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Kinder entdecken Ruhe und Langsamkeit

Spielerisch fördern wir Genauigkeit, Konzentration und Kreativität

von Volker Friebel (Autor:in)
151 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch stellt eine große Sammlung von Spielen, Übungen, Geschichten, Liedern zur Verfügung, die sich mit Langsamkeit beschäftigen. Einfach nur langsamer zu werden, ist dabei nicht das Ziel. Denn Schnelligkeit ist gut – aber nicht die ganze Zeit, Kinder müssen auch ruhiger werden können, Schnelligkeit muss aufgabenbezogen sein, also auch wieder langsam werden können und nicht zum Dauerzustand des Hyperaktiven, der damit Aufgaben eben gerade nicht mehr bewältigt. Viele der Spiele und Lieder greifen deshalb das Schnelle auf – und versuchen es bewusst langsamer zu machen – und wieder schneller. Damit die Kinder unterscheiden lernen, damit sie sich sensibilisieren. Damit die Kinder sich zunehmend bewusst vom einen zum anderen bewegen können, vom Langsamen zum Schnellen, vom Schnellen zum Langsamen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

 

Wir werden ruhiger in der Natur, Puls und Bewegungen verlangsamen sich beim Gang über Wiesen oder am Waldbach, unsere Stimmung hellt sich auf. Ein Hinweis darauf, dass die Geschwindigkeit unseres Lebens unnatürlich hoch geworden ist, dass sie künstlich beschleunigt wurde und sich von der Mitte unserer Möglichkeiten und Bedürfnisse entfernt hat.

Wir haben beides in uns, die Eile wie auch die Langsamkeit und mit ihr Genauigkeit, Konzentration, Tiefe. Und beide haben ihre Berechtigung. Aber die Langsamkeit wird wenig geachtet, die Hast will im Alltag alles erfassen.

Mit den Beiträgen dieses Buchs, mit den Spielen, Geschichten und Liedern, wollen wir deshalb die Langsamkeit unterstützen. Unsere Beschäftigung mit der Langsamkeit soll nützlich sein, gut für Konzentration, Wohlbefinden und Gesundheit. Dass sie auch Spaß macht, werden wir zusammen erfahren.

 

Volker Friebel

 

 

Zur Neuausgabe 2015: Ich freue mich, das Buch in einer zweiten Ausgabe so lebendig und munter wiederzusehen! Der Text wurde überarbeitet. Alle Noten sind nun zusätzlich als pdf-Dateien ladbar und können ausgedruckt werden auf www.entspannung-plus.de unter Materialien. 

Einführung

 

Die Zeit der Natur

 

Die Zeit der Natur ist ein Kreis: Auf Frühling folgt Sommer, folgt Herbst und folgt Winter – und wieder der Frühling. Die weitaus meiste Zeit unserer Geschichte lebten wir Menschen ganz selbstverständlich diesen Rhythmus der Jahreszeiten. Das Leben des Jägers und Sammlers und des Ackerbauers orientierte sich daran. Auch etwa das Kirchenjahr mit seinen immer wiederkehrenden Ritualen und Festen folgt der Naturzeit.

Denn die Zeit der Natur ist nah am Erleben der Menschen, wir nehmen sie unmittelbar wahr, über die Färbung der Blätter, das Ziehen der Wolken, den Regen und das Tänzeln der Schneeflocken.

Und die Naturzeit gibt Sicherheit. Die Zukunft scheint berechenbar. Auch in der Not weiß man, dass es wieder besser werden wird. Nach dem harten Winter folgt wieder ein Frühling.

Zeit zu sparen, ist in einer solchen Welt unsinnig. Der Frühling kommt deshalb nicht schneller. 

„Arbeitszeit“ und „Freizeit“ gibt es als solche gar nicht. Denn Arbeit und Freizeit gehen in der Naturzeit untrennbar ineinander über. Wer schneller arbeitet, hat deshalb nicht mehr Freizeit. Es gibt zu erledigende Aufgaben, gesungen wird nicht nach der Arbeit im Chor oder in der Disco, gesungen wird etwa bei der Ernte auf dem Feld. Das gibt Kraft, stärkt den Zusammenhalt und gleicht den Arbeitsrhythmus an.

Das heißt nicht, dass es keine Eile gäbe. Selbstverständlich muss das Heu möglichst vor dem aufziehenden Gewitter eingefahren werden. Die Eile ist aber aufgabenbezogen, mit der erledigten Arbeit endet sie.

Wenn Stress heute ein Problem geworden ist, dann weil die Stress-Reize fortlaufend bestehen, weil die Alarmreaktionen unseres Körpers nicht zur Ruhe kommen. Es ist gar nicht mehr die eine Aufgabe, die eine Herausforderung, welche eine gewisse Zeit Stress auslöst, es sind unsere Lebensumstände, es ist die ganze Organisation unseres Lebens. Es ist chronisch knappe Zeit, chronisch gewordene Eile. 

 

Die Zeit des Geldes

 

Seit dem Mittelalter versucht der Mensch, sich von der Naturzeit abzukoppeln. Er hat sich dem linearen Fortschritt verschrieben, der Verheißung des Neuen. Er möchte ausbrechen aus dem Kreis, aus der zyklischen Immerwiederkehr des Gleichen, aus der Abhängigkeit von der Natur. 

