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Like a (bad) Dream

von Juliane Seidel (Autor:in) Juliane Seidel (Herausgeber:in) Tanja Meurer (Autor:in) Carmilla DeWinter (Autor:in) Annette Juretzki (Autor:in) Svea Lundberg (Autor:in) Thomas Pregel (Autor:in) Dima von Seelenburg (Autor:in) S. B. Sasori (Autor:in) Dennis Stephan (Autor:in) Jana Walther (Autor:in) Elea Brandt (Autor:in) Barbara Corsten (Autor:in) Jona Dreyer (Autor:in) Jannis Plastargias (Autor:in) Jobst Mahrenholz (Autor:in) Chris P. Rolls (Autor:in) Elisa Schwarz (Autor:in) T. A. Wegberg (Autor:in)
469 Seiten
Reihe: Like a Dream, Band 2

Zusammenfassung

Der Blog Like a Dream wird erwachsen – ein Grund für 18 Autor*innen, sich erneut für eine Benefizanthologie zusammenzufinden. Wo bleiben Träume, wenn man im Copacabana Palace ums Überleben kämpft, einen Nix trifft oder seinen Auftragskiller kennenlernt? Wie befreit man seinen Geliebten aus einem Albtraum, stellt sich lange unterdrückten Sehnsüchten oder wird mit einem Dämon fertig? 18 mitreißende Geschichten voller (Alb)Träume, mal hoffnungsvoll und romantisch, mal düster und nachdenklich, zwischen Gegenwart, fernen Welten und Vergangenheit. Der komplette Erlös geht an vielbunt e.V., die damit queeren Flüchtlingen unbürokratisch und schnell helfen. Mit Beiträgen von: Elea Brandt, Barbara Corsten, Carmilla DeWinter, Jona Dreyer, Annette Juretzki, Svea Lundberg, Jobst Mahrenholz, Tanja Meurer, Jannis Plastargias, Thomas Pregel, Chris P. Rolls, S. B. Sasori, Elisa Schwarz, Juliane Seidel, Dima von Seelenburg, Dennis Stephan, J. Walther und T. A. Wegberg.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

 

Herausgeberin: Juliane Seidel

© Juliane Seidel, 2019

Zietenring 12

65195 Wiesbaden

www.juliane-seidel.de

www.like-a-dream.de

koriko@gmx.de

Cover: © Manu Ancutici

Bildrechte: Snapwire, Pexels; Romain Kamin, Pexels; Benjamin Davies, Unsplash

 

Lektorat: Juliane Seidel, Sandra Gernt, Dennis Stephan, Kristina Arnold, Tobias Keil, Moni Luff, Julia Fränkle, Annette Juretzki, Carmilla DeWinter

 

Korrektur: Juliane Seidel, Johanna Temme, Dennis Stephan, Dima von Seelenburg, Bernd Frielingsdorf, Elisa Schwarz, Lena Carl, Doris Lösel, Annette Juretzki, Jana Walther

 

Satz eBook: Juliane Seidel, Jana Walther

 

 

Sämtliche Personen dieser Geschichten sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.

Im wahren Leben gilt: Safer Sex.

Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen auch nicht kopiert oder weiterverkauft werden. In jedem Buch steckt jahrelange Arbeit, bitte respektiert das. Die Autoren freuen sich sehr über Rückmeldungen, zb bei Facebook, per Mail oder als Rezension.

Vorwort

 

Als im Oktober 2016 mit „Like a Dream“ die erste Benefizanthologie erschien, nahm ich mir vor, so schnell keine weitere herauszugeben. Ein knappes Jahr Arbeit lag hinter uns – sowohl hinter mir, als auch hinter all den lieben Autor*innen, Designern und Menschen, die mich von der ersten Idee, über die Planung bis hin zum fertigen Buch begleitet haben. So schön es war, die fertige Anthologie in den Händen zu halten, es bedeutete meine eigenen Romanprojekte zurückzustellen und mich intensiv mit den Geschichten anderer Autoren zu beschäftigen.

Letztendlich waren es aber genau diese Geschichten und die Zusammenarbeit mit befreundeten Kolleg*innen und Autor*innen, die mich meine Vorsätze schnell vergessen ließen und den Weg für diese Anthologie ebneten. Dass mein Blog „Like a Dream“ (www.like-a-dream.de) im März 2019 volljährig wurde, bot einen passenden Aufhänger, um „Like a (bad) Dream“ in Angriff zu nehmen und den 18. Geburtstag meines Blogs mit diesem wundervollen Projekt zu feiern. Einmal mehr lud ich Autor*innen ein, mich mit einer Geschichte zum Thema „Albträume“ und/oder „18 Jahre“ zu unterstützen, denn diese Anthologie sollte düsterer und erotischer werden.

Einige Autor*innen, die bereits in der ersten Anthologie vertreten waren, liefern auch dieses Mal eine Kurzgeschichte, andere sind zum ersten Mal dabei. Ich freue mich über die vielfältigen Beiträge, die „Like a (bad) Dream“ zu etwas Außergewöhnlichem machen.

Es erfüllt mich mit Trauer, dass Kai Brodersen leider nicht mit einer Geschichte vertreten sein kann, obwohl er bereits Ideen und einen festen Platz in unserem Buch hatte. Er erlag viel zu früh einem Krebsleiden. Nichtsdestotrotz ist er ein Teil dieser Anthologie – sein Platz wurde weder nachträglich besetzt, noch wurde er aus der Liste getilgt. Auch ist „Like a (bad) Dream“ ihm gewidmet – er fehlt uns allen.

Für die Umschlaggestaltung der Anthologie, die Innengestaltung und dem weiterführenden Design zeichnet sich dieses Mal Manu Ancutici aus, die sofort bereit war, den „Bad Dreams“ der Autor*innen ein passendes Gesicht zu verleihen und etwas ganz Besonderes zu zaubern. Und obwohl das Cover keine Ähnlichkeiten zur ersten Anthologie aufweist, ist es doch wunderbar passend und fängt auf subtile Art die Stimmungen aller Geschichten ein – mein Dank an dieser Stelle für die tolle Arbeit.

Auch will ich die Gelegenheit nutzen mich bei Annette Juretzki und Jana Walther zu bedanken, die mir mit Engelsgeduld bei der Erstellung des eBooks und des Buchsatzes geholfen haben. Man kann sagen, dass die Anthologie ohne ihre kompetente und professionelle Unterstützung nicht einmal ansatzweise so schön und ansprechend geworden wäre.

Da alle Einnahmen auch dieses Mal gespendet werden, will ich kurz auf den Verein vielbunt e.V. (www.vielbunt.org) eingehen, den wir mit „Like a (bad) Dream“ unterstützen. Der Verein ist jung und engagiert sich für verschiedene queere Projekte in und um Darmstadt. Da den Autor*innen die queere Flüchtlingsarbeit wichtig ist, kommen alle Einnahmen dem Projekt „Queer Refugees welcome“ zugute.

Ich hoffe, dass auch diese Anthologie mit den mal düsteren, mal heiteren bunten Geschichten überzeugen kann und bedanke mich bei allen Lesern und Käufern, denn ohne sie gäbe es weder Blog, noch Anthologie – vielen Dank für die Unterstützung und Treue.

 

Juliane Seidel, Dezember 2018

 

 

 

Für Kai

 

 

 

 

Achtzehn Gründe

 

S. B. Sasori

 

 

Das Fenster im dritten Stock stand offen. Wie erwartet. Philipp Lettner war ein frischluftsüchtiger Millionär, der aus nur ihm bekannten Gründen ausschließlich in Hotels lebte. Nie im Penthouse, sondern nur in Standardfamilienappartements.

Harke schnippte die Zigarette aus dem Seitenfenster des Mietwagens.

Das Zimmer war dunkel. Noch war sein Ziel nicht zurück. Käme es, würde er es mit ausgesuchter Höflichkeit und einem respektvollen, schnellen Tod begrüßen.

Ein Schuss ins Herz.

Die Pistole wartete in einem Rucksack im Fußraum des Beifahrersitzes auf ihren Einsatz. Ohne Schalldämpfer. Ein Kissen genügte vollkommen. Es würde kein Mord aus dem Hinterhalt und aus Distanz werden. Für eine derart feige Tat war er sich zu schade. Er stellte sich seinen Zielen vor, entschuldigte sich für die kommende Tat, erklärte, wer ihn dazu engagiert hatte und nannte die Gründe. Ohne die Gründe zu kennen, erledigte er nie einen Job.

Dieser Grund war simpel und wurde in achtzig Prozent der Fälle genannt: Geld.

Der Auftraggeber war eine Auftraggeberin: June Lettner. Die Ehefrau seines Zieles.

Philipp Lettner vermittelte unentdeckte Künstler an Galerien und Förderer jeglicher Art; oftmals nur für ein Handgeld. Dennoch besaß er, dank seines vor zehn Jahren verschiedenen Vaters, ein Vermögen: Anteile an Großkonzernen, eine Handvoll Luxusimmobilien in Weltstädten, eine Kunstsammlung, für deren Bewachung Securitys eingestellt worden waren.

Nachdem der gemeinsame Sohn vor zwei Jahren bei einem Unfall auf einer der Serpentinenstraßen um den Comer See verunglückt war, war Frau Lettner die alleinige Erbin.

Keine Frage, der Tod ihres Mannes lohnte sich für sie.

Noch ein Schluck von dem mittlerweile kalten Kaffee und Harke vertraute die Pistole dem Hosenbund an. Ein Schulterholster wäre bequemer, aber würde ein Jackett erfordern. So genügte der schwarze Rollkragenpullover, um sie zu verbergen. Ihn würde ohnehin niemand bemerken. Er war gut in seinem Job.

Und er war gut im Klettern. Ursprünglich ein Hobby, mittlerweile fester Bestandteil seiner Arbeit, wann immer es sich einrichten ließ. Es sparte Lebenszeit, das Training mit den Aufträgen zu verbinden.

Das offene Fenster auf der Rückseite und die klassizistische Fassade des Fünfsternehotels kamen ihm bei diesem Job entgegen. Genug Mauervorsprünge für seine Hände und Füße, genug Schatten, um im Notfall in ihn einzutauchen.

Die Überwachungskameras richteten sich auf die Ein- und Ausgänge einschließlich des Lieferanteneinganges und der Fluchttüren. Sie deckten zwar Bereiche der Fassade ab, doch es existierten genügend tote Winkel, da sie fest installiert waren. Das Hotel sparte an der Sicherheit seiner Gäste. Auf dem Markt gab es weitaus sinnvollere Überwachungssysteme. Das Bellevue verließ sich auf seinen guten Ruf. Der würde heute Nacht einen Kratzer bekommen.

Dreiundzwanzig Uhr dreißig. Es wurde Zeit.

Lettner würde sich noch eine Weile in der Hotelbar aufhalten, wie all die Abende davor. Vor Mitternacht hatte er das Appartement bisher nicht betreten. Frau Lettner hatte ihm versichert, ihr Mann würde generell nie vor zwölf Uhr nachts schlafen gehen. Meist erst wesentlich später.

Die Eheleute lebten getrennt. Sie in der Familienvilla am Comer See, er in den erstklassigen Hotels am Platz der jeweiligen Stadt, in der er seine Geschäfte abwickelte. In diesem Fall in Bern.

Nette Stadt. Nach dem Job sollte er sie sich in Ruhe ansehen.

Die Seitengasse lag still und dunkel vor ihm.

Harke huschte aus dem Wagen, eilte in den Schatten eines Mauervorsprungs. Er legte den Kopf in den Nacken, blickte an der Fassade hinauf. In ihm begann es zu kribbeln. Vor allem im Magen. Er liebte diese leichte Nervosität. Binnen Sekunden paarte sie sich mit Vorfreude auf eine interessante Kletterpartie. Der dritte Stock stellte eine Herausforderung dar. Rutschte er ab, kostete es ihn das Leben oder bescherte ihm ein Dasein im Rollstuhl.

Beides verdiente er seit Jahren, aber das Schicksal hatte ihn bisher verschont.

Er zog sich zum ersten Sims hinauf, ertastete den nächsten Halt. Nur auf den Augenblick konzentrieren. Nicht an die Waffe denken, nicht an den Schuss, der sich bald aus ihr lösen würde. Nicht an die Erschütterung und Angst im Antlitz seines Zieles. Nicht an die Blutlache, die vor seinen Augen in den Teppich sickern würde.

Es war nur ein Job wie all die anderen davor. Einer würde ihn erledigen. Aber nicht so fair wie er. Nicht mit so viel Respekt. Zu töten war eine verantwortungsvolle Aufgabe. Er hatte sie von Kindesbeinen an gelernt. Sein Vater hatte ihn mit den unterschiedlichen Methoden vertraut gemacht, noch bevor Harke zur Schule gegangen war.

Niemand in dem holsteinischen Dorf hatte geahnt, dass der freundliche Grundschullehrer einen lukrativen Nebenjob ausübte. Sein Vater hatte nie über seine Klienten gesprochen. Nur über seine Ziele. Die letzten Augenblicke mit ihnen und wie wertvoll sie für ihn waren.

Er verunglückte mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule. Der Fahrer eines parkenden Wagens öffnete die Tür, der Lehrer Olaf Wendland fuhr dagegen und wurde so unglücklich auf die Straße geschleudert, dass sein Genick brach.

Schicksal war eine seltsame Angelegenheit.

Der zweite Sims. Zu viele Gedanken im Kopf. Er musste sich auf den Job konzentrieren.

Seine Mutter hatte ihn danach fortgeschickt. In ein Internat. Sein Geschichtslehrer wurde sein erstes Ziel. Jahre, nachdem Harke die Einrichtung verlassen hatte. Der einzige Mord, den er ohne Auftrag und ohne jeglichen Respekt, dafür aus ausschließlich persönlichen Gründen verübt hatte.

Das Fensterbrett zu Philipp Lettners Zimmer. Harke schwang sich hinauf, stieg leise von der einen Dunkelheit in die andere.

Ein angenehm schwerer Herrenduft wehte ihm entgegen. Ein Hauch Stress und scharf gebrannter Kaffee befand sich ebenfalls darin.

Kribbeln im Rücken.

Er war nicht allein.

»Wer sind Sie und was machen Sie hier?«

Ein Schatten erhob sich aus einem der beiden Sessel. Breit, groß. Die Stimme voluminös, dennoch schwang eine Trägheit in ihr, die an Überdruss grenzte.

»Ich muss Sie enttäuschen, der Haussafe ist leer. Ich kann Ihnen nur den Inhalt meiner Brieftasche und meine Armbanduhr anbieten.«

Vor ihm stand Lettner. Darauf konnte er Eide schwören, auch wenn er wegen der Dunkelheit lediglich die sportliche Statur erkannte. Bedauerlich. Lettner war ein attraktiver Mann.

»Die Armbanduhr ist vermutlich ein Chronograf und würde jeden Dieb erfreuen. Da ich jedoch kein Dieb bin, ist sie mir gleichgültig.« Er hatte nie viel für solche Dinge übriggehabt.

Lettner neigte den Kopf. »Wer sind Sie dann?«

»Mein Name ist Harke Wendland. Ich bin geschäftlich hier.« Den Zielen stand die Wahrheit zu. Immerhin ging es um die letzten Momente ihres Lebens.

»Und was ist das für ein Geschäft?«

»Ich wurde beauftragt, Sie zu töten.«

Sein Gegenüber zog scharf die Luft ein. »Das ist nicht Ihr Ernst.«

Erstaunlich, er klang überrascht, doch keineswegs erschrocken oder gar ängstlich.

»Durchaus. Ich werde dafür gut bezahlt.«

»Von wem?«

»Von Ihrer Frau.«

Das leise Lachen klang resignierter als jedes noch so tiefe Seufzen. »In diesem Fall bezahle ich Sie.« Mit einer elegant lässigen Geste fuhr er sich durchs Haar. »Allerdings hat sie mein Geld umsonst verschwendet.«

»Bedaure, aber das hat sie nicht. Ich arbeite zuverlässig.« Darauf war er stolz. »Ist es Ihnen recht, für ein wenig Beleuchtung zu sorgen?« Er sah seinen Zielen gern in die Augen. Im Dunkeln zu töten war dasselbe, wie aus großer Distanz; unpersönlich und kaltherzig. Die wenigsten Ziele hatten diese Art Tod verdient.

»Natürlich.« Lettner tippte auf einen Schalter, dimmte das Licht allerdings auf eine niedrige Stufe. »Ich hoffe, das genügt Ihnen. Heute Nacht ist mir nicht nach Helligkeit.«

Auf dem Tischchen neben ihm lag eine Pussi-Pistole mit Perlmuttgriff.

Harke unterdrückte ein Schaudern. »Haben Sie die Ihrer Frau aus dem Nachttisch geklaut?«

»Ja.« Lettner folgte seinem Blick. »Seit ich nicht mehr zu Hause lebe, fürchtet sie sich nachts vor Einbrechern.«

»Ihre Gattin besitzt einen Waffenschein?« Warum erledigte sie den Job dann nicht allein und sparte sich sein Honorar? Wahrscheinlich wegen der anschließenden Mühe, die Leiche zu entsorgen und um dem Risiko zu entgehen, im Gefängnis zu landen.

»Nein, aber das ist auch nicht nötig, um sich eine Pistole zu beschaffen.« Das Zwinkern war ausgesprochen sympathisch, wenn auch nur angedeutet.

Überhaupt machte Lettner einen überzeugenden Eindruck. Die große, sportliche Statur, die schmalen Hüften, die langen Beine. Alles ausgesprochen attraktiv. Auch das sonnengebräunte Gesicht mit den dunklen Augen.

Es lag genug Traurigkeit darin, um mehrere Leben damit zu füllen.

Die Nase schien etwas zu breit und zu flach, als hätte er sie sich gebrochen und danach nicht richten lassen. Der kleine Schönheitsfehler verlieh ihm etwas Verwegenes, das weder zu dem maßgeschneiderten Anzug noch zu den italienischen Schuhen passte. Die braunen Haare waren kurz geschnitten und an den Schläfen deutlich ergraut.

Es stand ihm ausnehmend gut, verlieh ihm etwas Weltmännisch- und Aristokratisches.

Spontan fielen Harke eine Menge Dinge ein, die er lieber mit Lettner machen wollte, als ihn zu töten. Doch Job war Job.

»Sie haben mich nicht erwartet.« Er nickte zu der Pussi-Pistole. »Wozu dann dieses Ding?« Langsam zog er seine Sauer aus dem Hosenbund, legte sie auf den Glastisch neben sich.

Warum kein kleiner, entspannter Plausch, bevor es ernst wurde?

