmen zu dürfen. Umschloss ihn mit meiner Faust und horchte in mich hinein, nach einer Antwort. Kurz lachte ich trocken auf. Eine alte Gewohnheit. Manch einer würde mich für verrückt erklären, mit einem Stein zu reden. Aber wir Indianer machten das so. Alles war ein Individuum, die Natur um uns herum hatte eine Seele. Sie steckte im Wind, im Wasser und in der Erde. In allem, was uns umgab. Das Erbe meiner Vorfahren, der Sioux-Indianer, lebte offensichtlich in mir weiter. Auch wenn es mir keiner ansah. Mein indianisches Blut war bereits sehr verdünnt. Mein Großvater, väterlicherseits, war noch ein waschechter Indianer und sah genauso aus. Jedoch lernte er eine weiße Amerikanerin kennen, die sich für die Kinder im Reservat einsetzte. Als ihre Praktikumszeit dort zu Ende ging, hatten sie sich bereits über beide Ohren verliebt und er folgte ihr, ohne zu Zögern, in die schöne neue Welt. Amerika; Los Angeles, um genau zu sein. Die Stadt, in der auch ich lebte, sein Nachfahre. Sohn eines Mischlingsindianers und einer Halbmexikanerin. Durch die Gene meiner Mutter kam mein südländisches Aussehen zustande - die dunkle Haut und meine lateinamerikanischen Gesichtszüge. Nicht zu übersehen, es war das Erbe meiner Mutter. Keiner sah den Indianer in mir und meist verschwieg ich diesen Teil meiner Herkunft. Zu oft wurde ich als Kind beschimpft, als Indianerpack bezeichnet, sobald jemand von meinen Wurzeln erfuhr. Kinder können grausam sein. Ich war damals das perfekte Opfer, weil ich anders war als die meisten Kinder meiner Klasse. Dunkel, dürr und extrem schüchtern. Keiner, außer meinem besten Freund Zack, wollte etwas mit mir zu tun haben. Das änderte sich erst, als ich ernsthaft mit dem Sport begann. Zusammen mit Zack wurde ich süchtig danach und blieb es bis heute. Ich liebte es, an meine Grenzen zu gehen, meinen Körper auszutesten und sein gesamtes Potenzial herauszuholen. Perfekt in Schuss von Kopf bis Fuß. Damit meinte ich keine Muskelberge, die durch chemische Mittelchen gezüchtet wurden. Nein, ich war einfach fit. Muskulös, biegsam und voller Energie. Offensichtlich standen die Leute, speziell die Frauen auf so etwas. Seit ich mich äußerlich verändert hatte, bekam ich respektable Blicke ab – vor allem natürlich von Frauen. Doch das war für mich nur ein netter Nebeneffekt. Mein Körper gehorchte mir, er machte das, was ich wollte. Darauf kam es an. Allerdings war es ein langer Weg dahin. Stuntman wurde man nicht über Nacht. Es beinhaltete jahrelange, harte Arbeit. Ein Knochenjob, vor und hinter der Kamera. War ein Drehtag zu Ende, fing dein eigentliches Training erst an. Entweder auf dem Übungsgelände der Filmstudios oder in der benachbarten Sporthalle.

Danach fiel ich fast immer todmüde, aber glücklich ins Bett. Für eine Beziehung blieb da kein Platz.

Der Wind blies mir um die Ohren, während eine Welle knapp vor mir im Sand auslief. Das Meer sah heute düster aus, wild und unbezähmbar. Plötzlich verspürte ich den Drang nach Abkühlung. Wie geil wäre es jetzt, meine Klamotten loszuwerden und mich in die Fluten zu stürzen. Dieser steife weiße Anzug beengte mich, schränkte meine Bewegungen ein. Ein kurzer Kraulsprint gegen die Wellen würde mir meinen Kopf wieder zurechtrücken und meine Gedanken ordnen.

Aber deshalb war ich nicht hier. Diesen Luxus konnte ich mir nicht leisten. Also zog ich mir lediglich die Schuhe aus, krempelte die Hose bis zu den Knöcheln hoch und ließ meine Zehen vom kühlen Wasser umspülen.

