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Forever young

Das fehlgeschlagene Genexperiment

von Julian Bates (Autor:in)
291 Seiten

Zusammenfassung

Selen und Nadia sind seit vielen Jahren Insassen in einer Anstalt, als Selen sich endlich gegen ihren Peiniger wehrt und die beiden fliehen. Eine lange und gefährliche Reise steht ihnen bevor, wobei sie feststellen müssen, dass sie viel weniger menschlich sind, als sie dachten, aber dafür auch jede Menge heiße Erotik und gefährliche Abenteuer überstehen müssen. Sie beginnen ihre Abenteuer damit, ein für sie fremdes Deutschland zu durchqueren, in dem sie sich kaum noch auskennen, so sehr haben sich die Zeiten verändert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

 

Forever Young - Ein fehlgeschlagenes Genexperiment

 

Ein Roman von Julian Bates

 

Impressum

Autor: Julian Bates

AutorEmail: julianbates@t-online.de

Herausgeber:

Dirk Jost

Am Mühlbach 5

64853 Otzberg

Deutschland/Germany

 

 

julianbates@t-online.de

 

82 Seite(n)

84911 Wörter

441783 Zeichen

Widmung

Dieses Buch widme ich allen meinen Lesern. Vier Jahre als Indie Autor, und es macht nach wie vor sehr viel Spaß zu schreiben, ich hätte niemals gedacht, dass es einmal ein so zeitintensives Hobby von mir werden würde. Fünf Bücher, die an Länge und Inhalt alles in den Schatten stellen, was die Erotiksparte von Ebooks so zu bieten hat. Ich habe jedenfalls nichts Vergleichbares gefunden, und auf Deutsch schon gar nicht. Und das alles nur wegen euch, weil ihr mir die Stange haltet.

Die besten und tollsten Leser der Welt.

 

 

Buchbeschreibung

 

Selen und Nadia sind seit vielen Jahren Insassen in einer Anstalt, als Selen sich endlich gegen ihren Peiniger wehrt und die beiden fliehen. Eine lange und gefährliche Reise steht ihnen bevor, wobei sie feststellen müssen, dass sie viel weniger menschlich sind, als sie dachten, aber dafür auch jede Menge heiße Erotik und gefährliche Abenteuer überstehen müssen.

Sie beginnen ihre Abenteuer damit, ein für sie fremdes Deutschland zu durchqueren, in dem sie sich kaum noch auskennen, so sehr haben sich die Zeiten verändert.

 

 

1 Hinter Gittern

Mein Name ist Selen Müller, und ich war Insassin in einer Nervenheilanstalt. Meine Diagnose war ... ach nein, ich glaube, dazu komme ich später noch einmal, das ist nicht unbedingt mein Lieblingsthema. Und diese Geschichte soll ja positiv anfangen, soweit das jedenfalls überhaupt machbar ist. Was kann ich sonst noch Schönes berichten? Ach ja, der Sport. In Anstalten hat man zwar wirklich wenige Möglichkeiten zu trainieren, Jogging ist bei der Geschlossenen ja leider ein Tabuthema, aber es gibt ja auch noch sehr viele Übungen mit Eigengewicht, die sind zwar nicht ganz so effektiv wie Hanteln, waren aber dafür wenigstens fast überall erlaubt und immer mit ein klein wenig Platz und noch idealerweise einer Matte jederzeit machbar.

Das Essen war auch nicht wirklich toll, weshalb meine Figur relativ gut war, sehr schlank und ziemlich muskulös, für eine Frau jedenfalls, aber auch nicht übertrieben. Mein Busen war trotzdem recht groß, was ich durch weniger Sport oder mehr Essen natürlich hätte auch noch, zumindest ein bisschen, ändern können, aber nicht wirklich mochte, eine Brust sollte zwar nicht im Weg sein, vor allem beim Sport oder beim Laufen, zu klein wollte ich sie aber auch nicht haben.

Meine körperliche Fitness war zugegebenermaßen nach jahrelangem Training, ohne auch nur einigermaßen spannende Alternativbeschäftigungen, auch nicht wirklich eine tolle Leistung, denn ohne leibliche Betätigungen wäre ich ziemlich schnell dem Wahnsinn verfallen, und zwar einem echten, allerdings gab es auch viele Mitinsassen, die sich völlig hängen ließen.

Ich hatte lange, fast weißblonde Haare, die bis weit über die Schultern reichten, und trug daher gerne einen Pferdeschwanz oder ließ mir von Nadia einen Zopf flechten. Die anderen waren zwar stets neidisch auf unsere Figur, taten selbst aber trotzdem nichts für ihre eigene. Ich war auch immer sehr stolz darauf gewesen, jedenfalls bis auf das letzte Jahr, und zwar sowohl auf meinen Körper als auch die schönen Haare. Es gab in diesem Umfeld wenig genug, auf dass man stolz sein konnte.

Vor etwa einem Jahr traf ich dann auf Rüdiger, der mir zeigte, dass man durchaus andere Menschen dermaßen hassen kann, dass man ihnen nur noch die Pest an den Hals wünscht. Er wusste ganz genau, was er tat, ich war mit Sicherheit nicht die erste Patientin, der er seine Sonderbehandlung unterzog, dafür hatte er einfach viel zu viel Routine, und zwar mit allem, was er tat.

Er wusste genau, welche Schläge ohne deutlich sichtbare Blessuren, möglichst große Schmerzen hervorriefen, wie man eine Jungfrau exakt so vergewaltigt, dass es ohne relativ aufwändige, und vor allem teure medizinische Untersuchung, die offensichtlich niemand nur auf das Wort einer Anstaltsinsassin bezahlt, nicht nachweisbar war. Wenn ich genügend Medikamente intus und Schläge hinter mir hatte, dann konnte er sich sogar oral an mir vergehen, dann war ich in einem Zustand, dass ich nicht mal im Traum noch den Willen gehabt hätte, mich zu wehren oder gar ihn zu beißen.

Noch viel schlimmer war, er setzte seine wirklich üblen sexuellen Phantasien, die größtenteils Gewalt und Erniedrigung enthielten, in die Tat um, und zwar bei mir. Niemand schöpfte Verdacht, kein Arzt oder sonst jemand, der etwas zu melden hatte. Meine Jungfräulichkeit war für mich ein winziges Trostpflaster, der Gedanke von ihm ein Kind auszutragen war ein absoluter Albtraum für mich, dabei war ich mir noch nicht einmal sicher, ob ich eigentlich empfängnisbereit war oder nicht, aber ich musste ihn wenigstens nicht auch noch in meiner Vagina ertragen, da ein plötzlich gerissenes Jungfernhäutchen dann doch recht einfach nachzuweisen war.

Die meisten Frauen in der Anstalt erzählten in ihren Therapiestunden noch dazu die ganze Zeit über, dass sie ständig vergewaltigt wurden, vielleicht weil sie sich mehr Aufmerksamkeit erhofften, ich kann es also niemandem verübeln, wenn man als Pfleger oder Arzt mit der Zeit ein wenig resistenter wird, und nur noch bei eindeutigen Hinweisen aktiv wird. Also ignorierten sie es meistens einfach, wenn das wieder einmal eine behauptete, jedenfalls solange es keine deutlich sichtbaren Spuren gab.

Wirklich erwischte es dann aber am Ende natürlich nur die gut gebauten mit einem einigermaßen hübschen Gesicht, und zu denen musste ich mich zu meinem Leidwesen ja ebenfalls zählen. Also kam Rüdiger mit allem durch, was er mir antat, er war klüger als die Kollegen vor ihm, die es den Job gekostet hatte, weil sie bei den Patienten Spuren wie blaue Augen, Hämatome oder sichtbare Wunden hinterlassen hatten.

Ich hatte keine andere Wahl, als abzuwarten und auf den richtigen Moment zu hoffen. Nach ein paar Monaten seiner liebevollen Behandlung fing ich jede Nacht, in der er Dienst hatte, meistens schon beim Abendessen an vor Angst unkontrolliert zu zittern, manchmal wurde es auch zur Abwechslung mal eine ruhige Nacht, viel zu oft aber eben nicht.

Ich fühlte mich wegen dieser ganzen Sache nach einer Weile alt, so richtig alt, vielleicht sogar so alt, wie ich wirklich war, obwohl mein Körper eher der einer Zwanzigjährigen war. Das Gefühl wurde durch die unglaublich starken Medikamente und die schlaflosen Nächte verursacht, und vor allem durch Rüdiger natürlich. Die Pillen verabreichten sie mir aus dem gleichen Grund, aus dem ich auch hier war, jedenfalls vermutete ich das, denn sehr viele Informationen bekam man als Patient in solchen Anstalten nicht. Sie dienten hauptsächlich zur Unterdrückung meiner paranoiden Wahnvorstellungen.

Vielleicht war ich damals ja einfach ein wenig zu vertrauensselig mit dem gewesen, was ich den Ärzten erzählt hatte. Was auch immer der Grund dafür war, jedenfalls hielt es mich nach wie vor in der gastlichen Einrichtung fest, in der ich, oder zumindest in Institutionen dieser Art, nach einer Weile sind sie nämlich alle gleich, mittlerweile schon länger verweilte, als meine Erinnerungen zurückreichten. Wieso ich irgendwann einmal in die allererste Anstalt eingewiesen worden war, daran erinnerte ich mich schon lange nicht mehr, ich war durch die verschiedenen Institutionen, die ich größtenteils auch wieder vergessen hatte, immer weitergereicht worden, bis ich dann irgendwann in der mit Rüdiger gelandet war.

Kurz nach meiner Einweisung war er ja sogar richtig nett, er besorgte mir neue, sehr hübsche Klamotten und alles Mögliche an Badezimmerartikeln und Schminke, aber das stellte sich schließlich als reine Vorbereitung heraus, er wollte das Objekt seiner Begierde einfach nur ansehnlicher machen. Ich fiel anfangs darauf herein, wie viele andere in der Anstalt, die mich wegen der Sonderbehandlung seinerseits auch noch beneideten. Auch wenn man nicht vergewaltigt wird, ist der Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt kein Zuckerschlecken.

Die total Beschränkten, die wirklich nichts mehr mitbekamen, beneideten mich auch danach noch weiter, nachdem er mit den Vergewaltigungen angefangen hatte. Die Schläge wurden deutlich schmerzhafter, wenn ich mich nicht herrichtete. Das fand ich heraus, als ich es eine Weile aus Protest einstellte und mein äußeres Aussehen meinem Inneren anpasste, was ihm nicht zu gefallen schien.

Warum mir von den Medizinern immer wieder paranoide Wahnvorstellungen unterstellt wurden, war mir selber durchaus nicht ganz unverständlich, ich hätte es an der Stelle meiner Ärzte vermutlich auch nicht anders gemacht, denn ich sah zwar aus wie Anfang zwanzig, hatte aber sehr alte Erinnerungen an die Welt da draußen. Ich konnte mich an die sechziger, siebziger und achtziger Jahre erinnern, und zwar aus dem letzten Jahrtausend. Danach allerdings an nichts mehr.

Nun ja, fast nichts. Ich erinnerte mich sehr wohl an sehr viele weiße Wände, immer wieder von einer Anstalt in die nächste geschoben zu werden, wobei mir die Letzte dann meinen unerträglichen Peiniger beschert hatte, und seitdem war das Leben für mich endgültig lebensunwert geworden. Über Selbstmord dachte ich natürlich ebenfalls immer wieder nach, aber es wird den Insassen in der Geschlossenen nicht wirklich einfach gemacht, auch dieser Fluchtweg war sorgfältig verschlossen, genau wie alle anderen.

Vor der Zeit mit Rüdiger war ich trotz meines Aussehens vor sexuellen Belästigungen verschont geblieben, was natürlich mit meinem Penis zusammenhing, welcher bei den allermeisten Männern homophobe Reaktionen hervorrief. Ich hatte nämlich zusätzlich zu den weiblichen Genitalien auch noch das eine eben eindeutig männliche, was auch die vielen Aggressionen erklärte, die ich in anderen Anstalten erleben durfte, aber leider nicht den ziemlich widersprüchlichen Mix aus Gefühlen, den ich anscheinend bei Rüdiger ausgelöst hatte.

Er fühlte sich sogar irgendwie trotz allem von mir angezogen, hasste aber sowohl sich selbst als auch mich dafür abgrundtief. Sein Hass entlud sich immer wieder in Gewaltorgien, wobei er sich so weit im Griff hatte, dass er, wie schon erwähnt, nie deutlich sichtbaren Wunden an meinem Körper hinterließ, was mir etwas in die Hand gegeben hätte und ihn dann doch irgendwann Fragen von den behandelnden Ärzten ausgeliefert hätte, denen er verständlicherweise aus dem Weg gehen wollte.

Ich war also in meiner ganz persönlichen Hölle gefangen, einem Albtraum, der einfach nicht enden wollte, in dem selbst der Freitod keine Lösung und auch keine Hilfe in Sicht war.

 

2 Nadia

Der einzig verbliebene Halt in meinem Leben war meine Zwillingsschwester. Nadia war nicht wirklich eine Schwester, jedenfalls konnte ich mich nicht an Geschwister erinnern, aber sie sah mir so ähnlich, dass wir uns selber oft als Zwillingsschwestern bezeichneten, und auch von den anderen meistens nur die Zwillinge genannt wurden.

Nadias Schicksal war genau das Gleiche wie meines, bis auf die Sache mit Rüdiger, denn merkwürdigerweise ließ er sie links liegen und beachtete sie nicht, obwohl ich mir nicht einmal sicher war, dass er uns optisch auseinanderhalten konnte, allerdings kam er immer nur in die Zelle, die ich behauste.

Nadia liebte mich genauso abgöttisch, wie ich meine Nadia liebte. Sie hatte mir sogar angeboten, und zwar mehr als nur einmal, den Platz in der Zelle für mich einzunehmen, damit ich wenigstens ein einziges Mal eine Nacht ohne Angst durchschlafen konnte, ich hätte das aber niemals zugelassen. Ich war so dankbar dafür, dass ich in meinem Leben noch jemanden hatte, der mit mir den Pfad gemeinsam ging, auch wenn ich das niemandem wünschte, so ein Dasein wie das meine. Außer Rüdiger natürlich.

Nadia war mir durch sämtliche Anstalten gefolgt, sie war offenbar aus den gleichen Gründen wie ich eingesperrt und wurde dermaßen zuverlässig in dieselben Einrichtungen verlegt, dass es uns beiden völlig klar war, dass das kein Zufall sein konnte.

Wir erzählten uns alles, wenn wir alleine waren, und wussten daher, dass nicht nur unsere Vergangenheit umfassend identisch war, jedenfalls der Teil, an den wir uns erinnern konnten, wir hatten auch noch beinahe den gleichen Körper, auch unbekleidet sahen wir nämlich doch sehr ähnlich aus. Was wir einmal in einem intimen Moment herausfanden, als wir uns völlig unbeobachtet geglaubt hatten. Einer der Wärter belehrte mich jedoch schon bald darauf eines Besseren, in einer geschlossenen Anstalt der Art, in die wir versetzt wurden, ist man nie unbeobachtet, es gibt sogar auf den Toiletten winzige Kameras. Das erlebten wir lange vor Rüdiger, und die Konsequenzen waren damals zum Glück nur halb so wild gewesen. Vergleichsweise jedenfalls.

