Lade Inhalt...

IKIGAI - Die japanische Philosophie eines erfüllten und glücklichen Lebens

Schritt für Schritt zum Ikigai und dabei Selbstfindung, Resilienz und die eigene Persönlichkeitsentwicklung meistern.

von Johannes Lichtenberg (Autor:in)
100 Seiten

Zusammenfassung

Stress, Zukunftsängste, Selbstzweifel, ständiges Grübeln und negative Gedanken - IKIGAI (jap. Lebenssinn) ist die Lösung dagegen!

Nutze diese jahrhundertealten Weisheiten der Japaner, um mit Leichtigkeit mehr Glück, Gelassenheit, Zufriedenheit und Lebensfreude in dein Leben zu bringen.

Bestimmt kennst du folgende Situation: du quälst dich morgens aus dem Bett, machst dich hastig fertig und machst dich auf den Weg zur Arbeit. Dort angekommen widmest du dich den selben langweiligen Aufgaben, wie am Tag zuvor und ärgerst dich schon wieder über deine nervigen Kollegen.

Nach der Arbeit kommst du schlecht gelaunt Zuhause an, machst es dir vor dem Fernseher gemütlich und fragst dich: war das schon alles? Soll so mein ganzes Leben aussehen?


Wenn du…
…unzufrieden mit deiner aktuellen Situation und dir selbst bist.
…es satt hast, jeden Tag im Hamsterrad auf der Stelle zu treten.
…dir ein glückliches, sorgenfreies und stressfreies Leben wünscht

Dann entdeckst du mit diesem Buch Schritt für Schritt dein Ikigai und damit deine Lebensfreude, dein Glück und deine Zufriedenheit im sonst so stressigen Alltag.

Dieser praxiserprobte Ratgeber bietet dir den idealen Leitfaden, um die fernöstlichen Lehren umzusetzen und in deinem Alltag zu integrieren.


So wirst du schon in wenigen Wochen...
…nerviges Grübeln stoppen und dir nicht über alles mögliche den Kopf zerbrechen.
…negative Gedanken aus deinem Leben verbannen und innere Blockaden effektiv lösen.
…mehr Freude und Glück in dein Alltag bringen, sodass du ein erfüllteres Leben führst.
… die japanischen Lehren des Ikigai direkt in der Praxis anwenden. …und noch vieles mehr!

Sichere dir heute dein Exemplar und nutze die kraftvollen Lehren des Ikigai für mehr Gelassenheit, Resilienz, Glück, Lebensfreude und Erfolg in deinem Leben!


Dein Johannes

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt


 

Vorwort

Unser Geschenk an dich!

Kapitel 1: Ikigai - Einführung in die japanische Lebensphilosophie

Die Suche nach dem Sinn des Lebens

Kurzdefinition: Was ist Ikigai überhaupt?

Die fünf Kerngedanken des Ikigai

Ikigai in vier Teilen: Die Schnittmenge des Glücks

Kapitel 2: Ursprung und Entwicklung der Ikigai Philosophie

Kapitel 3: Grundlagen und Ziele der Ikigai Methode

Kapitel 4: Von Wabi-Sabi, Kintsugi und Kodawari

Wabi-Sabi: Die Ästhetik des Unvollkommenen

Kintsugi: Der Wert des Zerbrochenen

Kodawari: Beharrlichkeit und Engagement

Kapitel 5: Die Vorteile - Warum sich jeder Schritt zum Ikigai lohnt

Kapitel 6: Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ikigai

Japan: Alter, Stresslevel und Gesundheit im Vergleich

Die Oshaki Studie

Umfrage: Was macht Ikigai aus?

Kapitel 7: Selbsttest - Lebst du dein Ikigai?

Auswertung und Ergebnisse

Kapitel 8: 9 Grundlagen für ein sinnerfülltes, zufriedenes Leben

Kapitel 9: Dein Ikigai finden

Erste Arbeit mit dem Ikigai Modell

Die vier Blätter zum Blühen bringen

Ikigai Modell: 5 Tipps für die Praxis

Kapitel 10: Praktische Übungen auf deinem Weg zum Ikigai

Der entspannte Umgang mit Veränderungen

Radikale Akzeptanz - Loslassen in der Gegenwart

Achtsamkeit - Das Sein im Hier und Jetzt

Selbstreflektion

Vergangenheitsarbeit - Loslassen der Vergangenheit

Angstbewältigung - Loslassen der Zukunftssorgen

Innerer Kritiker - Erkennen und regulieren

Freude im Alltäglichen finden

Kapitel 11: Fragen und Antworten

Schlusswort

Weitere Werke von KR Publishing

Lust auf mehr? Unser Geschenk an dich!

Impressum

Kapitel 1: Ikigai – Einführung in die japanische Lebensphilosophie


 f007-01.png

Ikigai – dieser wohlklingende Begriff, der aus dem Japanischen stammt, soll den Schlüssel zum Lebensglück in sich tragen. Klingt ziemlich eindrucksvoll, oder? Aber was steckt dahinter? Was ist Ikigai und was hat es mit dem persönlichen Suchen und Finden des Glücks zu tun? Mit diesen zentralen Fragen heiße ich dich im ersten Kapitel dieses Buches willkommen und lade dich herzlich dazu ein, dich auf eine grundlegende Einführung in das spannende Thema Ikigai einzulassen.

 

 

Die Suche nach dem Sinn des Lebens

 