Letter verfolgte seine Bewegungen mit gerunzelter Stirn. »Entweder trauen Sie mir nicht zu, den Mann zu erschießen, der dasselbe mit mir tun will, oder Sie halten mich für einen schlechten Schützen.«

»Weil ich wie Sie meine Waffe beiseitelege?« Lettners Oberlippe war ein wenig voluminöser als die Unterlippe. Im Prinzip ein weiterer Schönheitsfehler, nur dass er bei diesem Mann ansprechend wirkte. »Ich legte mit Ihrer Frau keinen bestimmten Zeitpunkt fest. Meine Deadline endet erst morgen früh um zehn.«

»Weil sie dann auschecken muss und die Sache erledigt haben will.« Seufzend lehnte er sich zurück. »Sie denkt praktisch und ergebnisorientiert. Das ist ihre Stärke.«

Er schien nicht viel davon zu halten.

»Warum wollen Sie sich umbringen?« Gründe für den Tod, gleichgültig, in welcher Verkleidung er daherkam, hatten ihn schon immer interessiert.

»Das geht Sie nichts an.« Für einen Augenblick verloren die schönen Augen jeglichen Ausdruck. »Warum will meine Frau, dass Sie mich umbringen?«

»Sie will Sie beerben.«

»Das ist zu banal für sie. June hat sie mit dieser Information lediglich abgespeist.«

»Das mag sein. Wollen Sie mir den wahren Grund verraten?«

»Wahrscheinlich nicht.« Lettner neigte den Kopf, betrachtete ihn mit echtem Interesse. »Der wievielte Job ist das? Ihrer Gelassenheit nach sind Sie ein Profi.«

»Bin ich, aber die exakte Zahl kenne ich trotzdem nicht. Darüber führe ich nicht Buch.«

»Schätzen Sie.«

»Etwas zwischen drei- und vierhundert, würde ich sagen.« Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. »In fünfzehn Jahren kommt einiges zusammen.«

»Das ist eine Menge.«

Harke zuckte mit der Schulter.

»Bereitet Ihnen die Arbeit Freude?«

»Manchmal.«

Lettner hob die Brauen.

»Jetzt zum Beispiel. Es kommt selten vor, dass ich eine so entspannte Unterhaltung mit meinen Zielen führe.« Noch seltener waren sie so attraktiv wie der Mann vor ihm.

»Für mich gestaltet sich die Nacht ebenfalls unerwartet erfreulich. Als sie begann, fürchtete ich mich davor.«

»Sie sind sehr aufrichtig, Herr Lettner.« Er wurde ihm immer sympathischer, was ihm den Job einerseits erschweren würde, andererseits forderte er ihn heraus.

»Sie täuschen sich.«

Wieder der verschlossene Blick.

»Ich bin ein verlogener Bastard. Deswegen sitze ich hier neben der Pistole meiner Frau und warte auf den Moment, in dem ich sie mir an die Schläfe halte und abdrücke.«

»Das können Sie sich nun sparen. Ich bin ja da.«

»Was für ein Glück für mich.« Das Lächeln huschte flüchtig über die, auf eine ungewohnte Weise, sinnlichen Lippen. »Lassen Sie uns etwas trinken.« Lettner erhob sich. »Im Schlafzimmer steht Champagner.« Er stieß die Tür zum Nebenzimmer auf, schlenderte zum Bett. Auf dem Nachttisch standen Kühler und Champagnerschale. »Nehmen Sie sich ein Glas aus der Vitrine neben der Minibar und kommen Sie her.« Mit einem leisen Klirren zog er die Flasche aus dem Eis.

Unmöglich, sich das Grinsen zu verkneifen. Lettner hatte Stil. »Warum neben dem Bett?« Zur Auswahl standen zwei Weißwein-, zwei Wasser- und zwei Rotweingläser.

Das Rotweinglas. Es kam der Schale am nächsten.

Lettner lächelte ihm entgegen, als er das Schlafzimmer betrat. »Ich wollte mich ein letztes Mal meinen schmutzigen Fantasien ergeben und das frisch gestärkte Bettzeug besudeln.«

»Ein guter Plan. Sie saßen jedoch da vorn. Weit weg vom Champagner.« Wahrscheinlich auch weit weg von seinen Fantasien.

»Ich brachte es nicht über mich.« Er schenkte ihnen ein, prostete ihm zu. »Auf die letzte Nacht meines Lebens.« Er nahm einen großen Schluck, schloss die Augen, während er durch seine Kehle rann.

Das Hüpfen des Kehlkopfes fesselte Harkes Aufmerksamkeit.

Der Champagner war ausgezeichnet. Ebenso wie seine Gesellschaft.

»Ich würde Sie gern duzen.« Lettner schenkte ihm nach. »Das Gefühl, einen vertrauten Umgang mit meinem Tod zu pflegen, wenigstens für kurze Zeit, würde mich beruhigen.«

»Du wirkst nicht aufgeregt, Phil.«

Phil lächelte. »Ich wünschte, ich wäre es. Das wäre für mich ein Grund, weiterleben zu wollen.« Mit einem leisen Seufzen setzte er sich aufs Bett und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Kopfteil.

»Dir mangelt es an Gründen?« Harke nahm ihm gegenüber Platz. »Wenn ich jemanden töte, interessiert mich nur einer. Meistens ist es Gier.«

»Und? Langweilt dich das?«

»Allerdings. In diesen Fällen schlage ich dreißig Prozent auf mein reguläres Honorar drauf.«

»Dann bezahle ich dir für den Mord an mir mehr als das Übliche, weil du der Lüge meiner Frau geglaubt hast.«

Die gespielte Empörung in Blick und Stimme ließen Harke grinsen.

»Bliebe mir die Zeit, würde ich mit June ein ernstes Wörtchen darüber reden.«

»Willst du sie anrufen?« Es wäre seine letzte Gelegenheit, ihr die Meinung zu sagen.

»Nein.« Phil winkte ab. »Das würde mir diese Nacht verderben.« Mit großen Schlucken leerte er sein Glas. »Du brauchst nur einen Grund, um jemanden umzubringen?« Er neigte sich zu ihm, füllte Harkes Glas ebenfalls. »Das ist wenig.«

»Bei meinem ersten Ziel waren es achtzehn.«

»Achtzehn Gründe, jemanden zu töten«, sagte Phil leise. »Ich wünschte, mir würden achtzehn einfallen, um am Leben bleiben zu wollen.«

»Wozu? Es würde dir nur umso schwerer fallen, zu sterben.«

»Ich will, dass es mir schwerfällt.«

Ein todernster Blick traf ihn.

»Weil es so sein sollte. Ich sehne mich danach, mein Leben lieben zu können und der Gedanke, es gleichgültig herzugeben, setzt mir mehr zu, als du dir vorstellen kannst.«

»Meine Gründe, diesen Mann zu töten, besaßen kaum Variabilität.« Streng genommen waren sie identisch. »Wird dir das nicht zu langweilig?«

Phil nippte am Champagner, ohne den Blick von ihm zu nehmen. »Was hat er getan?«

»Mich gefickt.«

»Achtzehnmal?«

Harke nickte.

»Offenbar hat es dir nicht gefallen.«

Das Gespräch wurde zu persönlich.

»Sag mir, wie du ihn getötet hast.«

»Sechs Schüsse in den Unterleib, sechs ins Herz, sechs in den Kopf.« Der Champagner schmeckte plötzlich bitter. Harke stellte das Glas auf den Boden.

»Klingt nach einer ziemlichen Sauerei.«

»War es auch.« Er hatte bis dahin nicht gewusst, wie viel Blut aus einem durchlöcherten Körper fließen kann.

»Würde es dir gefallen, mich zu ficken?«, fragte Phil so vorsichtig, als gehörte allein die Frage bestraft. »Es wäre für mich ein Grund, meinen Tod zu bedauern.«

»Es wäre für dich ein Grund, unter keinen Umständen sterben zu wollen.« Er beherrschte sein Metier. Im Lieben und im Sterbenlassen. »Du würdest mich wie die meisten meiner Ziele um Gnade anflehen, statt die Arme auszubreiten und den Tod geschehen zu lassen. Nur, weil ich dich gevögelt habe.«

Phil starrte ihn an. »Du bist so gut?«

»Ich bin brillant.« Ein Zusammenspiel von Training und Hingabe an die Situation. Im Prinzip war es simpel.

»Arrogantes Arschloch.« Phil grinste.

Das von Sorgen gezeichnete Gesicht verwandelte sich in das eines Jungen. Spitzbübisch und noch von allen Übeln unberührt.

Harke widerstand dem Impuls, Phil durch die Haare zu zauseln.

Sicher war er für seinen Sohn ein wundervoller Vater gewesen. Verspielt, fürsorglich, liebevoll.

Sein Unfall hatte Phil in dieses Zimmer getrieben. Zusammen mit der Pussi-Pistole und dem Wissen, dass seine Frau ihn tot sehen wollte. Es lag auf der Hand, dennoch hätte es Phil gutgetan, darüber zu reden. Er war der Letzte, der ihm zuhören würde. Diese Chance sollte Phil nicht verstreichen lassen.

»Ich will Sex mit meinem Killer.« Phil schüttelte den Kopf, als könnte er seine eigenen Worte nicht glauben. »Ich bin vollkommen durchgeknallt.«

»Mag sein.« Im Prinzip waren das die meisten. »Aber bei deinem Aussehen und deinem Geld musst du nur mit den Fingern schnippen, und die attraktivsten Männer und Frauen werden sich darum reißen, das Bett mit dir zu teilen.«

»Ich will nicht mit den Fingern schnippen. Ich will dieses Erlebnis mit dem Mann teilen, der mein Leben in den Händen hält und es danach für mich und nicht für meine Frau, beenden wird.«

Es war ihm ernst. Sein Blick ließ keine Zweifel zu.

»Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen, obwohl ich es mir unzählige Male ersehnte.«

»Warum nicht?« Er hätte sich bei seinem Charme vor Kandidaten kaum retten können.

»Weil es eben so ist.« Phil sah zur Seite. Sein innerer Kampf zeigte sich nur in den verspannten Kiefermuskeln.

Wie er auch ausgehen mochte, Harke würde geduldig auf das Ende warten. Phil brauchte Zeit. Für viele Dinge. Das stand außer Frage. Er war der Einzige, der sie ihm noch geben konnte.

Er schenkte ihm nach.

Phil nahm es hin, jedoch ohne zu trinken.

Dieser Augenblick war neu für ihn. Die meisten seiner Ziele flehten ihn an oder versprachen ihm Geld, wenn er sie nur am Leben lassen würde. Einige wenige von ihnen, die erkannten, dass es keinen Sinn machte, begannen, ihm all die Dinge zu beichten, die sie bisher nicht über die Zunge gebracht hatten. Sie vertrauten ihm ihre Sünden und Ängste an, segneten oder verfluchten ihre Lieben ebenso wie ihre Feinde, als wäre er ihr Priester und nicht ihr Mörder. Drückte er ihnen danach das Kissen an die Brust und fragte, ob sie bereit wären, nickten sie und schlossen die Augen.

Ein friedlicher Moment. Es gab keine bessere Art zu sterben. Bei vollem Bewusstsein dessen, was geschehen würde, frei von der Last ungesagter Dinge.

Alle anderen ertränkten diesen vollkommenen Moment in Wut oder Angst. Oft in beidem zusammen. Sie ahnten ja nicht, was ihnen entging.

Aber eine Situation wie diese hatte er noch nie erlebt.

Phil war ein außergewöhnlicher Mann.

»Es muss nicht immer dasselbe sein«, durchbrach er schließlich das Schweigen. »Du kannst es mit mir machen, wie du willst. Aber ich will kommen. Jedes einzelne Mal.«

»Das ist sportlich für eine Nacht.« Unmöglich traf es eher.

»Wir haben Zeit.«

»Bis zehn Uhr morgens.«

»Nein.« Phil nahm seine Hand. »Du weißt, dass das zu kurz ist. Gib mir die Zeit, die ich brauche. Ich bezahle dich dafür.«

»Musst du nicht.« Dieser Job mutierte zu reinem Vergnügen. Dafür hätte er sogar selbst bezahlt. »Mir gefällt die Idee, aber deiner Frau mit Sicherheit nicht.«

»Bis auf den Zimmerservice werde ich niemanden hier rein lassen. Meine Frau schon gar nicht. Schalte dein Handy aus, dann nervt sie dich nicht.«

Harke zog es aus der Tasche, schaltete es auf stumm.

»Danke.« Phil atmete auf.

»Ich schiebe deinen Tod nur auf. Das weißt du.«

»Ja.« Er schloss die Augen, nickte. »Danach kannst du zu deiner smarten Waffe greifen und mir eine Kugel in den Kopf schießen. Wenn du so gut bist, wie du behauptest, werde ich meinen Tod zutiefst bedauern und dich dafür lieben.«

»Nicht dein Kopf.« Harke rückte näher zu ihm, knöpfte ihm das Hemd auf. »Es wird dein Herz sein.« Es war schön, die Finger über die muskulöse Brust wandern zu lassen. »Was hättest du getan, wenn ich kein Interesse an Männern gehabt hätte?«

»Hast du aber. Dein Blick verriet es mir, kaum dass ich das Licht angeschaltet hatte.«

»Und du wirfst mir Arroganz vor?«

Phil hob die Brauen.

»Für dich spielt es keine Rolle mehr, aber für mich. Was ist mit Kondomen?« Bisher hatte er sie während eines Jobs nie benötigt, also trug er sie auch nicht bei sich.

Phil schüttelte den Kopf. »Keine. Aber du hast mein Wort, dass ich gesund bin. Ich schlief nie mit einer anderen Frau als meiner. Bis vor zwei Jahren traf das für sie ebenfalls zu. Was sie danach getan hat, kann ich nicht beurteilen, aber da wir seitdem weder Tisch noch Bett teilen, ist das kein Problem.«

»Du hast nie mit einem anderen Menschen als ihr Sex gehabt?« Unfassbar.

»Nie.« Sein Lächeln war verlegen. »Sie war fünfzehn, als ich sie kennenlernte, ich sechzehn. Seitdem sind wir zusammen. Wir heirateten während meines Studiums und ein Jahr später kam unser Sohn zur Welt.« Hell wie ein Wetterleuchten strahlten seine Augen. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann senkte er den Blick. »Im Lauf der Jahre spürte ich immer öfter, dass sie mir nicht das geben konnte, was ich brauchte. Aber wie hätte ich mit ihr darüber reden sollen? Wir gehörten zusammen. Daran gab es keinen Zweifel. Und ich liebte sie, doch mein Begehren schlief immer mehr ein.«

Da war etwas. Es steckte in der Traurigkeit seiner dunklen Augen.

Harke setzte sich auf seinen Schoß, legte ihm die Hände in den Nacken. »Das hier ist deine letzte Gelegenheit, alles auszusprechen, was du aussprechen musst.«

Phil runzelte die Stirn, atmete tiefer. »Es erregt mich, wenn du auf mir sitzt.«

»Entgeht mir nicht.« Unter ihm zuckte es. »Du bist recht sensibel.« Er ließ seinen Unterleib kreisen, entlockte Phil ein leises Stöhnen. »Hast es dir in den vergangenen zwei Jahren anscheinend nicht oft besorgt.«

»Nie.« Phil krallte sich in seine Schultern, atmete schwer. »Seit mein Sohn verunglückte, rührte ich mich nicht mehr an.«

»Lügner.« Er biss ihn sacht ins Kinn. »Was ist mit rasieren und Hintern abwischen?« Nur ein Scherz, um die Schatten zu vertreiben.

»Du weißt, was ich meine.«

Unter ihm wurde es immer härter. Ein gutes Gefühl, auch für ihn.

»Heute Nacht wollte ich es tun. Betrunken von Champagner und entspannt genug, um die Erinnerung fernzuhalten. Es gelang mir nicht. Nicht einmal das Trinken.«

»Bis ich aufkreuzte.« In seiner Mitte begann es zu pulsieren. Diesen Mann zu nehmen wäre der pure Genuss. Harke machte sich so schwer er konnte, schrammte hart über die Beule in Phils Hose. Immer wieder. Phils Keuchen fuhr ihm in den Unterleib.

Sie hatten Zeit. Genug, um eine Menge Spielarten auszuprobieren.

Phil klammerte sich an ihn, presste sein Becken gegen ihn. Mit einem heiseren Aufstöhnen krümmte er sich zusammen.

Es war schön, ihn in diesem Moment zu beobachten.

»Nummer eins«, keuchte Phil atemlos. »Wir sollten uns ausziehen. Ich hatte vor, das Laken einzusauen, nicht meine Kleidung.«

»Wir werden alles einsauen, was in Reichweite ist. Das kannst du mir glauben.« Jedes einzelne Mal würde für sie beide ein Genuss werden.

»Was ist mit dir?« Phil fasste ihm in den Schritt. »Gott, du bist steinhart.« Ein sehnsüchtiger Glanz trat in seine Augen. »Ich würde dir gern einen blasen, aber ich beherrsche nur die Theorie.«

»Es geht nicht um mich, sondern um deine Achtzehnmal.« Er würde so oder so auf seine Kosten kommen.

»Nein.« Phil öffnete den Reißverschluss der schwarzen Jeans. »Du begleitest mich hierbei. Ob gemeinsam oder nacheinander ist mir egal.«

»Wie du willst. Noch bist du der Boss.« Er glitt von Phils Schoß, legte sich zurück. »Wahrscheinlich komme ich, wenn du mir das erste Mal über die Eichel leckst.« Er war erregt wie lange nicht mehr. Es lag an der Situation, an Phil und dem Wissen, dass er Neuland betrat.

Phil schälte ihn aus der Hose, betrachtete verträumt den steil aufragenden Schwanz. »Beim ersten Lecken?« Er legte sich zwischen seine Beine, strich sanft mit den Fingern über die Länge.

Der Impuls jagte durch Harkes Körper.

»Du bist auch empfindlich.« Statt sich der Spitze zu widmen, küsste er ihm die Hoden. »Und du riechst gut.«

»Danke für das Kompliment.« Oh Gott, er wollte Phils Rachen vögeln!

Phil küsste sich über die Länge bis zur Eichel, leckte mit breiter Zunge darüber.

»Nimm ihn in den Mund!« Er war zu weit für solche Spielchen. »Saug mich aus und schluck es runter. Aber mach es!«

Phil lachte leise. »Du bittest mich, dich kommen zu lassen?« Seine Zähne in zartem Fleisch.

Harke krallte sich ins Laken. »Ja!« Verdammt!

»Ist das nicht mein Part?« Endlich verschlang er ihn.

Harke stöhnte aus tiefstem Herzen.

Phil massierte ihm die Hoden zu fest, saugte zu hart.

Es machte ihn wahnsinnig, zwischen Lust und Schmerz hin und her zu taumeln. Er stieß in Phils Rachen, provozierte ein Würgen.

Phil entließ ihn, schluckte, während er ihm weiter die Bälle knetete. »Ich habe hiervon geträumt.« Er beugte sich über ihn, küsste ihn zärtlich. »Von einer Nacht wie dieser, mit einem Mann wie dir.«

Harke biss ihm in die Lippen. »Ich will deinen Mund da unten, um meinen Schwanz. Wenn ich fertig bin, habe ich genug Muße, um mich auf Zärtlichkeiten einzulassen, aber jetzt will ich nur, dass dieses verdammte Ziehen in mir aufhört.« Es grenzte längst an Schmerz.

»Dich in diesem Zustand unter mir liegen zu sehen, zu wissen, dass du mein Mörder bist und mich dennoch anflehst, macht mich hart.« Der Biss auf die Lippe sah wahnsinnig sexy aus. »Als wäre ich nicht erst vor ein paar Momenten gekommen.«

»Vergiss nicht, dass ich entscheide, auf welche Weise du diese Welt verlässt.« Es war jammerschade um ihn. »Du solltest mich nicht provozieren.«

Noch ein Kuss, so innig, dass er sich darauf einlassen musste. Als Phil von ihm abließ, sah er Sterne.

»Stoß nicht zu tief in meinen Mund«, wisperte ihm Phil gegen die Lippen. »Ich will dir nicht auf den Bauch kotzen.«

Es tat gut, zu lachen, doch Phil sah ihn ernst an. »Es ist mein erster Blowjob. Bitte, ich möchte ihn nicht verderben.«

»Tut mir leid.« Er hatte es ganz vergessen. »Mach, wie es angenehm für dich ist. Ich werde mich nicht rühren.« Es würde ihm unsäglich schwerfallen.

Phil widmete sich mit Hingabe Harkes Schwanz. Er leckte, saugte und küsste, als wäre er nur dazu geboren worden. Er führte ihn bis zum Rand des Abgrundes, ohne ihn jedoch hineinzustoßen.

Harke brach der Schweiß aus.

»Jetzt«, flüsterte Phil endlich und saugte so fest, dass Harke aufschrie. Die Welle brach über ihm zusammen.

Phils hartes Schlucken dehnte den köstlichen Moment in die Ewigkeit aus.

Sein Herz schlug hart in der Brust, die Nachbeben ließen es in seinem Unterleib zucken.

Behielten sie das Tempo bei, würden sie doch noch bis zehn Uhr morgens fertig.

»Es hat dir gefallen«, wisperte Phil gegen den langsam erschlaffenden Schaft. »Das schmeichelt mir.«

»Nur Theorie?« Harke stemmte sich auf die Ellbogen. »Und das soll ich dir glauben?«

Phil nickte mit glasigem Blick. »Ich will mehr von dir.« Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund, schluckte erneut. »Harke bitte, gib mir mehr.«

Als hätte ihm jemand die Sicherung rausgedreht. Im Bruchteil einer Sekunde zwang er Phil unter sich, leckte ihm seinen Geschmack aus dem Mund.

Phil gab sich stöhnend dem wilden Kuss hin, wurde mit jedem Atemzug hilfloser.

Harke zerrte ihm die Kleidung vom Leib, bedeckte den muskulösen Oberkörper mit Küssen und Bissen. Phils lustvolles Wimmern war Musik in seinen Ohren.

»Spreiz deine Beine.« Er zwang Phils Schenkel auseinander. Ein wundervoller Ständer begann sich vor ihm aufzurichten. Er würde sich ihm später widmen. Vorher war etwas anderes dran.

Er tanzte mit der Zungenspitze um den Muskelring.

Phil schnappte nach Luft.

Er versenkte seine Zunge in ihm, lauschte dem rauen Keuchen.

Oh ja, es gefiel ihm. So sehr, dass Nummer zwei nicht lange auf sich warten lassen würde.

Phils Kehllaute klangen plötzlich dumpf.

Harke sah auf.

Mit lustverzerrter Miene biss sich Phil in den Unterarm.

»Hör auf damit.« Er zog ihm den Arm weg.

»Geht nicht«, keuchte Phil. »Sonst erfährt jeder im Hotel, was wir hier treiben und ich will keine Anzeige wegen Ruhestörung, sondern dich.« Er packte ihn am Kragen, zog ihn nah zu sich. »In mir drin! Mit deiner verdammten Zunge, deinem Schwanz und was dir sonst noch einfällt.«

Dieser Mann war das Beste, was ihm je passiert war.

Harke nahm Phils Hand, legte sie um dessen Schaft. »So heftig wie du willst, okay?«

Phil nickte, spreizte die Schenkel noch stärker. »Mach weiter. Bitte.«

Es machte unsagbar viel Spaß, ihm zu gehorchen.

Nach wenigen Minuten bäumte sich Phil auf, kam mit einem erlösenden Stöhnen.

Harke kroch über ihn, leckte ihm die Schlieren von Bauch und Brust. »Du bist köstlich. Willst du probieren?« Bevor Phil antworten konnte, eroberte er dessen Mund mit seiner Zunge.

Erneut ließ sich Phil in den Kuss fallen.

So hingebungsvoll. So anschmiegsam.

Sie brauchten eine Pause, sonst ging die Zeit zu schnell vorbei. Die Bedingung war, Phil kommen zu lassen. Genau das musste er hinauszögern.

»Ich bin jetzt schon fertig.« Phil fasste ihm ins Haar. »Dank dir.«

»Das ist erst der Anfang.« Er würde ihn ausgiebig und oft in den Himmel vögeln.

Phil setzte sich auf. »Was hier passiert, habe ich nicht verdient.« Er fuhr sich übers Gesicht, wischte den verklärten Ausdruck fort, als hätte es ihn nie gegeben. »Ich sollte allein sein und mich endlich erschießen.«

»Sag es.« Dieses dunkle Geheimnis, das ihn in dieses Zimmer getrieben hatte. Er musste es preisgeben, um Frieden zu finden. »Wir haben nur ein paar Tage zusammen. Ich will nicht, dass etwas zwischen dir, mir und unserem Genuss steht.«

Phils trostloser Blick war kaum auszuhalten.

Harke legte ihm die Hände an die Wangen. »Ich werde dich töten. Schon sehr bald. Bitte gönne uns diese Zeit und lege alles ab, was dir deine letzten Tage beschwert. Du hast nur noch sie. Danach kommt nichts mehr.«

»Ich weiß.« Phil schmiegte sich in die Berührung. »Mir fällt es nur schwer, darüber zu reden.«

»Mach es trotzdem.« Was raus musste, musste raus.

Phil nickte, schloss die Augen. »Es war vor zwei Jahren. Ich war allein zu Hause. June besuchte ihre Tante in Cannes und Tassilo war mit seiner Freundin zum Zelten gefahren. Ich saß am Rechner, wollte arbeiten, doch mir fehlte die Konzentration. Also tat ich das, was ich immer öfter tat, wenn ich allein war. Ich googelte nach Pornos, in denen es Männer miteinander treiben.« Er schluckte hart. »Es war mittlerweile wie eine Sucht. Ich sah Fremden dabei zu, wie sie das machten, wonach ich mich sehnte. Stundenlang. Mir war egal, wie hart oder schmutzig oder sonst was es war. Ich befriedigte mich dabei so oft es ging, taumelte danach ins Bett und versuchte vor dem Einschlafen noch einmal zu kommen. So sollte auch dieser Abend verlaufen. Aber mein Sohn kehrte früher als erwartet zurück. Ich habe ihn nicht kommen hören.« Er fuhr sich in die Haare, zerrte daran. »Wegen all des lauten Gestöhns, wegen meiner Gier, endlich abzuspritzen, bemerkte ich nicht, wie Tassilo hinter mir stand und sah, was ich sah und was ich dabei mit mir machte.«

Harke zog ihm die Hände aus den Haaren, hielt sie fest.

Phil ließ es geschehen. »Als ich ihn bemerkte, war es zu spät. Er rannte bereits aus dem Zimmer, reagierte nicht auf mein Rufen. Draußen schwang er sich auf sein Mofa und fuhr davon.«

Der Unfall. Natürlich.

»Eine Stunde später rief die Polizei an. Tassilo wäre bei dem Versuch, einem entgegenkommenden Auto auszuweichen, von der Straße abgekommen. Er wäre sehr tief gefallen und wahrscheinlich sofort tot gewesen.«

Verfluchte Scheiße.

»June kehrte noch in derselben Nacht zurück. Gemeinsam identifizierten wir die Leiche unseres Sohnes.« Er verzog das Gesicht, brauchte eine Weile, bis er weiterreden konnte. »Die Felswand hatte seinen Körper zerschmettert. June erlitt bei seinem Anblick einen Nervenzusammenbruch.«

Nicht ein einziger, verdammter Satz fiel ihm ein, der Phil hätte trösten können.

»Als es ihr etwas besser ging, fragte sie mich, was in dieser Nacht geschehen wäre.« Phil zuckte resigniert mit der Schulter. »Ich gestand es ihr. Ich konnte nicht anders. Seitdem verabscheut sie mich.«

»Warum keine Scheidung?« Es wäre für beide die fairste Alternative gewesen.

»Ich schlug es ihr vor, doch June lehnte ab. Es war, als wollte sie sich mit meiner Gegenwart bestrafen. Irgendwann ertrug ich es nicht länger und zog aus.«

»In Hotelzimmer?« Er hätte sich irgendwo weit weg, vielleicht sogar in einem anderen Land, eine Wohnung nehmen und im Lauf der Zeit zur Ruhe kommen können. »Was hast du gegen feste Wohnsitze?«

»Sie sind ein Zuhause. Das verdiene ich nicht mehr.« Phils Blick glitt in seinen, ohne auch nur zu versuchen, die Hoffnungslosigkeit darin zu verstecken. »Ich verdiene noch nicht einmal dieses Gespräch mit dir. Deine Nähe, die Aussicht auf einen schnellen, schmerzlosen Tod und schon gar nicht das, was du mit mir machst.«

»Da kann ich dich beruhigen. Ich bin nicht hier, um dir deine Schuld abzunehmen oder sie dir erträglicher zu gestalten.« Hätte Phil von Beginn an dazu gestanden, was er war und was er brauchte, wäre diese Tragödie niemals geschehen. »Ich bin hier, um dich achtzehnmal kommen zu lassen und danach zu erschießen.« Er fasste ihm ins Haar, zog ihm den Kopf in den Nacken. »Ich werde dafür sorgen, dass du dein Leben nicht mehr gleichgültig hergeben kannst. Du wirst dich daran klammern, einfach weil du mehr von diesen Gefühlen willst.«

Phil senkte die Lider.

»Nimm es als Strafe oder Buße, was immer dir lieber ist.« Er leckte über den hervorstehenden Kehlkopf, inhalierte den zarten Duft der Haut. »Doch sei dir sicher, ich werde es bis zum letzten Augenblick mit dir genießen.«

Unter Phils Wimpern quollen Tränen hervor. »Ich habe das Gefühl, das hier ist ein Traum.«

»Ist es nicht.« Sanfte Küsse, um ihn zu beruhigen. »Zum Beweis wirst du jetzt etwas tun, das zu profan ist, um geträumt zu werden. Du wirst beim Zimmerservice Olivenöl mit Brot bestellen.«

»Hast du Hunger?« Phil griff zum Telefon. »Du kannst auch etwas anderes haben. Porchierten Lachs, eine Pizza, chinesisches Essen …«

»Ich will das Öl. Das Brot ist mir egal. Aber der Zimmerservice würde sich wundern, wenn du das eine ohne das andere ordern würdest.«

Phil runzelte die Stirn.

»Keine Kondome, richtig?«

Er nickte.

»Dann hast du auch kein Gleitgel, oder?«

»Nein, habe ich nicht.« Er rollte mit den Augen. »Danke für deine Weitsicht und Rücksichtnahme.«

»Für ein oder zwei Mal genügt Spucke. Aber wir haben einen Marathon vor uns.« Phil würde auch so genug leiden.

Und er. Dieses prachtvolle Stück Mann wollte er unbedingt in sich spüren.

»Bodylotion?«, fragte Phil vorsichtig. »Hätte ich drüben im Bad.«

»Auf keinen Fall.« Er wollte ihn lecken und liebkosen. Vorher, nachher, zwischendrin. Der seifige Geschmack einer Körperpflege war das Letzte, was er dabei auf seiner Zunge spüren wollte.

Phil bestellte extra viel Olivenöl mit Baguette, eine Flasche Rotwein und zwei Flaschen stilles Wasser. »Den Schein wahren«, murmelte er am zugehaltenen Mundstück des Telefons vorbei.

Zehn Minuten später klopfte es an der Tür.

»Du bleibst hier.« Phil warf sich den Hotelbademantel über und verließ das Zimmer.

Was sollte ihn daran hindern, dem Pagen zu erklären, dass ein Auftragskiller in seinem Bett lümmelte? Oder er könnte einfach verschwinden. Barfuß und im Morgenmantel. Von der Hotellobby aus wäre es kein Problem, die Polizei anzurufen.

»Junge, du warst noch nie so unvorsichtig.« Harke huschte zur Tür, lauschte.

Sich in die Jeans werfen, die Sauer einstecken und im Notfall aus dem Fenster flüchten? Dann müsste er den Job verschieben und es würde wesentlich schwerer, an Phil heranzukommen. Glaubte ihm die Polizei, würde sie ihn unter Personenschutz stellen.

Aus dem Nebenraum klang das belanglose Geplauder eines müden Hotelangestellten und eines gelangweilten Millionärs. Freundlich doch nichtssagend. Kein Flüstern, keine verdächtigen Redepausen.

Nach wenigen Augenblicken klappte die Tür und Phil balancierte ein Tablett mit Flaschen, Gläsern, Brotkorb und einem Porzellankännchen an ihm vorbei zum Nachttisch.

»Was soll der Blick?« In seinen Mundwinkeln zuckte es. »Dachtest du, ich würde dich verraten?«

»Der Gedanke kam mir.« Er atmete unprofessionell laut auf.

Scheiß der Hund drauf. Dieser Job verlief ohnehin jenseits aller bisherigen Maßstäbe.

Phil goss einen Schluck Öl in ein kleines Schälchen, brach ein Stück Brot ab und steckte es ihm in den Mund. »Vergiss nicht, dass ich das hier will. Alles. Bis zum Ende. Mir ist es lieber, du übernimmst das Finale als ich. Auch wenn June und ich einander nicht mehr ertragen können, wünsche ich ihr das Bestmögliche, das sie nach all dem noch leben kann. Mehr als mein Vermögen kann ich ihr dazu nicht bieten.«

»Sprichst du auf deine Lebensversicherung an?« Im Fall eines Selbstmordes würde sie nicht ausgezahlt.

Phil nickte.

»Vielleicht hat mich deine Frau deshalb beauftragt. Sie ahnte, in welcher Verfassung du bist und wollte sichergehen.«

»Mag sein.« Phil kaute gelassen an einem Bissen Brot. »Es ist gut, dass ich ihr keinen Strich durch ihre Kalkulation ziehe.«

»Wenn sie morgen früh hysterisch an die Zimmertür klopft, zieht sie einen durch unsere.«

»Warte.« Bevor er erneut zum Telefon griff, füllte er ihre Gläser mit Wein. »Guten Abend«, grüßte er den Nachtportier am anderen Ende. »Hier ist Lettner aus Zimmer 322. Bitte sorgen Sie dafür, dass ich in den nächsten Tagen nicht gestört werde. Auch nicht von meiner Frau. Herzlichen Dank.« Er legte auf, lächelte ihn an. »Die Zeit bis zu meinem Tod gehört ausschließlich uns.«

»Dann sollten wir sie nicht verschwenden.« Harke hielt ihm das Glas an die Lippen. »Trink ein paar große Schlucke. Die Entspannung, die dir der Wein schenkt, wirst du gebrauchen.«

Ihre Blicke trafen sich über den Rand des Glases, während Phil trank.

»Dieses Mal wird es länger dauern, bis du kommst.« Er küsste ihm den Wein von den Lippen. »Wenn du es brauchst, zögere nicht, nachzuhelfen.«

Phil nickte, legte sich zurück. »Ich will dich dabei ansehen.« Er griff sich unter die Kniekehlen, präsentierte ihm einen fantastischen Anblick.

Er genügte, um Harkes Blut dahin zu pumpen, wo er es brauchte.

»Er ist groß.« Phil biss sich verführerisch auf die Lippen, während er ihn beim Hartwerden beobachtete. »Muss ich mich fürchten?«

»Ein wenig.« Harke benetzte die Finger mit Olivenöl, massierte Phils Eingang. Das sehnsüchtig gestöhnte Ja weckte ein vertrautes Ziehen in seinem Unterleib. Er glitt mit dem Finger in Phil. »Du bist eng.« Gott, er würde es lieben.

»Ich will nicht deinen verdammten Finger«, keuchte Phil. »Ich will dich!«

»Vorsicht vor deinen Wünschen.« Ein zweiter Finger, ein dritter.

Phil verzog das Gesicht.

»Entspann dich so tief, wie du dich noch nie entspannt hast.«

Phil zog sich die Knie noch näher zum Kinn. »Harke, mir ist egal, ob es schmerzt oder nicht, ich will es einfach nur erleben.«

»Und du willst kommen.« Das war der Deal.

»Werde ich.«

Der sehnsüchtige Blick ließ ihn schmelzen. Es würde der härteste Job seines Lebens, Phil umzubringen.

Harke verteilte so viel Öl auf sich, dass es ihm vom Schwanz tropfte, schnappte sich eines der Kopfkissen, stopfte es Phil unter den Hintern. Der Winkel musste stimmen. Das hier sollte ihm so viel Lust wie möglich bereiten.

»Bereit?« Seltsam, die Frage stellte er sonst nur in den Augenblicken, bevor er den Abzug drückte.

Phil nickte. »Mach endlich.«

Er ließ die Spitze über den Muskel kreisen, wie eben noch den Finger.

Eine fantastische Stimulation. Die Impulse schossen ihm bis ins Hirn.

»Oh Gott.« Phil schluckte. »Es tut so unendlich gut, was du mit mir machst.«

»Dann wird es Zeit für Phase zwei.« Er drückte sich in die kaum erträgliche Enge.

Phil schnappte nach Luft, fluchte.

»Entspann dich und lass uns beiden Zeit.« Ganz langsam glitt er tiefer.

Phil atmete angestrengt, als hätte er minutenlang die Luft angehalten. »Es tut weh«, presste er hervor. »Du hattest recht.«

»Gib dem hier eine Chance.« Er küsste die verkrampften Lippen, leckte darüber, bis sie sich langsam entspannten.

Phil seufzte dankbar.

Noch ein Kuss, noch ein zarter Biss in Phils Lippe. »Gewöhn dich an mich, dann beschere ich dir einen Rausch, den du nie vergessen wirst.«

Phil nickte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

Harke leckte sie ab, begann gleichmäßig in die Enge zu stoßen.

Phil keuchte laut auf. Seine Pupillen wuchsen bis zum Rand der Iriden. »Ja!« Er fasste ihn an der Hüfte, drängte ihn tiefer in sich. »Oh Gott, ja!«

 

***

 

Durch das Fenster drang der Gesang der Vögel, frischer Kaffee hüllte das Zimmer in Morgenduft.

Phil lehnte am Kopfende des Bettes, blätterte träge, doch mit entspannter Miene in einer Zeitung.

Harke genoss den Moment. Hinter ihm lagen achtundvierzig fantastische Stunden. Sie hatten ihn bis auf die Knochen erschöpft, aber auf die beste Weise, die man sich denken konnte. Das üppige Frühstück mit Croissants und Rührei war nur eine Pause vor der nächsten Runde. Er hatte sich noch nie so wohl gefühlt wie in Phils fantastisch anschmiegsamen Körper.

Phil schien es mit ihm ähnlich zu gehen. Harke hatte ihm einige Male den Mund zuhalten müssen, während Phil in ihm gekommen war.

In seinem ganzen Leben war ihm nie ein Mensch so vertraut geworden wie dieser Mann.

Um sich von unangebrachten Wünschen abzulenken, checkte er sein Handy. Eine endlos scheinende Reihe eingegangener Anrufe. Alle stammten von Phils Frau.

»Sieh dir das an.« Er reichte es Phil. »Wetten, sie dreht am Rad, weil ich mich nicht melde?«

Phil betrachtete das Display mit gerunzelter Stirn. »Achtzehnmal«, sagte er schließlich. »Sie hat tatsächlich achtzehnmal versucht, dich zu erreichen.« Sein Lachen klang so wunderbar unbeschwert. »Das wird meine Glückszahl.«

»Was denkst du, wann sie hier aufkreuzt?«

Phil legte die Zeitung beiseite, stieg aus dem Bett und stellte sich nackt, wie er war, vor ihn. »Bis es so weit ist, sollten wir weitermachen.« Er hob seinen Schwanz an, tippte Harke mit der Spitze gegen die Lippen. »Gib dir Mühe.«

Er war schlaff, was kein Wunder war, nach dem, was er bisher geleistet hatte.

Und wund. Ebenso wie seiner.

Harke umspielte die Eichel mit seiner Zungenspitze, lockte damit ein vielversprechendes Zucken hervor.

»Das wievielte Mal ist es?«, seufzte Phil und schob sich tief in seinen Mund.

Harke schluckte ein paar Mal, bevor er den Schaft für einen Augenblick freigab. »Ich weiß es nicht.« Irgendwann letzte Nacht hatte er aufgehört, mitzuzählen. »Ebenso oft, wie du mich gebeten hast, dich kommen zu lassen.«

»Es war fantastisch.« Er begann sich zu reiben, atmete schneller. »Mir tut alles weh, aber ich will trotzdem nicht aufhören.«

»Warte.« Er tauchte die Finger in das Honigschälchen, bestrich damit Phils wunderschönen, wenn auch leicht geröteten und geschwollenen Schaft. »Lass es ein bisschen wirken und danach lecke ich es ab.« Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

»Ich kann nicht warten.« Erneut schob er sich in Harkes Mund. »Leck ihn jetzt ab.«

Er ließ seine Zunge über die Länge tanzen, saugte fest genug, um Phil ein raues Stöhnen zu entlocken.

»Was ist mit deinem Job?«, keuchte Phil. »Wir sollten eine Zahl schätzen und uns darauf einigen. Was meinst du? Vierzehn? Fünfzehn?« Er versuchte sich erneut zwischen Harkes Lippen zu schieben.

»Eins«, wisperte er gegen die süß-feuchte Spitze, bevor er sie tief in seinen Rachen gleiten ließ.

Und immer wieder eins.

 

Muskelspiele

 

Dima von Seelenburg

 

 

Kurz war mir so, als hätte ich über dem linken Auge meiner Mutter eine leichte Zuckung erkannt. Ein beachtenswertes Zeichen ihrer Ergriffenheit wäre das. Vielleicht sogar ein Wunder. Ich bin sicher, dass nach all den übertriebenen Botox-Behandlungen auch der letzte Muskel ihres Gesichts verkümmert ist. Aber diese regungslose, steinerne Maske steht ihr. Nicht in der Lage, die kleinste Emotion zu verraten, könnte sie niemand authentischer tragen als meine Mutter.

»Das soll allerdings nicht bedeuten, dass du hier künftig auftauchen kannst, wie es dir beliebt.« Dieser Satz klingt wieder mehr nach ihr, vertrauter als alles, was ich in der letzten Stunde zu hören bekam.

Nach langer, absoluter Funkstille fand in den letzten fünf Jahren jeglicher Kontakt ausschließlich über unsere Anwälte statt. Umso überraschter war ich, als sie mich in einem zwar sehr förmlichen, aber immerhin selbst geschriebenen Brief um eine private Unterredung bat. Nach den endlosen Erbstreitigkeiten wäre sie den Unfrieden leid und wolle sich endlich mit mir einigen, hieß es in dieser Mitteilung. Ich war skeptisch, schließlich ist sie weder für ihre Nachgiebigkeit noch für ihre Kompromissbereitschaft bekannt.

Nun höre ich verblüfft, dass sie mir fünfundzwanzig Prozent der Firmenanteile überschreiben möchte. Mein rechtmäßiges Erbe. Die Bedingung, mich aus allen geschäftlichen Entscheidungen herauszuhalten, akzeptiere ich gern. Dafür habe ich mich noch nie interessiert.

Meine Schwester deutet auf das Ölportrait meines vor fünf Jahren verstorbenen Vaters, das über dem Kamin hängt. »Wir tun das vor allem für ihn. Dad hat Familienstreitigkeiten nie gemocht«, sagt sie. Jedes Wort klingt einstudiert.

Meine Mutter nickt zustimmend, das kann sie gut, denn fürs Nicken braucht sie keine Gesichtsmuskulatur. Ich fühle, welch Überwindung dieses Gespräch beide kostet.

Vater hat in erster Linie Auseinandersetzungen mit dir gemieden! Das sage ich nicht laut, denke es nur, weil Schmerz und Enttäuschung zu tief sitzen. Auch nach so vielen Jahren noch. Aus Angst vor meiner Mutter ließ er damals zu, dass ich aus dem Haus gejagt wurde, nachdem ich mutig verkündet hatte, meine Homosexualität nicht länger verstecken zu wollen.

Aber ich will nicht undankbar sein. Immerhin hat er mich während meines Studiums finanziell unterstützt und mir ein paar Jahre nach der Wende in Berlin eine Altbauwohnung gekauft, die mittlerweile ein kleines Vermögen wert ist. Außerdem haben wir zweimal pro Jahr telefoniert. Immer genau einen Tag nach seinem und einen Tag nach meinem Geburtstag. Bis zu seinem Tod. Von alldem wissen die beiden natürlich nichts.

»Einverstanden. Ich ziehe die Klage zurück, sobald wir alles schriftlich vereinbart haben.« Genug jetzt, nichts wie raus hier. Langsam kriecht mir die in diesem Haus herrschende Kälte in die Knochen. Beim Aufstehen bemerke ich, dass meine Schwester ihre Kette nicht um den Hals trägt. Ich bin erstaunt, dass es mir erst jetzt auffällt. Klar, auch sie habe ich seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehen und Menschen verändern sich. Ohne das Kreuz aus Platin mit dem überdimensionalen Rubin in der Mitte, der das Blut Jesu symbolisieren soll, kommt sie mir unvollständig vor. Diesen Anhänger habe ich sogar noch mehr gehasst als seine Trägerin. Ein Fluch lag auf diesem Edelstein, der mich bedrohlich anfunkelte, ganz egal, in welchem Winkel ich zu meiner Schwester auch stand. Wahrscheinlich hatte sie ihn höchstpersönlich verhext. Sollte sie sich von ihrem fanatischen Katholizismus distanziert haben? Sicher nicht, das wären zu viele Wunder für einen Tag.

Ich hörte, dass sie schon häufiger die Gemeinde wechseln musste, weil immer weniger Gläubige ihre radikalen Ansichten mittrugen oder überhaupt nur duldeten. Soweit ich weiß, kostet sie das jedes Jahr eine ganze Stange Geld. Insbesondere, nachdem sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, als herausgekommen war, dass sie hinter den anonymen Drohungen gegen Abtreibungsärzte steckte. Einen ganzen Sommer lang beherrschte dieser Skandal die Titelblätter der Klatschpresse. Auf diesem Weg erfuhr ich auch von ihrer Verurteilung. Ihrer beruflichen Karriere im Vorstand unserer Firma tat dies jedoch keinerlei Abbruch. Jemand, der feige Morddrohungen verschickt, ist offenbar tragbar. Ein Mann, der andere Männer liebt, hingegen nicht. Wobei mir natürlich klar ist, dass hinter allem immer meine Mutter die treibende Kraft war. Der Ruf meines Vaters als hammerharter Verhandlungspartner in Geschäftsbeziehungen war legendär. Meiner Mutter gegenüber hatte er jedoch weder Eier noch Arsch in der Hose. Sorry Dad, aber das musste mal gesagt werden. 

»Ihn vermisse ich manchmal«, flüstere ich nun ebenfalls mit einem Blick auf das Gemälde.

Sofort saust der Kopf meiner Mutter herum. In dem Moment fällt mir auf, dass die Art, wie ich das Wörtchen ›ihn‹ betont habe, die Wirkung wenig gut getarnter Giftpfeile in Richtung meiner Gesprächspartnerinnen hat.

Erstaunlich, welch böse Blicke sie mit ihrem betonierten Gesicht abschießen kann. »Dann wäre das geklärt. Fahr vorsichtig.« Während sie wie in Zeitlupe ihr Champagnerglas abstellt, hallen ihre Worte bittersüß in meinen Ohren nach. Einer ihrer typischen Rausschmisse und ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt bemerkt, wie unverschämt herablassend sie dabei klingt.

»Tschüss, Mutter.«

Sie deutet nicht einmal an, sich erheben zu wollen. Einen Handschlag zum Abschied erspare ich ihr – und mir.

 

Im Auto atme ich zunächst tief durch. Dann stelle ich das Radio auf maximale Lautstärke und schreie mir die Seele aus dem Leib, während ich mit durchdrehenden Reifen Kies in die Buchsbaumhecke schleudere. Im ersten Gang und mit laut aufheulendem Motor donnere ich aus der Einfahrt.

Eine riesige Last fällt von mir ab. Ich habe für den Rest meines Lebens finanziell ausgesorgt. Was aber viel wichtiger ist: Nach dieser Übereinkunft bin ich ab sofort, was die Firmenanteile angeht, meiner Schwester gleichgestellt. Und das, obwohl ich mit Männern ins Bett gehe. Süß schmeckt diese späte Genugtuung.

Es gibt Gerüchte, dass die Firma an einen chinesischen Konzern verkauft werden soll, und das ist natürlich nicht möglich, solang der Prozess um die Erbschaft läuft. Ich nehme an, dass dies der Grund für das plötzliche, großzügige Angebot ist. Soll mir recht sein. Mir liegt nichts an der Familientradition, am liebsten wäre es mir, die Chinesen würden meine Mutter und meine Schwester gleich mit kaufen. Denn auch wenn sie es als großen Akt der Versöhnung darstellen, ich kann ihnen nicht verzeihen, was sie mir angetan haben. Ganz besonders meiner Mutter nicht.

 

Mein Therapeut bescheinigte mir nach nur zwei Sitzungen: Ursache für meine Beziehungsunfähigkeit sei ganz eindeutig das gestörte Verhältnis zu meiner Mutter. Ich hätte mir angewöhnt, mich an Strohhalme zu klammern, sobald ich die Chance sähe, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erfahren. Alle meine anderen Bedürfnisse würde ich gnadenlos unterordnen. Das hätte abschreckende Auswirkungen auf potenzielle Partner.

Nicht, dass ich nicht von allein darauf gekommen wäre. Mir war als Kind schon bewusst, dass ich kaum geliebt werde. Von meinem Vater vielleicht, ja. Aber ihn sah ich – wenn überhaupt – nur wenige Stunden die Woche. Meine Mutter war und ist zu derlei Gefühlen überhaupt nicht fähig. Obwohl ich es nie anders kennengelernt hatte, litt ich darunter und wusste, dass etwas Wichtiges in meinem Leben fehlte.

Ein lang zurückliegendes und prägendes Ereignis kommt mir in den Sinn: Ich war dreizehn Jahre alt, als es bei meiner Mutter während einer Brust-OP zu einem Herzstillstand kam. Um ein Haar wäre sie verreckt – mit perfekter Oberweite in Körbchengröße C. Ein Chauffeur brachte meine Schwester und mich von der Schule aus ins Krankenhaus. Ich vergoss keine einzige Träne, und an Mutters Bett stehend fühlte ich nichts als Kälte in mir. Sie war wieder bei Bewusstsein, konnte jedoch noch nicht reden. Der Arzt erklärte, dass Komplikationen während einer Vollnarkose selten, aber nie auszuschließen seien. Ich stellte mir vor, dass sie gestorben wäre, und fühlte ... nichts. Es hätte mir nicht das Geringste ausgemacht. Dies schockierte mich zutiefst. War Gefühlskälte etwa erblich? So wollte ich nicht sein, um nichts in der Welt. Ich wollte ein herzlicher Mensch sein. Jemand, der liebt und geliebt wird, jemand, der küsst und zwar andere Jungs. Das wusste ich schon mit dreizehn. Stattdessen fühlte ich mich wie ein Eisklotz, genauso, wie meine Mutter einer war, und so kalt wie meine Schwester, die mit ausdrucksloser Miene neben mir stand. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sich trotz der hochsommerlichen Temperaturen Eisblumen an den Scheiben der Krankenhausfenster gebildet hätten. Diese Erkenntnis fand ich so schlimm, dass ich schließlich doch weinen musste. Natürlich interpretierten alle anderen meinen Gefühlsausbruch falsch und so kam es zum ersten und einzigen Mal zu einer herzlichen Berührung zwischen meiner Mutter und mir. Sie nahm meine Hand und drückte zu. Später, als ich ihr nach einer Auseinandersetzung um Liebe bettelnd genau von diesem Moment erzählte, stellte sie klar, dass sie mich damals aus dem Krankenbett heraus lediglich zum Schweigen bringen wollte, weil sie das elendige Wimmern nicht länger ertragen konnte.

 

Irritiert starre ich auf das Telefon. Bereits zum dritten Mal in dieser Woche ruft mich meine Schwester an. Langsam fange ich wirklich an zu glauben, dass sie ihren Bruder wiederhaben möchte. Natürlich traue ich dem Frieden nicht. Ich muss mich nur an ihren letzten Brief erinnern. Dieser Kontaktversuch liegt nun schon sicher zehn Jahre zurück. Ihre Kirchengemeinde hatte einen Flyer herausgebracht, in dem ein Besinnungsseminar für ›sexuell Fehlorientierte‹ beworben wurde. ›Es gibt immer einen Weg zurück zum Richtigen. Du musst es nur wollen. Der Heilige Geist wird auch dir helfen‹, hatte sie auf ein Blatt Papier geschrieben, das an den Flyer geheftet war. Keine Begrüßung, keine Frage nach meinem Befinden, keine Unterschrift. Aber immerhin Büttenpapier mit dem Familienwappen als Wasserzeichen, so viel war ich ihr dann doch noch wert.

Zugegeben, dies liegt weit in der Vergangenheit. Deshalb wage ich einen Schritt auf sie zu und erzähle ihr am Telefon, dass ich für eine Woche nach Mykonos in Urlaub fliege.

»Ah ja, da fahrt ihr ja immer hin«, erwidert sie knapp.

»Nein, es gibt kein Wir«, berichtige ich sie. »Ich reise allein.« Zu spät bemerke ich, dass sie mir mit dem Gebrauch des Plurals keine Partnerschaft unterstellt, sondern ganz allgemein uns Schwule, uns Triebgesteuerte und Todsünder meint.

Umso erstaunter bin ich, als sie mich während ihres nächsten Anrufs fragt, ob ich ihr das gebuchte Hotel auf dieser wunderschönen Insel empfehlen kann. Weiterhin erkundigt sie sich nach Namen, Preis und Lage. Es hätte mich nicht mehr gewundert, wenn sie den Termin für die nächste Gangbang-Party in der Goldenen Rakete erfragt hätte. Verstehe einer meine Schwester.

Kurz bin ich in Versuchung, mich nach dem Schicksal ihres wertvollen Kreuzanhängers zu erkundigen, verkneife es mir jedoch. Für derart Vertrauliches erscheint es mir noch zu früh und ich weiß gar nicht, ob ich solch ein Verhältnis mit ihr überhaupt will. Vielleicht ist sie ja pleite und musste ihrer Kirche eine hohe Summe spenden, um weiterhin ihre religiösen Hasstiraden halten zu dürfen. Allein der Rubin ist einen fünfstelligen Betrag wert, das weiß ich sicher. Kopfschüttelnd verwerfe ich meine Vermutung. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin, sitzt außerdem im Firmenvorstand und müsste somit nur in die Portokasse greifen.

 

An meinem zweiten Urlaubstag schicke ich sowohl meiner Mutter als auch meiner Schwester ein Foto, geschossen von der Dachterrasse meiner Hotelsuite aus. Der Meerblick ist fantastisch und unzählige kleine, weiße Segelschiffe liegen in der Bucht. Ich lasse mich sogar zu einer Bildunterschrift hinreißen und schreibe: ›Liebe Grüße aus dem Paradies‹. Die beiden sollen sehen, dass auch ein schwuler Mann ein beneidenswertes Leben führen kann. Meine Schwester bedankt sich sogar für die Hotelempfehlung. Meine Mutter aber antwortet erst nach genau vierundzwanzig Stunden – oder in ihrer Zeitrechnung – nach drei Flaschen Veuve Clicquot: ›Genieß ihn!‹

Es liest sich wie ›Erstick dran!‹

Ich muss zugeben, dass der beigelegte Erbstreit äußerst befreiend auf mich wirkt. Noch vor dem Flug hat mein Anwalt grünes Licht für die Vertragspapiere gegeben und ich habe die Aufhebung meiner Klage veranlasst. Die Erleichterung spüre ich nicht nur, scheinbar ist sie mir auch anzusehen. Während ich am dritten Abend in meinem Lieblingsrestaurant allein an einem kleinen Tisch ganz vorn an der Uferpromenade sitze, bemerke ich, dass mir ein junger Mann interessierte Blicke zuwirft. Daraus entwickelt sich im Laufe des Abends ein äußerst spannender, wenn auch nonverbaler Flirt. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches und mir schon häufiger, auch in diesem Restaurant, passiert. Mykonos ist in der Tat ein bei schwulen Männern äußerst beliebtes Reiseziel, der Flirtfaktor und die Bereitschaft zu Urlaubsabenteuern hoch. Alles Gründe, die mich regelmäßig auf diese Insel zurückkehren lassen. Was es jedoch besonders macht, ist der Typ. Sagen wir mal so, dürfte ich mir eine Wichsvorlage backen, ich würde genau diese Zutaten verwenden: breite Schultern, sicherlich eins-neunzig Körpergröße, ordentlich Muskelmasse, olivfarbener Teint, schwarze, dichte Locken, die ihm in das kantige Gesicht fallen, das sommerliche Baumwollhemd genau so weit aufgeknöpft, dass ich eine trainierte, äußerst männliche Brust erkennen kann. All diese Zutaten präsentiert er, ohne billig zu wirken.

Ich erkenne eine feingliedrige Goldkette, die sich in seine Brustbehaarung schmiegt und lang genug ist, dass sie unter seinem Hemd verschwindet. Ein Traum von einem Südländer. Nicht perfekt, seine Nase ist zu breit, sieht aus, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen, eher häufiger. Aber sie passt in sein markantes Gesicht und wirkt auf mich wie der Rest von ihm unheimlich sexy. Während des gesamten Abendessens sitze ich mit den wildesten Fantasien und einer nicht nachlassenden Erektion am Tisch. Ich bin über vierzig Jahre alt und nicht siebzehn, das ist keine Selbstverständlichkeit mehr.

 

Kein Zufall!‹

wie meinst du das?‹

Würdest Du mir glauben, dass ich dieses Profil nur angelegt habe, um nach Dir zu suchen?‹

hm, vielleicht ...‹

So ist es. Seit ich Dich im Restaurant gesehen habe, gehst Du mir nicht mehr aus dem Kopf.‹

ging mir genauso. muss allerdings zugeben, dass ich schon länger auf diesem dating-portal unterwegs bin. ist so praktisch.‹

Das glaube ich dir aufs Wort. Ich heiße übrigens Dimitrios.‹

schöner name, grieche? – angenehm, ich bin hans.‹

Ich weiß.‹

???‹

Du nennst Dich HansImGlück‹

Ach ja, mein Profilname. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, online etwas weniger realitätsnah aufzutreten. Vor allem jetzt, da ich Millionenerbe bin. Dieser Dimitrios sieht wie der klassische Heiratsschwindler aus: sexy, dunkle Locken, vor Charme sprühend. Und dann kommt der junge Kerl auch noch mit der altmodischen Großschreibung der Anredepronomen daher. Ich grinse über meine seltsamen Gedanken und tippe die nächste Nachricht in den Chat. Der Regional-Presse meiner Heimatstadt war es tatsächlich einen kleinen Artikel wert gewesen, als sie davon erfuhr, dass der Nachlass meines Vaters endlich geregelt wurde. Mein plötzlicher Reichtum ist also keineswegs ein gut gehütetes Geheimnis.

was suchst du, sexy dimitrios?‹

Ich will ehrlich sein: Ich bin hier nicht auf das schnelle Sexabenteuer aus.‹

Damit unterscheidet er sich von neunundneunzig Prozent der anderen Profilinhaber. Nun, ich hingegen würde zu etwas ungezwungenem Bettsport mit dem Kerl ganz sicher nicht Nein sagen. Stattdessen schreibe ich:

sondern?‹

Ich tue genau das, was mich im Chat mit anderen Kontaktwilligen ständig nervt: eine Frage auf die nächste folgen zu lassen, anstatt selbst etwas über meine Absichten zu verraten.

Ich möchte Dich kennenlernen, Hans. Zum Essen einladen. In ein schönes Restaurant in den Bergen. Diesmal sitzen wir zusammen an einem Tisch. Was heißen soll, dass daraus mehr werden kann. Ich glaube, wir können viel Spaß miteinander haben.‹

Wahnsinn. Soweit ich mich erinnere, hat mir hier noch nie jemand in vollständigen Sätzen geantwortet. In der Regel reichen ein paar Stichworte, um zu klären, ob es passt oder nicht. Auch weil mich sein Text beeindruckt, möchte ich Nägel mit Köpfen machen.

hol mich um 19 uhr ab.‹

Gleich darunter schicke ich ihm meinen Standort.

Prima. Ich werde da sein. Bis heute Abend.‹

Daraufhin erlischt der grüne Punkt neben seinem Profilbild. Er ist offline gegangen.

 

Die gesamte Hotellobby scheint den Atem anzuhalten, als Dimitrios in die Halle tritt. Falls überhaupt möglich, sieht er noch besser aus als bei unserem ersten Aufeinandertreffen. Diesmal trägt er ein hellblaues Hemd, dazu sandfarbene Baumwollshorts und Caligae, römische, hoch geschnürte Sandalen. Leger und gleichzeitig wahnsinnig schick sieht er aus. Mit einem Lächeln, das charmanter nicht sein könnte, kommt er auf mich zu.

»Es freut mich sehr, dass es geklappt hat«, sagt er zur Begrüßung und umarmt mich kurz. Kein Küsschen. Daran müssen wir noch arbeiten.

»Ich habe ein Auto ausgeliehen. Bis zu diesem Restaurant ist es doch ein Stück zu fahren. So sind wir flexibler als mit einem Taxi. Wir müssen uns etwas beeilen, der Portier hat gesagt, ich darf es nicht lang in der Zufahrt stehen lassen. Entschuldige die Hektik.«

Er hat eine tiefe Stimme, ein Akzent ist kaum herauszuhören. Ich bin ihm verfallen, schon jetzt.

Draußen läuft er um das Cabrio herum, um mir die Beifahrertür zu öffnen. Ein Gentleman erster Klasse, und sofort fällt mir die Sache mit dem Heiratsschwindler wieder ein. Dabei muss ich über mich selbst lachen. Ich werde doch nicht etwa damit anfangen, einen Verfolgungswahn zu entwickeln, kaum dass mein Kontostand um ein paar Nullen gewachsen ist?

Während der fast einstündigen Fahrt reden wir wenig, die spannenden Themen heben wir uns für das gemeinsame Dinner auf. Er benutzt weder Navigation noch muss er sich an Schildern orientieren. Ob er von dieser Insel stammt? Immer wieder betrachte ich sein Profil und kann nicht glauben, wie schön dieser Mann ist. Ab und zu löst er seinen Blick von der Straße und dreht mir kurz sein Gesicht zu, immer mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Er ist maximal dreißig Jahre alt. Was findet dieser Mann an mir? Ich bin nicht hässlich, habe mich dank regelmäßigem Sport und gesunder Ernährung gut gehalten für mein Alter. Wie einst mein Vater habe ich dichtes Haar, an den Schläfen bilden sich erste feine, graue Strähnen. Sie stehen mir, das bekomme ich häufiger zu hören. Aber dieser griechische Gott spielt in einer ganz anderen Liga. Die Frage geht mir nicht aus dem Kopf: Was will er von mir? Ich werde es herausfinden.

Das Restaurant befindet sich weit oben an einem Hang. An dessen Fuß liegt ein Dorf, bestehend aus den für die Insel so typischen weißen Häuschen mit blauen Fensterläden. Dahinter erstreckt sich das Meer, stark aufgewühlt heute, wie ich an den unzähligen Schaumkronen erkennen kann. Auf der verwinkelten Terrasse stehen die Tische verteilt auf kleine, kaum einsehbare Nischen. Wir sitzen ungestört, unbeobachtet. Der perfekte Ort für ein erstes Date.

Ohne selbst in die Karte zu blicken, bestellt Dimitrios für mich mit. Er fragt mich nicht. Ich lasse es geschehen, obwohl ich noch nie der Typ Mann war, der voreilig Entscheidungen aus der Hand gegeben hat. Erneut wird mir klar, ich bin ihm verfallen, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen habe.

»Was machst du beruflich?«, fragt er mich interessiert.

Ich eiere etwas um den heißen Brei herum, berichte von meinem Studium der Medizintechnik. Was ich ihm nicht verrate, ist, dass ich gerade dabei bin, meinen Job hinzuschmeißen. Durch meine Erbschaft kann ich es mir nun leisten, mich ausschließlich Dingen zu widmen, die mir gefallen. Er hakt nicht nach, seine Neugier scheint vorerst befriedigt und er erzählt von sich. Überrascht erfahre ich, dass er gar nicht in Griechenland lebt, sondern auf einer Geschäftsreise ist, die er mit etwas Urlaub verbindet. Als Halb-Ukrainer lebt er in Kiew und betreibt dort eine Eventagentur, die sich auf ausgefallene Wünsche spezialisiert hat. Über laufende Aufträge spricht er nicht, was ich verstehe. Stattdessen packt er ein paar Anekdoten aus, berichtet von einem Auftrag aus Kuba. Reichen Russen musste er zu Ostern einhundert Schokoladenhasen zukommen lassen. Bei fünfunddreißig Grad im Schatten eine logistische Herausforderung. Sein Lachen ist wundervoll. Jedes Mal schießen auch meine Mundwinkel nach oben, ich kann gar nichts dagegen tun.

Obwohl der Champagner vorweg, sämtliche Gänge unseres Menüs und der fruchtige Weißwein dazu hervorragend sind, findet das Kulinarische nur ganz nebenbei statt. Unsere Unterhaltung steht im Mittelpunkt dieses Abends. Ich hänge an seinen Lippen und er ganz offensichtlich an meinen. Ein Kuss liegt in der Luft, allein der Gedanke daran lässt alle Härchen meines Körpers Sirtaki tanzen.

Längst steht der junge, sichelförmige Mond am Himmel. Obwohl er kaum Licht reflektiert, schafft er es, vereinzeltes Funkeln auf die Wellenkämme zu zaubern. Hoch über der Ägäis kann ich die Milchstraße erahnen. Die Dessertteller werden abgetragen. Mit einem süffisanten Grinsen stellt die junge Kellnerin unaufgefordert zwei Gläser Sambuca, aus denen bläuliche Flammen züngeln, vor uns auf den Tisch. Alles brennt. Der Likör, mein Herz und die Atmosphäre um uns herum.

Dimitrios bläst beide Gläser aus, schiebt das eine nah zu mir heran, erhebt seines und rezitiert einen russischen Vers. Mir ist neu, wie erotisch Russisch klingen kann. Er legt seine Hand auf meine, wobei seine Finger zwischen die meinen gleiten. Die einzige wirklich sinnliche Berührung dieses Abends, den Kuss bleibt er mir leider schuldig. Aber es ist gut so, fast perfekt.

Wie wird dieses Date enden? Nichts wünsche ich mir mehr, als ihn mit in mein Hotel nehmen zu können und die Nacht in seinen starken Armen zu verbringen. Vielleicht sind meine Blicke zu eindeutig, vielleicht liegt zu viel Verlangen in ihnen.

»Morgen möchte ich an diesen schönen Abend anknüpfen.«

Es dauert einen Moment, bis ich die Botschaft seiner Worte begreife. Schließlich trifft sie mich wie ein Schlag in die Magengrube. Er wird diese Nacht nicht mit mir verbringen. Es erscheint mir unerträglich, einen weiteren Tag auf diesen Mann verzichten zu müssen.

Als die Rechnung kommt, greifen wir beide gleichzeitig danach. Er ist schneller und wirft mir einen Blick zu, der mir klar zu verstehen gibt, dass er nicht darüber diskutieren wird, wer sie begleicht. Sicherlich kein niedriger Betrag. Trotzdem zahlt er bar und gibt ein fürstliches Trinkgeld.

 

Die ganze Nacht liege ich wach. Ohne das Gefühl zu kennen, wie es ist, wenn er neben mir liegt, vermisse ich ihn schmerzlich. Meinen flehentlichen Blick, als er mich vor dem Hotel abgesetzt hat, quittierte er lächelnd, legte seine Hand auf meine Schulter und flüsterte: »Morgen, Hans. Morgen Abend.«

Ich kann es kaum erwarten. Die Vorfreude eines Kindes in der Nacht vor Weihnachten könnte nicht größer sein. Zumindest glaube ich das. Ich habe mich nie auf Weihnachten gefreut. Materielle Wünsche wurden uns auch ohne spezielle Anlässe erfüllt. Wir lebten im Luxus. Aber das, wonach ich mich sehnte, Momente der Nähe und der Liebe, gab es in meinem Elternhaus auch an den hohen Feiertagen nicht.

Den Tag verbringe ich wie in Trance. Völlig übermüdet lege ich mich an den Strand, nehme kaum Notiz von den durchtrainierten Männern in ihren knappen Badehosen. Ihre flirtenden Blicke prallen an mir ab. Ich existiere nur noch für Dimitrios. Ähnlich langsam wie bei einem Zahnarztbesuch verrinnen Minuten und Stunden.

In meinem Hotel wird am Abend ein beeindruckendes Buffet aufgetischt. Die Köche haben ihr Bestes gegeben. Das maritime Dinner mit allerhand ausgefallenen Fischgerichten wurde seit Tagen angekündigt. Obwohl ich ein großer Fischfan bin, kriege ich kaum einen Bissen hinunter und schiele in regelmäßigen Abständen auf meine Armbanduhr. Als könnte ich damit die Zeit antreiben.

»Punkt zweiundzwanzig Uhr werde ich an deiner Zimmertür stehen«, hatte er versprochen und ich würde jede Wette eingehen, dass er sich nicht eine Minute verspätet. Der gewählte Zeitpunkt verdeutlicht mir, wie diese Nacht ablaufen wird. Diesmal werde ich sie nicht allein verbringen.

Zweimal habe ich mir die Zähne geputzt, meinen Körper nach jedem einzelnen Härchen abgesucht, das dort wuchs, wo es nicht wachsen sollte. Und ich hatte mich gespült. Ich. Gespült. Sexuell bezeichne ich mich als rein aktiv. Den passiven Part hatte ich bisher immer nur dann übernommen, wenn ich einen Mann halten wollte und ich das Gefühl hatte, es wäre dafür nötig. Heute aber ist es anders. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Dimitrios mich ficken wird. Seine Art, seine ganze Erscheinung schreit es förmlich. Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir nichts anderes.

 

Unser zweites Date beginnt wesentlich stürmischer als unser erstes. Ein wenig Angst hatte ich, dass dieser wunderbare Kerl weiterhin körperlich Abstand halten würde. Doch diese Bedenken lösen sich überraschend schnell in nichts auf. Kaum habe ich auf sein Klopfen reagiert und die Tür geöffnet, drückt er sie auf, schlüpft durch den Türspalt, als wäre ihm jemand auf den Fersen, presst mich gegen die Wand des kurzen Flures und raubt mir mit einem leidenschaftlichen Kuss Luft und Verstand. So kann es gern weitergehen. Keine Zeit will ich mehr verlieren, ich will ihn. Kurz löst er sich von mir und ich nutze die Gelegenheit, ergreife seine Hand, um ihn hinter mir her bis ins Schlafzimmer zu ziehen. Dort lasse ich mich in die Kissen fallen und blicke sehnsüchtig zu ihm auf. Dimitrios grinst.

Erst jetzt sehe ich, dass er eine weiße Lilie in der Hand hält. Keine andere Blume würde besser zu ihm passen. Er steckt sie in den Eiskübel mit der Champagnerflasche, die ich nebst zweier Gläser auf einem Beistelltischchen bereitgestellt habe.

»Wenn du wüsstest, was ich heute Nacht mit dir vorhabe«, sagt er anzüglich, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Er setzt sich neben mich auf das Bett und legt seine Hand ohne Umschweife auf meinen Schritt. Mein Schwanz scheint es noch eiliger zu haben als ich. Seit dem Kuss im Flur formt er eine beeindruckende Wölbung in den Jeansstoff.

»Sieht nicht so aus, als ob du die hier brauchen würdest. Ich wünsche mir trotzdem, dass du sie nimmst. Denn, wie gesagt, ich habe viel mit dir vor.« Er zieht eine Viagra aus der Brusttasche seines Hemdes. Ein Original, wie ich am Blister erkenne.

»Hey, so alt bin ich auch wieder nicht«, scherze ich, greife aber gleichzeitig nach der Tablette. Es ist nicht die erste in meinem Leben, und ich weiß ihre Vorteile durchaus zu schätzen. Gerade dann, wenn eine zweite oder gar dritte Runde geplant ist. Dass es heute dazu kommen wird, bezweifle ich nicht.

Dimitrios füllt geübt die beiden Champagnergläser. Wir stoßen an und leeren sie in einem Zug.

»Und was ist mit dir? Willst du nicht auch eine nehmen?«

Anstatt zu antworten, wirft er sich auf mich und macht da weiter, wo wir zuvor im Flur begonnen hatten. Mein ganzes Sein konzentriert sich auf diesen Kuss, so etwas habe ich noch nie erlebt. Fast bin ich überrascht, dass ich trotzdem in der Lage bin, sein feines, nach Sandelholz duftendes Parfüm wahrzunehmen und in seinem Mund eine Spur Minze zu erschmecken.

»Ist die Terrasse dieser Suite einsehbar? Ich stelle mir den Blick auf die Bucht fantastisch vor.«

»Willst du im Freien vögeln?« Fast bin ich enttäuscht, dass er mir nicht längst die Klamotten vom Leib gerissen oder sich zumindest von seinem Hemd befreit hat. Ich möchte mit meiner Zunge dieses feingliedrige Goldkettchen aus seinem Brusthaar graben und noch ganz andere Dinge mit ihr anstellen.

Mit einer Sanftheit, die im krassen Widerspruch zu seinen stürmischen Küssen steht, zieht er mich vom Bett hoch und führt mich auf die Terrasse. Dort legt er seine Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich heran.

»Als ich ein kleiner Junge war, wollte ich immer in einem Haus mit solch einem Blick aufs Meer leben. Und nun wohne ich in Kiew, keine Küste weit und breit. Es gibt ein paar Sandstrände am Dnepr, aber das kann man hiermit keinesfalls vergleichen.« Sein Blick verliert sich irgendwo über dem Mittelmeer.

»Ich kaufe uns ein solches Haus«, flüstere ich und merke im selben Moment, wie widerlich neureich das klingt.

»Darauf sollten wir unbedingt anstoßen«, erwidert Dimitrios lachend. »Warte, ich hole uns zwei weitere Gläser dieser Köstlichkeit.«

Diesmal genießen wir den Champagner, halten uns im Arm und ein Gefühl von Geborgenheit breitet sich in mir aus. Einerseits möchte ich diesen Mann nie wieder loslassen, andererseits bin ich so scharf auf ihn, dass ich ihn am liebsten wieder zurück ins Schlafzimmer drängen möchte. Doch wozu die Eile? Die ganze Nacht liegt vor uns und vielleicht sogar noch viel, viel mehr. Ich werde alles dafür geben.

Plötzlich legt er seine Hand auf meinen nur noch halb steifen Schwanz. »Mehr Alkohol sollten wir vorerst nicht trinken«, neckt er mich und nimmt mir das leere Glas aus der Hand. »Nicht, dass die Wirkung des Potenzmittels noch aufgehoben wird. Komm, Hans, zieh endlich diese lästige Jeans aus.«

»Hier?«

»Hier«, antwortet er mit einem festen Blick und ich gehorche. Als ich mich bücke, um meine Schuhe abzustreifen, bemerke ich die ersten Auswirkungen des Alkohols. Vielleicht hätte ich eine bessere Grundlage schaffen und mehr essen sollen. Ein leichter Schwindel veranlasst mich, nach seinem muskulösen Oberarm zu greifen. Strauchelnd blicke ich zu ihm auf.

»Ich helfe dir«, haucht er mir ins Ohr. Dimitrios bückt sich, zieht mir die Hose mit einem Ruck bis zu den Knöcheln und bietet mir seine starken Schultern an. Dankbar halte ich mich fest, während ich erst aus dem einen, dann aus dem anderen engen Hosenbein schlüpfe.

»Jetzt bringe ich dich rein, schöner Mann.« Er breitet seine Arme aus, greift mir sachte in die Kniekehlen und den unteren Rücken und schon trägt er mich, als hätte ich das Gewicht einer Feder. Mit einem zufriedenen Grinsen legt er mich auf dem Bett ab, das von unserer wilden Knutscherei völlig zerwühlt ist. Sofort bedeckt er mein Gesicht mit Küssen und knöpft mein Hemd auf. Endlich will ich es ihm gleichtun, doch es ist zu schön, einfach nur dazuliegen und ihn machen zu lassen. Ich werde schon noch bekommen, was ich begehre.

Nach und nach zieht er mich vollständig aus. Immer wieder streift er mit seiner Hand oder seinem Gesicht wie unbeabsichtigt meinen Schwanz. Die blaue Tablette hat längst ihre volle Wirkung entfaltet. Noch immer ist Dimitrios vollständig bekleidet, das muss dringend geändert werden.

»Ausziehen«, murmele ich, stupse ihn dabei an und rappele mich mühsam auf. »Mir ist der linke Arm eingeschlafen«, sage ich kichernd.

Seltsam, dabei hatten weder Dimitrios noch ich wirklich auf ihm gelegen.

»Wehre dich nicht«, sagt er. »Wehre dich nicht, lass es zu.«

Ich verstehe nicht.

»Was ist mit deinen Beinen?«

Was soll mit ihnen sein? Irgendwie fällt es mir schwer, mich sitzend aufrecht zu halten und ich blicke auf meine Beine, die über die Bettkante herunterhängen. Dimitrios scheint es zu bemerken, greift mit einem Arm um meine Taille und stützt mich liebevoll.

»Ich … ich …« Scheiße, ich kann meine Beine nicht bewegen, keinen Zentimeter.

So, wie wenn man ein Baby beruhigen möchte, stößt er leise Zischlaute aus. »Es ist alles gut, Hans. Komm, ich mach’ es dir bequem.«

Mit seinen starken Armen zieht er mich nach hinten aufs Bett, polstert meinen Nacken mit zwei Kissen aus und stellt meine Beine auf, sodass sie sich an den Knien berühren, sich gegenseitig stützen, denn ich habe längst keine Gewalt mehr über sie.

»Was geschieht mit mir?« Selbst das Sprechen fällt mir mittlerweile schwer.

Dimitrios’ Blick bleibt liebevoll und es schleicht sich eine Art Spitzbübigkeit in sein Gesicht, dass ihn auf einen Schlag noch jünger erscheinen lässt. Was tut er mit mir?

»Du musst dir keine Sorgen machen, Hans. Das ist der Teil, der so richtig Spaß macht. Lass dich fallen, lass es geschehen. Du wirst es nicht bereuen.« Seine Stimme klingt ehrlich und ich höre Begierde heraus.

Ich lasse ihn nicht aus den Augen, während er vor dem Bett steht und dabei die Lilie in der provisorischen Vase richtet.

»Mir ist es wichtig, dass du es dabei so schön hast wie nur irgendwie möglich.« Langsam zaubert er ein Teelicht aus seiner Hosentasche und zündet es an. »Du wirst sehr bald nur noch aus deinen Sinnen bestehen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, aber vor allem aus Fühlen.«

Erstaunt stelle ich fest, dass weder meine Sicht noch mein Gehör in irgendeiner Form beeinträchtigt sind. Sogar mein Geruchssinn funktioniert einwandfrei, der leichte Schwefeldampf des Streichholzes steigt mir in die Nase. Ich bin anscheinend nur gelähmt. Mittlerweile kann ich nicht einmal mehr meinen Kopf nach links oder rechts drehen. Eine vorübergehende Lähmung, ja genau. Das wird es sein.

»Natürlich sollst du wissen, was gerade mit dir geschieht.« Er schluckt und ich merke, wie er sich konzentriert, bevor er fortfährt. »Und mit dir geschehen wird.«

Äußerlich bin ich gezwungenermaßen die Ruhe selbst, innerlich überschlagen sich meine Gedanken und ich stehe kurz vor einer Panik. Einzig Dimitrios’ ruhige Ausstrahlung passt irgendwie gar nicht in diese Situation und ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass ich nicht ausflippe, sondern weiterhin seinen Worten folgen kann.

»Ein paar medizinische Details kann ich dir nicht ersparen, aber weitestgehend bist du ja vom Fach. Schließlich hast du in diesem Bereich studiert, wie ich seit unserem romantischen Abend weiß. Ich denke, du verstehst, was gerade in dir vorgeht, wenn ich es dir erkläre. Bist du bereit dafür?«

Ich würde nicken, wenn ich könnte.

»Mit dem zweiten Glas Champagner habe ich dir ein recht neuartiges Muskelrelaxans verabreicht. Du weißt, was das ist?«

Natürlich, ein Medikament, das sozusagen alle Muskeln ausschaltet. Wieder scheitere ich an einem Nicken.

»Noch kannst du sprechen, rede mit mir. Sollte ich mich irren, verwende deine Pupillen. Hoch und runter für ein Ja, von rechts nach links für ein Nein. Das wird bis zum Schluss funktionieren.«
Zum Schluss? Was soll das bedeuten? Adrenalin schießt durch meinen Körper. Ich brauche mehr Informationen, und zwar sofort. Zustimmend lasse ich meine Pupillen kurz nach oben und unten wandern und bringe noch einen Krächzlaut zustande, der zumindest annähernd an ein Ja erinnert.
»Na also.« Er lächelt.

»Du bist bewegungsunfähig, bleibst aber bei klarem Verstand. Das Sprechen wird schwierig. Geht es denn noch?«

Noch einmal krächze ich.

»Okay, die Stimmbänder haben sich schon weitestgehend verabschiedet. Das Medikament besteht aus einem in russischen Labors entwickelten, neuartigen Alkaloid. Es hat mich ein Vermögen gekostet. Wie du merkst, besetzt es deine Acetylcholinrezeptoren. Das wird dich sehr schnell vollständig lähmen, ohne dabei gleich die Zwerchfellfunktion auszuschalten. So bietet sich uns die Gelegenheit, ganz aufregende Dinge zu erleben. Diese gewünschte Nebenwirkung haben wir übrigens dem PDE-5-Hemmer der Viagra zu verdanken.«

Na, da habe ich aber Glück, was? Einen Erstickungstod stelle ich mir nicht so angenehm vor. Oh, mein Sarkasmus ist zurück. Und das, obwohl ich hier völlig ausgeliefert und wie eine Puppe drapiert vor diesem Kerl liege. Aber ich glaube mittlerweile zu wissen, worauf dieses Spielchen hinausläuft und das beruhigt mich etwas. Seit vielen Jahren bin ich in der Berliner Szene unterwegs. Habe viel ausprobiert. Dinge, auf die ich nicht unbedingt stolz bin, aber ich habe auch sexuelle Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte. Steige ich heute in eine ganz neue Dimension auf?

»Aber – und jetzt, Hans, kommt das Beste – deine Gedanken bleiben klar und du kannst während der ganzen Zeit fühlen. Kannst mich spüren, alles genießen, was ich mit dir anstelle. Und glaube mir, ich weiß, was ich tue.«

Daran habe ich keine Zweifel mehr. Zu durchdacht und erprobt hört sich das alles an. Dimitrios macht das nicht zum ersten Mal.

Er kniet sich vor mich aufs Bett, streichelt meinen Schwanz. Diesmal absichtlich. Besser hätte er das gerade Gesagte nicht verdeutlichen können. Augenblicklich füllen sich meine Schwellkörper wieder bis zum Maximum. Ich bin ganz Gefühl, ganz Verstand.

»Für das, was du jetzt erlebst, brauchst du keine Muskeln.« Ein schelmisches Grinsen überzieht sein Gesicht. Er sieht so unschuldig aus. Und so heiß.

Zugegeben, der Gedanke an seine Absichten turnt mich mehr und mehr an, allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass ich hier nicht freiwillig liege. Das gefällt mir nicht. Woher will er wissen, ob ich dazu bereit bin?

Obwohl ich davon ausgehe, dass meine komplette Gesichtsmuskulatur der Droge längst zum Opfer gefallen ist, scheint Dimitrios meine Gedanken an meiner Mimik ablesen zu können.

»Warum ich dich nicht gefragt habe?« Sein freches Grinsen wird breiter, während er mit seinem Gesicht ganz nahe an das meine herankommt. »Das gehört zum Spiel. Aber ich frage dich jetzt: Willst du mich?« Er küsst mich. Es ist unglaublich, auch wenn ich meine Lippen und meine Zunge nicht mehr bewegen kann, so spüre ich ihn in meinem Mund wie bei einem ganz normalen, leidenschaftlichen Kuss. Nur dass es ein einseitiger Kuss bleibt.

Langsam richtet er sich auf und stellt sich neben das Bett. Da er meinen Oberkörper durch die Kissen im Nacken in leicht aufrechter Position gelagert hat, kann ich genau verfolgen, was er tut.  Ich will, dass er bleibt, ganz nah und dass er mich weiter küsst. Ich will dich, Dimitrios. Und wie ich dich will. Ich vertraue dir. Meine Pupillen wandern von oben nach unten.

Er hat mich nicht aus den Augen gelassen und nickt zustimmend. Dabei streift er sich seine Espadrilles von den Füßen und entledigt sich seiner Hose. Sein Hemd ist so kurz geschnitten, dass ich sofort erkenne, wie erregt er ist.

»Gefällt dir, was du siehst?«

Natürlich gefällt mir, was ich sehe, sonst wäre ich wohl kaum in dieser Situation. Mein Herz rast, Blut rauscht in meinen Ohren. Das liegt nicht an diesem Medikament. Lust steigt in mir auf und sicherheitshalber signalisiere ich ihm noch einmal, dass ich bereit bin, schreie es mit meinen Augen.

»Das wusste ich, Hans. Ich habe doch gemerkt, wie sehr ich dir gefalle. Wie scharf du auf mich bist. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«

Noch einmal keimen kurz Zweifel in mir auf. Ich habe schon von dieser Art der sexuellen Neigung gehört. Menschen, die ihre Befriedigung daraus erlangen, Sex mit völlig Wehrlosen zu haben. Was, wenn er nicht weiß, wann er mich zurückholen muss? Andererseits klingt er so sicher in dem, was er sagt und tut.

Will ich das wirklich?

Langsam streift er sich den Slip von den Hüften. Seine beachtliche Erektion stolz vor sich hertragend nähert er sich dem Kopfteil des Bettes.

»Ich will nicht angeben. Aber ich bin ein sehr guter Liebhaber.«

Du musst mich nicht mehr überzeugen, Dimitrios. Ja, ich will. Definitiv. No risk, no fun.

Mein Blick ist fest auf ihn geheftet, als er sich vor mir auf der Matratze auf den Knien in Position bringt. Er rutscht an mich heran und legt sich erst mein linkes, dann mein rechtes Bein über seine Schultern. Unfassbar, aber selbst durch sein dünnes Hemd spüre ich seine warme Haut an meinen Waden, so als wäre mit meinem Körper alles in Ordnung. Meine Nerven sind von dieser Art Betäubung in keinster Weise beeinträchtigt.

Langsam richtet er sich etwas auf und zieht mich somit ein wenig näher an sich heran.

Mittlerweile habe ich keine Angst mehr. Ist das auch eine Wirkung dieser russischen Droge? Viel wahrscheinlicher ist, dass meine unbändige Lust auf diesen Traummann alle Ängste verdrängt hat.

»Du wirst sehen, ich habe nicht übertrieben«, flüstert Dimitrios, als er in mich eindringt. Es fühlt sich gut an, überraschend gut sogar. An seinen Qualitäten habe ich nie gezweifelt. Dass ich in dieser Lage jedoch so viel empfinden kann, erscheint mir wie ein Wunder. Wenn ich mich jetzt in den Sex fallen lasse, kann ich auch meine restlichen Bedenken ausblenden. Genau das ist doch Sinn dieser Aktion, oder? Nur noch aus Trieben bestehen und auf die Sinne konzentrieren. Tief spüre ich ihn in mir, als er sich nach vorn beugt und mich erneut küsst.

»Verzeih mir, Hans«, flüstert er dabei immer wieder. Ohne genau zu wissen, was er meint, was ich ihm verzeihen soll, glaube ich gerade, dass ich es kann. Was immer es ist.

Viele leidenschaftliche Stöße später löst er seine Lippen von mir und lehnt sich zurück. Dabei bleibt er in mir, richtet sich auf und knöpft sich zwischen meinen Beinen, die noch immer über seinen Schultern liegen, das Hemd auf. Knopf für Knopf zeigt er mir seinen muskulösen, männlichen Oberkörper.

Ich lasse meinen Blick von seinem Hals über seine herrlich behaarte Brust wandern, folge dem Goldkettchen und erkenne den weich gebetteten Anhänger. Plötzlich erstarrt auch meine Seele in diesem bewegungsunfähigen Körper. Wo eben noch Lust und Leidenschaft herrschten, ist mit einem Schlag nur noch eine entsetzliche, unerträgliche Kälte. Fassungslos erkenne ich den großen Rubin, der mich von seinem Kreuzanhänger böse anfunkelt. Fast so, als sei er verhext.

 

Ich habe verloren.

 

Copacabana Palace

 

Jobst Mahrenholz

 

 

Ich schrecke hoch, ein Stechen im Unterleib, heiß, drängend, tief – vor allem tief! Ich reiße die Augen auf ...

Drückende Schwüle, das Laken auf meinem Körper durchgeschwitzt – ich bin allein.

Alles gut ...

Atmen.

Ich erhebe mich langsam. Unschlüssig stehe ich einen Moment nur so da, durchquere den Raum, ziehe den Stoff vor der klaffenden Betonöffnung beiseite und sehe in den Regen hinaus.

Langsam sammeln sich die Gedanken, der Traum verblasst ...

Seit Tagen ist das Wetter so schwer, die Luft bleiern. Daher die unruhigen Nächte. Normalerweise liegt Caique an meiner Seite, zusammengerollt wie ein Welpe, eine Hand immer irgendwie an meinem Arm oder Bein, sein kleiner Hintern gegen mein Becken gepresst.

Heute kein Caique. Er muss von sich aus aufgestanden sein. Spielt vermutlich in den Katakomben des Untergeschosses mit seinem Freund Manuel. Wie meist.

Mein Geburtstag. Nicht, dass es wichtig ist – ich habe ihn einfach nur noch nicht vergessen – der 11. März. Ich bin nun siebzehn.

Dennoch ist es ein besonderer Tag. Neymar hat angekündigt, ein spezieller Kunde sei an mir interessiert. Sehr interessiert. Und er sei bereit, das Dreifache zu zahlen. Heute. Das Dreifache. An meinem Geburtstag. Das lässt mich lächeln.

Ich nehme das Laken, hänge es über die Leine, die unser Zimmer durchspannt, greife mir Seife und mache mich auf, den Regen zu nutzen.

Als ich die Decke beiseiteschiebe, die unser Zimmer vom Flur trennt, lehnt Feliz an der Wand gegenüber. Er lächelt verträumt. Jeden Morgen steht er da, gerahmt von blätternder Farbe. Er wartet auf mich, lächelt mich an und fragt: »Morgen Jamiro, wie geht's?«

Ich lächele zurück, nicke und antworte: »Lebe noch ...«

Ein Ritual zwischen uns. Dann heben wir unsere Hände, schlagen ein und ich gehe meiner Wege.

Habe mir diesen Satz angewöhnt, seit Lara nicht mehr bei uns ist. Sage ihn einmal täglich, nachdem ich aufgestanden bin und aus dem Betonloch geschaut habe: ›Lebe noch!‹

Lara ist unsere Mutter. Oder sie war es. Vermutlich das. Niemand weiß es so genau. Aber verlassen hätte sie uns nicht. Plötzlich war sie verschwunden.

Vor zwei Jahren ist das gewesen. Seitdem leben wir allein: Mercedes, Lisa, Caique und ich.

Feliz lebt nebenan mit Marta zusammen, seiner Mutter. Sie gibt es noch – und das ist gut so. Denn Feliz kommt nicht alleine klar. Feliz denkt nicht immer geradeaus. Er verschwindet ab und zu in eine eigene, stille Welt. In die der Sterne, vermute ich. Seit ihn Martas Ex halbtot geschlagen hat, ist er so. Marta existiere, um Feliz zu schützen, sagt sie immer. »Solange es mich gibt, werde ich für ihn kämpfen.« Sie klingt sehr entschlossen, wenn sie das sagt. Sie liebt Feliz. Uns beschützt sie auch etwas. Dennoch leben unsere Familien getrennt, auch wenn wir nebenan wohnen, Feliz wie ein zweiter Bruder für mich ist.

Ich bin es, der für meine Geschwister und mich Geld ranschafft, Essen und Wasser. Auch Kleidung und Schuhe wenn es sein muss, aber das ergibt sich meist irgendwie.

Im Treppenhaus ist es ruhig heute. Kein Geschrei, niemand, der meinen Weg kreuzt. Und auch draußen geht es. Der Gestank ist vom Regen etwas weggespült worden. Müll, Kot, Urin – das alles muss irgendwohin. Wir haben kein Wasser hier, das ankommt. Doch vor allem keines, das abfließt, was es noch komplizierter macht. Über tausend Menschen auf sechs Blöcke verteilt. Da kommt ne Menge an Scheiße und Pisse zusammen. Kann man sich ja denken.

 

Ich stelle mich auf eine kippelnde Steinplatte, seife mich ein und lasse den Regen machen. In meinem Job ist es gut, sauber zu sein. Es ist wichtig. Auch wenn die, die mich buchen, das von sich nicht immer behaupten können. Ich habe mich dran gewöhnt. Gestank und Dreck gehören im Copacabana Palace dazu. Ebenso wie Krankheiten, Gewalt und Drogen. Was willst du dagegen tun? Das letzte hilft gegen die anderen Übel. Bei mir ist es Cachaça. Meist reichen drei Schluck, um die Sinne zu betäuben. Er schießt mich ab, wenn ich will, und ich kann ihn mir leisten. Manchmal schmeckt er mir sogar. Einer im vierten Block brennt ihn. Wenn ich ihm einen blase, bekomme ich das Zeug sogar umsonst. Er ist ein Kunde von Neymar, weiß also Bescheid. Einmal habe ich es getan. Mache ich aber nicht mehr. Er hat mir danach sein schmieriges Teil quer über mein Gesicht gezogen und mich angesehen, als sei ich der letzte Dreck. Er hat mir angewidert meine Flaschen über den Tisch geschoben und gesagt, dass ich mich zu verpissen habe. Dennoch kommt immer mal wieder das Angebot, wenn bei ihm der Druck zu hoch ist. Dann bin ich es, der ihn verächtlich anschaut. »Lass es dir bei Neymar besorgen«, empfehle ich ihm. »Aber sag vorher Bescheid, damit ich mir da meinen freien Tag nehme.«

 

Ich ziehe den Gummibund meiner Shorts nach vorne, seife meinen Schwanz ein, dann meinen Hintern, die Spalte dazwischen und beseitige den Schaum mit Wasser, welches sich bis dahin in einem Frisbee gesammelt hat. So mache ich es immer bei Regen. Es ist umständlich, aber es funktioniert. Intimsphäre gibt es nicht.

Diese Viertelstunde tut gut. Ich fühle mich sauber, als hätte ich die vergangene Nacht und die Träume darin einfach von mir gespült.

Auf meinem Rückweg kommt mir Caique entgegengerannt. Er lacht, seine Augen strahlen, während er mich spielerisch anrempelt. Sieht aus, als habe er Spaß. »Komm frühstücken«, rufe ich ihm hinterher. Ich höre noch ein fröhliches »Mach ich«, da ist er schon wieder weg. Vor Mittag werde ich ihn nicht zu sehen bekommen, und da sitzt er dann wahrscheinlich in Martas Küche und löffelt Feijoada. Im Treppenhaus riecht es danach.

Als ich unser Stockwerk erreiche, lehnt Feliz immer noch an seiner Wand. Er beobachtet mich, während ich den Gang entlangkomme.

»Du bist ganz nass«, bemerkt er. Sein Blick gleitet über meinen Körper, verharrt auf meinem Schritt. Sehnend. Ich weiß, dass er auf mich steht. In schwachen Momenten weiß ich auch, dass ich dafür verantwortlich bin. Doch darüber will ich nicht nachdenken.

Es ist nicht gut, dass das so ist mit dem Sehnen. Sowas behält man hier für sich. Er kann Ärger bekommen. Heftigen Ärger. Nicht nur er. Ehrlichkeit ist eines seiner Probleme. Nicht selten hat er dafür Schläge kassiert. Nur der Respekt vor Marta sorgt dafür, dass Feliz überhaupt noch bei uns lebt. Er wäre längst rausgeflogen – vielleicht auch einfach verschwunden wie Lara. 

 

Der siebte Januar.

Ich kam von Block eins, kam von Neymar. Todmüde. Einen wunden Arsch und schmerzende Knie vom ewigen Gehocke – da sah ich Feliz.

Feliz lehnte verloren in einer Beton-Nische zwischen Dreck und Schutt, das Gesicht gen Himmel gerichtet, den Sternen zugewandt. Ein paar Arschlöcher hatten Spaß mit ihm. Sie bewarfen ihn mit Müll, lachten verletzend. Ich ignorierte das, ging langsam an ihnen vorbei, breitete die Arme aus, ohne nennenswerte Regung, schirmte Feliz ab, trat auf ihn zu wie ein Schutzschild.

»Hey, Feliz«, sagte ich leise. Ich erkannte, dass er ›bei sich‹ war.

Vorsichtig strich ich über seine linke Schulter, entfernte etwas Avocadoschale, versuchte, ihn zu erreichen.

Feliz nach oben zu bringen, war mein Ziel, ihn in Sicherheit zu wissen im zweiten Stock, seinen Sternen ein Stück näher.

»Kommst du mit?«, fragte ich sanft.

Um uns herum war es still geworden. Die Idioten hatten ihr Interesse verloren.

Einfach nur Stille.

Feliz betrachtete unberührt sein Universum.

Beneidenswert ...

Er ist einsam, wusste ich. So einsam man nur sein kann. Feliz hatte wirklich niemanden. Keine Freunde, nur Marta. Vielleicht mich.

Ein einsamer Junge. Einer, der nur Gewalt kennengelernt hat. Immer wieder Gewalt.

Feliz senkte seinen Kopf, legte ihn auf meine Schulter. Sanft. Ganz fern war sein Blick. Und doch vertraut. Tränenverhangen, aber nicht in unserer Welt. All das kannte ich nun schon so gut. Es machte mir keine Angst, gehörte zu ihm. Es war – besonders.

Ich strich durch sein langes Haar.

Einsam ...

Eigentlich ist er schön, fiel mir auf. Wirklich schön. Diese riesigen, klaren Augen, seine eigenartig farblosen Lippen, der akkurate Bartschatten, um den er sich schon jetzt jeden Tag kümmern musste. Gerade mal sechzehn war er da, wie ich.

»Hallo Hübscher«, flüsterte ich zart, immer noch gefangen im Modus des Gefallenmüssens nach dieser Nacht.

In Gedanken ... einsamen ...

Ich nahm sein Gesicht in meine Hände, betrachtete es ...

Schaute ihn an ...

Sah ihn ...

Nahm ihn wahr ...

Er befand sich ... im ... sah mich nicht ...

Als ich ihn küsste, stand die Zeit still.

Sein Schwanz – er zuckte an meinem Schenkel.

Lächeln musste ich da ...

Ich zog ihn tiefer in den Schatten.

Unseren Schatten für diesen Moment.

 

»Feliz ist ein guter Junge, Jamiro«, beteuert Marta immer wieder. »Und er mag dich doch so gerne.«

»Ja, klar«, versichere ich dann. »Das weiß ich und das sehe ich. Aber er darf mir nicht zwischen die Beine starren und dabei an sich rummachen, während er hier abhängt, Marta. Das kann nicht nur ihm Probleme bringen, sondern auch mir. Was, wenn das einer mitbekommt? Du weißt, wie sie sind.«

Marta weiß es genau. Sie weiß auch, dass Feliz irgendwann mal kapiert haben muss, womit ich Geld verdiene. Eigentlich konnte es niemand wissen. Nur Marta. Irgendjemandem hatte ich mich anvertrauen müssen damals. Vielleicht ahnt sie aber auch, dass wir ...

»Könntest du den Jungen nicht einfach ab und zu mal zu dir nehmen und ... du weißt schon«, fragt sie prompt. Ihre rechte Hand simuliert eine eindeutige Geste. Ich muss sie daraufhin so fassungslos angesehen haben, dass ihr die Frage plötzlich peinlich war.

»Feliz ist mein Freund«, erwidere ich.

»Ja eben, es würde ihm sicher helfen.«

»Ich könnte ihm nicht mehr in seine Augen sehen«, lüge ich.

»Es ginge ja nur um ein bisschen ... Unterstützung. Nicht um ... du sollst nicht ...«

Ich befinde mich in einem Dilemma.

»Und was, wenn er mehr darin sieht, als es ist?«, äußere ich meine Bedenken. »Was, wenn er es rumerzählt? Wenn er es in seine Fantasie einbaut? In seine Welt? Was dann?«

Dagegen konnte sie nichts erwidern, war mir klar. Das Szenario war zu real. Und brandgefährlich. Also blieb alles beim Alten: Feliz träumte seinen feuchten Traum – ich blieb seine Wichsvorlage. So war es gut – so konnte es bleiben.

 

***

 

Ich drücke die Taste des Recorders: Chico Science und Nação Zumbi. Immer wieder dieses eine Tape. Aber ich mag es nach wie vor. Auch wenn ich es schon tausendmal gehört habe. Es übertönt Geräusche, die ich nicht brauche. Das Geschrei im Treppenhaus. Den Kläffer im dritten Stock, der immer in die Gänge scheißt. Irgendwann wird ein Fluch ihn treffen. Denn auch den hört man, wenn jemand reingetreten ist.

Dadurch, dass in den Blöcken die Türen fehlen, lebt man familiär. Den Sex von Manuel und Renita auf unserer Etage hinten rechts, den kann ich nachspielen. Mach ich auch. Caique lacht sich kaputt, wenn ich damit loslege. Ebenso beim Gestreite – Manuel hat was mit einer Xana am Laufen – wohl schon länger ...

Quando degolaram minha cabeça‹, singen Chico und Nação gerade, ›Passei mais dois minutos vendo meu corpo tremendo.‹

Als sie meinen Kopf abschlugen, verbrachte ich noch zwei Minuten damit, meinen Körper zittern zu sehen.

Ich sang mit.

»Morrer, viver, morrer, viver!«

Sterben, leben, sterben, leben!

 

Angefangen hat damals alles mit dem Verschwinden von Lara. So kam ich zu Neymar.

Neymar wusste, dass wir finanziell nicht klarkommen würden, es nicht konnten. Da waren keine Verwandten, die sich um uns gekümmert hätten. Niemand. Also kam er zu uns, um zu sehen, ob was für ihn dabei war.

Neymar betrieb sein Bordell im ersten Block, nahe der Ausfallstraße. Das war gut fürs Geschäft.

Im Erdgeschoss befanden sich die Mädchen. Sie waren mindestens achtzehn. Garantiert. Im Keller gab es Räume, in denen es mit dem Alter nicht so genau genommen wurde. Und es gab die mit den Jungs. Das war geheim. Es hätte Neymar alles kosten können, wäre das herausgekommen. Doch jene, die für uns zahlten, hielten dicht, denn es hätte auch sie viel gekostet. Copacabana Palace hatte da seine ganz eigenen Gesetze. Und die standen über denen von Rest-Brasilien.

»Wo sind deine Schwestern?«, hatte Neymar damals gefragt, und nachdem ich sie ihm gezeigt hatte, erkannt, dass sie für seine Belange viel zu jung waren. Er hätte sich Ärger eingehandelt.

»Kann ich dich sprechen, Jamiro? Von Mann zu Mann?« Da war ich gerade fünfzehn, als er mich fragte. Ich schaute in seine Augen, konnte nichts Falsches darin erkennen und nickte. Also war ich ihm gefolgt.

»Du hast jetzt eine Familie zu versorgen, Jamiro«, sagte er, nachdem er eine Tür hinter uns geschlossen hatte. »Das ist eine große Verantwortung für einen Mann. Ich weiß das – du weißt das. Wenn du willst, helfe ich dir dabei.«

Natürlich wollte ich. Wir brauchten Hilfe. Das sagte ich ihm. Er lächelte, legte entschlossen seine Hand auf meinen Oberschenkel, rutschte höher und fragte: »Ist dir das unangenehm?«

Ich verneinte, auch wenn mir die Situation nicht gefiel. Schließlich nahm er meine Hand und legte sie zwischen seine Beine. Ich konnte seinen Schwanz spüren, der sich hart unter dem dünnen Polyester seiner schwarzen Trainingshose abzeichnete. »Und das?«, wollte er wissen. »Ist dir das unangenehm?«

Wieder verneinte ich, wenn auch aus Vorsicht.

»Holst du ihn raus? Machst du das für mich?«

Ich tat es. Und auch als er mich aufforderte, ihn zu lutschen, da tat ich es.

Ich ging auf die Knie, nahm seinen Schwanz in den Mund, lutschte ihn und ich schluckte seinen Erguss, als er kam – alles so, wie er es von mir verlangte. Im Anschluss kramte er in seiner Tasche, zückte ein Bündel Scheine.

»Du hast das sehr gut gemacht«, lobte er mich und drückte mir zwei davon in meine Hand. »Da, wo es die gibt, Jamiro, gibt es noch viel mehr für dich«, sagte er leise.

Zwanzig Real. Ein Vermögen. Eine ekelüberwindende Tatsache. Wir hatten gerade mal zwanzig Minuten in dieser Kammer verbracht. Jede Minute ein Real. Unglaublich.

»Nur, dass wir uns verstehen.« Neymars Ton hatte sich verändert. »Wenn du jemandem was davon erzählst, werden sich meine Leute um deine Geschwister kümmern.« Er lächelte. »Aber ich bin mir sicher, du bist ein vernünftiger, richtiger Mann, Jamiro, oder?«

Ich versicherte es ihm.

»Willst du mehr verdienen, kommst du einfach zu mir. Du weißt ja jetzt, wie es geht. Frag einfach nach mir. Ich habe immer Zeit für dich.«

Noch am selben Abend fand ich mich in Block Eins ein, fragte nach Neymar.

Schon nach zwei Wochen hatte er mich so gefügig, dass ich meinen ersten Kunden bedienen konnte. Von hinten wie vorne, oben wie unten – alles war möglich. Neymar hatte mir in dieser Zeit nichts geschenkt, viel angetan. Aber er hatte gut bezahlt dafür.

So konnte ich nun meine Familie versorgen.

 

***

 

Mercedes schläft noch. Ihr Schlaf dringt ungefiltert durch den Vorhang. Ein Blick in ihr Zimmer zeigt mir dann das, was ich jeden Morgen dort vorfinde.

Mercedes’ üppige Brüste sind sehr beliebt bei den Jungs, das kostet sie aus. Und so sind ihre Nächte lang – die Tage kurz. Sie trinkt zu viel, sie raucht Mist, sie passt nicht auf.

Ich habe mit ihr geredet, ich habe ihr gedroht. Ich habe Marta zu ihr geschickt – zwecklos. Einschließen geht nicht. Wie, ohne Tür?

Am Ende habe ich sie losgelassen. Habe ihr das Versprechen abgerungen, ihre Schwester da nicht mit hineinzuziehen. Ich habe ihre fordernde Hand weggeschlagen und sie in ihren Sumpf gleiten lassen.

Lisa ist anders. Sie hilft unserem Arzt in Block Fünf, der hier die Kranken und Verletzten versorgt. Mit gerade mal vierzehn Jahren hilft sie ihm.

»Ich lerne das«, hat sie mir ernst erklärt. »Weil es wichtig ist, so was zu können.«

Sie weiß, wovon sie spricht. Lisa war dabei, als der Bruder ihrer besten Freundin einen Treppenschacht hinuntergestürzt ist. Beim Spielen. Einfach nur ein blöder Unfall. Aber niemand war da, der ihm geholfen hat. Weil niemand da war, der ihm hätte helfen können. Sie standen alle um ihn herum und sie haben ihm beim Sterben zugesehen. Hilflos. So etwas wollte Lisa nie wieder mit ansehen. Und darum tut sie etwas dagegen.

Ich liebe sie dafür.

Ich liebe auch Mercedes. Liebe sie vielleicht sogar besonders stark, weil ich sie verloren habe. Aber ich kann nichts mehr für sie tun. Ich gebe ihr Essen und sehr selten auch Geld. Mehr mache ich nicht. Sie sagt, sie hasst mich, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Sie liebt mich auch. Ich spüre es.

 

Dass ich bei Neymar arbeite, weiß jeder hier. Aber sie wissen nicht, was ich tue. Sie denken, ich schenke Getränke aus und mache sauber, wische hinter den Freiern her, so was halt. Mache ich auch, aber nur um die Fassade zu wahren. Nur, damit niemand mitbekommt, womit ich eigentlich mein Geld verdiene. Alle Jungs von Neymar machen es so. Wir sind die ›cleanen Boys‹ von Neymar – Liberto, Benoni und ich. Manchmal arbeiten wir auch zusammen. Wenn ein Kunde das so vorbestellt, machen wir es.

Heute also einer mit Sonderwünschen.

 

Ich gehe an meinen Koffer und suche mir Wäsche aus, die ich schön finde. Wenn er bereit ist, das Dreifache zu zahlen, will ich auch schön sein für sein Geld.

Während ich mich umziehe, fällt mein Blick in den Spiegel neben dem Bett. Ernste, dunkle Augen mustern mich. Ich habe abgenommen, bin eh schmaler als die anderen, aber abnehmen ist nicht gut. Zart – hat Lara mich immer genannt – und dabei sorgenvoll geklungen, weil ich nicht so viele Reserven hatte wie die anderen Jungen in meinem Alter.

Meine Haare sind kurzgeschoren. Ich finde es praktischer so. Marta hat so ein Gerät. Sie macht das für mich, raucht dann dabei und erzählt von alten Zeiten mit meiner Mutter, als sie zusammen nach Copacabana Palace gekommen sind, aus der Stadt, von der Straße. Als ich noch klein war. Erinnerungen ...

Ließe ich sie wachsen, meine Haare, hätte ich schwarze Locken wie alle in unserer Familie. Wie eigentlich fast alle in Copacabana Palace. Gene setzen sich hier durch.

Ich stell mich auf die Zehenspitzen, um im Spiegel sehen zu können, wie ich mit der Wäsche rüberkomme. Es sieht richtig gut aus. Wie auf einem dieser Fotos, die bei Neymar an der Wand pinnen, in einem unserer Räume, da wo wir es tun. Ich nehme ein paar Posen ein, grinse über mich selbst. Dann ziehe ich mich weiter an.

Von dem Geld, das ich zusätzlich verdiene, will ich an den Strand. Einen ganzen Tag Strand – das war lange nicht.

Ich lege mich auf die Matratze, stelle mir vor, es wäre weißer Sand und meine Haut nass und salzig. Ich würde in die Sonne blinzeln, einschlafen und dann irgendwann einfach vom Rauschen des Meeres wieder geweckt werden.

Kein Gestank. Kein Lärm. Kein Neymar ...

 

***

 

Es rumort neben meinem Kopf, holt mich zurück, aus einem traumlosen, tiefen Schlaf: das Handy. Falls ich einen Freier habe, bin ich so erreichbar – und nur dafür wurde es mir gegeben.

Da ist einer, der schnell geht, den ich zwischenschieben kann, sagt mir jemand. Ob ich will, fragt er nicht. Ein – nein – würde Neymar auch nicht akzeptieren. Ebenso wenig die Gründe dafür.

Also stehe ich auf, mache mich auf den Weg zu Block Eins.

Ich wähle den Umweg über einen weniger verschlammten Pfad, betrete den Club durch den Hintereingang und begebe mich direkt nach unten.

Der mir zugewiesene Kellerraum ist nicht groß. Neymar hat die Wände gedämmt, so dass nicht zu viel nach außen dringen kann. Sogar eine Tür gibt es. Auf dem Boden liegt ein bunter Teppich. Die Flecken darauf erzählen Geschichten. Für einige davon bin ich verantwortlich. Besser macht es das nicht.

Ich tippe, schicke eine Nachricht nach oben, dass ich bereit bin, warte ab, sehe mich um.

Das Bett ist groß, die Matratze fest. Da es ein Kellerraum ist, riecht es hier auch so. Das bekommt man nicht weg. Doch der Gestank von Müll und Pisse, der sonst über allem schwebt, schafft es nicht bis hier unten. Das ist genial. Auf einem kleinen Tisch steht eine Auswahl an Raumsprays. Die benutzen wir meist kurz vorher. Zitrone gefällt mir am besten. Direkt daneben steht eine Schale mit Kondomen. Es gibt Gleitgel. Die meisten verzichten allerdings darauf. Auf beides.

