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All your dirty lies

von J. K. Mooning (Autor:in)
245 Seiten
Reihe: All your dirty Secrets, Band 2

Zusammenfassung

Regel Nummer eins, wenn du einen neuen Job anfängst: Finger weg von deinem (heißen) Kollegen! Cathy bekommt die Chance ihres Lebens und fängt als Hauptdarstellerin bei der Serie „Deadly Races“ an. Sie glaubt, ihren Traum von der großen Schauspielkarriere endlich ausleben zu können. Die goldene Regel, keine sexuellen Beziehungen innerhalb des Filmsets einzugehen, ist für sie kein Problem, denkt sie. Ein kleiner One-Night-Stand am Tag vor Drehbeginn mit einem mysteriösen Fremden kann allerdings nicht schaden, glaubt sie. Als jedoch genau dieser Typ am nächsten Morgen am Filmset als Stuntman antritt, gerät ihre Welt ins Wanken. Von nun an sollen sie täglich eng zusammenarbeiten. Viel Zündstoff liegt in der Luft und das liegt nicht nur an den heißen Stunts und dem schleimigen Produzenten, der ein Auge auf Cathy geworfen hat. Achtung: Teil 2/2 Dieses Buch ist eine Neuauflage des Romans mit dem Titel „Hollywood Nights“ und „Ein Stuntman zum Verlieben“.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

 

 

 

ALL YOUR DIRTY LIES

 

 

Ein Liebesroman in zwei Bänden

Teil 2

Von J.K. Mooning

 

 

Inhalt

Regel Nummer eins, wenn du einen neuen Job anfängst: Finger weg von deinem (heißen) Kollegen!

 

Cathy bekommt die Chance ihres Lebens und fängt als Hauptdarstellerin bei der Serie „Deadly Races“ an. Sie glaubt, ihren Traum von der großen Schauspielkarriere endlich ausleben zu können. Die goldene Regel, keine sexuellen Beziehungen innerhalb des Filmsets einzugehen, ist für sie kein Problem, denkt sie.

Ein kleiner One-Night-Stand am Tag vor Drehbeginn mit einem mysteriösen Fremden kann allerdings nicht schaden, glaubt sie.

Als jedoch genau dieser Typ am nächsten Morgen am Filmset als Stuntman antritt, gerät ihre Welt ins Wanken.

 

Von nun an sollen sie täglich eng zusammenarbeiten. Viel Zündstoff liegt in der Luft und das liegt nicht nur an den heißen Stunts und dem schleimigen Produzenten, der ein Auge auf Cathy geworfen hat.

 

 

Dieses Buch ist eine Neuauflage des Romans mit dem Titel „Hollywood Nights“ und „Ein Stuntman zum Verlieben“.

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Werkes oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne meine schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Ryan

Diese verfickte Bitch!!! Kochend vor Wut stürmte ich aus dem Cocktails and Billards. In mir brannte und brodelte der Hass, wie ich es noch nie erlebt hatte. Aaaaaaaaaaah!

Wie gerne hätte diesem arroganten Arsch Simon Sparrow eine mitten in die Fresse gegeben. Hart auf die Nase, bis das Blut in alle Richtungen spritzte. Meine Faust hatte bereits gezuckt und ich WOLLTE in diesem Moment nichts lieber, als zurücklaufen und ihm eine reinhauen.

Doch ich tat es nicht. Dafür war ich zu intelligent, in diesen Dreck ließ ich mich nicht hineinziehen. Das war unterste Schublade, bodenloses Niveau. Man küsste keine Frau, die einem anderen gehörte. So etwas war Abschaum, ER war Abschaum!

Genau wie sie.

Die letzten Meter zu meiner Harley Helena flog ich beinahe. Ich musste weg, nur weg von hier, bevor ich mich nicht mehr im Griff hatte und noch mehr Unüberlegtes tat. Es reichte bereits, dass ich meinen Billard-Queue, mehrere Stühle und alles, was mir sonst noch in den Weg gekommen war, zertrümmert hatte.

Verdammt! Plötzlich sah ich wieder rot und konnte mich nicht mehr halten. Ich brüllte: „Verdammte fucking Bitch!!!“, und trat dabei mit voller Wucht auf mein Motorrad ein. Wieder und wieder, so fest ich konnte. Der Schmerz in meinem Knie stach sofort ein, was mir gerade recht kam. Schmerz und Wut ergänzten sich perfekt. Wieder schrie ich, dieses Mal animalisch klingende Brülllaute statt Worte. Zorn bahnte sich seinen Weg durch meinen Körper, wallte in Wogen durch ihn hindurch und kam als Schreilaut wieder heraus. Währenddessen trat ich immer noch auf Helena ein. Das Metall verbog sich, ihr Schutzblech brach an einer Stelle ab. Scheißegal. Der Lack splitterte, ich trat weiter auf sie ein. Nur weil sie direkt an der Hauswand stand, fiel sie nicht um. Es schepperte und krachte mit jedem Tritt und genau das tat unglaublich gut. Ich stellte mir vor, dass es nicht Helena war, auf die ich eintrat, sondern dieser Kotzbrocken Sparrow. In meiner kranken Fantasie stand Cathy daneben und weinte bittere Tränen.

Lass ihn, tu ihm nicht weh, Ryan. Ich liebe ihn doch! Du warst nur eine kleine Affäre für mich. Es war ganz nett mit uns, mehr aber nicht. Jetzt ist er dran. Du bedeutest mir nichts, hast es noch nie getan.

Tränen der Wut und des Schmerzes brannten in meinen Augen, mit jedem Tritt stachen hundert Messerstiche in mein Knie. Mein schwarzes, ärmelloses Shirt klebte nass auf meiner Haut, aus meinen Haaren floss Schweiß herab und rann die Stirn entlang über mein Gesicht.

„Ryan?“, hörte ich plötzlich eine Stimme, als die Bartüre sich öffnete. Sie gehörte zu Ed, meinem Stuntkoordinator. Verdammt, auch das noch! Er durfte mich nicht so sehen, keiner sollte mich so sehen. Plötzlich schämte ich mich für mein irrationales Verhalten. Immerhin war er mein Chef UND mein Freund. So hatte er mich garantiert noch nie erlebt. Ich mich selbst ja auch nicht.

„Ryan, komm schon, lass uns reden. Wir gehen zu mir. Bleib ruhig, es gibt bestimmt eine Erklärung“, redete er beschwichtigend auf mich ein. Er sprach sanft, wie zu einem verletzten Tier, was mich erneut in Rage brachte. Himmel noch mal, ich brauchte sein Mitleid nicht. Dieser verräterische Hund!

„Einen Scheiß gibt es! Ich will nichts hören, lass mich in Ruhe und tröste weiterhin diese verlogene Tussi. Das hast du doch gerade getan, nicht?! Als ob SIE Zuspruch nötig hätte. Ach, egal, ist doch alles Bullshit hier, ich hau ab.“

Zitternd vor Wut und Scham zugleich zog ich den Helm über, schwang mich unter Schmerzen auf die schwer angeschlagene Helena und ließ ihren Motor aufjaulen. Sie bockte auf, das Vorderrad hoch in der Luft. Dann ließ ich diese ganze Drecksbande mit quietschenden und rauchenden Reifen hinter mir. Die konnten mich alle mal gern haben!

Ich fuhr einigermaßen zivil, versuchte, mich zu beherrschen und nicht meinen Hals zu riskieren. Wie so oft hatte ich nichts getrunken, was mir nun zugutekam, da ich vollkommen fahrtüchtig war. Ziellos, fuhr ich los, so schnell wie möglich und so weit weg wie nötig. Auf dem Highway angekommen, gab ich endlich Gas. Ich hatte die Kontrolle über Helena und das tat gut, beruhigte meine Nerven. Auch wenn mir alles entglitt, kontrollierte ich immerhin noch mein Motorrad. Also ließ ich mich treiben, fuhr blindlings in die Nacht hinein. Landschaften schossen an mir vorbei. Strände, trockene Ebenen, Städte in der Ferne. Ich fuhr immer weiter. Genoss das monotone, beruhigende Motorengeräusch und den kühlenden Fahrtwind. Meine Lederjacke hatte ich in der Bar vergessen, wie mir plötzlich auffiel. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen nackten Armen aus. Diese Kühle war wie eine Wohltat für mein erhitztes Gemüt.

Nach und nach gelang es mir, die zerstörerischen Gedanken auszublenden. Ich ließ mich fallen, konzentrierte mich nur auf den Geschwindigkeitsrausch und den Moment. Langsam bekam ich wieder etwas emotionalen Boden unter den Füßen. Jedenfalls, solange ich das Geschehene verdrängen konnte. Es tat gut, einfach nur in dieser Sekunde zu leben.

Ich fuhr immer weiter. Atmete ein und aus. Wieder und wieder. Machte einen Atemzug nach dem anderen, ganz einfach. Das war alles, zudem ich augenblicklich fähig war.

Irgendwann war ich mitten in der Einöde gelandet, jenseits der Großstädte, fern der tausend Lichter. Hier war es herrlich ruhig und die Landschaft atemberaubend schön. Tief einatmend nahm ich den Sternenhimmel über mir wahr. Sterne und Planeten, an denen ich in Hochgeschwindigkeit vorbeiflog. Der Mond war dabei stets an meiner Seite, als treuer Begleiter.

Einige Minuten später hielt ich an, in einem winzigen Kuhdorf am gefühlten Ende der Welt. Als ich mich umblickte, entdeckte ich eine kleine, geschützte Stelle am Waldrand, direkt bei einer Lichtung. Gigantische Mammutbäume ragten daraus empor. Schnell schob ich Helena hinter ein Gebüsch, das sie völlig verdeckte, während ich mir einen der riesigen Redwood–Bäume aussuchte. Sein mächtiger und breiter Stamm hatte einen geschätzten Durchmesser von sechs Metern. Er war fest im Boden verankert und seine Spitze ragte weit hoch, bis in den Himmel hinein. Ich nahm an, dass er um die hundert Meter maß. So groß und stark wie er war, bot er mir Schutz, kurzum, das war genau das, was ich jetzt brauchte. Ich lehnte meinen Oberkörper gegen seinen Stamm und schlief augenblicklich ein.

***

 

„Sieh mal, Mami, da liegt ein toter Mann!“

Eine piepsige Stimme, die eindeutig zu einem Kind gehörte, drang langsam in mein Bewusstsein.

„Nein, Schatz, der ist nicht tot. Wie kommst du denn darauf?“, antwortete dem Kind eine erwachsene, weibliche Stimme.

„Weil der überall Blut auf seinem Shirt hat. Und schau mal, seine Fingerknöchel sind ganz offen und blutig. Wie bei den Mördern in Papas Filmen, die er immer schaut.“

„Waaas...?!“, kam es entgeistert zurück, während ich mich noch nicht dazu bringen konnte, die Augen zu öffnen.

„Ja, jeden Samstag, wenn du bei deiner Freundin bist, schaut er coole Filme mit mir. So werde ich ein richtiger Mann.“

„Wer sagt das, Papa etwa? Mami redet später mal mit ihm. Du darfst solche Filme noch nicht schauen, das ist viel zu gruselig, du bist erst fünf. Und der Mann hier ist nicht tot, vermutlich nur betrunken. Warte mal, das haben wir gleich.“

Um mich herum raschelte es plötzlich, Schritte entfernten sich, dann hörte ich ein lautes Knacken. Nach einer kurzen Stille, in der ich inständig hoffte, die beiden würden wieder verschwinden, näherten sich die Schritte wieder. Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Schulter, die mich sanft rüttelte.

„Sir, hallo? Geht es Ihnen gut? Haben Sie Schmerzen, soll ich einen Arzt rufen?“

Scheiße.

Langsam und nur mit äußerster Mühe gelang es mir, meine Augen zu öffnen. Die Frau war gut 1,80 groß und kräftig gebaut. In ihrer freien Hand hielt sie einen dicken Ast als Waffe gezückt.

„Machen Sie keine Dummheiten, Mister, ich bin im Kampftraining ausgebildet.“

Das war eine Lüge, wie ich augenblicklich heraushörte. Ihre übertriebene Selbstsicherheit war gespielt. Dennoch zweifelte ich nicht daran, dass sie sich Männern gegenüber sehr gut behaupten konnte. Sie erinnerte mich an eine Bärenmutter, die mit allen Kräften ihr Junges beschützte. Doch von mir hatte keiner der beiden etwas zu befürchten.

„Ich denke gar nicht daran, Ihnen etwas anzutun. Bin bloß ein harmloses Weichei, auf dem die Frauen herumtrampeln“, platzte es aus mir heraus. „Eine macht das jedenfalls, die Einzige, die wirklich zählt.“

Erschrocken über meine plötzliche Offenheit, verzog ich das Gesicht. Ich war sonst nicht der Typ, der Fremden sein Seelenleben offenbarte. Verflixt, dies alles nahm mich viel zu sehr mit.

Schlagartig änderte sich ihr Gesichtsausdruck von Misstrauen zu Mitleid.

„Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sehen reichlich mitgenommen aus. Ich würde gerne einen Arzt rufen, der Sie gründlich durchcheckt. Nicht, dass da etwas gebrochen ist. Ihre Knöchel, zum Beispiel.“

Erstaunt blickte ich auf meine Hände und sah nun den Grund ihrer Besorgnis. Sämtliche Fingerknöchel meiner beiden Hände waren blutverkrustet, ebenso erkannte ich deutliche Schnittwunden an den Handkanten. Hände und Unterarme, sowie mein Shirt, waren mit dunklen Blutspritzern übersät. Fuck! Woher kam das denn? Ich hatte nichts davon bemerkt. Musste wohl in der Bar passiert sein, als ich diverse Einrichtungsgegenstände in meiner Wut zerschmettert hatte. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass ich sogar mit bloßen Fäusten auf die Wand eingeboxt hatte. Herrje, mein körperlicher Zustand musste den beiden ja Angst machen. Tief sog ich die frische Waldluft in meine Lungen und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Es funktionierte, mein Verstand arbeitete wieder und ein Mantel der Ruhe hüllte sich um meinen Geist.

Ich habe es immer noch drauf, stellte ich erleichtert fest. Die indianische Ruhe, sie ist in mir. Ich muss mich darauf konzentrieren. Genau das tat ich jetzt.

„Lady“, begann ich lässig in Cowboy-Manier, „ich brauche keinen Arzt, das sind nur oberflächliche Wunden, nicht der Rede wert. Und wer bist du, kleiner Mann?“, wandte ich mich an den Winzling, der in einigen Metern Entfernung hinter seiner Mutter stand.

„Ich bin Norman und du?“

„Ryan. Mein Name ist Ryan.“

Der kleine Kerl schaute mich aus seinen blauen Augen neugierig an.

„Bist du ein echter Mörder? So einer, wie die aus Papas Filmen?“ Entsetzt sog seine Mum die Luft ein und wollte ihn augenblicklich ermahnen. Doch ich kam ihr zuvor und schnitt ihr mit einer beruhigenden Geste das Wort ab.

„Nein, ich hab nichts Böses getan. Ich war nur sehr wütend und hab dummerweise ein paar Stühle kaputtgemacht“, erklärte ich Norman, der mich empört ansah.

„Das darf man aber nicht. Man darf nichts kaputtmachen, dann kommt man ins Gefängnis“, schlaumeierte er.

„Nein, deshalb nicht. Man muss die Stühle allerdings wieder reparieren oder neue kaufen.“

„Aha. Und warum warst du so wütend?“

„Weil ein fieser Kerl meine Freundin geküsst hat.“

„Oh“, ertönte es gleichzeitig aus zwei Mündern.

Die Mutter übernahm wieder und streckte mir die Hand hin.

„Ich bin Rita. Tut mir leid, dass Ihnen so etwas passiert ist. Aber wir müssen nun schleunigst nach Hause. Am besten noch bevor mein Mann sich Sorgen macht und die komplette Polizeieinheit losschickt, um den Kleinen und mich zu suchen. Sind Sie sicher, dass Sie keinen Arzt brauchen, Mr. ...?

„Carter, Ryan Carter. Nein, ganz bestimmt nicht. Das sind bloß ein paar Kratzer. Mir geht es gut.“

Sie fuhr sich durch die wilde Lockenfrisur, die einer Hexenmähne ähnelte. Ernst musterte sie mich. Schließlich nickte sie knapp und meinte:

„Gut, Sie sind erwachsen, das können Sie selbst beurteilen. Gute Besserung!“

Mit diesen Worten wandte sie sich ab und zog den unwilligen Norman hinter sich her. Ich war mir sicher, er hätte sich gerne noch etwas mit mir unterhalten. Allerdings war mir klar, dass ich meine Fassade der Lässigkeit nicht mehr lange aufrechterhalten konnte, bevor die Wut mit voller Macht zurückkam.

Erleichtert blickte ich den beiden hinterher, als sie fort eilten. Plötzlich drehte sich die Frau noch mal um und rief mir zu:

„Und viel Glück mit Ihrer Lady, Mr.! Reden Sie noch mal mit ihr. Vielleicht war alles nur ein dummes Missverständnis.“

Verärgert schüttelte ich den Kopf. Da war er wieder, mein neuer Begleiter, der Zorn.

„Nein, sie ist ein mieses Stück. Dieses Miststück hat ihn vor meinen Augen geküsst, da gibt es nichts falsch zu verstehen“, brüllte ich ihr zu.

Überrascht von meinem Zornesausbruch stolperte sie beinahe, nahm ihren protestierenden Sohn auf den Arm und eilte im Affentempo vor mir davon. Besser: Sie flüchtete.

Endlich war ich wieder alleine mit mir selbst. Doch die Illusion der Ruhe war dahin und ich sehnte mich nach meinem bequemen Bett und den eigenen vier Wänden um mich herum, egal, wie klein meine Bude auch war. Das Vibrieren meines Smartphones in der Tasche erinnerte mich wieder an das kleine Biest, Cathy. Wie hatte ich mich dermaßen in ihr täuschen können? Bisher hatte ich mich stets auf meine Menschenkenntnis verlassen können. Hm, mein inneres Arschloch-Radar hatte versagt. Er funktionierte offenbar nicht bei Frauen.

Seufzend zog ich das Handy raus und warf einen Blick auf das Display. Dreizehn Anrufe in Abwesenheit, acht Kurzmitteilungen. Genervt drückte ich den Off-Knopf des Handys. Ich war nicht erreichbar, egal für wen. Und für Miss Cathelyn Bruckheimer schon gar nicht. Boah, am liebsten würde ich sie packen und schütteln für das, was sie mir angetan hatte. Erst spielte sie mir die verletzte Frau mit Schutzpanzer vor und dann betrog sie mich – vor meinen Augen und denen unserer Kollegen. Denn es hatten sich gestern Abend viele von der Crew im Cocktails and Billards aufgehalten. Die dummen Sprüche, die am Montag folgen würden, konnte ich jetzt schon erahnen.

Es war mir völlig einerlei, was die anderen über mich dachten. Ich wollte nur nicht ständig durch blöde Sprüche an Cathy erinnert werden. Und dies würde garantiert geschehen, weil alle es gesehen und gehört hatten. Diejenigen, die an diesem Abend nicht da waren, würden es gewiss von Spacko-Simon am nächsten Tag erfahren. Angeber, Schleimer, hirnverbranntes A... ! Mir fielen viele Namen für ihn ein, leider keiner, der meinem Abscheu und Ekel ihm gegenüber gerecht wurde.

Langsam stieß ich mich mit dem Rücken vom Redwood-Baum ab und stand auf. Alles tat weh, sämtliche Muskeln und Knochen im Leib rebellierten gegen diese Bewegung. Wie lange hatte ich hier eigentlich gesessen und geschlafen? Ich warf einen Blick auf meine schwarze Armbanduhr, ein Geschenk meiner Eltern zum 18. Geburtstag. Ein billiges Modell, weil sie sich nichts anderes hatten leisten können. Doch ich trug sie bis heute und hielt sie in allen Ehren.

Viertel nach elf. Morgens. Shit! Ich hatte keine Ahnung, wie weit weg ich von Los Angeles war, von meinem Zuhause. Gut, dass ich ein Navi-Gerät am Motorradlenker befestigt hatte. Es sah zwar nicht besonders toll aus an einer Harley, passte irgendwie nicht dazu, war aber äußerst nützlich. Besonders heute.

Der Weg zu Helena zog sich ewig in die Länge, da meine müden Glieder mir kaum gehorchten. Endlich stand ich vor ihr und zerrte sie aus dem stacheligen Gebüsch, wobei ich mir an den spitzen Dornen beide Unterarme zerkratzte. Wieder blutete es. Was soll´s, darauf kam es nun auch nicht mehr an.

Als mein Navi jedoch einen fünfstündigen Rückweg anzeigte, fluchte ich laut. Ruhig Blut!, bläute ich mir wieder ein. Erst einmal tanken und einen kräftigen Kaffee im nächsten Diner schlürfen, dann zurück nach L.A..

 

Fünfeinhalb Stunden später kam ich völlig erschöpft in meiner Wohnung an. Eilig schluckte ich zwei Painkillers auf einmal und wunderte mich wieder einmal, dass mein Knie in der Beweglichkeit so enorm eingeschränkt war. Irgendwie fühlte es sich wabbelig an. Instabil. Vermutlich war es doch mehr als eine einfache Prellung. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

Plötzlich brannten meine Augen, aufgrund der Tränen, die einschossen. Ein Mann weint nicht!, war ein Sprichwort, das auf mich wohl nicht zutraf. Bei all der Scheiße, in der du steckst, ist das allerdings auch kein Wunder, dachte ich mir.

Wieso hatte sie es getan? Dieser Frage ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich hatte wirklich geglaubt, dass sie mich mochte. In letzter Zeit konnte sie sich mehr und mehr mir gegenüber öffnen und so Einiges von sich preisgeben. Verdammt, sie hatte mich sogar ihrem Bruder vorgestellt. So etwas tat man doch nicht, wenn einem der andere nichts bedeutet, oder?

Ich würde jedenfalls nur dann meiner Familie eine Frau vorstellen, wenn ich mir ganz sicher war, dass sie die Richtige ist. Was übrigens der Grund war, dass sie Hannah nie kennengelernt hatten. Obgleich ich sie liebte, fehlte mir immer etwas bei ihr. Das Feuer, das ich jedes Mal in Cathy Nähe spürte, zum Beispiel. Der Ausdruck in ihren Augen, wenn sie mich ansah. So gierig, beinahe süchtig nach mir. In Hannahs Augen sah ich Wärme, jedoch nie dieses abgrundtiefe Verlangen, wie bei ...

Schlag sie dir aus dem Kopf! Sie ist eine verlogene Tussi. Hat´s von Anfang an nicht ernst mit dir gemeint, redete ich mir wieder und wieder ein. Dennoch war da ein winzigkleiner, nanopartikelgroßer Teil in mir, der nicht wahrhaben wollte, dass alles vorbei war. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, fiel mir dazu passenderweise ein.

Ich war so ein Idiot! Verzweifelt kramte ich in meinem Vorratsschrank und fand eine Flasche Whiskey. In kompletter Montur, ohne mich auszuziehen, ließ ich mich rücklings aufs Bett fallen, mit der Whiskey-Flasche in der Hand. Es war ein edler Tropfen, den mir ein paar Kumpels zum letzten Geburtstag geschenkt hatten. Ich trank relativ selten Alkohol – im Vergleich zu anderen. Doch, wenn, dann durfte es keine Plörre sein, sondern etwas richtig Gutes. Whiskey war daher schon immer mein Favorit, wie auch meine Freunde wussten. Sie hatten ihn mir für besondere Anlässe überreicht. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass sie etwas anderes im Sinn hatten als das traurige Frustsaufen, das ich jetzt vorhatte. Tja, es war nun mal so: Heute wurde der teure Whiskey stillos getrunken. Seine einzige Aufgabe war es, mich zu betäuben und alles andere auszublenden.

Ich klemmte den Korken zwischen die Zähne und zog und zerrte so lange daran, bis er sich endlich löste. Dann setzte ich den Flaschenhals an und trank. Schluck für Schluck, bis meine Kehle brannte und die Wirkung einsetzte. Egal, ich musste am nächsten Tag erst mittags am Set auftauchen, konnte also morgens lange ausschlafen. Trinken bis zur Besinnungslosigkeit, nichts anderes hatte ich jetzt noch vor.

 

***

 

Ein penetrantes Klingeln riss mich unbarmherzig aus dem komatösen Schlaf. Verdammt, was war das, mein Handy? Wieso ging der Alarm runter, war es schon so spät? Ich tastete nach meinem Smartphone, um dem nervigen Gedudel ein Ende zu bereiten. Doch es war unschuldig, zeigte keinen Alarm an, stattdessen die Uhrzeit: 7 Uhr morgens. Wieder ertönte dieses fiese Geräusch, verflixt, wo kam das her? Nach einigen Sekunden der Verwirrung erkannte ich schließlich die Wahrheit. Es war nicht mein Handy, sondern meine Wohnungsklingel, die laut schrillte.

Wer zur Hölle wollte um diese Tageszeit etwas von mir? Empört setzte ich mich im Bett auf, was prompt mit hammermäßigen Kopfschmerzen belohnt wurde. Immer noch war mir leicht schummrig vom Alk. Die Whiskyflasche lag halb leer auf dem Fußboden und im Zimmer stank es geradezu danach. Vermutlich konnte man alleine durch die Dämpfe betrunken werden. Mühsam kämpfte ich mich aus dem Bett heraus und stolperte zur Tür. Durch den Spion sah ich ... Lisa. Zack´s Lisa, die ziemlich besorgt dreinblickte. Hä? Was wollte sie hier? Erstaunt öffnete ich die Tür und augenblicklich fiel sie mir erleichtert um den Hals.

„Gott sei Dank, du bist hier! Ich hatte mir solche Sorgen gemacht, nachdem du auf keine meiner Nachrichten geantwortet hast. Für einen Augenblick dachte ich tatsächlich, du hättest Dannys besonderen Tag heute vergessen. Aber du bist bereits angezogen, super, dann hole ich ihn gleich. Er wartet im Auto, wir haben Bagels fürs Frühstück mitgebracht.“

Plötzlich hielt sie inne und schnüffelte an mir herum. Misstrauisch nahm sie mich von oben bis unten in Augenschein. Bei meinen ramponierten, immer noch blutverkrusteten Händen und zerkratzten Unterarmen hielt sie inne. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein ungläubiges Staunen ab.

„O mein Gott! Was ist denn mit dir passiert? Wie schaust du denn aus? Und wieso stinkst du wie ´ne Schnapsdrossel? Wo kommt all das Blut her? Wer hat dir das angetan? Erzähl!“

Offensichtlich zog sie es in keine Sekunde lang in Erwägung, dass ich selbst an meinem Zustand nicht ganz unschuldig war. Im Gegenteil: Sie führte mich behutsam am Arm zurück ins Zimmer und drückte mich vorsichtig auf den Küchenstuhl. Lisa behandelte mich wie ein Kind, das Trost brauchte. Nicht wie einen Erwachsenen, der zumindest teilweise selbst Scheiße gebaut hatte, so wie ich.

„Mein armer Ryan, warte, ich brühe dir schnell einen starken Kaffee auf und du erzählst mir in Kurzform, was passiert ist. Dann muss ich aber Danny hochholen. Ich kann ihn nicht so lange alleine im Auto sitzen lassen. Also, schieß los!“

Geschickt hantierte sie in meiner Küche herum und blickte mich immer wieder aufmunternd an. Kurzfassung? Die konnte sie haben.

„Cathy hat ihren Kollegen in der Bar geküsst, ich hab´s gesehen, bin ausgerastet, war stinkwütend und hab die halbe Einrichtung zertrümmert. Daher das Blut, muss mich wohl dabei verletzt haben. Bin dann die halbe Nacht und den gestrigen Tag durch die Gegend gefahren, abends was getrunken. Fertig, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Und jetzt hol schon Danny. Weshalb seid ihr noch mal hier?“

Ratlos starrte ich sie an und sie umarmte mich noch einmal tröstend.

„Au weia, Ryan, so eine Scheiße! Es tut mir so leid wegen Cathy, wir reden da später in Ruhe drüber, ok? Dir muss es echt mies gehen, wenn du sogar Dannys Berufetag in der Pre-School vergessen hast. Du wolltest doch heute für Zack einspringen und etwas von deinem Alltag als Stuntman erzählen. Aber vorher solltest du dringend duschen und dir frische Klamotten anziehen!“

„Erst mal brauche ich Kaffee“, murrte ich, verärgert über mich selbst. Diese Schul-Aktion hatte ich tatsächlich komplett vergessen. Mist. Und mein Handy hatte ich ja gestern ausgeschaltet, deshalb hatte Lisa mich nicht erreichen können.

„Sag mal“, begann sie plötzlich und starrte mich ungläubig an. „Hast du wirklich Dinge kaputtgemacht? Das kann ich mir beim besten Willen nicht bei dir vorstellen, du bist doch sonst immer völlig gechillt. Die Ruhe in Person. Diese Cathy muss dir ganz schön an die Nieren gegangen sein, wenn du vollkommen anders reagierst als sonst.“

Ihre besorgte Miene erinnerte mich an meine eigene Mutter und auf diesen Schultag hatte ich nun wirklich keine Lust. In meiner Verfassung war dies wohl keine gute Idee.

„Mir geht´s nicht gut. Verschieben wir es einfach“, knurrte ich.

„Nein, Ryan, das geht nicht. Danny und die Klasse freuen sich schon seit Wochen darauf. Die Lehrerin hat es extra für heute eingeplant, du kannst das jetzt nicht hinschmeißen. Es würde den Kids das Herz brechen. Komm schon, Augen zu und durch, du schaffst das. Sei einfach du selbst. Nur nicht ganz so brummig und wortkarg wie sonst. In Ordnung?“

Mein knappes Nicken verursachte nur ein gespielt genervtes Augenrollen bei ihr. Sie stellte mir die XXL-Kaffeetasse gefüllt mit dem dampfenden Hallo-Wach-Getränk auf den Tisch und eilte zur Tür hinaus, um ihren Sohn zu holen.

„Und du duscht gleich, verstanden?“, rief sie mir im Gehen zu. „So kannst du da nicht auftauchen, die armen Kids kriegen einen Schock fürs Leben!“

Ich umklammerte die heiße Tasse mit beiden Händen und schnupperte daran. Der Geruch, den ich sonst liebte, verursachte heute Übelkeit in mir. Auf einmal würgte es mich vor Ekel. Verdammt, mir war speiübel! Rasch schob ich den Stuhl zurück und stolperte gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer, bevor ich mich übergeben musste.

Scheiße, weshalb fühlte ich mich dermaßen schlecht? Dunkel erinnerte ich mich daran, mehrere Schmerztabletten genommen zu haben, bevor ich mich der Whiskyflasche zuwandte. Du Idiot!, schimpfte ich innerlich, während ich mir die Seele aus dem Leib kotzte. Schmerzmittel gepaart mit hochprozentigem Alkohol - eine grandiose Idee. Kein Wunder, dass es mir heute dementsprechend mies ging.

Gefühlte fünf Minuten später öffnete sich wieder meine Wohnungstür und ich hörte Lisa mit Danny hereinkommen.

„Ich brauch noch ein paar Minuten. Fangt schon mal mit dem Frühstück an!“, rief ich ihnen durch die geschlossene Badezimmertüre zu. Au Mann, wie sollte ich nur diesen verfluchten Tag überstehen?! Als mein Körper endlich alles herausgeschafft hatte und der Würgereiz nachließ, war mindestens eine Viertelstunde vergangen.

„Onkel Ryan?“, klopfte Danny an die Türe. „Kommst du jetzt? Wir müssen schleunigst los, sonst kommen wir zur spät zur Schule, sagt Mama.“

Verflucht noch mal! In Windeseile spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und wagte einen Blick in den Spiegel. Ich erschrak fast zu Tode, mein eigener Anblick war mir fremd. Weiß wie eine Wand, tiefschwarze Ringe unter den knallroten Augen, wilde Bartstoppeln ...! Außerdem stank ich jetzt auch noch aus dem Mund wie ein Iltis. Das konnte man allerdings ändern. Nach dem Zähneputzen zog ich ein T-Shirt aus dem Wäschekorb und roch daran. Erst zwei Tage angehabt, das würde schon gehen. Ok, es war zerknittert, aber besser als nichts. Ich hatte einfach nicht genug Energie, um zum Schlafzimmer zu gehen und etwas Frisches aus dem Schrank zu holen. Das blutverschmierte Oberteil warf ich einfach zu Boden, völlig kontrovers zu meiner sonstigen Ordnungsliebe.

Ich kann heute nicht zum Set, ich will ihr nicht gegenübertreten, das überleb ich nicht!, dachte ich verzweifelt.

Sofort schob ich den Gedanken beiseite. Erst einmal musste ich das Ding in der Schule überstehen, dann konnte ich mich dem anderen Mist widmen.

Entschlossen öffnete ich die Türe und trat zu Danny und Lisa ins Zimmer. Der Kleine umarmte mich stürmisch, rümpfte dann aber leicht die Nase:

„Du riechst irgendwie komisch, Onkel Ryan.“

Verwirrt blickte er mich an. Weil mir dazu keine Antwort einfiel, grinste ich ihn nur entschuldigend an und wuschelte ihm durch die blonden Locken.