Du wirst vom schrillen Klingeln deines Weckers aus Träumen gerissen, die noch während du widerwillig die Augen aufschlägst zu verblassen beginnen. Dein ganz normaler Alltag führt dich schlurfenden Schrittes ins Badezimmer, wo dir dein übermüdetes Spiegelbild entgegenblickt. Eine kühle Dusche weckt deine Sinne, du kramst ein bürotaugliches Outfit aus dem Schrank und kannst während des Anziehens nur an eines denken: Kaffee. Neben der Maschine, die brodelnd ihre Arbeit verrichtet und dich daran erinnert, dass sie dringend mal wieder entkalkt werden müsste, füllst du eine Schüssel mit Müsli, gießt Milch hinein und beginnst damit, deinen mittlerweile leise vor sich hin grummelnden Magen ruhigzustellen. Die Tasse Kaffee ist längst nicht mehr so verlockend, sobald der erste Schluck genommen ist. Ihr Geschmack wird vom Informationsfluss übertüncht, den dir dein Tablet präsentiert. Eine mittelmäßig interessante Großstadt hat einen neuen Bürgermeister. Zwei Z-Promis sind glücklich verlobt. Irgendwo ist Krieg. Das Wetter bleibt heiter bis wolkig. Alles wie immer. Auf dem Weg zur Arbeit ärgerst du dich über den Rentner im Auto vor dir, der den Montag offenbar für einen Sonntag hält, und im Büro angekommen lässt sich der Lauf der Dinge nicht mehr aufhalten. Meetings, Videokonferenzen, klingelnde Telefone, Kollegen, die über ihr genau genommen extrem unspektakuläres bis bedauernswertes Wochenende schwatzen, der Chef, der sich die Haare rauft, ein voller Terminplan, eine Mittagspause der Zeitverschwendung und ein Feierabend, der gar nicht schnell genug kommen kann. Kaum sitzt du wieder im Auto, sehnst du dich nach einem warmen Bad. In der Badewanne kommst du nicht zur Ruhe, weil das Kochen noch bevorstehst. Dein Essen schlingst du hinunter, um den Anfang des 20 Uhr 15 Films nicht verpassen und vor der Glotze wächst dein schlechtes Gewissen mit jeder Minute – du hast die Kaffeemaschine wieder nicht entkalkt und hättest schon vor einer halben Stunde ins Bett gehen müssen, um auch nur annähernd genügend Schlaf zu bekommen. Erst in dem Moment, in dem dein Kopf das Kissen berührt und du dir ein bisschen Geborgenheit von deiner gewichtbeschwerten Therapiebettdecke vorgaukeln lassen kannst, befreit sich dein Gehirn aus dem Stand-by-Modus der automatisierten Abläufe und Gewohnheiten. In den Minuten zwischen Alltagsende und Schlaf schwirren dir Gedanken durch den Kopf, die die meiste Zeit über vom geschäftigen Leben und Werken verdrängt werden. Ist dies das Leben, das ich mir für mich gewünscht habe? Und wenn ja, warum bin ich dann nicht glücklich? Diese Gedanken wiegen schwer, viel, viel schwerer als deine Therapiedecke. Wie gut, dass sie vom Schlaf betäubt, verschleppt und begraben werden – zumindest für eine Weile.

 

Sollte dein Alltag tatsächlich genau so aussehen, wäre das ein echter Glückstreffer. Doch auch wenn sich deine Realität von der hier geschilderten unterscheidet, findest du dich vielleicht im ein oder anderen Ansatz wieder. Möglicherweise in der Erschöpfung, im Automatismus der Routinen und Gewohnheiten, in der Ungeduld, dem ständigen Begehren und doch nicht Genießen oder – und das ist sehr wahrscheinlich – in den flüchtigen, scheinbar willkürlich auftauchenden und so überfordernd essentiellen Gedanken, die sich in ruhigen Minuten anschleichen. Was genau mache ich hier eigentlich? Wo bleiben die Glücksgefühle oder zumindest die Zufriedenheit, die einem ein 9-to-5-Job, eine hippe Altbauwohnung, finanzielle Sicherheit und ein aufgabenreicher Alltag doch angeblich bescheren sollen? Ist es möglich, dass ich andere Dinge zu meinem Glück brauche? Und wenn ja, welche? Diese Fragen führen uns mitten hinein in die Thematik des Ikigais.

 

 

Kurzdefinition: Was ist Ikigai überhaupt?

 

Der Begriff Ikigai setzt sich aus zwei japanischen Worten zusammen: „Iki“ für „Leben“ und „Gai“ für Wert. Gesteht man sich einen gewissen Spielraum zu, kann man den Begriff also grob mit „Wert des Lebens“, „Lebenswert“ oder auch „das, was das Leben wertvoll macht“ übersetzen. Es handelt es sich dabei um eine japanische Lebensphilosophie, die sich mit dem Streben und Erreichen eines sinnerfüllten, freudvollen und zufriedenstellenden Lebens auseinandersetzt. Ikigai beschreibt dabei nicht nur die Philosophie, sondern fungiert auch als Bezeichnung dieses angestrebten Idealzustands. Wer voller Ikigai ist, befindet sich in einem Zustand der Erfüllung und des Lebensglücks. Doch das Ikigai fällt einem nicht zufällig in den Schoß. Vielmehr muss man bewusst daran arbeiten und aktiv werden, um sein Ikigai finden zu können. Denn: Weg und Ziel gestalten sich individuell und unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Das ist nur logisch, sind wir doch alle verschieden und zeichnen uns durch ganz unterschiedliche Werte, Wünsche, Bedürfnisse, Weltbilder, Eigenschaften und Ziele aus. Deshalb kann dich nur ein Mensch zum Ikigai führen: du selbst. Du musst die Sache in die Hand nehmen, den Prozess einleiten und durchlaufen, Stolpersteine aus dem Weg räumen und – und das ist das Wichtigste – herausfinden, was dich glücklich macht.

 

 

Die fünf Kerngedanken des Ikigai

 

Die Ikigai Philosophie stellt zwar das Ich und den einzelnen Menschen mit all seinen Facetten gewissermaßen in den Vordergrund, hat aber nichts mit einem Egotrip à la „schneller, höher weiter und nach mir die Sintflut“ zu tun. Das zeigen die fünf Kerngedanken, die das Grundgerüst des Ikigai bilden:

 

Klein anfangen: „Übung macht den Meister“ oder „Aller Anfang ist schwer“

 

Das eigene Leben von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen und umzukrempeln, ist nicht nur überfordernd und nur selten möglich, sondern in aller Regel auch wenig zielführend. Möchte man sein Leben verändern und glücklicher werden, befindet man sich normalerweise aktuell in einer Situation, in der man absolut nicht zufrieden ist. Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das in den allermeisten Fällen nur dann von sich aus bereit ist, aus den Gewohnheiten auszubrechen, wenn diese nur noch schwer zu ertragen sind. Das liegt mitunter daran, dass Gewohnheit Sicherheit suggeriert – und Sicherheit ist eines der ursprünglichsten Bedürfnisse des Menschen. Es ist nicht im Sinne von Ikigai, aus der Laune eines besonders schlechten Tages heraus alles über den Haufen zu werfen und die eigenen Lebensumstände radikal zu verändern. Vielmehr führt ein langsamer Prozess zum Ikigai, in dessen Rahmen kleine, wohl durchdachte Maßnahmen in der Summe zu bedeutenden positiven Veränderungen führen. Es gilt, klein und vor allem mit Plan anzufangen. Erst wenn du weißt oder zumindest stark vermutest, was du verändern musst, um glücklicher zu werden, gehst du in Aktion. Und du wirst feststellen, dass auch diese kleinen Maßnahmen große Herausforderungen sein können. Vor allem dann, wenn du zu den vielen Menschen gehörst, denen die Veränderung – auch wenn sie noch so nötig, durchdacht und erfolgsversprechend ist – Angst einjagt. Wie du dieser Angst einen Riegel vorschieben und entspannter mit Veränderungen umgehen kannst, erfährst du in Kapitel 10.

