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Biu Tze - Die dritte Form des Lo Man Kam Wing Chun Systems

von Marc Debus (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Die dritte Form des Lo Man Kam Wing Chun Systems. Im Buch werden Geschichten rund um die Form, Anwendungen der Form und die Form in einer Bildfolge dargestellt. Die dritte und letzte Handform des Wing Chun Systems, wie Sifu Lo Man Kam, der Neffe des berühmten Ip Man sie lehrt, bei dem er langjähriger Schüler war.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



Vorwort

Mit dem hier vorliegenden Buch wird die Darstellung der Handformen des Wing Chun Systems abgeschlossen. Mittlerweile haben wir Überlegungen angestellt, die Bücher Siu Lim Tao, Cham Kiu und Biu Tze zu einem späteren Zeitpunkt in einem Sammelband erneut zu veröffentlichen und dabei weitere erklärende Darstellungen in das Buch einzufügen, um die Fragestellungen, die an uns herangetragen wurden, zu beantworten.

Des Weiteren bereiten wir im Augenblick das Buch zur Darstellung der Mok Jan Jong Form (Holzpuppe / Dummy) vor. In einigen Jahren hoffen wir die Buchreihe mit der Darstellung der Waffenformen (Langstock und Doppelmesser) abgeschlossen zu haben.

Nach Gesprächen mit Lesern, bzw. Schülern, die sich die vorangegangenen Bücher angeeignet haben, zeigt sich immer deutlicher, dass die Didaktik (Didaktik - Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens) durch Bücher niemals zu ersetzen ist. Sifu Lo Man Kam sagt immer wieder, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen den Schülern gibt, denen er beibringt das System zu Lehren und denen, die das System lernen wollen, ohne den Anspruch zu haben dieses weitergeben zu wollen. Sifu Lo Man Kam ist der Meinung, dass ein Lehrer neben der Lehrdidaktik, den begleitenden Übungen und der Reihenfolge des Lehrens in der Lage sein muss, sämtliche Fehler seiner Schüler zu sehen und korrigierend einzugreifen. Zusätzlich ist es unumgänglich die Übungen zu kennen, die dem Schüler helfen können seine Schwierigkeiten zu meistern.

Wir hoffen auch mit diesem Buch Schülern kleine Hilfen an die Hand geben zu können, die sie in ihrem Training weiterbringen. Wir wünschen allen Lesern viel Spaß beim Lesen und natürlich beim Trainieren des Wing Chun System.

Der Wing Chun Trainingsaufbau und Entwicklungsmöglichkeiten für Trainierende

Die Basis des gesamten Wing Chun Kung Fu Systems ist das Trainieren der Formen. Der Schüler erlernt hierbei die drei Handformen in der Reihenfolge, Siu Lim Tao, Cham Kiu und Biu Tze. Begleitend kann dazu schon das Training einzelner Sequenzen an der Holzpuppe begonnen werden, das dem Schüler vor allem das Gefühl für Distanz, Druck und Winkel zum Gegner vermittelt. Fortgeschrittene Schüler erlernen dann die Langstock- und die Doppelmesserform.

Neben dem Üben der Formen beginnt der Schüler die erlernten Bewegungen in Partnerübungen zu trainieren, auszuprobieren und zu festigen. Diese Übungen sind dem Leistungsstand der Schüler angepasst. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk daraufgelegt, dass der Schüler ein Gefühl für Distanzen, Winkel und Druckverhältnisse einer Bewegung entwickelt, bevor dazu übergegangen wird den Schüler eine Technik gegen „reale“, d.h. härter geführte Angriffe, üben zu lassen.

Jeder Wing Chun Schüler sollte bereits während des Erlernens der Siu Lim Tao mit der Gefühlsschulung beginnen. Dabei wird dem Trainierenden zuerst das Dan Chi (einarmiges Chi Sao) vermittelt. Der Lehrer sollte in Anbetracht der Trainingseffizienz darauf achten, dass hierbei nicht zwei Trainingsneulinge miteinander trainieren, sondern ein Schüler als Partner ausgewählt wird, der diese Übung bereits gut ausführen kann. Dies vereinfacht die Vermittlung und den Trainingseffekt bei einem Anfänger ungemein, da der ältere Mitschüler (Si Hing) seine Erfahrungen an den Neuling weitergeben kann und in der Lage ist, Bewegungsausführungen des Neulings zu korrigieren

Gorden Lu hilft Marc Debus mit gezielten Übungen

Nach dem Erlernen des Dan Chi (einarmiges Chi Sao) beginnen die Schüler eine weitere Übung der Gefühlsschulung, das „Rollen der Arme“ (Pon Sao) genannt wird. Diese Vorübung stellt die Basis für das später folgende Chi Sao Training dar.

