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Wächter des Meeres

Die Gabe der Haie

von Marisa Barkhoff (Autor:in)
260 Seiten

Zusammenfassung

Sie existieren seit 450 Millionen Jahren Sie sind die am meisten gefürchteten Raubtiere des Meeres Nur sie haben die Macht, ihm zu helfen Der graue Riffhai Aro verbirgt seine Vorliebe, die Schönheit der Welt wahrzunehmen, statt sich einzig der Jagd zu widmen. Bis eines Tages eine Stimme aus dem Nichts zu ihm spricht. Sie behauptet, das Meer selbst zu sein. Es hat eine wichtige Aufgabe für ihn, die Aro aus dem Reich der Haie zu neuen Welten und uraltem Wissen führt. Unterstützt von Haien, die seine Gabe teilen, stellt sich Aro kiemensträubenden Abenteuern. Verfolgt von dem Tigerhai Kahn, der alle Haie, die mit dem Meer sprechen, vernichten will …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

 

Laut Vorname.com bedeutet Marisa unter anderem die aus dem Meer Kommende. Ehrlich.

Bei so einem Autorinnenamen kann der Debütroman nur vom Meer handeln. Früher hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass sich in ihm alles um Haie drehen würde. Bis ich herausfand, wie faszinierend diese sind. Egal was Massenmedien behaupten, bestehen Haie nicht nur aus ihren Zähnen. Sobald man Forschungsberichte über sie liest und sich seriöse Dokumentarfilme anschaut, zeigt sich, wie viel mehr es über diese uralten Tiere zu wissen gibt. Meine Hoffnung, eines Tages einen Tierroman mit ihnen als Protagonisten zu finden, hat sich leider nicht erfüllt. Aber wie sagt man so schön? Wenn du willst, dass es gut wird, mach es selbst.

Hier ist sie endlich, eine schon längst überfällige Liebeserklärung an eines der verkanntesten Geschöpfe des Planeten.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

 

Prolog - Meergeborene

 

Das Meer funkelte im Licht der aufgehenden Sonne wie ein polierter Diamant.

Kendra beobachtete die auf der Meeresoberfläche tanzenden Schatten, doch vor allem die mächtige Gestalt des auftauchenden Pottwales. Er streckte seinen Kopf aus dem Wasser und selbst von hier unten sah sie den himmelwärts schießenden Blas. Das Objekt auf der Oberfläche, nur wenige Meter von ihm entfernt, bewegte sich in seine Nähe. Ein Gefährt der Menschen.

Kendra wusste, dass sie den Pottwal bestaunen wollten. Sie hörte ihr Jubeln selbst aus dieser Entfernung und trotz des dämpfenden Wassers. Es erinnerte sie an das Schnattern von Delfinen, nur beträchtlich langsamer.

Während sie ihn wohlwollend betrachteten, wäre ihre Reaktion bei ihrem Anblick ganz anders.

Dazu müssen sie nur meine Rückenflosse sehen, dachte Kendra.

Keine zehn Meeresmahre, so benannten Meerestiere die über alles gefürchteten Orcas, brachten sie dazu, der Oberfläche näher als fünf Körperlängen zu kommen. Das Ergebnis jahrhundertelangen Rufmordes, dem kein Hai etwas entgegen setzen konnte.

Der Pottwal tauchte senkrecht ab und bedachte Kendra mit einem kurzen Blick. Im Gegensatz zu Menschen machte sie ihm keine Angst. Er wusste, dass Haie nicht aus der Hölle stammten.

Auch Kendra fürchtete sich nicht vor dem größten fleischfressenden Raubtier des Meeres. Sie spürte, dass es satt war. Die Haifrau genoss es, seinen gewaltigen Körper aus der Nähe sehen zu können.

Auch wenn das allen Instinkten widersprach.

Aber sie besaß reichlich Übung darin, ihre Empfindungen beiseite zu schieben, wenn eine neue Erfahrung lockte. Für andere Haie ein völlig unmögliches Verhalten. Doch Kendra war nicht so wie Millionen andere Haie.

Die meisten würden sie für verrückt halten. Wenn sie denn jemals mit ihnen darüber gesprochen hätte. Einmal in ihrem Leben war es fast dazu gekommen, aber dann … Nein, sie wollte nicht mehr darüber nachdenken.

Kendra beschrieb einen Schlenker und schwamm schnell zurück zur Küste. Die Zeit ist gekommen, dachte sie aufgeregt, als das Strampeln in ihrem Bauch heftiger wurde. Sie spürte, dass eines ihrer Kinder ihr ähnelte. Ihre Gabe besaß. »Du wirst es nicht einfach haben. Ich hoffe, dir gelingt, woran ich gescheitert bin«, flüsterte Kendra. Es hing so viel davon ab.

Sie schwamm noch schneller, glitt mit mühelos kräftigen Bewegungen durch das Wasser. Ihr Herz schlug wie das eines Delfins im Angesicht einer prächtigen Welle, als sie den Ort sah, den sie zur Heimat ihrer Kinder erwählt hatte. Zumindest für die meisten von ihnen.

Das Gewässer um sie herum wurde immer flacher. Der Boden stieg sanft wie eine Welle empor und das über sie hinwegbrausende Wasser hatte die Steine glatt wie Delfinhaut geschmirgelt. Besonders gefiel Kendra der hohe Wall aus Felsbrocken, der fast das ganze Riff umsäumte. Sie lagen aufeinander wie Zähne eines riesigen Raubtieres und sie zwängte sich durch die einzige Zahnlücke.

Kendra hoffte, als ihr geschwollener Bauch an den Felsen entlang schrammte, dass kein Raubtier sich bemühte, es ihr gleichzutun. Dabei dachte sie vor allem an ein bestimmtes und ihre Augen verdunkelten sich vor Sorge. Ihre Kinder regten sich wieder, als wüssten sie, dass sie ihr Zuhause bald gegen ein wesentlich größeres tauschen würden. Die Haifrau schwamm bis zu dem Platz, den sie zum Geburtsort bestimmt hatte.

Eine breite, etwa zwei Meter tiefe Grube erstreckte sich vor ihr. Sie wirkte wie durch eine riesige Seeschlange in den Boden gedrückt. Kendra begab sich in ihre Mitte und zog dort geduldig ihre Kreise.

Der Schmerz kam nicht schlagartig, sondern mit der Unaufhaltsamkeit einer Welle, die auf Klippen zusteuert. Als Hai gehörte Schmerz zu ihrem Leben. Sie arrangierte sich mit ihm wie mit einer heftigen Strömung. Nach der fünften Runde spürte sie, wie sich das erste Kind aus ihrem Unterleib schob. Nach einem kurzen Pressen, das sich nach den vorherigen Schmerzen wie eine Massage anfühlte, war es frei. Kendra spürte eine kurze Berührung am unteren Teil ihrer Schwanzflosse, als die winzige Rückenflosse des Jungen dagegen stieß. Sie wendete und sah ihr Erstgeborenes. Es schwankte beim Schwimmen so stark von links nach rechts, dass man meinen konnte, es legte bald eine seitliche Rolle hin. Zweimal stieß es mit dem Köpfchen gegen den Boden, bis es schließlich Herr über seinen Körper wurde. Es schwamm ohne weiteren Zusammenstoß unter ihr durch und verschwand im Riff. Die Haifrau sah ihm nicht nach. Sie wusste, dass sie ihren Teil erfüllt hatte.

Den Nachwuchs an einem sicheren Ort zur Welt zu bringen. Binnen weniger Minuten erblickten drei weitere kleine Haie das Blau des Meeres. Auch sie schwammen für wenige Sekunden ein wenig ziellos herum, kaum begreifend, plötzlich so viel Raum um sich zu haben und die Bewegungen ihrer Geschwister nicht mehr zu spüren. Sie alle besaßen gelbe Augen, manche mit einer braunen Schattierung, und lernten zielgerichtetes Schwimmen binnen Minuten. Als sie davonschwammen, schwangen ihre Schwanzflossen gleichmäßig von links nach rechts.

Sie bewegten sich bereits jetzt mit einer Eleganz, die andere Fische selbst im hohen Alter nicht erreichten. Als letztes verließ ihr besonderes Kind ihren Körper. Bei keinem anderen spürte sie so deutlich jeden einzelnen Millimeter, den es zurücklegte. Kendra schwamm etwas weiter nach oben, krümmte sich ein letztes Mal und presste das Junge hinaus, das mit mehr Heftigkeit ins Leben schoss als seine Geschwister. Die Haimutter brauchte nur Sekunden, um sich umzudrehen, um ihr besonderes Kind das erste Mal zu sehen. Der kleine Körper hob sich deutlich vom sandigen Grund ab.

»Du bist es«, hauchte sie und die Wärme ihrer Stimme strömte aus ihrem Körper wie Hitze aus der Sonne. Die Haimutter betrachtete ihr Kind. Ein überwältigendes Glücksgefühl wogte durch ihren Körper und brachte eine friedvolle Ruhe mit sich.

Ihr Sohn besaß die Gabe, das spürte sie ganz deutlich. Sie stand am Ziel ihres Planes.

Das Einzige, das sie je in ihrem Leben geschafft hatte. Die Glücksgefühle verdrängten die plötzlich aufwallenden Erinnerungen an all die Misserfolge ihres Lebens. Kendra stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und betrachtete erneut ihren Sohn. Ein Schauer durchlief sie, denn er hatte noch etwas von ihr geerbt. »Auch du hast grüne Augen, wie schön«, flüsterte Kendra. Das ließ ihr Herz schneller schlagen. Es war nichtig, äußerliche Ähnlichkeiten zu beachten, vor allem in seinem Fall, aber dass sie beide diese Besonderheit teilten, berührte sie trotzdem. Nicht einmal seine geringe Körpergröße trübte ihre Freude.

Viele hätten ihm keine Chance auf ein langes Leben eingeräumt. Doch Kendra wusste, welche Kraft er in sich trug. Einfach würde sein Leben nicht sein, selbst als stattlichster grauer Riffhai aller Zeiten nicht. Körperliche Stärke stand an zweiter Stelle bei seiner Gabe. Sie hoffte nur, dass er das bald begriff.

Die Haimutter seufzte erneut.

»Ich habe ihn geboren«, sagte sie leise. Nur sie wusste, dass sie kein Selbstgespräch führte, sondern wirklich mit jemandem sprach.

Kendra betrachtete ihren Sohn ein letztes Mal, wie er ziellos in kleinen Kreisen schwamm. Obwohl sie wusste, dass sie aufbrechen sollte, tauchte sie auf seine Höhe herab. Der kleine Kerl betrachtete sie mit großen Augen.

»Ich wünsche dir alles Gute«, flüsterte Kendra. »Und denk immer daran: Gib niemals auf. Du bist nicht alleine.« Sie wollte noch viel mehr sagen. So viel mehr. Aber das würde er nicht verstehen. Noch nicht. Im schlimmsten Fall nie.

Sie schreckte vor dem Gedanken zurück. Ihr Sohn wandte sich von ihr ab und schwamm wie seine Geschwister davon. Er würde hier sicher sein. Fürs erste. Kendra hoffte, dass er zu gegebener Zeit den Weg zu seinem wahren Zuhause finden würde.

Ihre Aufgabe war erfüllt.

Ich kann in Frieden sterben, dachte sie ganz ruhig. Die Aussicht, vor der Zeit gehen zu müssen, begleitete jedes wilde Tier, aber Kendra spürte ihren nahenden Tod.

Doch nach der Geburt ihres Sohnes fühlte er sich nicht mehr wie ein würgender Tentakel an, sondern wie eine sanfte Strömung.