Die schlimmste Nacht von allen fing eigentlich erst einmal genau wie so viele andere davor an. An dem Abend stank sein Atem ziemlich intensiv nach Wodka, ein Geruch, den ich seitdem echt nicht mehr riechen kann, allein schon dieser Geruch bringt mich spätestens seit jenem Abend dazu, mich hemmungslos zu übergeben. Sein Gesicht war hochrot und er schwitzte stark, und wenn ich ihn nicht so abgrundtief gehasst hätte, dann hätte ich mir in dem Moment echt Sorgen darum gemacht, ob er wohl in Gefahr lief, einen Herzinfarkt zu erleiden.

Er fing die zurückfedernde Tür geschickt auf, die er vorher krachend aufgestoßen hatte, und schloss sie dann trotzdem mit einem genauso lauten Krachen. Ein eiskalter Schauer lief über meinen Körper, als das elektronische Türschloss die Tür gewissenhaft und zuverlässig wie immer verriegelte. Das abschießende Klacken klang für mich wie der Hammer eines Richters und brachte mich, wie schon so oft davor, wieder einmal dazu, dass ich anfing, unkontrolliert zu zittern, mich strampelnd nach hinten auf dem Bett in Richtung Wand zurückzuziehen und die Bettdecke schützend vor mich zu halten, was natürlich alles völlig sinnfrei war. Ich war jedoch nicht einmal annähernd so gelassen, wie ich es Nadia immer verkaufte.

Geräusche wie diese sorgten dafür, dass sich die anderen Pfleger und Patienten in ihre Löcher zurückzogen, bis auf Nadia vielleicht. Aber auch sie ließ sich normalerweise nicht mehr blicken, nachdem sie einmal von ihm erwischt und danach sehr lange in Einzelhaft, Entschuldigung, ich meine natürlich Einzeltherapie, eingesperrt worden war. Sie wäre mit Sicherheit auch nach dieser Aktion trotzdem noch gekommen, allerdings hatte ich es ihr verboten. Ich wies sie sehr bestimmt an, dass sie sich von uns fernzuhalten hätte, wenn er da war.

Um so eine Regel mit ihr irgendwie hinzubekommen, es gab damals einen äußerst heftigen Streit zwischen uns, spielte ich Nadia das gleiche Theater wie den anderen vor und versuchte, sie damit zu beruhigen, dass es ja gar nicht so schlimm sei. Natürlich fühlte ich mich ziemlich schlecht dabei, da wir ansonsten alles offen und ehrlich miteinander teilten und uns nie anlogen.

Aber was brachte es schon, sie mit den tatsächlichen Ausmaßen seiner Erniedrigungen zu belasten, wenn es ihr nur Nach- und mir keine Vorteile einbrachte. Wobei sie natürlich nach wie vor wusste, oder zumindest ahnte, was zwischen mir und dem Pfleger vorging.

Diesmal vergaß Rüdiger jede Vorsicht, bereits sein erster Schlag ließ meine Lippe aufplatzen und knallte meinen Hinterkopf heftig gegen die Wand hinter mir, ich sah auf einmal nur noch Sterne. Trotz des durch Tränenschleier stark verschwommenen und eingeschränkten Sichtfelds konnte ich die dunkelroten Blutspritzer deutlich auf dem Bett sehen und dachte kurioserweise in diesem Moment noch, entweder bringt er mich jetzt um oder er muss heute noch die Bettwäsche waschen.

Dann riss er mich an den Haaren wieder hoch und zischte mich an:

„Was hast du mit mir gemacht, du Hexe, warum komme ich einfach nicht von dir los? Heute Nacht werde ich mich endgültig von dir und deiner Hexerei befreien, das schwöre ich dir. Wir werden schon sehen, wie es dir ohne mich ergehen wird, ich …“

Immer wenn dieser Mann dachte, konnte man, wenn man ganz genau hin hörte, die Zahnräder seines mechanischen Gehirns rattern hören. Irgendwann klickten die Zahnräder in die richtige Position, eine Zeit, die ich durchaus nutzen konnte, wie zum Beispiel dafür, wieder einigermaßen klar sehen zu können, und er kam zu einem Schluss. Der gefiel ihm jedoch nicht besonders, daher verzog sich sein Gesicht vor Wut, vermutlich als ihm klar wurde, dass ich mich dann vielleicht einfach jemand anderem zuwenden würde, also prügelte er weiter hemmungslos auf mich ein. Er ließ seiner Wut endlich freien Lauf, der Wut und den Hass auf mich und sich selbst, die er in all der Zeit mit mir immer sorgsam gezügelt und kanalisiert hatte.

Ich erkannte, wie es um ihn stand, und fing an mich zu wehren, allerdings hatte ich keine Chance gegen den viel zu starken Mann, der sehr übergewichtig war und regelmäßig Gewichte stemmte. Ich versuchte, verzweifelt vom Bett wegzukommen, als er meinen Kopf immer wieder gegen die Wand hämmerte, und schlug ihm dabei die viel zu kleinen Fäuste wirkungslos ins Gesicht, was er aber problemlos abwehrte oder schlicht ignorierte.

Trotzdem konnte ich irgendwie an seinen Dreschflegeln von Armen vorbeischlüpfen und zum Schrank an der gegenüberliegenden Wand springen, als er mir nachsetzte und mich am Fußgelenk packte, was mich heftig auf dem Boden aufschlagen ließ. Er stand dabei allerdings so ungünstig, dass sich sein Fuß in dem schweren Krankenhausbett verhakte und er ebenfalls stolperte, als ich mich panisch strampelnd umdrehte.

Da er mein Fußgelenk einfach nicht loslassen wollte und sein anderer Arm zu langsam war, krachte er mit der Stirn voll auf den Boden und blieb benommen liegen, jedoch ohne mich dabei loszulassen. Die Finger umklammerten mein Bein nach wie vor in seinem eisernen Griff.

Ich schrie laut mit verzweifelter und überschlagender Stimme vor panischer Angst auf. Eine Flucht war deswegen schon wieder völlig unmöglich geworden, also ging ich erneut zum Angriff über. Ich ergriff seinen Kopf an den langen und lockigen Haaren, die eigentlich sogar recht hübsch für einen Mann waren, und schlug ihn immer aufs Neue, so fest ich nur konnte, auf den Boden auf. Die Nase platzte auf und verspritzte Blut auf den Belag, ich war jedoch nicht mehr dazu in der Lage, damit aufhören.

Es fühlte sich auf einmal so an, als würde ich mich selbst von außen beobachten, immer wieder schlug ich den Kopf auf den Boden auf, bis er sich nicht mehr rührte und die Zuckungen seines Körpers aufhörten. Als ich mich endlich stoppen konnte und aufgab, brach die Erkenntnis über mich herein. Ich hatte offenbar gerade sein Nasenbein in sein Gehirn getrieben und so einen Menschen umgebracht. Das würde mir endgültig den Platz in Anstalten, bestimmt noch viel schlimmer als diese hier, für immer garantieren.

Erschrocken sprang ich auf und ignorierte den Schwindel, der mich fast wieder zu Boden geschickt hätte, mein Kopf fühlte sich wie ein Kotelett an, das gerade die übliche Behandlung in der Küche mit dem Hammer hinter sich hatte, weichgeklopft und schwammig. Ich musste hier weg, die Anstalt verlassen, so schnell wie möglich, nur wie? Plötzlich ging die Tür auf und ich erstarrte vor lauter Schreck zur Salzsäule.

Es war zum Glück aber nur Nadia, die, trotz ihrer schlechten Erfahrungen, diesmal offenbar doch nach dem Rechten sehen wollte. Vermutlich war sie von der Geräuschkulisse angelockt worden, die gerade eben noch deutlich heftiger als üblicherweise gewesen war, weshalb sie das Risiko, erneut eingesperrt zu werden, eingegangen war. Als sie mich so sah, blutbespritzt, die Lippe geplatzt und den Kopf aufgeschlagen, blieb ihr offensichtlich für einen Moment das Herz stehen. Dann fasste sie sich und zog mich in das winzige Bad.

Den leblosen Rüdiger ignorierte sie vollständig, vielleicht weil es offensichtlich war, was mit ihm los war, aber viel eher deshalb, weil sie sich nicht für seinen Zustand interessierte. Wortlos setzte sie mich auf die Toilette und fing damit an, mich mit einem Waschlappen zu waschen, jedenfalls so gründlich es ging, sie war aber auch sehr vorsichtig dabei, um meine Wunden nicht zu stark zu reizen. Ohne Vorwarnung fing sie auf einmal an zu reden, und zwar so bestimmt und ohne mich in das Gespräch mit einzubeziehen, dass ich für einen Moment lang dachte, sie redete nur mit sich selbst.

„Wir müssen hier weg, wir müssen fliehen. Wir haben viel zu viel Zeit in Anstalten wie dieser verbracht, es wird für uns jetzt Zeit, sich die Luft da draußen in der Freiheit um die Nase wehen zu lassen. Wer weiß, vielleicht müssen wir das Land zusätzlich auch noch verlassen, aber wir werden schon noch einen Ort finden, wo wir leben können.“

Ich sah sie erschrocken an:

„Du kannst doch nicht mit mir fliehen, das ist nicht dein Ernst, oder?“

Nadia hörte mit allem auf, was sie gerade tat. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie sah mich völlig verzweifelt an:

„Willst du mich denn gar nicht dabei haben? Liebst du mich nicht mehr?“

„Nadia, ich werde wegen Mordes gesucht werden! Was glaubst du denn, warum du dich lieber fern von mir halten solltest? Natürlich liebe ich dich, aber es wird doch viel zu gefährlich für dich! Ich bin bald schon eine gesuchte Mörderin, da machen die Polizisten sogar von der Schusswaffe gebrauch!“

Sie antwortete nicht, sondern seufzte nur erleichtert auf, trocknete ihre Tränen und fuhr damit fort, mir das Gesicht und die blutverklebten Haare zu waschen. Dann redete sie weiter, als hätte ich nie etwas gesagt.

„Wir müssen uns Ausweise besorgen, nur wie? Vielleicht irgendwo ein paar Geburtsurkunden fälschen, das ist einfacher als einen Ausweis zu fälschen, dann kriegen wir bestimmt von irgendeinem Amt unsere Papiere.“

„Hast du mir denn gar nicht zugehört, ich muss fliehen und werde von der Polizei gesucht! Ich habe einen Mord begangen, ich bin fertig, ich bin am Ende. Ich ziehe dich mit mir runter, und das will ich nicht.“

Nadia sah mich ruhig an, ergriff mein Kinn und zog mein Gesicht damit ganz nah an ihr eigenes heran, bevor sie mir eine Antwort gab.

„Vergiss es, wir werden nicht darüber diskutieren. Wir gehören zusammen, und du weißt das eigentlich auch ganz genau. Ich rede gerne mit dir über irgendetwas anderes, aber nicht über dieses Thema.“

Dann gab sie mir einen zärtlichen Kuss auf den Teil meiner Lippen, der nicht aufgeplatzt war, und fuhr kurz darauf mit ihrer Wäsche fort, ohne die immer leiser werdenden Proteste von mir noch weiter zu beachten. Es war ja auch nicht so, dass ich sie nicht dabei haben wollte, ich fand nur, sie hatte etwas Besseres verdient.

„Wir sitzen doch sowieso im gleichen Boot, Selen, und das weißt du auch ganz genau. Es war reiner Zufall, dass er dich und nicht mich ausgesucht hat. Vielleicht ist ihm hier in der Zelle mal was passiert, oder was auch immer der Grund für seine Wahl gewesen ist, wir sehen ja schließlich beide völlig gleich aus. Und außerdem, wenn es andersherum gewesen wäre, hättest du mich alleine ziehen lassen und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen?“

Ich schüttelte sofort heftig den Kopf.

„Wir sind uns also einig, lassen wir das. Viel Wichtiger, wie kommen wir hier raus?“

Deswegen hatte ich eine Idee, ich sprang auf und rannte zu Rüdiger, trotz meines Ekels vor dem Mann drehte ich ihn um, zog seinen Ausweis aus der Brusttasche und hielt ihn triumphierend hoch.

„Der funktioniert wie ein Schlüssel, mit NFC, das ist englisch und heißt ‚near field communication‘, man muss die Karte nur an das Schloss halten, dann geht die Tür auf. Ich habe das ein paar Mal bei ihm gesehen, als ich ...“

Der Rest meiner Rede blieb mir im Hals stecken, von einer Erinnerung getroffen sah ich mit einem Mal nur noch Rüdigers Gesicht auf dem Ausweis. Plötzlich spürte ich, wie mir jemand die Plastikkarte aus der Hand nahm und mich in die Arme schloss, dann flüsterte sie mir beruhigend etwas ins Ohr:

„Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir!“, und hielt mich fest.

Wir beschlossen gemeinsam, noch ein wenig mit unserer Flucht zu warten, es war einfach noch zu früh am Abend und wir wollten sichergehen, dass es ruhig genug dafür war.

„Die anderen vom Personal sollten für unseren Ausbruch am Besten schon alle heimgegangen sein, spätesten in einer halben Stunde sind garantiert auch die Letzten weg. Eigentlich hat Rüdiger ja die Nachtschicht mit einem Kollegen zusammen, ich habe heute aber noch niemanden außer ihm gesehen. Vielleicht ist der andere ja auch betrunken und schläft gerade seinen Rausch aus, wäre ja nicht das erste Mal. Hoffen wir das Beste. Komm, wir legen Rüdiger für die Kameras auf dein Bett, damit es so aussieht, als ob jemand darin schläft. Die meisten Pfleger wissen ja nicht mal, wer in welcher Zelle liegt, das hier könnte also durchaus auch die Behausung eines fettleibigen Patienten sein.“

Sobald wir Rüdiger im Bett verstaut und bei der Gelegenheit noch sein Portemonnaie geplündert hatten, beseitigten wir sein und mein Blut so gut es ging, wobei wir mit jeder Minute, die ohne Alarm verstrich, ein wenig entspannter wurden, und daher die Reinigung sogar relativ gründlich ausfiel.

Wir nutzten die restliche Zeit und packten noch ein paar meiner Klamotten zusammen, provisorisch zu einem Bündel geschnürt, wobei Nadia einfach ein paar Kleidungsstücke von mir bekam, denn auch wenn Rüdigers Wahl bei Kleidung weder dezent noch unser Geschmack war, ihre Anstaltsbekleidung war für draußen noch weniger geeignet. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als wir endlich aufbrachen und die zur Abendruhe leeren Gänge bis zu ihrer Zelle durchstreiften, wo sie sich noch ein paar Dinge holen wollte.

Nach dem kurzen Abstecher in ihr Zimmer kamen wir kurz danach auf dem Weg nach draußen am Büro vorbei, und zwar genau dem Büro, in dem sich alle Patientenakten befanden, wie mir Rüdiger einmal erzählt hatte. Ich hielt seinen Ausweis an die Tür, die sich laut piepsend öffnete. Nadia protestierte sofort mit einem ziemlich lauten Flüstern, das man sicherlich drei Gänge weiter noch hörte:

„Heeee, was machst du da, du weißt doch genau, wo der Ausgang ist, da drinnen schläft vielleicht jemand?“

Ich blickte sie mit gerunzelter Stein an und hielt den Zeigefinger vor den Mund, dann öffnete ich die Tür und ging hinein, obwohl tatsächlich jemand darin schlief, wie ich sofort laut und deutlich hören konnte. Es war Manfred, Rüdigers schwuler Busenfreund, der sich gerne an den männlichen Patienten hier verging. Er war wie so oft ebenfalls völlig betrunken und stank, genau wie Rüdiger, stark nach Wodka. Wahrscheinlich hatten sie gemeinsam gebechert.