Das tat gut. Dennoch blieb die Sehnsucht. Nicht nur nach dem Eintauchen ins Meer, sondern vor allem nach einer Partnerin im Leben. Für die richtige Frau würde ich es hinbekommen, würde alles unter einen Hut bringen – da war ich mir sicher. Eines Tages wollte ich das, was meine Eltern hatten. Ein gutes Leben, eine glückliche Beziehung. Und Kinder. Ich war ein absoluter Familienmensch. Sofort fielen mir Zack, Lisa und ihr kleiner Danny ein. Morgen war Sonntag, da musste ich unbedingt bei ihnen vorbeischauen. Ich hatte Lisa versprochen, etwas mit Danny zu unternehmen. Der Vierjährige litt darunter, dass sein Vater seit dem Unfall nicht mehr richtig für ihn da war. Obwohl Zack ja eigentlich den ganzen Tag zu Hause verbrachte, gezwungenermaßen. Doch es war nicht nur die Verletzung, sein Bein, das ihn behinderte. Es war sein Geist. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Ein schiefgelaufener Stunt, ein einziger falscher Schritt damals, als er von einer Helikopterkufe in zehn Metern Höhe auf ein Auto abspringen sollte. Ein kurzer Moment ohne die hundertprozentige Konzentration, die wir in diesem Job brauchten ... und schon hatte sich sein komplettes Leben schlagartig verändert. Bei der Landung war er falsch aufgekommen mit seinem Knie neben der Matte gelandet. Es war zertrümmert, in tausend Teile zersprungen. Trotz unzähliger Operationen war sein Bein bisher steif geblieben. Zack sagt allerdings, dies sei nur vorübergehend, doch der Unfall ist nun schon eine Weile her. Seitdem war Zack nicht zu vergleichen mit dem Pfundskerl und dem liebevollen Daddy, der er mal war. Alles an ihm war Fassade. Tapfer schluckte er die chronischen Schmerzen herunter und tat so, als ob alles gut wäre.

Genervt fuhr ich mir mit den Fingern durch die pechschwarzen Haare, die mir immer wieder den Blick verschleierten. Das war eine riesengroße Scheiße, was da mit Zack passiert war! Er beklagte sich nicht, das tat er nie. Aber er war seit dem Unfall nicht mehr er selbst. Und alle, die ihn kannten, litten mit ihm. Er lächelte ihre Sorgen weg und ließ keinen an sich ran. Nicht einmal mehr mich, seinen besten Freund. Oder Lisa, seine Frau.

Wieder blies mir die Meeresbrise Haare vors Gesicht. In den letzten Monaten waren sie ziemlich lang geworden, bis knapp zur Schulter. Vielleicht sollte ich sie mir schneiden lassen? So ein trendiger L.A.-Kurzhaarschnitt, wie alle ihn hier trugen. Es war, als ob alle Männer hier denselben Frisör besuchten, sie trugen den Einheitslook. Nein, so wollte ich nicht aussehen, dann blieb ich lieber bei meiner Länge. Störte ja keinen und bei der Arbeit behinderten sie mich auch nicht.

„Momentan sowieso nicht, du hast ja gar keine Stelle!“, fiel mir siedendheiß ein. Verdammt! Ich wollte diesen Job, wollte ihn so sehr. Stuntman bei einer Serie über illegale Autorennen. Das hatte Potenzial, klang nach vielen Herausforderungen, regelmäßigen Zahlungen und einem weiteren Schritt nach oben, in die erste Liga Hollywoods. Normalerweise stand ich nicht so auf Serien, weil es meist ein eher kleineres Budget für Stunts gab. Aber diese hier hatte die Action im Mittelpunkt und großartige Stunts waren geplant. Ich war so heiß drauf. Und ich war mir so sicher, dieses Projekt zu bekommen. Ed, der Stuntkoordinator, mit dem ich schon öfters zusammengearbeitet hatte, hatte mich für diese Stelle empfohlen. Ich wusste bereits, dass ich in der engeren Wahl war, wie er mir vorab verriet. Doch dann hatte dieses Schweinsgesicht Rod Chimney sich kurzerhand für einen Anderen entschieden. Sam Montgomery, ein alter Hase in der Branche, wurde auf Rod Chimneys Wunsch hin engagiert. Keiner hatte es laut ausgesprochen, aber ich wusste, dass Chimney es war, der mich abgelehnt hatte. Irgendetwas an mir, an meiner Visage, passte ihm nicht. Wie mich dieser Typ ankotzte! Aber ich konnte mir das nicht anmerken lassen, sondern musste weiter um ihn herumschleichen und freundlich lächeln. Damit er mich vielleicht beim nächsten Projekt engagierte. Deshalb war ich heute Abend hier aufgetaucht und seiner gnädigen Einladung gefolgt. Einer seiner Lakaien rief bei mir an, um mir auszurichten, dass ich die Stelle nun doch nicht bekomme, weil sie sich für einen Anderen entschieden hätten. Dann meinte er noch, dass Rod Chimney mir eine schriftliche Einladung zu seiner Produktionsparty schicken würde. Es wäre eine Chance für mich, neue Kontakte in der Branche zu knüpfen. Welch Hohn! Jeder, der mich auch nur ein wenig kannte weiß, dass ich keinesfalls der Typ war, der durch Smalltalk Leute kennenlernte. Oder ihnen Honig um den Mund schmierte, um sich interessant zu machen. Dieses ganze Party-Getue nervte mich, jeder wusste das. Ich glaubte daher, dass Chimney mich testen wollte. Eine Art Prüfung, ob ich genug Arsch in der Hose hatte, ihm nach seiner Absage gegenüber zu treten. Ja, hab ich, du arroganter Mistkerl, nur deshalb erschien ich heute hier auf deiner stinklangweiligen Party.