Als erste haben die Kaufleute sich einer anderen Zeitvorstellung verschrieben, haben versucht, Zeit zu sparen, Waren schneller und zuverlässiger, unabhängiger von Zeit und Umständen auf den Markt zu bekommen. Den Menschen konnte das recht sein, sie hatten zunächst nur Vorteile davon. Die Veränderungen, die Beeinträchtigungen des Lebens setzten schleichend ein.

Zuerst zeigten sie sich dort, wo der Einfluss der Kaufleute besonders groß war, in den Städten. Dort wurden Uhren eingeführt und gaben einen neuen, künstlichen Takt vor, der immer gleich ist und unerbittlich von den Menschen immer das Gleiche verlangt, ob die Sonne nun früh aufgeht oder spät, ob der Hahn kräht oder schläft.

Mit dem Ticken der Uhren-Rädchen hat eine allgemeine Beschleunigung begonnen. Arbeit, und in ihrem Gefolge alle Tätigkeit des Menschen, vor dem Zeitalter der Uhren wurde sie aufgabenbezogen verstanden und damit mal schnell und mal langsam erledigt, mit Gesprächen dazwischen und freiem Raum. Nun wurde sie zunehmend taktorientiert und der Berechnung ausgesetzt, dem Gewinnstreben, der zunehmenden Beschleunigung – bis hin zur wissenschaftlichen Betriebsführung, zum Taylorismus, der Ende des 19. Jahrhunderts mit Stoppuhr und Arbeitsplatzanalysen jede Körperbewegung ganz auf die erforderliche Arbeit hin einrichtete. Im Jahr 1913 nahm Henry Ford das erste permanente Fließband in Betrieb.

 

„Zeit ist Geld“, heißt es nach Benjamin Franklin. Mit der neuen Auffassung von Zeit als etwas, das es maximal zu nutzen gilt, konnten bei gleichen Kosten mehr Waren produziert und angeboten werden. Der Warenfluss verstärkte sich – zunächst nur für die gehobenen Bevölkerungsschichten, nach langen Arbeitskämpfen auch für die Allgemeinheit. Misst man den Lebensstandard danach, wieviele Produkte jemand kaufen kann, erhöhte er sich deutlich. 

Allerdings ist eine Tendenz unverkennbar, dass mit zunehmender Beschleunigung die Qualität der Waren sinkt. Denn nicht nur der Takt ihrer Herstellung beschleunigt sich, auch die Schnelligkeit, mit der neue Produkte auf den Markt geworfen werden, die aber doch erst entwickelt und getestet werden müssen und dann von den Käufern in ihrer Verwendung verstanden.

Wir sind alle weit weniger kompetent in unserer Welt, als es die Menschen vor tausend Jahren in der ihren waren. Auch etwa die Bauern, die sich heute zusätzlich mit einer Vielzahl von Maschinen und Anbauvorschriften auseinanderzusetzen haben. Das dürfte auch heißen, dass wir unsicherer sind und durch die häufigeren Misserfolgserlebnisse frustrierter. Unsicherheit und Frustration sind neben der Vielzahl von Anforderungen weitere Quellen von Stress.

 

Die Beschleunigung erfasste, von der Arbeit ausgehend, nach und nach alle Bereiche des Lebens. Als naheliegendes Beispiel der Sport, er hat offenkundig mit Bewegung zu tun. Als Beispiel dafür, wie auch ganz andere, scheinbar weit abliegende Bereiche betroffen sind, die Musik. 

Die Olympischen Spiele gehen auf das antike Griechenland zurück. Schaut man genauer hin, hat das damalige Fest aber kaum etwas mit dem unseren zu tun. Schon unsere Raum- und Zeitmaße waren damals unbekannt. Und jedes Verständnis für eine solche Messung der Meter oder Zehntelsekunden hätte gefehlt. Das Denken der Menschen bewegte sich in anderen Bahnen. Olympia war ein Fest zu Ehren der Götter, bei dem allerdings Menschen sich maßen – aber aneinander, nicht an abstrakten Maßen, an der abstrakten Zeit einer Uhr. Der Erste war wichtig, nicht die Zeit, die er für den Lauf benötigte oder die Meter, die er den Diskus warf. 

Unser Sport begann erst im England des 17. und 18. Jahrhunderts – auf der Pferderennbahn. Pferderennen gab es schon früher, in England nun wurden Wetten abgeschlossen. Gewettet wurde nicht nur um den Sieger, sondern auch um die Zeit. Die Wette, das Geld also, stand am Anfang des modernen Sports. Nicht umsonst ist von Wett-Kampf die Rede. Von den Pferderennen zu Wettzwecken in England breitete sich das neue Sportverständnis rasch über andere Sportarten aus und wurde in anderen Ländern schnell übernommen. Im Anschluss an die Industrialisierung, die dort eingeleitet worden war, orientierte die Welt sich an England. Besonders im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich Sportarten rasant, Wettkämpfe wurden eingerichtet und Clubs geründet. 