Hierbei wird im Lo Man Kam Wing Chun System besonders darauf geachtet, dass die unerfahreneren Schüler zuerst mit einem Älteren, im Chi Sao erfahrenen Schüler, bzw. einem Trainer trainieren, der durch Trainingsabläufe des sogenannten „Guided Chi Sao“ (angeleitetes Chi Sao) Grundreaktionen weitervermittelt. Dadurch kann nach dem Pon Sao Training ein fortgeschrittener Schüler (bzw. Trainer) den Neuling in verschiedene Situationen im Chi Sao führen, in denen bestimmte Reaktionen erfolgen müssen. Hierbei gibt es ein Lehrsystem, nach dem ein Trainer den Schülern die wichtigsten Reaktionstechniken vermittelt, bevor im weiteren Trainingsverlauf das freie Chi Sao Training folgt. Mit dieser Lehrmethode sollen die Trainierenden so vorbereitet werden, dass ein Großteil möglicher Angriffe bereits durch das vorher Erlernte abgewehrt werden.

Im Verlauf des Trainings, spätestens aber mit dem Beginn des Übens der Cham Kiu Form, werden Schritttechniken, Lap Sao Übungen, Wendungen, Kicktechniken und Strategien von Angriff und Verteidigung an den Schüler vermittelt. Im Laufe der Zeit kann der Schüler dann bevorzugte eigene Wege und Strategien herausbilden, mit denen er Angriffe durch Kombination erlernter Bewegungsabläufe abwehren kann, um gleichzeitig in eine Position zu gelangen, aus der ein Gegenangriff möglich ist

Chi sao-Training mit Yan Tin San

Das heißt, dass der Schüler in einer Kampfsituation aus den erlernten Techniken diejenigen auswählt, die er am sichersten beherrscht und ihm somit die größte Chance bieten, den Kampf für sich zu entscheiden. Deshalb werden mögliche Angriffssituationen immer wieder trainiert, um im Ernstfall eine möglichst große Effizienz erzielen zu können. Man kann aus diesem Grund bei der Beobachtung eines Trainings von fortgeschrittenen Wing Chun Schülern häufig feststellen, dass gegen den gleichen Angriff verschiedene Techniken verwendet werden und andere Abschluss-, bzw. Contertechniken folgen. Trotzdem werden von allen Schülern Bewegungsabläufe verwendet, die aus dem Wing Chun System stammen. Dies zeigt, dass nur eine gezielte, individuelle Förderung der Schüler sie später in die Lage versetzen wird, in einem Kampf innovativ zu handeln und zu reagieren.

Diese Individualität zu fördern ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Trainers. Er sollte immer darauf Wert legen, die Stärken seiner Schüler zu fördern und sie dabei so zu unterstützen, dass die erlernten Techniken bestmöglich umgesetzt werden können. Er sollte diese individuellen Stärken immer weiter fördern, um jedem Einzelnen spezielle Strategien und Wege im Training aufzeigen zu können. Die Körpergröße eines Trainierenden kann hierbei bereits eine entscheidende Rolle für den Trainingsaufbau und die zu wählenden Techniken spielen. Große Schüler bedürfen anderer Techniken und Wege als kleine Schüler. Das Wing Chun System bietet die Möglichkeit, jeden Lernenden seine körperlichen und bewegungstechnischen Vorteile nutzen zu lassen, ohne sich an vorgegebene Bewegungsabläufe zur Abwehr bestimmter Angriffe halten zu müssen.

Marc und George in Taipeh

Hier sehe ich den größten Vorteil unseres Systems. Wing Chun ist so konzipiert, dass jeder „sein“ Wing Chun entwickeln kann. Trainer haben hierbei eine gleichsam schwierige Aufgabe zu meistern, da sie in der Lage sein müssen, verschiedene Abwehrmöglichkeiten aufzeigen zu können, auch wenn diese nicht zu denen von ihnen selbst „favorisierten“ Techniken zählen. Deshalb ist es ein großer Unterschied, ob man Wing Chun trainiert um bestmöglich verteidigungsfähig zu sein, oder ob man dieses zu unterrichten lernt, „how to teach“, wie Sifu Lo Man Kam immer sagt. Beides ist eine Herausforderung und ich bin froh, dass Sifu seinen Lehrern dabei hilft diese Aufgabe zu bewältigen

Training von Stand und Wendungen in den Formen

Beim Erlernen der Wing Chun Formen gibt es einen Aspekt, der von vielen Schülern, und leider auch Lehrern, vernachlässigt wird. Erlernt man die erste Form Siu Lim Tao (Die kleine Idee), genügt es nicht sich auf die Armbewegungen zu konzentrieren. Der Schüler sollte auch besonderes Augenmerk auf die korrekte Ausführung seines Standes legen.