 

Lernen, loszulassen: Radikale Akzeptanz, Auseinandersetzung mit Ängsten und Aufarbeitung der Vergangenheit

 

Daneben gehört das Loslassen zu den besonders relevanten Aspekten des Ikigai. Wer unter der Vergangenheit leidet und die Zukunft fürchtet, kann in der Gegenwart nicht glücklich sein. Das Loslassen setzt sich im Grunde aus drei Teilbereichen zusammen: Der radikalen Akzeptanz, der Auseinandersetzung und Überwindung von Ängsten sowie der Aufarbeitung der Vergangenheit.

 

image   Die radikale Akzeptanz

 

Die radikale Akzeptanz kann sich auf gegenwärtige, vergangene oder zukünftige Ereignisse beziehen und ist immer dann nützlich, wenn es sich um Dinge handelt, auf die du keinen Einfluss hast. Wenn du etwas nicht ändern kannst, musst du es akzeptieren. Nur so öffnet sich dir eine Tür, die zu einem zufriedeneren, leichteren und unbeschwerteren Leben führt.

 

image   Die Auseinandersetzung mit Ängsten

 

Ausgenommen von post-traumatischen Belastungsstörungen und ähnlich komplexen Umständen, empfinden wir Menschen Angst für gewöhnlich in Zusammenhang mit der Gegenwart oder der Zukunft. Der ursprüngliche Grund für die Angst kann zwar in der Vergangenheit liegen, die Angst selbst wird jedoch von einem aktuellen oder anstehenden Ereignis ausgelöst. Indem du deine Ängste kennenlernst und dich intensiv mit ihnen auseinandersetzt, erforschst du Mittel und Wege, diese Ängste zu überwinden und abzulegen.

 

image   Die Aufarbeitung der Vergangenheit

 

Es gibt wahrscheinlich nur wenige Menschen, die von sich behaupten können, dass sie leben, ohne irgendeine Last der Vergangenheit mit sich herumzuschleppen. Manche tragen nur ein kleines Päckchen, andere einen ganzen Haufen kleiner Bündel und wieder andere ein, zwei richtig schwere Brocken. Im Sinne des Ikigais muss diese Last wahrgenommen und betrachtet werden, damit sie aufgehoben, von den Schultern genommen und losgelassen werden kann.

 

__________

 

Mit der radikalen Akzeptanz, der Auseinandersetzung mit Ängsten und der Aufarbeitung der Vergangenheit befassen wir uns in Kapitel 10 ausführlich.

 

Harmonisch und nachhaltig leben: Im Einklang mit Umwelt und Natur

 

Es ist insbesondere dieser Kerngedanke, der einen Egotrip zum Ikigai ausschließt. Nur wenn man erkennt, dass man Teil eines großen Ganzen ist, sich der Wechselwirkungen und Zusammenhänge in diesem großen Ganzen bewusst wird und sich aktiv dazu entschließt, eine wichtige, wenn auch kleine Rolle zu spielen, die dem Wohlergehen des großen Ganzen zuträglich ist, findet man zu einem harmonischen Leben. Diesbezüglich sind die Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein von großer Bedeutung, die in Zeiten des Klimawandels ohnehin stärker in den Fokus der Menschen rücken. Das Ziel der Harmonie bezieht sich neben dem nachhaltigen, schützenden Umgang mit der Natur aber auch auf die persönliche Umwelt, also die Gebäude, die Straßen und Plätze, die Geschäfte und die Menschen, die das individuelle Umfeld bilden.

 

Die Freude im Kleinen entdecken: Wertschätzung erlernen und Freude neu denken

 

Fragt man eine Handvoll Menschen, worüber sie sich so richtig freuen würden, bekäme man höchstwahrscheinlich mitunter diese Antworten: einen großen Batzen Geld, einen treuen, attraktiven, perfekt passenden Partner, absolute Gesundheit, ein Eigenheim, ein schickes Auto, ein sicheres Einkommen, ohne dafür arbeiten zu müssen, ein Leben auf einer tropischen Insel. Das alles mögen wunderbare Vorstellungen sein, die womöglich zum persönlichen Lebensglück beitragen können. Wartet man aber auf die erste Million oder die Traumvilla, um sich zu freuen, wartet man womöglich ewig. Dabei ist es durchaus möglich, sich an erreichbareren und auch völlig zufällig geschehenden, wenn auch subjektiv wahrgenommen deutlich „kleineren“, Dingen zu freuen: Am farbenprächtigen morgendlichen Sonnenaufgang, einem leckeren Essen, einem positiven Gedanken, einem verblüffend sonnigen Wintertag oder an der Nachricht eines Freundes, der an einen denkt. Wenn du es schaffst, die kleinen potenziellen Freudenspender wahrzunehmen und wertzuschätzen, findest du jeden Tag – und das ist ein Versprechen – mindestens einen Grund zur echten, authentischen Freude.

 

Im Hier und Jetzt ankommen: Wahrnehmung und das achtsame Erleben

 

Alle der vier bisher genannten Kerngedanken werden von diesem fünften, wegweisenden Aspekt begünstigt: dem Ankommen im Hier und Jetzt. Vielleicht denkst du dir jetzt: „Hä, ich bin doch hier? Wo soll ich denn sonst sein?“ Damit liegst du prinzipiell richtig. Doch wo sind deine Gedanken? Worauf konzentrierst du dich und worauf ist deine Aufmerksamkeit gerichtet? Wenn du beispielsweise einen Apfel isst, dabei an deinen Ex-Partner denkst und nebenbei den Insta Feed durchscrollst, ohne wirklich etwas auf dem Display zu sehen, lebst du in diesem Moment nicht im Hier und Jetzt. Du bist abgelenkt und bekommst weder das Geräusch, das beim Beißen in den Apfel entsteht und den außergewöhnlich süßen Geschmack der Frucht noch die Reflektion der Sonnenstrahlen auf der polierten Schale des Obstes mit. Um im Hier und Jetzt zu leben, musst du deine Achtsamkeit trainieren (siehe Kapitel 10). Dann könntest du das Essen des Apfels zu 100 % im Hier und Jetzt und dadurch zigmal intensiver erleben. Die Achtsamkeit bezieht sich neben dem bewussten, aufmerksamen Erleben von Situationen, Dingen und Tätigkeiten aber auch auf die Innenwelt, also auf deine Gedanken und Gefühle. Leider haben wir die Fähigkeit, achtsam im Hier und Jetzt zu leben, bedingt durch den stetigen Zeit- und Leistungsdruck sowie durch die Schnelllebigkeit unserer Existenz zu einem großen Teil verlernt. Die gute Nachricht: Das Trainieren und Ausbauen der Achtsamkeit ist nicht nur grundsätzlich möglich, sondern wahrlich kein Hexenwerk. Mit etwas Motivation und Übung kannst du schon heute damit beginnen, deine Achtsamkeit zu verbessern und mehr im Hier und Jetzt zu leben.