Trotzdem ging ich in das Zimmer zum Aktenschrank, der zum Glück unverschlossen war, holte nach einer sehr kurzen Suche die beiden Akten Selen und Nadia Müller heraus und war so schnell wieder aus dem Büroraum, dass die leichenblasse Nadia keine Gelegenheit mehr dazu fand, doch noch in Ohnmacht zu fallen. Woher ich den Mut hernahm, weiß ich nicht, aber ich wusste genau, wenn ich in diese Chance verpasst hätte, dann wäre sie nie wieder gekommen.

Ein paar Schritte weiter fühlte ich plötzlich einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf, und kurz darauf einen Kuss auf die Wange, als ich sie gespielt wütend anfunkelte. Sie konnte gerade noch ein nervöses Kichern unterdrücken, als wir an *der* Tür ankamen. Das war die Tür, die immer verschlossen war, die nicht einmal ein Türschloss oder einen Griff hatte, jedenfalls nicht innen, sondern ausschließlich durch eine elektronische Verriegelung zu öffnen war, gegen die ich jetzt, nachdem ich ein paar Mal tief Luft geholt hatte, Rüdigers Ausweis hielt.

Es piepste und eine kleine LED sprang von Rot auf Grün, woraufhin ein elektrischer Motor damit anfing, laut zu brummen und sich die riesige Stahltür zu unserem Gefängnis langsam öffnete. Dahinter war einfach nur ein weiterer Gang, es erklang keine Fanfare und auch kein Alarm, also blickten wir uns verunsichert an und gingen hinein. Eine Hand schlüpfte in die meine, die ich zärtlich drückte und auch dann noch fortwährend festhielt, als sie sich wieder davonstehlen wollte.

Ausreichend Licht schien von der Lichtanlage um das Gebäude herum von außen in die Gänge, wir unterließen es daher, die Lichtschalter zu betätigen. Zum allerersten Mal war ich für die hässlichen aber dafür leisen, schnürsenkellosen Stoffschuhe dankbar, die wir von der Anstalt gestellt bekamen, andere durften wir nicht tragen. Die weichen Gummisohlen waren auf den grauen und eiskalten Fliesen völlig lautlos.

Nadia fing in diesem Moment, nur wenige Schritte vor der Freiheit, an zu zittern, und ich konnte es ihr nicht verdenken, mir ging es durchaus ähnlich. Wir lebten schon seit so vielen Jahren in irgendwelchen Anstalten, dass uns ein Leben draußen eigentlich völlig unmöglich erschien. Wie sollten wir klarkommen, was sollten wir da draußen in der großen und weiten Welt tun, wie überleben?

Es war wenigsten zu unserem Glück gerade Frühling, die milden Temperaturen eröffneten noch einige weitere Möglichkeiten abseits der Zivilisation, was es allerdings trotzdem nicht weniger angsteinflößend machte. Ich drehte mich zu ihr um und nahm sie in den Arm. Sie klammerte sich völlig verzweifelt an mich und eine Weile standen wir einfach nur da, dann schüttelte sie sich, nahm ihre Schultern nach oben, streckte ihre Brust raus und sagte gefasst:

„Wir müssen hier weg, sonst erwischen sie uns doch noch und sperren uns wieder ein. Es ist höchste Zeit, dass wir endlich rauskommen, wir sind ja echt nicht mehr überlebensfähig. Wenn wir das überhaupt jemals waren?“

Ich wusste genau, wovon sie sprach, ich hatte ebenso wenige Erinnerungen an die Zeit vor den Anstalten wie sie, aber vielleicht würden die sich ja wieder einstellen, irgendwann, vor allem ohne all die Pillen, die wir täglich unter penibler Aufsicht schlucken mussten. Ich war darüber hinaus auch noch sehr gespannt, was in unseren Akten stehen würde, ob es viele Informationen über uns gab? Sie hatten sich ja nicht sehr dick angefühlt, was mich ein wenig überraschte, schließlich waren wir seit sehr vielen Jahren in den unterschiedlichsten Anstalten gewesen.

Wir sahen uns an, grinsten ein wenig schief und verängstigt, dann fassten wir uns ein Herz und überwanden die letzten Meter bis zum Haupteingang, der sich ebenfalls problemlos mit Rüdigers Ausweis öffnen ließ.

Nadia sah mich an, nahm mir die Plastikkarte ab und warf ihn in den Postschlitz der Anstalt, wofür ich ihr sehr dankbar war, ich wollte das Gesicht dieses Mannes ganz sicher nie wieder sehen. Mitleid wegen seines Todes empfand ich ebenfalls nicht, zu sehr hatte er mir zugesetzt, zu sehr hatte er mir heute das Gefühl gegeben, dass er mich am Ende doch noch umbringen wollte. Vielleicht irgendwann einmal. Aber in dieser Nacht noch nicht.

3 Eine Reise

Zum ersten Mal, seitdem wir denken konnten, standen wir mitten auf einer Straße, ohne sehnsüchtig aus einem vergitterten Fenster schauen zu müssen, in der echten und wirklichen Freiheit, einer Freiheit, der wir womöglich noch nicht einmal gewachsen sein würden. Wir sahen uns an und nickten gemeinsam, den Gedanken mussten wir nicht einmal laut aussprechen. Zwei Sekunden später rannten wir, so schnell wir konnten, die Straße hinunter, irgendeinem fremden Ziel entgegen, einem Ort, an dem es uns hoffentlich besser ergehen würde. Einer Zukunft entgegen, die so furchtbar unbekannt und geheimnisvoll wirkte, aber dafür vielleicht ja endlich ein echtes Leben enthielt, oder wenigstens irgendeinem Leben ähnlich sah, jedenfalls vergleichbarer als das war, was wir in den letzten Jahren erleben mussten.

Unser dringendstes Problem war natürlich Geld, das bisschen von Rüdiger würde sicher nicht lange halten. Dass es mittlerweile eine neue Währung gab, den Euro, das hatten wir mitbekommen, allerdings hatten wir überhaupt keine Ahnung, wie viel Kaufkraft diese neue Währung eigentlich hatte. Genauso ahnungslos waren wir mit vielen anderen Dingen, die sich in den letzten vierzig Jahren geändert hatten. Was wir allerdings ganz genau wussten, zunächst mussten wir erst einmal so weit wie möglich von unserer Anstalt weg.

Da gab es zum Glück nach wie vor eine uralte, ziemlich anonyme und für uns völlig sichere Methode, und das war die Eisenbahn. Das mit der Bahn war sogar noch unpersönlicher, als ich es in Erinnerung hatte, denn auf dem Bahnhof gab es nämlich kein Personal mehr, das sich eventuell an uns erinnert hätte, sondern nur noch einen Automaten.

Ein junger Mann, eher schon fast noch ein Junge, der eigentlich sogar recht hübsch anzusehen war, erklärte uns glücklicherweise ziemlich ausführlich, wie der Automat zu bedienen war, nachdem er uns eine Weile beobachtet hatte und dann fragte:

„Zum ersten Mal mit der Bahn unterwegs?“

Ich nickte eifrig und er legte los, ich wäre vermutlich nie auf die Idee gekommen, den Bildschirm anzufassen, und empfahl uns nach einigen Erklärungen als Fahrkarte das sogenannte Wochenendticket, mit dem wir deutschlandweit zu zweit überall hinkamen. Wir durften zwar die schnellen Züge wie den Intercity, da gab es mittlerweile sogar etwas noch Schnelleres, nicht nutzen, aber wir hatten sowieso genug Zeit.

Es verblieben uns nur noch zwei Stunden bis Mitternacht, daher wollten wir die Zeit bis dahin auf dem Bahnhof auf einer Bank verbringen, mit ein wenig Glück würde Rüdiger nämlich erst am nächsten Morgen entdeckt werden, und bis zu diesem Zeitpunkt waren wir hoffentlich schon ein gutes Stück weiter.

Früher zu fahren wagten wir nicht, eine Anzeige wegen eines fehlenden Tickets wäre doch zu problematisch für uns gewesen, vor allem, da wir keine Ausweise hatten. Wie schon vorher war es wichtig für uns, jetzt die Nerven zu behalten und die Ruhe zu bewahren. Deshalb war ja auch eine actionfilmechte Flucht mit einem gestohlenen Auto für uns ausgeschlossen gewesen, möglichst unauffällig zu reisen war die einzige Chance, die wir hatten, da waren wir uns einig.

Die Anstalt war in einem schlichten Gebäude in einem kleinen Ort in der Nähe von Görlitz gewesen, direkt an der polnischen Grenze. Um unsere Spuren zu verwischen, war das Wochenendticket also genau das Richtige für uns. Wir planten, erst einmal nach Berlin zu reisen, von dort aus weiter nach Hamburg, dann nach ein paar Umwegen über Frankfurt, bis wir uns hoffentlich irgendwann unserem finalen Ziel in München wiederfinden durften, das wir uns mehr oder weniger zufällig ausgesucht hatten.

Die Idee war, das Wochenende mit so vielen unterschiedlichen Verbindungen wie möglich zu nutzen, um es auf diese Art und Weise jedem eventuellen Verfolger schwerer zu machen, unserer Spur zu folgen. Es würde ganz sicher Fahndungsfotos geben, also war Haare färben angesagt. Nadia dämmerte jetzt erst so langsam der ganze Umfang der Nachwirkungen und Konsequenzen unseres Ausbruchs, nämlich dass sie nun eine polizeilich gesuchte Verbrecherin war und ein Dasein im Schatten, auf der Flucht vor dem Gesetz, würde leben müssen.

Als ich sie noch einmal darauf ansprach, mich doch noch alleine ziehen zu lassen, wurde sie sofort wieder ziemlich wütend, verschlossen und redete eine halbe Stunde lang gar nicht mehr mit mir. Was mich natürlich zugegebenermaßen mehr als nur ein wenig rührte. Insgeheim empfand ich schon seit vielen Jahren sehr, sehr viel für sie, und zwar deutlich mehr als für eine Freundin und die heftigen Gefühle, die mir manchmal sogar vor Sehnsucht die Kehle zuschnürten, waren zu meinem Leidwesen auch noch dazu alles andere als geschwisterlich, was ich ihr gegenüber aber niemals auch nur angedeutet hatte.

Ich war ja nicht einmal sicher, ob wir nicht vielleicht doch körperlich verwandt waren, also vermied ich den Gedanken an mehr als die gelegentlichen Küsse zur Begrüßung mit ihr, so gut ich konnte. Die Medikamente und Drogen in der Anstalt halfen mir sehr gut dabei, die wahren Emotionen für sie konsequent zu unterdrücken, da diese die ganze Welt in Watte verpackten. Daher kam es nie zu einem Annäherungsversuch meinerseits, ich glaube, einen ablehnenden und befremdlichen Blick von ihr als Antwort auf eine offene Darlegung meiner Gefühle hätte ich auch nicht ertragen. Ein Dasein ohne sie war für mich ebenfalls ausgeschlossen, allerdings hätte ich mich, ohne zu zögern, für sie geopfert, um ihr ein Leben als Kriminelle zu ersparen.

Der junge Mann, wie sich das anfühlte, so etwas zu sagen, als wäre ich mittlerweile eine alte Großmutter, aber manchmal fühlte ich mich tatsächlich so alt wie eine, schließlich konnte ich mich doch immerhin bereits an über fünfzig Jahre erinnern, nur eben leider nur an allgemeine Dinge, nichts Persönliches, gab uns dann auch gleich noch ein paar Tipps, wo man am besten Wanderausrüstung herbekam, Outdoorartikel nannte er es. Seine Sprache war zwar Deutsch aber auch sehr merkwürdig, die Jugend verwendete heutzutage anscheinend deutlich mehr englische Wörter als wir damals. Nicht wirklich überraschend, die Wiedervereinigung hatten wir ja sogar in der Anstalt mitbekommen.

Und noch ein paar andere Dinge hat er uns erzählt, die mich wirklich sehr beeindruckten. Die Amerikaner haben ja vor ein paar Jahren, also um ganz genau zu sein, vielleicht auch mehr als nur ein paar, mit einem atombombensicheren Netzwerk herumexperimentiert, und das ist anscheinend in den letzten Jahrzehnten ziemlich groß und erfolgreich geworden.

Sie haben es das „Internet“ genannt, es ist eine erstaunliche Erfindung, zumindest nach der Beschreibung des jungen Mannes. Dass man irgendwann einmal so viel damit machen könnte, hätte sich damals niemand von uns auch nur träumen lassen. Wieder eine uralte Erinnerung, die wir beide hatten, aber nach wie vor ohne jeden persönlichen Bezug.

Ganz anders, nämlich sehr intim, erinnerte ich mich später an die Stunden auf dem Bahnhof. Der junge Mann flirtete heftig mit mir und beantwortete dabei jede meiner Fragen, was sich zugegebenermaßen ziemlich gut für mich anfühlte. Als er uns verlassen musste, sein Zug kam vor unserem an, hatte ich eine Sekunde lang das Gefühl, dass er nicht einsteigen würde, er entschied sich jedoch im letzten Moment anders und fuhr wehmütig davon. Vielleicht war es der Blick von Nadia, die ihn ziemlich wütend anfunkelte.

Ich zog fragend die Augenbrauen hoch und sah sie innerlich aufgewühlt an: „Was hast du denn, Schwester?“

Sie zischte mich an: „Ich bin nicht deine Schwester, und außerdem kannst du dir das ja wohl selber denken, oder?“

Dann sagte sie nichts mehr, das musste sie auch gar nicht, ich hatte auch so verstanden. Mein Herz klopfte laut und unruhig bei dem Gedanken an sie, und ich hegte insgeheim einen Moment lang die Hoffnung, dass ihre Gefühle für mich genauso wenig geschwisterlich waren, dann schob ich den Gedanken wieder mit Gewalt beiseite.

Ein Wochenende in Bummelzügen und auf Bahnhöfen, um auf die nächste Verbindung zu warten, war also der Plan, es gab deutlich schlimmere Alternativen in unserer Situation. Wir schliefen im Zug, einen billigen Wecker und zwei Rucksäcke konnten wir uns am Samstagmorgen in Berlin kaufen, und reisten so durch das neue Deutschland, das so ganz anders als jenes war, an das wir uns noch aus dem letzten Jahrtausend erinnerten.

Es war gegen Mittag, ein gutes Stück noch vor Hamburg und einige Stunden nach dem Zeitpunkt, an dem wir normalerweise unsere Medikamente in der Anstalt bekamen, als uns fast gleichzeitig ziemlich übel wurde. Ich fing irgendwann, als das Gefühl einfach nicht von alleine verschwinden wollte, an, mir echte Sorgen zu machen, und sah Nadia daher besorgt an, als diese lediglich trocken: „Entzug?“, sagte, obwohl sie ebenfalls offensichtlich sehr grün im Gesicht aussah.

Ich nickte.