Eine Beschleunigung scheint sogar im Musizieren zu erfolgen. Nach allem, was wir wissen (es gibt keine Tonaufnahmen) wurde alte Musik zur Zeit ihrer Entstehung wesentlich langsamer als heute gespielt. „Nach 1800 häuften sich die Stimmen, die kritisch anmerkten, die Tempi in der Musik hätten deutlich angezogen.“ (Borscheid 2004). Genauer: „Beethoven präsentierte die „Eroica“ bei der Uraufführung im Jahre 1804 in 60 Minuten, Leonard Bernstein beschleunigte sie in Wien auf 53 Minuten und 20 Sekunden und um nochmals vier Minuten bei einem Konzert im schnelllebigen New York. 1987 dirigierte Michael Gielen das Werk jugendfrisch in nur noch 43 Minuten.“ (Geissler 1999)

 

Die Beschleunigung hat alles erfasst – aber es gibt interessante Unterschiede. Untersuchungen zeigen etwa eine größere Eile der Städter im Vergleich zu Menschen auf dem Land. Umgekehrt: Die Menschen werden langsamer, wenn sie näher der offenen Natur sind. Heißt das dann nicht, dass unser Tempo unnatürlich geworden ist? Die Vielzahl an psychosomatischen Beschwerden, an Auffälligkeiten im Verhalten, an psychischen Problemen selbst schon von Kindern, sie haben auch mit dieser fortwährenden Überforderung zu tun, mit dem andauernden Alarmzustand, in dem wir leben.

Wir orientieren uns nicht an den Werten vergangener Epochen, jede Zeit hat die ihren. Aber wir sollten mehr auf die Signale des Körpers achten, das gehört zu den Werten unserer Tage – und das drängt auf eine Neubesinnung. Denn wie so oft, wenn man sich ganz auf eine Sache eingelassen hat, fallen zunehmend ihre Nachteile auf. Wir bemerken, dass das, was wir aufgaben, doch manche Vorteile hat und dass das Gewonnene nicht ohne Nachteile ist. Eigentlich möchten wir beides – und von beidem nur das Gute: den materiellen Vorteil des Fortschritts zusammen mit der Ruhe und Sicherheit der Naturzeit. 

 

Kinder und Zeit

 

Wenn wir kleine Kinder beobachten, finden wir diese nicht in der Zeit unserer Uhren, sondern in der Naturzeit. Kinder können schnell sein – aber immer ist es bezogen auf eine bestimmte Aufgabe, etwa wer zuerst am Zaun ist. Oder wenn es gilt, sich zu verstecken. Ohne eine konkrete, ihnen einleuchtende Aufgabe, sind sie langsam.

Wir wollen spazieren, Eltern oder Erzieher haben sich einen Rundweg schon ausgedacht, sind ihn abgelaufen, sie wissen um die benötigte Zeit – aber die Kinder werfen alle Pläne über den Haufen: Da ist ein Graben mit Wasser – gibt es Frösche darin? Oder Kaulquappen? Was bewegt sich denn dort?

Die Erwachsenen treiben die Kinder an: „Kommt doch endlich! Wir müssen um 16 Uhr wieder zu Hause sein!“ Sie kennen den zu bewältigenden Weg, sie haben ihre Pläne. Die Kinder lassen sich ganz vom aktuellen Reiz dieses Schneckenhauses beeindrucken und wenden sich ihm uneingeschränkt zu.

Aus Kindern werden Erwachsene. Das ist ein Gewinn – und ein Verlust. Wie schafft man den Spagat zwischen den vernünftigen Plänen mit ihrem Zeitdruck und dem erfüllten Leben im Augenblick?

Manche Erwachsenen behalten etwas vom Kind in sich. Menschen, die verstehen, dass das Verlorene wichtig ist, die etwas davon behalten, bewahren wollen – aber sich dennoch der notwenden Entwicklung nicht verschließen, die in der Zeit der Uhren zu leben gelernt haben, aber etwas von der Naturzeit in sich bewahren.

Was geht denn verloren? Etwa das genaue, unvoreingenommene Wahrnehmen und Urteilen. Die Nähe zu den Dingen. Friedrich Nietzsche schreibt dazu bereits im Jahre 1878: „Bei der ungeheuren Beschleunigung des Lebens wird Geist und Auge an ein halbes oder falsches Sehen und Urteilen gewöhnt, und jedermann gleicht den Reisenden, welche Land und Volk von der Eisenbahn aus kennenlernen.“ (Menschliches, Allzumenschliches I, Stück 282.)

Die Eisenbahn, zur Zeit dieses Satzes noch jung, steht für den Fortschritt. Auch der Philosoph fuhr viel mit ihr. Es handelt sich nicht um eine Ablehnung des einen, sondern um seine Ergänzung durch das andere, das unversehens verlorengegangen ist und von dem uns erst jetzt auffällt, dass es fehlt. Da sind auch Bahnhöfe im Alltag unseres Lebens, wir können dort halten, aussteigen und das Land eine Zeit zu Fuß erkunden.

Denn Stress, und nicht der spannende des Heueinholens vor dem Gewitter, hat schon in die ersten Schuljahre, selbst in den Kindergarten, Einzug gehalten. Mit all seinen Begleitern. Die Fahrigkeit, Hippeligkeit, Unkonzentriertheit vieler Kinder, auch die zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden psychosomatischer Natur kennt jeder, der mit Kindergarten oder Schule zu tun hat. Kassiopeia heißt die Schildkröte in Michael Endes nicht hoch genug einzuschätzendem Buch „Momo“. Vielleicht brauchen wir alle so eine Schildkröte, die uns den Weg zeigt, der heilt.

 

Mit der Beschleunigung im Tagesablauf der Kinder einher geht ein Verlust an Struktur. Wenn immer mehr Dinge immer schneller erledigt werden müssen, verlieren wir leicht die Übersicht. Der Tag von Kindern ist heute einerseits sehr viel verplanter, ja gehetzter, andererseits für sie weit weniger überschaubar. Das entspricht ganz dem, wie sich die Welt der Erwachsenen entwickelt hat. Und Kinder lernen aus ihrer Umgebung. Wenn Strukturierung nicht im wünschenswerten Ausmaß dazugehört, gelingt auch ihnen nicht mehr der Aufbau eigener Strukturen der Selbstorganisation und Selbstkontrolle.