Kendra verließ das Felsriff mit schwungvollen Bewegungen. Sie lachte zufrieden auf und ihr Gelächter huschte durch das Wasser wie ein Delfin. Es gab ihr Frieden zu wissen, dass ihr Sohn einen Gleichgesinnten besaß. Obwohl sie noch viele Seemeilen trennten, wusste sie, dass er den Weg zu Dionus finden würde. Haie wie sie zogen sich gegenseitig an. Ihr Schatten verschwand im dunklen Grund des tieferen Wassers, als sie auf die Hochsee zuschwamm. Kendra nahm die Gefahrenmeldung ihrer Instinkte und die noch deutlicheren ihrer Sinne wahr. Sie ignorierte sie. Einige hundert Körperlängen vom Riff entfernt, meldete ihr Geruchssinn etwas. Es roch nach Verwesung. Der Geruch umhüllte ihre Schnauze nicht nur wie Nebel, sondern drängelte sich wie ausgehungerte Maden hinein. Ein Schatten zeichnete sich in der Ferne ab.

Zu weit entfernt, um Einzelheiten auszumachen, doch jetzt schon groß genug, um viele Meerestiere das Fürchten zu lehren. Sogar viele Haie.

Der Schatten nahm Gestalt an. Es war ein Tigerhai, mehr als doppelt so groß wie Kendra.

Während sie ihr Tempo verlangsamte, beschrieb ihr Gegenüber einen engen Bogen um sie. Die dunklen Streifen, die seiner Art den Namen gaben, wirkten im trüben Licht wie Wunden. Mit leicht geöffnetem Maul, das ein beeindruckendes Gebiss entblößte, fixierte der Haimann sie mit wütenden Augen.

Langsamer werdend umrundete er sie und hielt dann vor ihr an. Kendra hatte erwartet, dass er sich sofort auf sie stürzen würde. Doch das geschah nicht.

Ihr Blick traf seinen.

»Endlich«, stieß der Tigerhai triumphierend heraus.

»Ich glaubte einmal, dass wir uns niemals wiedersehen, Kahn«, erwiderte Kendra und ihre Stimme klang nicht im Mindesten ängstlich. Es gab so Vieles, das durch ihren Kopf ging, aber schon allein wegen der überstandenen Geburt fehlte ihr die Kraft, um sich einen guten Einstieg zu überlegen.

»Endlich habe ich dich gefunden«, sprach er weiter und nun klang seine Stimme bedrohlicher. Der Tigerhai strahlte seine Wut wie Hitze aus. Nur Kendra kannte die darunter liegende Verzweiflung. Sie wünschte, sie könnte ihm begreiflich machen, wie sehr er damit sich selbst schadete.

»Du bist groß geworden, Kahn. Ein wirklich kapitaler Tigerhai, alle Achtung«, lobte sie und dachte an ihre erste Begegnung. Wie fröhlich und freundlich er gewesen war.

»Ein Wunder, wenn man bedenkt, was du mir angetan hast, Kendra.« Ein Beben durchlief seine Kiefer, als sei er ein Käfig, der unter dem Ansturm von etwas Wütendem erzitterte. »Ich wusste, ich würde dich eines Tages finden. Und wenn es das Letzte ist, das ich mache.« Seine Stimme wurde lauter.

»Ich bin beeindruckt von deiner Willensstärke. Wie schön, dass dir das geblieben ist. Ich wünschte nur, du würdest sie für etwas anderes verwenden«, erwiderte Kendra mit ruhiger Stimme.

»Woran hättest du denn gedacht? Für deinen Irrsinn etwa?« Kendra zuckte nicht einmal mit einer Kiemenspalte, was ihn noch wütender machte. »Haie wie dich sollte man zur Strecke bringen!«

Kahn schrie so laut, dass Kendra sich fragte, ob der Pottwal es noch in der Tiefe hören konnte.

»Ich verstehe, dass du wütend bist. Ich verstehe es so sehr. Bitte glaube mir das«, versuchte Kendra ihn zu trösten, auch wenn sie um den mangelnden Erfolg wusste. »Als ich wieder von dir gehört habe, wünschte ich mir so sehr, dass die Zeit deine Wunden geheilt hätte. Es wäre so viel …«

»Sei still, du widerliches Weib! Was du uns angetan hast, ist mit nichts wieder gut zu machen.« Kahns Kiefer schlugen beim Sprechen aufeinander, als wollten sie seine Worte zerreißen. »Dein Plan ist reiner Wahnsinn.«

Wenn du nur wüsstest, dachte Kendra bedrückt. »Du magst deinen Wahn nicht erkennen«, spie er ihr entgegen, »aber ich tue es.«

Er schwamm langsam auf sie zu.

»Ich werde dich aufhalten.«

Kendra dachte keinen Flossenschlag lang zu fliehen. Sie gab nicht mal Antwort, sondern versenkte nur ihren Blick in seinen. Kahn kam immer näher.

Der Abstand zwischen ihnen schmolz auf zwei Meter zusammen. »Soll ich dir sagen, wie ich das machen werde?« Kahns Stimme zischte nun.

»Indem du mich umbringst.«

Kendras Stimme war ganz ruhig. Ohne Angst oder eine sonstige Regung sah sie ihm fest in die Augen.

Ein Beben ging durch Kahns Körper, dann entblößte er sein Gebiss und schnellte mit einem Schrei vor.

»Es tut mir leid«, dachte Kendra noch, bevor Kahns Zähne wie eine brechende Welle über ihr zusammenschlugen.

 

  1. Blüte in der Strömung

 

Die Schwanzflosse des Fisches wedelte wie eine Fahne im Sturmwind. Die Jagd dauerte gerade erst fünf Minuten, doch ihr Ausgang zeichnete sich bereits ab.

»Gleich hab ich dich!« Aro kam dem Fisch so nahe, dass sein Schatten auf ihn fiel.

Der Haijunge riss seine Kiefer auseinander und biss zu. Bevor er den Fisch verschlang, achtete er darauf, die Schwanzflosse abzubeißen.

Aro wollte sie nicht essen, sondern mit ihr etwas anderes tun. Er beeilte sich, den Fisch zu essen, weil er wusste, wen der Blutgeruch bald anlocken würde. Anschließend betrachtete er die auf einem flachen Felsen liegende Flosse eingehend. Aro studierte ihre Form und stupste sie einmal vorsichtig an. Ihm gefiel, wie sie wieder zurück auf den Boden sank. Er stieß sie mehrfach an und grub mit seinem Unterkiefer ungewollt eine Kuhle in den Sand. Ihm kam die Idee, die Schwanzflosse hier zu vergraben, damit sie niemand fände. Er konnte sie später wieder ausgraben und … Die anderen würden dich auslachen, schnitt eine mahnende Stimme durch seine Gedanken. Auch wenn sein Selbstbewusstsein so schwach wie eine Qualle in einer starken Strömung war, gelang es ihm wenigstens, seinen inneren Kritiker zu überhören. Zumindest, solange er alleine war und keine dummen Sprüche von außen dazu kamen.

Dann machte ihn sein Geruchssinn auf mehrere Haie aufmerksam. Sie hielten mit derselben Geradlinigkeit auf ihn zu, mit der Aro auf den Fisch hingesteuert hatte. Er wandte sich von der Schwanzflosse ab und erwog kurz, einfach davon zu schwimmen. Hauptsache, wieder alleine sein. Doch so schnell wie die Haie auf ihn zukamen, lag es wohl nicht nur am Blutgeruch, sondern an ihm selbst. Aro fühlte sich, als würden unsichtbare Tentakel seinen Körper umschlingen.

Silhouetten erschienen in der Ferne.

Aro sah, dass sie wie immer in Form eines Dreiecks auf ihn zuhielten. Über ihnen schwamm, sich halb vom Fahrwasser der anderen tragen lassend, sein ältester Bruder. Er ist ja der Größte, er darf das, dachte Aro zornig und ängstlich zugleich. Das wusste dieser auch und die Bezeichnung der Größte beschränkte er nicht nur auf das Körperliche. Die drei Haie waren Aros Geschwister, die manchmal zusammen im Riff patrouillierten. Trotz eines Alters von nur wenigen Monaten waren sie bereits völlig selbstständig.

Nach Art der Haie hatten sie sich ihre Namen selbst ausgesucht und Aro konnte wohl froh sein, dass sie ihn überhaupt mit seinem ansprachen. »Schaut her, Leute, Aro hat einen Fisch gefangen«, meinte sein ältester Bruder. Die Stelle direkt um seine Rückenflosse zierte ein besonders dunkler Fleck, der so aussah, als hätte ein Tintenfisch sich darüber entleert. Er hieß Finn und trug diesen Namen mit so viel Stolz, als sei er eine Auszeichnung.

»Wohl zum ersten Mal diese Woche«, riefen Lexis und Jaschi hinter ihm wie einstudiert. Was sie vielleicht tatsächlich getan hatten, denn ihren schmächtigen Bruder zu triezen war etwas, worauf sie sich immer einigen konnten. Lexis war weniger kräftig als Finn, dennoch würde man die beiden sofort als Brüder erkennen. Jaschis helle Haut ließ sie fast mit dem Sand verschmelzen. Dadurch wirkte ihre Haut glatt wie die eines Delfins, doch sie war so rau wie der Umgang mit ihrem schmächtigen Bruder. Aro gab ihnen keine Antwort. Wie immer. Auf die Hänseleien seiner Geschwister fiel ihm niemals eine passende Erwiderung ein. Weder wenn sie vor ihm schwammen, noch später, wenn er wieder alleine war. Jedes Mal herrschte in seinem Kopf der gedankliche Zwilling zu Meeresrauschen.

»Wenn du meinen Rat hören willst, darfst du dich nicht auf deinem Erfolg ausruhen«, fuhr Finn fort und da wusste Aro schon, was auf ihn zukam. »Du musst auch lernen dich zu verstecken, wenn … hey, bleib hier!«

Aro mochte so wortgewandt sein wie eine halbseitig gelähmte Meeresschildkröte beweglich, aber er wartete nicht ab, bis seine Geschwister über ihn herfielen. Er wirbelte herum und schoss los wie ein halb verhungerter Barrakuda auf einen Fisch.

»Auf ihn!«, hörte er Finn rufen und wie immer klang er mehr erfreut als wütend. Jubelnd stürmten sie hinter ihm her. Sie waren schneller als er und verstellten ihm bald den Weg. Doch Aro machte seine Langsamkeit durch wildes Hakenschlagen wett.

Manchmal konnten sie ihm kaum mit den Augen folgen, weil er mit der Wendigkeit eines Delfins herumschoss. Als sie versuchten, ihn einzukreisen, richtete Aro seinen Blick zur Oberfläche.

»Oh nein, das machst du nicht!«, rief Lexis, der ahnte, was sein Bruder vorhatte. Er schnappte nach seiner Schwanzflosse, doch Aro war schneller.

Er sprang aus dem Wasser, sah die Rückenflossen seiner Geschwister unter sich und wippte hilflos mit den Brustflossen. Aro wünschte sich, fliegen zu können, und im gleichen Moment hörte er Möwenkreischen. Als ob sie seine Gedanken lesen könnten und sich nun darüber amüsierten. Genau wie seine Geschwister, deren Gelächter Aro noch durch die Wasseroberfläche hören konnte.

»Sag mal, bist du ein Delfin?«, fragte ihn Jaschi, als er wie ein Schiffsanker zurück ins Wasser fiel.

Sie hörte schnell auf zu lachen, weil sie ihren Rachen für etwas anderes brauchte. Sie biss in seine rechte Brustflosse, Lexis in seine linke und Finn in seine Seite. Der körperliche Schmerz war halb so schlimm. Aros dicke Haut verhinderte, dass ihre Zähne tiefer eindrangen, was seine Geschwister auch nicht vorhatten.

Es geht nur darum, mich zu jagen, dachte Aro resigniert, während seine Geschwister ihn herumschoben wie ein Stück Seetang. Früher hatte er sich noch losgerissen, doch als er feststellte, dass sie genau das wollten, hörte er damit auf.

