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Kein braves Mädchen

von Mara Waldhoven (Autor:in)
180 Seiten
Reihe: Kein braves Mädchen, Band 1

Zusammenfassung

"Ich lasse mich auf sein Spiel ein, ein Spiel, bei dem er allein die Regeln bestimmt. Aber nur am Anfang, denn brav war einmal und ich lerne schnell ..."

Eva:
Ich war immer ein braves Mädchen und das wollte ich jetzt nicht so plötzlich ändern. Aber nun sitze ich nackt in einer fremden Badewanne und dieser eingebildete und rotzfreche Kerl, dem sie gehört, wartet anscheinend darauf, dass ich endlich meinen Job erledige. Er hält mich für eine Dame mit ganz speziellen Fähigkeiten, ein "Willkommensgeschenk" seiner Geschäftspartner. Was für ein Albtraum! Wie konnte ich nur so dumm sein und mich auf diese verrückte Wette einlassen!
Das hab ich nun davon ... Alexander Crover … allein der Klang seines Namens entlockt mir ein sehnsüchtiges Seufzen, obwohl ich normalerweise nicht auf heiße Typen mit kaum bis gar nicht vorhandener sozialer Reife stehe. Ich werde diesen Mann nie mehr aus meinem Kopf bekommen, was aber wirklich besser für mich wäre. Denn er hat ein Geheimnis, eine dunkle Seite, von der ich mich lieber fernhalten sollte.


Die erste Begegnung zwischen der impulsiven Eventplanerin und dem sexy Clubbesitzer steht unter keinem guten Stern und hätte das Leben nicht eine Schwäche für verrückte Zufälle, würden sie sich vermutlich nie wiedersehen. Alex hält sich für ein Gottesgeschenk an die Frauen, er kann sie alle haben ... dessen ist er sich sicher. Eva ist keine Frau, mit der er eine Nacht verbringen würde, etwas zu verklemmt für seinen Geschmack, zumindest auf den ersten Blick. Ihr zweiter Blick geht ihm jedoch ziemlich unter die Haut.
Die besten Voraussetzungen für ein spannendes und erregendes Spiel ...


Ein frecher und sinnlicher Liebesroman mit erotischen Szenen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


IMPRESSUM

Mara Waldhoven

c/o F. Olz

Kirchwegsiedlung 26

3484 Grafenwörth

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Deutsche Erstausgabe
März 2018

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Covergestaltung unter Verwendung eines Bildes von ©sakkmesterke/fotolia.com

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Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sowie die Übersetzung des Werkes sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung der Autorin. Dies gilt ebenfalls für das Recht der mechanischen, elektronischen und fotografischen Vervielfältigung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Handlung und die handelnden Personen, sowie deren Namen, sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden bzw. realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt

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Kapitel 1

„Sei ein braves Mädchen und komm jetzt endlich aus dem Wasser.“ Abwartend steht er mit einem Handtuch in der Hand vor mir. Ich denke nicht daran, aus der Wanne zu steigen! Garantiert nicht, solange er mich so unverschämt anstarrt.

„Erst wenn Sie verschwinden“, pfauche ich, obwohl ich wirklich nicht in der Position bin, aufmüpfig zu sein. Er ist groß und kräftig und steht direkt neben der Tür. Selbst wenn ich es schaffen würde, in Sekundenschnelle aus der Badewanne zu springen und mir etwas überzuwerfen, lässt der mich garantiert nicht vorbei. In seinem Blick lauert etwas, das mich ziemlich beunruhigt und mir genau sagt, dass er sich von mir nicht austricksen lässt.

Er zieht spöttisch die Augenbrauen in die Höhe. „Du bist die verklemmteste Nutte, die ich je getroffen habe“, murmelt er und mir bleibt das Herz stehen. Der hält mich tatsächlich für eine Prostituierte. Ich atme ein paar Mal tief durch, um mich zu beruhigen, ich bin nahe einer Herzattacke.

„Noch einmal: Wer hat dich geschickt und wer hat dir den Schlüssel zu meiner Wohnung besorgt?“, fragt er mit gefährlich ruhiger Stimme und lehnt dabei betont lässig am Badezimmerschrank. Der denkt nicht daran zu verschwinden und ich sitze hier in dieser himmlischen Badewanne mit Massagedüsen und bekomme langsam Schwimmhäute.

„Ich bin die Putzfrau“, erkläre ich erneut und er fängt schallend zu lachen an. Vermutlich aus Verzweiflung, weil ich immer wieder dasselbe antworte.

„Die Putzfrau, ja klar! Schau ich echt so blöd aus?“

Nur schwer beruhigt er sich wieder und das laute, übermütige Lachen wird leiser, rauchiger, tiefer …Langsam bräuchte ich keine Düsen mehr, um das Badewasser zum Blubbern zu bringen.

„Schwing dich jetzt endlich da raus, ich komme garantiert nicht zu dir in die Wanne, hab gerade überhaupt keine Lust auf Sex im Wasser.“ Er bemüht sich sichtlich, wieder ernst dreinzuschauen. Es gelingt ihm aber nicht ganz, da sitzt noch ein freches Funkeln in seinen Augenwinkeln. Bevor ich irgendetwas Böses erwidern kann, dreht er sich um und geht aus dem Badezimmer, endlich!

Kurz warte ich, ob er nicht doch zurückkommt, und dann nichts wie raus! Ich trockne mich ab und schlüpfe in meine Kleidung. Dann schau ich noch schnell in den Spiegel und sehe darin eine Irre mit blonden, zu einem schlampigen Zopf gebundenen Haaren und rot glühenden, erhitzten Wangen! Ich muss wirklich vollkommen verrückt sein, denn sonst wäre ich nie im Leben in diese unmögliche Situation geraten!

Schuld daran ist indirekt mein baldiger Exmann Jürgen, auch wenn es ein bisschen unfair ist, ihm das auch noch in die Schuhe zu schieben. Aber er hat mich verlassen. Oder ich ihn? So klar war das dann am Ende gar nicht mehr. Klar war nur eines, er hat mit einer anderen Frau geschlafen.

Als unsere Trennung die Runde machte, wurde ich von allen möglichen Menschen davor gewarnt. Besonders hervorgetan hat sich dabei meine Mutter. Sie machte und macht sich noch immer große Sorgen, dass ich nicht alleine überleben kann. Dass ich einen eigenen Job habe, lässt sie nicht gelten. Für sie ist dieses „Organisierzeugs“ nichts, mit dem man seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Ich plane Events aller Art, von gewöhnlichen Firmenfeiern über Rätselrallyes bis hin zu Hochzeiten samt Polterabend und Babypartys. Und, ja, auch Scheidungspartys habe ich schon organisiert.

Ein bisschen hat meine Mutter schon recht mit ihrer Befürchtung, denn ich habe es bis jetzt nicht so umfassend betrieben, dass ich wirklich davon leben könnte. Und obwohl Jürgens monatliche, finanzielle „Wiedergutmachung“ für meine Tochter Lilli und mich mehr als großzügig ist und angeblich auch weiterhin so bleiben wird, nagt der Gedanke an mir, dass meine Familie und meine Freunde mir nicht zutrauen, alleine für uns zu sorgen. Und so ließ ich mich eines Abends auf diese ausgesprochen dämliche Wette mit meinen besten Freundinnen Hanna und Liz ein.

„Ich brauche eigentlich diese Alimente gar nicht, ich würde auch sehr gut ohne auskommen.“ Ich hatte bereits zwei Gläser Prosecco und die beiden Mädels nicht weniger. „Wenn das mit den Events nicht klappt und ich zu wenig verdienen sollte, kann ich ja immer noch putzen gehen. So eine Putzhilfe verdient total viel, meine Mirka hat einen Stundenlohn, von dem können andere nur träumen!“, erklärte ich ernsthaft.

„Putzen!“ Hanna zog die Augenbrauen in die Höhe. „Du, putzen? Sicher!“ Hanna und Liz schnauften spöttisch und sahen sich vielsagend an.

„Warum nicht? Jeder Mensch kann putzen, man darf sich nur nicht zu schade dafür sein. Es ist ein toller Job und erfordert Intelligenz und Fleiß, etwas, das viele Menschen nicht besitzen, die wahrscheinlich das Zehnfache von meiner Mirka verdienen!“, sprang ich voller Überzeugung für alle Putzperlen dieser Welt in die Bresche.

„Du würdest nie putzen gehen, Schatz. Warum auch? Nimm doch bitte diese äußerst großzügige Unterstützung deines baldigen Ex und genieße mit deinem Töchterchen das Leben.“

Nach der zweiten Flasche Prosecco und den Sticheleien des Barbesitzers, der sich ungebeten in unsere Diskussion eingemischt hat, kam es dann dazu:

Ich gehe putzen, zwei Wochen lang, und wenn ich nicht durchhalte, muss ich Hannas künftige Verlobungspartys umsonst ausrichten. Sie hat wohlgemerkt schon vier davon hinter sich, ohne jemals den Schritt vor den Traualtar gewagt zu haben. Wir können uns also alle lebhaft vorstellen, wie viele da noch auf uns zukommen werden. Das würde mich wirklich in den Ruin treiben …

Eigentlich wollte ich diese Wette ganz schnell wieder vergessen, wäre da nicht der verzweifelte Anruf meiner polnischen Putzfrau gewesen, Bandscheibenvorfall! Sie kann unmöglich arbeiten und ihre Schwester, die für sie einspringen könnte, ist erst in zwei Wochen verfügbar. Leider sorgt Mirka auch bei Hanna für Ordnung und die machte mich dann ziemlich entschlossen darauf aufmerksam, dass es eine Sache der Ehre ist, eine Wette auch einzulösen.

So bin ich also hier gelandet, in einer fremden Wohnung, mit einem zugegeben wahnsinnig attraktiven Kerl, der allerdings noch etwas an seiner Sozialkompetenz arbeiten müsste. Und dummerweise hält er mich für eine Nutte, was ausgesprochen unangenehm ist. Denn wer garantiert mir, dass er nicht doch darauf besteht, dass ich meinen „Job“ erledige?

„Möchtest du einen Kaffee?“ Der soeben erwähnte attraktive Kerl lehnt mit verschränkten Armen am Küchentisch und blickt mir mit einer Mischung aus Neugierde und Belustigung entgegen. Er scheint diese Situation witzig zu finden, ich nicht! Ich stehe nun fertig angezogen vor ihm und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Das ist alles so richtig peinlich!

„Du siehst aus, als könntest du einen Espresso vertragen.“

Es hat wohl auch keinen Sinn, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ich nicht geduzt werden möchte. Irgendwie scheint ihm jeder respektvolle Umgang mit anderen Menschen fremd zu sein.

„Hallo? Espresso?“, wiederholt er ungeduldig. Ich nicke einfach, weil ich noch ein paar Sekunden brauche, um mich zu sammeln und endlich einen zusammenhängenden Satz herauszubekommen.

„Ich bin wirklich die Putzperle“, sage ich endlich. Ich mag diesen Ausdruck, klingt netter als Putzfrau.

Er macht den Espresso und wirft mir über seine Schulter einen lässigen Grinser zu – zum Niederknien! Ich merke, dass ich mich ungewollt und völlig unangebracht meinem Schmelzpunkt nähere. Ich muss mich zusammenreißen!

„Perle lass ich durchgehen.“ Er hält mir die Tasse entgegen. „Milch, Obers, Zucker?“

Ich schüttle beinahe panisch den Kopf.

„Nun, du bist vermutlich eine Dame mit ganz speziellen Fähigkeiten, aber die hast du sicher nicht auf dem Gebiet der Gebäudereinigung, gib es doch endlich zu. Keine … Putz … perle … setzt sich in die fremde Badewanne, die sie zuvor mühsam gereinigt hat, und in die dreckige vermutlich schon gar nicht.“

Ja, da ist definitiv was dran, aber trotzdem kann er sich wirklich höflicher mir gegenüber benehmen! Was denkt der Kerl eigentlich, wer er ist? Er darf doch nicht einfach jede Frau als seine persönliche Gespielin betrachten! Ich merke, wie es in meiner Magengegend zornig zu grummeln beginnt, und das ist ein gutes Zeichen. Das Zeichen dafür, dass ich nun endgültig damit aufhöre, die verschreckte Badenixe zu spielen.