 

 

Ikigai in vier Teilen: Die Schnittmenge des Glücks

 

Ist vom Ikigai Modell die Rede, ist meist eine bildliche Darstellung bestehend aus vier Kreisen, die sich in kleinen Teilen überschneiden, gemeint. Sehen wir uns zunächst die vier Grundpfeiler an, auf denen dieses Modell basiert:

 


Was du liebst

 


Der erste Aspekt, der unverzichtbar für das Ikigai ist, beinhaltet das, was du (zu tun) liebst. Er meint die Dinge und vor allem Tätigkeiten, mit denen du dich stundenlang beschäftigen kannst, die dich inspirieren und dir Freude bereiten.

 


Was die Welt braucht

 


Nicht weniger wichtig ist der Anteil dessen, was die Welt braucht. Hiermit sind Tätigkeiten und Beiträge gemeint, die du zum Wohle unseres Planeten, der Gesellschaft, der Lebewesen auf dieser Erde oder der Natur leisten kannst.

 


Wofür du bezahlt wirst

 


Anders als viele anderen Modelle, die das persönliche Lebensglück fokussieren, ignoriert Ikigai nicht, dass das Leben und Überleben finanziert sein will. „Geld allein macht nicht glücklich“, ja, aber ohne geht es eben auch nicht. Deshalb ist das, wofür die bezahlt wirst und womit du deinen Lebensunterhalt sichern kannst, ein weiterer Grundpfeiler des Ikigais.

 


Worin deine Stärken liegen

 


Der vierte Teil im Bunde bezieht sich auf das, worin du gut bist, also auf deine Stärken und die Kompetenzen, die du mitbringst.

 

Zusammenspiel der Teile

 

Was du liebst, was die Welt braucht, wofür du bezahlt wirst und worin deine Stärken liegen sind keine voneinander unabhängigen Bereiche. Ganz im Gegenteil: Aus je zwei dieser Kategorien lassen sich insgesamt vier Themenkomplexe bilden:

 

Passion: Entdecken und Erwecken der Leidenschaft

 

Aus dem, worin du gut bist, und dem, was du liebst, ergibt sich deine Passion. Vielleicht ist dir selbst schon einmal aufgefallen, dass du die Dinge, die du gut kannst, lieber machst als Dinge, für die du weniger Talent mitbringst. Andersherum fällt es dir leichter, deine Fähigkeiten auszubauen, wenn es sich um Kompetenzen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit handelt, für die du leidenschaftlich brennst. Die Liebe zu einer Tätigkeit und das Vorhandensein diesbezüglicher Stärken gehen also Hand in Hand und werden in Kombination zu deiner Leidenschaft, deiner Passion.

 

Mission: Finden und Verfolgen des innersten Ziels

 

Die Antwort auf die Frage danach, was deine Aufgabe in diesem Leben sein könnte, formt sich aus dem, was du liebst, und dem, was die Welt braucht. Wenn es dir gelingt, mit Dingen, die dir Freude schenken, einen wertvollen Beitrag zum harmonischen Fortbestehen des großen Ganzen zu leisten, hast du deine Mission gefunden.

 

Vocation: Erschließen lukrativer, sinnstiftender Einnahmequellen

 

Mit Vocation ist deine persönliche Berufung gemeint. Diese ergibt sich aus dem, was die Welt braucht, und dem, womit du Geld verdienen kannst. Hier zeigt sich nochmals explizit, wie nahe an der Realität sich das Ikigai Modell befindet: Es berücksichtigt die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, und regt dazu an, den rein finanziellen Aspekt mit dem nützlichen, für die Welt wertvollen Beitrag zu verknüpfen.

 

Profession: Erkunden und geldbringendes Einsetzen der persönlichen Stärken und Kompetenzen

 

Kommen das, wofür du bezahlt wirst, und das, worin du gut bist, zusammen, wird die Schnittmenge laut Ikigai Modell Profession genannt. Gemeint ist das Finden und Ausüben eines geldbringenden Berufes, in dem die persönlichen Stärken optimal eingesetzt werden können.

 

Was passiert, wenn Teile fehlen

 

Um zum Ikigai zu finden, genügt es nicht, sich auf einzelne Schnittmengen zweier Grundpfeiler, zum Beispiel auf die Mission allein oder aber auf die Vocation und die Passion zu konzentrieren. Alle vier Themenkomplexe sind von großer Bedeutung, weshalb ein Fehlen einzelner Kategorien folgenschwere Auswirkungen nach sich zieht:

 

Passion und Mission ohne Vocation und Profession

 

Du tust, was du liebst, und leistest damit einen allgemeinnützigen Beitrag? Das ist wunderbar! Aber nur solange, bis Mahnungen ins Haus flattern oder du feststellen musst, dass deine Möglichkeiten bedingt durch deine mangelnden und möglicherweise nicht ausbaubaren Kompetenzen stark begrenzt sind. Zwar gelingt es dir, tagtäglich ein Gefühl der Erfüllung zu erreichen, jedoch machen dir die finanziellen Aspekte einen dicken Strich durch die Rechnung.

 

Mission und Vocation ohne Profession und Passion

 

Du hast deine Aufgabe gefunden und es geschafft, Geld damit zu verdienen – das ist zweifelsohne spitze. Trotzdem wirst du von einem Gefühl der Unsicherheit geplagt und bist häufig frustriert. Das liegt daran, dass du in deinem tiefsten Inneren weißt, dass deine Stärken eigentlich in einem anderen Bereich liegen und sich auch deine Leidenschaft für das, was du tust, in Grenzen hält.

 

Vocation und Profession ohne Passion und Mission

 

Wenn du einen Beruf gefunden hast, in dessen Rahmen du deine Stärken ideal einsetzen kannst und der dir ausreichend Geld zur Sicherung deines Lebensunterhalts einbringt, bist du im Hinblick auf die Berufswahl deutlich näher am Lebensglück als es die meisten Menschen von sich behaupten können. Sofern du nicht zeitgleich einen allgemeinnützigen Beitrag leisten und deine Leidenschaft ausleben kannst, fühlst du dich aber höchstwahrscheinlich trotz allem leer, unerfüllt und irgendwie unzufrieden.