Du kriegst mich nicht klein!

Einer wie ich hatte genug Eier in der Hose und Ausdauer, um in diesem Job zu bestehen. Und morgen ruf ich mal in die Runde, ob jemand was für mich in Aussicht hat. Vermutlich musste ich dann wieder verreisen, denn hier in Hollywood hatte nur noch eine große Produktionsfirma ihren Sitz. Für die arbeitete mein „lieber Freund“ Chimney. Sonst gab es hier in L.A. nur noch kleinere Filmstudios. Außer den Universal Studios, aber die zählte ich nicht dazu, da sie inzwischen eher eine Art Vergnügungspark geworden waren. Die Touris strömten dorthin, um etwas Filmluft zu schnuppern. Amerikas Filme entstanden an anderen Orten. Also würde ich wohl mal wieder 'ne Weile auswärts meine Zelte aufschlagen müssen. Kein Problem für mich, daran war ich ja gewöhnt. Allerdings wäre das feste, monatelange Gehalt ein echtes Zuckerschlecken für mich gewesen. Eine Serie mit Autostunts entstand nicht alle Tage. Mist! Unwillkürlich ballte ich die Hand zur Faust, mit der ich eben den Stein in die Hosentasche steckte. Er hatte mit mir gesprochen, wollte mit mir gehen, bei mir sein, nicht so wie diese Frau. Sie wollte mich nicht.

Schluss mit den trüben Gedanken, es half alles nichts! Sie war Vergangenheit. Ein nettes Erlebnis am Strand, ein geiler Fick, mehr nicht. Vermutlich hatte ich sie morgen bereits wieder vergessen. Seltsam, dass ich ihr so viel über mich erzählt hatte. Das machte ich sonst nie. Ich redete allgemein nicht viel unnützes Zeugs und schon gar nicht erzählte ich einer Unbekannten von meinem Leben. Irgendetwas hatte sie in mir geweckt. Egal, vergessen! Diese Tussi war Geschichte.

„Verarsch dich nicht selbst, das glaubst du doch nie im Leben!“, verhöhnt mich da meine eigene, innere Stimme. Verärgert kickte ich mit dem Fuß noch mal in den Sand und schwor mir, mich zusammen zu reißen. Alles, was heute Abend zählte, war mein Job, meine Karriere. Sie war der Grund, weshalb ich mich zu dieser verfluchten Produktionsparty hergequält hatte.

„Du gehst jetzt da rein und zeigst dich von deiner besten Seite. Freundlich, unterhaltsam, ausnahmsweise mal arschkriechend. Und dann verlässt du, hoch erhobenen Kopfes, dieses verlogene, stinkende Loch von Haus hier. All dieser Protz und diese mediengeilen Leute, das ist nichts für dich. Doch eine Stunde hältst du noch aus. Mach es für deine Zukunft, tue es für deinen Beruf. Manchmal muss man in den sauren Apfel beißen.“

Entschlossen krempelte ich die Hosenbeine wieder nach unten und schlüpfte in meine spießigen Schuhe. Dann klopfte ich mir den Sand von den Hosenbeinen, kniff die Arschbacken zusammen und ging zurück in Richtung Party. Rein ins Getümmel, um Rod in die Augen zu blicken. Immerhin hatte ich, im Gegensatz zu ihm, eine heiße Nummer am Strand mit dem Objekt seiner momentanen Begierde. Ich hatte das erlebt, wovon er nur träumen konnte.

“Tja, mit Geld und Macht kann man sich eben nicht alles kaufen”, lachte ich in mich hinein.

Triumphierend grinste ich, straffte die Schultern und fühlte mich ihm zum ersten Mal überlegen. YES.

Nach einigen kürzeren Unterhaltungen mit den Schauspielern hatte ich genug für heute Abend. Dieses oberflächige Getue und Gekicher einiger weiblichen Darstellerinnen ging mir richtig auf die Nerven, mein Kopf dröhnte bereits. Ich beschloss, es für heute gut sein zu lassen und den Heimweg anzutreten. Am nächsten Morgen würde wieder mein übliches Training anstehen und ich wollte dabei nicht übernächtigt und kraftlos sein, sondern voll lospowern können. Also, ab nach Hause!