Aber Kinder wollen Struktur. Sie suchen danach. So werden sie leicht abhängig von Fernseher und Computerspielen mit ihrer zweidimensionalen, wenig die Breite und Vernetzung der Sinnesorgane ansprechenden, einerseits stimulierenden, andererseits passiv machenden Unterhaltung. Während die Hand am Feuerknopf allerdings sehr aktiv ist, bleibt der restliche Körper passiv – aber höchst angespannt. Die Abenteuer am Bildschirm sprechen über die Beobachtung den Bewegungsdrang an – man möchte mit den Kindern dort rennen oder in die geheimnisvolle Höhle schleichen – sie halten aber im Sessel. Die Geschwindigkeit der Filme, ihre Bildfolge, ist immer etwas zu schnell. So fesseln sie die Aufmerksamkeit und Konzentration – aber sie haben keine Möglichkeit zu bieten, das, was sie anstoßen, auch wirklich selbst zu machen, sich selbst so zu bewegen, wie die Figuren auf dem Bildschirm. Sie bieten das nur den Fingern auf der Tastatur. Der restliche Körper will aber auch! So machen sie kribbelig. Und nicht nur vor dem Bildschirm. Der sehr ungünstige Einfluss von Computer und vor allem Fernseher auf die gesunde Entwicklung von Kindern ist inzwischen gut belegt (eine Übersicht bietet Spitzer 2005). Die früheren Hoffnungen auf eine Förderung von Kindern durch Fernsehen und Computerspiele haben sich nicht erfüllt, ganz im Gegenteil.

 

Kinder wollen das Neue, noch Unerhörte, Stimulierende, das die Bilder am Schirm versprechen – aber sie schätzen und brauchen auch das Alte, Immerwiederkehrende, Vorhersagbare, damit Beruhigende. Jeder kennt das vom Gutenachtritual.

Rituale strukturieren Abläufe, erlauben Vorhersagen und geben so die Sicherheit, die das Kind eben auch braucht, um sich Neuem neugierig-vertrauensvoll zuzuwenden. Zuwendung zu Neuem geschieht aus der Sicherheit des Gewohnten heraus. Wir sollten dieses Sichere, Gewohnte deshalb herstellen und immer wieder bestätigen, mit bekannten Abläufen, regelmäßigen Folgen, Routinen, kleinen Ritualen.

Fehlt den Kindern eine Struktur, kann Ruhe, kann freie Zeit sie sogar erschrecken, können sie Angst davor bekommen – und sie drängen dann eben in die Ablenkung und leichte Unterhaltung. Denn diese bietet ihnen eine Struktur. Aber deren Charakter ist starr, die Kinder können dieser Struktur nur folgen, sie kann ihnen nicht helfen, eigene Strukturiertheit zu entwickeln. Stimulation von außen wird für die Kinder zur Ersatz-Struktur für ihre eigene Strukturlosigkeit. Fällt diese Stimulation dann eine Zeit weg, wird das Kind noch unruhiger.

Das Gestalten von Zeit wird durch Aktivitäten mit wirklichen Menschen, mit echter Interaktion, am besten geübt. Nur im lebendigen Hin und Her entwickeln sich eigene Strukturen, im Probieren, im Nachmachen, im Verändern, im Brechen, im neu Entwickeln. Wer hier Zeit verschwendet, gewinnt sie – für die eigene Lebendigkeit und Kreativität.

 

„Eile ist gut“, sagte das Chamäleon, „aber Weile auch.“ Das Chamäleon wechselt die Farbe seiner Umgebung entsprechend, es richtet sich nach den Umständen. Langsamkeit ist also auch im Sprichwort nicht einfach nur erstrebenswert, es kommt auf die Umstände an. Zwar wird Langsamkeit meistens mit Sicherheit, Gründlichkeit, Dauerhaftigkeit zusammengestellt, es finden sich aber auch kritische Töne. 

Für ein Gespräch mit den Kindern gibt es also Ansatzpunkte, die weit günstiger sind als bei einer langweiligen „einfachen“ Wahrheit. Unsere Beschäftigung mit Langsamkeit soll eine Auseinandersetzung sein, nur dann macht sie Sinn. 

 

Zielsetzung und Aufbau des Buchs

 

Dieses Buch stellt eine Sammlung von Spielen, Geschichten und Liedern bereit, die sich mit Langsamkeit beschäftigen. Einfach nur langsamer zu werden, ist dabei nicht das Ziel. Denn Schnelligkeit ist gut, Rennen ist gut, Toben ist gut. Aber nicht die ganze Zeit, Kinder müssen auch ruhiger werden können, Schnelligkeit muss aufgabenbezogen sein, also auch wieder langsam werden können und nicht zum Dauerzustand des Hyperaktiven, der damit Aufgaben eben gerade nicht mehr bewältigt.

Viele der Spiele und Lieder greifen deshalb das Schnelle auf – und versuchen, es langsamer zu machen – und wieder schneller. Damit die Kinder ein Bewusstsein dafür entwickeln: Das ist schnell und das ist langsam. Damit sie sich dafür sensibilisieren. Wie fühlt sich das an? Damit die Kinder sich zunehmend bewusst vom einen zum anderen bewegen können, vom Langsamen zum Schnellen, vom Schnellen zum Langsamen.