„Entzug. Ich sollte nicht so überrascht darüber sein, dass sie uns sehr starke Medikamente gegeben haben, die abhängig machen. Was tun wir? Riskieren wir einen kalten Entzug?“

Sie nickte trotz ihres grünen Gesichts mit einem ziemlich entschlossenen Funkeln in den Augen.

„Wir haben keine andere Wahl, also kalt, am besten steigen wir an der nächsten Haltestelle aus und suchen uns ein Waldstück, um kein Aufsehen zu erregen. Wir brauchen auch noch einige Flaschen Wasser dafür, vermutlich werden wir in den nächsten Stunden doch recht heftig dehydrieren. Haben wir noch genug Geld?“

„So etwa einhundert, die Kaufkraft dieses Euros ist etwas höher als die der guten, alten Ost-Mark. Wenn es länger als ein paar Stunden dauert, müssen wir aber trotzdem weiter.“

Den Rest der Rede sparte ich mir, denn Nadia hatte bereits genickt, und packte unsere Sachen zusammen. Wir kauften am Bahnhof noch ein paar Liter, vermutlich deutlich überteuertes, stilles Wasser ein, dann verdrückten wir uns in ein nahe gelegenes Waldstück, das anscheinend als Park genutzt wurde. Eigentlich enthielt es mir immer noch zu viele Spaziergänger für unseren Zweck, allerdings wären wir nicht sehr viel weiter gekommen. Die nächsten Stunden waren dann auch in der Tat nicht sehr angenehm, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich nutzte die Zeit, um zwischen den Krämpfen und dem Erbrechen die Krankenakten zu lesen, wurde aber maßlos enttäuscht. Sie enthielten alle Medikamente, die wir angeblich so dringend benötigten, die bekannte Diagnose und die Daten von der Anstalt davor. Was ich schmerzlich vermisste, waren Daten über unsere Herkunft oder Heimat, kein Geburtsort, nichts. Diese Felder waren alle mit unbekannt beschriftet.

Der einzige interessante Hinweis war eine Anweisung an das Personal, eine bestimmte Rufnummer anzurufen, falls irgendetwas Außergewöhnliches passierte. Die Medikamente sagten mir gar nichts, allerdings stand bei zweien davon, dass man sie nicht absetzen dufte, sondern unbedingt unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden sollten, was bei Nichtbeachtung höchstwahrscheinlich tödliche Folgen nach sich ziehen würde. Außerdem wurde ausdrücklich davor gewarnt, diese Medikamente irgendeinem anderen Patienten außer uns beiden zu verabreichen.

Ich zeigte Nadia den Abschnitt, woraufhin sie niedergeschlagen die Augen niederschlug und ein Moment lang in die Flammen starrte. Dann ergriff sie die Akten, warf sie ins Feuer, und umarmte mich fest.

„Dann sterben wir eben hier und jetzt gemeinsam. Ich gehe nicht zurück und wir können auch keinen Arzt aufsuchen, sonst sind wir sofort wieder in der Anstalt. Und einen Arzt entführen und danach umzubringen, wenn wir ihn nicht mehr brauchen, kommt für mich auch nicht infrage, ein Toter reicht mir völlig aus.“

Ich nickte ihr zu, da waren wir uns fast einig, bis auf eine Kleinigkeit.

„Wenigstens du könntest doch noch zurück, Nadia, dir drohen bei Weitem nicht so schlimme Dinge wie mir, warum willst du dein Leben so sinnlos wegwerfen?“

Diesmal wurde sie zu meiner Erleichterung nicht wieder wütend, sondern eher nachdenklich.

„Weißt du es denn wirklich nicht? Es gibt sogar zwei sehr gute Gründe für mich, hierzubleiben. Erstens war das doch kein Leben, wir sind in unseren Zimmern dahinvegetiert, schon eher wie eine Topfpflanze als ein Tier. Ich will richtig leben, und zweitens will ich mit dir leben! Ein Leben ohne dich ist kein Leben für mich. War es nie, wird es nie sein. Ich liebe dich Selen, was dachtest du denn, weißt du es denn wirklich nicht, was ich für dich empfinde?“

Ihre Beichte ließ mein Herz bis zum Hals klopfen, trotzdem protestierte ich leise dagegen, obwohl mir eigentlich nach etwas ganz anderem war.

„Wir können uns doch aber nicht lieben, jedenfalls nicht körperlich, wir sind doch Schwestern. Und was ist, wenn wir zu weit gehen, falls am Ende sogar eine von uns schwanger wird?“

„Ich kann keine Kinder bekommen, und du auch nicht. Also, was machst du dir nur immer nur für Sorgen?“

„Haben sie uns jedenfalls erzählt, aber ob es wirklich stimmt?“

Sie zuckte mit den Schultern und legte ihre Hände auf meine Wangen.

„Ach Selen, lass es doch einfach und mach dir keine Sorgen. Wir sind eh bald tot, also, beruhige dich und entspann dich. So gut es gerade geht jedenfalls.“

Kurz nach diesen Worten wurde sie wieder grün im Gesicht und war vorerst mit sich selbst beschäftigt, genau wie ich ein paar Minuten später. Das beendete unsere Diskussion sehr gründlich fürs Erste, keine von uns hatte danach noch sehr viel Lust auf reden. Ich war jedoch trotz des miesen körperlichen Zustands im siebten Himmel, denn endlich hatte ich die Bestätigung, nach der ich so lange gesucht hatte, ohne Wenn und Aber, meine Nadia liebte mich!

Nach mehreren Stunden, die uns beiden deutlich länger als so einige andere Stunden in unserem Leben vorkamen, war der Spuk jedoch für uns vorbei. Keine von uns fragte in dem Moment, wieso wir einen als tödlich eingestuften Entzug kalt überlebt hatten, wir waren einfach nur froh darüber, dass es uns besser ging.

Wir fühlten uns so schwach, wie neugeborene Kätzchen, allerdings auch lebendiger, empfindsamer und gefühlvoller wie noch nie zuvor in unserem Leben, jedenfalls so weit wir uns zurückerinnern konnten. Ich konnte ihre Gefühle und ihre Liebe für mich fast sehen, so intensiv strahlte sie von ihr aus, und sie nahm vermutlich genau die gleichen Dinge bei mir wahr. Wir waren uns noch dazu auch der sonstigen Umwelt um uns herum sehr viel stärker bewusst, als wären alle unsere Sinne auf einmal zum Leben erwacht, zu einer völlig ungedämpften Existenz, die wir so noch nicht kannten.

Ein Schauer rann mir über den ganzen Körper, als sie mich anfasste, woraufhin ich die Geste erwiderte und lächelnd ihre Miene beobachtete, die mir verriet, dass sie das Gleiche wie ich erlebte. Die Welt hatte sich auf einmal verwandelt, es war ein völlig neuer und aufregender Ort geworden, voller unbekannter Eindrücke, die alle auf unsere frisch erwachten Sinne einstürmten und uns wegen der Heftigkeit und Intensität schier blendeten, wobei die Augen natürlich nur eines der betroffenen Sinnesorgane waren. Irgendwann seufzte sie dann, offenbar trunken vor neuer Eindrücke, auf und meinte:

„Wir müssen weiter, wir haben noch einen ordentlichen Weg vor uns. Ich bin jetzt schon echt froh, dass ich mit dir gegangen bin. Dämmert dir jetzt vielleicht, was ich damit meinte, als ich dir sagte, dass das kein Leben für uns war?“

Ich nickte nur, zu einer vernünftigen Antwort war ich in dem Moment nicht in der Lage, zu sehr hatten mich meine eigenen Impressionen überwältigt.

Wir löschten das Feuer sorgfältig mit Wasser, packten unsere wenigen Sachen zusammen und brachen zum Bahnhof auf. Wieder einmal unglaublich müde, erschöpft und fertig, aber wir klammerten uns so fest aneinander, dass wir kaum noch laufen konnten, und genossen das Leben, die Wärme und den Körperkontakt der Anderen.

Zwei Stunden später, die wir frierend und immer wieder für ein paar Sekunden einnickend auf dem Bahnhof verbrachten, konnten wir endlich in einen Zug einsteigen und setzten die Reise fort. Zu unserem Glück war der Zug völlig überheizt und kurze Zeit später schliefen wir bereits fest. Es war ein völlig erschöpfter Schlaf, den nur ein flüchtiger Zwischenstopp in Hamburg unterbrach, dann saßen wir wieder in einem Regionalzug nach Bremen und von dort aus ging es weiter nach Hannover. Diese Fahrt dauerte eine ganze Weile, die wir ebenfalls schlafend verbrachten, nur unterbrochen von wirren Träumen und gelegentlichen Besuchen eines Schaffners, der uns nach der Fahrkarte fragte.

Als wir in Hannover ankamen und uns in der Nähe des Bahnhofs in einem Supermarkt etwas zu Essen kauften, ging es uns beiden bereits deutlich besser als jemals zuvor in unserem Leben, allerdings gab es in dem Gedränge all der Menschen auch eine Schattenseite. Wir sahen die Leute nicht nur mit den Augen, wir wussten, was sie fühlten, was ihre Träume waren, wer gefährlich war und wer nicht. Wir nahmen Frauen wahr, die unglücklich neben ihren Männern herliefen, Menschen, die ein Verbrechen planten, brutal und furchteinflößend aussehende Rocker mit einem butterweichen Herz und noch so unglaublich viele mehr. Die auf uns einstürmenden Emotionen waren überaus verwirrend und völlig überwältigend für uns.

Der einzige Halt, den ich in diesem Durcheinander der Gedanken und der Gefühle anderer Menschen noch hatte, war die vertraute Hand in meiner, sie gab mir die Sicherheit eines Ankers, sie sorgte dafür, dass ich nicht davonflog oder in den Boden versank. Die auf uns einstürmenden Impressionen wurden schnell zu intensiv, es waren einfach zu viele davon gleichzeitig. Nachdem ich der Supermarktkassiererin fast unser ganzes Geld als Trinkgeld gegeben hätte, wovon mich die nette Kassiererin selbst abgehalten hatte, zog mich Nadia auf eine Bank in der Nähe und schob mich in eine sitzende Position.

„Okay versuche das, es hat mir gerade ziemlich geholfen. Stell dir einen Energieschirm vor, so einen, wie sie die Raumschiffe in den alten Sciencefiction Romanen hatten. Und den legst du um deinen Kopf herum, und dazu stellst du dir vor, dass er die Gefühle der Menschen aussperrt und blockiert. Dann wird es einfacher. Du kannst sogar die Größe verändern, und nur mich mit in den Schirm hineinnehmen, geht das für dich?“

Ich tat, wie sie verlangte, und sofort hörten die Eindrücke von außen auf, allerdings nicht nur alle um uns herum, sondern auch ihre. Es störte mich, dass ich ihre Liebe nicht mehr spüren konnte, also tat ich genau das, was sie vorgeschlagen hatte, ich steckte uns beide unter den Schirm, worauf ich ihre warme Präsenz auf der Stelle wieder fühlte. Überwältigt vor Dankbarkeit küsste ich sie spontan auf den Mund. Sie erwiderte meinen Kuss sofort äußerst leidenschaftlich, wobei sie dabei von der Wildheit und Heftigkeit unserer Emotionen selbst dermaßen überrascht wurde, dass sie irgendwann erschrocken zurückzuckte.

„So intensiv, das ist ...“

„Schön“, beendete ich ihren Satz lächelnd. Trotzdem wechselten wir das Thema, das sich für uns beide ungewohnt und unkontrollierbar zugleich anfühlte.

„Outfit?“, fragte sie mich kurz danach einsilbig, wirklich viele Wörter brauchten wir nicht, um uns zu verständigen, und ich nickte. Also besorgten wir uns Haarfärbemittel und änderten die Kleidung, und zwar in kurze Jeanshosen und -röcke, mehr oder weniger blickdichte Strumpfhosen und ein paar billige T-Shirts, die nicht so durchsichtig wie Rüdigers Blusen waren. Transparente Tops kamen in der Tat auch in diesem Jahrtausend nicht ganz so häufig vor, wie er mir hatte weismachen wollen. Okay, erfolgreich untergejubelt. Aber ich hatte bei ihm keine Wahl gehabt, nur zu meiner Verteidigung.

Unsere Haare zu färben, und zwar von hellblond zu jeweils rot und schwarz dauerte ein wenig länger als gehofft, aber auch das bekamen wir irgendwann in einer öffentlichen Toilette hin. Der Geruch war nicht sehr angenehm dabei, da hatte sich anscheinend in den letzten Jahrzehnten nicht viel getan, wobei sich dafür das Ergebnis durchaus sehen lassen konnte. Danach war von Rüdigers Geld nicht mehr wirklich viel übrig, aber wir hatten wenigstens erst einmal etwas zu essen und waren auch nicht mehr auf Anhieb mit den beiden strohblonden Anstaltsflüchtlingen vergleichbar.

Als wir wieder im Zug saßen, diesmal nach Frankfurt, und wir uns unserem endgültigen Ziel näherten, kam so langsam auch die Frage auf, von der ich am meisten Angst hatte. Sie vermutlich ebenfalls, aber natürlich hatte sie recht, wir mussten uns der Problematik ja irgendwann stellen.

„Wir brauchen Geld, wie kommen wir da ran? Auf eine kriminelle Karriere habe ich keine Lust und auf Prostitution erst recht nicht. Also, was machen wir? Wir können doch nichts, vor allem nicht in diesen Zeiten? Welche Fähigkeiten aus den Siebzigern sind denn heute noch etwas wert?“

Diesmal war es offenbar Nadia, die von einer völligen Hoffnungslosigkeit ergriffen wurde, und es war offensichtlich an mir, sie ein bisschen aufzuheitern, nur leider hatte ich überhaupt keine Idee wie, und genauso wenig hatte ich eine vernünftige Antwort auf ihre Frage.

Stattdessen zog ich sie zu mir und hielt sie einfach nur fest, was ihr aber offenbar in diesem Moment auch erst einmal reichte. Sie umarmte mich und vergrub ihr Gesicht zwischen meinen Brüsten, die seit der Umziehaktion von keinem BH mehr bedeckt wurden. Folgerichtig löste das in diesem Moment durchaus ungelegenerweise bei mir ziemlich heiße Emotionen aus, die sie jetzt zu meinem Leidwesen auch noch sofort mitbekam. Vor einem Empathen kann man seine wahren Gefühle nämlich nicht so ohne weiteres verstecken.

Also verkleinerte ich den Schirm so lange, bis dieser nur noch meinen Kopf umfing, was sie wiederum dazu veranlasste, sich aufzurichten, und mir streng in die Augen zu schauen. Anscheinend sperrte der Schild nicht nur mich ein, sondern noch dazu sie aus, und sie wollte es jetzt endlich wissen, meine wahren Gefühle für sie erfahren, auch die unanständigen.

Sie sagte kein Wort, sondern schüttelte nur leicht ihren Kopf. Ihre wortlose Kritik genügte mir aber auch so, vielleicht hatte sie ja recht, und es war so langsam an der Zeit für uns, die metaphorischen Hosen völlig herunterzulassen. Also öffnete ich mich ihr wieder und vergrößerte den Schirm so weit, dass nur sie und ich bequem darin Platz fanden.