 

***

 

Bilanz des Tages bisher: 8 km am Strand gelaufen, 15 Minuten Kraftübungen an meiner Fitnessstange über der Schlafzimmertüre gemacht und jetzt noch eine Stunde Parkour trainiert. Das war super für die Beweglichkeit und hier in L.A. gab es genügend Möglichkeiten dafür. Treppengeländer, Feuerleitern, von Dach zu Dach springen – hier war alles möglich. Ganz in der Nähe meiner Wohnung in Downtown L.A., trainierte regelmäßig eine Parkour-Truppe. Die Jungs waren schwer in Ordnung und gegenseitig feuerten wir uns nicht nur zu Höchstleistungen an, sondern gaben uns Tipps zu speziellen Hindernissen, die wir Spots nannten. Ehrlich, die Truppe konnte mir so Manches beibringen, obwohl einige von denen rund zehn Jahre jünger als ich mit meinen fünfundzwanzig Jahren waren. Sogar ein 12-Jähriger war dabei und einige Mädels, die kaum älter waren. Parkour wies einige Parallelen zu Stunts auf und erforderte eine ähnliche Grundeinstellung: Sicherheit hat Vorrang. Jede Bewegung, jeder Sprung musste regelmäßig geübt werden. Vor jeder Situation, egal wie oft du sie geübt hast, musst du die Risiken einschätzen und beurteilen können. Manche Spots hatten es in sich und selbst ein erfahrener „Traceur“, wie ich es war, sollte sich jedes Hindernis im Vorfeld genau anschauen. Wie auch dieses Baugerüst, was jetzt gerade vor mir aufragte.

Casey, das toughe junge Mädchen mit dem Pferdeschwanz, kam zu mir, als ich den Spot genauer unter die Lupe nahm. Ich schätzte sie auf höchstens elf Jahre, aber was wusste ich schon.

„Hey, Ryan, wir wollen heute etwas trainieren und gehen anschließend zum Chillen in den Park. Bist du dabei?“

Ich grinste und strich ihr neckisch durch das Haar. „Heute nicht, Casey, sorry. Hab noch was vor.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und blickte mich skeptisch an, dabei stemmte sie ihre Hände keck in ihre Seite.

„Hast 'ne Freundin?“, wollte sie wissen und ich verschluckte mich beinahe vor Lachen. Casey hatte einen Narren an mir gefressen und ihre Kleinmädchen-Schwärmerei war echt süß. Ich spielte also mit und antwortete: „Nein, weshalb sollte ich auch. Du bist meine Nummer Eins, das weißt du doch. Aber falls ich mal eine Frau kennenlerne, stelle ich sie dir zuerst vor. Du musst sie dann genau abchecken, nur wenn du dein Ok gibst und sie für gut befindest, treffe ich sie weiterhin. In Ordnung?“

Sie nickte und ihr Pferdeschwanz wippte dabei lustig hin und her. Meine Antwort hatte ihr gefallen, wie an ihrem Lächeln deutlich zu sehen war.

„Yep, alles klar, so machen wir das. Und jetzt zeig mal, was du kannst. Soll ich dich dabei mit dem Handy filmen?“

Sie streckte ihre Handfläche nach mir aus. Erwartete sie allen Ernstes, dass ich ihr jetzt mein Smartphone gab? Den teuersten Gegenstand, den ich besaß? Niemals, so sehr ich diese rotzfreche Göre auch mochte.

„Nee, lass mal, Casey, ich trainiere nie mit Handy, das bleibt schön zu Hause. Hab alles, jedes Hindernis, im Kopf gespeichert und brauche keine Filmchen von mir.“

„Ach so.“

Enttäuscht ließ sie den Kopf sinken.

„Die anderen wollen immer, dass ich sie filme, damit sie es bei Youtube reinstellen können.“

Ich lachte laut auf.

„Tut mir leid, dass ich dich enttäusche. Aber ich mach dir 'nen Vorschlag. Ich bringe dir bei, diesen Spot zu überwinden, dann können die anderen dich dabei filmen. Na, wie hört sich das an?“

„Klasse“, grinste sie und zeigte mir die „Ghetto-Faust“, wie die Kids es hier häufig machten. Dabei offenbarte sie eine Zahnlücke. Verdammt, wie jung war die Kleine denn?

„Sag mal, haben deine Eltern nichts dagegen, dass du den Sonntagmorgen hier auf der Straße verbringst?“, wollte ich von ihr wissen.

„Ne, die pennen noch. Außerdem ist mein Bruder dabei. Rick.“

Sie deutete auf den hochgewachsenen Teenager, den ich flüchtig kannte. Rick war siebzehn und traute sich an die gewagtesten Spots, wie mir mehrmals aufgefallen war. Etwas zu risikofreudig, für meinen Geschmack. Von Casey nahm er immer kaum Notiz, deshalb hatte ich sie nie mit ihm in Verbindung gebracht.

„Und ich bin ja schon zehn, ich brauche keinen Aufpasser“, posaunte sie heraus, und es war gut, dass sie meine Gedanken nicht lesen konnte.

Ich fand sie nämlich viel zu jung, um ihre Zeit stundenlang alleine in den Straßen L.A.´s zu verbringen. Ihr Bruder schien ihr keine Unterstützung zu sein.