Er ließ es über sich ergehen, bis es ihnen zu langweilig geworden war. Nach etwa fünf Minuten verloren sie meistens wieder die Lust. Meistens. Heute war offenbar sein Glückstag, denn es hörte nach dreien auf.

»Wir sehen uns, Aro!«, rief Finn, so gut gelaunt, als hätten sie sich freundlich unterhalten.

Aro schwamm so dicht am Boden, dass er eine lange Kuhle erzeugte. Wieder neue Freunde gemacht, dachte er und meinte damit die vielen Schrammen, die seinen schmächtigen Körper zierten.

Wenn du so bleibst, wirst du nie richtige haben. Hör auf, Fische manchmal einfach nur zu betrachten, statt sie zu essen. Wie ein Delfin aus dem Wasser zu springen, weil du unbedingt wissen willst, wie sich das anfühlt, ermahnte ihn eine Stimme im Hinterkopf, als er sich aufrappelte.

Aber was ist so schlimm daran, etwas Neues auszuprobieren?, wagte Aro manchmal, seine Kritiker herauszufordern. Er gab sich gelegentlich noch ganz anderen, äußerst verwegenen Gedanken hin.

Vielleicht gibt es ja irgendwo Haie, die so sind wie ich. Die vorsichtige Freude, die er sich zu fühlen gestattete, wurde davongetrieben wie Blütenblätter von der Strömung, als er erkannte: Dafür müsste ich das Riff erst mal verlassen. Immer wenn er sich daran erinnerte, führte ihn sein Weg unwillkürlich zum Ende des Riffs. Aro schluckte schwer, als er die Lücke im Felswall sah. Es erleichterte ihn ungemein, dass es nur eine war, denn allein der kleine Ausschnitt ängstigte ihn schon. Das Meer ist so riesig, dachte Aro schaudernd, als er aus sieben Körperlängen Abstand durch die Lücke blickte. Das tiefste Blau erstreckte sich vor ihm. Aro hielt den Anblick nur wenige Sekunden aus. In dieser kurzen Zeit fühlte er ein Ziehen, als würde eine sanfte Strömung ihn erfassen. Als würde das Meer ihn locken.

Alles Einbildung, redete er sich hastig ein, während er so stark zitterte, dass seine Flossen Wellenform annahmen. Um das Maß voll zu machen, sprang Aro die Vorstellung an, dass es seine furchtsamen Gedanken riechen konnte wie er Fischblut. Da war der Punkt erreicht, an dem Aro sich abwandte und zurück ins Riff flüchtete.

In der Nähe des Ausgangs kannte er ein gutes Versteck. Seine Oberseite sah aus wie mehrere platte Felsen, die übereinander gestapelt waren.

Es waren Tischkorallen, breiter als der größte Schildkrötenpanzer, und imstande, auf Steinen zu wachsen.

In den Zwischenräumen konnte er schwimmen ohne anzustoßen. Mit immer noch wild klopfendem Herzen drehte Aro dort seine Runden und der untere Teil seiner Schwanzflosse malte ein wirres Muster in den Sand, das wie die Schatzkarte eines betrunkenen Piraten aussah. Aro stellte sich zur Ablenkung die verschiedensten Meerestiere vor. Das beschäftigte ihn stundenlang. Denn er kannte bereits jedes einzelne. Aro wusste von der Existenz von Riesenkalmaren, ohne je einen gesehen zu haben. Selbst Delfinarten, die er mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu Gesicht bekam, als diese Titanen der Tiefe, waren ihm ein Begriff. Er sah jedes Detail ihrer Körper, als schwömmen sie gerade vor ihm. Das alles verdankte Aro seinem inneren Wissen, der mysteriösesten Eigenschaft aller Haie. Niemand, selbst die Klügsten, wusste woher es kam. Es stand nur fest, dass selbst die größten Dummköpfe unter den Haien damit geboren wurden. Sogar ein Mickerling wie er besaß es. Es gehörte zu ihm wie Jagdtrieb und Geruchssinn. Doch heute beruhigte das Aufzählen Aro nicht. »Ich will hier nicht leben. Ich will weg, aber wohin denn?«, flüsterte Aro leise.

Er wünschte, dass sein inneres Wissen auch darauf eine Antwort hätte.

 

  1. Aus heiterem Gewässer

 

Ein Monat kam und ging und die Haikinder wuchsen weiter heran. Sogar Aro, was ihn noch mehr verwunderte als seine Geschwister. Um sein Wachstum zu überprüfen, schwamm er unter die Tischkorallenhöhle in der Hoffnung, endlich irgendwo anzustoßen.

Doch er konnte sich nach wie vor mühelos bewegen. Ich bin immer noch ein Mickerling, stellte er gallig fest. Einzig seine Beute hatte vor ihm Respekt. Ärgern bringt nichts, redete Aro sich dann immer ein, bevor seine Wut das Wasser zum Kochen brachte. Der letzte Monat verlief dennoch angenehmer für Aro als die vorigen, weil seine Geschwister zunehmend das Interesse an ihm verloren. Sie sprachen lieber über die Außenwelt und Aro hörte ihre Gespräche aus gebührender Entfernung mit. In letzter Zeit schwamm er immer häufiger zum Ausgang des Riffs, auch wenn er sich nach wie vor davor fürchtete. Allerdings mieden seine Geschwister diesen Bereich, weshalb er ausgerechnet dort seine Ruhe hatte.

Auch heute verbrachte Aro seinen Tag damit, Fische zu beobachten und, seine neueste Beschäftigung, die Muster ihrer Schatten auf dem sandigen Grund. Einmal stieß er mit einem Zackenbarsch zusammen, der seine wulstigen Lippen missbilligend verzogen hätte, wenn er dazu imstande gewesen wäre.

»Die Schatten sehen aus wie Möwen«, murmelte Aro ganz versunken, als das Wasser sich plötzlich wie ein Muskel um ihn herum zusammenzog. Er witterte etwas, das ihm fremd war. Dieser Geruch gehörte zu keinem Fisch und keinem Krebs des Riffs. Außerdem, das ließ sein Herz schneller schlagen als die Flügel eines Kolibris im Sturm, gehörte der Geruch zu mehreren Tieren. Die sich dem Eingang näherten, wie sein Geruchssinn hinzufügte. Seine Instinkte regten sich nicht nur, sie überrollten seinen Verstand wie ein Tsunami. Denn sein inneres Wissen lieferte ihm ein Bild von den Fremden. Ich muss mich verstecken, dachte Aro. Er presste ängstlich die Kiefer aufeinander. Erst nach ein paar Dutzend Körperlängen erinnerte er sich an sein Versteck und er hätte sich am liebsten selbst gebissen. Warum bin ich darauf nicht gleich gekommen?, schalt er sich selbst, als ihm einfiel, dass er jetzt nicht mehr zurückkonnte.

Die Fremden waren schon sehr nahe, sein Geruchssinn ließ keinen Zweifel daran. Wenn er jetzt zurückschwamm, würden sie im Riff sein, bevor er das Versteck erreichte. Nein, er musste sich irgendwo anders verstecken. Aber wo nur?, überlegte Aro zitternd. Er raste durch das Riff und suchte mit wachsender Panik, die auf seinen Flossen wie Stacheln eines Rotfeuerfischs brannte, nach einem Versteck.

»Ach, sogar du hast es bemerkt?«, hörte Aro plötzlich eine Stimme, die er vor Schreck erst gar nicht als die Lexis erkannte. Er schrie auf.

»Hochsee, Barsch und Korallenriff! Reiß dich zusammen«, ertönte gleich darauf Finns Stimme. Sein barscher Ton brachte ihn dazu, langsamer zu schwimmen. Zuerst sah er Finn, der seinen Blick mit vor Wut funkelnden Augen erwiderte und dann bemerkte er die anderen neben ihm.

»Wir müssen uns verstecken«, meinte Lexis, dessen Stimme so zittrig war, dass ihn die anderen Haie trotz ihres ausgezeichneten Gehörs kaum verstanden.

»Sie kommen immer näher«, wisperte Jaschi und sah an Aro vorbei. Auch wenn ihm das nicht half, wirbelte er herum. Nichts. Noch nicht einmal Silhouetten zeichneten sich in der Ferne ab. Noch nicht.

»Ich kenne ein Versteck«, behauptete Finn und seine Geschwister wandten sich ihm so schnell zu, dass der Schwung der Bewegung beinahe Zähne aus ihrem Rachen gerissen hätte. »Es gibt einen Felshaufen nicht weit von hier. Unter den können wir uns flüchten.« Das erleichterte Stöhnen, das seinen Worten folgte, war so laut, dass man es mit sich verschiebenden Gesteinplatten verwechseln konnte. »Und wenn wir im schlimmsten Fall nicht alle reinpassen, können wir ja Aro rausstoßen«, fügte Finn hinzu. Keiner widersprach.

Aro wunderte sich keine Sekunde lang.

Die Haikinder folgten Finn zu dem Felshaufen, der an einem größeren Felsen lehnte wie ein verwundeter Delfin.

Finn bremste kaum ab, als er in den Innenraum verschwand. Sie passten tatsächlich alle hinein, aber sie stießen ständig mit mindestens einer Flosse irgendwo an. »Und was jetzt?«, fragte Aro einmal, doch die einzige Antwort, die er erhielt, bestand in einem Psssht. Die Zeit bewegte sich so langsam wie eine arthritische Muräne.

Aro tat sein Möglichstes, nicht an die Eindringlinge zu denken. Er verfluchte sein inneres Wissen dafür, dass es ihm so klare Bilder lieferte. Seinetwegen konnte er nicht einmal hoffen, dass sie vielleicht gar nicht so groß waren. Dann hörten sie das Rauschen. Dieses Geräusch entstand durch Wasser, das durch die Bewegungen von in ihm schwimmenden Wesen beiseite geschoben wurde. Die Haikinder wechselten ängstliche Blicke. Aro zitterte heftiger. Bitte riecht uns nicht. Bitte hört nicht unsere Herzen schlagen, flehte Aro innerlich. Er starrte auf den Ausgang, der in seiner Fantasie plötzlich größer wurde. Wie ein Rachen, der sich drohend öffnete, als würde selbst das Versteck Angst haben. Um Meeres willen, er musste mit diesen Fantasien aufhören! Alle zuckten wie unter dem Hieb eines Stechrochens zusammen, als zwei Schatten auf dem Grund erschienen. Stromlinienförmig wie Delfine, doch die Schwimmweise verriet andere Raubtiere. Sie glitten wie große Suchscheinwerfer dahin. Aro bildete sich ein, dass der Schatten ihrer Brustflossen wie ein Tentakel in das Versteck hineinglitt und tastete, tastete, tastete.

»Hier müssen sie irgendwo sein«, sagte eine männliche Stimme. Sie hörte sich nicht so furchterregend an. Eigentlich überhaupt nicht. Sondern eher … erschöpft?

Als ob er lange unterwegs war, überlegte Aro.

»Wir sollten uns aufteilen, dann finden wir sie schneller«, ertönte eine andere, sehr raue, Männerstimme, die seine Angst wachsen ließ wie eine Welle, bevor sie an der Klippe bricht. Er klang genervt, als ob der Sprecher nur unter Protest mitmachen würde. »Hm, hast recht, Ardos. Weit können sie ja nicht gekommen sein, wir … Moment. Ich rieche etwas.«

Lexis schnappte nach Luft und wurde sofort von Finn gebissen. Aro hörte schnüffelnde Geräusche und versuchte, sich in die hinterste Ecke des Verstecks zu verziehen. Doch seine Geschwister hatten schon längst die gleiche Idee gehabt und drängelten sich ebenfalls hinten zusammen. Aro versuchte dennoch, sich irgendwie zwischen sie zu quetschen. Doch seine geringe Kraft machte ihm wie immer einen Strich durch die Rechnung, sie schubsten ihn einfach weg. Es blieb Aro nichts anderes übrig, als sich an die Seitenwand zu pressen und das tat er so heftig, dass er wohl einen Abdruck hinterlassen würde.

