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VAGUS NERV - Potential des Ruhenervs bei Stress, Depression & Schmerz

Mit dem Selbstheilungsnerv natürliche, innere Balance zwischen Anspannung & Entspannung finden | Ratgeber & Praxishandbuch

von Julian Überberg (Autor:in)
130 Seiten

Zusammenfassung

Du willst Dich ausgeglichen fühlen, ohne Stress, innere Unruhe & Müdigkeit? Oder suchst Du nebenwirkungsfreie Unterstützung bei körperlichen Beschwerden?

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Wann Dir ein Vagus Training helfen kann:

 

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Was erwartet Dich im Buch?

- Infoteil über das menschliche Nervensystem - mit Bildern: Sobald Du Dir vorstellen kannst, auf welche Weise das Training wirkt, wirst Du noch motivierter sein Deine Ziele zu erreichen.

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Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


A. Info-Teil

 

Vor dem Praxisteil erwartet sie nun ein Informations-Abschnitt. Mit diesem möchte ich ihnen die theoretische Basis vermitteln, warum die Arbeit mit dem parasympathischen Nervensystem so gewinnbringend für Ihre Gesundheit, Ihr Wohlgefühl, ihr tägliches Leben sein kann.

Bei der Behandlung von Patienten hat sich immer wieder gezeigt, dass es sich ungeheuer positiv auf die Übungsmotivation auswirkt, sobald der/die Übende verinnerlicht hat, warum eine Übung durchgeführt werden soll und auf welche Art die Übung wirkt.

Dabei ist einem medizinischem Laien auf wenigen Seiten die gesamte relevante Anatomie des Körpers nur in Teilen vermittelbar, aber sie werden sehen, es ist möglich, die Grundprinzipien ohne große Mühe zu verstehen.

Und weiß man im Groben, wie und warum etwas funktioniert, hat dies einen sehr positiven Nutzen auf die Langzeit-Motivation.

Häufig klingen die Erfolge durch ein Nervus Vagus Training so, als habe man es mit einer eierlegenden Wollmilchsau zu tun. Das Vagus Training besitzt jedoch eine grundsolide, wissenschaftliche Basis!

Um diese Basis etwas besser nachvollziehen zu können, folgt nun als erstes ein Blick auf das faszinierende, menschliche Nervensystem.

1.1 Das zentrale Nervensystem

 

Auf der linken Seite mit knöchernen Strukturen, auf der rechten Seite ohne.


links: das zentrale Nervensystem mit den knöchernen Strukturen des Schädels, der Wirbelsäule und den Übergangsstellen zum peripheren Nervensystem

recht: das ZNS isoliert von allen umgebenden Strukturen

 

Kurz ZNS genannt, stellt das zentrale Nervensystem ein Teilsystem des kompletten Nervensystems dar. Die Zusammenarbeit mit den anderen Teilen des Nervensystems sind sehr eng und ineinander verflochten, die Abgrenzung erfolgt dabei anatomisch, also aufgrund der Lage, nicht aufgrund unterschiedlicher funktioneller Zuweisungen.

 

Das zentrale Nervensystem wird von Gehirn und Rückenmark gebildet. Beide Abschnitte sind sehr gut vor äußerer Gewalteinwirkung geschützt, einerseits das Gehirn durch die Schädelknochen, andererseits das Rückenmark durch die Wirbelsäule.

 

Egal, welche Aktivität wir ausführen, das zentrale Nervensystem spielt immer eine gewichtige Hauptrolle dabei: wenn wir Sport ausüben, Essen, eine Landschaft beobachten, Sex haben, uns freuen, traurig oder depressiv sind, stets ist das zentrale Nervensystem der Regisseur.

Durch das zentrale Nervensystem wird es uns ermöglicht, zu denken, zu fühlen, zu handeln.

 

Dem ZNS obliegt ebenso die Kontrolle unserer Motorik, Körperhaltung und auch aller Bewegungen; es steuert den korrekten und reibungslosen Ablauf in den Organen, steuert unsere Atmung, den Blutkreislauf, die Sinnesorgane und die Muskeln. Ebenso besitzt es die Hoheit über unseren Hormonhaushalt und den Tag-Nacht-Rhythmus.

 

Durch das ZNS ist es möglich, Gefühle wie auch Triebe zu erfahren.

Ohne das ZNS könnten sämtliche Reize aus dem inneren des Menschen und aus der Umwelt weder wahrgenommen noch (weiter) verarbeitet werden.

 

Das zentrale Nervensystem ermöglicht es dem Menschen, sich mit seiner Umwelt, also dem Außen, als auch mit seinem Inneren, bewusst zu verbinden.

 

1.2 Das periphere Nervensystem

Darstellung des peripheren NS in blau

 

Rechts: Das zentrale Nervensystem endet an den seitlichen Austrittsstellen der Wirbelsäule und mündet direkt in das periphere Nervensystem.

Links: Die weitverzweigten Nervenbahnen des peripheren Nervensystems.

 

Mit dem Begriff „peripheres Nervensystem“ wird jener Abschnitt des menschlichen Nervensystems beschrieben, der sich außerhalb des Rückenmarks und auch außerhalb des Gehirns befindet. Aus funktioneller Sicht lassen sich peripheres und zentrales Nervensystem nicht gänzlich voneinander trennen.

 

Das periphere Nervensystem beherbergt das somatische und das vegetative Nervensystem, korrespondiert darüber hinaus auch mit dem zentralen Nervensystem.

1.2.1 Das somatische Nervensystem

Das somatische Nervensystem ist eine der beiden funktionellen Hauptabteilungen des Nervensystems. Die andere Haupt-abteilung stellt das vegetative Nervensystem dar.

Zur kurzen Erinnerung: Die Aufteilung in zentrales und peripheres Nervensystem erfolgt nach der jeweiligen Lage, bei der Unterteilung von somatischen und vegetativen Nervensystem erfolgt die Unterteilung auch nach Funktion.

Wie das vegetative Nervensystem, verfügt das somatische Nervensystem über ein weit verzweigtes Nervenfasernetz aus auf- und absteigenden Bahnen.

So verlaufen die absteigenden Nervenfasern immer zur (quergestreiften) Muskulatur und setzen so den willentlichen Bewegungswunsch um, sie sind allerdings auch für die Funktion von Stütz- und Haltemuskulatur zuständig, die überwiegend nicht mit dem eigenen Willen ausgeführt werden, sondern – zumindest zu einem großen Teil – automatisch erfolgt.

Die aufsteigenden Nervenfasern dienen überwiegend dazu, dass den sog. Projektionszentren im Gehirn – der Riechbahn, der Sehbahn, der Hörbahn, der Gleichgewichtsbahn und auch der Geschmacks-Bahnen, Informationen zur Weiterverarbeitung zugeführt werden können.

 

1.2.2 Das enterische Nervensystem

150 Millionen Nervenzellen! Das ist die stolze Gesamtzahl, die das enterische Nervensystem vorweisen kann.

Es wird auch als „Bauchhirn“, „2. Gehirn“ und „Darmhirn“ bezeichnet, da es den kompletten Verdauungstrakt durchzieht.

In den verschiedenen Schichten des Bauchhirns sind die 2 Hauptkomponenten lokalisiert, der Auerbach Plexus und der Meissner Plexus.

Beide zusammen, stellen die Kommandobrücke der Verdauung dar.

Einerseits sorgen sie für die jeweils erforderliche Mehr- oder Minderdurchblutung im Verdauungstrakt, andererseits sind sie Initiator der Eigenbewegungen des Darms („Darmmortalität“), die dafür Sorge tragen, dass der Speisebrei weiter transportiert und durchmischt wird.

Interessant zu wissen ist, dass der Parasympathikus (Info: der Vagus ist Teil des Parasympathikus) hier aktivierend tätig ist, um Verdauungsaktivität zu fördern, während der Gegenspieler, der Sympathikus, die Verdauungsfunktionen drosselt.

 

1.2.3 Das vegetative Nervensystem

 

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Rechts: Sympathikus: Nervenfaserverläufe zu den Zielorganen und die jeweilige Funktion

 

Links: Parasympathikus: Nervenfaserverläufe zu den Zielorganen und die jeweilige Funktion. Der Nervus Vagus ist der größte Nerv des parasympathischen Nervensystems.

 

Auch unter den Namen viszerales Nervensystem, autonomes Nervensystem oder Vegetativium bekannt, bildet das vegetative Nervensystem zusammen mit dem somatischen Nervenystem das periphere Nervensystem.

Die Bezeichnung „autonom“ gibt einen Hinweis auf die Selbststeuerung des vegetativen Nervensystems. Viele der Abläufe, für die das autonome Nervensystem verantwortlich ist, können vom Mensch nicht direkt beeinflusst werden, so z. B. Blutdruck und Atemfrequenz.

Das vegetative Nervensystem besteht aus den 2 folgenden Abschnitten: Sympathikus und Parasympathikus.

Dabei ist der Sympathikus eher der aktive Teil des vegetativen Nervensystems, während der Parasympathikus zuständig ist für die Aktivität im Körper unter Ruhebedingungen.

Der Sympathikus ist somit auch für unser „Kampf oder Flucht“ Verhalten zuständig, d. h. wenn wir in Gefahr sind und agieren müssen, wird der Sympathikus aktiv. In so einer Situation wird Adrenalin aus der Nebennierenrinde freigesetzt. Dadurch kommt es umgehend zu Reaktionen im ganzen Körper: Hormonfreisetzungen, Erhöhung der Herzfrequenz, Puls und Atemfrequenz, Pupillenerweiterung.

Im Idealfall findet man im Körper ein Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus vor, sodass die beiden Zustände in der Regel aufeinander folgend auftreten und den jeweils anderen Zustand hemmen bzw. ablösen.

Es handelt sich hierbei meistens um die Regulation in einem Organ oder einer Drüse, ob etwas gehemmt – erhöht, verlangsamt oder stimuliert werden soll.

Kennzeichen eines gesunden vegetativen Gleichgewichtes ist, wenn auf eine sehr aktive Sympathikus Phase eine entspannende Parasympathikus Phase folgt.

Ist dieses empfindliche Gleichgewicht gestört, spricht man von einer „vegetativen Dystonie“. Dabei kann das Gleichgewicht in Richtung Sympathikus, als auch in Richtung Parasympathikus verschoben sein.

Folgende Merkmale kennzeichnen den jeweiligen Zustand:

 

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Liegen z. B. vegetativ bedingte Verdauungsbeschwerden vor, so wird man keine Erkrankung bei der Untersuchung des Magens oder Darms finden, da die Ursache der Beschwerden im Nervensystem zu suchen ist.

Obige Symptome, bei einer Überaktivität des Sympathikus, Stress, Nervosität, schlechte Schlafqualität und auch Verdauungs-beschwerden, sind allesamt Symptome, die sehr häufig in unserer Gesellschaft auftreten. Man könnte sagen, wir sind eine Gesellschaft, bei der der Sympathikus eine dominierende Rolle spielt.

Viel Arbeit, viele „to-do’s“, und häufig auch viel Stress. Dabei verliert bei vielen Menschen der Körper mit der Zeit die Fähigkeit zu entspannen, sprich, er befindet sich fast dauernd im „Sympathikus Zustand“.

Ein Kennzeichen eines gestörten vegetativen Nervensystems ist, dass man auch in Ruhephasen nicht mehr abschalten kann, z. B. in seiner Freizeit. Man liegt auf der Couch und trotzdem kann man nicht entspannen. Das körpereigene System kann nicht in den Ruhemodus umschalten, da der Vagus eine zu niedrige Grundspannung aufweist. (mehr dazu im Kapitel „Starker Vagus & Vagotonus“)

Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch ungesund, da der Körper somit in seiner Heilarbeit, bei seinen internen Reparationsarbeiten gestört wird.

Ein Grund dafür ist, dass das Immunsystem nur im Vagus Zustand seine Arbeit erledigen kann.

Ein weiteres Kennzeichen für ein gestörtes vegetatives Nervensystem könnte sein, wenn der Körper mit einer leichteren Erkrankung oder einem Schmerzgeschehens nicht fertig wird und auch keine Besserung in Sicht ist.

Hier kommt nun die praktische Arbeit mit dem Selbstheilungsnerv ins Spiel, dem Vagus Nerv!

1.3 Der Nervus Vagus

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Ein Meister der Entspannung „bei der Arbeit“

 

1.3.1 Was ist der Vagus eigentlich?

Der Nervus Vagus ist der größte und wichtigste Nerv des parasympathischen Nervensystems. Er ist außerdem der 10. von 12 Hirnnerven.

Er gilt als der Nerv, der, neben seinen funktionellen Aufgaben für den Körper, auch für die Balance von Körper und Geist eine große Rolle spielt. Deshalb wird er häufig als „Ruhenerv“ oder „Selbstheilungsnerv“ bezeichnet.

Seine Aktivierung kann innere Unruhe, Schmerzen und Stress beenden.

Die überwiegend gegenteiligen Funktionen, vorwiegend aktivierende Aufgaben, werden vom Sympathikus Nerv gesteuert. Eine Balance zwischen den beiden Anteilen ist notwendig, um eine gute Gesundheit zu bewahren oder wiederzuerlangen.

 

Der Vagus Nerv rückt immer mehr in den medizinischen Blickpunkt, da mehr und mehr realisiert wird, dass im Körper kein Teil unabhängig vom Anderen agiert, sondern der Mensch ein komplexes Netzwerk ist, wo ein Teil mit dem Anderen interagiert.

 

Da der Nervus Vagus so weit verbreitet im Körper vorkommt, ist er daher ganz besonders von Interesse für Ärzte und Therapeuten.

 

Sein immenses Verbreitungsgebiet im Körper war dann auch namensgebend: Vagus leitet sich vom lateinischen vagari ab und bedeutet umherschweifen.

1.3.2 Verlauf des Vagus im menschlichen Körper

 

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Im Gegensatz zu den anderen 11 Hirnnerven, versorgt der Vagus nicht ausschließlich Gebiete im Kopf und Nackenbereich, sondern auch im Brust und Bauchraum. Dort ist er an vielen Funktionen der Organe, z. B. Magen, Darm, Leber, Milz, Niere beteiligt.

 

Der Nervus Vagus hat seinen Ursprung in mehreren HirnnervenKernen im verlängerten Rückenmark. Die Hirnnervenkerne sind dabei zuständig für die unterschiedlichen Qualitäten und Fähigkeiten des Nervus Vagus.

 

Das verlängerte Rückenmark stellt den untersten Teil des menschlichen Gehirns dar und geht in das Rückenmark über. Der Vagus tritt an dieser Übergangsstelle durch ein knöchernes Loch an der Schädelbasis aus und wandert – gemeinsam mit der Halsschlagader und der großen Halsvene – halsabwärts und tritt wenig später in die Brusthöhle ein. Im Halsbereich gehen Verästelungen ab, die am Kehlkopf und in den Ohren enden.

 

In der Brusthöhle angekommen, knüpft er Kontakte zu einigen Organen, wie Herz, Speiseröhre und Lunge. Über die Speiseröhre gelangt er wenig später in die Bauchhöhle, dabei passiert er unter anderem auch das Zwerchfell, unseren Hauptatem-Muskel.

Er endet in der Bauchhöhle, wo er sich fein aufästelt und dort Kontakt aufnimmt mit den Nieren und den Verdauungsorganen.

 

Nach „unten“ hin endet sein Versorgungsbereich im sogenannten „Cannon-Böhm-Punkt“, der im mittleren Abschnitt des Dickdarms lokalisiert werden kann.

 

1.3.3 Die Aufgaben des Vagus Nerv

„Der Vagus-Nerv unterstützt die Steuerung sehr vieler Körperfunktionen, die für die Erhaltung der Homöostase erforderlich sind, also für den Gleichgewichtszustand eines offenen dynamischen Systems.“

Stanley Rosenberg, Autor und Therapeut seit 50 Jahren

Damit der Vagus seine vielseitigen Aufgaben wahrnehmen kann, benötigt er verschiedene Leitungsqualitäten. Diese Qualitäten bezieht er aus verschiedenen Hirnkernen. Insgesamt besitzt der Mensch 18 Hirnnervenkerne, dem Vagus als 10. Hirnnerv sind 4 Hirnnervenkerne zugeordnet. 3 davon teilt er sich mit anderen Hirnnerven. Der Hirnnervenkern Nucleus dorsalis n. vagi ist exklusiv dem Vagus Nerv zugeteilt.

 

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Der Nervus Vagus kann, je nach Faserart und Zielorgan, Bewegungen einleiten, oder auch fühlen und schmecken initiieren.

Mit diesen weitreichenden Möglichkeiten ausgestattet, kann der N. Vagus viele Aufgaben im Körper wahrnehmen:

 

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Weitere Funktionen und Theorien zum Vagus Nerv:

Obige Informationen zu den Aufgaben des Vagus leiten sich aus der Anatomie des Vagus ab und genießen seit Jahrzehnten Gültigkeit.

Neuere Forschungen lassen jedoch darauf schließen, dass hier für den Vagus noch nicht das „Ende der Fahnenstange“ erreicht ist und wir womöglich noch gar nicht alles über den Ruhenerv wissen.

Eine der Theorien über die weitreichenden Funktionen des Vagusnerv ist die Polyvagal Theorie des Neurowissenschaftlers Dr. Stephan Porges.

Dr. Porges entdeckte, dass der Vagus nicht nur aus einem Strang besteht, sondern aus zwei Ästen: einem ventralen (auf der Vorderseite des Körpers verlaufenden) und einem dorsalen (auf der Rückseite des Körpers verlaufenden) Vagus Ast.

Die verschiedenen Vagus Äste entspringen an unterschiedlichen Orten im Gehirn, haben unterschiedliche Funktionen und stammen, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen.

Den vorderen Vagusanteil haben Säugetiere exklusiv, während Reptilien nur einen hinteren Anteil haben, der unter anderem für den Totstellreflex in Gefahrensituationen zuständig ist.

Dieser vordere Vagus-Teil hat, neben den bekannten Aufgaben wie Heilung, Verdauung, Erholung etc. auch soziale Komponenten wie Kontakt und Kommunikation. Bei diesem vorderen Vagus Ast lässt sich eine Verbindung zur mimischen Muskulatur feststellen, also einem Bereich, der zur sozialen Interaktion benötigt wird.

Der vordere und der hintere Vagus-Ast weisen also lt. Dr. Porges gänzlich unterschiedliche Aufgaben auf. Dr. Porges geht davon aus, dass Säugetiere diesen vorderen Teil auch deshalb benötigen, weil sie sich um ihren Nachwuchs intensiver kümmern müssen als Reptilien, um ein Überleben der Spezies zu sichern.

Die Entdeckungen von Dr. Porges sind allerdings noch weitreichender, da Sie viele bisher schwer erklärbare Phänomene aus der Psychologie und Traumatherapie in einen verständlicheren Kontext setzen.

Sein Modell gibt Erklärungen und Lösungsansätze für Bereiche wie Ängste, Panik, Burnout, Stress, psychischen Traumatisierungen, Dissoziationen etc.

Diese Erkenntnisse finden inzwischen in vielversprechenden therapeutischen Ansätzen Anwendung, unter anderem in der Somatic Experience von Dr. Levine oder den TRE (Trauma & Tension Release Excersises) von David Berceli.

Unabhängig davon, welche Symptome oder Krankheiten vorliegen, unabhängig davon wie gravierend der Stress, der Burnout, die körperliche oder psychische Erkrankung ist, ein starker Vagus ist eine Grundvoraussetzung, dass Besserung, bzw. Heilung stattfinden kann. Mit einem schwachen Vagus verfügt der menschliche Körper nicht über das nötige Rüstzeug, um heilende Maßnahmen einzuleiten.

Was aber ist eigentlich ein starker Vagus? Wie kann man messen, ob ein Vagus stark oder schwach ist?

 

1.3.4 Starker Vagus & Vagotonus

Ein Kennzeichen eines starken, gesunden Vagus ist, dass man nach einer körperlich oder psychisch anstrengenden Phase in relativ kurzer Zeit wieder zurück in die Ruhe kommen kann. Ist dies nicht der Fall, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass der sogenannte Vagotonus (Tonus = Spannungszustand, Grundspannung) zu niedrig ist und damit das Gleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus gestört.

Auch ein Denkzwang, also ein ständiges Gedankenkreisen, ist ein Indiz für einen schwachen Vagotonus.

Und auch viele Organprobleme können auf einen dysfunktionalen Vagus hindeuten. Hier muss die Ursache jedoch im Einzelfall abgeklärt werden.

Ein schwacher Vagus geht mit erhöhter Infektanfälligkeit, Depressionen, negativen Emotionen, bis hin zu erhöhter Anfälligkeit zu Herzinfarkten und Schlaganfällen, einher.

Ist der Vagus, bzw. der parasympathische Grenzstrang zu dominant, sind wir lethargisch, nicht motiviert und kriegen nur schwer unseren Alltag geregelt.

Ob das Gleichgewicht zwischen den beiden Protagonisten, Sympathikus und Parasympathikus, ausgeglichen ist, lässt sich durch die Messung der sog. Herzratenvariabilität (HRV) feststellen.

Die HRV erlangt seit einigen Jahren wieder zunehmend Interesse, da Sie ein wenig invasiver Messparameter ist, der nicht nur Auskunft auf den allgemeinen Gesundheitszustand gibt, sondern auch zu spiegeln vermag, wie es um das Gleichgewicht unseres vegetativen Nervensystems aktuell bestellt ist.

Daher ist die HRV in der Stressmedizin und der Psychophysiologie ein wichtiges Messinstrument, kommt aber ebenso in der Diabetologie und der Herz-Kreislauf-Medizin zum Einsatz.

Eine hohe HRV wird mit einem gesunden, hohen Vagotonus in Verbindung gebracht.

Von einer hohen HRV spricht man, wenn sich bei der Einatmung die Herzfrequenz leicht erhöht und bei der Ausatmung leicht abnimmt. Die Einatmung steht stellvertretend für den Sympathikus, die Ausatmung für den Parasympathikus, bzw. Vagus.

Eine hohe Variabilität zeigt, dass der Körper zwischen den beiden Systemen hin- und her schalten kann, was auf ein funktionsfähiges vegetatives Nervensystem hindeutet.

 

1.3.5 Vagus, soziales Umfeld & Leistungsgesellschaft

 

Wie Sie schon gelesen haben, es ist Beides möglich, eine Überaktivität des Sympathikus und eine Überaktivität des Parasympathikus. Jedoch existiert letzteres in deutlich geringerem Ausmaß.

Der Grund ist zum Teil in unserer modernen Leistungsgesellschaft begründet, die klar eine Sympathikus-Dominanz begünstigt.

Vermutlich hat sich noch nie eine Gesellschaft mehr „to do’s“ pro Zeiteinheit aufgehalst als die westliche im 21. Jahrhundert. Die Gründe sind vielfältig und ein eigenes, dickes Buch wert.

Was zu beobachten ist, je größer die Stadt, desto mehr Stress und Hektik existiert dort. Das dichte Gedränge, die hohen Geschwindigkeitsabläufe, die permanente Erreichbarkeit durch die modernen Medien: das alles begünstigt körperlichen, wie auch mentalen Stress für den einzelnen Menschen.

Eckhart Tolle, der bekannte spirituelle Lehrer mit deutschen Wurzeln, meinte einst süffisant: „Je größer die Städte, desto schneller laufen sie“, und umschrieb damit das hektische Bemühen der großstädtischen Bewohner, hastig von Punkt A nach Punkt B zu schreiten, um möglichst viele Häkchen auf der to-do Liste setzen zu können.

Die Flut an Reizen, der wir heute ausgesetzt sind, initiiert einen Daueralarm-Zustand in unserem Körper-Geist-System. Überall wird man mehr oder weniger „bombardiert“, und gäbe es mal etwas Ruhe, z. B. in der Arbeitspause, arbeiten wir häufig noch Social Media Kontakte ab anstatt einfach mal körperlich zu entspannen.

Und hier ist die Crux an der Geschichte:

Das Körper-System gewöhnt sich an Stress und es wird mittelfristig zu unserem normalen Lebensgefühl. Irgendwann wissen wir gar nicht mehr, wie es war, als wir noch nicht im Dauerstress waren.

Selbst wenn wir Auszeiten haben, nutzen wir sie häufig nicht, um in die Ruhe zu kommen. Diese Sucht nach Tun und Machen, der wir heutzutage unterliegen, ist nicht physiologisch und auch nicht gesund.

Denn unser Körper ist auf ein Gleichgewicht von Tun und Ruhen angewiesen.

Und auch wenn Sie gerade mittendrin sind im Trubel, in einer Großstadt wohnen, jeden Tag viel zu tun haben, so ist es Ihnen garantiert möglich, Zeit freizumachen, um die Dimension des Vagus zurück in Ihr Leben zu holen.

Vergegenwärtigen Sie sich, dass, auch wenn Sie den Stress aktuell noch gut kompensieren können, der Körper das auf Dauer nicht leisten kann ohne Schaden zu nehmen.

Ein Problem, oder vielmehr eine Herausforderung, bei der Vagus Arbeit ist, dass wir uns viel mehr mit Tun und Machen identifizieren, also mit Tätigkeiten, die dem Sympathikus zugeordnet sind, als mit Tätigkeiten, die dem Vagus zugeordnet werden.

Die Erklärung fällt auch gar nicht schwer, für Tun und Machen bekommen wir von der Gesellschaft Applaus, für viele Tätigkeiten, die man dem Parasympathikus zuordnet, nicht.

Das fällt mir auch in Gesprächen immer wieder auf, die Menschen sind stolz darauf, wenn Sie von früh morgens bis spät abends „geackert“ haben – teilweise bis zur Erschöpfung.

Ich möchte das nicht als Appell gegen harte Arbeit verstanden wissen, zum Problem wird es allerdings, wenn wir zum großen Teil unser Selbstwertgefühl aus Arbeit, bzw. aus geschaffter Arbeit, beziehen und dafür – häufiger als uns gut tut – über unsere Grenzen gehen.

Unglücklicherweise denken viele Menschen erst an Ihre Gesundheit, wenn sie drastisch von körperlichen oder geistigen Beschwerden in Ihrem „Tun und Machen Drang“ ausgebremst werden.

Darum, seien Sie ein wenig bewusster im Umgang mit sich, als es die Meisten sind und verinnerlichen Sie, dass ein gesundes Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Vagus die Basis ist, dass Sie auch im hohen Alter Vitalität und Gesundheit genießen können.

Sie sind bereits im hohen Alter? Auch das ist kein Problem, der Körper ist in jedem Alter reaktions- und lernfähig. Man kann immer eine Verbesserung seines körperlichen oder geistigen Zustandes erreichen.

Sie brauchen „nur“ die Entscheidung dazu fällen. Die Übungen im Praxis Teil dieses Buches werden Ihnen helfen, einen guten Start hinzulegen. Es ist letztendlich eine Sache der Priorität, ob man sich Zeit dafür nimmt.

Bevor Sie, hoffentlich tatenhungrig, loslegen, folgt noch ein wichtiges Kapitel über Vagus Blockaden. Diese Blockaden können einem schnellen Übungs-Erfolg entgegenstehen.

Autor

  • Julian Überberg (Autor:in)

Julian Überberg ist staatlich geprüfter Physio-/ Manualtherapeut, Kinsesiologe und Nahrungsmittelberater. Seit 20 Jahren steht er mit seiner Expertise Patienten in der Praxis und seit 2019 auch Kunden als Autor von Büchern zur Verfügung.
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Titel: VAGUS NERV - Potential des Ruhenervs bei Stress, Depression & Schmerz