 

Profession und Passion ohne Mission und Vocation

 

Dort, wo deine Stärken liegen, ist auch deine Leidenschaft angesiedelt – ein tolles Gefühl. Überschattet wird es aber davon, dass du dich gelegentlich nutzlos fühlst. Du hast den Eindruck, dass kein wirklich großer Sinn hinter dem steckt, was du tust, und empfindest dein Dasein daher als austauschbar. Was würde sich denn schon ändern, wenn du von heute auf morgen aufhören würdest? Leider kaum etwas bis gar nichts. Was dir fehlt, ist eine zielgerichtete, sinnstiftende Aufgabe. Außerdem hast du es noch nicht geschafft, deine Stärken und das, was du liebst, auf finanzieller Ebene gewinnbringend einzusetzen.

 

Ikigai: Das vollständige Puzzle des Glücks

 

Dort wo sich Passion, Mission, Vocation und Profession treffen, liegt das Ikigai. Keiner dieser Pfeiler darf fehlen, denn dieses Fehlen bedeutet immer und ausnahmslos, dass ein wesentlicher Bestandteil des Ikigais abhandengekommen ist oder aber niemals vorhanden war. Wie du für dich selbst herausfinden kannst, wodurch sich deine Passion, Mission, Vocation und Profession definieren und wie du es schaffen kannst, diese vier Stücke des leckeren Kuchens zu „backen“ und zu kombinieren, erfährst du in Kapitel 9.

 


Das Wichtigste in Kürze

 


 

Ikigai kann grob mit „Das, was das Leben wertvoll macht“ oder „das Lebenswerte“ übersetzt werden.

 

Die japanische Philosophie bezieht sich auf das Finden der persönlichen Zufriedenheit, des Lebensglücks und der Erfüllung. Dieser Zustand wird – genau wie die Philosophie selbst – Ikigai genannt.

 

Die Philosophie ist von fünf Kerngedanken geprägt, zu denen mitunter das Sein im Hier und Jetzt und das Loslassen gehören.

 

Das Ikigai Modell entspringt vier Bereichen (Was du liebst, was die Welt braucht, womit du Geld verdienst und was du gut kannst), deren Überschneidungen wiederum vier Bereiche (Passion, Mission, Vocation und Profession) bilden. Die Schnittmenge der vier letztgenannten Bereiche ist das Ikigai.

 

Fehlen Teilbereiche, kann das Ikigai nicht erreicht werden, weshalb es unabdingbar ist, sich mit allen genannten Aspekten auseinanderzusetzen.

 

 

Image

Kapitel 2: Ursprung und Entwicklung der Ikigai Philosophie


 f020-01.png

 

Leider ist über den Ursprung und die Entwicklung der Ikigai Lebensphilosophie nicht allzu viel bekannt. Es gibt kaum Zahlen und Fakten, die als gesichert gelten, und nur wenige wirklich ausreichend belegte Theorien, dafür zahlreiche Vermutungen und Hypothesen, die teils jeder Grundlage entbehren. Wir begnügen und in diesem Kapitel daher mit dem Wissen über Herkunft, Verständnis und Verbreitung der Ikigai Philosophie, das allgemein als etabliert und zum größten Teil belegt gilt. Entsprechend fällt Kapitel 2 relativ kurz aus.

 


14. Jahrhundert: Die vermutlich erste Verwendung des Begriffs Ikigai

 


Unserem heutigen Kenntnisstand zufolge wurde der Begriff Ikigai erstmals im 14. Jahrhundert in schriftlicher Form verwendet. Dies geschah innerhalb des Taiheiki, einem historischen Epos, der sich mit der Nambouk-Zeit, einer Zeit der politischen Auseinandersetzungen, befasste. Zur ungefähr selben Zeit tauchte der Begriff in der sogenannten Kojin Erzählung von Natsume Sojeski, einem berühmten japanischen Schriftsteller der damaligen Zeit, auf.

 


Bis 1950: Ikigai und Shinigai

 


Was die Bedeutung von Ikigai betrifft, so wurde diese bis ungefähr zur Mitte des 20. Jahrhunderts häufig mit Shinigai gleichgesetzt. Shinigai bedeutet übersetzt in etwa „Wofür es sich zu sterben lohnt.“ An diesem Punkt lässt sich eine philosophische Frage aufwerfen: Sind das, wofür es sich zu leben lohnt, und das, wofür es sich zu sterben lohnt, wirklich gleichbedeutend? Oder anders gefragt: Was sagt es über einen Zeitgeist aus, wenn diese beiden Bedeutungen gleichgesetzt werden? Fakt ist, dass das Wort Ikigai zu dieser Zeit fast ausschließlich in Verbindung mit Nationalstolz, Patriotismus und Treue zum Kaiser beziehungsweise zum herrschenden Gefüge verwendet wurde.

 


Nach 1950: Ikigai im Wandel

 


Dies änderte sich mit dem ökonomischen Aufschwung Japans in den 1960er Jahren, der zu einem verbesserten Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung führte. Es fand ein Umdenken statt und Ikigai wurde immer klarer von Shinigai differenziert. Nach langer Zeit rückte das Thema wieder in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, wurde von zahlreichen Zeitschriften und Büchern behandelt und erlebte einen waschechten Boom.

 


Heute: Das moderne Ikigai der Selbsterfüllung

 


Heute wird Ikigai so gut wie gar nicht mehr mit der Bereitschaft, für etwas – zum Beispiel für die Regierung oder das Heimatland – zu sterben, in Zusammenhang gebracht. Zwar wird die Debatte rund um Ikigai und Shinigai vereinzelt immer wieder aufgeworfen, im Wesentlichen herrscht jedoch Konsens: Bei Ikigai geht es nicht ums Sterben oder um die Hingabe des Lebens für höhere, nationale Zwecke, sondern um das pure Leben. Es geht um Lebenslust, Lebensfreude, ein positives Lebensgefühl, die Selbsterfüllung und -verwirklichung sowie den Sinn im Leben. Das moderne Ikigai, so wie es heute verstanden wird, ist zwar immer noch größtenteils in Japan und im asiatischen Raum ein Begriff, hat sich aber auch seinen Weg in andere Teile der Erde, darunter nach Europa und in die USA, gebahnt. Hier in Deutschland fühlen sich viele Menschen stark davon angesprochen: Mit Ikigai finden sie eine Bezeichnung für das, wonach sie sich sehnen – denn ein gleichbedeutendes Wort gibt es in der deutschen Sprache nicht.