Trotzdem war sie diesmal anscheinend ein wenig vorsichtiger und kuschelte sich nur noch an meinen Bauch und vermied den Kontakt zu den Brüsten, jedenfalls so gut es ging. Ihr Hinterkopf drückte natürlich weiterhin dagegen, es war aber wenigstens nicht so erregend wie ihre Lippen.

Der äußerst verwirrende Mix aus Gefühlen, den sie bei mir auslöste, war für mich nicht einfach zu bewältigen, vor allem, da die Intensität seit unserem Entzug sehr stark zugenommen hatte, immer öfter drückte mir die körperlich geradezu brennende Sehnsucht die Luft aus den Lungen. Ich fragte mich nicht zum ersten Mal, ob die Medikamente bleibende Schäden verursacht, wenn sie dermaßen stark auf uns gewirkt hatten.

Dieser spezielle Mix bestand einmal in einem intensiven Impuls sie zu beschützen, so in etwa wie bei einer kleinen Schwester, und dann noch einer starken und unerschütterlichen platonischen Liebe, die jahrzehntelang gereift war. Wir kannten und liebten uns bereits seit einer kleinen Ewigkeit, sodass unsere Beziehung zueinander schon seit sehr langer Zeit in fest zementierten Bahnen verlaufen war. Trotzdem war jetzt auf einmal alles neu für uns, es fühlte sich anders an, nicht nur die Umgebung um uns herum, sondern auch unsere Gefühle füreinander, eine neue Welt eröffnete sich für uns, und sie war eindeutig erotischer Natur.

Mir wurde in dem Moment ihr warmer Atem überdeutlich bewusst, den sie mir auf den Schritt hauchte, und die Gedanken und Phantasien, die die Nähe ihres Mundes zu meinem Glied auslöste, waren schon wieder wenig geschwisterlich. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten - zum allerersten Mal? - wurde mir die Hose zu eng und ich bekam einen Ständer. Prompt musste ich mich wegen der zu engen Hose zusammenkrümmen und nutzte die Gelegenheit, um ihr einen Kuss auf den Hinterkopf zu drücken, was meine Brüste noch fester gegen ihre schwarzen Haare drückte.

Sie kicherte, zog aber kurze Zeit später ebenfalls ihre Knie an, eine Geste, die darauf hindeutete, dass sie das gleiche Problem wie ich hatte. Die Vorstellung, dass sie genauso erregt wie ich war, fegte die restlichen Vorbehalte und Hemmungen davon und brachte mich dazu, eine neugierige Hand in ihren Schritt zu legen und sie zärtlich durch ihre Shorts hindurch zu streicheln, wobei die Fingerspitzen durchaus auch bis zu ihrer Strumpfhose reichten.

Was jetzt wiederum ihr ein wenig zu weit ging, weshalb sie meine Hand ergriff und ihre Lippen darauf drückte, um die Zurückweisung abzumildern. Ich musste unwillkürlich lachen, als die sonst so selbstbewusste und selbstsichere Nadia auf einmal genau die gleichen Unsicherheiten wie ich zeigte.

Der Anblick ihres schönen Körpers, der schlanken und muskulösen Beine in der Strumpfhose, die Hotpants und das knappe Top sorgten aber auch so dafür, dass ich auch ohne Berührungen immer größer und härter wurde. Also fummelte ich mangels Alternativen so lange direkt vor ihrer Nase an meinem Schritt herum, bis ich ihn in mein Hosenbein schieben konnte. Was sie wiederum kurz danach, der Anblick des Ständers in der Strumpfhose und der schlanken Beine ließ sie offensichtlich ebenfalls nicht ganz kalt, bei sich auch tun musste.

Ich war ein wenig erschrocken darüber, wie groß ich plötzlich versteift geworden war, und ihr ging es anscheinend nicht anders als mir, denn als sie mein Glied so deutlich in voller Größe direkt vor sich sah, zuckte ihr Blick nervös zu ihrer eigenen Shorts, und auch aus ihrem rechten Hosenbein guckte bald schon ein ganzes Stück ihres Geschlechts heraus, das sich in der einer dafür viel zu durchsichtigen Strumpfhose nicht nur andeutete, sondern deutlich sichtbar war.

„Sie haben unsere Libido nicht nur bei uns konsequent medikamentös unterdrückt. Bei dem Rest der Anstalt wurde es nicht anders gehandhabt, das hat mir Rüdiger mal lachend erzählt, er fand das überaus amüsant.“

Alleine schon die Erwähnung seines Namens und die Erinnerung an ihn sorgten dafür, dass alle meine erotischen Gedanken an Nadia verscheucht wurden und ich wieder erschlaffte, was mir allerdings in der Situation im Zug auch nicht ganz unrecht war. Eigentlich war mir das alles ein wenig zu öffentlich, und der Zug war stark angefüllt mit Fahrgästen.

„Sollten wir etwas unternehmen und sie irgendwie verstecken? In der Anstalt war es ja kein Problem, alle wussten es, aber wenn sie so groß werden, sind sie alles andere als unauffällig.“

Sie zuckte ratlos mit den Schultern und antwortete: „Röcke tragen vielleicht, abgesehen davon, wie sollte das funktionieren mit dem Verstecken? Wir müssen eben zu dem stehen, was wir sind, etwas anderes wird uns auf Dauer sowieso eh nicht übrig bleiben. Ich bin aber schon froh darüber, dass wir wenigstens keinen großen und haarigen Sack haben, das wäre mir doch ein wenig unangenehm und irgendwie gar nicht mehr schön.“

Ich kicherte zustimmend und wir fielen in ein betretenes Schweigen, bis sie mich irgendwann mit einer ziemlich verunsicherten Stimme fragte:

„Sag mal, Selen, warum wäre es denn eigentlich so schrecklich für dich, wenn ich Sex mit dir haben wollte?“

Erschrocken zuckte ich zusammen, mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet, und überlegte eine ganze Weile, wie die richtige Antwort lauten sollte, und was mir meine Gefühle eigentlich zu dem Thema sagten, bis sie schon ungeduldig und ein wenig enttäuscht aufseufzte.

Ein bisschen erschrocken, weil ich so viel Zeit für die Reaktion gebraucht hatte, fing ich an zu reden: „Es macht keinen Sinn mehr, meine wahren Gefühle für dich weiter zu verbergen, die kennst du ja jetzt bereits. Ich habe so lange diese Dinge vor dir verborgen, denn ich wollte das nicht riskieren, was wir aneinander haben, denn das ist mir sehr wichtig und wertvoll. Genau genommen hing jahrelang mein Überleben davon ab, was nichts Neues für dich sein sollte.

Und außerdem war die Anstalt sehr wohl der falsche Platz dafür. Es ist nicht schrecklich für mich, wenn du mit mir Sex haben möchtest, ganz im Gegenteil. Aber wenn du wirklich eine blutsverwandte Schwester bist und ich dich, vielleicht sogar am Ende noch gegen deinen Willen, für meine sexuelle Befriedigung ausnutzte, dann käme ich mir vor wie Rüdiger.“

Sie sprang auf und sah mich wutentbrannt und für einen Moment unentschlossen an, dann schlug sie mir auf die Wange. Nicht wirklich fest, allerdings war ich völlig perplex wegen ihrer Reaktion, gab ihr aber trotz des Adrenalinschubs, der meinen Körper durchzuckte, kein Kontra.

Mit zornesbebender und hasserfüllter Stimme, wobei die Gefühle, die ihre Worte erzittern ließen, zum Glück nicht mir galten, warf sie mir ihre Antwort entgegen:

„Wage es nie wieder, wage es niemals wieder, dein Verhältnis mit diesem Monster mit unserer Liebe zu vergleichen! Du hast mich wegen ihm angelogen, sonst hätte ich ihn schon lange vor dir umgebracht! Aber das führt zu nichts, das alles hier führt zu nichts.“

Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sehr schlimme Gedanken vertreiben.

„Am liebsten wäre es mir, du erwähntest dieses Arschloch überhaupt nicht mehr in meiner Gegenwart.“

Nach einer kleinen Pause fügte sie kleinlaut hinzu: „Es sei denn, du musst unbedingt mal über ihn reden.“

Nach einer weiteren Pause brach sie in Tränen aus und fasste mir an die Wange und flüsterte: „Oh Gott, was habe ich getan, ich führe mich ja schon genauso wie er auf.“

Diesmal durchzuckte mich ein ähnlicher Zorn wie sie gerade und mir wurde klar, warum sie nicht anders gekonnt hatte. Alleine der Gedanke, dass sie sich mit diesem Stück Abschaum verglich, zerriss mir das Herz. Ich reagierte genauso wie sie, vermutlich aber mit ein wenig mehr Berechnung, ich wollte nicht, dass sie sich schlecht wegen der durchaus verdienten Ohrfeige fühlte, denn ich fand, ich war sehr billig davongekommen, und schlug sie ebenfalls auf die Wange.

„Das Gleiche gilt für dich, hörst du? Du darfst nicht den mir liebsten und wichtigsten Menschen der Welt mit diesem Monster vergleichen!“

Erschrocken sah sie mich an und hielt sich ihre Wange, die sich leicht rötete, dann fiel sie mir in die Arme und umschlang mich so fest, als wollte sie mich nie wieder loslassen. Irgendwann, es kam mir vor wie eine kleine aber wunderschöne Ewigkeit, in der ich ohne schlechtes Gewissen ihren Körper spüren durfte, ließ sie mich dann doch los, und obwohl sie meinem suchenden Blick konsequent auswich, konnte ich deutlich erkennen, dass ihre Augen rot verquollen und verweint waren.

Sie drückte mich genau so in eine sitzende Position, wie sie mich gerade haben wollte, positionierte dann ihren Kopf auf meinen Schoß und legte sich mit angewinkelten Beinen auf die Bank in dem zum Glück einigermaßen vernünftig gepolsterten Zug. Ihre Hand lag besitzergreifend auf meinem Geschlecht auf, und ich wusste, ich würde mit Protesten nichts mehr bei ihr erreichen, es war ihre Art, mir etwas mitzuteilen. Sie sagte mir damit, dass das Thema für sie abgeschlossen und endgültig ausdiskutiert war. Und wenn ich ganz ehrlich mit mir selbst war, dann ging es mir genauso wie ihr. Und wenn sie meine Schwester war, dann war das eben so, Kinder waren ja höchstwahrscheinlich eh kein Thema für uns.

Kurze Zeit später war sie auf meinem Schoß fest eingeschlafen, und hielt dabei immer noch mein Glied über der Hose fest in der Hand, was natürlich nicht ohne Konsequenzen blieb. Ich holte seufzend ein weiches Top aus dem Rucksack, vorsichtig und ohne sie dabei zu wecken, und legte es mir auf den Oberschenkel, um mein steifes Geschlecht vor den anderen Reisenden zu verbergen, die an unserem Sitzplätzen vorbeiliefen. Nadia seufzte im Schlaf ebenfalls und zuckte bald schon, was mir zeigte, dass sie sich tief im Land der Träume wiedergefunden hatte.

Ich döste eine Weile vor mich hin, konnte aber nicht schlafen, was nicht nur der Tatsache zusammenhing, dass ich gerade einen Ständer in der Hose hatte, der sich einfach nicht beruhigen wollte, sondern auch damit, dass ich mir Gedanken um uns machte. Die Gefühle, die wir füreinander hatten, waren nun mal eindeutig nicht mehr nur rein geschwisterlich oder wenigstens platonisch, außerdem wussten wir ja nicht einmal genau, ob wir tatsächlich Zwillinge oder irgendwie verwandt oder eben nicht waren.

Vielleicht machte ich mir ja in der Tat zu viele Sorgen, denn die Gedanken kreisten ohne jede vernünftige Richtung und kamen nirgends an. Sorgen machte mir allerdings auch ein Nebenkriegsschauplatz, nämlich dass wir deutlich intensiver und vor allem auch erotischer als noch in der Anstalt fühlten. Natürlich hatten sie das gedämpft, aber immerhin hatte sich das innerhalb von anderthalb Tagen bereits völlig verändert.

Ich hoffte nur, es würde nicht noch drastisch schlimmer werden, denn eventuell war das ja der eigentliche Grund gewesen, warum wir in der Anstalt festgehalten werden mussten, weil wir unsere Emotionen nicht unter Kontrolle bekommen hatten, und uns den Rest tatsächlich nur eingebildet hatten, wie zum Beispiel, dass wir unterschiedlich zu die Menschen um uns herum waren.

Ernsthaft glaubte ich allerdings nicht wirklich an diese Möglichkeit, es gab einfach zu viele Indizien, die in ganz andere Richtungen zeigten. Wie zum Beispiel die Erinnerungen an sehr alte Zeiten, die so gar nicht unserem körperlichen Alter entsprachen, oder die Geschwindigkeit, mit der wir den kalten Entzug hinter uns gebracht hatten. Ich wusste zwar medizinisch nicht wirklich viel darüber, allerdings sagten die Bemerkungen und Warnungen in der Akte, die unserem Feuer zum Opfer geworden waren, eigentlich genug aus. Ganz zu schweigen von den empathischen Fähigkeiten.

Nadia suchte sich diesen Moment aus und bewegte sich im Schlaf, sie ergriff das Top und nutzte es als Kopfkissen, verbarg aber dafür meinen Ständer mit ihrem Arm. Ihr Mund stand ein wenig offen und zeigte genau auf die Ausbeulung in der Strumpfhose, was mich nicht unbedingt entspannte. Ich streichelte sie sanft, ihr Körper war muskulös und durchtrainiert, genau wie meiner, ansonsten hatte es außer Fernsehen oder Lesen in der Anstalt für uns beide nicht viel zu tun gegeben, also hatte sie mit mir zusammen trainiert, zu zweit hatte es auch immer mehr Spaß gemacht als alleine.

Ihr Bauch war völlig flach, sie hatte kein Gramm Fett zu viel und war eine wunderschöne Frau, abgesehen von ihrem Glied natürlich, das nicht wirklich zu einer Frau passte. Vor allem die Größe, ihres war schätzungsweise ganz ähnlich, von den Abmessungen her, wie mein Eigenes, was aber meiner persönlichen Ansicht nach eher ihre weibliche Schönheit noch betonte.

Ich war sowieso schon total erregt, noch mehr konnte die Sache also wirklich nicht schlimmer machen, also ließ ich die Hand vorsichtig und sehr neugierig in Richtung ihrer Hose wandern. Sie bewegte sich unruhig im Schlaf und flüsterte etwas, ich konnte ihre Worte nicht richtig verstehen, aber es klang ein bisschen wie:

„Bitte verlass mich nicht, Selen!“

Also beugte ich mich nach unten und flüsterte ihr leise ins Ohr, dass ich sie niemals zurücklassen würde, woraufhin sie tatsächlich auch wieder ruhiger wurde. Vorsichtig streckte ich meine Beine aus und legte die Füße auf die Bank gegenüber, die Schaffner störte das meistens nicht, solange man die Schuhe ausgezogen hatte. Vielleicht war unser Leben nicht unbedingt ein Traumleben und würde es vermutlich sogar niemals werden, aber sofern ich sie mein Eigen nennen durfte, war ich auch glücklich, das konnte ich in diesem Moment in einer fast unnatürlichen Klarheit sehen, und ihr würde es schätzungsweise auch nicht viel anders als mir ergehen. Ihre Gefühle, die sie heute ausgestrahlt hatte, sagten jedenfalls genau das.