„Aha, na dann ist ja alles klar“, brummte ich und beschloß, das Thema für heute zu lassen.

Die nächste Viertelstunde arbeitete ich mit ihr an dem Hindernis. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es langsam eng wurde, wollte ich noch duschen und rechtzeitig um zwölf Uhr zum Essen bei Zack und seiner Familie sein.

Ich gab Casey einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und verabschiedete mich kurz von ihr und den anderen.

Danach stürmte ich in meine Wohnung zurück und duschte in Rekordzeit.

 

***

 

Vierzig Minuten später stand ich vor Zacks Wohnungstür und klingelte Sturm. Mein Magen beschwerte sich inzwischen lautstark, da ich kaum etwas zum Frühstück essen konnte. Irgendwie ließ mich der Abend bei Chimney nicht los. Oder besser gesagt, es war die Sache am Strand.

Die Tür öffnete sich und eine freudig strahlende Lisa riss mich aus meinen Gedanken. Ihre braunen Locken wippten bei jeder Bewegung mit und ihre grünen Katzenaugen blitzten schelmisch.

„Pünktlich auf die Minute, wie immer. Ihr Stuntmen seid alle gleich. Als hättet ihr eine innere Uhr. Warst du eigentlich jemals in deinem Leben zu spät oder zu früh dran?“, fragte sie, während sie mich kurz zur Begrüßung umarmte.

„Hey, Lisa. Ich will nichts von eurem leckeren Essen verpassen. Jede Minute zählt, bevor Denny und Zack mir alles wegfuttern. Und ja, ich war schon mal zu früh dran. Aber noch nie zu spät“, fügte ich hinzu und hielt meine Nase schnuppernd in die Luft.

„Mann, riecht das lecker. Was gibts denn heute? Hat Zack gekocht?“

„Wie immer“, nickte Lisa. „Sonst hätten wir dich niemals eingeladen. Das Ergebnis meiner Kochkünste können wir höchstens den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Meine beiden Männer da drin verweigern jedenfalls jeden Bissen, wenn ich am Herd gestanden bin. Und leider muss ich ihnen recht geben. Kochen ist nicht meine Stärke.“

Laut lachend stimmte ich ihr zu.

„Ja, aber dafür gibt es in ganz Hollywood keine bessere Drehbuchautorin als dich.“

Nun ist es Lisa, die schallend auflacht. „Du alter Charmeur. Schön wär´s, wenn das stimmen würde. Leider bin ich lange nicht so gut, wie du denkst.”

Ernst schaute ich sie an.

„Nun mach dich mal nicht kleiner, als du bist. Immerhin ernährst du mit deiner Arbeit eure komplette Familie. Soweit ich weiß, hat dich soeben ein bekannter Produzent engagiert, einen Bestseller zum Drehbuch umzuschreiben. Stimmt doch, oder?“

Ihre Wangen erröteten leicht, doch sie nickte.

„Ja, da hab ich Glück gehabt, das Geld wird uns eine Weile über Wasser halten. Jetzt, da Zack nicht arbeiten kann“, fügte sie leise hinzu, damit er es nicht hörte.

Wir wussten beide, wie empfindlich er bei diesem Thema war.

„Ich verdiene zwar nicht schlecht, aber die Kosten für seine Medikamente, Krankengymnastik und alles andere, fressen den Löwenanteil auf. Sag ihm das aber bitte nicht. Er ist geknickt genug, dass er noch nicht wieder arbeiten kann. Und für eine Umschulung ist es noch zu früh, sagt der Doc. Außerdem will Zack nichts davon wissen. Er hält stur an seinem Plan fest, so bald wie möglich wieder als Stuntman zu arbeiten. Mit einem kaputten Knie und einem steifen Bein. Manchmal frage ich mich ernsthaft, in welcher Welt er lebt.“

Seufzend lehnte sie sich gegen den Türrahmen und zum ersten Mal fielen mir ihre dunklen Augenringe auf. Mist! So hatte ich das nie zuvor gesehen. Bisher hatte ich ihn in seinem Glauben bestärkt, schnell wieder fit zu werden und als Stuntman zu arbeiten.

„Was? Ich dachte, der Schaden an seinem Knie sei vorübergehend. Das heilt wieder, sagt er. Stimmt doch, oder?“

Lisa wischte sich rasch über die Augen, um die aufkommenden Tränen wegzuwischen. „Nein, Ryan, es ist permanent, seine Kniescheibe wurde bei dem Unfall zertrümmert. Die haben getan, was möglich war, aber sein Bein wird nie wieder voll einsatzfähig sein. Er wird immer am Stock gehen müssen. Er hat starke Schmerzen, auch wenn er dies nie zugibt. Eine Umschulung wäre also für alle das Beste. Ich will nicht unfair sein und ich möchte ihm auch nicht seine Träume nehmen. Aber langsam, nach sechs Monaten, wird es Zeit, der Realität ins Auge zu sehen. Da ist es besser nach vorne zu sehen und das Beste aus seiner Situation zu machen.“

Widerwillig nickte ich, musste das Gehörte aber erst mal verdauen, bevor ich einen Kommentar dazu abgeben konnte. Ich wollte meinem Freund nicht in den Rücken fallen. Allerdings wurde mir soeben klar, dass die Probleme der beiden größer waren, als ich dachte. Die Fassade bröckelte.