»Ja, Silvan, jetzt riech ich es auch«, sprach der Genervte. Sie mussten nicht überlegen, was sie rochen. Sie rochen nicht nur die Körper der Versteckten, sondern auch deren Angst.

»Hier ist etwas«, sagte der Silvan Genannte und er klang näher.

Aro starrte mit klopfendem Herzen zum Ausgang. Ein Schatten wurde größer und immer größer. Das konnte nur eines bedeuten: Er schwamm immer tiefer.

Wir sind zu klein für sie, die werden nicht satt von uns, sie erreichen uns nicht mal, sie … Aros Gedankenschlaufe vereiste.

Der Kopf eines der Fremden erschien direkt vor dem Ausgang.

Aro zitterte so sehr, dass sein Blick verschwamm. Dieser Hai war groß, so viel größer als sie. Wenn er versuchte, seinen Kopf in den Tunnel zu stecken, würde er an beiden Wänden zugleich anstoßen. Aro sah in seine gelben Augen, deren schmale Pupillen sich auf ihn richteten.

»Ich habe ihn gefunden, er ist in dieser Höhle, zusammen mit ein paar anderen«, meldete er.

»Na endlich«, stöhnte der Übelgelaunte. »Und wie kriegen wir ihn da raus? Lass dir was einfallen, ich werde noch verrückt in dieser Enge.«

»Tja … also …«, murmelte der Hai unschlüssig. »Ich denke, wir sollten sie erst mal beruhigen. Sie haben Angst vor uns.«

Die Haikinder wechselten Blicke.

Finn wich noch ein kleines Stückchen zurück, presste sich beinahe an die Felswand. »Das ist ein Trick.« Seine Stimme glich nur mehr einem Wispern. »Die wollen nur, dass wir uns sicher fühlen und rausschwimmen.«

»Und dann haben sie uns.« Lexis Körper bebte förmlich.

Silvan schwamm ein kleines Stück vom Höhleneingang weg. »Nein, nein, wir wollen euch nicht weh tun.«

»Und ob«, widersprach Finn, der aber nicht wagte, zum Ausgang zu sehen. Stattdessen starrte er auf den Boden.

»Ich verspreche, dass wir euch nichts tun werden. Wir sind gekommen, um jemanden zu finden.«

»Wen?« Jaschis leise Stimme zitterte ebenso wie ihr Körper.

Erst jetzt bemerkte Aro, dass Silvan vorhin von einem Er gesprochen hatte. Seine Eingeweide ballten sich wie Gewitterwolken. Woher wussten sie, dass hier Haikinder lebten?

»Wir wollen den mit den grünen Augen«, ertönte Ardos Stimme.

Aro spürte ein heftiges Stechen in seiner Magengrube, als ob Zähne sich darin eingrüben.

»Gebt ihn uns und wir sind wieder weg«, versprach er. Gelähmt vor Angst starrte Aro auf den Ausgang, von dem der Haimann wieder wegschwamm. Er traute sich nicht, zu seinen Geschwistern zu schauen.

»Das könnt ihr nicht …«

Aro kam nicht einmal dazu, seine Bitte zu beenden.

Sie fielen über ihn her, stießen ihre Schnauzen gegen ihn wie Delfine und auch wenn Aro sich heftig wehrte, kam er gegen die Übermacht nicht an. Binnen Sekunden steckte er in dem Tunnel, in dem er sich nicht umdrehen konnte und die anderen stießen und schoben weiter. Dann, mit einem letzten, harten Stoß wurde er nach draußen befördert. Die Schatten der Fremden schienen ihn nach unten zu drücken, wie die Flossen der riesigen Mantarochen Wasser. Diese Haie gehörten einer anderen Art an und allein ihre Größe machte Aro sprachlos. Beide maßen vier ihrer Körperlängen, waren größer als die prächtigsten grauen Riffhaie. Ihre bronzefarbenen Körper gingen an den Spitzen der Brust- und Rückenflossen in ein helles Weiß über. Weißspitzenhochseehaie, verkündete Aros inneres Wissen. Er selbst brachte keinen Ton heraus. Das Schlagen seines Herzens machte ihn fast taub.

»Wir haben dich gesucht«, sprach Silvan ihn das erste Mal an und sein Blick wanderte über Aro, als wäre er das interessanteste Geschöpf des Meeres.

»Häh?«, krächzte der Haijunge. Angesichts der großen Haie kam sein Verstand vollkommen zum Stillstand.

»Gesucht?«, hörte er seine Geschwister flüstern.

Silvan sah kurz zu dem Versteck.

»Ihr könnt rauskommen, wir werden euch nichts tun.« Seine Stimme klang unverändert freundlich und Aros Angst, die wie Algen über sein Gehirn wucherte, lichtete sich ein wenig. Sein Herz hämmerte beinahe eine Delle in seinen Körper, doch Silvans beruhigende Stimme tat ihre Wirkung.

»Es sei denn, diese Enge bringt mich gerade dann um den Verstand, wenn ihr rausschwimmt«, meinte Ardos finster. Aro bemerkte verwundert, dass sich manche Lichtreflexionen auf seinem Körper gar nicht bewegten. Erst nach einigen Sekunden fiel ihm auf, woran das lag: Was sich an seinem Körper nicht bewegte, waren keine Lichtreflexionen, sondern fahle Narben.

»Hab ich dir schon einmal gesagt, wie sehr ich deine Freundlichkeit schätze, Ardos?«, fragte Silvan mit einem Seufzen.

»Oft genug, aber ich kann es immer wieder hören«, erwiderte der Narbige völlig humorlos. Ohne etwas darauf zu erwidern, richtete sich der Hai nun an Aro.

»Ich bin Silvan, aber vermutlich hast du das schon herausgefunden«, stellte er sich vor. »Und wie heißt du?«

»A … A … Aro«, quetschte er irgendwie heraus.

»Aro, soso«, meinte Silvan und Aro stellte fest, dass zum ersten Mal überhaupt jemand seinen Namen ohne Abfälligkeit aussprach.

»Du weißt ja mittlerweile, warum wir hier sind«, redete Silvan weiter und fügte schnell hinzu: »Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, wir tun dir nichts.«

Aros Kiemen gingen auf und zu wie Schiffsluken, mehr brachte er nicht zustande. Wohin bringt ihr mich?, wollte er fragen, aber seine Stimme versagte. Er gab dafür ein Keuchen von sich, aber Silvan erriet seine Gedanken.

»Wir werden dich an einen Ort bringen, der dir gefallen wird.« Er sah an ihm vorbei. Sein Blick verharrte nicht eine Sekunde an den Fischen und Pflanzen, sondern ging in die Ferne. »Dieser Ort ist groß, wesentlich größer als dieses Riff. Es gibt dort dutzende verschiedene Haiarten. Wenn sie alle hierher kommen würden, würdest du dich in diesem Riff nirgendwohin wenden können, ohne auf einen von ihnen zu stoßen. Unsere Art lebt nicht dort, aber auch wir kennen ihn.«

Die Art, wie er sprach, ließ Aros Nervosität abebben. Kein herrischer Kommandoton drosch mehr auf ihn ein wie ein ins Wasser zurückfallender Wal. Das klingt interessant, dachte Aro neugierig. Sie wollen mir vielleicht wirklich nichts antun. Wenn sie mich essen wollten, hätten sie es schon längst getan.

»Wir nennen diesen Ort das Reich der Haie«, fuhr Silvan fort und sein Blick fixierte Aro, als wolle er ihn festhalten. »Wir sind gekommen, um dich dorthin zu bringen.«

 

  1. Von jenseits des Meeres

 

Aros Kiemen blähten sich wie Segel im Wind. Er wollte etwas sagen, er meinte es sogar zu müssen. So eine Ankündigung konnte er nicht einfach hinnehmen. Nur schaffte er es nicht, einen geraden Satz zu formen.

Die Worte wirbelten nicht nur haltlos durch seinen Kopf, sodass er sie nicht packen konnte. Ein dumpfes Summen verdrängte sie, als würde ein Wal ihn mit seinem Sonar abtasten.

Reiß dich gefälligst zusammen, dachte Aro.

»Können wir uns endlich auf den Weg machen?«, raunzte Ardos und schwamm über Aro hinweg. Der untere Teil seiner Schwanzflosse klatschte gegen seinen Kopf, denn er schwamm sehr schnell. »Ardos hat recht, machen wir uns auf den Weg«, stimmte Silvan zu und begab sich an Aros Seite. Er warf ihm einen auffordernden Blick zu und brach auf.

Aro folgte wortlos, er wusste beim besten Willen nicht, was er dazu sagen sollte. Eigentlich wusste er nur noch, wie man atmete und einen Flossenschlag nach dem anderen machte. Aro fühlte sich seltsam entrückt, als er mit den Weißspitzenhochseehaien durch die Lagune schwamm. Er spürte die Blicke aller Lebewesen auf sich ruhen. Wie rasend schnell wachsender Seetang schoben Muränen ihre Köpfe aus ihren Behausungen und starrten das seltsame Trio an. Manche Fischschwärme vergaßen ihre Furcht für wenige Sekunden und schwammen neugierig neben ihnen her. Dutzende Augen musterten sie und Aro konnte ihre Gedanken hören, als würden sie sie herausschreien: Was wollen die mit dem kleinen Hai?

Aro sprach die ganze Zeit kein Wort mit seinen Begleitern.

Worüber sollte ich mit ihnen sprechen? Die Jagd? Meine Jagderlebnisse sind doch bestimmt ein Witz im Vergleich zu den ihren, grübelte er. Dann erreichten sie den Ausgang des Riffs. Aro schluckte, als er ihn sah. Das Ende seiner kleinen Welt lag vor ihm. Und heute würde er tun, wovon er seit Wochen geträumt hatte. Silvan, der sein Unbehagen spürte, meinte aufmunternd: »Mach dir keine Sorgen, wir kennen die Strecke. Da draußen ist nichts … Gefährliches.« So leise wie er sprach, schien er seine Worte noch während des Sprechens zu bereuen.

»Nichts Gefährlicheres als wir, heißt das«, fügte Ardos hinzu, dem es sichtlich egal war, ob er Aro Angst machte. »Ich werde so dankbar sein, wenn wir draußen sind, dieses Riff klebt an mir wie ein Lotsenfisch.«

Aro fühlte sich, als würde ein riesiger Seestern von seinem Körper gezogen, als er durch den Ausgang schwamm. Sein Blick sank, wie von unsichtbaren Ankerketten gezerrt, nach unten. Der Anblick jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er sah kein Ende! Aro fragte sich, ob Landlebewesen am äußersten Rand einer Klippe bei starkem Rückenwind auch so schwindlig würde. Hastig sah Aro nach vorn und atmete erleichtert auf, weil Silvans Körper so viel von seinem Sichtfeld einnahm. Dennoch spürte er den Drang, sich noch mehr von dem Anblick zu ersparen. Aro schob seine Nickhaut, eine Art Augenlid, hastig nach oben und schwamm blind weiter. Silvan und Ardos sagten, dem Meer sei Dank, nichts dazu. Die erste Stunde in der Hochsee verbrachte Aro auf diese Weise, bis er sich traute, die Nickhaut wieder zurückzuziehen. Sofort konzentrierte er sich einzig auf Silvans hin und her schwingende Schwanzflosse. Der Anblick verhinderte, dass er zu zittern begann.