„Ich bin die Putzfrau und … nichts anderes, verdammt! Was ist eigentlich los mit Ihnen, Sie sind ja nicht ganz dicht!“ Oh, ganz schlecht, ich sollte ihn nicht so reizen, wer weiß, wie der tickt. Das könnte ein Irrer sein, der jetzt mit mir kurzen Prozess macht. Ich sollte mich schnellstens wieder beruhigen und mich etwas liebenswürdiger benehmen. Nicht zu liebenswürdig, ich will ihn nur in Sicherheit wiegen und bei der ersten Möglichkeit bin ich weg.

Mein kurzer Wutanfall kratzt ihn offensichtlich überhaupt nicht. „Wie heißt du?“, fragt er ungerührt.

Wieso will er das wissen? Kann ihm doch egal sein, wir werden uns - hoffentlich! – nie, nie wiedersehen!

„Mirka“, antworte ich trotzdem brav, meinen richtigen Namen verrate ich ihm sicher nicht und in der Aufregung fällt mir nur dieser ein.

Er verdreht die Augen. „Mirka? Klingt ein bisschen nach billigem Straßenstrich. Wer auch immer dich geschickt hat, wollte anscheinend Geld sparen.“

Jetzt reicht es wirklich!

„Nochmals, im Klartext, damit auch Sie es verstehen können, auch wenn Ihnen Ihre Arroganz im Gehörgang steckt. Ich bin die Putzfrau Mirka, wenn Sie mir nicht glauben, rufen Sie doch einfach bei der Hausverwaltung an! Die werden Ihnen bestätigen, dass ich jetzt gerade hier sein sollte!“

Seine Augen wandern statt einer Antwort aufreizend langsam über meinen Körper und hinterlassen ein feines Kribbeln auf jeder Stelle, die er mit seinem Blick berührt. Ich versuche ganz ruhig und gleichmäßig zu atmen und möglichst selbstsicher dreinzuschauen. Was mir allerdings sehr schwer fällt, denn sein Blick geht mir viel zu tief.

Endlich sieht er mir wieder ins Gesicht. „Wenn du wirklich die … Putzperle … bist, gehörst du rausgeschmissen, so wie die Küche aussieht“, brummt er, aber es klingt nicht wirklich böse.

„Da war ich noch nicht“, erkläre ich ernsthaft und nehme noch einen Verzweiflungsschluck aus meiner bereits leeren Kaffeetasse. Er nimmt sie mir wortlos aus der Hand und sieht mich fragend an. „Noch einen?“ Wieder schüttle ich panisch meinen Kopf. Panik deshalb, weil er nun so nah vor mir steht, dass mich sein Duft wie ein Aphrodisiakum mit voller Wucht trifft und ich vermutlich bald nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist. Irgendetwas an diesem Mann macht mich total schwach, obwohl ich das absolut nicht verstehen kann. Ich stehe normalerweise nicht auf arrogante Flegel. Und eigentlich müsste er schon längst aus dem Flegelalter raus sein, was mir die Fältchen um Augen und Mund verraten. Nicht zu stark ausgeprägte Falten, die aber doch auf einen gewissen Grad an Erfahrung – ich verwende jetzt bewusst nicht das Wort Reife – hinweisen. Das macht mich jetzt noch zittriger.

„Du warst also noch nicht in der Küche, kein Wunder, du hattest ja etwas Wichtigeres zu tun“, sagt er trocken und strubbelt sich mit den Händen etwas genervt durch die nicht allzu kurz geschnittenen, beinahe schwarzen Haare und hinterlässt damit ein sexy Chaos auf seinem Kopf.

„Ja, diese Badewanne ist ein Traum, sie sprudelt und …“, mir versagt die Stimme, denn in seinem Blick flackert plötzlich etwas Gieriges auf, das mich dummerweise daran erinnert, dass ich es wieder mal bitter nötig hätte. Mein letztes Mal ist schon eine gefühlte Ewigkeit her und mein Körper lässt sich langsam nicht mehr mit billigen Ausreden abspeisen. Bei mir gibt es Sex nur mit Herz, was meinem Fortpflanzungstrieb im Moment leider gar nicht passt. Ich wäre bereit, aber sowas von! Er wäre das übrigens auch, wie ich gerade bemerke.

„Ich weiß, dass sie sprudelt“, knurrt er leise und räumt meine Tasse in die Spülmaschine. Er lässt sich viel Zeit damit, umständlich beginnt er dann noch, die wenigen Teller und Gläser neu zu schlichten, offensichtlich braucht er eine Atempause.

„Was machen Sie überhaupt hier?“, rutscht mir da raus, er schaltet den Geschirrspüler ein und dreht sich zu mir um. Angestrengt starre ich ihm ins Gesicht und versuche, meinen Blick nicht abwärts gleiten zu lassen. Er zieht spöttisch seine Augenbrauen hoch.

„Ich … wohne … hier“, antwortet er betont langsam, als ob er glauben würde, dass die Fähigkeit – oder wie in meinem Fall eher Unfähigkeit – zu putzen bzw. Männer zu beglücken das Denkvermögen beeinträchtigt. Dann lässt er sich aber doch noch dazu herab, mir die Sachlage zu erklären. „Und ich habe wichtige Unterlagen vergessen.“

Ich nicke nur, er seufzt leise und reibt sich mit seinen kräftigen, gepflegten Fingern nachdenklich über den Dreitagebart, dabei lässt er mich nicht aus den Augen.

„Ich gehe“, sagt er knapp, „und wer auch immer dich geschickt hat, richte ihm aus, ich sorge schon selbst für mein Vergnügen. Vermittlung habe ich nicht notwendig. Und wenn es schon sein muss, dann bitte keine kostengünstige, verklemmte Anfängerin.“ Er schnappt sich seine Akten und geht zur Tür. Kurz überlege ich, diesem Kotzbrocken die gefüllte Obstschüssel, die neben mir auf dem Tisch steht, nachzuschmeißen. Aber da ist er schon weg und lässt mich tatsächlich alleine in seiner Wohnung zurück. In der ich jetzt garantiert nicht zu Ende putzen werde, der kann mich mal!

Kapitel 2

„Nein, Eva! Das ist einfach … also einfach unglaublich!“ Meine lieben Freundinnen sind einige Minuten sprachlos, als ich ihnen die – nicht ganz vollständige – Geschichte erzähle.

Liz ist die Erste, die sich wieder fasst und verbal über mich herfällt. „Das ist wieder typisch für dich. Wie kannst du dich nur in eine fremde Badewanne hocken, mitten am Tag? Das tut man doch nicht!“

„Diese Putzerei hat mich müde gemacht und sie sah so einladend aus, ich wollte nur mal kurz …“, will ich mich verteidigen, Liz lässt mich aber nicht ausreden.

„Eva, bitte! Du hattest noch Glück, nicht auszudenken, wenn das ein Perverser gewesen wäre. Der hätte dir alles Mögliche antun können!“ Sie malt wieder mal den Teufel an die Wand.

„Das hätte sich unsere gute Eva wahrscheinlich gewünscht, so verklärt wie sie gerade dreinschaut“, spottet Hanna und noch bevor ich mich wehren kann, weist Liz sie scharf zurecht. „Das ist jetzt aber eine ganz blöde Ansage, keine Frau wünscht sich das!“

Hanna grinst nur und zuckt lässig mit ihren Schultern.

„Außerdem waren da ein paar Frauensachen in der Wohnung, Kosmetika und so …“, murmle ich, die beiden Mädels ziehen synchron die Augenbrauen in die Höhe.

„Und? Ist das ein Grund, nicht verrückt zu sein?“, meint Liz.

„Nicht unbedingt, das sind oft die Schlimmsten, die nach außen hin bieder wirkenden Familienväter“, erklärt Hanna wichtig, plötzlich sind sie sich wieder einig.

Ich seufze und drehe mein leeres Glas zwischen den Fingern. Bieder wirkender Familienvater, na, ich weiß nicht … Ich seufze lauter.

„Und er wollte echt nicht mit dir plantschen? So hässlich bist du ja wirklich nicht!“ Hanna ist manchmal total gestört. Ich schau sie beleidigt an.

„Nein, wollte er nicht. Er hat mir einen Kaffee angeboten und dann ist er gegangen.“

„Und du bist sicher, da lebt eine Frau in der Wohnung? Vielleicht ist der Typ ja schwul!“

„Hanna, bitte, ich finde das echt unfair, jedem Mann gleich zu unterstellen, dass er nichts anderes zu tun hat, als eine fremde Frau in sein Bett zu zerren! Der ist vielleicht oder sogar ziemlich sicher in einer glücklichen Beziehung und ich war auch gar nicht sein Typ.“ Dass er mich für eine Dame vom horizontalen Gewerbe gehalten hat, verschweige ich, ich will meine Freundinnen nicht unnötig aufregen. Und ich verschweige auch, dass die Frauensachen einer sehr jungen Dame gehören dürften. Ziemlich sicher steht er auf junges Gemüse und ich falle daher mit meinen stolzen sechsunddreißig Jahren gar nicht mehr in sein Beuteschema.

„Kennst du seinen Namen?“, fragt Hanna neugierig.

„Nein, kein Türschild, Mirka nannte mir auch nur die Adresse. Überhaupt wirkte die Wohnung ziemlich unpersönlich, keine herumliegende Post, keine Bilder …“

„Siehst du, das ist ein Unterschlupf, ein Liebesnest!“, unterbricht Hanna mich aufgeregt, ich schau sie streng an.

„Ist es nicht, in manchen Zimmern standen noch verschlossene Umzugskartons. Er wohnt einfach erst kurz darin.“

Ich blicke auf meine Uhr, langsam habe ich genug. Zuhause wartet meine Tochter auf mich und ich bin hundemüde.

„Mädels, ich verschwinde, Lilli wartet sicher schon, dass ihre Rabenmutter aus der Bar endlich nach Hause kommt.“ Sie ist vierzehn und wartet sicher nicht darauf, dass ich nach Hause komme.

„Es ist beinahe neun Uhr abends! Da lässt du unsere Kleine aber lange alleine.“ Die immer verantwortungsbewusste Liz klingt vorwurfsvoll. Und es hat auch keinen Sinn, ihr zu erklären, dass Lilli längst nicht mehr unsere Kleine ist. Liz kennt meine Tochter seit ihrem ersten Schrei, sie war meine Hebamme, und deshalb wird sie immer ein ganz besonderes Verhältnis zu Lilli haben.

Ich krame in meiner Handtasche nach der Geldbörse. „War so ausgemacht, ich habe heute bis neun Uhr Ausgang und wenn ich daheim bin, frage ich sie noch ein paar Vokabeln ab“, erkläre ich.

„Puhh, Ausgang bis neun Uhr abends! Wow!“, feixt Hanna, ich strubble ihr dafür strafend durch die leuchtend roten, immer etwas zerzaust wirkenden Locken, dann verschwinde ich endlich.

Als ich in die Wohnung komme, klingt mir fröhliches Gekicher entgegen. Lilli ist offensichtlich nicht alleine. In unserer Küche steht ein mir unbekanntes, dunkelhaariges Mädchen und strahlt mir vergnügt entgegen.

„Mama, das ist Sophia, sie ist erst seit ein paar Tagen in meiner Klasse“, stellt uns meine Tochter vor. Ihre neue Freundin gibt mir artig die Hand, sie hat einen festen Händedruck und ich mag sie auf den ersten Blick.

„Hoffentlich ist es okay, wenn ich hier bin. Wir haben gemeinsam Französisch gelernt.“

Das hört man doch gerne!

„Habt ihr Hunger?“, frage ich und mein schlechtes Gewissen meldet sich. Wie steh ich denn vor dieser gut erzogenen Sophia da? Ich komme halb beduselt um neun Uhr abends von meinem Mädelstreffen heim, mitten unter der Woche, und meine arme Tochter samt Freundin muss hungern.

„Nein, du hast ja gesagt, du triffst dich mit den verrückten Tanten. Schon okay, wir haben Pizza bestellt.“

Verrückte Tanten, das ist die respektlose Bezeichnung meiner Tochter für meine Freundinnen. Und irgendwie passt es ja auch.

„Mein Papa musste heute länger arbeiten, ein wichtiges Meeting, er ist aber schon auf dem Weg hierher und schickt mir eine SMS, wenn er da ist“, erklärt Sophia.

Und wie auf Kommando piept ihr Handy und ein paar Minuten später ist sie weg.

„Sie ist nett, oder?“, fragt Lilli sofort und setzt sich zu mir an den Küchentisch. „Sie ist erst vor einigen Tagen nach Wien gekommen, ihr Vater arbeitet jetzt hier. Ich mag sie, Sophia ist nicht so zickig wie andere.“

„Was ist mir ihrer Mutter?“, frage ich neugierig. Lillis Blick wird traurig und ich streiche ihr die blond schimmernden Fransen aus der Stirn.

„Tot, schon seit acht Jahren, Autounfall.“

„Oje, die arme Sophia. Und ihr Vater kümmert sich seitdem alleine um sie? Auch nicht leicht“, murmle ich. Lilli zwinkert mir aufmunternd zu. „Das tust du ja auch“, meint sie leise, „und außerdem wohnt die Oma bei ihnen, nur jetzt nicht, sie ist auf Kur und kommt erst in ein paar Tagen wieder. Bis dahin müssen sich die beiden alleine durchschlagen.“ Sie knabbert an ihrer Unterlippe, irgendetwas scheint meine Tochter noch zu beschäftigen.

„Die Eltern waren nie verheiratet. Sophia hat mit ihrer Mutter in Wien gelebt und als die gestorben ist, musste sie nach Singapur zu ihrem Vater übersiedeln. Die letzten Jahre waren sie dann in London.“

„Ist er Diplomat?“, frage ich neugierig, Lilli schüttelt den Kopf. „Nein, er besitzt einige … Klubs nur für Männer“, erklärt sie. Ich erstarre und bin sofort in Alarmbereitschaft. Klubs nur für Männer? Nach was klingt das denn bitte? „Aha“, sage ich aber nur und will meine unschuldige, kleine Lilli nicht unnötig beunruhigen.

Die bricht gerade in schallendes Gelächter aus. Sie zeigt mit ihrem Finger auf mich und kriegt sich gar nicht mehr ein. „Dein Gesicht! Du solltest dich sehen! Darf ich ein Foto von dir machen und Sophia schicken?“, grunzt sie.

„Sicher nicht!“, pfauche ich und schüttle erbost meinen Kopf. „Das klingt aber auch etwas eigenartig: Klub für Männer! Definiere mir das!“, fordere ich gespielt streng.

Lilli hat Tränen in den Augen vor Lachen und schlägt mit ihrem Kopf leicht auf die Tischplatte. „Definiere mir das! Mamaaaaa!“

Jetzt muss ich auch lachen. „Das klingt wirklich komisch, das hört sich an wie … na, du weißt schon“, murre ich und fühle mich ziemlich von ihr verarscht.

„Ich weiß, aber es ist wirklich ganz harmlos. Ich wollte dich nur aufziehen. Er hat so einen englischen Gentlemen’s Club. Sophia hat mir das genau erklärt, es ist eine Art Wellnesstempel nur für Männer. Fitness, Schwimmhalle, Sauna, Restaurant, Bibliothek … frag mich jetzt aber bitte nicht, welche Zeitungen die dort haben … Frisör, Bar, Raucherzimmer …“

„Ja, ja, passt schon. Wird schon etwas Anständiges sein. Aber warum nur für Männer, wie sexistisch ist das bitte?“, werfe ich ein. Lilli sieht mich strafend an.

„Typisch! Wieso gönnt ihr den Männern keinen Rückzugsort?“

Ich schnappe kurz nach Luft und will etwas sagen, aber entschlossen spricht meine Kleine weiter. „Kein Mensch findet etwas dabei, wenn es nur Fitnessclubs für Frauen gibt, wie dieses komische Dings, in das Liz geht. Und dieser Frisör ist nur für Männer, weil er speziell Bärte schneidet und pflegt“, sie beugt sich vor und schiebt provokant ihre Augenbrauen in die Höhe, „und ich denke nicht, dass die dort mit den Haaren auf deinen Zähnen fertig werden.“

„Sehr witzig, du freche Laus“, seufze ich. Aber irgendwie hat Lilli ja recht. Gönnen wir unseren Jägern und Sammlern einen Ort, wo sie so richtig Mann sein dürfen und in Ruhe über ihre Jagderfolge philosophieren können!

„Er besitzt gemeinsam mit seinem Partner in anderen Städten mehrere dieser Clubs, der bei uns ist neu, den gibt es erst seit ein paar Wochen. Sophias Papa ist hier, um ihn ordentlich zum Laufen zu bringen. Geplanterweise bleiben sie in Wien, bis Sophia mit der Schule fertig ist. Ihr Vater will nicht, dass sie wieder rausgerissen wird“, erzählt Lilli weiter.

Das ist ja nett, ich beruhige mich wieder etwas und Lilli sieht mich aufmerksam an.

„Nehmen wir Sophia morgen nach der Schule mit zum Shoppen? Trotz der schmutzigen Geschäfte ihres Vaters? Sie bräuchte auch etwas für die Party am Wochenende“, bettelt sie mit genau diesem flehenden Augenaufschlag, dem ich nie widerstehen kann.

„Schmutzige Geschäfte? Ach, Lilli“, jammere ich in gespielter Verzweiflung.

„Also, nehmen wir sie mit? Das wird sicher lustig!“

Ich nicke ergeben, ist doch der Traum jeder Frau, mit zwei Vierzehnjährigen shoppen zu gehen.

Kapitel 3

„Eier brauchen wir noch, für dein Katerfrühstück am Sonntag!“ Ich schiebe den vollen Einkaufswagen vor mir her. Es sieht aus, als würden wir für eine fünfköpfige Familie einkaufen, derweil sind wir nur zu zweit.

„Mama, bitte, du musst dir keine Sorgen machen. Ich hasse Alkohol, er schmeckt mir überhaupt nicht. Schon dieser Sekt zu Silvester war ekelhaft“, sagt meine liebe Tochter im Brustton der Überzeugung. „Außerdem sind Lauras Eltern während der Party daheim und spielen Aufpasser. Du kennst doch ihre Mutter, die ist total übervorsichtig!“

Ich seufze innerlich, Partys waren bis jetzt kein Thema, aber Lilli ist vierzehn und wird langsam flügge … Gedankenverloren räume ich noch ein paar Dinge in den Wagen und fahre beinahe eine ältere Frau um. Sie schaut mich empört an und schüttelt so aufgeregt den Kopf, dass ihre lila-grauen Löckchen wild herumtanzen. Sie hat einen Lockenwickler vergessen, das fasziniert mich total. Lilli folgt meinem Blick und versucht brav, nicht sofort loszulachen.

„Entschuldigen Sie, aber da ist noch ein … Wickler“, mache ich die Dame etwas unbeholfen darauf aufmerksam und deute auf ihren Hinterkopf. Meine Tochter kann sich nun nicht mehr beherrschen und bekommt den totalen Lachkrampf, sie grunzt mit Tränen in den Augen vor sich hin. Bei mir ist es auch bald so weit, ich spüre das Lachen, wie es auf meine Luftröhre drückt. Die Frau denkt wahrscheinlich, wir sind nicht ganz dicht, und geht schnell weiter. Das mit dem vergessenen Lockenwickler nimmt sie offensichtlich nicht ernst.

Und jetzt kann ich mich auch nicht mehr zurückhalten, ich lache, bis mir die Tränen kommen. Ich sehe alles total verschwommen und da tritt er plötzlich in mein Gesichtsfeld! Ich muss ein wenig blinzeln, um ihn zu erkennen. Mir wird blitzartig schlecht und ich wünsche mir ein Loch im Boden zum Versinken oder – was im Supermarkt weitaus wahrscheinlicher ist – einen Stapel Mineralwasserkisten zum Verstecken. Lilli putzt sich ihre Nase und als sie sich zu mir umdreht, bin ich weg.

„Hey, Lilli!“, höre ich Sophias begeisterte Stimme, die auch hier?

Ich wage mich noch nicht aus meinem Versteck hervor, vielleicht schleicht dieser Typ da ja noch irgendwo herum. Vorsichtig luge ich an den aufgestapelten Kisten vorbei und zieh meinen Kopf sofort wieder zurück. Ich kann es jetzt echt nicht glauben, das Schicksal bescheißt mich gerade ziemlich. Es könnte wirklich nicht schlimmer kommen!

„Das ist mein Papa, Paps, das ist Lilli.“

Papa! Er ist Sophias Vater, ich saß in Sophias Badewanne und ihr Papa hält mich deshalb für eine Nutte oder Putzperle oder was auch immer – auf jeden Fall würde er mich für ziemlich verrückt halten, wenn er mich jetzt sehen könnte. Ich stehe mit zusammengekniffenen Beinen hinter den Getränkekisten, bin knallrot im Gesicht und hyperventiliere!

Langsam gehe ich Schritt für Schritt rückwärts, flüchte in den anderen Gang, wo mir die Alte mit dem Lockenwickler wieder über den Weg läuft. Spätestens jetzt denkt sie garantiert, ich habe ein gröberes Problem!

Was soll ich tun? Ich kann mich ja nicht ewig verstecken! Meine Tochter wird sich auf die Suche nach mir machen, um mich vorzustellen. Ich muss mich beruhigen, also atme ich tief durch und rolle meine Schultern vor und zurück. Ich dehne meinen Nacken und bewege die Finger und Zehen, um dieses nervöse Kribbelgefühl wieder loszuwerden.

Nein, ich bin noch nicht bereit für die Gegenüberstellung und trete daher den Rückzug in die hinterste Ecke des Supermarktes an. Betreten verboten! Ha! Verbotsschilder haben mich noch nie aufgehalten!

„Mama, wo warst du bitte?“ Gefühlte Stunden später, nachdem mich die Marktleiterin ziemlich rüde darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich im Lager nichts verloren habe, stehe ich wieder meiner Tochter gegenüber. Ihr alleine, glücklicherweise! Sie ist ziemlich verschnupft, weil sie mich doch Sophias Papa vorstellen wollte, der so nett ist, die Mädchen am Samstag von der Party abzuholen und Lilli heimzubringen.

„Ich habe ihm deine Nummer gegeben, er möchte dich noch anrufen, ob das für dich okay ist!“

Ha! Der hat meine Nummer?!?! Mir ist nicht bewusst, dass das Ha ziemlich laut und hysterisch aus meinem Mund geschlüpft ist. Lilli schaut mich mit großen Augen an, langsam wirkt sie beunruhigt.

„Ist alles okay? Das ist dir doch recht, oder? Musst du nicht selbst raus in der Nacht und kannst mit den Tanten etwas trinken.“

„Lilli, bitte, jetzt tu nicht so, als würde ich immer besoffen durch die Gegend rennen“, fahre ich sie an. Sie zuckt zusammen und verdreht die Augen.

„Ist schon gut, chill!“

Ich hasse dieses chill, ich hasse das wirklich!

Aber Lilli kann nichts dafür, dass ich vor einigen Tagen nackt in seiner Wanne hockte, ich streiche ihr fahrig über die Haare.

„Tut mir leid, ich habe nur ein bisschen Kopfweh“, entschuldige ich mich und im gleichen Moment fällt mir auf, dass er offensichtlich nicht auf junges Gemüse steht, sondern „nur“ eine Tochter hat. Und das beruhigt mich seltsamerweise sehr.

„Vielleicht klappt‘s ja das nächste Mal mit dem Kennenlernen, war aber schon peinlich, dass du plötzlich verschwunden bist“, motzt Lilli noch ein bisschen weiter, während wir an der Kasse anstehen.

Kaum sind wir zu Hause, läutet mein Handy. Unbekannte Nummer. Das wird doch nicht schon … ich schnappe das Telefon und rausche ab in mein Schlafzimmer. Ich brauche keine Zeugen beim ersten Telefonat, das mich total nervös macht.

Wer bin ich denn eigentlich? Ich bin eine sechsunddreißigjährige, seit kurzem alleinerziehende, nicht komplett hässliche, intelligente – okay, darüber könnte man jetzt wirklich streiten –, selbstbewusste – ja, auch darüber – Frau und Mutter, die kurz mit dem Vater der derzeit besten Freundin ihrer Tochter plaudert! Der sie dummerweise für eine Prostituierte hält, aber das weiß nur ich, er hat glücklicherweise keine Ahnung, mit wem er da telefoniert.

„Spreche ich mit Eva Laitner?“

Was für eine Stimme! Mir wird gleichzeitig heiß und kalt und ich krächze ein Ja. Ich räuspere mich und setze mich auf das Bett, weil meine Beine so zittern.

„Hallo, Alex Crover, Sophias Vater. Ich hoffe, Ihre Tochter hat sie bezüglich meines Anrufs vorgewarnt?“

Crover? Ist er Engländer oder Amerikaner? Akzent hat er keinen. Aber eine wirklich schöne Stimme, tief, leicht rauchig und sehr selbstsicher. Mochte ich schon bei unserer ersten Begegnung, allerdings war ich da viel zu aufgewühlt, als dass ich den Klang hätte genießen können. Aufgewühlt, tja, das bin ich leider auch jetzt. Nur langsam beruhige ich mich wieder und kann endlich antworten.

„Ja, hat sie. Und auch, dass Sie so nett sind, die Mädels von der Party abzuholen.“ Das klingt ja schon ganz gut.

„Kein Problem, dann weiß ich wenigstens, dass Sophia zur vereinbarten Zeit gut nach Hause kommt.“

Ich kann sein Lächeln hören, das ihn richtig sympathisch klingen lässt … wenn ich nicht ganz genau wüsste, wer da am anderen Ende der Leitung ist!

„Ich dachte nur, ich melde mich vorher bei Ihnen. Dann bin ich sozusagen kein Unbekannter mehr für Sie und Sie können sicher sein, dass es auch klappt.“

Kein Unbekannter? Das ist zum Schreien!

„Aber mein Angebot ist auch nicht ganz uneigennützig. Diese Party ist ja leider etwas außerhalb und nicht gut öffentlich zu erreichen. Daher müsste man die Mädchen auch hinbringen, womit ich leider ein zeitliches Problem habe“, redet er schon weiter.

Ich weiß natürlich sofort, worauf er hinauswill, und diese Bitte scheint ihm ziemlich unangenehm zu sein.

„Das übernehme ich gerne. Arbeitsteilung. Ich übernehme die Hinfahrt und Sie holen die beiden ab“, schlage ich vor und er klingt erleichtert. „Sehr gut, ich habe leider Samstagnachmittag etwas Geschäftliches zu erledigen, das mache ich nicht gerne, ist aber in dem Fall unbedingt notwendig und ich kann es unmöglich verschieben.“

„Es macht mir wirklich nichts aus, kein Problem.“ Ich will dieses Telefonat schnell beenden, weil mir seine sexy Stimme zunehmend zusetzt. Und ich leider noch dazu weiß, wie der dazugehörige Mann aussieht und ich in Gedanken wieder nackt in seiner Badewanne sitze.

„Soll ich Sophia am späten Nachmittag auf dem Weg zu meinem Termin bei Ihnen daheim abliefern? Sie müssten sie dann abends nicht extra abholen“, fragt er noch, ich lehne umgehend ab. Aber weniger aus Höflichkeit, sondern hauptsächlich deshalb, weil ich ihn nicht treffen will, zumindest jetzt noch nicht! Irgendwann wird sich das nicht vermeiden lassen. Aber bitte nicht schon morgen! Ich sollte vorher noch schnell zum Frisör gehen, meine Farbe auffrischen, eine Maniküre bzw. Pediküre wäre nicht schlecht, und absolut notwendig hätte ich wieder mal eine Heißwachsbehandlung. 2 kg weniger auf den Hüften wäre noch das Tüpfelchen auf dem i – und das schaffe ich unmöglich bis morgen Nachmittag! Und je länger ich ein persönliches Treffen hinauszögere, desto größer werden meine Chancen, dass er mich nicht wiedererkennt!

„Nein, das ist wirklich nicht notwendig, ihr wohnt ja nicht weit, ist kein Umweg.“ Ja, ich weiß genau, wo er wohnt! Dummerweise ist mir das jetzt rausgerutscht, was ihm aber nicht weiter auffällt.

„Gut, dann wäre das abgemacht. Wir sehen uns morgen.“

Morgen? Wir uns sehen? Nein, garantiert nicht!

Selbstverständlich werde ich noch munter sein, wenn er Lilli daheim abliefert, ich trete ihm dann aber sicher nicht mehr unter die Augen!

*** Alex ***

Sie hat eine angenehme Stimme, am Anfang klang sie zwar etwas kurzatmig, aber wer weiß, wo ich sie gerade hergeholt habe. Ich wollte dieses Telefonat sofort erledigen, ich muss Bescheid wissen, ob das mit dem Hinbringen klappt. Ich habe am Samstag schließlich Verpflichtungen, die ich unbedingt einhalten muss.

Sicher hat meine Tochter damit recht, dass Eva Laitner eine nette Frau ist. Es nervt mich nur etwas, dass sie nur mehr von dieser Dame spricht und mir ständig ihre Vorzüge vorbetet. Ich kenne Sophia und weiß genau, was sie will. Offensichtlich will sie mich verkuppeln, mit einer geschiedenen Frau Mitte dreißig, das ist lächerlich, und das absolute Gegenteil von dem, was ich will. Ich habe mit freundlichen Müttern nichts am Hut, was ich meiner Tochter natürlich nicht so deutlich sage. Ich bin in erster Linie Vater, aber auch ein Mann mit bestimmten Vorlieben und die wird mir diese nette Frau Laitner garantiert nicht erfüllen können.

Und warum muss ich jetzt wieder an die Nackte in meiner Badewanne denken? Die bekomme ich seit Tagen nicht mehr aus meinem Kopf, was mir langsam unheimlich wird! Für gewöhnlich denke ich nicht über verpatzte Gelegenheiten nach, was vermutlich hauptsächlich daran liegt, dass ich nie eine Gelegenheit verpatze … und wer weiß, ob sie es überhaupt wert gewesen wäre.

Zuerst war ich mir sicher, es handelt sich um eine Nutte, von der Konkurrenz geschickt. Eine Falle! Da bin ich ein gebranntes Kind, so etwas wird mir nie wieder passieren. Irgendetwas hielt mich jedoch davon ab, das Nixlein sofort aus der Wohnung zu schmeißen. Da war etwas in ihrem Blick, besser gesagt, da fehlte etwas, nämlich diese einstudierte Geilheit. Sie saß zusammengekrümmt bis zum Kinn im sprudelnden Wasser – dadurch konnte ich nicht mal ihren nackten Busen sehen – und guckte mich mit großen Augen erschrocken an. Sie wirkte beinahe, als hätte sie noch nie einen Schwanz zwischen den Beinen gehabt. Toll, die einzige mittelalterliche Jungfrau Wiens muss sich ausgerechnet in meine Badewanne verirren! Nein, die war keine Professionelle, garantiert nicht, und trotzdem konnte ich einfach nicht widerstehen, das Spiel weiterzutreiben und sie ein bisschen zu ärgern.

Ich frage mich, was sie wohl getan hätte, wenn ich einfach zu ihr in die Wanne gestiegen wäre … Nichts, vermute ich mal, sie hätte nichts dagegen getan, denn ich bin ein recht ansehnlicher, gut bestückter Kerl in den besten Jahren, der noch keine Frau unglücklich zurückgelassen hat! Und der Gedanke, es diesem verschreckten Huhn so richtig zu besorgen, hatte schon etwas. Aber ich kann mich beherrschen und immerhin bestand ja doch noch das geringe Restrisiko, dass mir am nächsten Tag ein netter Brief mit kompromittierenden Fotos oder – noch schlimmer – eine Anzeige wegen Vergewaltigung ins Haus flattert. Deshalb habe ich sicherheitshalber abends noch die Jungs von der Security in meine Wohnung beordert, um nach Wanzen und Kameras zu suchen. Da war nichts, natürlich, wir sind in Wien und ich sollte mich endlich entspannt zurücklehnen und nicht überall eine Gefahr für Leib und Seele wittern. Die einzige Gefahr, die mir hier droht, geht von dem Mistkübler aus, der mir letztens wegen dem Plastiksack in der Papiertonne die Hölle heiß gemacht hat.

Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, denn eines hat mich das Leben gelehrt: Wenn es ums wirklich große Geld geht, ist die Konkurrenz hart und skrupellos, in jeder Stadt der Welt.

***

Kapitel 4

Heute ist ein guter Tag! Ich konnte gestern einen tollen Auftrag an Land ziehen, ich werde die Hochzeit eines nicht unbedeutenden Lokalpolitikers organisieren. Wenn mir das gut gelingt, öffnet das sicher weitere Türen, perfekt! Zur Feier des Tages gehe ich mit Lilli auf den Markt, wir lieben beide diesen Bauernmarkt, der nur jeden zweiten Samstag im Monat stattfindet. Es gibt nicht nur bäuerliche Bioprodukte, angefangen bei Obst und Gemüse bis hin zu selbst gemachten Pasteten und Käse, sondern auch Antiquitäten. Ich kenne mich da zwar nicht so gut damit aus, aber wir haben schon einige wirklich schöne Dinge hier entdeckt. Und weil ich etwas zu feiern habe, koste ich bei der netten Dame vom Käsestand ein Gläschen Cidre. Lilli trinkt Apfelsaft. Alles ist perfekt. Bis auf das kleine Häufchen, in das ich beim Kauf des grünen Spargels getreten bin. Aber nehmen wir mal an, das bringt Glück! Ich stütze mich an einem Plakat ab, das eben den Lokalpolitiker zeigt, dessen Hochzeit ich ausrichten werde, um nochmals meinen Schuh zu begutachten.

„Hey, Lilli!“ Ich zucke zusammen und schaue gleichzeitig mit Lilli in die Richtung, aus der Sophias Stimme tönt. Ach du Sch.…! Nicht nur am Schuh!

Ich sehe ihn auf mich zukommen und will mir instinktiv die Sonnenbrille, die ich leider zu Hause vergessen habe, ins Gesicht schieben. Ich lehne mich haltsuchend noch etwas fester an den Plakatständer, der leider nicht so stabil dasteht wie angenommen, und … es folgt einer der peinlichsten Momente meines ganzen Lebens. Nicht nur für mich, ich nehme an, auch für meine Tochter!

Der Ständer fällt um, samt mir.

Ich höre Sophia und Lilli quietschen und der Herr Papa, der wirklich über ausgezeichnete Reflexe verfügt, ist mit zwei langen Schritten bei mir und umschlingt mich gerade rechtzeitig, bevor ich auf dem Boden sitze.

„Hoppla“, sagt er nur und stellt mich wieder auf die Beine. Ich komme mir vor wie eine Puppe, leider keine Sprechpuppe, und starre ihm stumm mit rot glühenden Wangen ins Gesicht. Sein Anblick raubt mir nicht nur den Atem, sondern auch die Fähigkeit mich mit Worten auszudrücken. Lilli und Sophia kichern und auch die nette Dame vom Käsestand, die dann nachdenklich mein leeres Glas begutachtet. Offensichtlich ist sie sich über den Alkoholgehalt ihres Cidres nicht mehr ganz im Klaren.

„Danke“, murmle ich endlich und zupfe sorgfältig meinen frühlingshaften, kurzen Strickblazer zurecht, der unter seinem festen Griff etwas gelitten hat. Er zwinkert mir bestens gelaunt zu. „Gerne, das hat gefährlich ausgesehen.“

Junge, du siehst gefährlich aus! Ich finde meine Stimme, meine Haltung und meine normale Gesichtsfarbe wieder. Immerhin steht meine Tochter neben mir und ich werde mich da jetzt nicht total daneben benehmen. Ich strecke ihm die Hand entgegen und lächle mein schönstes Lächeln. Es dürfte gut ankommen, denn er strahlt mich an und bringt mich offensichtlich überhaupt nicht in Verbindung mit seiner Badewanne und der nackten Frau darin.

„Eva Laitner, Lillis Mama“, stelle ich mich artig vor. Na, wer sonst! Er umschließt meine Hand fest mit seiner und sofort macht sich ein sanft grummelndes und erwartungsvolles Gefühl in meinem Bauch breit. Und plötzlich, während er den Mund zu einer Erwiderung öffnet, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Ich kann richtig sehen, wie sich der Schleier hebt und er sich erinnert. Das grummelnde Gefühl rutscht mir gemeinsam mit meinem Herz vor Schreck in die Hose.

„Alex Crover … hallo … es freut mich sehr, Sie endlich mal persönlich zu treffen“, er sieht mich lauernd an und zieht das Hallo aufreizend in die Länge, „obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass wir uns schon mal irgendwo begegnet sind.“

„Ich könnte mich nicht erinnern“, erwidere ich etwas zu unfreundlich, was meine Tochter glücklicherweise nicht mitbekommt, da sie mit Sophia herumflüstert.

„Doch, ich komme nur im Moment nicht drauf.“ Er tut so, als ob er scharf nachdenken würde, dieses freche Funkeln in seinen Augen zeigt mir aber deutlich, dass er bereits Bescheid weiß. „Vielleicht bei einer … geschäftlichen Gelegenheit?“ Der Kerl genießt die Situation, der spielt mit mir wie die Katze mit der Maus. Am liebsten würde ich gegen sein Schienbein treten, was aber eine ziemlich kindische Reaktion wäre.

„Noch ein Glas, meine Liebe?“ Die Dame vom Käsestand sieht mich aufmunternd an, wirke ich wirklich so verzweifelt?

„Die hübsche, junge Frau liebt meinen Cidre“, erklärt sie augenzwinkernd und mir ist nicht ganz klar, was sie jetzt genau anpreisen will, mich oder ihren Apfelwein. „Möchte der Herr auch ein Gläschen?“ Soll er sich mich jetzt etwa schön trinken?

Alex nickt schmunzelnd und wir bekommen zwei Gläser Cidre. Die Mädchen verabschieden sich, um alleine ein wenig über den Markt zu streifen. Jetzt bin ich plötzlich mit ihm alleine und die Situation überfordert mich total! Ich versuche, Konversation zu betreiben und dabei möglichst cool zu wirken.

„Danke nochmals dafür, dass Sie Lilli von der Party letzte Woche nach Hause gebracht haben. Das war wirklich sehr nett.“

„Kein Problem, danke fürs Hinbringen.“

„Gerne wieder, jederzeit. So eine Arbeitsteilung ist ja sehr praktisch.“ Verzweifelt versuche ich, die Unterhaltung am Laufen zu halten.

Alex prostet mir zu und ich sehe in seine wunderschönen braunen Augen, die in der Frühlingssonne goldene Funken sprühen. Ich drifte in eine schmutzige Fantasiewelt ab, in der ich wieder nackt in seiner Badewanne hocke und er mit mir … Nein!

Ich muss mich zusammenreißen und sofort klare Verhältnisse schaffen. Ich nehme all meinen Mut zusammen.

„Ich möchte nicht über die Badewanne sprechen und ich erwarte, dass Sie das mit keinem einzigen Wort jemals erwähnen, schon gar nicht vor meiner Tochter“, platze ich ohne Vorwarnung heraus.

Er sieht mich scheinbar überrascht an. „Badewanne? Sehe ich etwa aus wie ein Installateur?“

Das gibt’s doch nicht!

„Das genießen Sie wohl sehr?“, beiße ich ihn an und er nickt schmunzelnd. „Ja, stimmt. Ich finde das ziemlich witzig!“

Ich bin kurz vor dem Explodieren, aber bevor ich noch etwas Unhöfliches von mir geben kann, wird Alex versöhnlich, zumindest was den ersten Satz seiner folgenden Ansage betrifft.

„Ich werde Sie natürlich nicht verraten, keine Sorge. Ich … erwarte … mir dafür jedoch im Gegenzug, dass Sie mir erzählen, welchen Job Sie nun wirklich haben: Putzen, sonst wie Freude spenden oder kombinieren Sie das etwa? Wäre vielleicht eine Marktlücke“, meint er frech. „Wie war doch gleich ihr Künstlername? Mirka?“

Jetzt ist der Tritt gegen das Schienbein fällig, ich blitze ihn wütend an, was er mit einem süffisanten Grinsen quittiert. „Also? Raus damit, ich habe Zeit.“

Nun gut, ich eigentlich auch, und er hat ja wirklich ein Recht darauf zu erfahren, was ich in seiner Wohnung verloren hatte. Die Mädchen sind irgendwo, und das werden sie vermutlich länger sein, so beginne ich zu erzählen.

Ich bringe ihn mit dieser Geschichte herzhaft zum Lachen - und damit bin ich in meinem Element. Ich bringe Menschen gerne zum Lachen, auch wenn ich manchmal ein bisschen – sagen wir mal – ausschmücken muss.

Es lohnt sich, denn er hat ein wirklich schönes, mitreißendes Lachen. Unter seinem rechten Auge bildet sich dann ein kleines Grübchen, das richtig süß aussieht und seinen markanten, männlichen Gesichtszügen etwas Lausbubenhaftes verleiht. Und weil ich gerade am Schwärmen bin … dieser Mund! Um seinen Mund liegt ein entschlossener Zug, der mir genau zeigt, dass dieser Mann nicht locker lässt, bis er das bekommt, was er will. Und wenn das ein Kuss wäre … tja, was soll ich sagen, seine Lippen wirken ziemlich einladend.

Alex Crover ist um ein Stück größer als ich, hat breite Schultern und einen gut trainierten Oberkörper, was dank des schmal geschnittenen, weißen Hemdes nicht zu übersehen ist. Dieser Mann ist richtig gut gebaut, genau richtig für mich, denn ich kuschle gerne und seine kräftigen Arme gemeinsam mit dieser einladenden, nicht übertrieben muskulösen Kuschelbrust sind wie dafür gemacht.

„Waren Sie danach noch öfters putzen?“, fragt er und reißt mich damit gerade noch rechtzeitig aus meinen Kuschelfantasien, bevor mir der Sabber aus den Mundwinkeln läuft.

Schnell schüttle ich den Kopf und er brummt ein zufriedenes „Mmhm, gut.“

„So schlecht war ich auch wieder nicht“, versuche ich mich halbherzig zu wehren. War ich aber doch und ich war überglücklich, dass Mirkas Freundin spontan eingesprungen ist und meine Hilfe daher nicht mehr notwendig war.

„Ich sollte mich jetzt wohl bei Ihnen entschuldigen“, sagt er leise, ohne auf meinen Einwurf einzugehen. Er stellt sein leeres Glas auf das kleine Tischchen neben sich und auf den fragenden Blick der Käsefrau, ob sie nochmals nachschenken soll, schüttelt er verneinend den Kopf. „Entschuldigen dafür, dass ich Sie für eine Prostituierte gehalten habe. Ich bekam schon einmal so ein Überraschungspaket ins Haus geliefert und bin daher etwas vorsichtig.“ Es ist ihm sichtlich unangenehm, ich muss grinsen.

„Ein Überraschungspaket? Mit welch eigenartigen Leuten haben Sie denn zu tun?“, rutscht mir heraus.

Er ignoriert diese Frage und blickt gedankenverloren mit leicht gerunzelter Stirn auf das Käseangebot in der Verkaufsvitrine. Sein Schweigen ist unangenehm und deshalb muss ich jetzt irgendetwas sagen. „Mir wäre das wirklich sehr peinlich, wenn Lilli jemals davon erfahren würde.“

„Kann ich mir vorstellen, dass das peinlich wäre“, er konzentriert sich wieder auf mich und sieht mich mit einem schiefen Lächeln an. „Ich verspreche hoch und heilig, dass ich dieses pikante Geheimnis für mich behalten werde, aber ob ich es jemals vergessen kann …“ Er sieht mir plötzlich viel zu tief in die Augen, das ist jetzt total unangebracht und ich werde wieder pampig.

„Dann versuchen Sie es!“, beiße ich ihn an und wende mich Lilli zu, die gerade auf mich zukommt. Ich höre sein leises, vergnügtes Lachen in meinem Rücken. Idiot!

*** Alex ***

Es passiert mir äußerst selten, dass mich jemand überrascht. Aber auf sie war ich nicht vorbereitet, absolut nicht. Im ersten Moment erkannte ich sie gar nicht, mit den offenen, blond gelockten Haaren und der Tochter an ihrer Seite. Ich war auch viel zu beschäftigt damit, sie am Fallen zu hindern. Wäre ich nicht so schnell bei ihr gewesen, wäre sie mit ihrem hübschen Hintern auf der Straße gesessen.

Es war ihr furchtbar peinlich mich zu treffen, natürlich, und ich muss gestehen, dass es auch mir etwas unangenehm war. Aber nur anfangs, dann fand ich die Situation ausgesprochen amüsant. Ich habe sie ein bisschen gereizt und sie hat ihre Krallen ausgefahren, aber nur kurz, da geht noch viel mehr. Diese Frau schwankt permanent zwischen Unsicherheit, Aggression und beinahe kindlichem Übermut, das macht sie unberechenbar und auch etwas mühsam. Für Männer mit einem übertrieben ausgeprägten Jagdinstinkt und viel Zeit kann dieses emotionale Pulverfass durchaus interessant sein, aber ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Um die in mein Bett zu bekommen, bräuchte es mindestens zwei Abendessen, vermutlich sogar mehr. Sie will plaudern, mich näher kennenlernen, Vertrauen fassen, ein bisschen fummeln, und dann … vielleicht … geht endlich was.

Im schlimmsten Fall verliebt sie sich auch noch in mich, das passiert mir andauernd, und ich habe dann Erklärungsbedarf meiner Tochter gegenüber, warum die Mutter ihrer besten Freundin frustriert um mich herumschleicht. Nein, auf dieses Drama kann ich gut verzichten!

Aber, verdammt, da liegt etwas in ihrem Blick, hinter diesem Gefühlswirrwarr, etwas Rätselhaftes und gleichzeitig Vielversprechendes, da komme ich einfach nicht dran vorbei. Irgendetwas hat diese Frau an sich, das mich unruhig macht!

Noch ein Grund, die Finger von ihr zu lassen!

***

Kapitel 5

Am nächsten Tag hole ich Lilli am Nachmittag von der Schule ab. Ich warte auf dem großen Parkplatz vor dem Schulgebäude und telefoniere mit meiner Mutter. Da sehe ich einen großen schwarzen SUV, der sich unweit von meinem kleineren schwarzen SUV einparkt. Der Fahrer lässt die Scheibe hinunter und ich erkenne Alex Crover. Blitzartig werde ich nervös und bin abgelenkt und höre nur mehr mit einem halben Ohr zu, was meine Mutter alles so plappert.

Ich beobachte Alex, der ebenfalls telefoniert und mit seinem Kopf an die Nackenstütze gelehnt dasitzt. Er wirkt genervt und trotzdem weckt er die Schmetterlinge in meinem Bauch und lässt sie in der Frühlingssonne tanzen. Seit unserem Treffen am Markt muss ich mehr an ihn denken, als ich sollte. Genau genommen musste ich schon vorher immer wieder an ihn denken, aber da war er der heiße Unbekannte, der mich in seiner Badewanne erwischt hat, und ich war mir sicher, ihn nie wiederzusehen. Ein Traumgebilde, an das man vor dem Einschlafen denkt, von dem man schwärmen kann, vollkommen ungefährlich, weil es eigentlich nicht real ist.

Nun hat diese Träumerei aber einen Namen und sein Aussehen gemeinsam mit diesem zeitweise wirklich unmöglichen Benehmen, das mich dummerweise unglaublich reizt, hat das Potential, meine Welt total auf den Kopf zu stellen.

Ich will das aber jetzt gerade überhaupt nicht, dass jemand meine Welt auf den Kopf stellt. Ich bin noch nicht mal offiziell geschieden, habe mich gerade erst daran gewöhnt, alleine zu leben, und bin endlich auch gefühlsmäßig wieder im Lot. Und da will ich niemanden in meiner Nähe haben, der mir gefährlich werden könnte. Sex bald mal wieder wäre nett … aber sicher nicht mit dem Vater der besten Freundin meiner Tochter. Und schon gar nicht, wenn er so ist, wie er ist!

Meine Mutter unterhält sich währenddessen blendend mit sich selbst und ich starre ihn mit großen Kuhaugen über den Parkplatz hinweg sehnsüchtig an. Er spürt meinen Blick oder ist es nur Zufall, dass er plötzlich seinen Kopf zu mir dreht? Alex braucht nur einen kurzen Moment, um zu erkennen, wer da sitzt und ihn anschmachtet. Er beendet sein Telefonat und ich meines, wobei ich mir nicht sicher bin, ob meine Mama das mitbekommt. Wir steigen beide aus und schlendern betont lässig aufeinander zu. Er beherrscht das lässige Schlendern sehr gut, ich hingegen tu mir mit meinen hohen Absätzen, die zwar wirklich gut aussehen, aber nicht zum lässigen Gehen gemacht sind, ein bisschen schwer. Der Parkplatz gehört saniert, die Wurzeln der alten Bäume kämpfen sich langsam aber sicher an die Oberfläche, und das ist für jemanden wie mich, der über alles stolpert, was auf der Spur herumliegt, fatal.

„Sie spielen heute auch Schulbus?“, fragt er mich.

„Ja, ich hatte einen Geschäftstermin in der Innenstadt und warte jetzt auf Lilli. Deswegen auch diese Schuhe.“ Mir bleibt die Luft weg, spinn ich jetzt total? Er grinst.

„Ach, tragen Sie sonst keine?“, fragt er und begutachtet interessiert meine Füße.

„Nein, also schon, natürlich, diese sind nur sehr hoch und normalerweise laufe ich nicht nur einfach so mit solchen Absätzen durch die Gegend“, stottere ich dümmlich und suche wieder einmal das rettende Loch im Boden.

Sein Grinsen wird breiter. „Sehn aber gut aus, sexy!“, erwidert er und legt eine Extraportion rauchige Tiefe in das letzte Wort.

Mein Herz macht einen kleinen Luftsprung und ich versuche ein selbstsicheres Lächeln, um die Situation zu retten. „Danke, ihre Jacke gefällt mir auch.“ Himmel, der muss mich für die dümmste Kuh auf Erden halten. Wieso schaffe ich es nicht, einen halbwegs intelligenten Satz herauszubekommen? Sonst bin ich ja auch nicht auf den Mund gefallen!

Bevor er weiter auf meine jämmerlichen Konversationsversuche reagieren kann, läutet sein Handy. Er wirft einen kurzen Blick darauf und runzelt ärgerlich die Stirn. „Nicht schon wieder, will der mich jetzt verarschen?“, murmelt er in seinen Dreitagebart und nimmt das Gespräch an.

Seine Jacke gefällt mir übrigens wirklich gut, sie steht ihm. Schwarzes Leder, bikermäßig, lässt ihn verwegener wirken, als gut für mich ist. Aber muss ich das wirklich sagen? Alex macht ein paar Schritte weg von mir, um in Ruhe zu telefonieren. Nun habe ich etwas Galgenfrist, um mich zu sammeln und den weiteren Verlauf des Gesprächs zu planen.

Muss ich aber nicht, weil die Mädchen kichernd auf uns zukommen.

Die beiden sind ziemlich aufgeregt, und da Sophias Papa telefoniert, überfallen sie mich und erzählen mir unverständlich, weil viel zu schnell, von der geplanten Sportwoche im Mai.

„Das wird toll, wir gehen segeln und inlineskaten.“ Inlineskaten – ich werde unruhig und überschlage auf die Schnelle, wie viele Hochzeiten ich organisieren muss, um den Kieferchirurgen bezahlen zu können. Denn leider hat meine Tochter ebenfalls einen gewissen Hang zur Tollpatschigkeit, wenn auch nicht so ausgeprägt wie ich.

Die Mädchen reden weiter auf mich ein, ich bin allerdings abgelenkt, da Alex mich nun während seines Telefonats aufmerksam mustert. Als ich seinen Blick erwidere, lächelt er mir leicht zu. Sein Ärger über den Anrufer scheint verflogen und er dürfte alles wieder im Griff haben. Mein Puls wird unruhig und ich senke meine Augen schnell auf den Boden, wie ein nervöses Schulmädchen, und komme mir furchtbar idiotisch dabei vor.

Er beendet sein Gespräch, stellt sich neben seine Tochter und gibt ihr einen Klaps auf den Po. „Ab nach Hause, Krabbe!“

Krabbe? Nein, wie süß ist das denn! Sophia dürfte dieser Kosename allerdings ziemlich peinlich sein, sie zuckt zusammen und verdreht gequält die Augen. Alex zwinkert mir von Vater zu Mutter verschwörerisch zu, er weiß genau, dass dieser Name seine Tochter nervt und genießt diese kleine väterliche Machtdemonstration.

Mein Herz klopft inzwischen schneller, als es gesund ist, und ich kann es in meinem ganzen Körper spüren. Ich muss da weg. Ich verabschiede mich und folge Lilli eilig zum Auto.

Kapitel 6

„Also, das ist doch schön.“ Liz sieht mich mit zusammengekniffenen Augen kritisch an, was mir deutlich sagt, dass sie das soeben Gehörte alles andere als schön findet.

„Ich finde das ziemlich idiotisch, du willst ihn wirklich zurücknehmen?“ Hanna kann sich natürlich nicht zurückhalten und nimmt wie immer kein Blatt vor den Mund.

„Ich nehme ihn nicht zurück, er wohnt einfach nur hin und wieder bei uns“, erkläre ich zum hundertsten Mal. Sie wollen einfach nicht verstehen, dass Jürgen nicht fix bei uns einzieht, sondern nur ein paar Tage mit Lilli verbringen möchte. Er tritt bald seinen neuen Job in Washington an und kann seine Tochter dann für die nächsten zwei Jahre seltener sehen. Jürgens Freundin wird mit ihm nach Amerika übersiedeln, scheint doch etwas Ernstes aus dieser Affäre geworden zu sein – tja, schön für ihn.

„Hanna, sie kennt ihn seit zwanzig Jahren, diese gemeinsame Zeit gibt man nicht einfach so auf. Da ist man sich doch sehr nahe und freundschaftlich verbunden“, erklingt Liz‘ Stimme.

Hanna wiegt nachdenklich ihren Kopf von einer Seite auf die andere. „Es sind nur achtzehn Jahre und sie liebt ihn offensichtlich nicht mehr, hat sie uns ja mehr oder weniger deutlich erklärt. Und nun nimmt sie ihn doch zurück? Ist doch auch ihm gegenüber etwas unfair.“ Sie zieht ihre Nase kraus. „Das ist oft das Problem bei Frauen, die eine lange Ehe hinter sich haben. Sie trauen sich nicht, diesen letzten Schritt zu gehen, das Leben wieder alleine zu bestreiten, auf eigenen Beinen zu stehen.“

„Unsere Eva könnte das“, sagt Liz entschieden. „Ich denke nicht, dass sie sich nicht traut. Sie ist Mutter, Hanna, und als solche hat sie auch Verantwortung für die kleine Lilli! Und Lilli freut sich sicher, ein paar intensive, schöne Tage mit ihrem Papa verbringen zu können, wo er dann doch sooo lange weg ist.“

Hanna grunzt verächtlich. „Die kleine Lilli ist vierzehn, sie ist kein Baby mehr und wird es überleben. Ihre Eltern würden sich ja nicht im Streit trennen, Lilli verliert ihren Vater nicht, er war ja sowieso kaum da in den letzten Jahren!“

Ich sitze zwischen den beiden und höre dieser Diskussion etwas desinteressiert zu, als ob es um irgendjemanden gehen würde, den ich nur entfernt kenne. Sie scheinen mich auch komplett vergessen zu haben.

„Und eines musst du auch bedenken!“ Hanna tut jetzt furchtbar wichtig. „Unsere Eva ist sechsunddreißig Jahre alt und irgendwann wird’s auch wieder mal Zeit für richtig guten Sex, der ist ja ziemlich sicher in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Jetzt kann ich es ja ehrlich sagen, Jürgen scheint mir nicht gerade die größte Wummer unter der Sonne zu sein!“

Ich wache aus meiner Lethargie auf. Die größte Wummer unter der Sonne?

„Was ist denn bitte eine Wummer?“, stellt Liz meine Frage.

Hanna fuchtelt mit ihren Händen in der Luft herum. „Du weißt schon, was ich meine, guck mal da hinüber.“ Sie deutet auf einen Tisch unweit von uns, da sitzen zwei Männer, einer davon ziemlich knackig. „Der ist eine Wummer.“

„Du hast das Wort gerade erfunden, oder? Ein total blöder Ausdruck!“, regt sich Liz auf, riskiert aber einen zweiten und dritten Blick auf den Männertisch.

„Nur weil er gut aussieht, muss er noch lange nicht gut im Bett sein“, mische ich mich in das Gespräch ein, die beiden erstarren und sehen mich an, als wäre ich eine Geistererscheinung. Ach, du auch noch da?

Während ich das sage, taucht ein beunruhigendes Bild vor meinem geistigen Auge auf. Wieso, bitteschön, muss ich jetzt an Sophias Papa denken? Ich denke lieber unter dieser Bezeichnung an ihn, denn Sophias Papa klingt wesentlich ungefährlicher als Alexander Crover. Das klingt nämlich nach … na ja … eben nach einer wirklich guten Wummer. Ich muss lachen, und das klingt so verzweifelt, dass Hanna und Liz mir gleichzeitig über die Wangen streichen und sich einen mitleidigen Blick zuwerfen.

„Es sollte bei einem Mann nicht nur um das Eine gehen“, tadelt Liz. „Es kommt auf die inneren Werte an, auch wenn unsere gute Hanna das vermutlich nicht so sieht.“

Hanna grinst breit. „Ja, da hat unsere gute Liz allerdings recht, die gute Hanna sieht das nicht so, weil die gute Hanna im Moment Single aus Überzeugung ist und das Leben genießt. Und da gehört eben auch das Eine dazu. Deshalb, meine süße Eva …“, sie schnappt sich meine Hand und drückt sie fest, „… solltest du dir wirklich gut überlegen, wie du den Rest deines Lebens verbringen willst.“

Sie trinkt ihren Kaffee aus. „Apropos, deinen Badewannenflirt hast du nicht mehr gesehen?“

Wie kommt sie jetzt auf ihn?

Ich habe dieses Geheimnis nicht gelüftet, wenn ich erzähle, dass dieser Mann der Vater der besten Freundin meiner Tochter ist, habe ich keine Ruhe mehr von den beiden. Nein, das dürfen sie, besonders Hanna, nie erfahren!

Die zwinkert mir gerade verschwörerisch zu. „Der hat dir doch offensichtlich ziemlich gut gefallen und vielleicht solltest du nochmals putzen gehen, du weißt ja, wo er wohnt. Gönn dir mal was, bevor du wieder in das strenge Eheleben zurückkehrst!“

„Ich kehre nicht zurück, wieso kapiert ihr das nicht?“, pfauche ich, es reicht jetzt wirklich. „Jürgen wird einfach ein paar Tage bei uns wohnen, als Gast sozusagen. Seine Freundin übersiedelt mit ihm, da ist nichts mehr zwischen uns, endgültig aus! Ich nehme ihn nicht zurück und er will auch gar nicht zurück!“

„Ist ja gut, Schätzelchen, wenn du das sagst“, versucht Hanna mich zu beruhigen und tätschelt meine Hand, „aber du solltest dich wirklich mal nach einem netten Mann umsehen um wieder mal … du weißt schon …, das lockert dich auf und danach fühlst du dich wieder mehr als Frau und nicht nur als Mutter.“

Ich seufze, prinzipiell hat sie ja recht. Mein Frausein ist in den letzten Jahren ja wirklich etwas zu kurz gekommen. Woran ich selbst nicht ganz unschuldig war, denn Sex ist für mich immer nur eine Sache gewesen, die man eben so macht. Natürlich hat es mir Spaß gemacht, aber so richtig abgegangen bin ich unter Jürgen nie. Zumindest nicht so, wie man in vielen Romanen lesen kann. Aber das Leben ist nun mal kein erotischer Liebesroman und mein Mann war nie der heiße Draufgänger, der mich alleine durch einen tiefen Blick in Verzückung geraten ließ. Was ihm anscheinend bei seiner neuen Vanessa vorzüglich gelingt …

Aber genug davon, ich stehe auf und jede bekommt von mir ein Küsschen auf die Wange. „Ich hab euch lieb, ihr verrückten Hühner“, sage ich leise und setze mich wieder. Beide sehen mich etwas verwundert an. „Ich zahle, ihr seid eingeladen, und dann muss ich Lilli holen.“

Dass die gerade bei der Tochter meiner ganz persönlichen Wummer sitzt, verrate ich natürlich nicht! Und irgendwie hoffe ich, dass die Mädels alleine sind und ich ihm nicht begegnen muss.

Meine Bitte wird leider nicht erhört, wir kommen ziemlich zeitgleich vor der Wohnung an. Kurz lächelt er mir zur Begrüßung zu und dann gibt er seiner Tochter einen Kuss auf die Wange, das ist süß. Ich finde, er ist ein toller Papa, was mich nun ziemlich zum Schwitzen bringt. Ich bin mir gar nicht bewusst, dass ich ihn so anstrahle, viel zu spät merke ich, dass ich von einem Ohr zum anderen grinse. Er grinst zurück, zieht sich sein Sakko aus und lockert seinen Krawattenknoten. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen. Er will mich provozieren und ich werde auch prompt nervös. Ich weiß nicht, was ich mit meinen Augen und Händen anfangen soll und begutachte daher interessiert die Vorzimmerleuchte und spiele hektisch mit meinem Armband herum.

„Wie war Ihr Tag?“, fragt er plötzlich und ich kann ihn nicht länger ignorieren. Er nimmt gerade seine Krawatte ab, rollt sie beinahe zärtlich zusammen und legt sie auf das Tischchen neben sich. Meine Atemzüge werden flacher. Himmel, was soll man von einem Mann halten, der schon bei diesen einfachen Handgriffen Lust auf mehr macht? Dann krempelt er auch noch betont langsam seine Hemdsärmel auf und ich kann seine kräftigen, sehnigen Unterarme bewundern. Die feinen, dunklen Härchen darauf sieht man nur, wenn man genau hinguckt, und das tu ich gerade! Ich kenne Männerstriptease, alle Varianten habe ich schon für diverse Feiern gebucht, aber Alex Crover, der eine alltägliche Bewegung zu etwas ganz Besonderem werden lässt, kitzelt gerade ziemlich an meinen erogenen Zonen. Und deshalb habe ich seine Frage nach meinem Tag längst schon wieder vergessen.

„Aufregend? Sie sehen etwas mitgenommen aus.“

Ich schnappe erschrocken nach Luft, fragt der mich jetzt allen Ernstes, ob ich seinen Anblick aufregend finde? Ist mir dummer Nuss das so deutlich anzusehen?

„Ihr Tag …“, hilft er mir geduldig weiter, als ich nicht gleich antworte. „Sie wirken etwas mitgenommen, war er so stressig?“

Ach Gott, mein Tag! Gedanklich wische ich mir den Angstschweiß von der Stirn. „Ja, sehr viel zu tun“, murmle ich.

„Möchten Sie vielleicht ein Glas Wein mit mir trinken, zur Entspannung, bis die Mädchen sich voneinander trennen können?“, fragt er leise und lächelt einladend.

NEIN! Ich will mich nicht entspannen, kann mich in seiner Gegenwart auch gar nicht entspannen! Ich lehne umgehend ab.

„Vielleicht ein anderes Mal“, meint er einfach und sein Bedauern scheint sich in Grenzen zu halten. Endlich kommt Lilli und erlöst mich und wir sind in null Komma nichts aus der Wohnung draußen. Das Glas Wein brauche ich heute Abend aber noch, alleine!

*** Alex ***

„Lilli und ich wollen am Samstagabend eine Geburtstagstorte für einen Schulkollegen backen“, erklärt Sophia mir beim Abendessen.

Ich bekomme einen Schreck. „Aber nicht in unserer Küche, oder?“

Meine Küche ist mir heilig, die absolute Luxusvariante einer Küche, hier wird das Kochen zu einem sinnlichen Erlebnis. Vielleicht nicht gerade für meine Mutter, wenn sie ihre etwas fantasielosen Eiernockerln macht, aber für mich! Ich koche, um mich zu entspannen, und das wirklich gut. Ich gebe mich aber nicht mit dem alltäglichen Zeugs, das alleine der notwendigen Nahrungsaufnahme dient, zufrieden. Ich bin ein Künstler am Herd, ein Poet, ich komponiere Speisen, um den Gaumen zu verwöhnen und meiner Familie und den Gästen unaussprechliche Freude zu bereiten. Nein, ich bin nicht eingebildet und ich übertreibe auch nicht. Vielleicht ein bisschen, aber es schmeckt!

Sophia kennt meine Einstellung und beruhigt mich sofort. „Bei Lilli daheim, keine Sorge. Eva hat nämlich eine normale Beziehung mit ihrem Herd.“

Meine Kleine wird immer frecher!

„Holst du mich danach ab? Wenn wir nicht ganz fertig sind, kannst du ja noch mit Eva plaudern.“

Mit Eva plaudern? Eher nicht, denn beim letzten Mal war die Gute etwas wortkarg und ich hab ja nicht ewig Zeit, um ihr einen vollständigen Satz herauszukitzeln. Und eigentlich hätte ich Samstag etwas weitaus Interessanteres vor …

„Hast du nicht vielleicht Lust, dort zu übernachten?“, rutscht mir raus und Sophia wird sofort misstrauisch. Keine Frau durchschaut mich so schnell wie meine Tochter. Genau genommen ist sie die einzige, die mich durchschaut. Und trotzdem versuche ich immer wieder, etwas vor ihr zu verheimlichen.

„Ich treffe mich mit einer Bekannten und wenn du bei Lilli schläfst … na ja, das wäre irgendwie praktisch“, druckse ich herum. Deutlich gesagt, ich möchte diese Nacht nicht in meinem Bett und vor allem nicht allein verbringen, und das geht natürlich nicht, wenn Sophia daheim schläft und ich sie noch dazu von den Laitners abholen muss.

Sophia fällt die Kinnlade hinunter.

„Sie ist zufällig in Wien, ich kenne sie aus Berlin und wir wollten essen gehen oder so, wenn sie schon mal da ist. Ganz zwanglos, kenne sie schon lange und … tja, am Sonntag ist sie ja wieder weg. Habe Monika – so heißt sie – bei einem Kongress kennengelernt, vor Jahren.“ Ich rede und rede, das typische Verhalten eines Mannes mit schlechtem Gewissen. Ich weiß das und tu es trotzdem.

Meine Tochter ist offensichtlich ziemlich empört und funkelt mich wütend an. „Du glaubst nicht wirklich, dass ich mich bei Lilli und Eva einquartiere, nur damit du in Ruhe mit einer Freundin rummachen kannst?“

Okay, das war jetzt wirklich zu frech und ich sollte ihr mal wieder die Grenzen zeigen. Unwillig ziehe ich meine Augenbrauen zusammen und hoffe, dass mein strenger Blick sie beeindruckt.

„Krabbe, pass auf, was du sagst“, knurre ich. „Ich mache nicht rum!“

„Ist doch wahr, das kannst du vergessen!“, beißt sie mich völlig unbeeindruckt an.

Ich lehne mich in den Sessel zurück und verschränke die Arme. „Was ist los, Stress in der Schule?“, frage ich etwas sanfter. Ich kann nicht verstehen, warum Sophia dermaßen überreagiert. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich ein Rendezvous habe. Meine Tochter und ich haben ein stilles Übereinkommen, ich bringe meine Verabredungen nie mit nach Hause, aber ich kann doch wohl ausgehen, wann und mit wem ich will!

„Nein, alles okay, ich wünsch dir viel Spaß bei deinem Date“, brummt Sophia angefressen und springt auf, um in ihr Zimmer zu marschieren.

„Krabbe, das ist kein Date, einfach ein Abendessen!“, ruf ich ihr nach. Wie blöd bin ich eigentlich? Meine Tochter ist kein Baby mehr, natürlich weiß sie, was das ist!

„Du weißt echt nicht, was gut für dich ist!“, höre ich sie noch schimpfen. Ihrer Meinung nach sollte ich mich wohl mehr mit Lillis Mama befassen, ich muss ihr das austreiben, diese Kuppelei nervt!

***

Kapitel 7

„Mama, musst du zufällig heute in den Drogeriemarkt? Könntest du mir bitte etwas mitbringen?“

„Mhmh, Zahnpasta, Duschgel? Was brauchst du?“, frage ich, während ich mir großzügig Honig über mein Frühstücksjoghurt träufle.

„Kondome, vielleicht mit Geschmack oder Glitzer. Weißt du, ob es da etwas Witziges gibt? Sophia und ich haben leider keine Zeit mehr, im Internet zu bestellen.“

Mir fällt beinahe der Löffel aus der Hand und ich starre meine Tochter schockiert an. Ich präsentiere mich gerne als lockere, weltoffene, durch nichts zu erschütternde Mutter, aber im Moment bin ich das genaue Gegenteil davon. Lilli macht sich beinahe in die Hosen vor Lachen.

„Es ist ein Geburtstagsgeschenk für Bernie. Uns fällt nichts anderes ein, wir finden das lustig“, klärt sie mich auf.

Lustig? Na, ich weiß nicht! Aber trotzdem bin ich erleichtert.

„Vielleicht solltet ihr da lieber Sophias Papa losschicken, er ist ja immerhin ein Mann.“ Und was für einer! „Er hat vielleicht mehr Ahnung davon.“

Lilli verdreht die Augen. „Sophia meinte, ihr Papa ist da ein bisschen verklemmt. Er hätte Angst, dass das für sie ist und würde ihr dann die Hölle heißmachen.“

Verklemmt? Ich verschlucke mich beinahe an einem Stück Banane!

Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass dieser Mann ein Problem mit Sex hat. Obwohl, wenn es um sein Töchterchen geht, hat er vermutlich ein gewaltiges damit. Man weiß ja, wie das so ist, mit Vätern und Töchtern!

„Warum besorgt ihr euch das nicht selbst?“

„Ist irgendwie total peinlich, stell dir vor, wir treffen einen Lehrer oder so …“

„Und was ist, wenn ich jemanden treffe … oder so? Mir ist das auch peinlich! Stell dir vor, ich begegne einem meiner Auftraggeber mit einer Packung Extrafeucht in der Hand?“ Wir prusten beide los.

„Du bist eine erwachsene Frau und außerdem fast schon geschieden, da ist das nicht peinlich“, versucht mich Lilli zu beruhigen.

„Eben, bald geschieden. Da ist das total peinlich. Jeder denkt, ich habe nur drauf gewartet, endlich …“ Ich stocke, denn das sollte ich jetzt wirklich nicht mit meiner Tochter besprechen. Lilli grinst breit und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Die Kinder sind heutzutage einfach schon viel weiter als wir früher waren …

Kurze Zeit später stehe ich, ganz dienstbeflissene Mutter, im Drogeriemarkt und begutachte vermutlich eine Spur zu interessiert das Angebot. Wann habe ich das letzte Mal Kondome gekauft? Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Habe ich überhaupt jemals welche gekauft? Ich hatte mit sechzehn meinen ersten Freund, das war aber nur so eine harmlose Händchenhalte- und Schmusegeschichte. Danach kam Jürgen, den habe ich geheiratet, und bald war auch schon Lilli am Weg.

Da schießt mir ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf: Ich habe nie mit einem anderen Mann als mit Jürgen geschlafen, und da ich jetzt bald geschieden bin, habe ich vielleicht nie wieder in meinem ganzen Leben Sex! Wer weiß, ob ich noch einen Mann finde, der …

„Na, was planen Sie denn noch Aufregendes heute?“

Ich bin einer Ohnmacht nahe. Jeder normale Mensch würde vermutlich weitergehen, mich ignorieren und nicht ansprechen, um mir diese Peinlichkeit zu ersparen. Aber ich muss den Einzigen treffen, dem offensichtlich all diese Höflichkeitsregeln fremd oder schlichtweg egal sind und der mich mit Genuss auffliegen lässt.

Alex genießt es sichtlich, wie ich hier stehe, nach Luft schnappe und ihn schockiert ansehe. Er greift lässig an mir vorbei in das Regal und zieht eine Packung mit … ich will mir das jetzt gar nicht näher ansehen … heraus.

„Die sind zu empfehlen, gerippt“, er zwinkert mir verschwörerisch zu.

Kurz überlege ich, ob ich mir meine kleine Rache gönnen sollte. Denn ich müsste nur wie nebenbei erwähnen, dass das Verhüterli für seine Tochter ist, und dieses dumme Grinsen würde vermutlich ziemlich schnell aus seinem Gesicht verschwinden. Ich tu es aber nicht, so gemein bin ich nicht.

„Mir macht eher die Größe Sorgen“, murmle ich stattdessen und lasse meinen Blick frech lange auf seinem Schritt liegen, als ob ich in Gedanken meine Vergleiche ziehen würde. Und dieser Blick fordert mir einiges ab, denn Alex Crover ist auch im entspannten Zustand ziemlich gut gebaut.

„Für besonders Gesegnete gibts ja auch XXL.“ Er greift nochmals an mir vorbei und eine zweite Packung landet in meinem Einkaufskorb. Dann blickt er auf seine Armbanduhr. „Ich sollte jetzt aber weiter, wollte nur schnell … Zahnpasta … besorgen“, erklärt er und lacht leise und ziemlich dreckig.

„Danke für Ihre kompetente Beratung“, kann ich mir nicht verkneifen.

„Immer gerne, der Mann mit Erfahrung hilft, wann immer er kann.“

Bevor Alex sich umdreht, sehe ich noch ein lausbubenhaftes Funkeln in seinen Augenwinkeln. Mir kommt ein kleiner, sehnsüchtiger Seufzer aus, den er glücklicherweise nicht mehr hören kann, da er schon im nächsten Gang verschwunden ist.

*** Alex ***

Die Süße ist knallrot geworden, als ich sie erwischt habe. Natürlich hätte ich einfach vorbeigehen und sie in Ruhe lassen können, aber das liegt einfach nicht in meiner Natur. Wenn mich etwas reizt, und das tut diese Frau zunehmend, vergesse ich gerne mal auf die üblichen Höflichkeitsregeln. Ich kann es nicht glauben, wie schon damals in meiner Badewanne, wie kann eine Frau in diesem Alter so dermaßen unschuldig wirken und sich so schnell und leicht aus der Fassung bringen lassen? So unschuldig, wie sie gerne tut, kann sie aber nicht sein, denn sie hat ja offensichtlich einiges vor, nun nach ihrer Trennung. Sie deckt sich sicherheitshalber schon mal ein.

Ihr Blick auf meine Hose, der wirklich länger als notwendig war, hat mich allerdings kurzzeitig in Bedrängnis gebracht. Ich will mich nicht selbst loben, aber ich kann Frauen durchaus glücklich machen, wenn ich will. Eva würde staunen, was sie ohne Hose zu sehen bekäme, und die Frage nach der Größe hat durchaus ihre Berechtigung!

Aber ihre Augen auf meinem Schritt und dieses kurze, gierige Aufflackern darin … das war schon heiß!

Ich fand die Begegnung im Drogeriemarkt ziemlich unterhaltsam und habe es wieder mal genossen, die brave Eva ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Sie schafft es aber doch immer wieder mir Paroli zu bieten, was das Vergnügen an der Sache noch erheblich steigert.

Ein Vergnügen, das mir allerdings bald vergeht! Als ich abends heimkomme, höre ich, wie meine liebe Tochter mit Lilli telefoniert.

„Hat deine Mama sie besorgt? XXL mit Tropic-Geschmack? Das muss ja eklig sein, wer leckt da bloß dran?“

Ich bekomme blitzartig einen heißen Kopf und eine riesengroße Wut auf Eva, die so unschuldig tut und meiner Tochter Kondome besorgt! Das kann kein Zufall sein, denn den tropischen Geschmack habe ich ihr in den Einkaufswagen geschmissen. Ich Depp!

Ich überlege, was ich tun soll. Gleich meine Tochter zur Schnecke machen oder lieber zuerst diese unschuldig dreinschauende Frau Laitner. Die mir blöd ins Gesicht grinst, gierig ihren Blick in meine Hose bohrt und mit keinem Wort verrät, für wen die Gummis eigentlich sind.

Ich beschließe zuerst Eva fertig zu machen, die wird sich dann in Zukunft von meiner Tochter fernhalten. Wenn Sophia Verhütungsmittel bekommt, dann alleine von mir, ihrem Vater! Und garantiert nicht jetzt schon, mit vierzehn! Und ich will wissen, wer der geile Typ ist, der sich an mein kleines Mädchen heranmacht. Wenn ich mit dem fertig bin, ist XXL für ihn kein Thema mehr!

Und warum hat sie nicht das Vertrauen, damit zu mir zu kommen? Warum bittet Sophia eine fremde Frau, für sie in den Drogeriemarkt zu gehen und ihr Kondome zu besorgen? Ich bin zutiefst gekränkt, aber erst einmal muss ich meinen Zorn an Lillis Mutter auslassen. Ab sofort nix mehr mit Eva, sie ist nur mehr Lillis Mutter, eine wichtigtuerische, lästige, verlogene Muttertussi und sonst nichts!

Und meinen Schwanz wird diese Frau nie im Leben zu Gesicht bekommen! Auch wenn ihr da wirklich etwas entgeht.

***

Ich sitze mit Liz, die sich spontan selbst eingeladen hat, und Lilli gerade beim Abendessen, als mein Handy läutet. Alex Crover! Eigentlich sollte ich nicht abheben, wir sind beim Essen, und nach seinem Auftritt in der Drogerie habe ich überhaupt keine Lust auf eine Unterhaltung. Aber erwähnte ich schon mal meine beinahe krankhafte Neugierde? Ich entschuldige mich kurz und verschwinde in mein Arbeitszimmer. Ich muss wissen, was er will.

Alex sagt nicht mal Hallo, er schimpft sofort los. Im ersten Moment kenne ich mich überhaupt nicht aus, was der Kerl eigentlich für ein Problem hat.

„Wie können Sie es wagen, mir einfach so ins Gesicht zu lügen? Hat es Ihnen Spaß gemacht, mich dermaßen hinters Licht zu führen? Stellen Sie sich mal vor, Sie wären an meiner Stelle gewesen und hätten mich beim Kondomkaufen für Ihre Tochter ertappt? Wie hätte Ihnen das gefallen? Wie kann man nur so unschuldig tun und doch so abgebrüht sein?“

Er schnappt aufgebracht nach Luft und ich nutze diese kurze Pause, um auch mal etwas zu sagen. „Wovon reden Sie bitte?“, frage ich möglichst ruhig.

„Wovon ich rede? Davon, dass sie meine vierzehnjährige Tochter, die genau genommen noch ein Kind ist, irgendeinem pubertierenden Testosteronbeutel zum Fraß vorwerfen! Sie haben sich nicht in meine Familienangelegenheiten einzumischen. Halten Sie sich gefälligst raus!“

Langsam verstehe ich. Er glaubt tatsächlich, ich bin in die Drogerie marschiert, um unseren Töchtern mal kurz hinter seinem Rücken ein paar Kondome zu besorgen, XXL mit Tropicgeschmack! Wie lächerlich, als würde ich so etwas tun! Ich bin doch selbst froh, wenn meine Tochter keinen Jungen ansieht, was ich aber in ihrem Alter nicht mehr verhindern kann! Der Mann ist offensichtlich nicht nur stinksauer auf mich, sondern auch gekränkt. Er fühlt sich von seiner Tochter hintergangen. Er denkt, Sophia vertraut mir mehr als ihm. Er ist ein Vater, ein wütender und enttäuschter Vater, und dafür habe ich absolutes Verständnis.

„Die Kondome sind ein Geburtstagsgeschenk für einen Klassenkollegen und weil es ihnen selbst peinlich war, hat Lilli mich gebeten, sie zu besorgen“, versuche ich ihn zu beruhigen.

Alex sagt nichts und so rede ich einfach weiter. „Sophia wollte Sie damit nicht belästigen, Sie haben viel zu tun und ich hatte Zeit, deshalb hat Lilli mich gefragt. Das ist keine große Sache und ich bin sicher, wenn Sophia einen Freund hätte, wüssten Sie es. Sie sind ein toller Papa, ihr habt eine ganz besondere Beziehung zueinander, sie vertraut Ihnen. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“

Er schnauft durchs Telefon. „Ich habe da jetzt wohl etwas überreagiert“, murmelt er betreten.

„Ein bisschen vielleicht, aber durchaus verständlich!“

„Ein Geburtstagsgeschenk? Ist das für denselben, der den Kuchen bekommt?“, fragt er.

„Ja, Bernie ist ein netter Junge, ich kenne ihn seit dem Kindergarten und ich denke nicht, dass er eine Gefahr für unsere Mädchen darstellt. Sie nennen ihn Bärchen und er ist ein gutmütiger Kerl, hilfsbereit, lustig, ein wirklich guter Freund.“

„Na, hoffentlich weiß er dann auch, was er mit dem Zeugs anfangen soll.“

Ich muss kichern. „Hoffentlich weiß Bärchen das nicht“, erwidere ich und er lacht leise, was mir blitzartig eine Ganzkörpergänsehaut beschert. Macht er das eigentlich absichtlich oder lacht er wirklich so sexy? Weiß er, was er damit meinem Körper antut?

„Ja, allerdings.“

Ich halte erschrocken die Luft an, denn manchmal passiert es mir, dass ich meine Gedanken laut ausspreche, ohne es zu merken. Also, auf was war dieses „Ja, allerdings“ jetzt eigentlich die Antwort? Eine Weile ist es still zwischen uns.

„Hoffen wir, dass Bärchen es als Wasserbombe benutzt“, sagt er da und mir fällt ein Stein vom Herzen.

„Ich habe Sophia telefonieren gehört, darüber, und da bin ich etwas nervös geworden. Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie gleich so angefahren habe. Es wäre besser gewesen, zuerst mit meiner Tochter zu reden.“

„Vermutlich, aber dieses Telefonat bleibt unter uns und Sie können jetzt noch immer mit ihr sprechen.“

„Sie ist vierzehn, irgendwann hat sie einen Freund und ich werde ganz nervös bei dem Gedanken, dass da so ein Typ mit meiner Kleinen herummachen will. Ich weiß ja, wie das abläuft. Bin ja selbst einer von denen … gewesen“, knurrt er, „und ich will nicht, dass sie verletzt wird. Sie ist noch nicht so weit, sie ist ja noch ein Kind. Wann hatten Sie Ihren ersten Freund?“, fragt er plötzlich.

Ohne nachzudenken, antworte ich ehrlich. „Mit sechzehn, das war aber nur so eine Händchenhaltegeschichte!“

Er seufzt ins Telefon. Bedauert er mich jetzt etwa, dass ich so spät dran war oder ist er einfach froh, dass er ziemlich sicher noch ein Weilchen die Nummer 1 bei seiner Tochter sein darf?

„Sophia ist ein tolles Mädchen und sie wird alles, was es zu besprechen gibt, mit Ihnen besprechen. Davor!“

„Und wenn es mir peinlich ist, darf ich sie zu Ihnen schicken?“

In diesem Moment mag ich ihn richtig gerne. Mir wird ganz warm ums Herz und ich verdränge sein zeitweise so respektloses, anzügliches Benehmen. Er ist ein wunderbarer Vater, der die gleichen Ängste wie ich hat und sich bei all seiner Coolness nicht zu schade dafür ist, das auch zuzugeben.

„Natürlich dürfen Sie das, aber ich wette, das wird nicht nötig sein.“

„Weil Sophia Vertrauen zu mir hat oder mir nichts peinlich ist, Ihrer Meinung nach?“, fragt er neckend. Mir wird noch wärmer ums Herz und ich sollte dieses Telefonat schnell beenden.

„Vermutlich beides“, grummle ich.

„Danke, Eva“, sagt er leise und legt auf.

„Wer war das?“, fragt Lilli neugierig, als ich endlich wieder ins Esszimmer zurückkehre.

„Nichts Wichtiges.“

Was für eine Lüge!

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739478302
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
romantisch Alleinerziehende Mutter Bad Boy Leidenschaft sexy Herz Spannung Familie Liebe Humor

Autor

  • Mara Waldhoven (Autor:in)

Mara Waldhoven ist das Pseudonym einer österreichischen Autorin. Ihre sexy Liebesromane handeln von leidenschaftlichen, starken Frauen, die Lust am Leben und an der Liebe haben, und sind auch für diese geschrieben. Geschichten mit viel Gefühl, Witz und einer scharfen Prise Erotik. Und da die unheilbare Romantikerin davon überzeugt ist, dass sich jedes Abenteuer ein Happy End verdient, wird es das in ihren Büchern auch immer geben.
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Titel: Kein braves Mädchen