Lisa und Zack. Für mich waren, nein, sind sie das Traumpaar schlechthin. Seit der Highschool zusammen, nichts konnte sie trennen. Beide sahen nicht nur blendend aus, sondern sie waren auch witzig, charmant und erfolgreich im Job. Jedenfalls waren sie es bis zu Zacks Unfall.

„Sag mal, was treibt ihr beiden da draußen eigentlich? Wenn ihr nicht sofort reinkommt, essen Danny und ich die Burritos alleine auf. Sorry, Kumpel, aber wer zu spät kommt ...!“

Entsetzt grummelte ich auf und stürmte in die Wohnung hinein, wo mich ein breit grinsender Zack und eine stürmische Umarmung von Danny erwarteten. Der Kleine klebte förmlich an meinem Hals und ließ selbst dann nicht von mir ab, als ich seinen Dad begrüßte.

„Onkel Ryan, wo warst du denn so lange? Dad sagt, Stuntmänner wie ihr kommen nie zu spät.“

„Hör mal, du Dreikäsehoch, dein Paps sagt die Wahrheit. Ich war auf die Minute pünktlich, hab nur noch kurz mit deiner Mum geredet.“

Belustigt wuschelte ich ihm durch seine braunen Locken. Danny war ziemlich klein für sein Alter und ein absolutes Fliegengewicht. Ich mochte diesen Winzling, er war für mich Familie. Ich kannte ihn seit dem ersten Tag seiner Geburt. Manchmal beneidete ich Zack um Lisa und Danny. Nicht, dass ich es ihm nicht gönnte, denn das tat ich. Wenn es einer verdiente, dann er.

Aber wenn ich nach einem harten Tag in meine Wohnung kam, dann erwartete mich dort nichts als Stille. Es war keiner da, dem ich vom Dreh erzählen konnte. Keine warmen Arme, die mich in Empfang nahmen, niemand, der sich um meine Anwesenheit kümmerte. Es gab nur mich, den Fernseher und meine Trainingsgeräte.

Zack jedoch hatte nicht nur eine, sondern gleich zwei Personen, die ihm täglich zeigten, wie wichtig er ihnen war. Das beneidete ich.

Rasch setzte ich mich mit dem Kleinen an den bereits gedeckten Tisch und klatschte erfreut in die Hände, als Zack stolz eine Platte mit Burritos auf den Tisch stellte. Der geschmolzene Käse darauf hatte die perfekte goldgelbe Farbe.

Das Wasser lief mir bei dem Anblick im Mund zusammen und ich konnte es kaum erwarten, loszulegen.

„Mein Lieblingsessen, verdammt Zack, das solltest du öfters kochen!“

„Ich weiß“, lacht dieser. „Wenn es nach dir geht, jeden Sonntag. Aber ich hab auch noch zwei andere Mäuler hier zu stopfen und die stehen nun mal mehr auf Pizza und Pasta. Die zwei Möchtegern-Italiener haben mich fest im Griff, tut mir leid, alter Freund, aber das muss du einsehen. Sei lieber froh, dass ich mich heute ausnahmsweise mal durchsetzen konnte und dir dein mexikanisches Essen auftischen kann. Wer weiß, ob ich das jemals wieder hinbekomme. Die Zwei sind wahre Diktatoren.“

Theatralisch seufzte er auf und hob hilflos die Hände.

„Gegen eine solche Übermacht komme ich nicht an. Keine Chance. Gut, dass du jetzt hier bist, um mir den Rücken zu stärken.“

Lisa prustete los und verdrehte die Augen.

„Glaub ihm kein Wort, Ryan. Nicht ich stehe auf italienisches Essen. Er ist derjenige, der jeden Tag Teigwaren möchte. Wenns nach mir ginge, gäbe es öfters mal was anderes. Salate, Mexikanisch, Sushi, alles ist gut, so lange ich nicht ständig Nudeln oder Pizza essen muss. Aber das gibt er vor dir natürlich nicht zu. Manchmal frage ich mich echt, wer hier das größere Kind ist, Danny oder Zack.“

„Zack“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen, während mein bester Kumpel gleichzeitig, „ich“, rief.

„Na wenigstens bist du ehrlich“, kicherte Lisa und gab ihrem Mann einen langen und leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen.

