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Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss

von Volker Friebel (Autor:in)
112 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch enthält eine Serie von Entspannungsgeschichten sowie eine Einführung dazu. Die 25 Geschichten vom Wolkenschloss eignen sich gut für das Vorschul- und Grundschulalter. Die Geschichten können als eigenständige Entspannung vorgetragen werden. Sie können aber auch an das Autogene Training oder die Progressive Muskelrelaxation für Kinder angehängt werden. Entspannungsgeschichten sind eine ausgezeichnete Weise zur Ergänzung oder zur eigenständigen Durchführung einer Entspannung. Kinder und Erwachsene lieben sie und fördern mit ihnen ganz nebenbei Ruhe, Konzentration, Resilienz. Die Illustrationen im Buch unterstützen das Lesen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einführung

 

Stress, Konzentrationsmangel, Unachtsamkeit, Unruhe, auch psychosomatische Beschwerden treffen längst nicht mehr nur Erwachsene, sondern bereits Kinder.

Was hat sich bei Erwachsenen dagegen bewährt? Meditation und Entspannung. Die gibt es angepasst auch für Kinder. Außerdem aber und sehr erfolgreich sind bei Kindern Entspannungsgeschichten.

Denn Kinder hören gern Geschichten. Weshalb also nicht diese nutzen, um für Kinder auch etwas zur Entspannung zu tun?

Entspannungsgeschichten unterscheiden sich von „normalen“ Geschichten. Sie sollen natürlich entspannend sein. Aufregung sollte deshalb nicht im Vordergrund stehen – und wenn doch, dann um Möglichkeiten einzuführen, mit Stress, Ruhelosigkeit, Konzentrationsproblemen umzugehen.

So geschieht das in den Geschichten vom Wolkenschloss. Wir erleben etwas und lernen dabei ganz nebenbei Möglichkeiten zur Bewältigung von Stress kennen, Möglichkeiten herunterzukommen, ruhiger zu werden – oder Möglichkeiten, uns besser zu konzentrieren, um achtsamer zu sein. 

Solche Geschichten fördern interessanterweise auch Fantasie und Kreativität. Vielleicht weil diese am besten in einer entspannten Atmosphäre gedeihen. Und die Resilienz wird gefördert, die Widerstandskraft gegen Belastungen.

 

Entspannungsgeschichten für Kinder haben sich weit verbreitet. Anfangs waren sie dafür gedacht, ein konventionelles Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder die Progressive Muskelrelaxation für Kinder vorzubereiten oder zu verlängern. Das kann auch heute noch ihre Aufgabe sein. Man erkannte aber bald ihren eigenständigen Wert für die Entspannung von Kindern.

Über das Einflechten von Entspannungsmomenten in die Geschichten werden auch Kinder erreicht, denen solche Entspannungsweisen bisher unbekannt waren. Und die Themen von Geschichten können um Entspannung kreisen, können Kindern zeigen, wie sich Entspannung herstellen lässt.

In Entspannungsgeschichten lassen sich weitere Elemente einbauen, nämlich Merksprüche, eine Anleihe aus der Vorsatzbildung des Autogenen Trainings für Erwachsene. ,Mit Mut geht's gut' oder ,Konzentriert geht's wie geschmiert' sind zwei besonders bekannt gewordene Merksprüche. Das Kind soll sich den Merkspruch, der ihm am hilfreichsten erscheint, zu eigen machen und in Stress-Situationen tief in sich hinein sagen – am besten, während es sich entspannt.

In den Geschichten wird außerdem immer wieder Natur dargestellt. Es hat sich nämlich gezeigt, dass der Umgang mit Natur, auch bereits von Natur in Geschichten, zur Entspannung beiträgt und seelische sowie körperliche Gesundheit unterstützt.

 

Dieses Buch enthält eine Serie mit 25 Geschichten, die Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Diese eignen sich gut für Vorschul- und Grundschulalter. Die Geschichten können als eigenständige Entspannung vorgetragen werden. Dann werden sie gelesen, so wie sie unten aufgeführt sind. 

Der Rahmen unserer Geschichten bleibt immer ähnlich, mit einer Einführung, dem Wolkenschloss, und mit dem blauen Sofa gegen Ende der Geschichte, auf dem wir eine Entspannung durchführen.