Doch eine Frage brannte ihm auf den Zähnen: Warum bin ich ihnen so wichtig? Haie müssen sich doch immer selbst helfen. Hilfe von außen ist eine Beleidigung, rätselte er. Es gab nur eine Ausnahme von dieser Regel und Aro überlief ein Schauer, als er daran dachte. Ob sie auch im Reich der Haie leben? Ich muss sie das fragen, beschloss er. Sobald er den Mut dazu gefunden hatte, hieß das. Also vermutlich nie, ätzte sein innerer Kritiker. Aro beschloss, sich ganz unauffällig heranzutasten. »Wie weit ist es denn bis zum Reich?«, fragte er Silvan.

»Nun, wir brauchten von dort bis hierher nur fünf Tage. Aber da reisten wir ja auch in unserer Geschwindigkeit, vielleicht brauchen wir mit dir länger. Aber wir kennen diese Gegend, hier lauern keine Gefahren. Es wird eine ruhige Reise werden«, antwortete Silvan.

»Wenn wir nicht gerade Meeresmahren über den Weg schwimmen, heißt das«, fügte Ardos hinzu und Aro zuckte zusammen. Obwohl er ihnen noch nie begegnet war, – logisch, sonst wäre er ja tot – alarmierte der Begriff sein inneres Wissen. Sein Bauch kribbelte, als würden Zitteraale an ihm entlang streichen. Er wusste, dass es selbst den größten Walen beim Gedanken an diese Wesen nicht anders erging. Hoffentlich kommen die nie in die Nähe des Reichs, dachte Aro. Er wollte seine Hoffnung auf ein neues Leben nicht gleich wieder durch Sorgen zunichtemachen.

»Jetzt lass mal die Zähne im Fleisch, Ardos«, meinte Silvan. »Hier gibt es keine Meeresmahre, das weißt du so gut wie ich.«

Ardos erwiderte nichts darauf.

»So ein Unsinn«, murmelte Silvan und Aro fragte sich, ob er trotzdem die Weite nach verdächtigen Silhouetten absuchte.

Sie waren den ganzen Tag unterwegs und auch als die untergehende Sonne das Meer erst rubinrot färbte und bald darauf der Schwärze der Nacht überließ, hielten sie nicht inne. Aro traute sich nicht anzumerken, dass er kaum noch weiterschwimmen konnte. Letztlich fiel Silvan doch auf, dass Aro keine Kraft mehr hatte.

»Das reicht für heute. Wir sollten uns hier ausruhen«, schlug er vor und Aro tat sein Möglichstes, nicht erleichtert zu seufzen. Bloß keine Schwäche zeigen. Ardos erklärte sich mit einem simplen »Hm« für einverstanden. Doch den abfälligen Blick, den er Aro zuwarf, spürte dieser wie das Stechen einer Feuerqualle.

Aro schwamm kleine Kreise, weil er bei völligem Stillstand nicht lange atmen konnte. Da ähnelte er den Weißspitzenhochseehaien, die unter ihm kreisten. Das gab Aro, als Riffhai darauf ausgerichtet, in Riffen zu leben, das angenehme Gefühl, eine Art Boden unter sich zu haben. Es vergingen einige ruhige Stunden, als plötzlich Ardos Stimme die Stille durchbrach. Er sprach leise, vermutlich um Silvan nicht zu sehr zu stören und weniger aus Respekt vor Aro.

»Ich habe nach wie vor keine Ahnung, was das soll. Seit dem Aufbruch versuche ich, daraus schlau zu werden.« Er schnaubte abfällig und kurz darauf spürte Aro die Bläschen, die dabei aus seinen Kiemen gequollen waren, an seinem Bauch.

»Ich auch nicht, aber es hat uns auch nichts anzugehen«, meinte Silvan. »Du weißt, dass wir uns nicht widersetzen dürfen.«

»Das habe ich damit auch nicht andeuten wollen«, versicherte Ardos. »Aber ehrlich, was soll an dem Bengel sein, dass er die Mühe wert ist? Müsste er nicht aus eigener Kraft zum Reich finden? Wobei, gut, das würde er nie schaffen, ich meine, guck ihn dir an. Man könnte den ja mit einem Weißspitzenriffhai verwechseln, so schmal ist der.«

Genau diesen Vergleich hatte er schon von seinen Geschwistern gehört und es noch mal aus dem Rachen eines so viel imposanteren Hais zu vernehmen, schmerzte Aro umso mehr.

»Zugegeben, ein Prachtexemplar ist er nicht. Aber Befehl ist Befehl«, sagte Silvan und aus seiner Stimme konnte Aro heraushören, dass er nicht mehr weiter darüber sprechen wollte.

Ardos verstand den Wink und schwieg.

Irgendjemand will, dass ich zum Reich der Haie komme?, grübelte Aro verwirrt. Aber er war zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken.

Während die Sonne mit den ersten Strahlen das Meer wach streichelte, setzte die ungewöhnliche Gruppe ihre Reise fort. Nach etwa zwei Stunden hielt Silvan plötzlich an, sodass Aro mit ihm zusammenstieß.

Er lag halb auf dem Rücken des Weißspitzenhochseehais, bis er sich wieder bewusst bewegte. »Verzeihung«, piepste Aro und beeilte sich, einen respektvollen Abstand einzunehmen. Er schämte sich so für seine Unaufmerksamkeit, dass er das dumpfe Geräusch beinahe überhörte. Seine Instinkte lieferten ihm keine Erklärung. Aro wusste nur, dass es immer lauter wurde.

»Tauch tiefer, schnell!«, zischte Silvan, der urplötzlich so barsch wie Ardos klang. Unwillkürlich sah Aro von einem zum anderen und stellte dabei fest, dass sogar Ardos unruhig war. Er spürte seine Angst so deutlich wie Seeigelstacheln in der Schnauze. Silvan wartete nicht einmal auf Aro, sondern eilte wie Ardos mit einigen Flossenschlägen in die Tiefe.

Aro tat es ihm hastig gleich. In etwa zwanzig Metern Tiefe hielten sie inne und schwammen im Kreis Dabei warfen sie immer wieder nervöse Blicke nach oben.

»Was ist denn los?«, flüsterte Aro.

»Sei still, Junge«, zischte Ardos, dessen Blick wie magnetisch an der Meeresoberfläche haftete.

Die Aufklärung über den Ursprung des Geräusches ließ nicht lange auf sich warten. Eine Silhouette zeichnete sich in einiger Entfernung ab. Aro konnte sich nicht vorstellen, welches Lebewesen so nahe an der Oberfläche schwamm. Es liegt eher auf ihr, als unter ihr. Wie ein Stück Treibgut, erkannte er. Aro konnte es genauso wenig einordnen wie das Geräusch, das es machte. Ein großes rechteckiges Ding glitt über die Oberfläche und Aro sah nirgendwo Flossen. Trotzdem bewegte es sich sehr schnell. Aros Magen krampfte sich zusammen, als er feststellte, dass er überhaupt nichts entdeckte, das auf ein Lebewesen hindeutete. Keine Augen, keine Gehörgänge, kein Maul. Etwas so Fremdartiges zu sehen, das sogar gegen die Strömung schwimmen konnte, verunsicherte ihn noch mehr als ein zähnestarrender Rachen.

Jeden Augenblick befürchtete Aro, dass dieses Ding anhalten würde, weil es etwas bemerkt hatte. Im schlimmsten Fall sie. Taucht es dann ab wie ein Wal? Ist es dann auch so schnell?, dachte Aro ängstlich. Sein Herz hämmerte, bis sein Blut wie aufgescheuchte Fischschwärme durch seinen Körper jagte.

Doch nichts dergleichen geschah. Unbeirrt setzte es seinen Weg weiter fort. Doch die Weißspitzenhochseehaie weigerten sich selbst dann noch, weiter zu schwimmen, als es nur noch eine Erinnerung war. Das kam Aro mehr als seltsam vor. Weg ist doch weg, oder?, dachte er verwirrt. Silvan schien seine Gedanken erraten zu haben, denn er meinte: »Ich denke, wir können weiter.« Er machte den Anfang und schwamm nach oben, aber Aro sah ihn innehalten, als er merkte, dass niemand folgte. Er ist nicht so gelassen, wie er behauptet, stellte er fest.

Ardos stieß den Haijungen an und hastig schwamm er an Silvans Seite. Auch wenn die Erinnerung ihm Angst machte, fragte er dennoch: »Was war das?«

Den Blick, den Silvan ihm zuwarf, würde er nie wieder vergessen. Es lag eine schwer beschreibbare Mischung aus Angst und Erschöpfung darin. Sogar mehr Erschöpfung als Angst. Der so kräftig wirkende Hai schien zu schrumpfen, wie unter der Wirkung einer gefährlichen Krankheit.

»Wir nennen sie die Außermeerischen«, erklärte er und Aro merkte, wie sehr es ihm widerstrebte, diesen Namen auszusprechen.

»Genauer gesagt war das eines ihrer Gefährte, mit denen sie sich über das Meer bewegen«, korrigierte Ardos. Seinen Augen fehlte auf einmal jedes Licht. Er lachte freudlos auf.

»Du wirst sie eines Tages auch in unserem Element sehen, verlass dich drauf.«

»Wie sehen sie denn aus?«, wagte Aro zu fragen. Er bereute den Satz, bevor er ihn beendet hatte. Der Blick, den Ardos ihm zuwarf, ließ das Wasser erkalten.

»Tschuldigung«, sagte Aro hastig.

»Nein, nein, das ist eine gute Frage. Du musst das wissen, jeder muss über sie Bescheid wissen.«

Auch seine Augen verfinsterten sich plötzlich, was bei diesem freundlichen Hai noch unheimlicher wirkte, als bei Ardos. »Man lebt länger, wenn man um sie weiß.«

»Falls sie sich nicht wieder etwas Neues ausgedacht haben, das unsereiner in den kühnsten Fantasien nicht hat kommen sehen«, meinte Ardos und fing sich einen wütenden Blick von Silvan ein.

Ob die Narben von ihnen stammen?, dachte Aro plötzlich.

»Erzählt es mir bitte, ich will alles wissen«, bat er. »Wer sind sie?«

»Wir können dir nicht viel über sie erzählen, Aro, weil sie nicht Teil unserer Welt sind. Das ist eines der Dinge, die sie so unheimlich machen. Das Wichtigste ist, dass die Außermeerischen die gefährlichsten Wesen sind, dir wir kennen«, seufzte Silvan.

»Noch schlimmer als Meeresmahre?«, hakte Aro fassungslos nach.

»Ja, sie sind noch schlimmer. Wenn du sie siehst, dann schwimm, was du kannst. Lass dich nicht davon täuschen, dass sie langsam sind. Das hat bei ihnen nichts zu bedeuten. Überhaupt nichts.«

»Sie jagen noch besser als wir«, sprach Ardos weiter.

»Du hast sie dabei gesehen?«, fragte Aro.

»Ja, allerdings. Wäre mir lieber gewesen, ich hätte es nicht«, seufzte Ardos. »Ich war damals keine drei Meilen vom Reich der Haie auf Jagd. Ich bemerkte einen Schwarm Fische, von denen einer mit einer verkrüppelten Flosse förmlich schrie Iss mich! Doch bevor ich den Schwarm erreichte, tauchten die Außermeerischen auf. Im Nachhinein habe ich wohl Glück gehabt, dass ich die Fische nicht erreicht habe. Vermutlich wäre dann mit mir dasselbe passiert wie mit ihnen.«

»Wie haben sie ausgesehen?«, wisperte Aro. In seine Angst mischte sich eine makabre Neugier.

»Nun, an dem Tag habe ich sie nicht zu Gesicht bekommen, das kam später. Damals habe ich sie nur jagen gesehen, denn …«

»Was?«, rief Aro so verwirrt, dass er komplett vergaß, ihn nicht zu unterbrechen.