 


Okinawa: Die Inseln der Hundertjährigen

 


Der Bevölkerung der Okinawa Inseln, einer Inselgruppe im Ostchinesischen Meer, ist dagegen das Wort „Ruhestand“ unbekannt. Dort trifft man teils auf über 90-jährige Menschen, die weit mehr als „rüstige Rentner“ sind. Sie sind agil, packen das Leben mit beiden Händen und werken, tüfteln, malen, tanzen und laufen als wäre das Alter an ihnen vorbeigegangen. Tatsächlich ist die Zahl der über hundertjährigen Bewohner auf den Okinawa Inseln überdurchschnittlich hoch, weshalb sie auch als „Inseln der Hundertjährigen“ bekannt sind. Die Ältesten sind zwar nicht faltenfrei, sondern gewohnt ergraut, jedoch immer noch aktiv und energiegeladen. Die meisten denken noch nicht einmal daran, es so langsam ruhiger angehen zu lassen. Aber was steckt hinter dieser erhöhten Lebenserwartung? Welches Geheimnis der Jugend kennt die Bevölkerung der Okinawa Inseln, das uns in der westlichen Welt zu fehlen scheint? Forscher finden eine mögliche Erklärung im Ikigai. Demnach besitzen die Menschen auf Okinawa ein besonders hohes Ikigai, das ihnen eine zuversichtlichere, optimistischere und zufriedenere Lebensweise beschert. Ikigai wird auf den Inseln und insbesondere in dem kleinen Örtchen Ogimi, das mit einer selbst für Okinawa außergewöhnlich hohen Lebenserwartung auftrumpft, in einer Gemeinschaft gelebt und auch gemeinschaftlich verstanden. Die Bewohner sind untereinander vernetzt, können sich aufeinander verlassen und legen ein großes Vertrauen in die Gemeinschaft. Daraus resultiert zum einen ein Zugehörigkeitsgefühl, zum anderen ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Die Okinawa Inseln zeigen demnach auf, dass Ikigai nicht nur im „jeder für sich“, sondern vor allem auch im „alle gemeinsam“ gelebt werden kann.

 


Das Wichtigste in Kürze

 


 

Der Begriff Ikigai taucht in Schriften aus dem 14. Jahrhundert auf. Auch wenn der Ursprung der Philosophie womöglich weitaus früher anzusiedeln ist, gibt es hierfür keine Belege.

 

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Ikigai (wofür es sich zu leben lohnt) und Shinigai (wofür es sich zu sterben lohnt) oft gleichgesetzt.

 

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Japans in den 1960er Jahren entfernten sich Shinigai und Ikigai im Verständnis der Bevölkerung zusehends weiter voneinander.

 

Heute herrscht überwiegend Konsens darüber, dass sich Ikigai wenig auf das Sterben und vielmehr auf die Lebenslust, den Lebenssinn und die Lebensfreude bezieht.

 

Die Okinawa Inselgruppe, die umgangssprachlich als „Inseln der Hundertjährigen“ bekannt ist, beherbergt eine überdurchschnittliche Zahl von Bewohnern, die über hundert Jahre alt sind. Forscher vermuten, dass das Ikigai hierfür (mit-) verantwortlich sein könnte.

 

 

Image

Kapitel 3: Grundlagen und Ziele der Ikigai Methode


 f025-01.png

 

Nachdem du das Ikigai Modell und die Kerngedanken dieser besonderen Lebensphilosophie in Kapitel 1 kennengelernt hast, tauchen wir nun tiefer in die Materie ein und widmen uns den Grundlagen des Ikigais, die bislang nicht explizit besprochen wurden sowie den konkreten Zielen der japanischen Philosophie. Zwischen Grundlagen und Zielen kann dabei nicht klar unterschieden werden. Denn, jede Grundlage zu verstehen, zu verinnerlichen und umzusetzen ist für einen Menschen, der diese neu kennenlernt, zunächst einmal ein Ziel. Erst aus diesen vielen „kleinen“ Zielen, ergibt sich in der Summe das „große“ Endresultat, das Ikigai.

 

Individualität

 

Die Individualität ist eine der wohl wichtigsten Grundlagen des Ikigais. Die Philosophie erkennt die Verschiedenheit der Menschen als einzigartige Individuen nicht nur an, sondern macht sie zu einem zentralen, bedeutungsvollen und unumgehbaren Element. Erinnere dich an das Ikigai Modell aus Kapitel 1 zurück: Was haben das, was du liebst, das, wofür du bezahlt wirst, das, was die Welt (von dir) braucht und das, was du gut kannst, gemeinsam? Richtig, dich. Du bist der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Ikigai schreibt dir nicht vor, was du zu mögen, anzustreben, beizutragen, zu verdienen oder zu können hast – vielmehr fragt es dich persönlich, wie deine individuelle Realität in diesen Punkten aussieht. Dazu gehört – und das ist wichtig – auch die Erkenntnis, dass alle anderen Lebewesen, genau wie du, Individuen sind. Du brauchst dich also nicht mit ihnen zu vergleichen oder ihnen nachzueifern, denn ihr Weg zum Ikigai unterscheidet sich von deinem. Genauso wenig ist es zweckdienlich, andere für das, was sie lieben und womit sie ihr Geld verdienen, zu verurteilen oder sie um den Beitrag, den sie leisten, oder die Stärken, die sie mitbringen, zu beneiden. Denn ihr Weg zum Ikigai – ob sie ihn nun bewusst beschreiten oder noch nicht einmal von Ikigai gehört haben – ist anders als deiner. Das heißt aber nicht, dass dich die Leidenschaften, Berufungen, Stärken und Beiträge anderer Menschen nicht inspirieren oder motivieren dürfen. Passe dich nicht an, um Unterschiede zu eliminieren, sondern konzentriere dich auf potenzielle Gemeinsamkeiten, die dich inspirieren und auf deinem Weg zum Ikigai voranbringen können.

 

Gemeinschaftssinn

 

Was wir von den Bewohnern der Okinawa Inseln (siehe Kapitel 2) lernen können, ist der Sinn für die Gemeinschaft: sich helfen zu lassen, anderen zu helfen, Vertrauen zu schenken und Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, zu unterstützen und Unterstützung anzunehmen. Es geht darum, zu erkennen, dass viele Individuen eine Gemeinschaft bilden können, zu der sie sich trotz aller Unterschiede zugehörig fühlen und auf die sie sich verlassen können. Etwas für einen anderen zu tun, ist oft zufriedenstellender, als etwas für sich selbst zu tun. Vor allem dann, wenn man weiß, dass dieser andere mindestens genauso viel für einen selbst tun würde. Im Endeffekt bekommt man durch den Gemeinschaftssinn genau das, was die Bewohner Ogimis haben: Zugehörigkeit, Sicherheit, Geborgenheit und eine vollständige Akzeptanz und Wertschätzung dessen, was man als Individuum ist und in die Gemeinschaft einbringt.