Vielleicht war es die Endgültigkeit dieses Gedankens, die es für mich so leicht machte, ihr in den Schritt zu fassen und zärtlich ihr Glied zu streicheln, das sich prompt genauso wie meines versteifte. Ich sorgte etwas panisch dafür, dass es sich in eines ihrer Hosenbeine schob, damit es ihr nicht im Schlaf wehtat, und zwar wieder das Rechte, das sie eben auch schon bevorzugt hatte, und genoss dann das warme Gefühl in mir, dass ich bei ihr so eine Wirkung sogar im Reich der Träume auslösen konnte.

Wobei ich durch diese Handlung bei mir selbst gleichzeitig dieselbe Regung im eigenen Schoß verschärfte, mittlerweile musste ich noch zusätzlich die Beine ein wenig spreizen, damit nicht irgendwann die Hose zu nass wurde, meine Erregung machte sich natürlich nicht nur an der einen Stelle bemerkbar.

Neugierig fragte ich mich, wie es wohl wäre, ihr riesiges Teil in mir zu spüren, und ob die Entjungferung mit so einem großen Schwanz wohl sehr schmerzhaft sein würde, was mir aber in Endeffekt egal war, für den Sex mit ihr war ich zu jedem Opfer bereit. Auf meiner Seite jedenfalls. Wobei der Zug leider der völlig falsche Ort für diese Sache war, mit so vielen Beobachtern wäre mir das absolut unmöglich gewesen, und eine Toilette eindeutig zu schmutzig und zu miefig.

Also hieß es warten und stattdessen vielleicht wenigstens ein wenig träumen, meine Hand war inzwischen zu ihrem weichen Busen gewandert und streichelte diesen sanft, wobei ich natürlich bei jeder Haltestelle zurückzuckte, da immer wieder mal Passagiere ein oder ausstiegen und bei uns vorbeiliefen.

Ihre wunderbaren Brüste waren ziemlich groß, aber nicht zu groß, wir konnten damit, meine hatten so ungefähr die gleiche Größe, wie erwähnt durchaus noch recht angenehm Sport machen. Wenn ich mich selbst an den eigenen Brüsten streichelte, fühlte sich das schon mal ziemlich gut an, allerdings fragte ich mich, wie sich ihre Hände wohl auf meinem nackten Busen anfühlen würden, die Neugier brannte in mir auf jeden Fall lichterloh.

Ich genoss diese entspannte Zeit mit ihr, während sie schlief, sehr, vielleicht weil ich meinen wahren Gefühlen und Phantasien frei nachgehen konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen, und vor allem ohne mich dabei den eigenen Hemmungen stellen zu müssen. Höchstwahrscheinlich hatte Nadia recht, vielleicht machte ich mir einfach zu viele Gedanken, wer wusste schon, wann sie uns wieder einsperren würden und wie viel Zeit uns noch zusammen verblieb. Immerhin waren wir zwei erwachsene Menschen, und solange niemand zu etwas gezwungen wurde, was sie nicht wollte, sollte es doch in Ordnung sein.

Wir näherten uns inzwischen sowohl Frankfurt als auch dem Sonntag mit großen Schritten, es wurden auch immer weniger Fahrgäste in dem mitternächtlichen Zug. Nadia schlief nach wie vor tief und fest, und da der Wecker gestellt war, gönnte ich mir ebenfalls ein wenig Ruhe und schloss die Augen, was mich dann tatsächlich auch ziemlich schnell, trotz der relativ unbequemen Situation, ins Land der Träume schickte.

Kurze Zeit später weckte der Wecker uns beide unsanft auf, allerdings waren meine Augen völlig verklebt und ich war nicht nur noch total müde, sondern hatte auch noch ein steifes Genick. Schlecht gelaunt beschwerte ich mich bei Nadia, obwohl diese natürlich am Allerwenigsten dafür konnte. Sie regierte jedoch sehr verzeihend, sogar lachend und schlug vor, dass wir im nächsten Zug die Plätze tauschten, vielleicht weil sie ziemlich fit, hellwach und offensichtlich sehr gut gelaunt war.

Sie trug mich mehr oder weniger an all den Gleisen vorbei, Frankfurt ist ein Kopfbahnhof, bis zu unserem anschließenden Zug, und als mein Kopf auf der Bank, auf der wir warteten, immer wieder in ihren Schoß rutschte, drückte sie mich irgendwann kurzerhand nach unten, woraufhin ich mich längs auf der Bank ausstreckte und mich an sie kuschelte.

Natürlich war die Ruhe auf der Bank nur von sehr kurzer Dauer, nämlich bis der nachfolgende Zug kam, allerdings bekam ich in dem Abteil, es war tatsächlich einer der Züge mit einem zweite Klasse Abteil, davon hatten wir in all den Fahrten davor so gut wie gar keine mehr gefunden, erneut den gleichen Platz, ich durfte mich ausstrecken und den Kopf auf ihre Oberschenkel legen. Natürlich konnte ich es mir dabei nicht verkneifen, meine Hand ebenfalls auf ihren Schoß zu positionieren und ihr Glied zu streicheln, allerdings driftete ich bereits nach kurzer Zeit ins Reich der Träume und war daher nicht mehr dazu in der Lage, ihr wunderschönes Gemächt noch angemessen zu genießen.

Irgendwann wachte ich auf, zur Abwechslung völlig ausgeruht und fit, was mir eigentlich angesichts der Nachwirkungen des kalten Entzugs nicht einmal ein Tag zuvor schon deutlich mehr als nur ein kleines Wunder erschien. Ich sah von unten genau auf die Unterseite von Nadias Brüsten, was ein wunderbarer Anblick war, obwohl sie leider von ihrem T-Shirt bedeckt waren, und konnte dazwischen sehen, wie sie die Tür beobachtete, wobei mir eine Sekunde später auch klar wurde, warum sie so nervös dabei aussah.

Sie hatte nämlich ihre Hand unter mein T-Shirt geschoben und streichelte meinen nackten Busen darunter, also schloss ich schnell wieder die Augen, da ich sehen und vor allem fühlen wollte, wie weit sie wohl hier im Zug damit gehen würde. Das Kribbeln, ausgelöst durch ihre zarten Hände auf der Haut, sorgte für eine Gänsehaut überall auf meinem Körper. Es fühlte sich gut an, noch besser als eben noch von mir erträumt, und das nicht nur, weil sie so weiche und zärtliche Finger hatte, sie wusste natürlich auch noch ganz genau, was zu tun war, sie kniff exakt mit dem richtigen Druck sanft in meine Brustwarze und streichelte und knetete mich treffsicher so, dass bei mir die Gefühle direkt in den Schoss wanderten und dort für einen Ständer und einen nassen Schritt sorgten.

Unruhig rutschte ich hin und her, um den Schwanz erneut in das Hosenbein wachsen zu lassen, woraufhin sie erstarrte, sie beabsichtige mich offenbar nicht dabei wecken, was mir nur recht war. Natürlich hätte sie das eigentlich an meiner Aura fühlen können, dass ich bereits wach gewesen war, aber sie ignorierte es oder wollte es nicht wahrhaben, ihr Fokus lag eindeutig auf meinem Körper und den erogenen Zonen darauf.

Als ich mit den unruhigen Bewegungen aufhörte, fuhr sie einem weiteren, kurzen Moment damit fort, meine Brüste zu kneten, allerdings war ihre Aufmerksamkeit offensichtlich bereits wieder etwas anderem zugewandt, und gleich darauf spürte ich auch überdeutlich, was das geschafft hatte, und zwar als sie ihre Hand auf meine Penisspitze legte, die mittlerweile erneut aus der kurzen Jeans hervorlugte.

Ihr ganzer Körper erschauerte vor Wonne und Erregung, als ihre empfindlichen Fingerspitzen das offensichtliche Objekt ihrer Begierde berührten, was ich sehr gut nachvollziehen konnte, mir war es ja durchaus genauso wie ihr ergangen. Von Zurückhaltung war nicht mehr viel zu spüren, durch meinen scheinbaren Schlaf war sie ebenso enthemmt wie ich eine ganze Weile davor bei ihr.

Ich drehte mich seufzend auf die Seite, drückte mein Gesicht gegen ihren Bauch und winkelte mein Bein an, wodurch mein Schritt vor Blicken von außen mehr oder weniger verborgen sein sollte, um es ihr ein bisschen einfacher zu machen, und genoss ihre Zuwendungen. Zu meinem Entzücken pressten sich meine Lippen jedoch nicht gegen ihre harten Bauchmuskeln, sondern stattdessen an ihr Glied, das sie wohl diesmal in einer anderen Richtung hatte ersteifen lassen, und zwar nach oben, wo es jetzt deswegen ein ganzes Stück aus ihrer Hose herausschaute. Fast hätte ich laut losgestöhnt, so sehr erregte mich ihr unartiger Trick, ich seufzte jedoch nur noch einmal, was durchaus als schlafend interpretiert werden konnte, und presste dann die Lippen gegen das T-Shirt genau über ihrer Eichel.

Ihre Hand war inzwischen an meinen Bauch gewandert, und zwar exakt an die Stelle, an der die Strumpfhose und kurz darunter die Shorts anfing. Zu meiner Überraschung schob sie ihre Hand ein ganzes Stück unter die Strumpfhose bis hin zum Slip, wobei ich mir einigermaßen sicher gewesen war, dass sie an und für sich nicht so einfach an dem dafür zu engen Gürtel hätte vorbeikommen sollen, hatte aber auch keine Idee, wie ich ihr dabei helfen konnte, ohne zu offenbaren, dass ich bereits wach war. Sie kam jedoch auch ohne meine Hilfe sehr gut klar.

Indessen überlegte ich fieberhaft, obwohl ich bei der ganzen Sache an und für sich immer noch ein wenig verschämt war, wie ich das doch äußerst hinderliche T-Shirt zwischen meinen Lippen und ihrem Glied beseitigen konnte.

Inzwischen schob sie mir ihre Hand scheinbar unbehindert tiefer in die Hose hinein, und irgendetwas daran fühlte sich immer merkwürdiger an, denn sie kam nicht nur problemlos an dem engen Gürtel vorbei, sondern auch noch sehr viel weiter, bis ihre Finger sogar noch um den Penis herum meine mittlerweile ziemlich schlüpfrige und erregte Muschi erreichten, wo sie zärtlich die äußeren Schamlippen streichelte und mich mit den zarten Gefühlen, die das hervorrief, in den siebten Himmel schickte.

Zwei ihrer Finger intensivierten die Emotionen auch noch, als sie mit ihnen in mich eindrang, wobei sie sich gleichzeitig auch noch meinem Kitzler widmete. Ich stöhnte leise auf, wie man es vielleicht im Schlaf tun würde, hielt mich aber mit jeder weiteren Reaktion zurück, aus Angst davor, ich könnte eventuell den Zauber des wunderbaren Moments damit zerstören, in dem wir uns in diesem Augenblick wiederfanden.

Innerlich war ich jedoch bereits in einem ganz anderen Zustand, sie hätte mir jetzt gerade auch die Kleider vom Leib reißen und mich hier mitten im Zug entjungfern können, irgendwelche Hemmungen interessierten mich in diesem heißen und unglaublich erotischen Augenblick ganz sicher nicht mehr.

Sie stöhnte ebenfalls leise auf, als sich meine Lippen scheinbar unbewusst und schlafend an ihrem wunderschönen Glied bewegten, und tat mir schließlich den lang ersehnten Gefallen, sie zog nämlich ganz vorsichtig ihr T-Shirt nach oben, bis meine Lippen endlich ihre Vorhaut berühren durften.

Beinahe hätte ich daran geleckt und sie komplett in den Mund genommen, ich hielt mich gerade so noch zurück und presste stattdessen nach einem leisen Stöhnen und einer winzigen Drehung weiter ihr Glied gegen den Mund, wodurch sich, natürlich rein zufällig, meine Zunge an ihre Vorhaut drückte.

Sie schmeckte genauso, wie ich es mir immer erträumt hatte, selbstverständlich nach Geschlecht und ein wenig salzig, aber dafür mit einer unbeschreiblichen Nadia Note. Keuchend stöhnte sie auf, als die raue und nasse Oberfläche meiner Zunge ihr Glied berührte, als ich plötzlich das merkwürdige Gefühl bekam, dass sie auf einmal ein ganzes Stück kürzer wurde, ohne jedoch dabei an Umfang einzubüßen, jedenfalls hatte ich, ohne etwas dafür tun zu müssen, zu meiner Freude ihre komplette Eichel im Mund.

Gleichzeitig drang sie mit ihren Fingern immer tiefer in mich ein, viel tiefer, als es ihr eigentlich mit ihren zu kurzen Fingern hätte möglich sein dürfen, es war mir aber egal, mir war alles egal, ich hatte zum allerersten Mal den Penis meiner Liebsten im Mund und mein Herz klopfte deswegen vor Aufregung und Wonne bis zum Hals.

Ich gab die Scharade mit dem vorgetäuschten Schlaf völlig auf und saugte erregt an ihr, ich wollte mehr von ihr und sie tiefer im Mund spüren, was zu meiner Begeisterung auch irgendwie geschah, sie stöhnte leise auf und wuchs bei mir in tiefer in den Mund hinein, immer weiter, als wäre sie kurz erschlafft und jetzt wieder hart geworden. Irgendwann stieß sie an dem Zäpfchen meines Rachens an, was sich zu meinem großen Leidwesen nicht so toll anfühlte, ich musste den Kopf ein wenig zurückziehen.

Von einem Moment auf den anderen verschwanden zu meiner Entgeisterung ihre Finger aus der nassen Vagina, die Hand aus der Hose und auch noch das Glied aus dem Mund. Kurz darauf wurde mir die Erklärung dafür geliefert, als sich die Tür zu unserem Abteil öffnete. Eine unverkennbar männliche Stimme sprach flüsternd auf sie ein:

„Schläft sie noch, oder könnte ich jetzt doch kurz mal die Fahrkarte sehen?“

Ich hätte fast laut losgelacht, anscheinend hatte sie ihren Charme beim Schaffner spielen lassen, der uns prompt quasi schwarzfahren ließ. Stattdessen gähnte ich, streckte mich hemmungslos und sah ihn gespielt verständnislos an.

Sie stupste mich leicht an und meinte: „Sabine, Schatz, wo ist unsere Fahrkarte?“

Kluges Mädchen, irgendeinen Namen zu verwenden war deutlich intelligenter als alles, was ich so übermüdet hinbekommen hätte.

„Ich hab sie hier, eine Sekunde, bitte.“

Ich kramte unser Wochenendticket hervor, dass der Schaffner zufrieden abstempelte und sich dann mit einem „Einen schönen Sonntag wünsche ich den Damen noch ...“, wieder verkrümelte.

Ich sah sie herausfordernd an.

„Rede mit mir!“

Ich war vielleicht wieder einmal etwas zu einsilbig, aber sie wusste auch so ganz genau, wovon ich redete.

„Es war total komisch, ich stellte mir vor, wie meine Finger länger würden, und genauso ist es dann auch passiert. Hier, schau!“

Sie streckte ihre Hand aus, und in der Tat wurden ihre Finger plötzlich länger, und nicht nur das, sie bogen sich in alle möglichen und unmöglichen Richtungen. Dann flüsterte sie leise: „Normal!“, und tatsächlich sah ihre Hand kurz danach wieder ganz normal aus. Sie grinste mich breit an und war total aus dem Häuschen.