Die Liebe zwischen den beiden war spürbar, man konnte sie beinahe sehen, so deutlich stand es in der Luft geschrieben. Die verliebten Blicke, die sie sich immer wieder zuwarfen und gerade diese kleinen Neckereien wie eben, zeigten ihre Gefühle füreinander. Trotz aller Probleme.

„Darf ich jetzt endlich essen?“, jammert ein scheinbar ausgehungerter Danny und zappelte unruhig auf dem Stuhl herum.

„Aber klar, Sportsfreund. Hau rein, du hast lange genug gewartet! Und wenn du magst, gebe ich dir nachher auch was von meinem Nachtisch ab. Es gibt doch Dessert, oder?“

„Mami hat Eis gekauft. Und es gibt Schokosoße, die hat sie selbst gemacht.“

Entsetzt fuhr nicht nur mein Kopf hoch. Auch Zack guckte ernsthaft erschrocken.

„Selbst gemacht?“, riefen wir beide gleichzeitig geschockt und er fügte hinzu: „In dem Fall verzichten wir lieber auf die Soße.“

Beschwichtigend hielt Lisa ihre Hände hoch.

„Keine Angst, ihr Mimosen. Ich hab nur das gekaufte Pulver mit Wasser angerührt, da kann nun wirklich nichts schiefgehen.“

Zack und ich blieben weiterhin skeptisch. Zu recht, denn als wir die leckersten Burritos der Welt vollständig verdrückt hatten und uns dem Nachtisch zuwenden wollten, stimmte irgendetwas nicht. Lustlos nahm ich mit meinem Löffel etwas Schokosoße auf und kostete sie vorsichtig. Sollte die nicht etwas dickflüssiger sein? Und wieso schmeckte sie so ... hm ... wässrig?

Als auf den anderen Tellern nur das Eis vertilgt wurde und überall, selbst bei Danny, die Schokosoße übrig blieb, bahnte sich ein Kichern in mir an. Alle starrten auf die nicht ganz leeren Teller, bis Lisa schließlich etwas brummte, das sich wie: „Verstehe echt nicht, was ich da wieder falsch gemacht habe“, anhörte. Zack stand auf und humpelte mühsam mithilfe seines Stockes los. Er humpelte heute besonders stark und kniff dabei die Lippen fest zusammen. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, immer wieder pausierte er für einen Moment. Verdammt, er musste starke Schmerzen haben. Trotzdem kam kein Wort des Jammers aus seinem Mund, er schleppte sich weiter durch den Essbereich bis zur Küchenzeile. Die Wohnung verfügte über ein offenes Raumkonzept, Küche und Esszimmer waren durch eine Theke unterteilt. Es dauerte ewig, bis er das große Zimmer durchquert und sein Ziel, den Abfalleimer, erreichte. Kurz darauf hielt er triumphierend das Sachet hoch, auf dem eine lecker aussehende Schokoladensoße abgebildet war. Offensichtlich versuchte er krampfhaft, ein Lachen zu unterdrücken, während er laut und deutlich vorlas.

„Zubereitung: 250 Milliliter Milch oder 200 Milch und 100 Gramm Schlagsahne in einen Rührbecher geben.“

An dieser Stelle unterbrach er kurz und rang, wie ich, um Fassung. Glucksend und immer wieder von einem kurzen, gebelltem Lachen unterbrochen, fuhr er fort: „Soßenpulver hinzufügen und mit einem Schneebesen verrühren. Soße bis zum Servieren kalt stellen und vor dem Servieren durchrühren.“

Verwirrt blickte Lisa ihn an.

„Milch und Sahne? Ich könnte schwören, da stand vorhin noch Wasser drauf.“

In diesem Moment konnten wir Männer uns nicht mehr zurückhalten und lachten, bis die Wände wackelten. Danny stimmte natürlich mit ein, auch wenn er vermutlich den Witz des Ganzen nicht verstanden hatte. Ich würde es ihm später erklären, das sollte ihm nicht entgehen.

Lisa schaute kurz sauer in die Runde und versuchte vergeblich ernst zu bleiben. Sekunden später gesellte sich ihr glockengelles Lachen zu Zacks und meinem Bariton dazu, unterstrichen von Dannys ausgelassenem Gekicher. Ich liebte diese Sonntage bei den Dreien. Ehrlich, sie waren mein persönliches Highlight und längst zum festen Bestandteil meiner Woche geworden.

Als wir uns gefühlte Stunden später einigermaßen beruhigt hatten und die Bäuche vor Lachen schmerzten, versuchte Lisa, sich zu verteidigen. Nervös rieb sie ihre Handflächen an ihrer lässigen Stoffhose ab, eine unbewusste Geste, die bei ihr nicht selten vorkam.