 

Achtsamkeit und Selbstreflektion

 

Die Achtsamkeit erstreckt sich hier über zwei Bereiche: Einmal die Achtsamkeit in Bezug auf das eigene Erleben, Denken, Fühlen, Handeln und Tun, aber auch auf die Achtsamkeit gegenüber unserer Mitmenschen. Durch die Selbstreflektion, also die Achtsamkeit in Bezug auf dein Inneres, kannst du herausfinden, was dir wichtig ist, in welchen Situationen du dich schlecht fühlst und wie du dich fühlst, wenn du wirklich zufrieden bist. Bist du zusätzlich achtsam gegenüber deinen Mitmenschen, fällt dir auf, wenn deine beste Freundin Kummer hat, dein Kumpel nicht mehr weiterweiß oder deine Mutter beruflich so überlastet ist, dass sie sprichwörtlich „auf dem Zahnfleisch läuft.“ Dies versetzt dich in die Lage, einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten zu können: In diesem Beispiel kannst du deiner Freundin eine Schulter zum Ausheulen anbieten, deinem Kumpel dabei helfen, eine Lösung für seine Probleme zu finden und deine Mutter im Alltag, zum Beispiel durch das Erledigen von Einkäufen oder Arbeiten im Haushalt, entlasten.

 

Harmonie, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein

 

Da das große Ganze mitunter „unsere“ Erde, die Natur und die Tierwelt umfasst, hat das, was die Welt braucht, viel mit Umwelt- und Naturschutz, Nachhaltigkeit und Tierschutz zu tun. Wir Menschen haben die Umwelt, die Natur und die Tierwelt in einen höchst kritischen Zustand gebracht und so ist es unsere Aufgabe, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ihr zu helfen. Kein Individuum kann all das bewältigen. Doch wenn sich der eine für den Artenschutz, der andere für den Naturschutz und der nächste für eine nachhaltige Lebensweise einsetzt, kann ein harmonisches Leben im Einklang mit Moral und Natur stattfinden.

 

Bezug zur Realität, oder: Warum Kompromisse notwendig sind

 

Wer die individuelle Realität nicht klar sieht, kann sich auf dem Weg zum Ikigai leicht verirren, nur um scheußlich frustriert auf dem Boden der Tatsachen zu landen. Ein Beispiel:

 

Lisa ist gerade 18 geworden und befasst sich seit Neustem mit dem Ikigai Modell. Antworten auf die wichtigsten Fragen hat sie auch schon parat: Sie liebt Mode – vor allem teure Markenkleidung –, will ihren Beitrag durch das Designen von Klamotten aus nachhaltigen Materialien leisten, hat Kompetenzen im Bereich des Zeichnens und der Inspirationsfindung und ist sich sicher, dass sie als Designerin Geld verdienen kann. Das klingt auf den ersten Blick sehr stimmig und rund. Schaut man aber genauer hin, hat Lisa ihre Zeichenkünste falsch eingeschätzt, denn diese sind eher mittelmäßig. Außerdem ist sie sich nicht im Klaren darüber, dass nur ein Bruchteil aller Modedesigner eine Anstellung bei großen Labels findet, innovative, nachhaltige Kleidung kreieren darf und wirklich gut verdient. Hinzu kommt, dass Lisa in einer provinziellen Kleinstadt lebt, die sie nicht verlassen möchte, und ihr das Abitur fehlt, das sie braucht, um ein Studium in diesem hart umkämpften Bereich beginnen zu können. Lisa mangelt es an Selbstreflektion und an einer realistischen Sichtweise auf ihre aktuelle Situation. Natürlich: Lisa könnte ihr Abitur nachholen, sich im Zeichnen üben und ihr Ikigai tatsächlich auf diesem Wege finden. Aber eben nur, wenn es ihr gelingt, realistisch zu denken, die Risiken abzuwägen und die Herausforderungen einzuschätzen. Möglicherweise wäre ein Kompromiss die beste Lösung: Lisa könnte beispielsweise eine Ausbildung zur Schneiderin machen und sich von der Idee, für High-End-Labels zu designen, verabschieden. Stattdessen könnte sie ihr eigenes Label herausbringen und dort nachhaltige Mode zu erschwinglichen Preisen anbieten.

 

__________

 

Dieses überspritzt dargestellte Beispiel soll dir zeigen, wie wichtig der Bezug zur Realität ist, welcher wiederum kaum ohne Achtsamkeit und Selbstreflektion bewahrt werden kann. Die Realität muss im Übrigen nicht immer ein „harter Boden“ sein. Ihre Gestaltung kann zu neuen Ansätzen führen und Möglichkeiten eröffnen, an die man auf Anhieb vielleicht gar nicht gedacht hätte.

 

Reichtum auf verschiedenen Ebenen

 

"Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten.“ – Dalai Lama

 

Das bekannte Zitat des Dalai Lamas geht nicht unbedingt mit dem Ikigai Modell konform, liefert aber eine Sichtweise, die an dieser Stelle hervorgehoben werden soll. Die Welt braucht Menschen, die sich um die Umwelt und den Artenschutz kümmern, Menschen, die gegen Armut und für eine faire Bezahlung kämpfen, Menschen, die mit ihrer Form der Unterhaltung von den Krisen dieser Welt ablenken oder aber auf Problematiken aufmerksam machen, die unterzugehen drohen. Wir brauchen Heiler – und damit sind nicht nur Allgemeinmediziner, sondern auch Psychotherapeuten, Traumaspezialisten, gute Freunde mit einem offenen Ohr, Suchtmentoren und gute Vorbilder gemeint –, wir brauchen innovative Geister, die uns Zukunftsmodelle präsentieren, mit denen sich zum Beispiel der Klimawandel stoppen lässt, und wir brauchen Liebende und Friedensstifter, die für Geflüchtete und Minderheiten sowie gegen Unterdrückung und Hass kämpfen. Nach Ikigai bedeutet das aber nicht, dass all diese Menschen nicht auch finanziell erfolgreich sein können. Es ist möglich, reich an Liebe, Gemeinschaftsgeist, Engagement und Ideen zu sein und gleichzeitig Reichtum auf finanzieller Ebene zu erzielen. Reichtum bedeutet hier aber nicht, Milliarden auf der Seite zu haben und sich eine teure Villa nach der nächsten zu kaufen. Es bedeutet, sich sein Leben finanzieren zu können und das, was übrig bleibt, nicht im Überfluss zu verprassen, sondern sinnstiftend zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen.