Zu seinem Erstaunen wurde Ardos nicht wütend. Er schien plötzlich tief in Gedanken versunken zu sein. »Ja, du hast ganz richtig gehört, ich habe sie nicht gesehen. Sie jagten von dem Gefährt aus, genau von so einem wie vorhin. Ich sah, wie eine Art Seetang von ihm herunter geworfen wurde, dessen eines Ende am Gefährt hängen blieb. Dieser Seetang war ineinander verflochten mit Zwischenräumen, die für die Fische aber schon zu klein waren. Sie konnten nicht raus, als dieser Seetang über sie geworfen wurde. Sie verfingen sich in ihm und, tja, da ging meine Mahlzeit dahin. Die Außermeerischen haben sie auf dieses Ding gezerrt. Nicht einer der Fische ist wieder zurückgekommen.«

»Die Außermeerischen essen ebenfalls Fisch, müssen das Meer aber noch nicht einmal betreten, um zu jagen?«, fasste Aro langsam zusammen. Das überstieg seinen Verstand. Er ahnte, dass sich das nie ändern würde. »Und wann hast du sie das erste Mal im Wasser gesehen?«, fragte er weiter. Ardos schwieg für eine Sekunde und bevor er dem jungen Hai antwortete, schaute er in die Richtung des Gefährts.

Als ob eine Erwähnung sie herbeizaubert, dachte Aro schaudernd.

»Etwa zwei Monate später begegnete ich wieder einem ihrer Gefährte. Dieses war etwa doppelt so groß wie das, das du heute gesehen hast.«

Aro konnte sich das kaum vorstellen. Das bedeutete ja, dass sie Meeresmahre an Größe übertrafen!

»Ich roch Blut und schwamm, wie ich meinte, meiner nächsten Mahlzeit entgegen. Bald sah ich in der Ferne zwei Dinge. Zum einen den Fisch, er war schwer verletzt. Und direkt daneben leider ein Gefährt der Außermeerischen.«

Aro holte tief Luft.

»Erst dachte ich, vergiss den Fisch, mach, dass du wegkommst. Doch mein Hunger hielt mich fest, denn Fischschwärme wurden in der Gegend immer seltener. Schon damals hörte ich von älteren Hochseehaien, dass es zu ihrer Zeit viel mehr Fische gegeben habe. Ich redete mir ein, dass das Gefährt von den Außermeerischen vielleicht verlassen worden war. Wie eine Höhle von einer Muräne. Aber bevor ich den Fisch erreichte, hörte ich plötzlich ein lautes Platschen und einer der Außermeerischen landete direkt vor mir im Wasser. Direkt vor mir!«

Aro biss nervös seine Kiefer aufeinander.

»Da wollte ich schon wieder weg. Doch dann beschloss ich, einen günstigen Moment abzuwarten, um mich an ihm vorbei zu schleichen. Ich hoffte, dass er mich nicht wahrnehmen würde. Es weiß ja niemand, welche Sinne sie haben. Sie müssen aber auch im Wasser ungeheuer gut sein. Sonst würden sie es schließlich nicht betreten. Ich habe mal mit einem Blauhai gesprochen, der meinte, dass Menschen unglaublich giftig sind und dass daher ihr Selbstbewusstsein käme.«

»Wie sah er aus?«, fragte Aro und kam sich ungemein tapfer vor, dass er sich auch nur zu fragen traute.

»Ich wünschte, ich könnte das vergessen«, murmelte Ardos. »Ich habe noch nie ein so seltsames Geschöpf gesehen. Und das will etwas heißen, wenn ich als Weißspitzenhochseehai das sage, wir kommen nämlich weit herum. Sie sehen aus wie eine Mischung aus vielen Tieren, aber gleichzeitig fehlt ihnen auch so vieles, was zu jemandem gehören sollte, der sich ins Meer begibt. Ihre Körper sind … wie soll ich das nur ausdrücken … gespalten.«

»Gespalten«, wiederholte Aro und versuchte; sich ein Bild zu machen. Es gelang ihm nicht einmal ansatzweise.

»Wie erkläre ich das, er hatte vorne zwei tentakelartige Körperteile und hinten auch. Allerdings waren sie längst nicht so biegsam wie richtige Tentakel, das konnte ich genau sehen, als er sich zu bewegen begann. Er war sehr langsam und auch sehr steif. Er schwamm nicht wie ein Delfin und auch nicht wie ein Fisch, die Mitte seines Körpers bewegte sich so gut wie nicht. Diese Tentakel spalteten sich am Ende noch weiter auf. Die Enden der vorderen Tentakel sahen aus wie große Fleischfetzen, an denen noch Haut klebte. Aber ich roch kein Blut, er war also nicht verletzt. Die hinteren Tentakel verdickten sich erst und hatten kleine Fortsätze, die nicht so lang waren wie die vorderen. Auch habe ich nirgendwo Flossen gesehen, nicht einmal Kiemen.«

»Sie halten die Luft an wie Delfine«, mutmaßte Aro.

»Die Art, wie sich Außermeerische bewegen, ist auch schwer zu beschreiben. Ihr Körper sieht aus, als könne er sich nicht entscheiden, wie er sich bewegen solle. Die vorderen Tentakel machten seitliche Bewegungen und die hinteren schlugen auf und ab. Er bewegte sich nur langsam, aber dass er überhaupt vom Fleck kam, wunderte mich. Diese Wesen fürchten anscheinend nichts und niemand, sonst würden sie wohl kaum trotz ihrer Langsamkeit ins Wasser gehen. Seinen Kopf sah ich erst nicht, der Außermeerische hielt ihn über der Oberfläche.«

»Ich weiß genau, was du denkst«, unterbrach Silvan seinen Redefluss und Aro wäre vor Schreck beinahe aus dem Wasser gehüpft.

»Du denkst, das klingt nicht so gefährlich, stimmts? Merk dir eines, die Außermeerischen mögen vielleicht langsam sein, aber du darfst sie nie unterschätzen.«

Aro versprach es eilig und Ardos erzählte weiter.

»Ich glaubte schon, er wolle den Fisch auch fangen, denn er schwamm genau auf ihn zu. Doch er bog plötzlich ab und tauchte unter. Ich dachte, mir fallen die Zähne aus vor Schreck. Er sah mich.«

Aro traute sich nicht einmal vorzustellen, was als Nächstes geschehen würde.

»Für ein paar Sekunden sah ich direkt in seine Augen. Was ich keine fünf Sekunden aushielt. Da war etwas in ihnen, das mich abschreckte. Er sah mich auf eine Weise an, als … sähe er mich als etwas ganz anderes, als ich bin. Ich fühlte einen Druck an meinem Körper, als würde sein Blick an mir zerren wie eine starke Strömung. Das werde ich nie vergessen, nie.« Ardos schüttelte sich. »Das Schlimme an ihnen ist, dass man sie nicht begreifen kann. Man weiß nicht, was sie denken oder was sie fühlen.« Er sprach auf einmal so schnell, dass Aro ihn kaum verstand. Die Worte stolperten nur so über seine Zähne. »Ich bin so schnell wie möglich davon geschwommen und dachte die ganze Zeit, er würde mich jede Sekunde anfallen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie er das mit einem solchen Körper bewerkstelligen sollte, aber ich verstehe ja auch nicht, wie sie ihre Gefährte herstellen.« Ardos Blick wanderte umher, als versuche er einen schnellen Fisch mit den Augen zu verfolgen.

»Unheimlich«, flüsterte Aro, den es schon nach seiner Beschreibung ihrer Körper gegruselt hatte.

»Sie sind unbegreiflich, aber es gibt sowieso nur eines, das du von den Außermeerischen wissen musst«, meinte Silvan. Er schwamm dicht vor Aro. Er versenkte seinen Blick in Aros Augen, als wolle er ihn damit festnageln. »Alles, was sie tun, ist: unsere Beute stehlen. Das ist alles, was sie je getan haben. Das ist alles, was sie je tun werden.«

Aro glaubte ihm sofort. Ein schmächtiger Haijunge, der sich nicht mal gegen Gleichaltrige zur Wehr setzen konnte, musste nichts sonst über Wesen wissen, die jagten, ohne das Jagdrevier betreten zu müssen.

»Hast du das verstanden?«, fragte Ardos und seine Stimme durchsetzte ein Hauch von Sorge, als würde ihm ein Nein tatsächlich etwas ausmachen.

»Ja, ich werde es im Hinterkopf behalten«, versprach Aro brav. »Behalte es besser in deinen Zähnen«, erwiderte Ardos und war wieder ganz sein mürrisches Selbst. »Und jetzt lasst uns weiter schwimmen, ich will nicht ewig Begleitschutz spielen.«

»Dem schließe ich mich an«, meinte auch Silvan, der wieder freundlich klang.

Die Haie waren keine drei Minuten geschwommen, als Aro etwas einfiel. »Das Gefährt fuhr ja in Richtung des Riffs!«

»Das hast du gut erkannt, Bursche. Wollen wir mal hoffen, dass sie bald die Richtung wechseln, ansonsten sehe ich schwarz für deine Geschwister«, meinte Ardos so beiläufig, als hätte er über Treibgut gesprochen. Aro war überrascht, dass er sich tatsächlich um seine Geschwister sorgte. Doch er konnte ihnen nicht helfen. Jeder Hai musste auf sich selbst aufpassen.

Die Tage vergingen und Aros Muskeln jubelten, als er Silvan sagen hörte: »Da ist die Insel.«

Aros Kiemen flatterten, als die Weißspitzenhochseehaie ihm Platz machten. In der Ferne zeichnete sich die blauschwarze Silhouette einer Insel ab, die Aro klarmachte, wie winzig seine Heimat gewesen war. Es kam ihm so vor, als strecke sich die Insel, um sich mit ihrer Größe zu brüsten. Aro konnte bis hierher Tiere riechen. Es mussten Dutzende sein und er wusste bereits, welcher Art. Das sind Haie!, erkannte Aro und die Spitze seiner Schwanzflosse zuckte. Er schwamm nach vorne und merkte plötzlich, dass die Weißspitzenhochseehaie ihm nicht folgten. Kurz überkam ihn wieder Schwindel.

Eigentlich klar, dass sie es nicht tun. Sie gehören zur Hochsee, überlegte er, als er ihnen einen letzten Blick zuwarf. »Danke«, sagte er, wozu er sich allerdings überwinden musste. Er schämte sich immer noch, nicht von alleine gereist zu sein.

»Machs gut, Kleiner, oder dem Königreich der Haie wenigstens keine Schande. Alte Redensart«, verabschiedete sich Silvan, während Ardos still blieb. Er musterte Aro lediglich, als könne er seine geringe Größe immer noch nicht fassen und wandte sich dann ab. Silvan folgte ihm und das Sonnenlicht ließ seine Flanken wie poliertes Messing aufleuchten.

Noch bevor ihre Silhouetten mit dem Meer verschmolzen waren, drückte ihn die Weite wie ein Gewicht. Das Rauschen des Wassers schien zu flüstern: »Schwimm in dein neues Zuhause!«

Aros Kiemen blähten sich wie Segel bei starkem Wind, als er auf das Reich zuhielt.

 

  1. Forschung

 

Er zitterte immer stärker, je näher er kam. Immer wieder gedanklich Beruhige dich zu sagen, half leider nicht. Sein Herz schien in den Kopf umgezogen zu sein, so stark wie dieser pochte. Außerdem, das hasste er mehr als alles andere, schwitzten seine Hände. Unwillig wischte Jonas sie an seinen Hosen ab und reckte danach sein Kinn forsch nach vorne, wie um unsichtbaren Beobachtern seine Ruhe zu beweisen. Der Zwölfjährige ging auf die Buntglastür zu, die zur Seite geneigten Seetang vor himmelblauem Hintergrund darstellte. Das Motiv der Tür ärgerte ihn noch mehr.