Gleich bleibende Elemente sind wichtig für die Entspannung, sie beruhigen und geben Halt über die Vertrautheit, die das Bekannte vermittelt.

Die erste Geschichte führt das Wolkenschloss ein. Ansonsten bauen die Geschichten nicht aufeinander auf, können also nach dieser Einführung auch in anderer Reihenfolge gelesen werden.

Der Entspannungsteil gegen Schluss jeder Geschichte sollte besonders langsam und mit Pausen gelesen werden. Am besten beginnt die Verlangsamung beim Sprechen bereits etwas vorher, am Beispiel der ersten Geschichte bei „Ihr legt euch auf das große blaue Sofa im Burghof. Du schließt deine Augen. 

Im Anschluss an den Entspannungsteil kommt die Rücknahme der Entspannung. Das ist wichtig, wenn anschließend wieder etwas Aktiveres gemacht werden soll. Wird die Entspannungsgeschichte dagegen abends im Bett vor dem Schlafen gelesen, entfällt das und die Geschichte endet mit dem Entspannungsteil – und einem guten Schlaf.

Die Entspannungsgeschichten lassen sich in dieser Weise einzeln verwenden. Sie können auch an das Autogene Training oder die Progressive Muskelrelaxation für Kinder angehängt werden. Dann wird zuerst das Autogene Training oder die Progressive Muskelrelaxation durchgeführt und vor der Rücknahme der Entspannung die Geschichte gelesen. Der in den Geschichten vom Wolkenschloss am Ende kursiv gesetzte Textteil entfällt dann einfach. 

Die Verbindung mit dem Autogenen Training oder der Progressiven Muskelrelaxation muss nicht sein. Der Entspannungsteil am Ende jeder Geschichte erfüllt auch diesen Zweck.

 

Wenn die Geschichten selbstständig verwendet werden, ohne zusätzliches Entspannungsverfahren, wie lassen sie sich dann am besten einsetzen?

Überlegen Sie, wann am Tag die beste Gelegenheit für die Geschichten vom Wolkenschloss ist. Oft ist das die Gutenachtzeit. Kinder genießen es, wenn ihnen noch etwas vorgelesen wird oder wenn sie selbst noch etwas lesen.

Die Entspannung kann unterstützt werden, wenn etwa eine Ruhe-Kerze (beispielsweise ein Teelicht) entzündet wird. Das ist dann Signal, dass etwas Besonderes folgt.

Vielleicht haben Sie mit Ihrem Kind auch ein anderes Signal für den Beginn der Entspannung.

Eine weitere Möglichkeit für die Entspannungsgeschichten wäre vor den Hausaufgaben. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Entspannung die schulische Leistung unterstützen kann, durch Verbesserung der Konzentration.

 

Entspannungsgeschichten sind eine ausgezeichnete Weise, Entspannung kindgerecht zu ergänzen oder ganz in Geschichtenform durchzuführen. Ich wünsche, dass die Geschichten auch Freude machen, denn damit erst wird die Entspannung vollkommen.

 

Volker Friebel

 

 

Die Geschichten

 

 

Das Wolkenschloss

 

Stell dir vor, du liegst auf einer weiten Wiese und hast die Augen geschlossen. Gras wiegt im Wind. Vögel singen. Du spürst die Ruhe in dir ... Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein ...

Ein Windhauch weht über dein Gesicht – und schon tanzt ein Schmetterling vor deiner Nase. Auf und ab, hin und her – du meinst fast, dass er dir zuzwinkert.

Jetzt flattert er davon. Und schaut zurück, ob du ihm folgst.

Du gehst hinter dem Schmetterling über die Wiese. Vor dir bilden sich Wolken, wie Stufen. Die unterste schwebt dicht über dem Gras. Auf der obersten erhebt sich das Wolkenschloss.

Der Schmetterling flattert weiter, die Wolkenstufen hinauf, dem Schloss zu.

,Mit Mut geht's gut', sagst du tief in dich hinein.

Du gehst die Stufen zum Wolkenschloss. Das Tor steht weit offen. Du trittst ein. Trompeten schmettern. 