„Stell dir vor, was man damit alles machen kann, vielleicht sollten wir uns das mit der kriminellen Laufbahn doch noch mal überlegen?“

Ich war nicht ganz so begeistert wie sie, mir wurde nämlich gerade etwas klar.

„Weißt du eigentlich, was das nur bedeuten kann? Wir sind nicht verrückt, wahrscheinlich sind wir tatsächlich beide schon genau so alt, wie unsere Erinnerungen zurückreichen. Das bedeutet aber auch, wir sind keine Menschen, nicht wirklich, nicht mehr, vielleicht sogar nie gewesen. Nadia, das ist der Grund! Darum haben sie und eingesperrt! Und daraus ergibt sich dann auch noch mehr für uns, sie werden uns jagen und nicht locker lassen, niemals, vermutlich, weil sie denken, wir sind viel zu gefährlich, und wer weiß, vielleicht sind wir das sogar!“

Sie sah mich völlig entgeistert an.

„Okay, okay, aber willst du es denn nicht einmal probieren?“

Ich seufzte leise auf, ich hatte den Eindruck, dass sie mir nicht wirklich zugehört hatte.

„Nadia, sie werden uns so lange jagen, bis sie uns wiederhaben, hast du denn gar keine Angst davor? Wünschst du dir denn gar nicht, du wärst lieber in der Anstalt geblieben?“

Sie sah mich jetzt ziemlich ernst und vielleicht sogar ein bisschen wütend an.

„Du bekommst erst die Antwort von mir, wenn du es endlich probiert hast!“

Ich hielt seufzend aber gehorsam die Hand hoch, dann versuchte ich, mir vorzustellen, wie meine Finger länger würden, und prompt passierte auch genau das. Es fühlte sich total merkwürdig an, aber nicht unangenehm, und mir wurde noch etwas dabei klar. In unserem Körper steckte sehr viel mehr Macht, als ich es mir jemals erträumt hätte, auch in meinen kühnsten Träumen nicht. Diese eigentlich tödlichen Medikamente in der Anstalt hatten anscheinend noch deutlich mehr bewirkt, als uns klar gewesen war. Gleichzeitig überflutete mich ein Gefühl der grenzenlosen Macht, ich war übermenschlich und konnte alles erreichen, wenn ich es nur wollte. Ich war dazu in der Lage, die Weltherrschaft an mich zu reißen, alles, was ich tun musste, war danach zu greifen!

Der letzte Gedanke riss mich von meinem Höhenflug wieder herunter, allerdings war das Ganze für einen winzigen Moment echt beängstigend gewesen, fast ein bisschen so, als ob ich für eine Sekunde lang nur ein Zuschauer im eigenen Körper wäre, und keinerlei Kontrolle mehr darüber gehabt hatte, was ich als Nächstes tun würde. Allerdings war noch etwas merkwürdig dabei gewesen, nicht schlecht merkwürdig, sondern gut merkwürdig. Ich hatte problemlos die Gewalt über mich und meinen Körper übernehmen können, obwohl es sich fast ein wenig so angefühlt hatte, als hätte das eigentlich sehr viel schwerer oder eventuell sogar unmöglich sein müssen. Vielleicht war das ja auch wieder eine alte Erinnerung?

Die ganze Situation und mein Geist fühlten sich so konfus und verwirrend an, dass ich den Kopf schüttelte, um die Gedanken wieder freizubekommen. Nadia suchte sich genau diesen Moment aus, um es aus ihrer Sicht heraus zu erklären, und ich war echt froh, dass ich ihren Worten überhaupt folgen konnte, denn offensichtlich war sie bereits einen riesengroßen Schritt weiter gekommen als ich.

„Was denkst du darüber? Ich habe das Gefühl, sie haben etwas bei uns getestet, ein Experiment, und es nicht hinbekommen, oder sie haben es fast geschafft und jemand anders hat es danach versucht zu fixen, was aber nicht geglückt ist. Ein paar Jahrzehnte später hat es dann wohl doch noch geklappt mit dem freien Willen, zu unserem Glück. Verdammt viel Glück bei der ganzen Sache. Ich traue dieser Geschichte selbst nicht, und meiner Erklärung keinen deut mehr. Und du auch nicht, oder?“

Ich schüttelte verwirrt den Kopf, das war mir einfach ein bisschen zu viel, was gerade alles an Gefühlen auf mich eingestürmt war.

„Die eigentliche Frage, meine liebe Selen, ist also: Sollten wir gemeinsam zurückgehen und uns ihnen stellen? Oder glauben wir, das wir uns gut genug im Griff zu haben, um keine Gefahr für unsere Mitmenschen darzustellen?“

Ihr Blick war dabei flehentlich, als erhoffte sie sich von mir die eine richtige und wahre Antwort auf ihre Frage, wobei die Art und Weise, wie sie sie gestellt hatte, bereits deutlich machte, dass sie sich selbst genauso unsicher wie ich mir bei dieser Sache war. Verletzen oder gar töten wollten wir beide ganz sicher niemanden, auch wenn es in letzter Zeit bei mir eindeutig an der Umsetzung gehapert hatte. Ich zuckte mit den Schultern und konnte die Tränen nicht unterdrücken, die mir plötzlich in den Augenwinkeln standen.

„Ich will nicht zurück, Nadia, ich kann nicht. Sie haben mir Rüdiger geschickt, und der hat meine Seele in kleine Fetzen zerrissen. Ich kann nicht erneut in die Gefangenschaft, egal was passiert, und wenn wir wirklich so gefährlich sind, dann beende ich lieber mein Leben. Wir werden bestimmt nicht auch noch unsterblich sein.“

„Und mein Platz ist an deiner Seite, Selen. Auch wenn du es schon wieder bezweifelst.“

Sie legte einen Finger auf meine Lippen.

„Nein, sag nichts, ich weiß, du willst mich ja eigentlich nur beschützen und ich nehme es dir auch nicht mehr ganz so übel, wenn du mich von dir fortstößt, ich versuche es jedenfalls.“

Diesmal konnte ich nicht anders, ich warf mich ihr weinend in die Arme und versuchte mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatte recht, auch für sie gab es nicht wirklich eine Wahl, es war besser, tot zu sein, als Jahrzehnt um Jahrzehnt in der Anstalt vor sich dahinzuvegetieren, bis wir irgendwann Schimmel ansetzten. Und ein Leben ohne sie an meiner Seite war für mich völlig ausgeschlossen, das sagten mir meine Gefühle immer deutlicher, und vermutlich ging es ihr genauso wie mir.

Wie klar und einfach manche Gefühle auf einmal waren, vorher unter Drogen war sie mir die Schwester gewesen, ohne die ich nicht leben wollte, jetzt war sie plötzlich so viel mehr, und ich konnte nach wie vor nicht ohne sie. Nicht einmal, wenn es sicherer für sie gewesen wäre. Auch wenn sich mein Magen dabei zusammenzog, sie unter Umständen irgendwann verletzt oder gar schlimmer sehen zu müssen.

„Also gut, ich werde es nie mehr probieren, dich in Sicherheit zu bringen. Vielleicht gibt es so etwas wie Sicherheit sowieso nicht mehr für uns. Ich kann nur noch versuchen, dich wenigstens zu beschützen, denn ohne dich kann ich nicht mehr sein. Ich wollte doch nur wissen, dass du noch lebst, irgendwo, mit irgendwem, aber zumindest doch lebendig bist, und es dir besser geht als mir.“

Sie meinte leise: „Das ist nicht möglich und wird es niemals sein. Ohne dich werde ich nirgends glücklich, das weiß ich ganz genau. Und du eigentlich auch.“.

Ich musste ihr recht geben, als sie sich noch enger an sich drückte, was unsere Körper ganz dicht zueinander brachte. Das fühlte sich sehr schön für mich an, auch wenn ich danach alles, was ich noch sagte, noch nur in ihr T-Shirt nuscheln konnte und mir noch dazu mehr oder weniger die Luft wegblieb. Wir klammerten uns für den Rest der Reise verzweifelt aneinander, an Sex dachte keine mehr von uns, und wurden mit dem Zug an einen Ort gebracht, an dem wir uns weder sicher noch heimisch fühlen würden. Wir hatten kein Geld und unsere Zukunft war bestenfalls beängstigend.

Über den schlimmsten Fall wagte ich nicht einmal nachzudenken.

 

4 Der Engel von München

Als wir endlich in München auf dem Hauptbahnhof ankamen, erwartete uns dort der nächste Schock. Ich sah auf dem Bahnhof an einem Kiosk aus der Ferne im Vorbeifahren die Bildzeitung, die anscheinend nach wie vor noch genau das Gleiche wie damals druckte, sie sah jedenfalls mehr oder weniger genauso aus, und die Schlagzeilen waren nach wie vor ebenso reißerisch. Das Foto auf der Titelseite und die Überschrift fingen jedoch meinen Blick geradezu magnetisch ein, also ging ich zu dem Stand und kaufte das Blatt, auch wenn es mir eigentlich gegen den Strich ging, für so einen Schund Geld zu bezahlen.

Der Zeitungshändler sah mich ein wenig merkwürdig an, als ich mit zitternden Händen die Zeitung bezahlte, es war mir in dem Moment allerdings egal, vermutlich entsprach unser Äußeres gerade nicht mehr ganz der Norm, oder er dachte, wir wären auf Drogen oder so etwas in der Art. Wir verdrückten uns in eine dunkle Ecke auf dem Bahnhof, setzten uns auf den Boden und lasen gemeinsam den Artikel.

Die Überschrift in lautete: „Pfleger von Pflegerin grausam ermordet!“

Das Bild zeigte Rüdiger. In dem Artikel stand nur Unsinn, angeblich hatte eine Angestellte der Klinik Rüdiger erschlagen und sich dann selbst erhängt, in der gleichen Zelle, in der sie vermeintlich auch die Bluttat verrichtet hatte. Die Bildzeitung spekulierte dann noch, ob der Osten immer brutaler würde und ob das vielleicht noch irgendwelche Zusammenhänge zu den Wahlen hatte, bei denen die Nationalsozialisten anscheinend nicht zum ersten Mal richtig gut abgeschnitten hatten. Als Nadia diesen Teil des Berichts hörte, wurde sie, falls das überhaupt möglich war, noch leichenblasser als vorher.

„Was bedeutet das, müssen wir ins Ausland? Sie werden doch nicht die Nazis wieder zurückbringen, oder? Selen, das ist doch furchtbar, wie kann jemand diese Monster nach den Gräueln des letzten Krieges noch einmal wählen?“

Ich schüttelte ungläubig den Kopf, meinte dann aber ihr zuliebe deutlich beruhigender, als ich es selbst empfand:

„Ach, das glaube ich nicht, oder hoffe ich wenigstens, das sind bestimmt nur die ewig-gestrigen, für die waren früher die Hungerjahre der großen Rezession auch die gute, alte Zeit. Falls sie aber tatsächlich an die Regierung kommen, dann müssen wir je nach Lage der Dinge schnellstmöglich aus Deutschland verschwinden. Vielleicht erst mal in den Osten Europas oder so, da ist die Reise kurz und sie werden nicht so genau auf die Papiere schauen, falls wir bis dahin noch keine haben. Da hatten wir ja eh schon ein paar Mal darüber gesprochen.“

Aufgeregt fuhr sie fort, ich war nicht sicher, ob sie mir überhaupt zugehört hatte.

„Aber für uns fast noch schlimmer ist ja der Unsinn über Rüdiger, woher kommt das denn plötzlich? Du hast ihn umgebracht und nicht Anna!“

Ich zuckte zusammen, auch wenn das so stimmte, bedeutete das nicht, dass ich es gerne so deutlich ausgesprochen hörte, ließ mir aber nichts anmerken und antwortete ihr ohne größere Verzögerung.

„Anna ist tot, Nadia, und das kann eigentlich nur bedeuten, sie hat ihn gefunden, die Telefonnummer aus unseren Akten angerufen und musste dafür sterben. Und es bedeutet noch etwas, wer auch immer kommt und uns jagt, es wird nicht die Polizei sein, sonst würden sie offiziell nach uns fahnden. Irgendetwas Entscheidendes hat sich in dem Spiel geändert, und ich wüsste zu gerne, was das war. Vielleicht ein Machtwechsel in einer maßgeblichen Position? Ich weiß es nicht, anscheinend agieren diese Menschen nicht gemeinsam mit den Behörden. Ich weiß gar nichts mehr, ich bin müde, fertig und verwirrt. Wo sollen wir schlafen und wo kriegen wir einen Job her?“

Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen sie und konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken, sie versuchte, mich zu trösten, allerdings ging es ihr selbst ja auch nicht viel besser als mir. Es war mittlerweile einfach alles viel zu viel gewesen. Die Monate ohne Schlaf wegen Rüdiger, der gewaltsame Drogenentzug im Wald, die lange Zugreise quer durch Deutschland, plötzlich holten mich meine Erlebnisse ein, jetzt, wo wir nur noch gestrandet waren und es nichts mehr zu tun gab, außer die letzten und neuesten Erkenntnisse zu verdauen.

„Kann ich etwas für euch tun, braucht ihr Hilfe?“

Mein Kopf zuckte nach oben und meine Augen erblickten eine sehr alte Lady, die direkt vor uns stand, und so aussah, als könnte sie selbst dringend Hilfe gebrauchen. Sie hatte allerdings trotz ihres abgerissenen Äußeren eine blaue Weste an, auf der stand in großen und neutralen Buchstaben, die so gar nicht das widerspiegelten, was diese menschlichen Engel für andere Menschen taten: „Bahnhofsmission“.

Diese Leute gab es schon sehr lange, jedenfalls erinnerte sogar ich mich an sie, sie helfen gestrandeten und hilflosen Menschen in Not, nur hatte ich dabei eigentlich immer eher an Obdachlose gedacht. Ich sah Nadia und mich selbst an, wir stanken nach Wald, Rauch, Moder und nach Erbrochenem, Letzteres hoffentlich nicht allzu heftig, die Klamotten durchs Unterholz zerrissen und schmutzig, und die Gesichter sahen wahrscheinlich so aus, als ob wir tatsächlich drogenabhängig waren. Was wir streng genommen sogar waren, wir waren ja gerade erst einmal einen einzigen Tag befreit von unseren ‚Drogen‘.

„Wir haben kein Geld mehr und wissen nicht, wo wir eine Arbeit und ein Platz für die Nacht finden könnten.“

Nadia war wie so oft ein bisschen schneller von Begriff und außerdem schlagfertiger als ich.

Die alte Dame schenkte uns ein freundliches Lächeln, das tatsächlich irgendwie den Tag ein wenig heller machte und meinte: „Dann kommt doch einfach mal mit, ihr zwei beiden.“

Ich holte Luft und wollte etwas erklären, sie winkte jedoch schlicht ab, drehte sich um und ging sofort los. Wir sprangen auf, rafften unsere Habseligkeiten zusammen und beeilten uns damit, ihr zu folgen. Sie war so flink für ihr Alter, dass wir fast nicht mitbekommen hätten, was sie uns gerade erklärte.