Nach dem Öffnen der Tür kamen Jonas bekannte Stimmen wie Wellen entgegen. Na toll, auch das noch, dachte der Zwölfjährige genervt. Kurz überlegte er, nur Hallo, bin zuhause zu rufen und anschließend in sein Zimmer zu flüchten. Später konnte er ja behaupten, einen Teil des Hausaufgabenberges vor dem Mittagessen abarbeiten zu wollen. Doch Jonas’ Magen grollte bereits stark genug, um ein Rudel Löwen einzuschüchtern. Er brauchte etwas zu essen. In der Schule hatte er heute keinen Bissen heruntergebracht. Woran alleine er die Schuld trug. »Warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten«, murmelte er auf dem Weg zum Wohnzimmer. Beinahe biss er vor Frust auf seine Unterlippe.

»Hallo«, grüßte er bemüht fröhlich und hob beim Anblick seiner Mutter die Hand. Und realisierte seinen Fehler eine Sekunde zu spät. Jonas wurde zwar nicht schon wieder ausgelacht, aber ihr belustigtes Schmunzeln reichte heute, um seine Finger zucken zu lassen.

»Deine Mutter bin ich!«, erinnerte ihn die linke der Zwillinge. Schon wieder hatte er seine Tante Christine zuerst gegrüßt. Das passierte ihm gelegentlich, wenn die beiden die gleiche Kleidung trugen: hellgrüne, bestickte Blusen und weiße Palazzohosen, deren Muster aus ebenfalls hellgrünen Blumen bestand. Christine zog sich nur vor einem Vortrag in Ocean World so an. Sonja Archer bändigte ihre dunkelblonde Mähne, bis sie vorne straff auflag und hinten ein dichtes Knäuel bildete. Jonas würde es nicht wundern, wenn eine Pistolenkugel darin stecken bliebe. Christines schlichter Bob sah daneben wie eine dicht anliegende Haube aus. Ihre schlankere Figur verwies auf jemanden, der entweder viel Sport trieb oder einem körperlich anstrengenden Beruf nachging.

Ihr Beruf ist schon abgefahren. Ich könnte das nie, nicht für eine Million Dollar pro Monat, glaubte Jonas mit unerschütterlicher Gewissheit. Er konnte heute noch die Blicke seiner Klassenkameraden in der Grundschule Revue passieren lassen, als er vom Broterwerb seiner Tante erzählt hatte.

»Na, wie wars in der Schule?«, fragte Christine freundlich und Jonas hielt seine neutrale Miene für oskarreif.

»Naja, wie immer. Langweilig halt«, antwortete er und trat unwillkürlich von einem Bein aufs andere.

»Keine Sorge, es gibt bald Essen«, deutete seine Mutter sein Verhalten nur zur Hälfte richtig.

»Es gibt Wiener Schnitzel, das kommt aus Österreich. Hat dein Vater im Internet gefunden.« Sie hob beruhigend die Hand. »Keine Angst, er hat mir genau gezeigt, wie man es zubereitet.«

»Hab ich je behauptet, du könntest nicht genauso gut kochen?«, fragte Jonas, eine nett gemeinte Lüge der Familie aufrechterhaltend. Aus den Augenwinkeln linste er zu seiner Tante. Er hoffte, dass Mum nicht zusätzlich ein vegetarisches Gericht kochte, denn dann aß diese vermutlich mit. Sonst freute ihn das, aber heute wollte er niemanden in der Nähe, der mit … diesen Tieren … arbeitete.

»Ich wünsch euch einen guten Appetit«, eröffnete Christine und Jonas presste die Zähne aufeinander, um sein erleichtertes Keuchen an der Flucht zu hindern.

In dem Moment sagte seine Mutter: »Viel Erfolg bei dem Vortrag!«

Christine lächelte.

In der kurzen Zeit schaffte es Jonas, gut ein dutzend Mal den Satz »Sag nicht das H-Wort!« zu beten.

»Danke, Schwesterherz, aber das werde ich nicht mehr brauchen. Die Leute sind offener geworden. Heute faszinieren Haie die Menschen fast genauso sehr, wie sie sie fürchten.«

»Fast«, betonte Sonja mit einem etwas gequälten Lächeln, während ihr Sohn einen Krampf in beiden Beinen erlitt.

»Von mir auch viel Glück«, zwang er die Worte heraus. Christine klopfte ihrem Neffen zum Abschied auf die Schulter, umarmte ihre Schwester und bald darauf ertönte das Geräusch einer sich öffnenden und schließenden Haustür. Christines fröhliches Summen schien dagegen an den Möbeln zu haften, er konnte es noch Minuten nach ihrem Abgang hören.

Jonas brachte heute nur mit Mühe das Essen hinunter. »Also, ich mach mich an die Hausarbeiten«, behauptete er, nachdem der Teller größtenteils leer war. Er erntete dafür ein Lob und ließ seine Mundwinkel hängen, sowie seine Mutter ihm den Rücken zudrehte. In seinem Zimmer im ersten Stock angekommen, atmete Jonas einmal tief durch.

Rechts an der Wand stand sein Schreibtisch, die einzige immer aufgeräumte Stelle seines Zimmers. Auf den zwei Regalen darüber saßen seine Schlangen und Chamäleons. Seit seinem zehnten Lebensjahr bastelte Jonas Perlentiere in allen Größen und Formen. Sie standen nicht nur auf den Regalen seines Zimmers, sondern überall im Haus. Doch heute vermied er es, sie anzusehen. Ihretwegen war er von Jeff und Kai im Unterricht schallend ausgelacht worden. Miss Farling unterband es zwar augenblicklich, doch die dummen Sprüche in der nächsten Pause konnte sie nicht verhindern.

»Schaust du auch Barbiefilme?«, wollte Jeff wissen, ein für sein Alter erstaunlich kräftiger Junge, dessen große blaue Augen und peinlich akkurater Topfschnitt über sein gemeines Wesen hinwegtäuschten. Jeffs bester – weil einziger – Freund namens Kai brach bei der Vorstellung in röhrendes Gelächter aus.

Wegen dieser beiden Mistkerle musste er nun am zweiten Strand von Ruben Island zum Zahn tauchen, wie der an einer Wand herausragende Felsen hieß. Eine Mutprobe deshalb, weil Mister Jamestown, ihr Geschichtslehrer und begeisterter Sporttaucher, dort einem Hai begegnet war. Gerade gestern erst. Er könnte also immer noch da sein.

Jonas dachte an seine Worte zurück: »Ich tauche zum Zahn und mache zum Beweis ein Foto mit meiner Unterwasserkamera. Ihr werdet schon sehen.«

Das war ihm herausgerutscht, ohne darüber nachzudenken. Nun musste er am kommenden Samstag sein Wort halten. Jonas nahm am Schreibtisch Platz, klappte seinen Laptop auf und ging ins Internet. Den Gedanken, seine Tante zu fragen, wie man bei … einer Begegnung mit ihnen … ruhig blieb, schob er beiseite. Am Ende verplappere ich mich. Und dann erzählt sie es Mum und Dad. Nein, nein, das muss ich allein schaffen.

Jonas fuhr durch seine hellbraunen Haare und tippte bei Google Sharkwatch ein. Er presste bei den ersten fünf Buchstaben die Lippen aufeinander. Von dieser Organisation wusste Jonas nur, dass seine Tante einer ihrer Schulreferenten war.

»Die Kinder sind so interessiert, so offen«, hatte sie beim letzten Osterfest behauptet.

Klar, solange man keinem Hai begegnet, dachte Jonas, während er die Homepage aufrief. Und er presste instinktiv seinen Rücken in die Lehne. Das Standbild eines Hais erschien auf dem Bildschirm und kam langsam auf ihn zu. Der Körper des schlanken, hellblauen Hais drehte in einem scharfen U nach rechts, sodass er nicht frontal auf Jonas zuschwamm. Der stand kurz davor, wegzuklicken, bis der Hai wieder verblasste und die eigentliche Homepage erschien. »Ich würde das ändern, so vertreibt man doch die Leute«, murmelte der Junge und klickte nach kurzer Suche auf einen Reiter mit der Beschriftung Für Kids. Eine neue Seite erschien und Jonas sah einen Hai in Cartoon-Optik, der einen Zeigestock in den Flossen hielt. »Hier erfährst du alles, was du schon immer über Haie wissen wolltest«, verkündete die Sprechblase über seinem Kopf. Darunter standen mehrere Auswahlfelder, von denen eines Verhalten bei Hai-Kontakt hieß. Jonas klickte augenblicklich darauf und der Bildschirm scrollte von selbst herunter. Zuerst sah er das gezeichnete Bild eines Tauchers, der eine Hand senkrecht vor sein Gesicht hielt.

»So zeigt ein Taucher dem anderen, dass er einen Hai sieht«, unterrichtete der Cartoon-Hai Jonas. Das half ihm allerdings nicht, er musste ja alleine tauchen. Ein langer, eiskalter Fingernagel kratzte genüsslich seinen Rücken hinab. Eilig las der Junge weiter, um auf andere Gedanken zu kommen. Er erfuhr, dass man in Anwesenheit eines Hais eine vertikale Position einnehmen und sich einzig mit seinen Armen zum Hai ausrichten sollte. Falls der Hai so nahe kam, dass man ihn mit ausgestrecktem Arm berühren konnte, ohne den Oberkörper vorzubeugen, sollte man seine Schnauze oder den Kopf berühren und ihn so vorbei führen.

»Klar, ist ja nur ein Hai«, entfuhr es Jonas. Hastig blickte er zu seiner Zimmertür, doch seine Fantasie, dass seine Mutter plötzlich sein Zimmer betrat und wissen wollte, warum er über Haitauchgänge nachforschte, blieb eine. Jonas sah zurück zum Bildschirm und beim nächsten Satz fiel ihm die Kinnlade herunter. »Man soll frontal auf den Hai zuschwimmen, um die Begegnung zu beenden«, las er noch lauter vor. Jonas war so fassungslos, dass er vergaß, zur Tür zu schauen. Den nächsten Hinweis, Wasser gegen die Kiemen des Hais zu drücken, sofern das Tier auf Körperkontakt bleibe, las er kaum bewusst.

»Die verarschen einen doch«, behauptete er kopfschüttelnd. Er stand kurz davor, die Seite zu verlassen, doch der Umstand, dass seine Tante zu Sharkwatch gehörte, verhinderte den finalen Klick auf die Maus. Er suchte also weiter und fand heraus, dass die Behauptung, Gelb mache Haie aggressiv, ebenfalls ins Reich der Mythen gehörte. »Aggressiv sind die ja sowieso, egal welche Farbe«, murmelte Jonas trotzig.

Es folgten weitere rot gefärbte Behauptungen über Haie und darunter in weißer Schrift ihre Widerlegung. Weder maßen Haie im Schnitt drei Meter, die meisten erreichten gerade mal einen, noch jagten allesamt bei Nacht. Selbst der Satz, alle Haie besäßen scharfe Zähne, war rot gefärbt. Direkt unter diesem Satz sah Jonas mehrere Fotos von Haigebissen, die ihn überrascht die Augenbrauen hochziehen ließen. Erstaunt betrachtete er eines, das fast wie das einer Fantasiekreatur wirkte. Es gehörte laut Text einem Stierkopfhai. Die Zähne an den Rändern des Kiefers ähnelten ineinander verflochtenen Haarsträhnen, die in der Mitte des Unterkiefers in ein dickes U mündeten. Hier sah Jonas endlich Zähne, die nicht gerade furchteinflößend wirkten.

Sieht mehr aus wie ne Nahaufnahme von Schlangenschuppen oder so, urteilte er. Ein weiteres Auswahlfeld verwies auf die verschiedenen Haiarten des Meeres. Durch das Stierkopfhaigebiss neugierig geworden, klickte Jonas darauf. Und wenn ich gleich zig Fotos von unheimlichen Haien sehe?, zuckte ein Gedanke durch seinen Kopf und sein Magen krampfte sich wie von einer Faust gequetscht zusammen. Dann sah er die ersten Fotos. Er bekam nicht direkt Angst. Eigentlich gar keine, stellte er nach wenigen Sekunden fest. Das sollen Haie sein?, dachte Jonas überrascht. Die Fotos zeigten längliche, gefleckte Fische mit Knopfaugen, die gelassen auf dem Boden lagen. Katzenhaie lautete die Überschrift. Jonas las die Informationen darunter und nach nicht einmal einer Viertelstunde schwirrte ihm der Kopf. Von Katzenhaien – wer kam denn bitte auf solche Namen? – gab es allein hundert Arten, was sie zur größten Haifamilie überhaupt machte. Mit aufgerissenen Augen betrachtete Jonas die Fotos von Haien, deren Artname ihn an seinen Augen zweifeln ließ.

Zwerg-Laternenhai? Nur fünfzehn Zentimeter groß? Oder noch besser, ein Zigarrenhai? Der die größten Zähne aller Haie im Vergleich zum Körpergewicht besaß, trotz seiner winzigen Größe? Mit diesen Zähnen bissen sie sogar manchmal in Unterwasserkabel, was Jonas zum Lachen brachte. Das nächste Bild zeigte irgendeinen Hammerhai, was ihn so wenig interessierte, dass er schon weiter scrollen wollte. Bis er las, dass Schaufelnasen-Hammerhaie in der Lage waren, von Seegras zu leben. Sie besaßen tatsächlich Enzyme zum Verdauen dieser Pflanzen. Jonas pfiff durch die Zähne. Ein Hai, der auch Pflanzen frisst, das glaubt mir keiner.

Ein Reiter hieß Verrücktes aus der Welt der Haie. Dort hörte er über den Ammenhai Florence, der im National Sea Life Center in Birmingham lebte und nach einer Operation keinen Fisch aß. Die Pfleger versteckten kleine Brocken Fisch in den Sellerie-Stangen und Gurken, weil Florence eigentlich nicht ausschließlich von pflanzlicher Ernährung leben konnte. Oder das Bambushai-Weibchen Mariechen in Karlsruhe, das seit 2001 immer wieder Nachwuchs in die Welt setzte, ohne Kontakt zu Männchen zu haben.

Binnen zehn Minuten fand Jonas Dinge über Haie heraus, die er nie für möglich gehalten hätte.

Schließlich klappte er den Laptop wieder zu. Sein Kopf schwirrte. »Kaum zu fassen«, murmelte er.

Am besten, ich denke über diese Geschichten nach, sobald ich tauche, beschloss Jonas. Er spürte, wie der Druck in seinem Magen ein wenig nachließ. Ja, das klang nach einer Methode, um seine Angst in den Griff zu kriegen. Ein Lächeln, diesmal ein echtes, erschien auf seinem Gesicht.

Vielleicht würde es doch keine Katastrophe werden.

 

  1. Das Reich der Haie

 

Die Haie am Außenriff des Reichs würdigten Aro keines Blickes, als er zum Eingang schwamm. Die ihn flankierenden Felswände wirkten mit ihren zahlreichen Wölbungen wie eine steinerne Entsprechung der Oberfläche des Riffs. Aro bemerkte in den Spalten und Rissen viele Fische. Gelegentlich blitzten ihre Schuppen auf, was die Felswände wie mit Edelsteinen besetzt aussehen ließ. Auch die eine oder andere Muräne blickte misstrauisch aus ihrem Versteck.

Ich bin noch nicht mal drin, aber es gibt schon so viele Haie, dachte Aro aufgeregt. Er sah andere graue Riffhaie, aber auch Silberspitzenhaie, deren Flossenränder im Gegensatz zu denen der ersteren weiß waren. Ihre große Anzahl verdeckte streckenweise den Blick auf das Außenriff.

Unter dem Eingang befand sich eine breite, treppenähnliche Felsformation, die aus den Wänden herausragte wie Wurzeln aus dem Meeresboden. Ihre einzelnen Abschnitte besaßen tiefe, von Sand bedeckte Rillen, was den Eindruck einer Treppe noch verstärkte. Dort lagen, manchmal sogar übereinander geschachtelt, ganze Gruppen von Weißspitzenriffhaien.

Obwohl größer als Aro, waren sie zierlich wie schwindsüchtige Muränen. Sie bildeten einen beruhigenden Kontrast zu dem Gewimmel der ebenso großen Katzenhaie, die wie lebender Seetang in allen Braun- und Gelbtönen zwischen ihnen herumwuselten.

Hier fängt mein neues Leben an. Kein Finn, keine Jaschi, kein Lexis mehr. Hier hänselt mich niemand, jubilierte Aro innerlich. Und wenn ich einfach aufhöre, komische Dinge zu tun, wird mich auch keiner mehr hänseln. Ich muss wie die anderen sein. Ganz simpel. Das flaue Gefühl im Magen ignorierte er. Aro erreichte den etwa sechs Körperlängen großen Eingang und seine Kiemen flatterten, als er das Reich betrat. Der Seetang strich wie tastende Tentakel über ihn hinweg. Der Anblick erschlug ihn beinahe.

Sein Unterkiefer hing fassungslos herab und er war zu überwältigt, um sich Gedanken über sein Aussehen zu machen. Das Außenriff war im Vergleich dazu einsam und verlassen. Hier gab es so viele Haie, dass er manchmal nichts vom Riff sah. Das Rauschen des von ihnen verdrängten Wassers übertönte mühelos kleinere Wellen. Ein grauer Riffhai warf ihm einen komischen Blick zu und Aro bemerkte erst dann, dass sein Kiefer nach wie vor herunterhing. Er räusperte sich verlegen und beschloss, seine neue Heimat zu erkunden.

Es gab so viel zu sehen. In der Mitte des Platzes wuchs eine bogenförmige Felsformation, unter der einige Haie wie eine sichtbare Strömung hindurchschwammen. Direkt unter der Oberfläche kreisten Fischschwärme, die wenigstens von oben keine Angriffe befürchten mussten. Ihr Schatten wirkte wie ein großes Lebewesen. Aro sah einen weiterführenden Tunnel in einer Felswand und gleich darauf zwei weitere. Das ist gar kein zusammenhängendes Riff, sondern das sind mehrere unterteilte Abschnitte, begriff er. Um Meeres willen, ich werde mich gehörig verschwimmen!

Diese Aussicht stimmte ihn noch fröhlicher.

Aro konnte sich kaum entscheiden, wo er zuerst hinschwimmen sollte. Letztendlich entschied er sich für einen Tunnel, der nach Osten führte. Das nächste Becken besaß einen gleichmäßig flachen Boden und weniger Haie hielten sich dort auf. Offenbar gab es auch ruhigere Orte im Reich. Am östlichen Rand des Beckens erhob sich ein Felsen, der Rillen wie ein Ackerboden besaß. Aro pfiff durch die Kiemen, als er die beeindruckende Höhe musterte.

»Der reicht ja fast bis zur Oberfläche«, murmelte er und begutachtete die verschiedenen Weichkorallen auf ihm, die vor dem trüben Braun des Felsens fast so hell wie Sonnenstrahlen leuchteten. Aro wusste, dass der Anblick täuschte, aber sie wirkten so weich, als ob man sich in sie hineinkuscheln könnte. Er betrachtete sie eingehend und zuckte heftig zusammen, weil hinter ihm plötzlich eine Stimme ertönte.

»Was gibt es denn da zu gucken?«

Aro wirbelte herum, wobei seine Schwanzflosse dem Sprecher beinahe eine klatschte. Aro sah sich einer Gruppe von vier grauen Riffhaien gegenüber. Sie bestand aus zwei Jungen und zwei Mädchen, von denen keiner älter als er war. Der vorderste sagte: »Hey, mach langsam. Kein Grund zur Hektik.«

Er klang trotz einem beinahe kassierten Schlag freundlich. An seiner Stimme allein erkannte Aro augenblicklich jemand mit Selbstbewusstsein.

»Wir haben gesehen, wie du diese Dinger beobachtet hast und haben uns gedacht, der muss ja einsam sein«, fuhr er fort und alle lachten kurz auf. Ihr Gelächter klang nicht abschätzig und Aro musste sich beherrschen, nicht erleichtert zu stöhnen.

»Ähm, ja, ich bin neu hier. Ich bin erst vor wenigen Minuten hier angekommen«, erklärte er.

»Dachte ich mir schon«, gab der Haijunge zurück. »Weißt du, ich vergesse nie einen Geruch oder ein Gesicht und bei dir ist beides eindeutig neu.«

Aro grübelte darüber nach, was er sagen sollte, falls er ihn nach seiner Herkunft fragte. Die blanke Wahrheit kam nicht in Frage. Besser, ich behaupte, von einem benachbarten Riff gekommen zu sein, beschloss Aro. Das es hoffentlich überhaupt gibt.

Der Haijunge hinterfragte ihn, dem Meer sei Dank, nicht, sondern sprach weiter: »Mein Name ist Cayden, wer bist du?«

Aro nannte ihm seinen und eines der Mädchen meinte: »Klingt gut, passt zu dir.«

Aro spürte ein warmes Glühen im Bauch. So freundliche Worte, und das auch noch von einem Mädchen …

»Also mir gefällt der Name nicht, da schwingt kein Klang mit«, behauptete das andere prompt. Aros gutes Gefühl platzte wie ein aufgeblähter Kugelfisch zwischen den Zähnen eines Meeresmahrs. Er grübelte, was er dazu sagen sollte, da kam ihm das andere Mädchen zuvor: »Ach, du immer mit deinem Klang! Wenn dir das so wichtig ist, dann hättest du dich nicht Dunja nennen sollen.«

»Hey, Dunja klingt großartig.«

»Nein.«

»Wohl!«

»Nein.«

Etwas an der Art, wie sie sich stritten, erinnerte Aro stark an seine Geschwister. »Seid ihr verwandt?«, fragte er.

»Nein, wir haben uns nur hier gefunden. Unsere Geschwister haben es nicht geschafft«, erklärte Cayden mit der Nüchternheit, mit der schon junge Haie über den Tod sprachen.

»Ich würde auch durchdrehen, wenn ich mit Dunja verwandt wäre«, meinte das andere Haimädchen mehr zu sich und sagte dann zu Aro: »Mein Name ist Armina. Ich bin als erste hier angekommen.«

Auf Grund seines Selbstbewusstseins hätte Aro auf Cayden getippt.

»Und ich bin Brock«, stellte sich ein ungewöhnlich großer Haijunge hinter Cayden vor. Aro konnte sich auch keinen besseren Namen für diesen Burschen vorstellen.

Warum kann ich nicht so aussehen?, dachte er sehnsüchtig.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783967410914
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
Bestimmung Meer Hai Riff Aquarium Abenteuer Rettung Gabe Fisch

Autor

  • Marisa Barkhoff (Autor:in)

Marisa Barkhoff verließ im Sommer 1986 das Meer des Mutterleibes und verbrachte ihre Kindheit in Südtirol. Schon als kleines Mädchen schrieb sie gerne Geschichten. Mit dreizehn begann sie ihren ersten Roman, der aber nach etwa zweihundert Seiten strandete. Seit 2018 taucht sie in den Gewässern des Aktivismus und arbeitet in ihrer Freizeit ehrenamtlich als Campaignerin bei Sharkproject. „Wächter des Meeres“ ist ihr Debütroman, dessen Urform sie Punkt Jesu Geburtstag beendete.
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Titel: Wächter des Meeres