Besonders wichtig ist hierbei die Spannung in den Oberschenkeln und im Hüft-Beckenbereich. Oft bemerkt man, dass Schüler während der Form leicht auf und ab wippen oder pendeln. Dies ist ein sicheres Zeichen, dass der Stand nicht stabil genug ist. Bevor der Schüler diese Stabilität nicht erlernt hat, sollte er keinesfalls mit dem Erlernen der zweiten Form beginnen.

Sifu Lo Man Kam nutzt während seines Trainings mit Schülern verschiedene Übungen zum Training der Muskulatur, um dem Schüler diese Stabilität des Standes zu ermöglichen. Unter anderem lässt er Schüler die Form auf einem Bein stehend üben, während sie das zweite Bein so nach vorne halten müssen, dass die Fußsohle von vorne zu sehen ist. Weiterhin gibt es Partnerübungen, die helfen den Stand zu stabilisieren. Die Übungen werden mit etwas Druck auf den Partner ausgeführt, um eine bessere Stabilität des Hüft-Beckenbereiches zu erzielen

Sifu Lo Man Kam in seiner Wohnung in Taipeh

Dies macht deutlich, dass beim Erlernen der Form nicht nur das Erlernen der Bewegungsabläufe wichtig ist. Positionen, Winkel und Stabilität stellen weitere, immens wichtige Elemente dar, ohne die das Trainieren der Form zu wenig Erfolg führen würde. Sifu Lo Man Kam hat mich diesbezüglich oft korrigiert und mir Fehler aufgezeigt, die ich selbst nicht zu sehen in der Lage war. Den Effekt dieser Korrekturen konnte ich dann oft im weiteren Verlauf meines Trainings sehen und „spüren“.

Langstocktraining in Taipei – Sifu Lo Man Kam mit Frank Kuhnecke

Fehler aufgezeigt, die ich selbst nicht zu sehen in der Lage war. Den Effekt dieser Korrekturen konnte ich dann oft im weiteren Verlauf meines Trainings sehen und „spüren“.

Wenn der Trainer überprüft hat, dass der Schüler die Stabilität des Standes erlernt hat, kann im Trainingsablauf fortgefahren werden. Im nun folgenden Training beginnt der Schüler Wendungen zu erlernen, die später für das Training der zweiten Form, Cham Kiu, benötigt werden. Hierbei wird im Lo Man Kam Wing Chun System so vorgegangen, dass die Schüler zuerst Wendungen mit ausgestreckten Armen trainieren, da dies die Wendungsbewegung durch die Rotationskräfte am besten unterstützt. Danach folgen Gan Sao Wendungen (Der obere Arm in Tan Sao Position, der untere in Gan Sao Position), dann Bong Sao- und Quan Sao Wendungen. Hat der Schüler diese erlernt und wendet richtig, d.h. die Füße stehen bei der Wendung parallel, der Oberkörper pendelt nicht über die Achse etc., beginnt das Training der zweiten Form.

Hierbei beginnt der Schüler, der die Wendungsübungen durchlaufen hat, mit der Wendung aus der ersten Sektion, bei der sich beide Arme in Lan Sao Position befinden. Diese Wendung unterscheidet sich von den vorherigen, da nun der Körper über einen Radius von 180 Grad gewendet wird. Das erklärt warum im Vorfeld die Wendungen geübt werden müssen, die einen Radius von 45 Grad abdecken, da sie die logische Vorübung der 180 Grad Wendungen darstellen.

Sifu erklärt den Schülern, dass die Bewegung der Hüfte jede Körperwendung einleitet. Man merkt dabei schnell, ob man die Kraft in der Hüfte ausreichend trainiert hat, da dies entscheidend für die Geschwindigkeit und Effizienz der Wendung ist. Nach langen Einheiten dieser Wendungsübung berichten die meisten Praktizierenden von Muskelkater im unteren Torso Bereich.