„Nein, nein, ihr braucht bei uns nichts zu erklären. Ihr solltet nur gut auf euer Hab und Gut aufpassen, in unseren Schlafsaal gibt es viele verzweifelte Seelen, die manchmal leider auch fehlgeleitet werden, so schicke und neue Rucksäcke hat da niemand sonst. Wo kommt ihr denn her, seid ihr sehr weit gereist?“

Ich überlegte einen Moment lang, was ich ihr erzählen sollte, irgendeine Erklärung musste ich schließlich für unser abgerissenes Aussehen liefern, dann antwortete ich ihr.

„Quer durch Deutschland, aber wir mussten eine Pause einlegen, kalter Entzug ist nicht wirklich angenehm, und zum Reisen taugt er erst recht nicht.“

Sie hob eine Augenbraue und sah uns zu meiner Verwunderung nicht sehr kritisch an, sondern eher schon irgendwie respektvoll.

„Ja, ihr seid damit nicht wirklich allein, für einen Kalten seht ihr aber sogar noch richtig gut aus. War wohl nicht so wild, was ihr euch da eingeworfen habt. Habe selber so was auch hinter mir, ist aber schon ein paar Jährchen her. Vielleicht auch mehr als nur ein paar. Egal, wir wollen das alles eigentlich gar nicht wissen, kommt einfach so mit, finde ich aber trotzdem nett, dass ihr es mir anvertraut habt, ich mag ehrliche und offene Menschen. Darf ich euch nach euren Namen fragen?“

Nadia antwortete zu meiner Überraschung diesmal mit unseren richtigen Namen: „Ich heiße Nadia, und das hier ist Selen Müller. Allerdings sind wir keine Schwestern, und ich fürchte auch, Müller ist nicht einmal der Name, mit dem wir geboren wurden, aber es ist der Einzige, den wir kennen. Das ist alles eine sehr lange Geschichte, schätze ich.“

Die alte Frau strecke uns ihre Hand hin: „Ich bin Elisabeth Krüger und kümmere mich hier um den Bahnhof.“

Sie klang dabei ein bisschen so, als würde der Bahnhof ihr gehören und ich fragte mich, wie ihre Geschichte wohl aussah, vermutete aber, dass sich in ihrem Leben, genau wie bei uns ebenfalls, nur wenig Normales ereignet hatte.

Erst schüttelte Nadia ihre Hand, und dann ich, woraufhin sie plötzlich zusammenzuckte, stehen blieb und mit erstaunlicher Kraft meine Hand umklammert hielt. Dann ließ sie mich wieder los und ging völlig gelassen weiter, als wäre nichts passiert. Ich sah Nadia bedeutungsvoll an, woraufhin diese mit den Schultern zuckte, ich wollte es jedoch nicht dabei belassen und hakte nach.

„Warum sind sie denn eben so komisch zusammengezuckt, ist alles in Ordnung?“

„Ich bin keine „Sie“, ich bin eine „Du“. Das hast du bemerkt, ja? Meistens tun es die Leute als das schrullige Verhalten einer alten Frau ab.“

Sie kicherte laut, als sie es sagte.

„Willst du es wirklich wissen? Es ist nicht leicht, zu erklären, und sonderlich schön ist es auch nicht, aber auch nicht unbedingt schlimm, oder? Wenn ihr es ernsthaft wollt, dann erzähle ich es euch, aber erst, wenn wir in der Mission angekommen sind. Also, willst du es wissen? Manche, ja sogar viele, wünschen sich, sie hätten es nicht erfahren.“

Ich zog die Augenbrauen hoch und sah Nadia verwirrt an, die wieder mit den Schultern zuckte, dann aber nickte.

„Ja, wir wollen es wissen.“

„Ihr gehört zusammen, ja, das ist gut, und so muss es auch bleiben, nur zusammen habt ihr eine Chance. Aber jetzt sage ich nichts mehr. Kommt, wir gehen erst mal rein.“

Wir waren mittlerweile in den Räumlichkeiten angekommen, die anscheinend zur Bahn gehörten, und betraten das Gebäude, wo einige Leute zu sehen waren, allerdings keine weiteren Missionsmitarbeiter, sondern nur Menschen, die auf Hilfe und Zuwendung warteten.

Wir betraten ein Zimmer, in dem ein Schreibtisch und ein paar Sitzgelegenheiten standen, ansonsten aber niemand mehr anwesend war. Sie deutete wortlos auf zwei Stühle, wartete, bis wir und hingesetzt hatten, und nahm sie sich anschließend selbst auch einen und setzte sich direkt vor uns. Dann hielt sie mir ihre Hände hin und ergriff meine, die ich ihr gehorsam hinstreckte.

„Also, meine Kinder, für euch wird es nicht einfach werden, denn ein mächtiger Sturm zieht auf, und ihr müsst euch notgedrungen darauf vorbereiten! Ihr braucht da nicht alleine durch, ihr dürft euch auch helfen lassen, aber das Wichtigste für euch ist erst einmal, ihr solltet unbedingt das Kämpfen erlernen. Mehr kann ich euch leider auch nicht sagen, ich sehe nur das.“

Mit diesen Worten stand sie auf und war aus der Tür, bevor Nadia und ich auch nur irgendetwas sagen konnten. Verblüfft sahen wir uns an und ich zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, was das jetzt war, das ist mit Sicherheit die merkwürdigste Frau, die ich je in meinem Leben getroffen habe, ausgenommen vielleicht einige unserer Mitinsassinnen in der Anstalt. Bin ja mal gespannt, was sie noch so alles erzählt.“

Allerdings kam sie nicht mehr zurück, und wir warteten immerhin etwa zwei Stunden lang, bis jemand ganz anderes das Zimmer betrat und uns fragte, was wir da eigentlich täten. Wir erklärten ihm alles und waren mittlerweile nicht mehr richtig erstaunt, als er bei der Beschreibung seiner Kollegin sehr merkwürdig reagierte.

„Wie war ihr Name gleich wieder? Elisabeth Krüger? Und wie sah sie aus? Alte Frau, sieht selbst ein wenig nach obdachlos aus, ist aber noch erstaunlich fit?“

Wir nickten bei jeder seiner Fragen, woraufhin er die Stirn runzelte, gleichzeitig aber ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte, er sah jedenfalls nicht zornig aus.

„Sie ist der Engel vom Münchner Bahnhof oder der Geist, das kommt ganz darauf an, wen ihr fragt. Sie ist nicht wirklich eine Kollegin, aber sie bringt uns immer wieder mal bedürftige Frauen an. Allerdings sind das auch stets Frauen, die niemand von uns anderen mitgenommen hätte.“

Dann nickte er, wie zu sich selbst.

„Sie lag noch nie falsch.“

Nach einer weiteren gedankenverlorenen Pause sah er uns erneut an. „Was können wir denn für euch tun? Braucht ihr etwas von uns?“

Ich blickte schnell Nadia an, und dann nach einem Moment wieder den Mann.

„Wir sind hier in München gestrandet, ich heiße Selen und das hier ist Nadia, Elisabeth meinte, wir könnten hier bei euch vielleicht eine Nacht unterkommen. Aber wenn es nicht geht, dann machen wir uns auch wieder auf die Socken, wir finden schon etwas...“

Er unterbrach mich mir einem Winken: „Nein, nein, das ist schon okay, ihr dürft gerne hier bei uns bleiben. Habt ihr Hunger? Sehr viel haben wir leider nicht, nur Brot und Tee, aber das könnte ich euch anbieten.“

Ich schüttelte erleichtert den Kopf, zumindest konnten wir die Probleme bis morgen erst einmal aufschieben, vielleicht fiel uns ja bis dahin auch noch etwas ein, wie wir für unseren Unterhalt sorgen würden. Er brachte uns ohne weitere Fragen in den Schlafsaal der Mission, wo wir eine Pritsche zugewiesen bekamen.

Ich sagte ihm sofort, dass eine für uns beide reichen würde, ohne damit auf Nadia zu warten, ich wollte auf gar keinen Fall in diesem Raum alleine schlafen. Sie nickte erwartungsgemäß auf der Stelle zustimmend und beschwerte sich nicht, obwohl ich ihr ohne Rückfrage die Entscheidung abgenommen hatte. Ich hatte jedoch auch nicht ernsthaft damit gerechnet, nicht nach allem, was im Zug vorgefallen war.

„Nun ruht euch erst mal aus, ihr seht ziemlich fertig aus, braucht ihr noch zwei Decken? Keine Angst, sie sind frisch gewaschen.“

Wir nickten begeistert und kurze Zeit später lagen wir ziemlich erleichtert eng aneinander gekuschelt in einer unauffälligen Ecke in dem großen Schlafsaal und schliefen tief und fest.

Ein merkwürdiges Gefühl und ein leises Räuspern weckten mich irgendwann auf, ich konnte nicht sagen, wie lange ich geschlafen hatte. Als ich die Augen öffnete, blickte ich in das bärtige und faltige aber durchaus freundliche Gesicht eines älteren Mannes. Er hatte einen in die Jahre gekommenen und zerfransten Cowboyhut auf, dem man die Vergangenheit genauso wie seinem Besitzer ansah, war braungebrannt und wettergegerbt, trug ein Flanellhemd und eine alte, teilweise fadenscheinige Jeans, und blickte mich in diesem Moment neugierig und ziemlich durchdringend an.

Ein wenig konsterniert wegen seines aufdringlichen Verhaltens setzte ich mich auf, was Nadia zum Glück nicht weiter störte, sie schlief offenbar tief und fest. Er zeigte mit einem Kopfnicken auf die Tür nach draußen, damit andeutend, dass er mit mir reden wollte, stand auf und ging in genau diese Richtung, wobei er nicht einmal nachsah, ob ich seiner Einladung auch Folge leistete.

Ich rang einen Moment mit mir, meine Gefühle schwankten eine Sekunde lang zwischen Trotz und Neugier hin und her, zog mir dann jedoch die Schuhe an und folgte ihm, die Klamotten hatten wir beide eh fast komplett angelassen, das war nicht der richtige Ort, um nackt oder auch nur fast nackt zu schlafen.

Als wir den Schlafsaal verlassen hatten, der voller schlafender, obdachloser Menschen war und vermutlich nicht mehr ganz so gut riechen würde, nachdem ich erst einmal an der frischen Luft gewesen war, und hinaus in die Nacht schritten, fing er an zu reden, er hatte eine sehr tiefe Stimme, die unerwartet angenehm klang und schon fast klischeehaft zu seinem Äußeren passte.

„So, diesmal stimmt also die Gerüchteküche völlig mit der Realität überein, der ganze Bahnhof summt quasi schon fast ein wenig fiebrig wegen euch beiden. Zwei obdachlose Mädchen, die viel zu gut aussehen, um sich wirklich als Obdachlose zu eignen. Was ist denn eure Geschichte, warum seid ihr ausgerechnet hier gelandet?“

Leise fing ich an zu fluchen, wenn sich Gerüchte hier so schnell verbreiteten, dann waren wir hier nicht sicher, ich fragte mich nicht zum ersten Mal, ob wir doch gleich ins Ausland hätten gehen sollten, vielleicht irgendwohin in den Osten oder Südamerika, allerdings braucht man für größere Strecken Geld, wenigstens ein bisschen. Und in diesen Ländern würden wir kämpfen und unter Umständen sogar töten müssen, da zählt ein Menschenleben nicht so viel wie hier. Ich setzte zu einer Antwort an, er fuhr jedoch bereits fort, als hätte ich ihm schon alles gesagt, was er wissen musste.

„Jemand ist hinter euch her, Polizei?“

Ich schüttelte den Kopf und meinte leise: „Schlimmer, viel schlimmer.“

„Mehr will ich gar nicht wissen. Keine Angst, wir reden nicht mit denen aus der Gesellschaft und wir verraten die unsrigen nicht, nicht einmal für Alkohol. Nicht, dass es einige nicht hin und wieder versuchen, mit uns zu reden, allerdings hören sie uns dabei selten richtig zu.“

Er lachte kurz und humorlos auf.

„Jedenfalls solange sie sich nicht in einer ähnlichen Situation wie wir befinden, so wie ihr beide gerade. Man sagt sich, ihr habt sogar den Geist gesehen? Ist schon erstaunlich, dass sie immer noch unterwegs ist, sie muss über hundert Jahre alt sein und lebt nach wie vor irgendwo auf der Straße. Zähes, altes Mädchen, jaja.“

Ich beruhigte mich ein wenig und fragte mich, ob er von mir erwartete, dass ich ihn unterbrach und ebenfalls etwas zu unserem Gespräch beitrug, er redete ohne Unterlass. Und selbst diese Frage beantwortete er, ohne dass ich auch nur ein Wort sagen musste.

„Ja, ich weiß, ich rede sehr viel, normalerweise schweige ich recht viel, ich bin echt froh, wenn mir einmal jemand zuhört. Ich finde, ihr solltet nicht auf der Straße leben. Ich habe mit Sicherheit eine bessere Idee für euch zwei.“

Er ergriff mein Kinn mit seinen rauen, vernarbten und stark schwieligen Händen, hielt mein Gesicht ins Licht, drehte es hin und her und ich ließ ihn zu meiner eigenen Verwunderung widerstandslos gewähren, irgendetwas an ihm flößte mir Vertrauen ein.

„Ihr seht beide wirklich so hübsch aus, wie man es sich erzählt. Modeln kommt aber nicht in Frage, wenn jemand hinter euch her ist, denn so etwas erzeugt sehr schnell zu viel öffentliche Aufmerksamkeit, vor allem, wenn ein Mädchen dermaßen schön ist, und das Netz ist schnell, sehr schnell. Eine Arbeit in der Nachtschicht vielleicht? Dann trifft man nicht so viele Leute. Eventuell solltet ihr kellnern, da bekommt ihr gutes Trinkgeld und könnt euch ein Ticket für den Notfall zusammensparen. Ich kenne sogar einen Wirt, der wenig Fragen stellen wird und nicht nur eine Bedienung sucht, sondern euch auch noch ein Zimmer anbieten kann. Allerdings wird er es nicht zulassen, falls ihr noch vorhabt bei seinen Kunden noch einen kleinen Nebenverdienst einzustreichen. Er mag das horizontale Gewerbe nicht besonders. Was denkst du, soll ich euch mal vorstellen?“

„Perfekt.“, entschlüpfte es mir bereits, bevor ich auch nur lange darüber nachdenken konnte, denn Nadia war mit Sicherheit ebenso begeistert wie ich.

„In Ordnung, also werde ich euch morgen früh abholen, ich darf hier nicht übernachten, die Mission ist nämlich ausschließlich Frauen vorbehalten.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739325965
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (November)
Schlagworte
Futanari Transsexuell Sex Dickgirl Liebe Erotik Erotischer Liebesroman Liebesroman

Autor

  • Julian Bates (Autor:in)

Wo liegen die Grenzen der Phantasie? Das ist eine Frage, die mich immer wieder einmal beschäftigt hat. Irgendwann im Laufe eines Lebens kommen die Meisten zu dem Schluss, man kann es nicht allen recht machen, und man muss sich seine eigenen Grenzen ziehen. Meine Phantasie hat natürlich keine Grenzen, allerdings respektiere ich andere Menschen und ihre Würde. Freiwilligkeit, Respekt und Liebe für den/die Partner ist die Basis für alle meine Geschichten.
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Titel: Forever young