„Auf jetzt!“, befahl Lisa und schob uns beide zur Türe. „Wir müssen los. Gut, dass ich nur um die Ecke geparkt habe. Sonst würden wir definitiv zu spät kommen.“

Die Fahrt zur Schule war die reinste Hölle für mich. Mehrmals musste ich Gallensäure, die mir hochkam, wieder runterschlucken. Lisa fuhr mit einem Affenzahn durch die Stadt. Drückte aufs Gas, bremste brutal wieder ab und nahm die Kurven wie ein Rallyefahrer. Mir wurde immer übler, vermutlich war ich bereits grün im Gesicht. Als wir endlich ankamen, riss ich die Türe auf und sog verzweifelt frische Luft in meine Lungen.

„Bist du bereit? Alle freuen sich schon riesig“, erklärte Danny mir aufgeregt.

„Klar, ich freu mich auch“, log ich und wappnete mich für den Kampf wie ein Sioux-Indianer vor der Büffeljagd in der Prärie.

Die Klasse empfing mich mit großem Beifall und entließ mich bereits eine halbe Stunde später wieder. Dieses Mal klatschten nur noch wenige.

Das Ding war nämlich voll in die Hose gegangen. Mit keinerlei Vorbereitung und einer unterirdisch schlechten Laune, fiel es mir noch schwerer als sonst, große Reden zu schwingen.

Monoton und zugegebenermaßen ziemlich knapp, rasselte ich die wichtigsten Voraussetzungen meines Jobs herunter und wusste dann nicht weiter. Die Lehrerin forderte mich auf, einen normalen Tag im Leben eines Stuntmans zu beschreiben, was ich tat – trotz immer stärker werdender Kopfschmerzen und einer zunehmenden Übelkeit. Den gelangweilten Blicken der Kinder, sowie auch der Lehrerin und Lisa nach zu urteilen, war mein Vortrag wohl eher semi-interessant. Danach folgte erst einmal eine ernüchternde Stille, bis die Kids, aufgemuntert von der Lehrerin, mich mit Fragen bombardierten. Mein Schädel pochte, als wäre er kurz vorm Explodieren, die Kids riefen lautstark durcheinander, es war der reinste Horror. Schließlich kam Lisa zu mir vor und fragte leise:

„Sag mal, brütest du etwas aus? Deine Gesichtsfarbe hat sich inzwischen von kalkweiß zu grün-gelb geändert ... ist dir übel?“

Ich nickte. „Speiübel.“

„Ok“, meinte sie schließlich. „Dann brechen wir das hier auf der Stelle ab. So hat das ja keinen Wert. Lass mich nur machen, ja?“

Erschöpft nickte ich und ließ mich auf einem Stuhl nieder, den die Lehrerin mir freundlicherweise anbot. Auch sie wirkte enorm irritiert. Lisa wandte sich an die Kids:

„Hört mal, auch wenn ein Stuntman stärker und mutiger ist als viele von uns, so kann er, wie ihr, krank werden. Genau das ist Ryan passiert. Er hat Bauchweh und ihm ist übel. Ihr kennt das sicher auch, oder? Wem von euch ging es schon mal genauso?“

Sofort schossen die Hände nach oben und tatsächlich ALLE meldeten sich.

„Seht ihr, das hab ich mir gedacht. Dann könnt ihr also gewiss verstehen, dass Mr. Carter hier besser ins Bett gehört und erst einmal wieder gesund werden muss.“

Einige der Kinder protestierten, doch Lisa redete einfach weiter und übertönte sie.

„Aber“, fuhr sie fort, „eins kann ich euch versprechen. Sobald er wieder gesund ist, gibt´s für euch alle, für die gesamte Klasse, eine persönliche Führung von Mr. Carter über das Gelände der Filmstudios. Und wer weiß, vielleicht dürft ihr dabei auch bei einem wahrhaftigen Stunt zuschauen. Wie sieht´s aus, habt ihr Lust?“

Die Kids jubelten und bekamen vor Freude rote Wangen. Ich auch, aber vor Entsetzen. Was machte Lisa da? Ich konnte unmöglich die komplette Pre-School-Klasse einladen. Chimney und die anderen würden nur schwer zu überreden sein, das wusste ich. Und es kam noch schlimmer:

„Sehen wir dort echte, richtige Filmstars?“, wollte ein kleines Mädchen mit dunklen Rastazöpfen wissen.

Gebannt wartete die Klasse auf eine Antwort. Ich schüttelte vehement den Kopf, doch niemand schaute zu mir. Alle blickten zu Lisa, die freudig rief:

„Na klar, das ist ein Filmstudio. Gewiss sind da Stars bei den Dreharbeiten vor Ort.“

Ich knurrte entgeistert und warf ihr einen vernichtenden Blick zu, den sie endlich registrierte.

„Äh, ja, wie auch immer, wir müssen jetzt dringend los. Mr. Carter soll ja schleunigst gesund werden, damit wir ihn bei der Arbeit besuchen können. Also bis dann, macht´s gut und habt viel Spaß im Unterricht! Seid fleißig und lernt was!“

Die Lehrerin, Miss Darcy, eine stämmige Mittvierzigerin, verabschiedete sich trotz meiner mangelhaften Rede überschwänglich von uns, bedankte sich gefühlte tausend Mal für die Einladung ins Studio und wünschte mir gute Besserung. Dabei raunte sie mir zu:

„Ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, Mr. Carter, aber es wäre besser, wenn Sie das nächste Mal nicht nur gesund, sondern auch nüchtern vor den Kindern erscheinen. Ihre Fahne konnte ich bis in die letzte Reihe riechen. Nichts für ungut, jeder hat ja mal einen schlechten Tag.“

Zu einer Antwort konnte ich noch nicht einmal ansetzen, als Lisa entschuldigend zu Miss Darcy meinte:

„Tut mir leid, er hat Liebeskummer. Haben wir alle mal. Dann ist da diese Magen-Darm-Grippe im Anmarsch, er hat heute einfach großes Pech. Nächstes Mal wird er sein strahlendes Selbst sein.“

„Ha“, lachte ich bitter auf. Genau, mein strahlendes Selbst. Das klang mal so gar nicht nach mir. Außerdem musste ich diesen Tag heute erst einmal überstehen.

Lisa fuhr mich nach Hause.

„Sag mal, spinnst du?!“, herrschte ich sie an. „Wie kannst du nur die komplette fucking Klasse einladen? Meine Chefs erlauben das nie und nimmer.“

„Das sollten sie aber besser, sonst zerstörst du viele Kinderträume“, meinte sie hartnäckig. „Und jetzt reg dich nicht auf, ich wollte dir nur helfen.“

„Helfen, pff, eine schöne Hilfe ist das“, stöhnte ich. „Warum hast du nicht gleich die ganze Schule eingeladen?“

Kichernd meinte sie: „Die Idee hatte ich auch, aber es kam mir dann doch zu extrem vor. Dennoch, hast du die leuchtenden Augen der Kids gesehen? Ich wette, die können in der nächsten Zeit kaum schlafen vor lauter Aufregung. Außerdem musste ich da eingreifen. Dein langweiliges Gestammel war selbst für meine Ohren kaum zu ertragen. Die Kinder, vor allem Danny, hatten sich so auf deinen Besuch gefreut. Aber was du da abgeliefert hast, war echt traurig anzusehen. Ich versteh´s ja, nach allem, was du am Wochenende erlebt hast. Aber Danny wäre garantiert der Buhmann bei den anderen gewesen. Sie hätten ihn ihre Enttäuschung spüren lassen, dabei war er voller Stolz gewesen, dass du heute den Vortrag hältst.“

Sie lenkte den silbernen Mercedes in eine Parklücke, zwei Blocks von meinem Wohnhaus entfernt.

„Wo ist Zack überhaupt, wieso hat er den Schultermin nicht übernommen?“

„Er ist übel drauf zurzeit. Wenigstens hat er jetzt ernsthaft mit der Physiotherapie begonnen. Er stürzt sich sogar richtig rein, hat jeden Nachmittag einen Termin dort. Danach macht er lange Spaziergänge, um seine Muskeln zu stärken. Vielleicht wird es dann endlich mal besser mit seinem Knie. Jetzt, da er so kräftig trainiert.“

Ich nickte nur.

„Du, tut mir leid, ich muss dich hier rauswerfen. Muss gleich weiter zu ´ner Besprechung und die ist leider enorm wichtig. Es geht um die geplante Fortsetzung eines Blockbusters und die haben mich als Drehbuchautorin im Visier. Das ist eine Riesenchance, da muss ich pünktlich erscheinen. Eine ganz zwanglose Besprechung hieß es zwar, aber ich weiß ja, wie das läuft. Die wollen mich auf Herz und Nieren prüfen.“

„Geh da ruhig hin, ich muss eh später zur Arbeit“, brummte ich, immer noch sauer auf sie.

„Du willst heute echt bei der Arbeit auftauchen?“, empörte sich Lisa.

„Ja, wieso nicht?“, entgegnete ich. „Wenn ich diesen Flohhaufen überlebt habe, kann ich auch arbeiten gehen.“

„Das halte ich für keine gute Idee. Aber ich weiß ja ...“, kapitulierend hielt sie die Hände hoch. „Du bist genauso stur wie Zack und lässt dir nichts sagen.“

Ich schenkte ihr ein gekünsteltes Grinsen und quälte mich unter Schmerzen aus dem Auto. Dabei gehorchte mir mein verletztes Bein nicht. Ich konnte es in letzter Zeit weder richtig strecken noch beugen, was ihr natürlich prompt auffiel.

„Geh mal zum Arzt, du solltest das gründlich durchchecken lassen. Das kommt mir nicht wie eine harmlose Zerrung vor, auch wenn du es ständig beteuerst.“

Schmerzerfüllt hüpfte ich auf einem Bein zu ihr rüber und drückte ihr durchs herunter gelassene Wagenfenster einen Kuss auf die Stirn.

„Mach ich. Vielleicht. Viel Erfolg für dich nachher. Du rockst das, da bin ich mir sicher.“

Lisa lächelte mich liebevoll an und meinte:

„Manchmal denke ich, es wäre vieles einfacher gewesen, wenn ich mich damals in dich, anstatt in Zack verliebt hätte. Mit dir kann ich über alles reden. Zack gegenüber hab ich noch nicht mal den Termin erwähnt. Ich will nicht, dass ihm mein wachsender Erfolg Angst macht. Oder ihn in seiner Männerehre kränkt, weil ich jetzt die Familie ernähre. Pass gut auf dich auf, ja? Ich ruf dich morgen an. Lass dich nicht unterkriegen. Wer weiß, vielleicht klärt sich die ganze Geschichte mit Cathy noch auf“, meinte sie.

„Genau. Und morgen wird es Gold vom Himmel regnen. Das ist genauso wahrscheinlich“, brummte ich, während ich mich humpelnd und ächzend auf den Heimweg machte. Zwei Blocks, das würde ich schon schaffen. Wie hieß es so schön: Ein Indianerherz kennt keinen Schmerz.

In Schweiß gebadet und stöhnend kam ich schließlich Zuhause an und nahm zum ersten Mal, seit ich dort wohnte, den Aufzug. Denn ich würde keine einzige Treppe mehr hochkommen, so viel stand fest. Mein Humpeln war nicht zu übersehen, verdammt! Dies wäre sicherlich ein gefundenes Fressen für Rodney „Schweinsgesicht“ Chimney, um mich hochkant raus zu befördern. Meinen Job könnte ich mir abschmieren, wenn ich so am Set auftauchte. Andererseits konnte ich es mir auch nicht leisten, krank zu Hause zu bleiben. Vermutlich würde er schon am selben Tag einen Ersatz für mich einstellen und mich langsam aber sicher raus ekeln.

Es half alles nichts, ich musste dringend zum Set und zwar ohne dieses lästige Humpeln, das mich heute begleitete. Behutsam begann ich, mein Knie zu massieren. Danach versuchte ich ein paar Lockerungsübungen, doch Beugen und Strecken misslang völlig. Mein Bein tat einfach nicht mehr, was es sollte.

Dazu dieses verdammte Stechen, das mir immer wieder blitzartig einschoss. Ohne Tabletten würde es nicht gehen, da war ich mir sicher. Gut, dass ich mir neulich erst im Supermarkt um die Ecke welche auf Vorrat besorgt hatte, man bekam die Dinger ja regelrecht hinterhergeworfen. Anders als in Europa. Ich hatte mal gelesen, dass die Leute Medikamente dort nur in Apotheken kaufen konnten.

Unschlüssig wog ich die Schachtel in meinen Händen hin und her. Wie viele davon sollte ich nehmen? Eine, wie es auf dem Beipackzettel als Einzelration empfohlen wurde, half garantiert nicht. Auch zwei konnte ich mir abschminken, die nahm ich sowieso schon jeden Morgen. Also drei? Ich zählte sie ab und legte mir sie auf die Hand. Suchend schaute ich mich nach einem Wasserglas um. Mist, das war in der Küche, zwar nur wenige Meter entfernt, aber jetzt war jeder Schritt einer zu viel.

Allerdings lag die Whiskyflasche neben meinem Bett auf dem Boden. Ich nahm sie hoch und überlegte kurz. Ein kleiner Schluck, damit die Tabletten besser runterrutschten, würde sicherlich keinen großen Schaden anrichten. Am Tag vorher hatte ich zu viel davon getrunken, klar, aber ein Mini-Tröpfchen schadete bestimmt nicht. Ich nahm die Tabletten alle auf einmal und spülte sie mit dem goldfarbenen Whisky runter.

Ah, tat das gut. Es brannte in meiner Kehle und schon bald setzte die wohlig warme Wirkung ein.

Cathy kam mir vor Augen. Wie sie mich heißgemacht hatte in der Requisitenkammer, wow! Ihr honigfarbenes Haar, das ihren Rücken herunterfloss und seidig schimmerte. Ihre unglaublichen, leuchtend blauen Augen, die tief in meine Seele blickten. Und ihre Pfirsichbrüste, straff und ohne Makel. Mein bestes Stück da unten rührte sich sofort und stand wie ´ne Eins. Rasch öffnete ich meine Hose und schob sie etwas runter. Ich legte mich rücklings auf die Bettdecke und begann, mich selbst mit hartem Griff zu reiben. Ich umschloss meinen dicken Schwanz mit der Handfläche, ballte damit eine Art Faust und führte sie mal schneller, mal langsamer, über mein hartes Glied. Dabei variierte ich den Druck, mal fester, mal leicht wie ´ne Feder.

Die ganze Zeit über stellte ich mir vor, dass es ihre Hände waren, die mich umfassten. Verdammt, war das geil! Beinahe konnte ich sie riechen und ihre samtene Haut fühlen. Meine andere, freie Hand streichelte dabei meine Hoden und knetete sie sanft durch. Cathy, o Cathy, ich will dich! Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich merkte, dass es bereits so weit war. Ich verlangsamte meine Bewegungen, hielt sogar kurz inne, um den Höhepunkt hinauszuzögern. Dann beschleunigte ich wieder, erhöhte den Druck und den Rhythmus. Schließlich kam ich laut stöhnend und dachte dabei an Cathys leise und lustvolle Töne, die sie bei ihrem Höhepunkt von sich gegeben hatte – während die Wellen auf uns einschlugen.

Erschöpft, aber unglaublich befriedigt, blieb ich einzige Zeit so liegen. Plötzlich kam ich mir unglaublich leer vor. Nie wieder würde ich mit ihr zusammen sein, nie wieder würden wir zusammen lachen, zusammen den geilsten Sex der Welt erleben. Das alles war vorbei.

Unruhig wälzte ich mich hin und her, wischte dann mit einigen Taschentüchern aus meiner Nachttischschublade meinen Penis und Unterleib trocken.

Reiß dich zusammen, denk nicht mehr an diese treulose Schlampe! So eine Frau ist nichts für dich, sie bedeutet nur Schmerz und Betrug! Sicher, mein Kopf wusste das, aber mein Herz verbündete sich mit meinem Schwanz und die beiden wollten nur eines: zu ihr.

O mein Gott. Wie sollte ich ihr nachher nur gegenübertreten, ohne erneut auszurasten? Auf dem Set konnte ich mir eine Szene wie in der Bar vorgestern sicherlich nicht leisten. Ich musste lockerer werden, aber wie? Mein Blick fiel auf die Flasche mit der goldfarbenen Flüssigkeit, die nun auf meinem Nachttisch stand. Ein kleiner Schluck noch? Nur, um nachher nicht auszuflippen. Ich öffnete die Flasche erneut und trank ein winziges Schlückchen. Dann noch eins. Dann mehr, weil ich nichts spürte. Schließlich setzte die Wirkung schlagartig ein und ein wohliges Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit. Viel besser, so konnte ich ihr beinahe schon gegenübertreten. Eine weiche Wolke breitete sich in meinem Kopf aus, doch gleichzeitig kam auch die Stimme der Vernunft. Ich durfte so nicht mehr fahren. Nicht mit der Mischung von Hochprozentigem und den drei Schmerztabletten.

Also tat ich das einzig Vernünftige und rief mir ein Taxi, das zum vereinbarten Zeitpunkt vor meiner Türe warten sollte. Erleichtert ließ ich mich wieder in die Kissen zurückfallen und nahm meinen neuen Freund, den Whisky, zurück in die Hand. Jetzt, da ich nicht selbst fahren musste, konnte ich noch etwas mehr trinken, damit ich garantiert locker blieb, wenn ich auf Cathy traf. Als der Taxifahrer schließlich an meiner Haustüre schellte, fühlte ich mich herrlich befreit und war bei bester Laune. Mein Knie spürte ich überhaupt nicht mehr und beschwingt nahm ich die Treppen, immer zwei auf einmal. Dabei blieb ich mit dem Fuß hängen und stürzte einige Treppenstufen hinunter. Ich musste so über meine eigene Ungeschicklichkeit lachen, dass der Bauch schmerzte. Irgendetwas Feuchtes klebte an meiner Stirn und ich verwischte es mit dem Handrücken. Nichts tat weh, also war es wohl halb so wild. Summend stieg ich ins Taxi ein. Der Tag versprach nun deutlich besser zu werden.

Das Taxi hielt vor der Pforte des Firmengeländes, daher musste ich einiges an Weg zu Fuß zurücklegen. Egal, ich hatte keinerlei Schmerzen, also war das ein Klacks für mich. Ich schwebte beinahe zu Halle 11, wo der Treffpunkt mit den anderen aus dem Team vereinbart war. Als ich dort ankam, trug ich ein breites, zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Schnell mit den Fingern einmal durch die Haare gefahren, perfekt. Ich prüfte meinen Atem, dabei begann ich zu schwanken und verlor beinahe das Gleichgewicht. Ups, gerade noch mal gut gegangen. Ich hörte ein Kichern und stellte zu meiner Belustigung fest, dass es mein eigenes war. Beschwingt ging ich an den anderen vorbei, die mich merkwürdig anstarrten.

„Was habt ihr denn alle, was guckt ihr denn so doof aus der W...sche, äh, Wäsche?“, nuschelte ich. Plötzlich war jemand neben mir und hakte sich bei mir ein, drückte mir sogar ein Küsschen auf die Wange. War es Cathy? Seltsam, ich sah alles irgendwie verschwommen.

„Schätzchen, in deinem Zustand solltest du lieber nicht hier am Set auftauchen. Hast es wohl etwas sehr mit dem Frusttrinken übertrieben, gestern, was? Dabei hat es diese Zicke gar nicht verdient. Hey, kein Grund Trübsal zu blasen, denn du hast mich, deinen Schatz. Ich bin dein größter Fan, das weißt du doch.“

Ihre Worte umhüllten mich wie eine rosafarbene Wolke, drangen nicht richtig zu mir vor. Hm. Dieses süße Parfüm kam mir irgendwie bekannt vor. War es vielleicht wirklich Cathy? Doch was faselte sie da von Frustsaufen, wie meinte sie das? Ich schaute sie an, erkannte aber lediglich vage Umrisse. Cathy´s Umrisse? Die weiche Wolke in meinem Kopf übertünchte alles und ich dachte an Sex. Sex mit Cathy.

Jetzt war ich wieder scharf. Schlagartig.

„Küss mich, Süße. Egal wer du bist, ich brauche jetzt ´nen laaangen Kuss. Bin scharf wie Chili.“

„O ja, mein Süßer, das bist du. Bei mir brauchst du nicht lange darum zu bitten. Den kannst du gerne haben. Immer und jederzeit.“

Mit diesen Worten presste sie sich eng an mich und plötzlich wurde mir klar, wer sie war. Tina MacIntosh. Ich hatte sie an dem extrem süßen Parfüm erkannt. Stimmte ja, sie war schon länger scharf auf mich gewesen, aber ich wollte ja nur Cathy. Das hatte allerdings jetzt ein Ende. Cathy hatte mich fies betrogen, nun war ich wieder frei für all die anderen Frauen. Was für ein Glück, dass Tina bei mir war!

Sie küsste mich hingebungsvoll und spielte mit ihrer Zunge in meinem Mund herum, was irgendwie geil war, andererseits einen leichten Würgereiz bei mir auslöste. Ich schob sie etwas weg und merkte, dass meine Worte undeutlich klangen, als würde ich lallen.

„Baby, wir machen später weiter, bei mir. Nur du und ich. Alleine. Ohne Cathy.“

Lauthals lachte ich über meinen eigenen, so fand ich, grandiosen Witz. Sie wirkte etwas pikiert, hakte sich aber dennoch bei mir unter.

„Ich bring dich lieber mal zu Ed, bevor alle hier merken, wie du heute drauf bist. Und reiß dich ein wenig zusammen, wäre besser, wenn du nicht ganz so stark schwankst. Stütz dich einfach auf mir ab, lege deinen Arm fest um mich herum. Ich helf dir, ok?“

Mehrere verschwommene Gesichter tauchten um mich herum auf. Einige klopften mir auf die Schulter und sagten so was wie:

„Nimm´s nicht so schwer, Alter. Sei froh, dass du sie los bist.“

Hä? Wen meinten die? Ach so, Cathelyn, fiel mir wieder ein und ich musste laut lachen, weil ich das anscheinend kurz vergessen hatte. Meine Glieder fühlten sich auf einmal schwer an und schlagartig wurde ich unglaublich müde.

„Hey, hilf mir mal kurz, ich schaff es nicht alleine, er ist zu schwer“, sagte die Tina-Stimme neben mir. Irgendein Typ protestierte, doch meine neue, tolle Freundin blieb hartnäckig, sagte:

„Das ist das Mindeste, was du tun kannst. Schließlich hast du ihm auch die Frau geklaut. So was macht man nicht. Also komm rüber und pack mit an!“

Plötzlich wurde ich unter den Schultern grob gepackt und vorwärts geschleift – von irgendeinem großen, kräftigen Kerl. Wer war er noch mal? Vergessen, auch egal. Irgendwie verschwamm mir alles vor den Augen. Die Welt um mich herum drehte sich und fühlte sich an, wie in Watte gehüllt. Soft und weich und irgendwie flimmerte alles so merkwürdig.

„Hey, Schätzchen, nicht einschlafen!“, rief Tina, als ich für einen kurzen Moment die Augen schloss. Ich fühlte mich gar nicht mehr so gut. Alles um mich herum war seltsam, ich konnte weder klar denken noch klar und deutlich sehen.

„Wir müssen ihn irgendwo hinsetzen und Ed holen, das hat so keinen Zweck!“, meinte meine zuckersüße Tina. „Er wird wissen, was zu tun ist. Er ist ein netter Kerl.“

„Da drüben, da auf die Bank!“, kommandierte sie diesen anderen Typen herum. Bald schon setzten sich mich auf das harte Ding und der Typ meinte zu mir:

„Nix für ungut, Alter, sie hat nie zu dir gepasst. Ist nicht deine Welt, diese Glitzerindustrie. Sie sollte mit jemandem zusammen sein, der sie versteht und denkt wie sie. Eigentlich hab ich dir damit einen Gefallen getan. Früher oder später hätte sie dir sowieso das Herz gebrochen. Sie ist nicht deine Liga. Also kannst du mir dankbar sein.“

Keine Ahnung, was dieser Kerl damit meinte, seine Worte flossen bedeutungslos durch mich hindurch. Ich verstand jedes Einzelne davon und doch kapierte ich ihren Sinn nicht. Was war los mit mir? Plötzlich registrierte ich eine Bewegung neben mir. Sie wollte gehen, wollte mich verlassen, genau so wie ...!? Ja, wie wer eigentlich? Egal, sie durfte mich nicht auch noch alleine lassen.

„Bleib bei mir, geh nicht!“, nuschelte ich kaum hörbar, doch offenbar hatte sie verstanden, denn sie legte erneut den Arm um mich und strich mir tröstend übers Haar. Dann drückte sie meinen Kopf auf ihre Schulter. Es war sehr angenehm dort zu liegen, ich blickte direkt auf ihr Dekolleté.

„Du hast große Brüste“, meinte ich und sie lachte laut auf.

„Ja, die hab ich, mein Hübscher. Schön, dass du das auch endlich merkst.“

Ich umarmte sie, so gut es ging. Sie fühlte sich etwas hart und knochig an, dennoch ganz angenehm. Alles war momentan besser, als alleine zu sein. Eng drückte ich mich an sie.

„So ist es gut, Ryan. Kuschel dich schön an mich heran. Lass die Tussi starren, die hat dich eh nicht verdient. Wir beide sind das bessere Team.“

Hä? Wieder verstand ich den Sinn ihrer Worte nicht, merkte nur, dass sie liebevoll mit mir sprach. Sie meinte es gut mit mir, roch süß und hatte riesige Brüste. Anders als ... diese andere.“

Ich rieb mein Gesicht an etwas Weichem, Kuscheligen, das nicht so knochig war wie der Rest von ihr.

„Hey, hey, du gehst aber ran. Magst wohl meine Brüste wirklich sehr, was?“ Und dann, an jemand anderen gewandt, der offensichtlich bei uns in der Nähe stand:

„Jetzt hat er endlich mal welche, zwischen die er sein Gesicht stecken kann. Das muss er ausnutzen. Diese kleinen Pickelchen von dir waren ihm anscheinend zu winzig.“

„Nimm deine scheiß Finger von ihm, du mieses Stück! Er ist völlig high, das merkt er doch gar nicht. Geh bloß weg von ihm!“

Fuck. DIESE Stimme kannte ich. Sie schnitt tief in mich rein und plötzlich fühlte ich mich hundeelend. Ich wollte lieber bei ihr sein als bei Tina. Doch Tina umklammerte mich weiterhin fest und mein Körper gehorchte mir einfach nicht mehr. Ich wollte aufstehen und zu ihr, zu Cathy gehen. Denn so hieß sie, sie war es. Das war mir eben eingefallen.

„Du bist die Eine für mich“, seufzte ich, glücklich, dass sie da war. Die Antwort kam prompt.

„Das weiß ich doch, Süßer, das wusste ich schon immer. Gut, dass du das endlich auch erkennst.“

Seltsamerweise hörte sich dies nach der Tina-Stimme an, doch das war mir zunehmend egal. Es war gerade urgemütlich. Und ich war so müde.

„Da ist er, ich hab ihn mitgebracht, wie du gesagt hast, Tina“, meinte der starke Kerl von vorhin wieder.

„Shit, Junge, was ist mit dir denn los? Mach die Augen auf, sieh mich an!“, ertönte die Stimme meines Chefs.

Ich grinste müde, zwang mich, kurz aufzublicken, und lallte: „Ed, du Verräter.“ Mehr brachte ich nicht heraus, dann fielen mir die Augen wieder zu. So schwer, alles war so schwer. Und ich war so verdammt müde.

 

***

 

Wieso roch es hier süßlich? Was war das für ein penetranter Geruch? Wo befand ich mich?

Ich öffnete die Augen, schloss sie wieder, blinzelte kurz und riss sie dann weit auf. Wo zur Hölle war ich hier gelandet?

Cremefarbene Wände mit pinkfarbenen Blütenbordüren. Überall Kuscheltiere. Eine Armee an Kuscheltieren nicht nur im Bett um mich herum, sondern überall. Auf einer pinkfarbenen Kommode, in einem weißen, riesigen Regal, auf dem Schreibtisch. Kurzum, alles hier wurde von Stofftieren überlagert. Mitten an der Wand hingen auf goldenen Haken eine lederne Peitsche, eine schwarze Bondage-Maske und Klebeband. Klebeband? Hilfe, hier musste eine Irre leben. So eine durchgeknallte Alte wie in dem Film Misery. Vermutlich hielt mich hier auch jemand gefangen. Ich überprüfte meine Arme und Beine, nichts, keine Fesseln, keine Lederriemen, mit denen sie mich ans Bett gebunden hatte. Noch nicht. Erleichtert atmete ich auf. Trotzdem blieb die Frage: Wo war ich hier? Ein Blick zur Decke machte mich sprachlos. Ein riesiger Deckenspiegel hing exakt über dem Bett, in dem ich lag. Und noch etwas: Ich hatte weder eine Bettdecke noch IRGENDWELCHE Klamotten an. Ich war schlicht und einfach splitterfasernackt.

Plötzlich sah ich im Spiegel, wie sich etwas neben mir rührte. Erschrocken starrte ich nach rechts, auf ein lang gestrecktes, schwarzhaariges Etwas. Wieder blinzelte ich, um klarer sehen zu können.

Mein Kopf dröhnte, hämmerte und alles drehte sich. In was zum Geier, war ich hier hineingeraten?

Neben mir lag ein Hund. Riesengroß und pechschwarz und er knurrte mich an. Mir wurde schlagartig übel. Ich mochte Hunde, aber garantiert keine kampfhundartigen Viecher neben mir im Bett. Das war echt zu viel.

Er bleckte die Zähne, zeigte sein rotes Zahnfleisch und wirkte mit seinen wahnsinnigen Augen wie ein blutrünstiges Monster. Nun begann ich zu keuchen. Keine Panik, Ryan, ganz ruhig. Der tut nichts, der will nur spielen.

„Sunshine, hör auf zu knurren, komm zu Mami, komm her, meine Süße!“

Sunshine, jetzt ernsthaft? So hieß dieses knurrende Ungetüm neben mir im Bett? Ich blickte hoch und meine Kinnlade klappte runter.

Wieso stand da Tina MacIntosh und rekelte sich lasziv im Türrahmen? Sie strich sich aufreizend durch ihre wasserstoffblonde Mähne und grinste mich an. Noch etwas fiel mir auf: Auch sie war nackt. Komplett. Kein BH, kein Slip, nicht einmal ein winzig kleiner String. Nichts, sie trug einfach nichts.

Halleluja, was musste ich weggetreten sein gestern!

Wieder knurrte Sunshine und schielte mich bösartig von der Seite an.

„Sunshine, aus jetzt, komm her!“, befahl die nackte Tina und ich konnte meinen Blick nicht von ihren riesigen Brüsten abwenden. Die waren natürlich gemacht, von einem eher drittklassigen Schönheitschirurgen, würde ich mal behaupten. Denn sie standen unnatürlich vom Körper ab und wirkten wie zwei aufgeklebte Bälle. Es war mir ein Rätsel, was manche Männer an so etwas fanden. Ich fand es abartig unnatürlich.

Auf einmal bewegten sich die Dinger, nein, Tina bewegte sich. Sie wackelte betont mit ihren Hüften und ein Blick in ihr Gesicht zeigte mir, dass sie sich vermutlich stundenlang eine dicke, maskenartige Make-up-Schicht aufgeschminkt hatte. Wie eklig. Starb die Haut nicht darunter ab, wenn sie so wenig Luft bekam? Ich lachte trocken auf, eine interessante Vorstellung: Unter der dicken braunen Schicht könnte die Haut bereits schwarz und völlig abgestorben sein. Igitt. Abrupt blieb sie stehen und sah mich aufmerksam an.

Irgendwie fühlte ich mich seltsam. Wie ausgekotzt und trotzdem noch schwebend über den Wolken schwebend. Himmel, wie viel Whisky hatte ich gestern bloß getrunken?

Plötzlich fiel mir alles wieder ein, die Tabletten, der Alk, das Taxi zum Set. Ja, genau, und dann war ich ...?! Ein schwarzes Loch tat sich genau da auf, wo meine Erinnerung sein sollte. Verdammt, ich wusste nichts mehr. Weshalb war ich bei Tina? Dies war ihr Zuhause, oder? Ich beschloss, sie zu fragen, jedoch mit leiser, ruhiger Stimme, damit dieses Monster neben mir keine Bedrohung in mir sah ... und mir nicht an die Kehle springen wollte.

„Originell hier. Und du wohnst hier also?“

Sie lächelte, kam näher und setzte sich neben den Hund aufs Bett. Sofort begann dieser, sie abzulecken und verwandelte sich in ein zahmes Riesenbaby.

„Ja, das ist mein Loft“, erklärte sie und betonte dabei das letzte Wort. „Schick, nicht? Mein Daddy hat´s mir gekauft. Und Sunshine, meine allerliebste Sunny, hast du ja bereits kennengelernt. Ich glaube, sie ist etwas eifersüchtig. Sonst schläft sie immer bei mir im Bett, aber heute Nacht musste sie für dich ihren Platz räumen. Damit wir ... du weißt schon.“

Sie klimperte mit ihren Wimpern und schaute mich mit ihrem aufgesetzten Schlafzimmerblick an. Hatten wir etwa? Nein. Wenn ich mich nicht einmal mehr an die letzten Stunden erinnern konnte, war ich gewiss nicht mehr in der Lage gewesen, Sex zu haben. Oder doch?

„Was genau haben wir gemacht?“

Lasziv leckte sie sich über ihre Lippen. „Sag bloß, das weißt du nicht mehr. Also wir haben nicht miteinander geschlafen. Das wollte ich nicht, nicht in der ersten gemeinsamen Nacht. So ein Mädchen bin ich nicht.“

Irgendwie bezweifelte ich das.

„Aber wir hatten viel Spaß miteinander, du hast magische Hände, wusstest du das? Ich bin da unten immer noch ganz feucht. Magst du mal fühlen?“

Weshalb wunderte mich dieser Vorstoß nicht?!

„Nein, ich will dir nicht zu nahe treten, schüchtern wie du bist. Ist ja unser erstes offizielles Date“, konterte ich sarkastisch und sie verzog sofort das Gesicht.

„Weißt du, wir könnten da weitermachen, wo wir gestern Abend aufgehört haben.“

„Aha, und wo genau war das noch mal?“

Jetzt verdrehte sie genervt die Augen.

„Sunshine“, wandte sie sich an das Schoßhund-Monster. „Geh mal da weg. Mami muss Ryan was zeigen.“

O Gott, alles, bloß das nicht!, dachte ich und warf reflexartig ein:

„Ich muss dringend auf die Toilette. Sehr dringend, wenn du verstehst, was ich meine. Kannst du dein süßes Hündchen bitte kurz festhalten?“

Tina kniff die Augen zusammen.

„Hast du etwas Angst vor ihr? Sie tut nichts, sie will nur spielen.“

Argh! Genau meine Worte oder eher: meine Gedanken. Allerdings hielt sie den Köter tatsächlich am Halsband fest und gab mir Anweisungen, wo ich die Toilette finden konnte. Gut. Fürs Erste war ich gerettet. Mein Körper gehorchte mir erstaunlicherweise recht gut, als ich mich blitzartig aus dem Bett schwang und in Richtung Toilette stürmte.

Wenige Minuten später kam ich zurück und hatte mich wieder im Griff. Es war doch lächerlich, vor einer „Sunshine“ und Tina, der Schauspielerin, Angst zu haben. Sicherheitshalber blieb ich jedoch im Türrahmen stehen und ließ meine Muskeln spielen. In der Hoffnung, dass die gute Sunshine sich davon beeindrucken ließ. Einer der beiden Weiber sabberte nun tatsächlich, doch es war nicht Sunny, sondern Tina. Zeit für Klartext.

„Ich will und werde weder eine Beziehung mit dir anfangen noch eine Affäre. Klar?“

Flehende Augen blickten zu mir.

„Aber einen One-Night-Stand, ja? Wir sind beide Singles, das geht also. Oder findest du mich nicht sexy?“

Herrje, was sollte ich darauf nur sagen? Am besten die Wahrheit.

„Tina, mein Schädel dröhnt, mir ist speiübel und ich habe keine Ahnung, was gestern Abend passiert ist, nachdem ich meine Wohnung verlassen habe. Ich weiß nicht, wie ich hier her kam oder was wir gemacht haben. Aber ich schätze mal, nicht viel, so high wie ich anscheinend war. Also nein, mir steht momentan nicht der Sinn nach Sex. Außerdem habe ich gerade eine Sache hinter mir, die ich es erst verarbeiten muss. Also lass uns einfach ´nen Kaffee trinken und über meine Erinnerungslücken reden. Ich bin mir sicher, du kannst mir da weiterhelfen, oder? Das wäre wirklich großartig von dir. Danke!“

Schlagartig veränderten sich Ausdruck, Haltung, ihre gesamte Erscheinung. Sie nahm sich Klamotten vom Nachttisch und zog sich blitzschnell an. Dabei wirkte sie irgendwie beschämt.

„Tut mir leid, ich wollte nicht nerven oder aufdringlich sein. Ich mag dich eben und dachte ... Ach egal, sorry, hab mich wohl wie ´ne dumme Kuh verhalten, wie üblich.“

Ihre Wangen leuchteten knallrot und die ersten Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln. Verflixt, ich konnte keine Frauen weinen sehen, stets wurde ich bei so etwas weich wie Butter. Am liebsten wollte ich sie trösten, doch dieser verflixte Köter knurrte mich schon wieder böse an.

„Können wir in die Küche gehen? Ohne Sunshine? Ich glaube, sie kann mich nicht ausstehen. Vermutlich hat sie gleich gemerkt, dass du was Besseres als mich verdient hast“, sagte ich beschwichtigend und versuchte, die Lage zu retten. Tatsächlich, es gelang. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Du bist mir nicht böse, Ryan?“

„Nein, kein bisschen, weshalb sollte ich? Allerdings hätte ich unheimlich gerne meine Klamotten zurück. Wo sind die denn?“

Wieder errötete sie. „Ich hab sie dir heute Nacht ausgezogen und gewaschen, nachdem du dich zig Mal bei mir im Bad übergeben hast. Leider hat es dein Shirt auch erwischt, aber das wirkte schon vorher nicht mehr ganz frisch. Ryan, es hat gemüffelt.“

Dieses Mal war ich peinlich berührt. „Ich hab mich bei dir übergeben? Scheiße verdammt, das tut mir leid.“

Sie nickte. „Meine Bluse hat´s auch erwischt, aber die mochte ich sowieso nicht. Hab sie weggeworfen.“

„Ich kauf dir natürlich eine Neue, das ist ja klar“, meinte ich.

„Echt? Das ist aber lieb von dir. Gehen wir dann zusammen shoppen?“ Sie blickte mich aus flehenden Augen an und plötzlich bekam ich den Eindruck, dass sie einsam war. Sie mochte vielleicht viele Freundinnen haben, aber im Grunde ihres Herzens war sie alleine. Das sah ich an ihrem verzweifelten Blick. Auf einmal war sie mir nicht mehr so schrecklich unsympathisch, sie tat mir einfach nur leid. Also stimmte ich zu und sie strahlte mich an. Wie einen Ritter mit schimmernder Rüstung, der sie aus dem Turm befreit hatte.

„Kaffee? Ohne Hund?“, kürzte ich die Sache ab und sie nickte begeistert. Ich folgte ihr durch die riesige, mit Krimskrams vollgestopfte Wohnung, in die schicke Hightech-Küche.

Den Hund schloss sie glücklicherweise im Schlafzimmer ein. Doch er protestierte lautstark, bellte wie verrückt und kratzte mit den Pfoten gegen die Türe.

Ich selbst war nach wie vor nackt.

„Hast du ein großes T-Shirt oder so?“, wollte ich wissen.

„Nö, sorry, aber deine Sachen sind bereits im Trockner. Dauert nicht mehr lange, dann kannst du sie anziehen.“

Tina verschlang mich geradezu mit ihren Blicken, langsam wurde es mir unangenehm. Ich war gewiss kein Super-Adonis. Nur ein gut trainierter, muskulöser Sportler mit dunkler Haut. Sie allerdings starrte mich an wie einen griechischen Gott.

„Ein Handtuch vielleicht?“, hakte ich nach. Sie nickte und kam kurz darauf mit einem winzig kleinen Ding zurück, dass den Namen Handtuch kein bisschen verdient hatte. Grimmig starrte ich sie an.

„Was Kleineres konntest du wohl nicht finden, oder?“

Tina kicherte los. „Tut mir leid, aber ein wenig Spaß möchte ich heute auch noch haben. Selbst wenn es nur der Anblick eines fast nackten Mannes in meiner Küche ist.“

Sie drückte diverse Knöpfe an einem Gerät, das mehr nach Höllenmaschine als nach Kaffeemaschine aussah und bot mir einen Platz auf einem der schicken Metallstühle an. Schick ja, aber das kalte Metall auf bloßer Haut war nicht unbedingt angenehm oder gar bequem. Endlich, endlich drückte sie mir eine Tasse des dampfenden Gebräus in die Hände und ich trank es gierig.

„Na dann, schieß los! Was hab ich alles verbrochen? Und lass nichts aus, kleine Kleinigkeit, ja? Sonst kauf ich dir eine Küchenschürze statt ´nem Kleid.“

Drohend hob ich den Zeigefinger und sie schwor absolute Ehrlichkeit.

Mehr als mir lieb war.

Denn was sie mir da über mich erzählte, klang so ganz und gar nicht nach dem Ryan, den ich so gut zu kennen glaubte. Als sie meinen glorreichen Auftritt im Studio detailgetreu schilderte, schämte ich mich von Minute zu Minute mehr. Mein Gott, was musste ich zugedröhnt gewesen sein. Sie erzählte davon, wie ich sie zum Küssen aufgefordert und meinen Kopf zwischen ihre Brüste gesteckt hatte. Und anscheinend war Cathy die ganze Zeit über anwesend gewesen und hatte uns beobachtet. Heilige fucking Scheiße.

Sie beendete ihre Story mit der Info, dass ich in ihren Armen bewusstlos geworden war und Ed uns ein Taxi gerufen hatte. Sie wollte mich in dem Zustand keinesfalls alleine lassen und nahm mich deshalb zu ihr nach Hause mit.

„Musstest du gestern nicht arbeiten?“, wollte ich wissen.

„Nein, wie so oft war nur meine Anwesenheit gefragt, eine Drehszene hatte ich nicht. Die gibt´s selten, meine Rolle ist nicht groß. Und mach dir keine Sorgen wegen Chimney. Ed hat uns alle schwören lassen, keinem von deinem Auftritt zu erzählen. Dafür will er sich bei Rodney Chimney für ein besseres Mittagsbuffet einsetzen. Den Pappkram, der uns täglich aufgetischt wird, haben alle satt. Also werden sie sich garantiert an ihr Versprechen halten.“

In meinem Kopf hämmerte es immer stärker, bis ich schließlich die eine Frage stellte, die mir unter den Nägeln brannte: „Wie hat sie reagiert?“

„Scheiße, du magst sie wirklich, nicht?“, fragte sie mich erschrocken. Für eine Sekunde überlegte ich.

„Nein, die Person, die ich mochte, existiert wohl nur in meiner Fantasie. Die Cathy, die ich kennengelernt habe, hätte mich nie so eiskalt betrogen“, antwortete ich ehrlich.

„Zu mir war sie nie nett. Ich fand sie immer schon voll gemein. Sie hat so einen tollen Kerl wie dich überhaupt nicht verdient“, platzte Tina heraus und errötete prompt. Wow, dies war eine ganz andere Person, als noch vor wenigen Minuten. Vermutlich war dies ihr wahres Gesicht. Ein einsames Mädchen, das ihre Selbstzweifel zu überspielen versuchte und dabei ins andere Extrem überging. Daddy konnte ihr, (vermutete ich), zwar eine schicke Wohnung kaufen, doch kein glückliches Leben. Ich hätte sie jetzt gerne freundschaftlich umarmt, aber meine Nacktheit hielt mich davon ab. Das Mini-Handtuch änderte daran nichts.

„Danke, aber die Lorbeeren habe ich gewiss nicht verdient. In den letzten Tagen hab ich so viel Scheiße gebaut, wie nie zuvor in meinem ganzen Leben. Mist, da fällt mir ein, ich muss mich dringend bei dem Barbesitzer von neulich Abend melden. Ich hab seine Einrichtung demoliert.“

„Nö, brauchst du nicht, das hat alles Cathelyn bezahlt. Vermutlich wollte sie mit ihrer Heldentat angeben oder so. Jedenfalls hat sie dem Barkeeper ihre Adresse gegeben und gemeint, sie würde die komplette Rechnung übernehmen, wenn er von einer Anzeige gegen dich absieht. Das hat mir Ed jedenfalls gestern erzählt, als wir auf das Taxi gewartet haben.“

Wow! Ich schluckte mehrmals. Meine Kehle fühlte sich trotz des Kaffees staubtrocken an. Keinesfalls wollte ich in irgendeiner Weise in Cathelyns Schuld stehen. Weder finanziell noch sonst irgendwie. Ich musste dringend den Barbesitzer erreichen, bevor er die Rechnung an sie schickte. Mist, verdammter. Mit ihr persönlich wollte ich darüber garantiert nicht reden, also musste ich den Typen schnellstens erreichen.

Ein leises „Bing“ aus dem Nebenraum ertönte, dann noch eins. „Was ist das?“, fragte ich Tina. Undeutlich murmelte sie: „Ach, das ist nur der Trockner. Das Programm ist zu Ende.“

Entgeistert starrte ich sie an, als sie keinerlei Anstalten machte, aufzustehen.

„Hol mir sofort meine verdammte Wäsche! Ich will hier nicht den ganzen Tag nackt rumsitzen.“

„Auch keine heiße Dusche?“

„Auch keine heiße Dusche!“

„Schade“, meinte sie, erhob sich aber tatsächlich und machte sich betont langsam auf den Weg. Jedoch nicht ohne Kommentar.

„Ein kleines Stündchen hättest du mir diesen Anblick ja noch gönnen können. Sonst sitzt nie ein gut aussehender nackter Kerl in meiner Küche. Die sehen nicht mal halb so gut aus wie du, verschwinden stets frühmorgens und ich hör nie wieder was von ihnen. Typisch L.A., jeder will seine Freiheit, keiner eine Bindung. Du bist anders, glaube ich. Aber dein Herz ist ja leider vergeben.“

War das so? Immer noch? Ich wusste es nicht, aber eines war klar. Nie wieder Herz über Kopf. Ab jetzt würde ich in Sachen Frauen zuallererst den Verstand sprechen lassen. Oder mich einfach nie wieder verlieben.

2. Cathy, nach dem Abend in der Bar

Nach dem völlig verkorksten Abend rollten sengende Kopfschmerzen wie kleine Panzer durch meinen Schädel, marterten mich, als ich langsam erwachte. In meinem Zimmer schwirrte ein Schatten von A nach B und bevor ich fragen konnte, was los war, wurde der Raum in gleißendes Licht gehüllt. „Draußen lacht die Sonne und du liegst immer noch in der Penne und schläfst“, krähte mein ausgesprochen gut gelaunter Bruder.

Ungewöhnlich für ihn, war er doch sonst derjenige, den ich aus dem Bett holen musste, weil er gern bis in den Mittag hinein schlief. Moment mal, wie viel Uhr war es überhaupt? Schlagartig war ich hellwach. „Wie spät ist es?“

„Gleich elf Uhr.“

„Warum bist du schon wach?“

„Mich haben die Sonnenstrahlen und deine Katze gekitzelt. Letztere hatte so einen großen Hunger, dass ich aufstehen musste. Sklaventreiber, diese Mieze.“

O Shit, ich hatte meiner Katze Kitty-Cat gestern Abend keine Beachtung mehr geschenkt, verloren in meiner Qual, wie ich war. Der unsägliche Abend war kein Traum gewesen, wurde mir klar, als ich die Lederjacke in meinem Bett erkannte. Die mintgrüne, verschlissene Lederjacke wirkte wie ein Fremdkörper inmitten meiner cremefarbenen Bettwäsche. „Wie siehst du überhaupt aus?“

„Wieso?“

Ich legte meine Stirn in Falten, starrte meinen Bruder perplex an.

„Na, du schaust aus, als hättest du aus Versehen in eine Steckdose gefasst.“

„Glaub mir, es war schlimmer als das“, gab ich zu.

Gähnend ließ ich meinen Oberkörper zurück auf das Bett fallen und starrte gerädert an die Decke. „Wem gehört denn die Jacke und wo ist ihr Besitzer?“

„Vergiss es einfach, okay?“ Ernst blitzte ich meinen Bruder an, der aufhörte, zu grinsen.

„Kann ich dir helfen, Cathy, du siehst wirklich, sorry, beschissen aus.“

„Wenn du mir einen Kaffee aufbrühen und einen Toast mit Marmelade schmieren könntest, wäre mir sehr geholfen. Danke.“

Er nickte.

„Deine Katze hat ja heute Morgen schon was bekommen. Sie läuft nun draußen irgendwo herum.“ Er wandte sich schon ab zum Gehen, überlegte es sich im Türrahmen aber anders. Mit mitleidigem Blick musterte er mich, ehe er sagte: „Falls du jemanden zum Reden brauchst, bin ich für dich da. Ich hoffe, das weißt du.“

Vor Rührung kamen mir die Tränen, die ich tapfer niederrang. Mehr als ein Nicken schaffte ich nicht, doch er verstand und ließ mir meine Zeit, die ich brauchte. Ich wusste, lange würde seine ernste Phase nicht anhalten, bald Platz machen für den Clown, der er nun einmal war. Dafür liebte ich Ken. Vielleicht sollte ich ausnahmsweise mal mit ihm zusammen kiffen. Natürlich nicht heute Morgen, aber heute Abend. Sicher würde ich das brauchen, denn ich musste spätestens um eins auf der Arbeit sein. Meine Lust war gen Null. „Scheiße, das war gar nicht gut“, sagte ich bei mir und packte Ryans Lederjacke, die ich im Affekt von seinem Stuhl genommen hatte, um an ihr zu riechen.

Gierig inhalierte ich seinen Duft, als hinge mein Leben davon ab. Tränen rannen über meine Wangen, benässten das Innenfutter der Jacke. Ich hatte Mist gebaut. Beziehungsweise der Moment war nicht auf meiner Seite gewesen. Warum zum Henker musste Ryan ausgerechnet im falschen Augenblick hinschauen, dabei war zwischen mir und Simon gar nichts gewesen. Ich empfand lediglich auf freundschaftlicher Ebene Sympathie für meinen Kollegen. Ein höflicher Umgang am Set war das A und O für ein gutes Gelingen des gesamten Projekts. Denn wo sonst hatte man mit so vielen unterschiedlichen Menschen auf einem Haufen zu tun wie bei Filmaufnahmen? Die Leute dahinter, die ich gar nicht zu Gesicht bekam, mochte ich in ihrer Anzahl gar nicht erst benennen. Bevor so ein Film oder eine Serie umgesetzt werden konnte, gingen etliche Arbeiten vorher vonstatten. Drehbuchautoren, Location Scouts, Cutter, Techniker, um nur einige zu nennen. Das, was der Zuschauer am Ende zu sehen bekam, war nur die Spitze des Eisbergs. Ich verglich ein Projekt gern mit einem riesigen wimmelnden Ameisenhaufen. „Bist du wieder eingepennt, muss ich etwa mit einem Eimer Wasser vorbeikommen, damit du aus den Federn kommst?“, rief mich Ken gut gelaunt.

„Ja, ja, ich komme gleich!“

„Ja ja heißt leck mich am Arsch, aber das weißt du ja.“

Gelächter schallte über den Flur, zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Es erstarb fix, als mir einfiel, was Ryan für ein Chaos in dem Billardcafé hinterlassen hatte. Sein Ruf und der der Crew standen auf dem Spiel. Wie ein geölter Blitz sprang ich aus den Federn und suchte im Smartphone nach der Telefonnummer des Ladens. Zum Glück erreichte ich dort jemanden und bat vielmals um Vergebung für das Verhalten „meines Kumpels“, der über die Stränge geschlagen hatte. Nur Ed war es am Ende zu verdanken gewesen, dass es keine Anzeige bei der Polizei gegeben hatte. Der gute Ed kannte viele Leute im Viertel und hatte dementsprechend für Ryan ein gutes Wort eingelegt. „Bitte schicken Sie die Rechnung an die eben genannte Adresse.“ Ich wiederholte sie noch mal zur Sicherheit. „Nehmen Sie alles auf, was zu Bruch gegangen ist. Ich zahle alles nach Erhalt der Rechnung.“

„Was war das denn?“

Verdammt, Ken hatte seine Ohren auch überall. Ich seufzte. „Hast du was kaputtgemacht?“

Ich kam nicht drum herum, es ihm zu erzählen. Auf der Veranda hatte er ein liebevolles Frühstück vorbereitet. Da ich heute extrem nah am Wasser gebaut war, kamen mir schon wieder die Tränen. Dankbar umarmte ich meinen Bruder und drückte ihn fest. Worte waren keine nötig.

Als ich mich beruhigt hatte, erzählte ich ihm nach und nach, was gestern Abend passiert war. „Und?“

Neugierig betrachtete ich Ken, der gerade ein Ei ziemlich rabiat mit seinem Löffel köpfte.

„Du steckst in ernsten Schwierigkeiten, Schwesterchen. In ernsten.“

Seine hochgezogenen Augenbrauen waren der Beweis. „Männer, die so abgehen, sind wirklich getroffen. Und wenn das geschieht, müssen sich die Damen was einfallen lassen, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Etwas, das hieb und stichfest jedem Kontra standhält.“

„Du sprichst in Rätseln.“

„Ich denke, das Schicksal kann dir in diesem Fall weiterhelfen. Ich meine, wenn der Kerl dich liebt, und das tut er ...“

„Woher willst du das wissen?.“

„Ich hab Augen im Kopf.“

Ergeben biss ich in meinen Toast, es brachte mir nämlich nichts, meinem Bruder mit Widerworten zu begegnen. „Dieser Ryan fährt Harley, holt dich zu einem romantischen Tag am Strand ab und ist Halbindianer. Mehr Informationen benötige ich nicht.“

Er zwinkerte mir zu, während er sich gelassen im Korbstuhl zurücklehnte. „Was hat denn bitteschön eine Harley damit zu tun, was für ein Typ ein Mann er ist?“

„Viel. Mehr, als du denkst.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach heute machen? Ich meine, ich sehe ihn sicherlich am Set wieder.“

„Lass die Dinge erst mal ihren Gang gehen und ihn zur Ruhe kommen. Ihm wird klar sein, dass er es übertrieben hat und auf dich zukommen. In einem ruhigen Moment würde ich an deiner Stelle von dir aus auf ihn zukommen und aufklären. Wenn er nicht ganz so temperamentvoll drauf ist, wie ich denke, wird er dir Raum lassen, die Sache aufzulösen.“

„Ja und wenn nicht?.“

Ein paar Sekunden herrschte zwischen uns betretenes Schweigen. Genüsslich aß Ken sein Ei auf, ehe er mit einem Schluck Kaffee nachspülte. Zu meinem Leidwesen zuckte er mit den Schultern und machte große Augen.

„Dann ist guter Rat teuer und dir kann wirklich nur das Schicksal helfen. Bin mir absolut sicher, dass es lenkt, wie sich das mit euch entwickeln wird. Wird nix draus, wird es halt nix mit euch beiden. So einfach ist das.“

Er grinste breit über das ganze Gesicht, was in mir auf einmal Wut auslöste.

„Klar. So wie das Schicksal nie auf deiner Seite stand.“

„Bitte?“

„Na ja, sonst wärst du kein gescheiterter Musiker, der auf der Straße spielt und bei seiner Schwester um Unterschlupf betteln muss, um nicht unter einer Brücke zu schlafen.“

Sein Grinsen erstarb auf der Stelle. Ohne ein Wort erhob er sich, rückte den Stuhl laut an den Tisch und ging. Okay, Cathy, damit bist du eindeutig zu weit gegangen. Bevor ich mich aus meiner Lethargie reißen konnte, um mich bei Ken zu entschuldigen, vernahm ich, wie die Haustür knallte. Ups, der war wirklich sauer. Ich lief rot an vor Scham. Nie zuvor hatte ich meinen immer lustigen Bruder so vor den Kopf gestoßen, dass er entsetzt vor mir floh. Langsam aber sicher begann mir alles zu entgleiten. Verdammt, wie sollte ich all meine Fehler bloß wieder gutmachen?

 

***

 

Auf der Arbeit hing ich dank dreier Espresso nicht wie ein Schluck Wasser in der Kurve, vergaß sogar kurzzeitig das, was zwischen Ryan und mir vorgefallen war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, von allen gleichzeitig überfallen zu werden. Der Regisseur redete auf mich ein, möglichst schnell in die Maske zu gehen und von dort weiter Klamotten anzuziehen. Mein heutiges Outfit würde legere Lederkleidung sein. Es ging um Szenen zwischen mir und Simon in einer offenen Corvette. Wie ich mich doch darauf freute, ausgerechnet mit Simon zu drehen. Mist. Insgeheim hoffte ich, heute von Ryans Abwesenheit beehrt zu werden. Ob er seine Stunts erst mal erledigt hatte? Beim Dreh kamen die Hauptcharaktere nicht ständig mit den Stuntleuten in Kontakt. Es wuselten ohnehin massenweise Leute, wie in einem Ameisenhaufen, im und um das Set herum. Konzentriere dich heute nur auf deine Rolle, redete ich unentwegt auf mich ein in Gedanken. Es gab mir Kraft, als ich die Augen fest schloss und lange Atem in mich sog. Geräuschvoll ließ ich die Luft durch meine Lippen entweichen. Ich erschrak, als ich beim Öffnen der Augen Ed vor mir sah. Beinah panisch sah ich mich um.

„Was ist los mit dir, Cathelyn? Angst, dass Ryan hier irgendwo herum schwirrt?“

„Wie, was?“, stotterte ich.

„Keine Angst, Ryan ist noch nicht hier.“

Er sah auf seine Uhr, verzog den Mund und zuckte dann mit den Schultern. „Seltsam, gar nicht seine Art, zu spät zu kommen.“

„Ich übernehme die Rechnung!“, schoss es aus meinem Mund.

Verwirrter als noch eben sah mich Ed an.

„Na ja, ich habe den Wirt angerufen, dass er mir die Rechnung über den Schaden schicken soll. Ich hab es verbockt.“

Betreten sah ich zu Boden und wühlte mit meinem rechten Schuh auf dem leicht sandigen Boden.

„Das renkt sich schon wieder ein“, wiegelte Ed ab. „Ryan hat impulsiv reagiert und interpretiert nun mehr hinein, als los war.“

„Ja, das ist es. Es war nicht das, wonach es aussah.“

Ich konnte nicht verhindern, wie meine Wangen rot anliefen. „Warte, der Spruch klingt ausgelutscht, aber es stimmt. Ich wollte Simon nie küssen. Irgendetwas ist an dem Abend gewaltig schief gelaufen.“

„Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen.“

Fürsprechend legte Ed mir eine Hand auf die Schulter.

„Soll ich nachher mal mit ihm reden?“

Seine Augen leuchteten freundlich, seine Miene sah aus wie die eines Vaters, der seine erwachsene Tochter aufmuntern wollte. Verlegen schüttelte ich den Kopf.

„Bitte nicht. Ed, ich weiß das sehr zu schätzen, aber da muss ich ganz alleine durch.“

„Liegt an meinem Helfersyndrom. Wenn ich merke, dass irgendwo was im Argen zwischen Menschen liegt, versuche ich zu vermitteln.“

„Es ist lieb von dir.“

„Sehr nett, dass du Ryans Schaden übernimmst, aber ich denke, das sollte er selbst bezahlen. Er hat es schließlich verbockt. Niemand hat ihn gezwungen, den halben Laden auseinander zu nehmen.“

„Es war wegen mir.“

„Das ist keine Entschuldigung. Er hat einen Mund und ein Gehirn, um nachzudenken und reden zu können. War wohl der Indianer in ihm, der etwas über die Stränge geschlagen hat. Sein Temperament ist mit ihm durchgegangen.“

„Ich mag Ryan. Mehr als das. Sehr.“

Ed drückte meine Schulter und sah mir tief in die Augen, schien genau zu wissen, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Auszusprechen, dass ich mich in den Wildfang verliebt hatte, wagte ich mich nicht. Ebenso wenig verriet ich Ed etwas über den Verbleib von Ryans geliebter Lederjacke. Da Ed viel mit Ryan als Stuntkoordinator zu tun hatte, würde Ryan zuerst ihn danach fragen. Nein, solange das Missverständnis nicht aus der Welt war, würde ich die Jacke bei mir behalten. Im Moment war sie das Einzige, was ich von Ryan hatte.

Ich ging nach drinnen, hinein in die Maske und ließ mir das Make-up aufsetzen und von dort ging ich zum Kleiderraum. Als ich diesen verließ, machte ich Ryan alle Ehre. Lederlady. Zu meinem Leidwesen holte mich Simon ab und marschierte mit mir zum heutigen Set in Halle 3. Dabei spürte ich seine Hand mehr, als mir lieb war, an meinem unteren Rücken. Es war mir unangenehm, aber irgendetwas hinderte mich daran, Simon zu bitten, sie wegzunehmen. Stattdessen dachte ich sie mir weg und ging im Kopf die heutige Szene in einer Kneipe durch. Der Text saß, sodass die Szene für mich keinerlei Problem darstellte. Ich war im Laufe des Drehs regelrecht mit meiner Rolle verschmolzen. Dachte wie das fesche Mädel, redete wie sie und agierte wie sie. Cathelyn Bruckheimer verblieb neben ihrer Hülle. Erst nach dem „Schnitt“ wurde ich wieder zu Cathy. Der Regisseur lobte uns dafür, dass wir nur drei Neudrehs kleinerer Szenen gebraucht hatten und der Hauptmoment, ein Beinahekuss, sofort geklappt hatte. Lag wohl daran, dass ich diesen fast Kuss mit Simon Sparrow, so schnell es ging, hinter mir haben wollte. Draußen vernahm ich Rumoren, worauf mein Herz einen Aussetzer machte. Jemand lallte und eine Frau versuchte, gegenzuhalten. Mir war sofort klar, wer die Hauptattraktion des Gesprächs war: Ryan. Ein ziemlich betrunkener Ryan, wie ich schnell feststellte. Mir klappte die Kinnlade runter, als ich sah, was da los war. Ryan lag halb auf Tina MacIntosh, die auf der Bank saß. Er wirkte wie ein verletztes Kindchen, das Trost und Geborgenheit suchte. Etwas, dass ich ihm in diesem Augenblick nicht geben konnte. Sofort kamen dumme Sprüche, die ich versuchte, möglichst cool zu kontern. Schnell merkte ich, wie weit weg Ryan von der Realität war. Wie high schwebte er in einer Ebene seines Bewusstseins. So konnte ich ihm nicht einmal böse sein dafür, dass er sich lieber bei Tina anlehnte. In seinem Zustand gehörte er in ein Bett, und zwar schleunigst. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, wie sehr mich der Anblick schmerzte. Es stach wie ein Stachel in mein Herz, bis ich glaubte, es würde mir zerspringen. Hatte ich Ryan verloren? Mir war klar, warum er sturzbetrunken war. Wegen mir. Meinetwegen hatte er sich fast bewusstlos gesoffen und war auch noch in dem Zustand auf der Arbeit erschienen. Jemand musste dringend Ed alarmieren, bevor Rodney Chimney Wind davon bekam. Ich malte mir aus, was los war, wenn der Boss davon wüsste. Nichts anderes als Ryans Rauswurf aus der Crew würde das bedeuten – sein Todesurteil. Und das alles nur, weil Simon letzten Abend auf die so absurde Idee kam, mich freundschaftlich küssen zu wollen. Moment, sollte das wirklich nur ein Kuss unter Freunden sein? Ich war nicht mal mit ihm befreundet. Wir waren lediglich Kollegen, die beide Hauptrollen spielten. Ich musste aufpassen, dass sich meine Rolle nicht mit der Realität vermischte. Außerhalb des Sets sollte mir Simon lieber fern bleiben, ebenso die anderen männlichen Darsteller, wie Darren Hayes. Bevor ich reagieren konnte, war Ed da, handelte prompt. Tina MacIntosh, die heute mit ihrem Part schon seit dem späten Morgen fertig war, bot sich an, Ryan nach Hause zu fahren. Betrunken wie er war, willigte er ein. Mir blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie sie ihn mit freiwilligen Helfern um die Ecke und zu ihrem Auto schaffte. Mein Innerstes drangsalierte mich, hinterherzulaufen und ihn ihr zu entreißen, doch ich blieb wie angewurzelt stehen. Dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Mir blieb vor Schreck beinah das Herz stehen. Als ich mich umdrehte, starrte mich Rodney Chimney ernst an. Ich schluckte.

„Was war hier eben los?“

„Ähm, nichts.“

„Das sah mir aber alles andere als nach nichts aus“, meinte er und zog dabei das Wort „nichts“ in die Länge.

Nervös fuhr ich mir durch die Haare. „Jemandem ist schlecht geworden. Er wird nach Hause gebracht, weil er umgekippt ist. Scheint der Kreislauf zu sein.“

Hoffentlich schluckte er meine Ausrede. „Wenn das so ist. Wissen Sie zufällig, wer die betroffene Person ist? Ich habe oben aus meinem Büro den Tumult gesehen und bin runter, als nach zehn Minuten das Bild gleich war.“

„Jemand aus dem Stuntteam. Sie sollten Ed fragen, der kann sicherlich mehr Auskunft geben. Ich hatte bis eben Dreh.“

Er nickte.

„Ich bin dann mal wieder weg.“

Da der Produzent nichts sagte, nur still nickte, ging ich. Als ich um die Ecke war, beschleunigte ich meine Schritte und lief auf Ed zu, der vom Parkplatz kam. Ryan und Tina waren scheinbar abgefahren.

„Was ist los, du bist ganz rot?“

Schnell erzählte ich Ed, was ich auch Chimney gesagt hatte, dass er bitte dasselbe sagen sollte.

„Okay, das hast du gut gemacht, Cathy.“

Dankbar nickte er mir zu. Ich konnte Ed ansehen, wie ein fetter Brocken von ihm abfiel. Er zog ein Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich damit Schweißperlen von der Stirn. Sicher kamen die nicht nur von der Sonne, die mal wieder heiß vom Himmel brannte. „Das darf nicht noch einmal vorkommen, sonst ist er geliefert“, sagte Ed.

„Wo ist er jetzt?“, fragte ich, unwissend tuend.

„Tina fährt ihn nach Hause. Ihm geht es beschissen, im wahrsten Sinne des Wortes.“

„Das wollte ich nicht.“

Obwohl ich extra leise redete, verstand Ed jedes Wort.

„Noch mal zum Mitschreiben, Ryan ist ein erwachsener Mann, der sich bitte auch so zu benehmen hat. Er kann froh sein, dass wir für ihn in die Bresche gesprungen sind. Andere würden ihn auflaufen lassen.“

Damit meinte Ed auch Tina. Jetzt musste ich der Zicke also auch noch dankbar sein. Prima, das hatte ich ja toll hinbekommen. „Hast du noch eine Rolle heute?“, lenkte er dann ab.

„Ja, nach dem Mittag gibt es noch eine Szene im Racinghouse des Teams. Mit Darren, Simon, Melissa und Jacob. Easy.“

„Na dann. Lust, auf einen Happen? Ich begleite dich.“

Ich nickte. Gemeinsam gingen wir in die Kantine und holten uns das wohlverdiente Mittagessen. Obwohl das Hühnchen in Rahmsoße lecker war, fehlte mir der Appetit. Mit Ryan an meiner Seite wäre es mir besser gegangen, obschon sich Ed größte Mühe gab, mich davon zu überzeugen, dass alles gut würde. „Kopf hoch, Cathy, es kommt, wie es kommt. Ich weiß, wovon ich rede.“

Lächelnd versenkte Ed seine Gabel in einem Stück seines Hähnchens. Seine Frau war nach vielen Ehejahren an einer tückischen Krankheit verstorben. Er machte trotzdem das Beste aus seinem Leben. „Du hast sicher recht“, sagte ich, wollte es gern glauben, konnte es aber nicht.

Wir aßen schweigend weiter, während um uns herum das pralle Leben war. Stühle wurden gerückt, Geschirr klapperte und Stimmengewirr wehte zu uns herüber. Ed schaute mir in losen Abständen in die Augen, um sich zu versichern, dass es okay war, zu schweigen.

Der Rest des Tages am Set verging, ohne dass etwas Bemerkenswertes geschah. Es war ein Tag wie jeder andere auch, fühlte sich eben wie Arbeit an. Ich spielte meine Rolle wie ein Profi, lebte sie und verdrängte jeden Gedanken an Ryan.

 

Zuhause warf ich mich erschöpft auf mein Sofa. Auf dem Anrufbeantworter blinkte ein rotes Lämpchen als Zeichen dafür, dass einer oder mehrere Anrufe eingegangen waren. Mühsam erhob ich mich von der weichen Fläche und schlurfte hinüber zur Anrichte, auf der der Apparat stand. Sofort sah ich Mallorys Nummer und rief zurück.

„Hey Baby, lange nichts mehr von dir gehört“, freute sie sich, nachdem sie nach dreimaligem Klingeln abgenommen hatte. Scheinbar war sie in der Nähe ihres Telefons gewesen. Gewöhnlich dauerte es länger, bis sie ran ging oder sie rief zurück, weil sie viel Zeit draußen bei den Tieren verbrachte. „Geht so.“

„Na, das klingt gar nicht gut. Muss ich mir Sorgen machen?“

„Nein, ich ...“

„Mach mir nichts vor. Irgendwas ist doch. Raus mit der Sprache!“

Ich seufzte und raufte mir mit der freien Hand die Haare. Nach kurzem Zögern gab ich nach und erzählte ihr in einer knappen halben Stunde, was geschehen war. „O Gott, du hast deinen Bruder auch noch vergrault, dann muss es schlimm sein.“

„Was soll das denn heißen?“

„Wie ich das sage. Dein Bruder ist ein Seelchen und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Bevor du jetzt was sagst, kommst du bitte heute Abend zu mir und wir bereden das in Ruhe. So geht das ja nicht.“

„Heute noch? Ich bin kaputt. Ehrlich.“

Einen Moment entstand eine Pause. „Mallory, bist du noch da?“

„Jawohl. Dann machen wir es anders. Am Freitag, oder wann hast du Drehpause?“

„Sonntag haben wir erst wieder frei. Leider, die wollen die ersten Folgen so schnell wie möglich im Kasten haben, was verständlich ist.“

„Dann kommst du Samstag nach dem Dreh zu mir und wir zwei machen was Feines.“

„Und deine Freundin?“

„Ist unterwegs. Wir haben also Zeit für uns.“

„Ich will mich da nirgends zwischen drängen.“

„Tust du nicht und wenn, sage ich es dir schon. Du kennst mich doch.“

O ja, und wie ich sie kannte. „Und für heute gebe ich dir zur Aufgabe, dich mit deinem Bro auszusöhnen. Im Streit sollte man sich niemals trennen, das drückt nur auf die Seele. Damit lebt und arbeitet es sich blöd.“

„Ich war wirklich mies zu ihm.“

„Dann erst recht. Hau rein, Cathy, du schaffst das. Du schaffst alles, was du erreichen willst. Musst dir halt Mühe geben. Alles Weitere besprechen wir am Samstagabend, wenn wir uns sehen.“

Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie aufgelegt. In die Scheiße, in die mich reingeritten hatte, musste ich mich nun selbst wieder herausbugsieren. Ken würde dahingehend eine gute Fingerübung sein. Ich beschloss, uns etwas Leckeres zu kochen, entschied mich für Nudelauflauf mit Käse, Maccaroni and Cheese liebte mein Bruder. Zwischendurch ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich Ryans Lederjacke gegen meine Nase presste und daran schnüffelte. Sein ausgeprägter Geruch, gemischt mit Parfümnoten, gab mir einen leichten Kick. Wenn ich meine Augen schloss, sah ich mich mit ihm verbunden, ob hart in der Requisitenkammer oder zart am Strand. Egal wie wir uns liebten, jedes Mal war es wunderschön.

Als sich etwas auf meiner Schulter veränderte, erschrak ich.

„Wobei hab ich dich denn erschreckt, Cathelyn?“

„Du sollst mich nicht so nennen“, fuhr ich Ken an, nachdem ich mich ruckartig zu ihm umgedreht hatte. Als ich seinen aufgerissenen Augen und den seltsamen Blick von ihm erkannte, besann ich mich auf Mallorys Worte. Wenigstens den Zwist mit Ken wollte ich so schnell wie möglich beigelegt haben. „Du, wegen heute Morgen, es tut mir leid.“

Bei es tut mir leid, senkte ich beschämt den Blick auf den karierten Fußboden.

„Schon gut. Verziehen.“

„Ehrlich?“

Langsam hob ich meinen Blick, sah ihm in seine warmen Augen. Ja, Ken verzieh mir.

„Wir müssen beide zusammenhalten, wenn sich in der Familie Bruckheimer sonst niemand um so etwas wie Zusammenhalt kümmert. Du bist mir wichtig und ich sehe doch, wie du leidest. Wenn es dir zu viel wird, sag Bescheid, dann lass ich dich gern mal an meiner Tüte ziehen.“

Ich verdrehte die Augen ob seines Scherzes.

„Bitte, Drogen bringen da auch nichts, wenn überhaupt nur für eine ganz kurze Zeit. Und noch was.“

„Bin ganz Ohr.“

„Wenn du dein Zeug unbedingt rauchen willst, dann geh bitte auf die Terrasse.“

Gespielt verbeugte er sich wie ein alter Adliger vor mir.

„Yes, Mylady.“

„Du!“ Ich knuffte ihm in die Seite, legte Ryans Jacke weg und holte Teller aus dem Schrank, während Ken für Gläser und Besteck sorgte. Das Essen schmeckte so gut, dass ich darüber sogar Ryan vergaß. „Wenn du Ryan so gern hast, dann sag ihm das. Missverständnisse sind dazu da, um sie aus dem Weg zu räumen“, sagte Ken, als wir beim Nachtisch, Joghurt, waren.

„Heute konnte ich mir einen Versuch schenken“, sagte ich, „stockbesoffen wie er war. Und ausgerechnet die MacIntosh hat ihn eingepackt und mitgenommen. Hoffentlich hat sie ihn direkt nach Hause gefahren, ich traue ihr alles zu.“

Ich erzählte meinem Bruder davon, wie komisch sie sich manchmal verhielt. Nach außen hin tat sie einen auf beliebt, doch wusste ich, dass es nur oberflächlich war. Tina war keine wirklich beliebte Person, sondern eine Selbstdarstellerin, die es liebte, im Mittelpunkt zu stehen. Da sie den Produzenten Geld brachte und optisch eine Augenweide war – das konnte ich ihr kaum absprechen – taten die Leute halt auf gut Freund. So war das im Leben. Echte Freunde waren selten und meistens falsch, vor allem dann, wenn viel Geld mit im Spiel war. „Du wirst ja sehen, wie es die nächsten Tage wird. Mach einfach das Beste draus. So mache ich das auch.“

Ich nickte.

Gemeinsam räumten wir die Küche auf und setzten uns danach noch etwas auf die Terrasse, bis ich hundemüde ins Bad ging, um mich bettfertig zu machen. Kurz nachdem mein Kopf das Kopfkissen berührte, versank ich in einem seltsamen Traum.

Immer wieder tauchte Tina auf, die Ryan umgarnte, ihn küsste und versuchte, zu verführen. Zu meinem Leidwesen schaffte sie es irgendwann. Als ich Ryan fragte, ob ich ihm denn gar nichts bedeute, grinste er über beide Ohren. „Du bist diejenige, die mich von sich gestoßen hat. Tina kümmert sich um mich, gibt mir das Gefühl, an ihre Seite zu gehören. Du nicht. Und jetzt verzieh dich!“

Dann wurde ich grob am Arm gepackt und herumgerissen. Mit leuchtenden Augen und Kussmund überfiel mich Simon Sparrow. Er duldete keine Ausflüchte und hielt mich seinen in seinen eisernen Händen gefangen. Ich bekam keine Luft mehr, je mehr er mich quetschte. Plötzlich küsste er mich, saugte mir die Lebensenergie heraus, bis ich Sterne sah. Alles um mich herum verschwamm, als er mir mit dämonisch klingender Stimme ins Ohr flüsterte: „Du gehörst mir!“

Schweißgebadet erwachte ich. Licht vom Vollmond schlich sich in schmalen Streifen durch eine Ecke, wo der Vorhang nicht ganz zusammengezogen war. Mein Funkwecker zeigte vier Uhr mitten in der Nacht an. Ein paar Stunden blieben mir bis zum Aufstehen noch, doch ich schaffte es nicht, wieder in den Schlaf zu finden. Erst Ryans Jacke, die ich aus der Küche holte, half mir, dem ruhelosen Herumwälzen im Bett ein Ende zu bereiten. Nein, es ging nicht ohne Ryan. Ich schwor mir, einen Weg zurück in sein Herz zu finden – egal wie.

 

***

 

Am Set erlebte ich zu meiner Überraschung einen abwesenden Ryan. Statt ihn, sah ich einige seiner Kollegen um einen Anweisungen gebenden Ed herum stehen. Nichts um sie herum schien sie zu interessieren. Ed spielte mithilfe seiner klaren Körpersprache seine Macht über die jungen Männer und eine Frau aus, ohne dabei arrogant zu wirken. Von ihm könnte Rodney Chimney sicher einiges lernen, schoss es mir durch den Kopf. Viel Zeit zum Nachdenken, was mit Ryan los war und erst recht, um Ed zu fragen, wo er blieb, hatte ich nicht. Der Regisseur, ein untersetzter Mann mit wasserstoffblondem Igelhaarschnitt, klopfte mir auf die Schulter. „Bitte zum Set in Halle 2, wir drehen heute zwei Szenen.“

Eine Szene würde mit Körpereinsatz sein, für die ich gern von Ryan ein paar Tricks und Kniffe gehabt hätte. Ja, er könnte mir durchaus einiges beibringen. Immer mehr kam ich zu der Überzeugung, einige meiner bisher von besagter Stuntfrau gespielten Szenen selbst zu drehen. Doch dazu fehlte mir die Übung. Das brachte mich auf die Idee, Ryan wieder auf mein Boot zu holen. Er würde mir das nötige Rüstzeug für leichtere Stunts vermitteln. Jap, das war es und Ed würde mir sicher dabei helfen. Voller Vorfreude ging ich zur Halle – geschminkt und eingekleidet war ich bereits – um die nächste Szene in den Kasten zu bringen. Der Regisseur und sein Assistent waren von der Leistung aller daran Beteiligten begeistert. Zum Glück waren es Szenen ohne Simon, dafür aber mit Darren Hayes. Es handelte sich um Gespräche im fahrenden Wagen, ohne dass wir wirklich fuhren. Alles Trick. Der Hintergrund würde später so eingefügt werden, dass kein Zuschauer bemerkte, dass es sich bei dem Wagen um eine Attrappe handelte.

Nachdem wir zwei Stunden gebraucht hatten, ging ich zur Mittagspause, setzte mich sofort zu Ed und seinen Leuten. Auch die Stuntfrau, eine Spanierin mit blond gefärbten Haaren, um mir zu ähneln, saß dabei. Sie war nett, genauso wie alle aus dem Stuntteam. Ryan war nicht darunter.

„Wo ist Ryan denn, ich muss ihm was sagen.“

„Der wird diese Woche wahrscheinlich nicht mehr für dich erreichbar sein“, sagte Ed, was mir einen Stich versetzte. Hatte er etwa gekündigt oder war er wegen seines Ausrutschers gar entlassen worden? Chimney traute ich alles zu, außer etwas Nettem. Ed schien mir meine Angst aus den Augen zu lesen.

„Er ist für heute und morgen krankgeschrieben. Es scheint ihn mächtig erwischt zu haben. Eine Erkältung, meine ich damit.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu, denn den Schnack konnte man auch anders auslegen. „Die anderen Tage haben wir dann außerhalb Stunts zu erledigen. Er wird dir diese Woche sicher nicht mehr über den Weg laufen.“

„Ach.“

Den Mund verziehend richtete ich meinen Blick in den bunten Salat mit Hähnchenteilen. Meine Enttäuschung dürfte dabei keinem der Anwesenden entgangen sein, was ein kräftiges Rot auf meinen Wangen auslöste. So heiß, wie meine Backen sich anfühlten, mussten sie glühen wie der sprichwörtliche Feuerlöscher. Niemand in der Runde nahm es mir übel, zumindest sprach niemand darüber. Diskret hüllten meine Kollegen den Mantel des Schweigens über die Sache, doch sah ich ihnen an, dass sie über mein Verhältnis zu Ryan wohl Bescheid wussten. Und nicht nur das, ich war mir sicher, dass sie auch wussten, was zwischen ihm und Tina vorgefallen war. Sie spazierte hocherhobenen Hauptes an unserem Tisch vorbei, bedachte mich mit einem arroganten Blick. „Du hast Ryan ganz schön zugesetzt. Er hat was Besseres verdient“, zischte sie mir zu, als sie abrupt stehen blieb und sich zu mir hinab beugte.

„Komm, geh weiter und lass mich in Frieden. Verspritz dein Gift woanders“, riet ich ihr, obwohl es in mir brodelte.

Die Anwesenheit der anderen Leute hielt mich davon ab, mein gutes Benehmen zu vergessen und Tina das Tablett aus der Hand zu schlagen. Sie würde sich sicher gut machen mit Tomatensuppe im Gesicht. Diese ruhte in einer Schüssel neben einem Körbchen mit zwei runden Brötchen. In meiner Vorstellung starrte sie mich böse an, über und über mit Tomatensuppe und Stückchen besudelt, während um uns herum Gelächter ausbrach. „Nichts lieber als das. Mehr als die Drehzeit möchte ich mich ohnehin nicht mit euch abgeben.“

Mit diesen Worten bedachte sie die Stuntleute, ehe sie ein letztes Mal mich anblitzte und ihren Weg fortsetzte. Ich sah, wie sie sich zu Charly McKinnon, der den dicken Mechaniker Pete in der Serie spielte, und Darren setzte. Simon Sparrow war noch mitten bei Dreharbeiten zu einer Rennszene gegen seinen Serien-Widersacher. Sie würden später nachträglich essen. „Die ist echt unmöglich, Mann“, lachte Fernanda, die Stuntfrau mit starkem spanischem Akzent. „So ist sie immer. Ich nehme das nicht mehr für voll“, meinte Ed. „Es ist Chimneys Ding, mit ihr klarzukommen und die des Regisseurs, nicht meine. Zum Glück.“

Der Rest des Tages und auch der nächste verliefen ruhig. In meiner Rolle ging ich auf, was mich glücklich machte. Jeder Dialog ging mir von der Hand und außer einem Dreh am Lagerfeuer, war alles leicht. Beim Lagerfeuerdreh musste ich Simon küssen. Ihm schien es zu gefallen, er wollte mich gar nicht mehr loslassen. Ich musste ihn wegdrücken, um mich aus seinen Händen zu befreien. Dann kam Darrens Part, der mich glaubhaft von ihm löste.

„Nimm deine Dreckspfoten von meiner Freundin“, keifte er ihn in seiner Rolle an.

„Ha, wollen wir doch mal sehen, wie lange sie noch die deine ist. Ich bin der neue König der Straße. Du hast deine Karre verloren, schon vergessen?“

„Mein Auto mag ich verloren haben, aber nicht meine Ehre. Warte ab!“

„Cut“, ertönte es, als der Rivale von dannen ging, abgeholt vom Bruder in der Serie, gespielt von einem Newcomer mit rotblonden Haaren. Frisch von der Filmhochschule, machte der Junge seine Sache mehr als gut, wie ich fand.

Bis zum Wochenende, genauer gesagt, bis Samstag, sah ich Ryan nicht mehr. Dass ich die Jacke bei mir hatte, schien er nicht zu ahnen, oder aber es war ihm egal. Ein Umstand, der mich traurig machte. Bis zuletzt hatte ich geglaubt, er würde sich noch mal bei mir melden. Nicht zuletzt, weil ich seine Rechnung übernommen hatte für den Schaden, den er in der Bar verursacht hatte. Insgeheim hätte ich erwartet, dass er mich wutschnaubend überfiel, um darauf eng ineinander verkeilt Sex mit mir zu haben. Ich verzehrte mich danach, nichts ahnend nach Hause zu kommen und ihn sexy angelehnt an der Haustür stehen zu sehen. Wie er mich mit bitterbösem Blick anstarrte, grimmig die Mundwinkel verzogen. Voller Hitze und mit Lust in seinem brennenden Blick. Herrgott, was für verrückte Gedanken. Nie zuvor war mir so etwas in den Sinn gekommen, schon gar nicht bei Dax. Jetzt erst wurde mir klar, wie nichtssagend unsere Beziehung gewesen war, sie hatte lediglich in unseren Köpfen und völlig starr existiert. Zum Glück war das vorbei. Nichts und niemand würde mich zu Dax zurückbringen.

Doch zu Hause erwartete mich einzig meine liebe Katze, die miauend um Futter bettelte. Die anderen Tage hatte Ken sie gefüttert, doch der war seit heute Morgen unterwegs. Ein Strandrestaurant hatte ihn und seinen besten Freund Marty als Gitarristen für ein mehrstündiges Konzert gebucht. Wie ich ihn kannte, würde er sich eine Frau für die Nacht suchen und bei ihr übernachten. Ich gönnte ihm sein freies Leben. Jeder wie er mochte, obgleich es für mich nicht in Frage käme. Da war mir eine liebevolle monogame Beziehung lieber, und zwar mit Ryan. Nachdem ich Kitty-Cat gefüttert hatte, packte ich eine kleine Tasche und fuhr rüber zu Mallory, gespannt, was sie für den Abend geplant hatte. Obwohl ich mich auf den Mädelsabend sehr freute, ging mir Ryan nicht aus dem Kopf. Er kam mir wie vom Erdboden verschluckt vor, weil ich ihn auf dem Set nicht sah wegen seiner Stuntaufnahmen außerhalb des Studios. Ein Mensch, der genauso fix aus meinem Leben verschwunden war, wie er in ihm erschienen war. Ohne es bewusst wahrgenommen zu haben, hatte ich seine Lederjacke mitgenommen. Sie lag auf dem Beifahrersitz, sodass ich sie jederzeit im Blickfeld hatte. „Wie schnell man sich auf einen Menschen einschießen kann“, raunte ich und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.

Wenn Ryan vor meinem geistigen Auge auftauchte, flatterten die Schmetterlinge wie verrückt in meinem Magen. Verdammt, das musste aufhören, machte mich fix und fertig. Zum Glück schaffte es Mallory mit ihrer liebevoll strengen Art, mich aus meinen Gedanken reißen und mich auf sie zu konzentrieren. Begeistern konnte mich ihr Vorhaben für den Abend und die Nacht nicht gerade.

„Du meinst, wir müssen schon wieder reiten?“

„Genau das heißt es. Wir schnappen uns die Pferde und reiten hoch zur Hütte, wo wir ein Lagerfeuer machen und die Nacht verbringen.“

Na das konnte ja heiter werden. Weil ich wusste, dass es bei ihr nichts brachte, Widerworte in den Raum zu werfen, zog ich mit. Mit Mallory würde der Ausflug aus dem Alltag unvergesslich werden – so wie immer mit meiner besten Freundin. Gemeinsam packten wir etwas Proviant zusammen, das sie vom Markt mitgebracht hatte oder aus dem Garten. Gemüse und Obst pflanzten sie hier biologisch selbst an. Dann gingen wir zu den Pferden und ich blieb nicht verschont, mein Pferd selbst zu satteln. Zum Glück blieb der Wallach ruhig, war mit mir nachsichtig, wenn ich einen Fehler machte. „O Mann, hätte nicht gedacht, nach so kurzer Zeit wieder im Sattel zu sitzen.“

Mit deutlicher Unsicherheit in der Stimme schwang ich mich auf den braunen Gulliver, ein ausgedientes Polizeipferd.

„Keine Angst, der Gulliver ist die Ruhe selbst, eine Seele von einem Pferd. Zuletzt hat er einem Polizisten gehört, der Routineritte gemacht hat. Als er aufhören musste wegen seiner Bandscheibe, gönnte er auch ihm seine wohlverdiente Rente.“

„Wie alt ist er denn?“

Ich tätschelte seinen Hals.

„Neunzehn. Und du kannst dir sicher sein, dass er brav wie ein Lamm ist. Dafür bürge ich.“

Mallory grinste mich mit einem breiten Lächeln an. Sie packte Marshmallows und Spieße in die rechte Satteltasche ihres Pferdes. Ihre gescheckte Stute war ihr eigenes Pferd, das sie mit niemandem teilte. „So, jetzt haben wir alles und können aufbrechen.“

Ich beobachtete sie dabei, wie sie elegant aufstieg. Fast wie ein Cowboy. Sie hatte mir einiges voraus und kurz kam so etwas wie Eifersucht in mir auf. Unweigerlich bauten sich Szenen einer wilden Verfolgungsjagd zu Pferd in mir auf. Ich ritt in atemberaubendem Tempo einem Mann auf einem schwarzen Hengst nach. Ohne Sattel ritt er, dessen lange schwarze Haare wie ein Schleier hinter ihm wehten. Beim zweiten Blick erkannte ich, dass er nicht mehr als einen Lendenschutz trug, sein gestählter Körper war bedeckt mit bunten Malereien. Ein Indianer. Es war Ryan. „Hey Cathy, wo bleibst du denn?“

Eine Stimme weckte mich aus meinen Gedanken, ließ mich erröten. Als ich aufsah, erkannte ich Mallory, die sich bereits einige Meter von mir entfernt hatte. Brav stand Gulliver, wie hingegossen und mit leicht hängendem Kopf auf einer Stelle – Mallory hatte nicht zu viel versprochen. Ein Umstand, der mir Sicherheit brachte. Schnalzend brachte ich das Pferd in Bewegung und zügelte es im Schritt zu Mallory, die angehalten hatte. Auf eine Hand am Po des Pferdes aufgestützt, drehte sie sich zu mir um.

„Das klappt ja wunderbar mit dir. Ist in Sachen Reiten wohl doch noch nicht Hopfen und Malz verloren. Wovon hast du denn eben geträumt? Doch nicht etwa von diesem Kerl, der dir den Kopf verdreht hat. Oder?“

„Ach nein, ich hab an was anderes gedacht.“

„Reden wir oben in der Hütte. Auf geht’s.“

Sie trieb ihr Pferd an und ritt es mit nahezu unsichtbaren Hilfen von der breiten Straße weg einen Pfad entlang. Ich ritt ihr hinterher, traute mich sogar, in den Trab zu fallen. Zuerst war es anstrengend, aber als ich den Dreh raus hatte, wurde ich sicherer. Das Reiten begann, mir Freude zu bereiten. Auf dem Weg zur Hütte, der rund eine Stunde dauerte, wagte ich es sogar, einige Meter im Galopp zurückzulegen. „Alles eine Sache des Trainings“, sagte Mallory neben mir. Sie passte auf, dass nichts passierte, ich sicher im Sattel blieb. Gullivers ausgesprochene Gelassenheit machte mich sicher. Schnell fühlte ich mich auf seinem Rücken geborgen. Beim Reiten kam mir wieder die Gedankenspielerei von Ryan als Häuptling auf dem Schwarzen in den Sinn. Ob er überhaupt reiten konnte oder nur noch im Blute Indianer war? Die modernen Indianer lebten ein banales Leben, wie alle anderen Menschen auch. Lebten weder in Tipis, noch führten sie irgendwelche Stammeskämpfe aus oder ritten zur Jagd. Der moderne Indianer wohnte in kleinen Häusern, sah fern und fuhr Moped. Den Ur-Indianer gab es zu Showzwecken, was mich traurig stimmte. Moderne Menschen hatten sie in ihr Raster gezwängt und ihnen ihr altes, selbstbestimmtes Leben brutal entrissen. Nun mussten sie sich in Reservaten anpassen. Taten sie es nicht, gingen sie unter im Moloch der Moderne. Ehe ich es mich versah, erreichte mich Mallory mit ihrer markanten Stimme. Sie zeigte auf einen kleinen Hügel, auf dem eine Hütte stand. „Wir sind gleich da. Du sattelst die Pferde ab und ich bereite dafür das Abendessen vor.“

Sie zwinkerte mir zu.

„Das ist wunderschön hier“, sagte ich.

Mallorys way of life halt. Weil du es bist, kannst du gern mit deinem Schatz herkommen. Musst halt nur Bescheid sagen, damit ich alles vorbereiten kann. Als Indianer sollten ihm Pferde nicht fremd sein.“

„Er fährt Motorrad. Ich glaube kaum, dass er sich für etwas anderes als Feuerrösser interessiert.“

„Keine Ausreden! Aber darüber reden wir gleich.“

Mallory fuhr mir über den Mund, den ich willig hielt. Klar und deutlich war unsere Kommunikation und ihr war ich nicht mal böse, ob ihrer ganz eigenen Art. Jeden anderen Menschen hätte ich als bevormundenden Idioten angemacht und meiner Seite verwiesen. Sie meinte es gut mit mir.

Oben bei der Hütte angekommen, kümmerte ich mich wie abgemacht um die Pferde und Mallory um unser leibliches Wohl. Inzwischen machten mir die Pferde weder unter mir noch neben mir Angst. Respekt behielt ich dennoch, besonders vor den Hufen. „Das duftet aber gut.“

Schnuppernd reckte ich meinen Hals. Schnell verband ich den Halfter von Gulliver mit dem Strick, der zwischen zwei Bäumen gespannt war, dann setzte ich mich zu Mallory.

Neben einigen zu einem Kreis geschichteten Steinen saß sie auf einer kleinen Bank und fachte das Feuer an. In der offenen Kühltasche erkannte ich Steak und Würstchen. „Alles Bio!“

Natürlich, was anderes kam Mallory nicht unter. Extra für mich hatte sie es von einem befreundeten Hof mitgebracht und für sich Vegetarisches. Allerlei Gemüse war in der Tasche verstaut.

„Bis das Feuer bereit ist, lass uns reden. Was bedrückt dich?.“

Noch mal umriss ich, was mir auf dem Herzen lag. „Ich weiß nicht, wie ich auf Ryan zugehen soll.“

„Einfach ansprechen und ihm sagen, was Sache ist.“

„Für dich ist immer alles einfach.“

„Na ja, es ist das Normalste auf der Welt, Missverständnisse aus der Welt zu räumen. Und wenn du ihn diese Woche nicht mehr gesehen hast, umso besser, dann können wir planen.“

„Er hat sich bei mir nicht bedankt.“

„Ihm scheint es schlecht zu gehen, Cathy. Wie dir. Er traut sich nicht, dich anzusprechen, weil er sich vor der Wahrheit fürchtet. Für ihn sah es eindeutig aus, wie du mit diesem anderen Schauspieler angebandelt hast. Aber wie ich schon öfter sagte, sind die Dinge meist ganz anders, als es ausschaut. Die Leute denken sich ihren Teil, trauen sich aber nicht, etwas richtigzustellen.“

„Ryan vertraut mir nicht“, sagte ich, traurig den Blick ins Feuer senkend.

Inzwischen war die Sonne untergegangen. Sanft wiegten die Äste der nahen Bäume im Wind und hin und wieder schnaubte eines der Pferde zufrieden. Die Luft war klar und kühl, jedoch nicht so, dass ich fror. Mallory hatte vorgesorgt und eine karierte Decke aus der Hütte geholt, die über unseren Beinen lag. „Wie soll er dir auch vertrauen, wenn ihr euch kaum kennt? Und dann deine Art.“

„Meine Art?“

Perplex sah ich sie an.

„Du weißt, wie impulsiv du sein kannst. Sprunghaft. Mal lieb, dann wieder ein kleines Biest. Wenn man dich kennt, kann man damit umgehen, aber derjenige, der dich schlecht kennt, schließt falsche Züge aus deinem Verhalten.“

„Ich weiß, deshalb finden mich viele Leute seltsam.“

„Das muss aber nicht sein. Schau Ken an, der weiß sich zu helfen. Du stehst zu stark unter der Fuchtel deiner missratenen Familie.“

Ohne etwas zu erwidern, ging ich in mich und wusste, dass es stimmte. „Dauernd machen sie es dir bewusst und unterschwellig ein schlechtes Gewissen.“

„Das stimmt, aber was hat das mit Ryan zu tun?“

„Viel!“

„Sag es doch einfach.“

Nervös und leicht genervt schnupperte ich den Geruch der Kohlen ein. Als mich ein Schwall Rauch traf, hustete ich.

Ohne etwas zu sagen, holte Mallory Fleisch und Tofuburger heraus, um sie auf die Roste zu legen. Sie gab mir Zeit, mir selbst zu denken, warum ich unter dem schlechten Einfluss meiner Familie handelte. Unterbewusst. „Immerhin hab ich mich von Dax gelöst“, sagte ich.

„Ein guter Anfang. Wirklich, ich bin stolz, dass du das geschafft hast. Jetzt musst du dir nur noch einen Ruck geben und deinem Vater sagen, wie du für dich und dein Leben einstehst. Es geht ihn einen feuchten Schiss an, was du aus deinem Leben machst. Der merkt ja nicht mal, dass dieser Dax nur hinter Ruhm und Ehre her ist.“

„Wenn es um Geld und Luxus geht, ist meinem Vater eh alles egal. Er ist ein Mensch ohne Empathie. Wahrscheinlich wäre er nicht mal traurig, wenn meine Mutter stirbt.“

„Mal bitte den Teufel nicht an die Wand.“

„Es ist, wie es ist“, sagte ich und mein Hunger war abrupt weg. „Es geht ihr seit Wochen schlecht, ständig klagt sie über Kopfschmerzen, wiegelt aber ab, wenn sie zum Arzt soll. Ihre esoterische Freundin legt ihr regelmäßig die Hand auf und spricht seltsame Sachen. Hm, ich habe kein gutes Gefühl.“

„Dann sorge dafür, dass sich Step by Step bei dir die Dinge regeln. Rede mit Ryan und schlepp deine Mutter zu einem richtigen Arzt. So geht das nicht weiter. Ich meine es nur gut.“

Tränen traten in meine Augen, mein Blick verschleierte sich. Meine Maske fiel. Die wahre Cathelyn kam zum Vorschein, eine schwache junge Frau.

„Komm her!“

Mallory drehte sich zu mir und umarmte mich. Eine Weile saßen wir wortlos da, hielten uns fest. Ich fühlte ihre Wärme, dankte ihr dafür, vorbehaltlos für mich da zu sein, indem mich mit einer Hand ihren Rücken auf und ab fuhr. Nach und nach fiel das Unbehagen von mir ab. Zurück blieb ein Schwall innerer Wärme. „Du befindest dich auf dem richtigen Weg, Süße und nun essen wir erst mal.“

Tatsächlich war das Steak dank enormer Hitze in dem Naturgrill fertig. Es mundete mit den gerösteten Paprika und Wurzelbier köstlich. Sämtliche negative Gedanken schwanden während des Mahls. Danach brieten wir in alter Tradition am Stock Marshmallows.

„Du wirst deinen Weg gehen, Cathy, davon bin ich überzeugt. Und wenn du Ryan gern hast, dann hol ihn dir, bevor es jemand anderes tut. Ich habe ein gutes Gefühl bei euch beiden, obwohl ich ihn nicht kenne.“

„Das will was heißen“, sagte ich. „Aber ich fürchte mich vor einer Aussprache.“

„Du hast dir nichts vorzuwerfen. Oder empfindest du etwa auch was für diesen anderen Schauspieler?“

„Simon?“

„Keine Ahnung, wie der heißt, aber ja.“

Fix schüttelte ich meinen Kopf. „Gott nein, wo denkst du hin?“

„Sorry, aber ich hab keinen Plan davon, wie dein Alltag am Set aussieht, beziehungsweise wie du mit den Menschen dort auskommst. Ebenso wenig weiß ich, wie die Jungs dort ausschauen und sich dir gegenüber verhalten.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752139785
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Liebesroman Lovestory Hollywood USA Spannung Stuntman Erotik

Autor

  • J. K. Mooning (Autor:in)

J. K. Mooning ist eine Autorin mit sonnigem Gemüt und der Liebe zu romantischen Geschichten, die in den USA spielen.