„Willkommen!“ Im Schlosshof der kleine Mann trägt eine Krone. In den Händen hält er eine goldene Gießkanne. „Ich bin der kleine König Ferdinand. Willkommen im Wolkenschloss!“ Er blinzelt dir freundlich zu. „Wenn du Ruhe und Kraft brauchst, hier findest du sie. Du kannst immer hierher kommen, so oft du willst. Schau dich um! Mieze, meine königliche Vertraute, wird dich begleiten.“

Der kleine König deutet auf eine Katze neben sich. Sie ist ganz weiß, bis auf die großen grünen Augen. Sie gähnt. Der kleine König gießt das letzte Gänseblümchen des Rasens und verschwindet in seinen Gemächern.

Mieze führt dich durchs Schloss.

Zuerst besucht ihr die Küche, wo der Koch gerade eine Suppe für den König zubereitet. „Hinaus, hinaus, sonst kocht sie über!“, ruft er, als Mieze kosten will.

Im Verlies wirbelt Staub. „Leider steht es leer, seit das letzte Gespenst ausgewandert ist“, schnurrt Mieze. „Ich hoffe, es kommt zurück.“

Ihr schaut in die Schatzkammer – da erhebt sich ein Drache von einer offenen Truhe. Er blinzelt mit seinen Lidern und öffnet das Maul. Lodert da nicht eine Flamme in seinem Rachen? Schnell schließt du die Tür wieder.

Mieze schnurrt. „Das war Fridolin, der Schlossdrache. Die Schatztruhe ist sein Lieblingsplatz.“

Im Rosengarten schneidet gerade Esmeralda, die Nichte des Königs, mit ihren Freundinnen alle Blüten ab. Scheren klappern. Die Mädchen kichern dabei. „Das gibt Rosenblütentee“, schnurrt Mieze. „Igitt-igitt – aber die Königin liebt ihn.“

Das Bild eines Segelschiffs hängt über einer Tür. „Da wohnt Kapitän Sturm“, schnurrt Mieze. „Einst fuhr er über alle sieben Meere. Nun hat er sich im Wolkenschloss zur Ruhe gesetzt. Vielleicht besuchen wir ihn mal.“

Im Rittersaal bestaunst du die Waffensammlung. Die Schwerter und Schilde, die Lanzen und Rüstungen sind klein. Du fragst Mieze nach den großen Trichtern, die an den Wänden hängen.

„Das sind Wolkenbläser“, schnurrt sie. „In früheren Zeiten wurden damit feindliche Wolkenburgen abgewehrt. Du bläst hinein, die Trichter verstärken deinen Atem, der Sturm treibt die Wolkenburgen davon.“

Ihr steigt auf einen der Türme und schaut auf das Wolkenmeer. Mieze zeigt dir die Stufen hinab in die blauen Länder. „Dort gibt es manche Abenteuer“, schnurrt sie.

Du siehst ein Land, in dem die Blätter der Bäume durchsichtig sind, wie Glas, und der Wind lauter Lieder tönt.

Du siehst ein Land, in dem es nirgendwo Straßen gibt und die Menschen mit Federschwingen fliegen.

Du siehst ein Land, in dem die Tiere die Herrschaft übernommen haben und ein Schmetterling König ist.

Ihr steigt die Stufen des Turmes wieder hinab. Mieze gähnt königlich. Ihr legt euch auf das große blaue Sofa im Burghof. Du schließt deine Augen. 

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen. 

 

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 

 

Der kleine König hat Angst

 

Stell dir vor, du steigst auf der Wolkentreppe langsam zum Wolkenschloss hinauf, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst. Schließlich trittst du von der obersten Wolke in den Hof des Schlosses.

Der kleine König Ferdinand läuft aufgeregt auf und ab. „Ein Ungeheuer“, ruft er immer wieder. „Das Schloss ist verloren!“ Du schaust dich um, kannst aber nichts Ungewöhnliches erkennen. Der kleine König greift nach seiner Krone, als wolle er sie festhalten.

Auch Mieze sieht verschreckt aus. Sie kauert neben dem blauen Sofa. Ihre grünen Augen blitzen.

„Vielleicht kannst du uns helfen!“ Der kleine König ist stehen geblieben und schaut dich an.

„Aber du hast doch deine Zwerge“, sagst du und zeigst auf die kleinen Ritter, die sich im Schlosshof aufgestellt haben.

„Schau, wie sie zittern!“, sagt Ferdinand. Und tatsächlich, du siehst, die Ritter in ihren Rüstungen zittern wie Espenlaub.