Zum Üben der Wendungen gibt es wiederum verschiedene Übungen, die dem Schüler helfen die Bewegungseffizienz zu verbessern. Eine dieser Übungen ist der Stich mit dem Langstock aus der ersten Sektion der Langstockform. Eine weitere Übung mit dem Langstock ist Tan Kwun und Cham Kwun in stetigem Wechsel mit Hüftdrehung. Beide Übungen trainieren die Muskeln, die für die Wendung notwendig sind. Außerdem kann man mit Hilfe eines kurzen Stockes, den man auf die Schultern auflegt so genannte Rumpfdrehungen üben, die einen ähnlichen Trainingseffekt erzielen. Es ist wichtig diese Aspekte der ersten beiden Formen in diesem Buch zur Biu Tze Form noch einmal genauestens anzuführen, da sie die Grundvoraussetzungen zum Erlernen der dritten Form darstellen

Training von Stand und Wendungen sind also unabdinglich beim Erlernen der Formen. Man sollte frühzeitig Augenmerk darauf legen und sich immer wieder selbst kontrollieren und außerdem begleitend Übungen machen, die den Trainingserfolg unterstützen.

Marc Debus, Andreas Zerndt, Lee Wai Chi, Chan Wei Hong, Yip Ching, Samuel Lau, Frank Kuhnecke, Clarissa Muzammil

Sifu Lo Man Kam betont, dass sein Onkel und Lehrer Yip Man diese Trainingsweisen ebenfalls verwendet hat. Auch andere mir bekannte Yip Man Schüler unterrichten Übungen und Formen, die ich von meinem Training mit Lo Man Kam kenne, in der gleichen Reihenfolge und somit ebenfalls die Lehre repräsentieren, die Yip Man in seiner Schule angewendet hat.

Man kann bei diesen Schülern Yip Mans auch bei den Zusatzübungen des Systems viele Parallelen feststellen. Dies zeigt uns, dass es bei Yip Man eine feste Trainingsdidaktik im System gab. Diese Trainingsdidaktik hat er an einige seiner Schüler weitergegeben, vor allem an jene die mit seinem Einverständnis eigene Schulen eröffnet hatten und eigene Schüler unterrichteten.

Biu Tze - Die dritte Form des Wing Chun Systems

Wie bereits beschrieben wurde folgt im Wing Chun System nach dem Erlernen der ersten beiden Formen „Siu Lim Tao“ (Die kleine Idee) und „Cham Kiu“ (Suchen der Brücke) die dritte Form „Biu Tze“ (gerade vorstoßende Finger)

Cap chang aus der Biu Tze Form

In dieser Form gibt es verschiedene Bewegungsabläufe, die im System vorher nicht zu finden sind. Als erstes ist hierbei der Ellenbogenschlag („Cap Chang“ – von oben nach unten schlagender Ellenbogen) zu nennen. Nicht nur der Schlag an sich, sondern auch die extreme Körperdrehung und der leicht eingekrümmte Rücken sind für den Wing Chun lernenden Schüler neu. Deshalb ist es so wichtig, die Wendungen der vorherigen Form zu beherrschen, um die hier folgende Wendung erlernen zu können.

Auch für die Biu Tze Form gibt es im Lo Man Kam Wing Chun System verschiedene Vorübungen, um die Schüler auf diese schwierigen Bewegungsneuerungen und Erweiterungen in der Form vorzubereiten. Bereits im vorhergehenden Abschnitt wurden die Wendungsübungen erläutert, die das Erlernen der Formen erleichtern. Als weitere Vorübung für die dritte Form dient z.B. eine Wendeübung, die in einem sehr tiefen Stand ausgeführt wird, der in anderen Kung Fu Stilen als „Mabu“ (Reiterstand), bezeichnet wird. Aus diesem Stand werden Faustschläge nach links, vorne und rechts ausgeführt und dabei der Oberkörper über die Rotation der Wirbelsäule ausgewendet. Der Stand wird dabei nicht verändert und die Beine bewegen sich nicht, so dass der untere Teil des Körpers (Hüfte, Beine) für die Ausführung nicht benutzt wird.

Diese Vorübung soll den Schülern helfen, den Körper durch die Wendung so weit zu drehen, dass der Ellenbogenschlag „Cap Chan“ auf der Zentrallinie auf einer geraden Linie von oben nach unten geführt werden kann. Um dies zu erreichen ist es notwendig, nach der Wendung der Hüfte durch eine zusätzliche Wirbelsäulenrotation den Oberkörper ein Stück weiter zu drehen. Die Vorübung trainiert diese Fähigkeit und erleichtert dem Schüler später das Erlernen der Bewegung innerhalb der Form

Fingerstich aus der ersten Sktion der Biu Tze Form

Eine weitere Neuerung der Biu Tze Form ist der Zirkelschritt, der in der ersten Sektion der Form mehrmals wiederholt wird. Dieser Schritt kann während eines Kampfes auf verschiedene Weisen genutzt werden. Vor allem benutzt man den Schritt im Nahkampf um das Bein so umzupositionieren, dass man den Gegner zu Boden werfen kann. Diese Fußbewegung ist also insbesondere für Wurftechniken wichtig. Von meinen älteren Kung Fu Bruder Gorden Lu habe ich außerdem gelernt, dass man durch diese Zirkelbewegung Schritte einleiten kann, mit denen es möglich ist große Distanzen zu überbrücken.

Bei genauerer Betrachtung der Biu Tze Form fällt auf, dass viele Bewegungen nicht mehr auf der Zentrallinie des Übenden ausgeführt werden. Oftmals ist die Schlagrichtung nicht mehr wie gewohnt auf der Zentrallinie, sondern der Übende findet nun auch Schläge, die links und rechts der Zentrallinie verlaufen. Dies ist der grundlegendste Unterschied zu den vorhergehenden Formen, widerspricht aber nicht den Wing Chun Prinzipien wie oftmals behauptet wird. Der Schüler lernt hierbei, dass er sich mit seinen Armen auch verteidigen kann, wenn er noch nicht die Möglichkeit hatte den gesamten Körper auf den Gegner auszurichten.

Gleichzeitig ist es möglich durch diese Schläge die nötige Distanz zu schaffen, um die ideale Ausrichtung auf seinen Gegner gewinnen zu können. Somit lehrt die dritte Form auch, seine Idealposition im Kampf zurückzuerlangen.

Wie auch schon die ersten Formen des Systems ist die Biu Tze Form in drei Sektionen unterteilt, die verschiedene, grundlegende Ideen trainieren. In der Biu Tze Form sind folgende Ideen den drei Sektionen zu Grunde gelegt:

  • Die erste Sektion lehrt Schulterkraft und Wendungen zu kombinieren.

  • Die zweite Sektion zeigt die Kampfdistanzen des Systems auf.

  • Die dritte Sektion trainiert Wendungen mit explosiver Kraft zu kombinieren.

Gorden erklärt dies in seinen Ausführungen später noch einmal genauer.

Privatunterricht in Taipeh 2006

Eine sehr blumige Erläuterung der Biu Tze Form habe ich vor einigen Jahren von dem mit uns befreundeten Meister Wang Kiu (gest. 13.05.2009) bekommen, der ebenfalls von Yip Man gelernt hat.

Als er mir, Frank Kuhnecke, Olaf Buschke und Andreas Zerndt in einigen Privatstunden seine Biu Tze Form erläuterte und lehrte, erzählte er uns, dass diese Form seiner Meinung nach aus dem „White Crane Kung Fu“ (Weißer Kranich Kung Fu) stammen würde. Dies könne man anhand der enthaltenen Bewegungen schließen. Er beschrieb uns, dass man den Tagesablauf des Kranichs in der Form sehen könnte.

Die Form beginne damit, dass der Kranich erwache, und den Kopf strecke (die ersten Fingerstiche), danach die Flügel dehne (die Cap Chang Bewegungen der Form) um danach seine Flügel auszuschütteln (2 Sektion der Form). Dann würde der Kranich nach Futter schnappen (Fingerstiche), bis er schließlich die Flügel weite um davon zu fliegen (letzte Bewegungen der Biu Tze Form).

Sifu Lo Man Kam zeigt eine Biu Tze Technik

In wie weit diese Geschichte so innerhalb der Yip Man Kung Fu Linie an alle weitergegeben wurde, oder es sich dabei nur um eine Interpretation Wang Kius handelte, vermag ich nicht zu sagen. In dieser Form habe ich sie bisher lediglich von Wang Kiu Sifu gehört. Unbestreitbar erscheint mir allerdings die Tatsache, dass diese Geschichte hilfreich für Schüler sein kann, um sich den Ablauf der Form schneller und besser einzuprägen

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783946922087
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (März)
Schlagworte
Wing Chun Dritte Form Biu Tze Wing Tsun Chinesisches Kung Fu Lo Man Kam Ip Man Kung Fu Yip Man Gorden Lu

Autor

  • Marc Debus (Autor:in)

Marc Debus ist gelernter Sonderpädagoge, Verleger und Journalist. Er lernte Wing Chun Kung Fu unter Lo Man Kam, dem Neffen von Ip Man. Er wurde von diesem mit der traditionellen Teezeremonie in die Familie aufgenommen und hat das System unter Lo Man Kam vollständig gelernt. Er ist Vizepräsident der European Lo Man Kam Wing Chun Association.
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Titel: Biu Tze - Die dritte Form des Lo Man Kam Wing Chun Systems