Gerade solche Veränderungen sind nicht einfach. Erfolge auf Knopfdruck zu erwarten, ist unrealistisch. Wiederholungen gehören dazu, mit ihrer Sicherheit und Voraussehbarkeit, die gerade Kinder so lieben. Die Spiele, Geschichten und Lieder sind der Beitrag zu einem Weg, zur Verbreiterung unseres Weges, der zu eng geworden ist. 

Je mehr es gelingt, einen Raum für etwas Eigenes zu bieten, das im normalen Trubel zu kurz kommt, umso besser. Je mehr es gelingt, das zu einer Sache der Kinder selbst werden zu lassen und nicht bloß zu etwas, das mit ihnen gemacht wird, umso besser.

Die Spiele, Lieder, Geschichten wollen auf das Eigene verweisen, auf einen wichtigen Teil dieses Eigenen, so wichtig wie der Schlaf ist, neben der Wachheit. Sie wollen nicht etwas Fremdes überstülpen oder behaupten, wir müssten nun immer schlafen oder pausenlos wach sein.

 

Die Kapitel des Buchs stehen nebeneinander, sie hängen alle über das Thema Langsamkeit zusammen, können aber durchaus in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden. Auch die einzelnen Beiträge, die Spiele, Geschichten und Lieder, bauen kaum je einmal auf Vorangegangenes auf. Sie können fast beliebig herausgegriffen und mit den Kindern durchgeführt werden, so wie es in die eigene Situation passt. Günstig ist allerdings, die Einführungen zu lesen, sowohl die Gesamteinführung hier am Anfang des Buchs, als auch die Einführungen in die verschiedenen Kapitel. Das kann die Durchführung der Spiele und Übungen erleichtern, die eigenen Erwartungen hinterfragen, die Einbettung des praktischen Teils in den Alltag verbessern.

Ob nun einfach so, wie es passt, ob in Zusammenhang mit Projekten oder Thementagen: Immer wieder einmal durchgeführt, werden die Spiele und Geschichten ihre Wirkung entfalten. Je mehr sie den Weg in den Alltag finden, umso besser.

Das Kapitel „Innehalten“ enthält Beiträge zur Sensibilisierung unserer Wahrnehmung. Konzentration auf die Wahrnehmung verlangsamt. Sie ist deshalb ein guter Einstieg in unser Thema.

Das Kapitel „Schnell und langsam“ enthält zahlreiche Spiele und Geschichten zum Thema Langsamkeit. Auch kurze Lieder und Gesprächsvorschläge sind aufgenommen. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf die Unterscheidung von Schnelligkeit und Langsamkeit, singen mal so schnell wie Spatzen, mal im Schneckentempo oder ruhen uns bei Traumreisen aus. Das ist der Hauptteil unseres Buchs.

Das Kapitel Vielfalt und Tiefe“ beschäftigt sich mit der Vielfalt um uns herum, aus der wir auswählen müssen, um uns auf eines richtig zu konzentrieren. Denn die ansonsten durchaus wünschenswerte Vielfalt führt oft zu Verwirrung und Hektik.

Das Kapitel „Struktur und Alltag“ besteht aus einer Auseinandersetzung damit, wie wir die Strukturen unseres Alltags in Richtung Langsamkeit und Ruhe verändern können. Auch einige Signale und Rituale sind aufgenommen.

 

Wir haben eine Vielzahl von Anregungen und Materialien zur Beschäftigung mit Langsamkeit, Konzentration und Struktur vor uns. Die folgende Geschichte gibt uns noch eine Feder dazu.

 

Die Hacke

 

Die alte Frau und das Kind gehen den Weg durch die Streuobstwiesen. Manchmal springt das Kind voraus, manchmal geht es neben der Frau. In der einen Hand hält es die Hacke der Alten, mit der anderen hat es ihre freie Hand gefasst und erzählt, während die Füße den Weg schon finden.

Der Weg steigt sanft den Hang hinauf und geht hinein in den Wald. Am Waldrand, ein Stück neben dem Weg, hat sich die Frau auf einer Bank niedergelassen. Die Hacke lehnt neben ihr. Ihre Augen sind in der Sonne geschlossen. Das Kind spielt in den Wiesen, bläst auf einem gepflückten Halm, stellt Vögeln nach.

Einmal hat ein Mann die Alte entdeckt und ruft sie an: „Schöner Tag“, ruft er vom Weg herüber. Die Alte richtet sich etwas auf und fasst nach der Hacke. Sie nickt ihm zu, lächelt. Sie plaudern ein wenig.

Als er weitergegangen ist, fragt das herbeigesprungene Kind. „Warum hast du eigentlich immer die Hacke dabei, wenn wir zu unserem Platz gehen, Oma?“

Die Alte streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und antwortet: „Damit die Leute nicht denken, ich ginge müßig.“

„Was ist müßig gehen?“, fragt das Kind.

„Wenn man einfach so in den Wiesen ist, ohne etwas zu tun zu haben“, sagt die Großmutter, „nur weil es schön ist.“

Das Kind nickt. Es hat viel zu tun gehabt in den Wiesen. Und es hat eine Feder gefunden. Schwarz und weiß ist sie, die Feder einer Elster. Die zeigt es der Großmutter.

Die Feder ist schön.