„Der Hauptmann ist in Ohnmacht gefallen, als er das Ungeheuer sah“, sagt der kleine König. „Er liegt auf der Krankenstation. Und jemand muss die Ritter doch führen!“

„Und der Drache?“, fragst du. „Kann er nicht helfen?“

„Der kommt die schmale Treppe des Turms nicht hinauf. Und eben dort oben hat sich das Ungeheuer versteckt.“

Ein Ungeheuer, das sich versteckt? Langsam gehst du zum Turm. Mieze und der kleine König gehen hinter dir.

Die Tür zum Turm ist schwer zu öffnen. Sie knarrt. Du schaust die Treppe hinauf und kannst nichts erkennen. Der kleine König entzündet eine Fackel und gibt sie dir. Eine zweite trägt er selbst. Das flackernde Licht sieht unheimlich aus.

Du achtest auf deinen Atem und spürst, wie du ruhiger wirst. Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein ... Ruhe und Kraft strömen in dich. ,Mit Mut geht's gut', sprichst du in dich hinein.

Du steigst die Stufen hinauf. König Ferdinand und Mieze folgen dir. Im obersten Raum des Turms bläst ein kräftiger Windzug die Fackeln aus. Du erschrickst. Von der Decke des Raums beobachten euch zwei riesige Augen.

,Mit Mut geht's gut', sagst du nochmals tief in dich hinein und achtest auf deinen Atem.

Der kleine König hat endlich Streichhölzer gefunden. Mit zitternden Fingern entzündet er die Fackeln neu. Wo ist das Ungeheuer? – Ihr seht eine Eule auf dem Schrank sitzen. Ihre Augen scheinen im Licht viel kleiner geworden. Sie sieht euch ruhig an.

„Ein Uhu!“ Der kleine König atmet erleichtert durch. „Und wir dachten, dass, wir dachten, dass ... Was dachten wir eigentlich, Mieze?“ Mieze schnurrt nur und blinzelt.

„Wir dachten gar nichts und malten uns alles Schlimme aus“, stellt der kleine König fest. „Statt einfach nachzuschauen.“ Er seufzt.

„Liebe Eule“, spricht der kleine König Ferdinand feierlich den Uhu an. „Ich ernenne dich hiermit zum Wächter des Turms!“

Der Uhu bestätigt seine Ernennung durch Schweigen. Er blinzelt.

Der kleine König Ferdinand seufzt noch einmal. Ihr steigt den Turm hinunter. Dieses Mal fallen die Stufen viel leichter.

Im Schlosshof bedankt sich der kleine König bei dir. „Was hätten wir ohne dich getan?“, fragt er vor den Reihen seiner Ritter. „Wir hätten weiter gezittert. Du aber hast nachgeschaut.“ Er nickt. „Ich gebe dir hiermit den Titel Turmbesteiger, sagt er. Kopfschüttelnd verschwindet er in seinen Gemächern.

Du legst dich auf das große blaue Sofa und schließt deine Augen. 

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen. 

 

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 

 

Wer etwas wagt

 

Wer etwas wagt, kann siegen! 

Immer ruhig Blut! 

 

Lass dich nie unterkriegen, 

dann hast du Mut! 

 

Die Dracheninsel

 

Du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Die Wolkentreppe endet am Sandstrand einer Insel, genau vor einem Paar Drachenpranken.

„Hallo, ich heiße Grünenstein“, schnaubt euch der Drache fröhlich an und bläst dir zur Begrüßung ein paar Rauchwölkchen ins Gesicht. Er schlägt mit den winzigen Flügeln und gurrt: „Wenn ihr aus dem Himmel kommt, könnt ihr vielleicht gar fliegen?“

„Nein“, faucht Mieze. Sie hat einen Buckel gemacht. „Und wir wollen es auch nicht lernen!“

„Ich schon“, grollt der Drache sehnsüchtig. „Ich möchte so gern einmal über den Vulkan fliegen, wenn er ausbricht. Aber immer muss ich mir alles vom Strand aus anschauen, weil ich noch so jung bin.“

„Ich bin schon sehr alt und schaue mir jeden Vulkanausbruch am liebsten von ganz weit weg an“, schnurrt Mieze.