Als die Tür sich öffnet, weiß ich, dass es tatsächlich keine große Sache wird. Seinen Namen kenne ich nicht, aber er war schon öfter bei mir. Ich erinnere ihn an seine Enkel. Das erzählt er mir jedes Mal wieder, wenn ich ihm einen blase. Mehr passiert auch nicht. Er ist hager, ziemlich alt und kommt aus der Stadt. Meist liegt er auf dem Bett und erzählt von Manuel und Pedro, seinen Enkeln, während ich seinen Schwanz lutsche. Manchmal steht er auch, die rechte Hand stützend am Bettpfosten, dann knie ich vor ihm und beeile mich etwas. Immer will er tief in meinen Rachen. Darauf steht er.

»Ihr müsstet ein Alter sein«, stellt er wieder einmal fest. Ich bestätige, dass dem so ist, dass wir schon beim letzten Mal darüber gesprochen hätten. Das freut ihn dann. Wie er es wohl fände, wenn Manuel und Pedro ihm einen blasen würden, frage ich lieber nicht. So genau will ich es auch gar nicht wissen. Am Ende kramt er was Süßes aus seiner Hosentasche, das er mir wie eine Belohnung überreicht. In der Regel ein Minzbonbon. Manchmal auch Eukalyptus. Ich bedanke mich wie immer, dann lächelt er erfreut und geht seiner Wege. So auch dieses Mal. Die Minze überdeckt den Geschmack seines Spermas. Ich überlege, ob das die Absicht ist, die dahintersteht, finde es auf jeden Fall sehr aufmerksam von ihm.

 

Vielleicht liegt es an dem, was ich tue, vielleicht stumpft es mich ab, tötet in mir das, was nötig wäre, dieses spezielle Gefühl zu erleben, von dem alle reden. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, aber – ich war noch nie verliebt.

Ich weiß nicht mal, ob es Jungs oder Mädchen sind, denen mein Herz gehört. Selbst Caique war schon verliebt. Das behauptet er zumindest. Und sein leidenschaftliches Schwärmen für Suéli aus dem zweiten Block lässt darauf schließen, dass da was dran sein könnte. Wer bin ich, das zu belächeln, ich, der ich selbst keinerlei Erfahrung in diesen Dingen habe?

Doch für ein anderes Leben fehlt mir die Vorstellung, vielleicht auch die Energie ...

Also mache ich weiter, was ich gelernt habe.

Und zahle den Preis dafür.

 

***

 

Nachdem ich das Laken gewechselt habe, genehmige ich mir meine drei Schluck Cachaça. Erst brennt er, dann macht er Versprechungen – und die hält er ein.

Die Kunst ist es, im richtigen Moment zu entspannen, eine Verkrampfung gar nicht erst zuzulassen. Der Cachaça hilft dabei. Wenn dir das gelingt, hast du gewonnen. Dann hast du zumindest etwas die Zügel in der Hand, auch wenn der Freier denkt, es sei anders. Du entscheidest mit, wann er kommt, wann du an- und entspannen musst. Wie eine dritte Hand funktioniert dein Muskel dann. Du gibst den Rhythmus vor. Und bei all dem hilft dir der Cachaça.

Nichts hilft, wenn es zu brutal wird. Das kommt schon vor. Du kannst nur hoffen, dass jemand von Neymars Leuten dich hört. Er schreitet dann ein. In der Hinsicht ist er gut. Er lässt nicht zu, dass man uns ernsthaft beschädigt. So nennt er das. Ich hab es mitbekommen, nachdem ein Freier auf mein Gesicht eingeschlagen hat. Neymar warf ihm vor, mich ›ernsthaft beschädigt‹ zu haben. Wie einen Toaster im Verkaufsregal, der einem auf den Boden gefallen ist, oder eine Lackschicht am Auto, die man verkratzt hat. Das vielleicht eher. Der Vergleich trifft es, glaub ich, ganz gut. 

Der Cachaça beginnt zu wirken.

Als die Tür sich öffnet, lächele ich, als hätte ich mein Leben lang nur auf diesen Moment hingelebt.

»Das ist unser Kimey«, stellt Neymar mich vor. Ich lächele süß. Dass Kimey ›der Glückbringende‹ bedeutet, hat er mir bei der Verleihung des Bordell-Namens erklärt. Nun erklärt er es dem Freier. Mein Kunde ist nicht sehr groß, eher breit und er trägt einen vollen Bart. Sein Körper steckt in einem Anzug, was ungewöhnlich ist bei der Hitze.

»Wie alt ist Kimey«, will er von Neymar wissen, während er mich abschätzend begutachtet. Ich sitze auf der Matratze, meine Arme stützen mich nach hinten ab, die Schenkel gespreizt, mein Schritt gut sichtbar. Die Lippen leicht geöffnet, zungenfeucht. Das gefällt, weiß ich. Die Mechanismen der Verlockung sind einfach, sie sind enorm schlicht.

»Er ist achtzehn«, versichert Neymar kopfnickend. »Wie von Ihnen bestellt. Und Kimeys Becken versteht sein Handwerk. Kosten Sie unbedingt seine verheißungsvollen Apfelbacken. Eine verzückende Enge.« Neymars Stimmlage senkt sich verschwörerisch. »Kimey ist aber auch mit der Zunge virtuos«, ergänzt er noch.

»Er ist ... achtzehn? Sicher?« Es scheint eine Rolle für ihn zu spielen. »Dann ist es gut.«

Also bin ich achtzehn.

Heute ist mein achtzehnter Geburtstag.

Lassen wir es krachen.

 

***

 

›Retter‹ will er von mir genannt werden. Er sei evangelikal, erklärt er, als sei das für mich von Bedeutung. »Ein guter, reiner Christ auf einem guten, reinen Weg mit Zukunft. Ein Weg mit dem Herrn. Der einzig gangbare Weg.« Er sei tief gläubig, von Gott gesandt, ein Retter. Es ist ihm wichtig.

Okay – nenne ich ihn also ›Retter‹.

Er wolle das alles hier nicht, versichert er.

Und dann, dann nennt er mich – verloren.

Ich stutze, begreife im selben Moment, dass es kompliziert wird. Seine Stimmlage sagt es mir, ehe seine Worte mich erreichen.

»Es gilt, abzuschwören von diesem Pfad«, teilt er mit. »Und du, Kimey, stößt IHN ab mit deinem Weg.« Er sieht mahnend auf mich herab. »Unseren Gott – und damit auch mich.«

Was war das? Ich hebe fragend die Schultern. Schließe meinen Schoß ...

»Ja«, antwortet er leise, »du fragst dich jetzt sicher, wie das sein kann. Aber es gibt Wege, Kimey  ..«

Da steht er nun, der Anzugmann, predigt und predigt, ohne zu begreifen, wem er da gegenübersteht.

Neymar erwartet an diesem Abend dreifachen Umsatz von mir. Und Neymar verzeiht nicht. Es ist ein Job zu erfüllen von meiner Seite. Gott hin, Gott her.

Seit über zwei Jahren weiß ich, welch harte Folgen es hat, die Erwartungen Neymars nicht zu erfüllen, zu versagen. In diesem Fall: Schadensersatzforderungen: Ich müsste umsonst ran – gehörte Neymar für eine Woche mindestens. Nicht nur seinen Kunden – auch ihm. Wann immer er will – was er will. Und das kann alles sein.

Vieles habe ich ausgehalten, um dem zu entgehen.

Tier sein beispielsweise. Manche Freier lieben so was. Also bin ich Schwein oder Hund, was auch immer. Ich habe so zu klingen, auf Befehl zu grunzen, zu bellen, auf allen vieren zu kriechen, habe das Gelächter, die Demütigung zu ertragen – um schließlich wie Vieh genommen zu werden. Ich musste schon Kind spielen, hatte Daddy einen zu blasen, um mich im Anschluss von ihm anpissen zu lassen. Ich ertrug Schläge und Tritte, tanzte Ballett im Tutu, wurde vergewaltigt währenddessen. Man hat mir aus Lust die Augen aufgehalten, um Sperma darin abzuladen – einfach, weil sie dafür bezahlt hatten, sie es witzig fanden, sich aufgeilen konnten, wenn meine Tränen flossen – doch niemals – wirklich niemals war ich bislang verschmäht worden.

Meine Verzweiflung wächst.

Ich gebe behutsam zu verstehen, dass ich bereit wäre, sehr gerne meine Zunge zum Einsatz zu bringen, trotz Gott und so – absolut virtuos, wenn ihm danach sei.

Doch er wendet sich ab von mir, Himmel, nein.

Ich greife seine Hand, führe sie sinnlich reibend zwischen meine Beine, lasse ihn meinen Schwanz, meine Schenkel fühlen.

Er mag es nicht.

Ich sei verloren, wiederholt er seine Litanei. Ob ich es nicht verstehe? Oder nicht verstehen wolle?

Wie verloren ich mich in diesem Moment fühle, kann er nicht einmal erahnen.

Ich sei wirklich gerne alles, wirklich ALLES für ihn, was er sich nur wünschen könne, beteuere ich bettelnd. Ganz gleich, ob achtzehn, sein Kimey, virtuos, völlig verloren oder sonst was. Er müsse es einfach nur aussprechen, es bitte irgendwie annehmen, bitte – es wäre doch kein so großes Problem. Auch vor Gott nicht.

Ich gehe auf die Knie vor ihm. »Ich gehöre ganz dir«, verspreche ich beinahe flehend. »Die kommenden Stunden gehöre ich ganz dir«, versichere ich. »So verloren ich bin, mein Retter.«

Das ist der Punkt, an dem es kippt, an dem seine Heilung scheitern musste. Er sehe keine Chance mehr für mich. Ebenso wenig wie Gott. Da ist er sich ganz sicher.

»Steh auf, Kimey«, verlangt er mit gepresster Stimme, »und beuge dich vor.«

Erleichtert folge ich seinem Befehl, beuge mich vor, stütze mich federnd am Bett ab, befreit darüber, einen Weg gefunden zu haben, der ihm entgegenkommt.

»Zieh diese ... Hose runter«, fordert er barsch, doch dann macht er es selbst, zerrt sie grob in meine Kniekehlen, voller Ungeduld ...

An die Reinigung geht es, teilt er mit, greift dann in den Ärmel seines Sakkos und macht sich an sein Werk. An die Bestrafung ...

 

Lisa hält meinen Kopf auf ihrem Schoß umarmt. Weinend, hilflos, verzweifelt ...

Nie wieder wollte sie einem sterbenden Bruder zusehen müssen ...

Der Arzt aus Block fünf blickt ernst auf mich nieder.

Neben mir liegt ein Moniereisen. Er hat es aus mir herausgezogen.

Dann hat er versucht, meine Blutungen zu stoppen.

Bis in die erste Etage hat man mich gehört, sagen sie. Sie stehen um mich herum, starren. Liberto und Benoni sind davongekommen. Auch sie waren von Rettern gebucht gewesen. Säuberungsexempel hatte ihre Mission gelautet. Meine Schreie haben das unterbrochen.

Neymar murmelt etwas, sieht ebenfalls auf mich herab, enttäuscht.

»Ich weiß es nicht«, sagt der Arzt zu ihm, so, dass ich es hören kann, blickt mit zusammengekniffenen Lippen auf meinen Unterleib. »Abwarten ...«

Das sagt er immer wieder.

»Abwarten ... Wir müssen einfach abwarten.«

 

***

 

Der Regen ist weitergezogen.

Es ist Nacht.

Eine sternenklare. Ich liege auf meiner Matratze. Mondbeschienen.

Schmerzen habe ich nicht. Der Arzt hat mir etwas gegeben. Morphine, Opiate sagt Lisa. Danach hat sie Tabletten geschluckt, ist schlafen gegangen, in die Arme von Mercedes und Caique.

Ich wollte allein sein.

Kein Schmerz. Aber ich spüre, dass etwas nicht stimmt. Dass ich blute. In mich hinein. So fühlt es sich an. Heiß und fremd.

 

Plötzlich ist da ein Gesicht über dem meinen.

Feliz.

Ich lächele.

Feliz lächelt. Er strahlt.

»Feliz«, flüstere ich. »Was machst du hier?«

Doch er sieht mir nicht in die Augen. Sie schauen durch mich hindurch in dieser Nacht, sein Gesicht, so anders ... und da spüre ich es.

Begreife ihn.

Er macht sich an mir zu schaffen.

»Lass das«, versuche ich ihn abzuwehren. »Du tust mir weh.«

Feliz ignoriert das, nimmt mich nicht wahr. Er entfernt Verband für Verband. Zieht sie aus mir heraus, legt sie beiseite. Ganz ohne Eile tut er das, geht mechanisch vor, wie in Trance dabei. Dennoch mit Bedacht. Meine hilflose Abwehr bleibt unbemerkt. Als er fertig ist, drückt er meine Schenkel zur Seite.

Ich ahne, was passieren wird – weiß es, weil ich in seinem leeren Blick lesen kann wie schon einmal. Es muss passieren, verstehe ich.

Es steht ihm zu ...

Mit einem einzigen Stoß dringt er in mich ein, als sei ich ein Ding, eine Puppe, ein ... ewig ersehnter Traum.

»Er wird mich verlassen«, sagt er tonlos in den Raum.

Feliz beschleunigt, beginnt leidenschaftlich, seine ureigene Fantasie zu leben – endlich – seine fortwährende Hoffnung. Dieses Bild von uns beiden, miteinander vereint. Er stößt zu, atmet schwer, aufopfernd. Tränen fließen über sein Gesicht. Schmerz, Trauer ...

»Alle sagen, die Sonne scheint nicht mehr für Jamiro.« Wieder stößt er zu, fest, sehr fest. Tief.

Ich schließe die Augen, spüre keinen Schmerz, nur, wie ich rhythmisch gegen die Wand gestoßen werde, immer und immer wieder. Vergebe bei jedem Stoß, spüre, wie es reißt in mir, als sei ich aus altem Stoff von innen. Er liebt mich tot. Er kann nicht anders, kennt es nur so, kennt nur Gewalt.

Als Feliz von mir ablässt, hat er sich in mir ergossen. Ich habe sein Pumpen gefühlt, stelle mir vor, wie sich sein Samen mit meinem Blut vermischt. Blut, das aus frischen Wunden rinnt. Feliz-Wunden.

Passei mais dois minutos vendo meu corpo tremendo.

Ich verbrachte noch zwei Minuten damit, meinen Körper zittern zu sehen.

»Ich liebe Jamiro«, flüstert Feliz zärtlich. Seine Augen sind riesig, als er mich verlässt. Fern – in einem anderen Kosmos. Gesehen hat er mich nicht. Dennoch hat er mich auf die Lippen geküsst, ganz zart, so unglaublich behutsam, ist dann leise aufgestanden und hat mein Zimmer verlassen.

»Ich lebe noch ...«, sage ich schwach, doch er kann mich nicht mehr hören. Er ist in seiner ganz eigenen Welt. So wie ich in der meinen, verblassenden. 

 

***

 

Es ist Liebe.

Von meiner Seite aus ist es das tatsächlich.

So stelle ich sie mir vor.

Bedingungslos ...

Ich liebe Feliz.

Den Sternenjungen ...

In die Welt schreien kann ich es nicht mehr.

Keine Zeit dafür.

Zu schwach.

Meu sangue para você ...

Mein Blut für dich ...

Seit jetzt bis gleich liebe ich dich, Feliz.

Mehr Zeit bleibt mir nicht, sie dir zu schenken.

Fühl sie einfach.

Wo auch immer ...

 

Meu sangue para você ...

Nachwort

 

Copacabana Palace existiert:

Durch eine Fotodokumentation bin ich auf diesen Ort aufmerksam geworden. Ich ging hinein – und kam verändert wieder raus. Und ich wusste, dass ich dazu etwas machen muss.

Die sechs Betonruinen stehen etwa sechzig Kilometer von Rio entfernt. Sie sind für über dreihundert Familien, für über eintausend Menschen, ein Zuhause.

Gebäude, die dem Zerfall preisgegeben sind, ohne Fenster, ohne Türen, ohne Infrastruktur.

Ein Ort für die Vergessenen, für Kranke, für Menschen ohne Zukunft.

Es gibt dort kein Wasser, kein Abwasser, der Strom wird illegal gekappt und steht auch nur sporadisch zur Verfügung.

Gewalt, Vergewaltigung – auch an Kindern – Drogen, all das gehört zum Alltag in Copacabana Palace.

Benannt ist der Ort nach einem Luxushotel, das sich in Rio befindet.

Es gibt einen eindrucksvollen Fotoband zu diesem Ort:

 

Copacabana Palace – Fotografie von Peter Bauza, erschienen bei Edition Lammerhuber, 208 Seiten, 185 Fotos, 8–seitiger Ausklapper, ISBN 978–3–903101–19–7. Das Buch kostet 75 Euro

 

In keinem anderen Land der Welt existiert so viel Gewalt gegen Schwule wie in Brasilien. Trotz einer vergleichsweise liberalen Politik besteht nur eine extrem geringe Akzeptanz für Schwule, Lesben und Trans* innerhalb der Bevölkerung. Gerade, als ich an diesem Text arbeitete, kam die Meldung, dass es durch einen Gerichtsbeschluss Psychiatern und Psychologen künftig erlaubt ist, damit werben zu dürfen, dass sie in der Lage seien, Homosexualität zu heilen. Angeschoben wurde dies durch evangelikale Christen, die in Brasilien auf dem Vormarsch sind. Sie schließen auch Gewaltanwendung nicht aus, um ihr Versprechen einzulösen, Homosexualität auszumerzen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739480176
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
queer benefiz schwul liebe anthologie gay romance gay albträume lgbt Erzählungen Kurzgeschichten Erotik Erotischer Liebesroman Liebesroman

Autoren

  • Juliane Seidel (Autor:in)

  • Juliane Seidel (Herausgeber:in)

  • Tanja Meurer (Autor:in)

  • Carmilla DeWinter (Autor:in)

  • Annette Juretzki (Autor:in)

  • Svea Lundberg (Autor:in)

  • Thomas Pregel (Autor:in)

  • Dima von Seelenburg (Autor:in)

  • S. B. Sasori (Autor:in)

  • Dennis Stephan (Autor:in)

  • Jana Walther (Autor:in)

  • Elea Brandt (Autor:in)

  • Barbara Corsten (Autor:in)

  • Jona Dreyer (Autor:in)

  • Jannis Plastargias (Autor:in)

  • Jobst Mahrenholz (Autor:in)

  • Chris P. Rolls (Autor:in)

  • Elisa Schwarz (Autor:in)

  • T. A. Wegberg (Autor:in)

Zusammenschluss verschiedener Autor*innen, die sich für einen guten Zweck zusammengetan haben.
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Titel: Like a (bad) Dream