„Ehrlich Leute, das war keine Absicht, ich schwöre es. Wer kann denn schon ahnen, dass da Milch und Sahne reinkommen. Ich hab das Pulver gesehen und war mir sicher, da muss nur noch Wasser dazu. Das hätte jedem passieren können. Gebt es zu, es hat absolut nichts mit meinen Kochkünsten zu tun.“

Wir Männer rissen uns zusammen und nickten tapfer, schwer darum bemüht, nicht wieder loszulachen.

Zack legte liebevoll einen Arm um sie, gab ihr einen Kuss auf die Wange und meinte: „Nimms leicht, Schatz. Man kann nicht alles können. Deine Stärken liegen eben nicht im häuslichen Bereich, was soll`s. Dafür hast du ja mich. Für uns bist du trotzdem die Beste, stimmts, Ryan und Danny?“

Eifrig nickten wir und ich stellten wieder einmal fest, wie recht er hatte. Lisa war großartig. Sie war eine toughe Geschäftsfrau und liebevolle Mutter zugleich. Dazu trug sie sämtliche Gefühle im Gesicht spazieren, man konnte in ihr lesen wie in einem Buch. Ihre Stimmungen, egal welcher Art, waren bei ihr nicht zu übersehen. Ich liebte sie wie eine Schwester. Sie war so herrlich unkompliziert und trotzdem wurde es mit ihr nie langweilig.

„Zack ist ein wahrer Glückspilz, dass er dich an seiner Seite hat. Wer hätte damals in der Highschool gedacht, dass aus dem zurückhaltenden Mauerblümchen mit der Jungsfrisur mal eine solche Schönheit wird. Mist, da war er einfach klüger als ich!“

Offensichtlich versuchte ich, wieder Boden gut zu machen. Eine verärgerte Lisa passte nicht in meinen Lebensplan. Außerdem waren meine Worte wahr. Damals war ich über Zacks Wahl sehr verwundert. Seine Freundinnen vor Lisa sahen alle aus wie Mini-Supermodels. Und schlagartig kam er mit ihr an und wollte sich bereits nach wenigen Wochen verloben. Gegen den Willen seiner und ihrer Eltern. Mittlerweile verstand ich voll und ganz, was er in ihr gesehen hatte. Keine passte besser zu ihm als sie.

„Hört, hört“, lachte Zack. „Weise Worte aus deinem Mund.“

„Und gleich so viele auf einmal“, fügt Lisa hinzu. „Normalerweise beschränken sich Ryans Äußerungen auf zwei bis drei Sätze – an einem kompletten Tag.“

Gespielt gekränkt fasste ich mir ans Herz.

„Das ist gemein. Ich mache dir Komplimente und bekomme was dafür? Einen herzlichen Dank? Nein, lieber einen Schlag mit dem Holzhammer. Ehrlich, so wortkarg bin ich nun wirklich nicht, oder?“

Ein Blick in die Runde zeigte eiliges Köpfeschütteln, doch irgendwie etwas zu übertrieben, etwas zu eifrig. Verflixt, vielleicht sollte ich etwas an meinen sozialen Fähigkeiten arbeiten. Aber ich war nun mal kein Freund großer Reden. Weshalb den lieben langen Tag unsinniges Zeug quasseln, wenn man alles genauso gut in einem einzigen Satz sagen konnte?

Plötzlich unterbrach das laute Klingeln meines Handys die angenehme Stille. Das Display zeigte „Unbekannter Anrufer“ und verwirrt nahm ich den Anruf entgegen.

Wer kann das sein?

„Hey, Ryan, ich bin´s, Ed“, ertönte die markante Stimme des Stuntkoordinators.

Zigmal hatte ich mit ihm in einem Team gearbeitet. Er war ein klasse Chef und hatte mich des Öfteren für neue Drehs empfohlen. Beim Letzten hatte es ja leider nicht geklappt, den Job bei der Serie bekam ich nicht. Was also wollte er von mir? Hatte er einen Tipp für mich, ging es um ein neues B-Movie? Ich wusste, in den nächsten Wochen begannen einige Drehs. Allerdings waren die seit Wochen komplett besetzt. Wie üblich in Hollywood, meist sogar Monate im Voraus.

Per Gestik entschuldigte ich mich bei meinen Freunden und ging in ihr Wohnzimmer. Um ungestört telefonieren zu können, schloss ich die Türe hinter mir.

„Hey, Ed, was ist?“, meldete ich mich.

„Carter, sorry, falls ich störe, aber das kann nicht bis morgen warten, die Sache ist eilig. Hast du kurz ein paar Minuten Zeit?“

„Schieß los!“, antwortete ich kurz und bündig und hoffte, dass er mich nicht länger auf die Folter spannte.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752138122
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Liebesroman Hollywood Affäre

Autor

  • J. K. Mooning (Autor:in)

J. K. Mooning ist eine Autorin mit sonnigem Gemüt und der Liebe zu romantischen Geschichten, die in den USA spielen.