„Man hat den besseren Überblick – aber trotzdem ...“, sagt Grünenstein. „Kommt, wir gehen zum ,Seeräuberblick'“, grollt er dann, „von dort sieht man alles am besten.“

Ihr schlendert den Strand entlang. Grünenstein scheint hier alle gut zu kennen. Ein paar Vögeln, die nach Muscheln suchen, ruft er vergnügt zu: „Der Drachenwetterdienst meldet: Heute bricht der Vulkan aus!“

„Oh weh, oh weh!“, zetern die Möwen, breiten ihre Schwingen aus und stürzen sich in den Himmel.

Ein Seelöwe sonnt sich am Strand. „Schöne Grüße vom Wetterdienst, Eddi“, winkt Grünenstein ihm zu. „Der Vulkan bricht gleich aus.“ Der Seelöwe reißt die Augen weit auf und stürzt sich entsetzt in die Fluten. Rasch verschwindet er in der offenen See.

Plötzlich bebt die Erde. Ein tiefes Grollen liegt in der Luft, die zu zittern scheint. Grünenstein gluckst. „Der Vulkan, der Vulkan! Und wir sind noch gar nicht am ,Seeräuberblick'!“

„Wir gehen besser zurück“, sagst du zu Mieze.

„Ruhig und still geht's wie ich will“, hörst du Grünenstein brummen.

,Ein Merkspruch', denkst du. „Das funktioniert bei einem Vulkan nicht“, sagst du laut. „Merksprüche und Entspannung machen dich selbst ruhiger, aber nicht einen Vulkan! Wenn der ausbricht, kannst du nur möglichst weit weg verschwinden.“

„Ach so“, brummt Grünenstein.

Du siehst, wie sich an der Flanke des Vulkans ein Lavastrom abwärts bewegt. Über dem Berg steht eine Rauchwolke. Du meinst sogar, Feuerzungen zu sehen.

Ein paar Gestalten fliegen über den Krater. Grünenstein winkt ihnen zu. „Das ist Opa Fauchenstein mit seiner Kegelrunde“, strahlt er. „Ach, wie gern wäre ich mit dabei!“ Er wackelt kläglich mit seinen winzigen Flügeln.

„Bis zum nächsten Mal“, verabschiedest du dich. Mieze läuft königlich neben dir her. Der Vulkan ist weit weg, aber man kann nie wissen.

Schon erreicht ihr die Wolkentreppe. Ihr steigt hinauf. Auf halbem Weg zum Wolkenschloss schaust du dich um. Die Rauchwolke über dem Vulkan ist noch größer geworden. Du blickst direkt in den Feuersee des Vulkankraters. Die ausgelaufene Lava hat das Meer erreicht und versinkt zischend in den Fluten. Immer noch fliegen Drachen über die brodelnde Glut.

Du drehst dich wieder zum Wolkenschloss um. Mieze ist schon ein ganzes Stück voraus. Du steigst weiter, Stufe um Stufe. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.

Im Wolkenschloss legst du dich auf das große blaue Sofa und schließt deine Augen. 

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen. 

 

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 

 

Grünenstein

 

Ein Drache namens Grünenstein, 

der flög so gern am Himmelszelt – 

doch seine Flügel sind zu klein, 

so tappt er eben durch die Welt. 

 

Silas, der Bär

 

Stell dir vor, du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Ihr tretet auf den leichten Hang eines Berges, ein Stück weiter unten glänzt ein See. Um euch blühen Blumenmatten, die Farben kräftiger, tiefer als du sie kennst. Langsam schlenderst du den Pfad hinunter zum Bergsee. Mieze folgt dir. 

Du beugst dich nieder und streichst mit der Hand durch das Wasser. Wie kühl es ist! Das muss vom Schnee der Berggipfel kommen. 

Als du dich wieder aufrichtest, siehst du, dass Mieze sich geduckt hat. Sie starrt zum anderen Ufer des Sees. 

„Was ist?“, fragst du. 

„Silas ...“, schnurrt Mieze ganz langsam. 

Du schaust genauer hin und erkennst einen großen Bären, der an das Ufer des Sees trottet. Er beugt sich nieder und trinkt. 

Unwillkürlich hast auch du dich geduckt. 

,Gefahr erkannt – Gefahr gebannt‘, denkst du. 

Aber nicht ganz gebannt. Du überlegst, wie lange der Bär wohl um den See herum bis zu euch brauchen würde. 

„Bären fressen eigentlich keine Kinder“, sagst du. 