 

Innehalten

 

Natur beruhigt und verlangsamt. Unsere Rhythmen, unser Zeitempfinden ist aber von der Beschleunigung der menschlichen Gesellschaft geprägt, auch schon bei Kindern. Kontakt mit der offenen Natur, mit Baum, mit Wiese und Feld, kann dieses veränderte Empfinden etwas korrigieren, kann es langsamer, ruhiger werden lassen.

Der Aufenthalt in der Natur, mit offenen Ohren und Augen für sie, ist dafür am wichtigsten. Aber auch im Haus können wir uns in diese Richtung bewegen, mit Stillemomenten, kleinen Spielen zum bewussten Erleben von Sinneswahrnehmungen.

Wichtig ist der häufige Einsatz. Die vielen kleinen Momente verändern unser Empfinden, nicht so sehr der eine große. Stillemomente können deshalb fast immer und überall einfach so in den Alltag eingeflochten werden, als ein Innehalten und Achten auf die Stimme der Natur und der Langsamkeit. Und als ein Entdecken, dass diese Stimme auch in uns ist.

Stillemomente können auch zum bewussten Erleben beitragen. Wir können dazu einfach mal innehalten, bei dem, was wir gerade tun. Etwa draußen, beim Spazieren, einfach mal stillstehen und lauschen. Oder während einem Spiel. Oder während einer Arbeit. Wir machen den Alltag zu etwas Besonderem. Während die Suppe kocht und jemand weiterhin aufpasst und umrührt, haben wir anderen die Augen geschlossen und lauschen, wie sich der Herd (und der Koch) denn anhören, was sonst noch alles zu hören – und zu riechen – ist.

 

Konzentration auf die Sinne erweitert die Welt, macht sie bunter, wir nehmen vielfältiger wahr. Fast immer führt das zu einer Beruhigung, Verlangsamung. Selbst wenn die Situation sonst eher laut und schnell ist.

Ruhiger, langsamer, klarer, das sind Richtungen, in die eine Konzentration uns führt, auch schon ein einfaches Innehalten, ein Lauschen und Merken.

Aber viele Kinder klagen (oder eigentlich Erwachsene über die Kinder), sie könnten sich nicht konzentrieren.

Jeder kann lauschen. Manche weniger lang als andere. Aber grundsätzlich ist Lauschen etwas, das allen Kindern möglich ist. Beim Lösen einer Rechenaufgabe ist zwar auch Konzentration gefragt – hier aber kann sich der Blutdruck erhöhen, Unruhe kann einsetzen, Aufgeregtheit. Warum, wenn Konzentration doch eher ins Ruhige und Langsame führt?

Weil wir beim Lösen einer Aufgabe versagen können. Hier mischen sich Ängste ein, Stress entsteht. Und das treibt genau in die andere Richtung, ins Schnelle, Aufgeregte. Das machen die Gedanken der Menschen. Würden wir etwa Noten beim Innehalten verteilen: Wer kann es am besten? Wer nennt die meisten Dinge?, dann brächte auch Innehalten Stress und Ängste mit sich und der Blutdruck würde steigen.

Die Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe zu richten, kann also beruhigen und den Geist klären. Kommen aber Stress oder Ängste ins Spiel, etwa wenn das Kind erwartet, geprüft zu werden, kann genau das Gegenteil eintreten. Wenn manche Kinder Probleme mit solchem Innehalten haben, ist durchaus danach zu fragen, ob hier nicht solche Ängste eine Rolle spielen und wie wir sie ihnen nehmen können.

 

Im Folgenden eine Anzahl von Stillemomenten zur Förderung von Konzentration und Achtsamkeit. Beginn und Ende können mit einer Triangel verdeutlicht werden. Fast immer ist es gut, wenn die Augen geschlossen sind. Wir sagen das vorher:

„Am besten, ihr schließt die Augen, dann könnt ihr besser lauschen. Wer die Augen nicht schließen will, lässt sie offen und lauscht dann aber besonders gut.“ 

 

Geräusche hören

 

Material: Gong oder Triangel. 

 

Wir öffnen das Fenster und schließen die Augen. Nach einem Signal (etwa einem Gong oder einer Triangel) lauschen wir ein oder zwei Minuten lang gemeinsam, was alles zu hören ist, drinnen und draußen, noch ohne zu verraten, was wir wahrnehmen. Wir merken es uns aber gut. Anschließend, nach einem zweiten Signal, sammeln wir, was zu hören war. – Und wundern uns wahrscheinlich, wie viel es ist.

 

Variation: Wir lauschen nur auf bestimmte Geräusche. Vorgegeben kann etwa sein: Wir lauschen auf alle Geräusche von Motoren. Oder: Auf alle Naturgeräusche. Oder (bei Regen): Wir lauschen eine Weile dem Regen, auf seine Veränderung. 

Anschließend reden wir darüber, was gehört und wie das empfunden wurde. Auch beim Landregen gibt es durchaus einiges zu erzählen! Genau um solche Sensibilisierungen geht es.

 

Weitere Variation: Wir merken uns nur das Lauteste, was zu hören war, und das Leiseste. Im Gespräch geht es dann auch um die Frage, wie laut die Dinge für sich genommen waren: Das ferne Flugzeug wurde vielleicht als Leisestes genannt und der Vogel direkt vor dem Fenster als Lautestes – aber aus gleicher Entfernung wäre das Flugzeug natürlich sehr viel lauter gewesen als der Vogel.

 

Der Erde lauschen

 

Im Garten legen wir uns ins Gras, mit einem Ohr an der Erde, und lauschen. Vielleicht hören wir Geräusche in der Erde. Wo kommen sie genau her? Was für Geräusche sind es?

Jemand aus der Gruppe geht vorbei, hüpft, stampft auf. Je nach Bodenbeschaffenheit kann das sehr unterschiedlich wirken.

 

Eine Minute schätzen

 

Material: Triangel, Uhr.

 

Wir schätzen, wie lang eine Minute ist. Alle schließen die Augen. Außer dem Spielleiter. Der schaut auf die Uhr und schlägt eine Triangel an: Ab jetzt läuft die Zeit. Wer glaubt, die Minute sei vorbei, öffnet die Augen, verhält sich aber ganz ruhig, bis alle die Augen geöffnet haben. Erst dann klingt die Triangel von Neuem und beendet den stillen Teil.

Der Spielleiter kann dann angeben, nach wievielen Sekunden das erste Kind die Augen geöffnet hat und nach wievielen das letzte. Dabei sollte die Betonung aber darauf liegen, wie unterschiedlich lang wir eine Minute erleben, nicht dass der Eindruck entsteht, die beiden hätten etwas falsch gemacht.

Wir können uns auch darüber unterhalten, dass die Zeit mal ganz schnell und mal ganz langsam zu vergehen scheint. Wer findet Beispiele dazu?

Steine tasten

 

Material: Steine, Triangel.

 

Wir haben Steine mitgebracht, vielleicht von einem Spaziergang, Kiesel etwa sollen es sein, die bequem in die Hand passen, aber nicht zu klein sind. Jeder im Kreis hat einen Stein.

Auf ein Signal, die Triangel, schließen wir die Augen und ertasten unseren Stein ganz genau. Wie fühlt er sich an? Vielleicht haben wir eine besondere Aufgabe: Können wir die Stille oder die Kraft im Stein spüren? Nach einiger Zeit kommt wieder das Signal: Wir öffnen die Augen, geben den Stein nach rechts weiter, empfangen von links einen anderen. Wieder das Signal: Wir ertasten den neuen Stein.

So geht es einige Steine durch. Dann legt jedes Kind seinen Stein vor sich in die Mitte und wir unterhalten uns über die Eigenarten der Steine. Wie haben wir sie empfunden? Konnten wir die Stille oder die Kraft in den Steinen wahrnehmen?

 

Variante: Anschließend an das Gespräch können wir noch einen zweiten Durchgang mit anderer Instruktion versuchen: Wieder sollen die Steine herumgegeben werden, am besten mit geschlossenen Augen, diesmal aber deutlich schneller. Wir spüren nicht in den Stein hinein, sondern ertasten ihn nur. Wer glaubt, seinen Ausgangsstein wiederzuerkennen, also meint, dass eine Runde durch ist, sagt dies. Der Spielleiter bestätigt oder sagt: „Noch nicht.“ 

 

Verklingender Ton

 

Material: Klangschale oder ähnliches. 

 

Wir schließen die Augen. Der Leiter schlägt einen lang klingenden Gegenstand an, am besten eine Klangschale. Wir lauschen auf den Ton und darauf, wie er verklingt, wie lange er klingt. Wer nichts mehr hört, öffnet die Augen. Wenn alle Augen geöffnet sind, reden wir über den Ton. Natürlich, er war erst laut und wurde dann immer leiser. Aber hat er sich auch sonst noch verändert? Wie hat das auf uns gewirkt?

 

Auf dem Seil

 

Material: Ein langes Seil. 

 

Wir legen ein langes Seil gerade auf den Boden. Ein Kind bekommt die Aufgabe des Seiltänzers, es soll vom einen Ende bis zum anderen ganz auf dem Seil gehen, nicht daneben treten. Und zwar in Strümpfen oder barfuß, um an den Fußsohlen besser das Seil empfinden zu können. Die Zeit spielt keine Rolle, es soll im Gegenteil eher langsam sein, um Zeit für das Spüren des Seils zu haben.

Ein anderes Kind (oder mehrere Kinder, wenn es nicht zu unübersichtlich wird) läuft neben dem Seiltänzer auf dem Boden – aber genauso langsam und vorsichtig wie der Seiltänzer. Anschließend tauschen die Kinder die Rollen.

Wenn jeder einmal auf dem Seil und einmal nebenher gelaufen ist, reden wir darüber, die Kinder berichten ihre Erfahrungen, wie es sich angefühlt hat, ob das Gehen mit oder ohne Seil leichter war.

 

Wer hat das Glöckchen?

 

Material: Glöckchen. 

 

Ein Kind wird aus dem Raum geschickt. Wir anderen stellen uns mit einigem Abstand und Blick zur Türe auf und verstecken die Hände hinter dem Rücken. Jemand von uns bekommt ein Glöckchen, behält es aber hinter dem Rücken.

Das Kind draußen wird nun hereingerufen. In der Tür soll es stehenbleiben.

Ab und zu bimmelt das Glockenkind nun, aber nur ganz kurz. Das Kind in der Tür soll raten, wer die Glocke hat.

 

Variante: Die Kinder stehen dicht beieinander, nach jedem Klingeln, das nicht erraten wurde, geben sie hinter dem Rücken das Glöckchen weiter. Aber Vorsicht, dass die Bewegungen beim Weitergeben das Glöckchen nicht verraten! 

 

Stecknadel hören

 

Material: Stecknadel, Triangel. 

 

Der Spielleiter fragt, wer die Redewendung kennt: „Es ist so still, dass man eine Stecknadel fallen hören kann“? Dann zeigt er eine Stecknadel vor und fragt, ob die wohl wirklich zu kören ist, wenn sie zu Boden fällt. Dann kommt der Test. Die Kinder schließen die Augen. Erst erklingt eine Triangel, zum Zeichen, dass nun irgendwann die Stecknadel fällt. Dann lässt der Spielleiter sie fallen. Dann klingt nochmal die Triangel und alle öffnen die Augen. Es folgt ein Gespräch darüber, wer die Stecknadel fallen gehört hat.

Normalerweise werden die Kinder recht ruhig und die Stecknadel ist gut zu hören. Es kommt auch auf den Untergrund an. Meist muss der sehr weich sein, etwa durch Legen eines Pullovers, bis die Stecknadel nicht mehr zu hören ist. Wir können das ausprobieren, mit Schals und Pullis, auf Parkett, auf Teppich, auf Stein, auf Kunststoff – was wir eben haben und wo wir hinkommen.

 

Papiergespräch

 

Material: Blatt Papier. 

 

Zwei Kinder nehmen je ein Blatt Papier in die Hände. Sie knüllen das Papier so, dass es Geräusche gibt: Das ist das Papiergespräch.

Bei einem Gespräch ist aber etwas zu beachten: Es sollte immer nur einer reden, sonst gibt es ein Durcheinander. Und ein Gespräch kann freundlich sein, langweilig, wütend, witzig, langatmig, abgehackt – oder zwischen allem wechseln.

Wir stellen den beiden Kindern drei Alternativen für ein Gespräch vor, das sie mit dem Papier nachmachen sollen, etwa:

Ein Streit um Spielsachen, ein Liebesgespräch im Film, ein gelangweiltes Gespräch im Bus. Die beiden Kinder flüstern kurz miteinander und verabreden, was davon sie vormachen – und das tun sie anschließend zwei oder drei Minuten lang. Zum Abschluss verbeugen sie sich voreinander, und wir anderen raten, was für eine Szene es war.

 

Reise durch den Körper

 

Eine Übung zur Sensibilisierung für den eigenen Körper.

 

Wir legen uns hin, auf den Rücken. Die Arme liegen neben dem Körper, die Beine sind nicht überkreuzt (so haben wir das beste Körpergefühl). Wir schließen die Augen (das verbessert Vorstellungskraft und Konzentration).

Dann stellen wir uns eine Reise durch den Körper vor, orientiert an der folgenden Anleitung.

Der Leiter trägt den Text nicht so schnell wie eine Geschichte vor, sondern lässt viel Platz für die Vorstellung.

 

„Stell dir einen Zaubervogel vor, der durch deinen Körper fliegt. Er beginnt seinen Flug in deiner Hand. Stell dir vor, wie er seine weiten Schwingen ausbreitet und durch deine Hand zu fliegen beginnt, den Arm hoch. Überall, wo er durchkommt, wird alles ruhig und gut.

Der Vogel fliegt durch deinen Arm und verbreitet mit jedem Flügelschlag Ruhe.

Der Vogel fliegt durch deine Schulter und macht mit jedem Flügelschlag alles ruhig.

Und weiter fliegt der Vogel, deinen Leib hinunter, durch deinen Bauch. Und überall verbreitet er Ruhe um sich.

Der Vogel fliegt dein Bein hinunter, immerzu Ruhe um sich verbreitend, bis in den Fuß hinein. Die Ruhe wirbelt bis in deine Zehen.

Der Vogel fliegt das andere Bein hoch. Überall wo er mit seinen langsamen Flügelschlägen durchkommt, vergrößert er die Ruhe noch weiter.

Der Vogel fliegt durch deinen Leib den Rücken hinauf. Überall vergrößert er die Ruhe noch mehr. Achte auf seine langsamen Flügelschläge, und achte darauf, wie die Ruhe immer noch zunimmt.

Der Vogel fliegt durch deine andere Schulter und macht mit jedem Flügelschlag alles ganz ruhig.

Der Vogel fliegt deinen anderen Arm hinab und vertieft mit jedem Flügelschlag die Ruhe noch mehr.

Der Vogel fliegt durch deine Hand und vertieft dort die Ruhe noch mehr. Er verlässt deine Hand und verschwindet langsam, mit ruhigen Flügelschlägen in der Ferne. Die Ruhe aber bleibt in dir zurück.

Achte auf die Ruhe überall in dir. Achte darauf, wie sie immer noch tiefer wird.

(Etwas Zeit lassen.)

 

Und dann öffne wieder die Augen. Öffne die Augen und reck und streck dich ein bisschen. Und dann setzen wir uns auf und erzählen über den Flug des Vogels.“

 

Varianten: Je nach den Vorlieben des Kindes oder der Kinder kann die Reise auch von einem U-Boot (in den Blutadern), einem Flugzeug oder einem Blutkörperchen begangen werden.

 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739373676
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
Genauigkeit Ruhe Kinder Langsamkeit Konzentration Entspannung Kreativität

Autor

  • Volker Friebel (Autor:in)

Dr. Volker Friebel (* 1956) ist Psychologe und Musiker und lebt in Tübingen. Er ist in der pädagogischen Fortbildung als Referent tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Pädagogik mit den Spezialgebieten Entspannung, Psychosomatik, Sprache, Musik haben eine weite Verbreitung und Anerkennung gefunden.
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Titel: Kinder entdecken Ruhe und Langsamkeit