 

„Sorglosigkeit“

 

Selbst Menschen mit hohem Ikigai, die es geschafft haben, zu ihrer Schnittmenge aus Passion, Mission, Vocation und Profession zu finden, sind nicht frei von Sorgen. Sie sorgen sich genauso um die kranke Mutter, den insolventen Bruder, die frisch getrennte beste Freundin und die eigene Gesundheit, wenn zum Beispiel eine invasive OP ansteht. Ein wirklich sorgenfreies Leben hat man höchsten als absoluter Glückspilz oder als gefühlloser, gleichgültiger und angstfreier Psychopath. Ikigai hilft jedoch dabei, besser mit den Sorgen, die das Leben einem zuteilwerden lässt, zurechtzukommen. Sich nicht darin zu verlieren, nicht unterzugehen und zügig zurück zu einer optimistischen, zuversichtlichen Grundhaltung zu finden. Die bereits erwähnte radikale Akzeptanz unterstützt als Grundpfeiler des Ikigais zudem dabei, sich nur dann Sorgen zu machen, wenn es wirklich notwendig ist. Sein Ikigai gefunden zu haben, bedeutet also nicht, sorglos zu leben, sondern sich nur dann zu sorgen, wenn es realistisch angemessen ist, und relevante Sorgen besser überstehen zu können.

 

Leidenschaft und Sinnhaftigkeit

 

Leidenschaft und Sinnhaftigkeit sind ein Dreamteam, das sich gegenseitig stützt und befeuert. Was dir Spaß macht, dich beflügelt und immer wieder ein kleines Feuer der Freude in dir entzündet, wird in Verbindung mit einem perspektivgebenden und antreibenden Sinn zu einem wahren Feuerwerk. Ein Beispiel:

 

Thomas übt sich seit seiner Kindheit im Zaubern und hat so einige Tricks drauf, die er laufend optimiert und ausbaut. Seine Faszination für die Zauberkunst hat ihn im Erwachsenenalter nicht verlassen, sondern sich sogar noch verstärkt und Thomas ist es gelungen, mit Zaubershows auf Geburtstagen und Firmenevents ein lukratives Nebeneinkommen zu erzielen. Wirklich glücklich machen ihn aber die Vorstellungen, die er am Wochenende kostenlos gibt: Wenn er die leuchtenden Kinderaugen sieht und es wieder einmal schafft, die kleinen Patienten des lokalen Kinderkrankenhauses für eine halbe Stunde von ihren Schmerzen und Sorgen abzulenken, übertrifft dies alles, was er ansonsten so mit seiner Zauberei erlebt.

 

Glück und Zufriedenheit

 

Alle beschriebenen, zielführenden Grundlagen dienen einem Zweck: Sie sollen zum Ikigai, zur Zufriedenheit und zum persönlichen Lebensglück, führen. Der Weg dorthin ist – wie könnte es auch anders ein – individuell und verläuft zudem nur äußerst selten linear. Für die meisten Menschen bedeuten die Suche nach und die Arbeit hin zum Ikigai ein umfassendes Dazulernen, jede Menge Ausprobieren, Vorankommen durch Versuch und Irrtum, Hinausdenken über den Tellerrand, Geduld und das Akzeptieren von Umwegen, wenn der direkte Weg nur auf den ersten Blick schneller zum Ziel führt.

 

Kapitel 4: Von Wabi-Sabi, Kintsugi und Kodawari


 f032-01.png

 

Wabi-Sabi, Kintsugi und Kodawari – drei Themen, die im Grunde für sich allein stehen, aber dennoch in der ein oder anderen Weise mit Ikigai verknüpft sind. Wir befassen uns mit diesen Themen, da sie dir als wunderbare Inspiration dienen und dich in Form von philosophischen Ansätzen, gedanklicher Einstellung und praktischen Ideen auf deiner Reise zum ausgeprägten Ikigai begleiten können. Was du brauchst, um von den Informationen dieses Kapitels profitieren zu können, ist eine gute Portion Offenheit und den Willen, dich darauf einzulassen. Denn von der westlichen Welt geprägt, können die Einblicke in die traditionsreichen japanischen Konzepte auf uns zunächst etwas seltsam wirken. Gerade darin liegt aber ihre Macht, uns zu neuen, lehr- und aufschlussreichen Perspektiven zu verhelfen.

 

 

Wabi-Sabi: Die Ästhetik des Unvollkommenen

 

Was es ist

 

Wabi-Sabi ist eine Weltanschauung, die sich auf die Ästhetik und die Schönheit des Natürlichen bezieht. Wenn in der westlichen Welt von natürlicher Schönheit gesprochen wird, dann kommt diese nicht ohne Vollkommenheit aus. Sie soll makellos und möglichst perfekt sein. Mit Natur hat das aber, wenn wir mal ehrlich sind, nicht mehr viel zu tun. Denn die Natur hat Launen, Ecken und Kanten, Lücken, Asymmetrien und reichlich davon, was wir nur allzu schnell als „Fehler“ deklarieren. Wabi-Sabi findet die Schönheit hingegen ausgerechnet im Unperfekten, Unvollkommenen, vermeintlich Fehlerhaften und nicht künstlich auf Biegen und Brechen „Optimierten“. Eine genaue Übersetzung des Begriffs ins Deutsche ist nicht möglich, eine Annäherung dafür aber umso erkenntnisbringender: „Wabi“ steht für das Einfache und das Unvollkommene, während „Sabi“ dem Konzept einen zeitlichen Aspekt in Form der Vergänglichkeit und der Wirkung, welche die Zeit auf alles Natürliche hat, beifügt. In diesem Licht betrachtet ist es das Natürlichste der Welt, das Altern, die Veränderung und die Unvollkommenheit als besonders rein und ästhetisch anzusehen.

Autor

  • Johannes Lichtenberg (Autor:in)

Johannes Lichtenberg hilft mit seinen Büchern dabei, komplexe psychologische Themen und Lebensphilosophien in leicht verständliche Schritt für Schritt Anleitungen runterzubrechen. Er möchte so vielen Menschen wie möglich helfen mehr Erfolg, Glück, Zufriedenheit und Selbstbewusstsein im Alltag zu erlangen.
Zurück

Titel: IKIGAI - Die japanische Philosophie eines erfüllten und glücklichen Lebens