„Katzen fressen sie eigentlich auch nicht“, schnurrt Mieze. „Außer vielleicht, wenn sie sehr hungrig sind. Oder wenn ihnen danach ist.“ 

Ein paar Schritte vom Ufer des Sees siehst du eine Hütte stehen. Du gehst zur Tür. Sie ist nicht abgeschlossen. Und, stellst du fest, sie lässt sich von innen gut verriegeln. In der Hütte seid ihr auf jeden Fall sicher. 

„Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“, sagst du erleichtert. 

Mit Mieze zusammen beobachtest du den Bären. 

„Ich hab die Bewohner des Dorfs über ihn reden gehört“, schnurrt Mieze. „In der Dorfwirtschaft, mit einem Wissenschaftler von der anderen Seite der Berge. Der Bär ist von dort zugewandert. Sie hoffen, dass er sich hier niederlässt. Silas haben sie ihn genannt.“ 

„Also haben sie keine Angst“, sagst du. 

„Einige schon“, schnurrt Mieze. „Sie streiten deshalb. Aber Vorsicht ist für alle gut.“ 

„Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“, meinst du. 

„Er ist wunderschön!“, sagst du, nachdem ihr eine Weile schweigend den Bären am anderen Ufer betrachtet habt. 

„Ja“, schnurrt Mieze. 

Der Bär sieht gemütlich aus. Wäre er groß wie eine Maus, würdest du ihn sicher gern streicheln. Und Mieze würde ihn fressen. Aber der Bär ist viel größer. So streichelst du ihn lieber nicht. So frisst Mieze ihn lieber nicht. Und ihr habt stattdessen ein bisschen Angst vor ihm. Oder Vorsicht. 

Silas wendet sich ab und schlendert über die Wiese am anderen Seeufer. Bald ist er hinter einem Hang des Berges verschwunden. 

Die Berge sind immer noch da. Und der See. Und die Wiese mit ihren Gräsern und Blumen. Und der Wind mit all den Düften der Berge. Und der Himmel, durch den weit oben ein Vogel kreist. 

Es ist schön hier. Du spürst deinen Atem. Du spürst dich selbst so lebendig wie selten. Aber langsam müsst ihr zurück. Zur Wolkentreppe ist es nicht weit. Schritt um Schritt steigt ihr höher, immer höher, zum Wolkenschloss. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst. 

Im Wolkenschloss legt ihr euch auf das große blaue Sofa und schließt die Augen. 

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen. 

 

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen. 

 

 

Das Schiff und die Insel

 

Stell dir vor, du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Von der letzten Stufe tretet ihr in einen Hafen. Gerade macht sich ein Segelschiff bereit, auszulaufen. Du winkst – und die Menschen winken zurück. Du rufst sie an – und sie nehmen euch mit. 

„Willkommen auf der Seeschwalbe“, begrüßt euch der Kapitän. „Wir machen eine Probefahrt rund um die kleine Insel.“ 

„Könnt ihr uns dort vielleicht absetzen und später wieder abholen?“, fragst du. 

„Das wird eine gute Übung für die Mannschaft“, stimmt der Kapitän zu. 

Bis zur Insel ist es nicht weit. Du wiegst dich im sanften Auf und Ab der Wellen. Der Kapitän brüllt Befehle, die Seeleute rufen zurück. Flink bewegen sie sich über Deck und die Seile hinauf zu den Segeln. 

Du fühlst dich stark im starken Wind. Nur Mieze scheint nicht ganz wohl zu sein. „Geht es dir gut?“, fragst du. 

„Mir ist so flau“, antwortet sie „Ob das die Seeluft ist?“ 

„Eine Katze kann seekrank werden!“, staunst du. „Halte durch, wir haben es gleich zur Insel geschafft.“ 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739462622
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Autogenes Training Beruhigung Stressbewältigung Gutenachtgeschichten Resilienz Progressive Muskelrelaxation Entspannung für Kinder Entspannung Einschlafen

Autor

  • Volker Friebel (Autor:in)

Der Autor Volker Friebel ist promovierter Psychologe und Verfasser von Veröffentlichungen mit den Spezialgebieten Entspannung, Gesundheit, Sprache und Musik sowie Texten literarischer Art. Er arbeitet als Ausbildungsleiter, Schriftsteller, Bildermacher und Musiker.
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Titel: Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss