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Narzissmus - Das Königreich im Kopf

Egoistische Selbstliebe und Manipulation von Narzissten erkennen, verstehen und abwehren. Praxisratgeber für den Alltag und gegen toxische Beziehungen.

von Johannes Lichtenberg (Autor:in)
100 Seiten

Zusammenfassung

Erkennst du den narzisstischen Tyrannen in deinem Umfeld?

Vielleicht hast du auch diesen einen Menschen in deinem Umfeld, ob als Partner, Kollege oder Freund, der auf der einen Seite ganz nett und sympathisch ist, auf der anderen Seite jedoch anstrengend und verletzend ist.

Dieser eine Mensch, der extrem viel von sich hält, niemals Fehler macht und dem die Welt zu Füßen liegen muss. Egal, wie sehr du dich anstrengst und was du auch tust, du kannst es dem Narzissten nie Recht machen. Egal wie viel Liebe, Hingabe und Aufmerksamkeit du gibst, am Ende bist du doch nur der Fußabtreter, der an allem Schuld ist.


Wenn du…
…narzisstische Menschen sicher identifizieren und entlarven willst.
…keine Lust mehr auf unnötige Psychospielchen und hinterlistige Manipulationen hast.
…toxische Beziehungen, Drama und nervige Machtspiele aus deinem Leben verbannen willst.

Dann wird es an der Zeit, die Narzissten in deinem Leben zu entlarven und zu verbannen!

Einen Narzissten zu entlarven, zu verstehen und letztlich abzuwehren ist leichter gesagt als getan. Solche Menschen haben sich ein eigenes Königreich in ihren Köpfen erschaffen, in denen sie die gutmütigen Herrscher sind und du sie bedingungslos lieben und bewundern musst.

Mit diesem Buch erhältst du eine umfangreiche Schritt für Schritt Anleitung, mit der du Schuldzuweisungen, Lügen, Manipulation und toxische Beziehungen durchschaust und ihnen ein für alle mal ein Ende bereitest.


Du erfährst in diesem Buch
- Woran du einen Narzissten erkennst und auf welche Alarmsignale du achten solltest.
- Wie du fiese Manipulationstechniken sicher abwehren kannst und wie Narzissten oftmals vorgehen.
- Warum dich keine Schuld trifft und wie du emotionalem Stress ein Ende bereitest.
- Wie du einen toxischen Narzissten endgültig aus deinem Leben verbannst und klare Grenzen setzt.
- Wie du nach einer Trennung bzw. einer toxischen Beziehung seelisch und gedanklich mit dem Kapitel abschließt.
- Und noch vieles mehr!

Sichere dir jetzt dein persönliches Exemplar und befreie dich selbst von der Negativität und emotionalen Last und beginne ein neues Kapitel voller Glück, Zufriedenheit und innerer Stärke - ganz ohne energieraubende Narzissten :)


Dein Johannes

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt


 

Vorwort

Unser Geschenk an dich!

Kapitel 1: Rund um den Narzissmus

Was bedeutet der Begriff Narzissmus?

Mythologischer Hintergrund und Entwicklung des Begriffs "Narzissmus"

Wie entsteht Narzissmus?

Diagnose: Narzissmus

Formen von Narzissmus

Dimensionen von Narzissmus

Maligner Narzissmus

Was ist ein Co-Narzisst?

Berühmte Narzissten

Kapitel 2: Erkunden der narzisstischen Persönlichkeit

Charakter und typisches Verhalten eines Narzissten

Männlicher vs. weiblicher Narzissmus

Wie kommuniziert ein Narzisst?

Alltägliche Probleme von Narzissten

Narzissmus im Gegensatz zu Selbstverliebtheit und Egoismus

Narzissmus und der Zusammenhang mit Empathie und Hochsensibilität

Kapitel 3: Der Narzisst und die Manipulation

Folgen und Gefahren der Manipulation

Kapitel 4: Der Narzisst im Alltag und in Beziehungen

Narzissten in Liebesbeziehungen

Warum Narzissten in einer Beziehung oft so spät erkannt werden

Narzissten innerhalb der Familie

Narzissten am Arbeitsplatz

Kapitel 5: Hilfe für Narzissten und Außenstehende

Die Trennung von einem Narzissten

Die Befreiung von einem Narzissten

Sich gegen narzisstische Kollegen oder Chefs wehren

Kann man einem Narzissten helfen?

Therapie für Narzissten

Kapitel 6: Narzissmus erkennen leicht gemacht

Narzisstisches Verhalten frühzeitig erkennen

Narzisstische Manipulation erkennen

Tipps zur Gesprächsführung mit Narzissten

Kapitel 7: Die häufigsten Fragen und Antworten

Schlusswort

Weitere Werke von KR Publishing

Lust auf mehr? Unser Geschenk an dich!

Impressum

Kapitel 1: Rund um den Narzissmus


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Als ich meinen Ex-Partner Michael kennengelernt habe, schwebte ich auf Wolke Sieben. Er war ausgesprochen attraktiv, ungemein charmant und legte mir die Welt zu Füßen. In den ersten Monaten unserer Beziehung überhäufte er mich mit Komplimenten, bemühte sich um mich, brachte mich zum Lachen, machte mir Geschenke und führte mich oft zum Essen aus. Noch nie hatte mir ein Mann ein solches Gefühl gegeben. Ich spürte, ich war die Eine für ihn, etwas ganz Besonderes. Ich war überglücklich.

 

Oft dachte ich, es ist einfach zu schön, um wahr zu sein.

 

Und wahr war es tatsächlich nicht. Nach einiger Zeit begann Michael sich zu verändern. Hier und da ein paar verunsichernde Bemerkungen, manchmal seltsame Verhaltensweisen. Wir fingen an, uns zu streiten. Zunächst hin und wieder, dann immer häufiger. Er wurde dann schnell beleidigend, wertete mich ab. Eigene Fehler konnte er nicht erkennen. Es war alles meine Schuld. Immer. Zunächst habe ich diese Veränderungen nicht so ernst genommen. Es ist doch so schön gewesen am Anfang. „Er hat bestimmt nur einen schlechten Tag oder ist zur Zeit etwas unter Stress“, entschuldigte ich sein Verhalten in Gedanken. Ich konnte nicht glauben, dass dieser Mann, der so charmant und liebevoll gewesen ist, sich plötzlich so zum Negativen verändern könnte. Und in Gegenwart anderer war er nach wie vor dieser Mann. Charismatisch, humorvoll, zuvorkommend. Ein wahrer Sympathieträger und Entertainer. Wo auch immer er hinging, die Menschen mochten ihn. Niemand hätte mir geglaubt, wenn ich erzählt hätte, wie er sich mir gegenüber verhält.

 

Die Veränderungen wurden immer schlimmer. Äußerte ich auch nur einen Hauch von Kritik, ging er sofort an die Decke. Aus Kleinigkeiten wurde schnell ein großer Streit, in dem er oft sehr verletzend wurde. Immer mehr war er derjenige, der darüber bestimmte, wann und wie viel Zeit wir miteinander verbringen oder wann wir uns nahe sind. Seine Zeit und Aufmerksamkeit wurden zu einem raren Gut, das ich mir quasi erst „verdienen“ musste. Meine Bedürfnisse musste ich seinen unterordnen. Wenn etwas nicht nach seinen Wünschen lief, wurde ich mit Zurückweisung „bestraft“. Versuchte ich, mit ihm über meine Gefühle zu sprechen, reagierte er stets verständnislos, kalt und abweisend. Ich sei einfach zu empfindlich, zu kleinkariert, zu eifersüchtig. Es sei alles nur in meinem Kopf. Ständig gab Michael mir das Gefühl, dumm und unfähig zu sein. Wenn bei mir mal etwas schief ging – ich zum Beispiel versehentlich ein Glas verschüttete – hieß es: „Du bist aber auch zu Nichts zu gebrauchen!“ Ich war diejenige, die zu viel nörgelte, sich zu schnell aufregte, ihn einengte.

 

Meine Selbstzweifel wurden immer größer. War es vielleicht wirklich nur ich selbst, die für unsere Auseinandersetzungen und Probleme verantwortlich war? Womöglich war ich tatsächlich einfach etwas zu sensibel und emotional, zu kritisch. Ich stellte mich selbst in Frage, versuchte, es besser zu machen, um wieder diesen wunderbaren Zustand der Anfangszeit erleben zu können. Ich passte mich ihm, seinen Bedürfnissen und seinen Anforderungen immer mehr an, ließ mich von ihm manipulieren, nahm seine Herabsetzungen und Angriffe hin. Aber es schien, als würde mit jedem Versuch, unser „Glück“ zu retten, alles nur noch schlimmer werden und mir ging es zunehmend schlechter. Unsere Beziehung zu jenem Zeitpunkt war ein einziges emotionales Auf und Ab. In einem Moment beteuerte er seine unendliche Liebe zu mir, im nächsten Moment nannte er mich „dumm“ oder bezeichnete mich als „hysterische Kuh“. Klärende Gespräche auf Augenhöhe waren nicht mehr möglich. Ich versuchte alles, um ihn zu halten, seine Gefühle wiederzubeleben. Anstatt ihn zu verlassen, sehnte ich mich durch sein Spiel aus „heiß und kalt“, aus „Komm-her/Geh-weg“ nur noch mehr nach der Anerkennung und Aufmerksamkeit, die er mir anfangs gegeben hatte.

 

Ich brachte es nicht übers Herz, mich jemandem anzuvertrauen. Viel zu sehr war ich inzwischen davon überzeugt, dass ich selbst das Problem war. Ich schämte mich. Niemand hätte sich vorstellen können, dass er auch ganz anders sein konnte. Es musste also an mir liegen. Und in diesem Glauben nahm ich es noch lange Zeit weiter hin, ständig enttäuscht, verletzt und klein gemacht zu werden.

 

Es war ein langer und schmerzhafter Weg bis zur Erkenntnis, aber heute weiß ich: Ich war gefangen in einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten.

 

Und im Nachhinein habe ich erkannt, dass ich für ihn das „perfekte Opfer“ war. Schon immer war ich ein recht sensibler, einfühlsamer Mensch. Stets bemüht um das Wohl der Menschen um mich herum. Ich war immer diejenige, die sich um andere kümmert, zu der die Leute gehen, wenn sie Probleme haben oder einen Rat brauchen. Und genau das ist es, was ein Narzisst braucht und sucht. Ich habe aber gelernt, dass es – auch für sensible und empathische Menschen – möglich ist, sich aus dem Sog eines Narzissten zu befreien oder es erst gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Das Wissen darüber, wie Narzissten sind und warum sie so sind, wie sie sind, hilft, sie frühzeitig zu erkennen und zu entlarven. So kann man sich selbst vor seinen Manipulationen und Verletzungen schützen. Und vielleicht sogar ihm selbst helfen.

 

Als ich bemerkte, dass ich mich in einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten befinde, begann ich, mich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich wollte verstehen, warum Narzissten so sind, wie sie sind und warum sie die Menschen um sie herum ausnutzen und manipulieren. Und ich erkannte etwas, das sehr wichtig war und mir sehr geholfen hat: Ich bin nicht allein. Narzissmus scheint in der heutigen Zeit ein verbreitetes Phänomen zu sein. Bei meinen Recherchen ist mir zunächst insbesondere ein Aspekt aufgefallen: bei einem Blick ins Internet und insbesondere in die verschiedenen Social Media-Plattformen zum Thema ‚Narzissmus‘, habe ich den Eindruck gewonnen, wir lebten inzwischen in einer Welt voller Narzissten. Das hat zwei Gründe.

 

Auf der einen Seite finden sich in den Medien immer mehr Artikel, Blogs oder Berichte über persönliche Erfahrungen mit Narzissten im privaten oder beruflichen Umfeld, besonders über die Befreiung aus toxischen Beziehungen mit ihnen. Ich las auch viel über die „narzisstische Gesellschaft“, über „Opfer“ von Narzissten, die Manipulationsstrategien von Narzissten oder auch prominente Persönlichkeiten, denen nachgesagt wird, sie seien Narzissten.

 

Auf der anderen Seite ist mir aufgefallen, dass man im Internet und vor allem den sozialen Medien von allen Seiten mit den verschiedenen Möglichkeiten der Selbstdarstellung und des Ringens nach Bewunderung überflutet wird. Selfies, Posing, Bilder der tollsten Autos, stets das perfekte Styling, makellose (gefilterte) Gesichter – Millionen Menschen teilen täglich auf den Social Media-Kanälen, wie schön, erfolgreich, beliebt oder reich sie sind und was für ein beneidenswertes Leben sie führen. Da stellt sich schnell die Frage, inwiefern vielleicht sogar in jedem und jeder von uns ein kleinerer oder größerer Narzisst steckt.

 

Diese Schilderung stammt von einer Bekannten von mir und brachte mich dazu dieses Buch zu verfassen. Ist es wirklich so, dass es in der heutigen Zeit immer mehr Narzissten gibt? Welche Bedeutung verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff, der inzwischen in aller Munde zu sein scheint? Im Allgemeinen wird der Begriff des Narzissmus oft als Selbstverliebtheit oder Egoismus ausgelegt. Aber sind Narzissten wirklich so sehr von sich selbst überzeugt und wollen nur das Beste und das Meiste für sich selbst herausholen? Oder stecken hinter narzisstischen Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmalen vielleicht ganz andere Motive und Ursachen? Wie erkenne ich einen Narzissten?

 

Die wahren Hintergründe und Ursachen narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale zu kennen, hilft dir dabei, dich vor Narzissten zu schützen, sei es in einer Liebesbeziehung, in der Familie, im Freundeskreis oder auch im Beruf. Überall können wir Narzissten begegnen und somit „Opfer“ ihrer Manipulationen werden. Und genau hier liegt das Problem: Narzissten können anderen Menschen erheblichen Schaden zufügen. Denn je enger deine Beziehung zu einem Narzissten ist, desto höher ist das Risiko, dass du manipuliert wirst und dir weh getan wird.

 

Mit diesem Buch möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit dir teilen, um dir im Umgang mit Narzissten zu helfen. Ich möchte andere Menschen an meinem Wissen teilhaben lassen, um zu verhindern, dass sie, so wie meine Bekannte, in eine solche Spirale mit einem narzisstischen Menschen gelangen. Falls du selbst oder eine Person in deinem Umfeld bereits in einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten steckst beziehungsweise steckt, möchte ich dir Wege aufzeigen, wie man wieder zu sich selbst finden und sich daraus befreien kann.

 

Was auch immer der Grund ist, warum du dich entschieden hast, dieses Buch zu lesen – sei es, weil du in deinem alltäglichen Leben mit einem Narzissten zu tun hast oder du dich einfach grundsätzlich für das Thema interessierst – mit diesem Buch möchte ich dir helfen, Narzissmus zu verstehen. Ich möchte dir helfen zu verstehen, warum Menschen Narzissten sind und woran du diese Menschen erkennen kannst. Und ich möchte dir helfen, dich vor narzisstischen Menschen und ihren Strategien, mit denen sie dir schaden, zu schützen.

 

Damit du dir ein umfassendes Bild davon machen kannst, was und wie ein Narzisst ist und wie du am besten mit ihm umgehst, um dich zu schützen, werde ich dir zunächst erklären, was genau mit dem Begriff Narzissmus gemeint ist, wie Narzissmus entsteht und wie man ihn erkennt.

 

Anschließend werde ich mit dir die narzisstische Persönlichkeit erkunden. Ein zentrales Merkmal narzisstischer Personen ist die Manipulation der Menschen in ihrem Umfeld. Diesem Phänomen widme ich mich in Kapitel 3. Im Kapitel „Narzissten im Alltag und in Beziehungen“ lernst du die verschiedenen Muster und Verhaltensweisen, die Narzissten im Rahmen ihrer verschiedenen Beziehungsbereiche, wie zum Beispiel Familie, Partnerschaft oder Beruf zeigen, kennen. Du erfährst auch, mit welchen Strategien du dich davor schützen kannst. Nicht zuletzt möchte ich dir aufzeigen, welche Hilfen es für Narzissten selbst oder deren Angehörige gibt, wie man sich aus einer Beziehung mit einem Narzissten befreien kann und welche therapeutischen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Narzissmus sinnvoll und hilfreich sein können.

 

Zum Abschluss erhältst du außerdem einige Tipps und Tricks zum richtigen Umgang mit Narzissten, eine Übersicht über die typischen „Erkennungsmerkmale“, einen Selbsttest, um festzustellen, ob du vielleicht selbst narzisstische Tendenzen aufweist, sowie Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema ‚Narzissmus‘.

 

 

Was bedeutet der Begriff Narzissmus?

 

Im Volksmund handelte sich bei Narzissmus um eine ausgeprägte Selbstverliebtheit und als Narzissten definierten Personen wird oft außerordentlicher Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Arroganz zugeschrieben. Wenn man sich mit Narzissmus beschäftigt, muss zunächst einmal zwischen einem positiven und einem negativen beziehungsweise dysfunktionalen Narzissmus unterschieden werden. Der positive Narzissmus meint eine „gesunde“, realistische, wertschätzende und sichere Einstellung zu sich selbst, welche auch nicht so leicht durch Misserfolge oder Kritik ins Wanken gebracht wird. „Positive Narzissten“ ruhen in der Regel in sich selbst und strahlen oft auf angenehme Art Selbstsicherheit und Harmonie aus. Diese Menschen sind in der Lage, ganz sie selbst zu sein und andere Menschen bedingungslos und ohne darüber hinausgehenden Zweck zu lieben, da ihr Selbstwert nicht von äußeren Faktoren abhängig ist. Der negative Narzissmus bezieht sich hingegen auf Menschen, die in erster Linie mit sich selbst beschäftigt sind und deren Liebe zu anderen Menschen in der Regel an Bedingungen geknüpft ist und vorrangig dazu dient, selbst geliebt zu werden oder auch, um einen Vorteil oder Nutzen aus der Beziehung mit diesem Menschen zu gewinnen. Daher sind Narzissten oft unfähig, lange, glückliche Beziehungen zu führen. Diese Menschen verfügen meist über kein beziehungsweise nur ein geringes Maß an Empathiefähigkeit und ihr Selbstwertgefühl ist oft gering oder instabil. Sie sind deshalb auf die Bestätigung anderer Menschen angewiesen. Um sich selbst besser zu fühlen, neigen sie dazu, andere Menschen abzuwerten.

 

Auf diese negative Form bezieht sich im alltäglichen Sprachgebrauch in der Regel die Verwendung des Begriffes Narzissmus. Er ist assoziiert mit einer übermäßigen Selbstverliebtheit, Eitelkeit und Ich-Bezogenheit, oft auch einem starkes Leistungs- oder Statusbewusstsein. Hinzu kommen ein durch Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnetes Verhalten, ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung durch andere Menschen und ein starker Drang zur Selbstdarstellung.

 

Narzissten weisen in der Regel eine stark egozentrische Weltsicht auf. Das bedeutet, alles dreht sich in erster Linie um sie selbst, ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche. Das Wohl anderer Personen oder der Gemeinschaft hat für sie nur einen untergeordneten Stellenwert. „Schuld“ haben für Narzissten grundsätzlich die anderen, sie selbst machen keine Fehler – so meinen sie zumindest. Konfrontiert man Narzissten mit Fehlverhalten, können sie damit nicht umgehen. Auf Kritik, sei sie noch so sachlich und angebracht, Misserfolg oder Kränkungen reagieren Narzissten nämlich extrem allergisch. So stellte bereits der Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm in seinem Buch „Die Antwort der Liebe“ fest: „Man kann einen narzisstischen Menschen daran erkennen, dass er äußerst empfindlich auf jede Kritik reagiert.“ Das liegt daran, dass dies eine große Gefahr für ihr Selbstbild darstellt. Entgegen ihres Auftretens und der verbreiteten Meinung verfügen Narzissten nämlich keinesfalls immer über ein durchweg positives Bild von sich selbst oder über ausgeprägte Selbstsicherheit. Vielmehr sind sie oft auf die Bewunderung und Bestätigung anderer Menschen angewiesen, weil sie sich ihrer selbst eben gerade nicht sicher sind. Viele Narzissten sind in ihrem Innersten zutiefst unsicher. Dies wollen sie jedoch nach außen hin keinesfalls zeigen. Denn dann würden die Menschen um sie herum schnell merken, dass sie eigentlich gar nicht so toll, so besonders, so großartig sind, wie sie vorgeben zu sein.

 

Neuere Studien zeigen aber, dass es auf der anderen Seite durchaus auch Narzissten gibt, die tatsächlich zutiefst überzeugt sind von ihrer eigenen Großartigkeit. Sie halten sich wirklich für etwas ganz Besonderes. Auch in diesem Fall verfügen die Betroffenen über große Schwierigkeiten, mit Zurückweisung oder Kritik umzugehen. Wie all diese Aspekte genau zusammenhängen, wirst du noch beim weiteren Lesen dieses Buches erfahren.

 

Neben diesem Alltagsverständnis eines negativen Narzissmus gibt es außerdem die psychologische beziehungsweise medizinische Perspektive auf Narzissmus, die sich auf diesen als eine Art psychische Erkrankung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung bezieht. Im Gegen-satz zu dem narzisstischen Persönlichkeitsstil, von dem im Alltag mit der Verwendung des Begriffs Narzissmus in der Regel gesprochen wird, sind bei der krankhaften Form, der sogenannten narzisstischen Persönlichkeitsstörung, kurz NPS, diese Merkmale besonders ausgeprägt und zeigen sich als tiefgreifende Störung der Persönlichkeit. Diese zeichnet sich gemäß des Diagnostischen und statistischen Leitfadens psychischer Störungen (DSM-V) durch einen ausgeprägten Größenwahn und die tiefe Überzeugung aus, dass sie selbst wichtiger sind als andere Menschen. Betroffenen mangelt es an Einfühlungsvermögen für andere Menschen und sie zeigen meist arrogantes Verhalten. Darüber hinaus weisen sie ein extremes Verlangen nach Bewunderung sowie ein stark idealisiertes Selbstbild auf. Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung hegen außerdem oft einen ausgeprägten Glauben an ihre eigene Macht, ihren übermäßigen Erfolg, ihre Attraktivität und ihre Einzigartigkeit. Aufgrund dieser (vermeintlichen) Besonderheit entwickeln sie zudem gewisse Erwartungshaltungen an ihre Umwelt, die sich vor allem auf eine bevorzugte Behandlung und die Erfüllung ihrer überhöhten Ansprüche beziehen. Von „normalen“ Menschen glauben sie, dass diese nicht in der Lage sind, ihre besondere Persönlichkeit zu verstehen und es nicht „wert“ sind, mit ihnen zu tun zu haben. Daher suchen Narzissten häufig den Kontakt zu angesehenen und/oder erfolgreichen Personen und Institutionen. Über deren Erfolg und Anerkennung versuchen sie, sich selbst bedeutender zu präsentieren.

 

 

Mythologischer Hintergrund und Entwicklung des Begriffs „Narzissmus“

 

Narzissmus scheint keinesfalls ein modernes Phänomen zu sein, sondern hat es wahrscheinlich zu allen Zeiten bereits gegeben. Der Begriff ‚Narzissmus‘ hat seinen Ursprung nämlich in der griechischen Mythologie. Er geht zurück auf den Jüngling Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Nach diesem Mythos wurde Narziss von vielen Menschen – „Jünglingen und Mädchen gleichermaßen“ – verehrt. Er verschmäht jedoch alle seine Verehrer. So auch die Bergnymphe Echo und den „Bewerber“ Ameinias. Während Erstere sich dar-aufhin in Stein verwandelt, begeht Letzterer aus seiner Verzweiflung über die Zurückweisung Selbstmord. Ameinias bittet jedoch vorher die Götter, seine Kränkung zu rächen, woraufhin Narziss mit unstillbarer Selbstliebe bestraft wird. Als dieser dann schließlich an eine Wasserquelle gelangt und auf das Wasser blickt, verliebt er sich in sein eigenes Spiegelbild.

 

Für das Ende der Geschichte existieren zwei verschiedene Versionen, welche jedoch beide negativ für den selbstverliebten Narziss ausgehen. In der einen Variante wird er, bei dem Versuch aus der Quelle zu trinken, in eine Blume verwandelt. In der anderen Variante ertrinkt er bei dem Versuch sein eigenes Spiegelbild im Wasser zu küssen.

 

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Wieder aufgegriffen wurde der Name „Narziss“ dann während des 19. Jahrhunderts von der Psychologie beziehungsweise Psychiatrie. Wissenschaftler begannen, spezifische selbstbezogene Verhaltensweisen von Menschen mit dem der Selbstliebe verfallenen Narziss zu vergleichen. Aus dieser Verbindung entwickelte sich schließlich in der Wissenschaft der Begriff „Narzissmus“, unter dem insbesondere Selbstverliebtheit verstanden wurde. In der Psychoanalyse kam es zu einer zunehmenden Beschäftigung mit dem Phänomen Narzissmus, auch durch deren bekanntesten Vertreter Sigmund Freud. Der Begriff wurde vor allem im Zusammenhang mit Persönlichkeiten verwendet, die aggressiv auf Kritik oder Kränkungen reagierten. Seither hat der Narzissmus-Begriff zunehmend Popularität und Verwendung erlangt – neben der Psychologie und Psychiatrie auch in der Philosophie, der Soziologie oder den Kulturwissenschaften – und ist heute mit seiner aktuellen Bedeutung sowohl in der Wissenschaft als auch in der Alltagssprache fest etabliert.

 

 

Wie entsteht Narzissmus?

 

Oft wird angenommen, dass eine narzisstische Persönlichkeit, beziehungsweise die damit oft verbundene Selbstwertproblematik, auf eine schwierige Kindheit oder eine problematische Beziehung zu den Eltern in den ersten Lebensjahren zurückzuführen ist. Problematische narzisstische Persönlichkeitszüge oder gar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung lassen jedoch sich in der Regel nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Hier kommen verschiedene – biologische, psychologische und umweltbezogene – Einflussfaktoren zusammen.

 

Denn zunächst einmal verfügt jeder Mensch, auch du und ich, über narzisstische Persönlichkeitszüge. Und das ist auch gut so. Wir alle weisen eine narzisstische Veranlagung auf. Diese ist zum Einen eine wichtige Grundlage für die Ausbildung unserer Identität und unseres Selbstbildes und zum Anderen für unsere persönliche Entwicklung und eine erfolgreiche Lebensführung. Gemäß den Annahmen der Psychoanalyse bilden Menschen in der Regel ein gewisses Ideal von sich selbst aus, mit denen sie ihr aktuelles Selbst vergleichen und das sie erreichen wollen. Wer ein gewisses Idealbild von sich selbst entwickelt, der steckt sich somit Ziele. Und Ziele sind der Motor für unsere Weiterentwicklung. Das gilt im Übrigen nicht nur für uns als Individuum, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.

 

Freud bezeichnete diesen normalen, natürlichen Narzissmus als „primären Narzissmus“. Säuglingen und Kleinkindern fehlt demnach zunächst die eindeutige Vorstellung, dass es außer ihnen selbst noch andere Menschen mit eigenen Bedürfnissen gibt. Nur ihre eigenen Bedürfnisse sind ihnen wichtig – zum Beispiel ihr Hunger, ihr Durst, ihr Drang, auf die Toilette zu gehen, ihr Verlangen nach Aufmerksamkeit und Nähe. In ihrer Welt dreht sich alles um sie selbst. Sobald sie Laufen lernen, meinen kleine Kinder außerdem, sie könnten alles alleine schaffen und überschätzen ihre Fähigkeiten. Erst im Laufe der Entwicklung verwächst sich dieser Narzissmus. Aus Kindern wird im Zuge ihrer Reifungs- und Lernprozesse ein wirklich soziales Wesen, das zwischen sich und anderen Individuen unterscheiden kann, das sich in die Bedürfnisse anderer einfühlen kann, deren Rechte anerkennt und nicht an Bedingungen oder Vorteile geknüpfte Liebe für andere Personen empfinden lernt. Es entwickelt sich bestenfalls der eingangs erwähnte „positive Narzissmus“ daraus. Aber dieses frühe, natürliche narzisstische Erleben und Fühlen von Säuglingen und Kleinkindern ist in den ersten Lebensjahren überlebenswichtig und daher in jedem von uns angelegt.

 

Problematisch wird dieser erst, wenn sich später im Leben der „sekundäre Narzissmus“ zeigt. Dies ist der Fall, wenn eine Person die Phase des primären Narzissmus entwicklungsbedingt eigentlich schon überwunden hat, beziehungsweise haben sollte, also im Erwachsenenalter. Den Betroffenen ist es dann nicht möglich, Interesse an anderen Menschen zu hegen, ohne dabei nur eigene Belange zu verfolgen, sich in die Gefühle anderer Menschen einzufühlen oder deren Bedürfnisse zu berücksichtigen. Sie richten ihre „Energie“ ausschließlich auf sich selbst. Dieser sekundäre Narzissmus ist in der Regel auch gemeint, wenn in der heutigen Zeit von (dysfunktionalem/negativem) Narzissmus die Rede ist.

 

Wie ausgeprägt die natürlichen narzisstischen Züge bei jedem Einzelnen sind und inwiefern diese sich im weiteren Lebensverlauf entwickeln, hängt allerdings von der genetischen Veranlagung und weiteren Faktoren ab und kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. So kann, wie bereits erwähnt, entweder ein zu geringes Selbstwertgefühl („vulnerabler Typ“) oder auch ein zu positives Bild von sich selbst („grandioser Typ“) der narzisstischen Persönlichkeit zu Grunde liegen.

 

In den aktuellen Diagnosekriterien des DSM-V wird ein ausgesprochen hoher beziehungsweise übertriebener Selbstwert, der bis hin zum Gefühl von Grandiosität reichen kann, als zentrales Merkmal genannt. Zugleich weisen aktuelle wissenschaftliche Studien aber auch darauf hin, dass ein unterdurchschnittlich ausgeprägtes Selbstwertgefühl unter narzisstischen Menschen verbreiteter ist, als in der restlichen Bevölkerung. Wodurch aber kommt es zu einer übertriebenen oder zu geringen Ausbildung des Selbstwertgefühls?

 

Kindheit und familiäre Faktoren

 

Neben der genetischen Veranlagung können beide Varianten durch ungünstige familiäre Verhältnisse und/oder das Verhalten der Eltern während der Kindheit bedingt werden.

 

Wenn die Eltern zum Beispiel nur wenig einfühlsam sind, sie ihrem Kind nur wenig Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Anerkennung entgegenbringen oder diese in der Regel an Bedingungen geknüpft sind, dann kann das bei dem Kind (und dem späteren Erwachsenen) dazu führen, dass ständig die eigenen Fähigkeiten und Besonderheiten betont werden und stets versucht wird, sich nach außen hin so positiv wie möglich darzustellen.

 

Eine andere elterlich bedingte Ursache kann auch ein übertriebenes In-den-Mittelpunkt-stellen des Kindes, eine Idealisierung und Bewunderung sowie eine Überbetonung seiner Bedürfnisse, Wünsche und Fähigkeiten sein. Ebenso, wie eine Überbehütung, bei der kein realistisches und gesundes Selbstbewusstsein entwickelt werden kann, kann auch eine Überforderung in Form mangelnder Unterstützung narzisstische Züge fördern. Wenn das Kind eigentlich noch auf Hilfe angewiesen ist, es aber beispielsweise häufig Reaktionen wie „Du bist ja schon ein großer Junge – du schaffst das alleine!“ erfährt, kann sich dies genauso schädlich auswirken. All diese elterlichen Verhaltensweisen können bei den Kindern dazu führen, dass sie zum einen über ein übertrieben positives Selbstbild verfügen und zugleich stets besorgt sind, dass sie den Erwartungen und Anforderungen ihrer Umwelt nicht gerecht werden können. Auch in diesen Fällen entwickelt sich die Überzeugung, dass die Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Person an Bedingungen, beziehungsweise besondere Leistungen geknüpft ist. Daher werden auch hier stets die eigene Besonderheit und Kompetenz in den Mittelpunkt gestellt. Die Kinder lernen nicht, ein angemessenes und unabhängiges Selbstbild zu entwickeln. Es wird ein falsches Ideal-Selbst ausgebildet, die Kinder überschätzen sich und machen entsprechende negative Lernerfahrungen, die dieses falsche Ideal-Selbst nicht bestätigen. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Selbstbild, das auf den Eltern basiert und dem eigenen Empfinden und Erleben des Selbst, weshalb die Betroffenen ständig Bestätigung durch andere Menschen benötigen, um sich ihrer selbst sicher zu sein.

 

Das unter Narzissten weit verbreitete ständige Neidgefühl gegenüber anderen Menschen lässt sich laut Psychoanalyse – ebenso, wie das mangelnde Einfühlungsvermögen – darauf zurückführen, dass sie aufgrund dieser negativen Beziehungserfahrungen mit ihren Eltern unbewusste Wutgefühle gegenüber anderen hegen. Aufgrund ihrer Tendenzen, andere Menschen zu manipulieren und auszunutzen, setzen sich die negativen Erfahrungen mit Mitmenschen im weiteren Leben fort. Befriedigende zwischenmenschliche Beziehungen bleiben ihnen verwehrt und die unbewusste Wut wird noch verstärkt.

 

Gesellschaftliche Faktoren

 

Neben diesen individuellen Faktoren, wird in der Narzissmus-Forschung zudem davon ausgegangen, dass die aktuellen gesellschaftlichen Strukturen ebenfalls narzisstische Tendenzen bei Menschen verstärken. Zum einen liegt das daran, dass die oben genannte Überbetonung der Besonderheiten des eigenen Kindes unter Eltern, vor allem denen aus der Mittelschicht, inzwischen sehr verbreitet ist. Vielen Kindern wird in der heutigen Zeit vermittelt, sie seien der Mittelpunkt des Universums und sie könnten alles tun und erreichen – was auch immer sie wollen. Wenn im späteren Leben dann diese falsche Vorstellung auf die Realität trifft, dient der Narzissmus und das Festhalten an der eigenen Großartigkeit dazu, das eigene Selbstbild vor dieser Wahrheit zu schützen. Hinzu kommt, dass unsere kapitalistische Gesellschaft und insbesondere die Arbeitswelt narzisstische Eigenschaften mit Erfolg „belohnt“. Je besonderer und talentierter sich jemand präsentiert, je egoistischer man ist und je weniger Rücksicht jemand auf andere nimmt, desto höher sind oft Position und Einkommen. Und auch Eltern vermitteln nicht selten bereits ihren Kinder, dass beruflicher Erfolg vor allem durch „Ellenbogen- Mentalität“ erreicht werden kann.

 

Hinzu kommt ein deutlicher Anstieg an Ein-Personen-Unternehmen und freiberuflich arbeitenden Menschen sowie ein starker Rückgang der direkten Kommunikation am Arbeitsplatz. Ein großer Teil der Arbeitsplätze in unserer Gesellschaft zeichnet sich durch „einsame Computerarbeit“ oder Arbeit an Maschinen ohne unmittelbare zwischenmenschliche Kontakte aus. Fähigkeiten wie Rücksichtnahme oder Einfühlungsvermögen sind daher grundsätzlich weniger erforderlich in unserer Gesellschaft. Dies hört aber auch in unserer Freizeit nicht auf: Smartphone, Laptop, Videospiele – reale zwischenmenschliche Interaktionen werden zunehmend durch digitale Aktivitäten ersetzt, für die wir uns nicht direkt mit anderen auseinandersetzen müssen.

 

Aber es gibt noch einen weiteren Faktor, mit dem die neuen Medien die Ausprägung von Narzissmus in der Gesellschaft verstärken können. Unrealistische Schönheitsideale und populäre Vorbilder, die jungen Menschen falsche Werte und Illusionen vermitteln, stark gefilterte Bilder und Videos, soziale Netzwerke, die als Plattform zur Selbstdarstellung im Kampf um Beachtung und Anerkennung genutzt werden – das alles verstärkt narzisstische Merkmale und Verhaltensweisen.

 

Diese Einschätzungen werden durch Studien bestätigt, die aufzeigen, dass beispielsweise die Ausprägung narzisstischer Eigenschaften unter Studierenden noch nie so hoch war, wie in der heutigen Zeit. Auch zeigen Untersuchungen, dass Menschen mit ausgeprägteren narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen in der Regel mehr Zeit in sozialen Netzwerken verbringen und dort auch häufiger Fotos von sich selbst posten. Unsere heutige Gesellschaft und vor allem auch die Medienwelt sind somit ganz offensichtlich ein idealer Nährboden für Narzissten.

 

 

Diagnose: Narzissmus

 

Wie du bereits weißt, muss man bei der Auseinandersetzung mit den negativen Ausprägungen von Narzissmus zunächst einmal unterscheiden, ob es sich lediglich um narzisstische Tendenzen handelt oder eine krankhafte Störung der Persönlichkeit vorliegt. Darüber wird in beiden Fällen zwischen verschiedenen Formen und Ausprägungen unterschieden. Wie diese festgestellt werden, beziehungsweise, woran sich die Formen und Ausprägungen erkennen lassen, möchte ich dir in diesem Abschnitt erklären.

 

Der scheinbare Anstieg und der fast schon inflationäre Gebrauch der Bezeichnung „Narzisst“ in der heutigen Zeit machen eine genaue Differenzierung zwischen noch normalen und krankhaften Formen umso wichtiger. Aus psychologischer Sicht gibt es konkrete Kriterien, nach denen definiert wird, ob eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt oder nicht. Doch wie kommt es überhaupt zu einer Diagnose? Interessant ist, dass viele narzisstische Störungen zwar im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung diagnostiziert werden, in den meisten Fällen der Narzissmus jedoch nicht der Grund ist, warum sich die Betroffenen in Therapie begeben. Da Narzissten kein Problembewusstsein bezüglich ihres Narzissmus haben, begibt sich ein Großteil der Betroffenen oft erst aufgrund anderer Erkrankungen oder Probleme in therapeutische Behandlung. Dies sind in der Regel spezifische Belastungen oder Störungen, die besonders häufig mit einer NPS gemeinsam auftreten. Hierzu zählen insbesondere soziale Isolation und ein Mangel an befriedigenden Beziehungen, Depressionen, Essstörungen, Drogenmissbrauch und weitere Persönlichkeitsstörungen, wie zum Beispiel die Borderline-Störung oder auch eine dissoziale oder paranoide Störung. Letztere treten nicht nur häufiger gemeinsam mit einer narzisstischen Störung auf, sondern können auch leicht miteinander verwechselt werden. Dies ist ein weiterer Grund, warum eindeutige Diagnosekriterien so wichtig sind.

 

Der DSM-V wird von der US-amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft APA (American Psychiatric Association), dem welt-weit größten Fachverband für Psychologen, herausgegeben und stellt ein weltweit zentrales Instrument zur Diagnose psychischer Störungen dar. Laut diesem Diagnosehandbuch liegt eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vor, wenn folgende Kriterien vorhanden sind:

 

ein übertrieben hohes Selbstwertgefühl

 

Vorstellungen, beziehungsweise Fantasien über den eigenen grenzenlosen Erfolg

 

die Überzeugung sehr besonders oder einzigartig zu sein

 

ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung

 

eine ausgeprägte Anspruchshaltung

 

ausnutzende Verhaltensweisen in zwischenmenschlichen Beziehungen

 

mangelndes Einfühlungsvermögen für andere Menschen

 

Neid gegenüber anderen Personen

 

arrogante Verhaltensweisen

 

Im zweiten, international bedeutenden Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) wird die NPS nicht explizit aufgeführt, sondern unter der Rubrik „Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen” genannt. An anderer Stelle werden diesbezüglich Vorschläge für spezifische Diagnosekriterien genannt, welche allerdings fast identisch mit denen im DSM-V sind.

 

Das DSM-V bietet zudem ein Alternativmodell zu den erstgenannten Kriterien. Dieses bezieht sich hinsichtlich der Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung vorrangig auf Probleme in den Bereichen Identität, Einfühlungsvermögen und zwischenmenschliche Nähe sowie der Selbstkontrolle. Es wird außerdem zwischen Faktoren im Bereich des Funktionsniveaus der Persönlichkeit (A) unterschieden, die bei den Betroffenen zu Schwierigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen führen, und dem Bereich der problematischen Persönlichkeitsmerkmale (B). Für eine Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung müssen im ersten Bereich mindestens zwei Kriterien erfüllt sein und beide Persönlichkeitsmerkmale aus der zweiten Kategorie vorliegen.

 

(A) Mittelgradige oder stärkere Beeinträchtigung im Funktionsniveau der Persönlichkeit, die sich durch typische Schwierigkeiten in mindestens zwei der folgenden Bereiche manifestiert.

 

✓   Identität

 

Hiermit ist die Selbstwertregulation und -definition durch übermäßigen Vergleich mit anderen Personen gemeint.

 

✓   Selbststeuerung

 

Der Betroffene hat entweder unangemessen hohe Maßstäbe, welche dazu dienen, sich selbst als besonders erleben zu können, oder unangemessen niedrige Maßstäbe aufgrund einer überzogenen Anspruchshaltung. Außerdem sind eigene Ziele nicht an Selbstverwirklichung orientiert, sondern nur darauf ausgerichtet, Anerkennung durch andere zu erlangen.

 

✓   Empathie

 

Die Fähigkeit, sich in die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen einzufinden ist nur eingeschränkt vorhanden; starke Orientierung an Reaktionen anderer Personen, dies jedoch nur, wenn es von Wichtigkeit für den Betroffenen selbst ist.

 

✓   Nähe

 

Beziehungen zu anderen Menschen dienen der Regulation des Selbstwertgefühls und bleiben in der Regel oberflächlich. Gegenseitigkeit entsteht nur, wenn es persönliche Vorteile für die Betroffenen gibt. Echtes Interesse an anderen besteht daher nur in sehr geringem Maße.

 

(B) Vorliegen der beiden folgenden problematischen Persönlichkeitsmerkmale:

 

✓   Grandiosität

 

Das Merkmal der Grandiosität kennzeichnet sich durch hohe offenkundige oder verborgene Anspruchshaltung, starke Selbstbezogenheit, ausgeprägte und stabile Überzeugung, außergewöhnlich zu sein sowie arrogantes Verhalten gegenüber anderen Menschen.

 

✓   Suche nach Aufmerksamkeit

 

Betroffene haben ein starkes Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen und Bewunderung zu erhalten sowie ein häufiges Bestreben, in Gegenwart anderer aufzufallen.

 

__________

 

In der Regel wird eine Diagnose von einem Psychiater oder Psychotherapeuten gestellt. Wie aber kann ein Psychiater oder Psychologe herausfinden, ob diese Kriterien erfüllt werden? Da die Narzissten selbst oft über kaum bis gar keine Fähigkeiten zur selbstkritischen Betrachtung verfügen und vorrangig andere für Probleme verantwortlich machen, können sie selbst in vielen Fällen zunächst nur wenig zur Diagnosestellung beitragen. Daher spielen auch sogenannte Fremd-Anamnesen im Zusammenhang mit der Diagnose des Narzissmus eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass Angehörige und andere nahestehende Bezugspersonen gezielt und ausführlich befragt werden – insbesondere im Hinblick auf soziale Konflikte. Die Untersuchung der betroffenen Person selbst beinhaltet darüber hinaus in der Regel die ausführliche Befragung der Betroffenen durch genaue Beobachtung und Erhebung der Stimmungen beziehungsweise Verstimmungen, die sowohl die Betroffenen als auch deren Umfeld belasten. Hierzu zählen insbesondere:

 

schlechte Laune und Missmutigkeit

 

Deprimiertheit

 

Missgunst und Neid

 

Feindseligkeit gegenüber anderen

 

offene und verdeckte Aggressionen

 

aufbrausendes Verhalten

 

Angstreaktionen

 

gestörte Kontrolle der Realität

 

psychoseartige Symptome

 

ein hohes Maß an zwischenmenschlichen Problemen

 

Im Gegensatz zu früheren Versionen des Diagnose-Manuals berücksichtigt diese aktuelle Fassung auch Kriterien, die bei eher verdeckten Formen von Narzissmus bestehen. Die vorherigen Fassungen bezogen sich vorrangig auf den auffälligsten Typen von Narzissten, der insbesondere durch angenommene Grandiosität, Eigenwilligkeit, Zielstrebigkeit und Extrovertiertheit auffällt. Die neue Sichtweise schließt nun auch überempfindliche und introvertierte Narzissmus-Typen mit ein.

 

Erhoben werden können all diese Aspekte, unter anderem durch gezielte Fragen, wie zum Beispiel:

 

image „Sind Sie der Meinung, dass Sie in Ihrem Leben ganz besondere oder großartige Dinge leisten?“

 

image „Haben Sie häufig das Gefühl, dass andere Menschen nicht in der Lage sind, Ihre Besonderheit oder Großartigkeit zu erkennen?“

 

image „Ist es für Sie herausfordernd oder anstrengend, sich mit den Bedürfnissen oder Gefühlen anderer Menschen auseinanderzusetzen?“

 

Zum Teil wird von Psychiatern abschließend eine neurologische Untersuchung vorgenommen, um gegebenenfalls körperliche Ursachen für die Störungen der Persönlichkeit zu identifizieren und so einen eventuell erforderlichen Bedarf an medizinischen Behandlungsmethoden – zum Beispiel Psychopharmaka oder andere Medikamente – zusätzlich zur Therapie zu erkennen. Außerdem wird im Rahmen der Diagnose auch eine Abgrenzung zu anderen Störungen vorgenommen, die der NPS sehr ähnlich sein können, wie beispielsweise der Borderline-Störung.

 

 

Formen von Narzissmus

 

Studien zufolge kann eine NPS in drei verschiedene Formen eingeteilt werden, die im Rahmen der Diagnose identifiziert werden können:

 


Das grandiose Selbst (grandios-maligner Narzissmus)

 


 

Dieser Typ zeichnet sich dadurch aus, dass er in zwischenmenschlichen Beziehungen rücksichtslos agiert, andere manipuliert und ausnutzt und in der Regel keine Reue für sein Verhalten empfindet oder zeigt. In Beziehungen zu anderen Menschen will dieser Narzissmus-Typ die Kontrolle erlangen. Sich selbst misst er eine ausgeprägte Besonderheit bei. Er betrachtet sich als privilegiert gegenüber anderen Menschen und ist fest davon überzeugt, großartig zu sein. Daher handelt es sich bei der nach außen dargestellten Grandiosität in diesem Fall nicht um eine bloße Selbstschutz-Strategie, sondern ein unangemessen, beziehungsweise unrealistisch positives Selbstbild. Es liegen in der Regel keine Minderwertigkeits- oder Unzulänglichkeitsgefühle oder sonstige negative Gefühlszustände vor. Typisch für diesen Narzissmus-Typen ist außerdem, dass er mit übertriebener Wut reagiert, wenn Dinge nicht nach seinen Wünschen laufen oder er kritisiert wird. Er zeigt sich in der Regel uneinsichtig bezüglich eigenen Fehlverhaltens, weshalb er grundsätzlich andere Menschen für Probleme verantwortlich macht. Narzissten dieses Typs haben oft zusätzlich Probleme mit Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch und zeigen häufig Merkmale antisozialer oder paranoider Persönlichkeitsstörungen. Grandios-maligne Narzissten leiden selbst nicht unter ihrem Verhalten und tendieren dazu, sogar Psychiater und Therapeuten zu manipulieren, weshalb die Heilungschancen im Rahmen einer Psychotherapie vergleichsweise gering sind.

 


Das verletzliche Selbst (vulnerabel-fragiler Narzissmus)

 


 

Ebenso wie der grandios-maligne Narzisst weist auch der vulnerabel-fragile Typ Gefühle der eigenen Grandiosität auf. Im Unterschied zum ersten Typ wechseln sich diese jedoch mit Gefühlen der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit ab. Anders als beim grandiosen Narzissten dienen die Grandiositäts- Gefühle und das ausgeprägte Bedürfnis, sich bedeutend und privilegiert zu fühlen, dem Schutz des zerbrechlichen Selbstwertgefühls. Narzissten dieses Typs sind in ihrem Inneren zutiefst unsicher – sie fühlen sich klein, ungenügend, einsam und sind oft ängstlich. Wenn dieser Schutzmechanismus jedoch nicht funktioniert, fühlt sich der vulnerabel-fragile Narzisst äußert schlecht, minderwertig und reagiert mit Wut und Aggressionen. Narzissten dieser Form zeigen oft auch Merkmale einer Angststörung, Depression oder anderer Persönlichkeitsstörungen, wie zum Beispiel der Borderline-Störung sowie abhängige oder vermeidende Persönlichkeitsstörungen. Da vulnerabel-fragile Narzissten in der Regel gut in der Lage sind, Empathie zu empfinden und aufgrund des Leidensdrucks oft das Bedürfnis haben, ihre Situation zu verändern, sind die Heilungschancen im Rahmen einer Psychotherapie im Vergleich zur ersten Form relativ hoch. Oft gelingt es ihnen nach einer Therapie, mit ihren verletzlichen und unsicheren Gefühlen umzugehen, ohne andere dafür abwerten oder besonders beeindrucken zu müssen.

 


Das hoch-funktionale Selbst (exhibitionistischer/ „high-functioning“ Narzissmus)

 


 

Dieser Narzissmus-Typ zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Persönlichkeitsstörung bewusst einsetzt, beziehungsweise benutzt, um erfolgreich zu sein. Er hält sich selbst für großartig und sucht gezielt die Aufmerksamkeit und Anerkennung anderer Menschen. Für seinen Erfolg nutzt er seine „narzisstischen Stärken“: eine hohe Leistungsorientierung sowie starkes Konkurrenzdenken, eine ausgeprägte Kontaktfreudigkeit und ein hohes Maß an Energie. Im sexuellen Bereich zeigen sich hoch funktionale Narzissten oft sehr verführerisch bis provokativ. Dieser Narzissmus-Typ zeigt in der Regel keine bis wenig Merkmale anderer Persönlichkeitsstörungen. Sein besonderer Vorteil liegt zudem in seiner guten Anpassungsfähigkeit. Aufgrund des nicht bis kaum vorhandenen Leidensdrucks begeben sich die high-functioning-Narzissten äußerst selten in eine Psychotherapie oder eine Klinik.

 

 

Dimensionen von Narzissmus

 

Über die Diagnose dieser drei verschiedenen Formen hinaus, sind viele Wissenschaftler überzeugt, dass es nicht „den“ Narzissmus oder nur diese drei klar abgrenzbaren Narzissmus-Formen gibt, sondern es sich dabei vielmehr um eine Störung mit zahlreichen Gesichtern handelt. So wird beispielsweise zusätzlich zwischen verschiedenen Dimensionen von Narzissmus unterschieden. Hierzu zählen die Dimensionen „offen – verdeckt“, „angepasst – unangepasst“, „grandios – fordernd“ sowie „robust - verletzlich“. Letztere bezieht sich auf die bereits beschriebene Unterscheidung zwischen den Narzissten mit übertrieben hohem Selbstwertgefühl und denjenigen, die ein ausgesprochen niedriges Selbstwertgefühl und – damit verbunden – starke Unsicherheiten, Überempfindlichkeit und Schamgefühle aufweisen. Die weiteren Dimensionen werden folgendermaßen definiert:

 


offen vs. verdeckt

 


 

Bei offenem Narzissmus handelt es sich um die klassische Form des Narzissmus, bei dem die Betroffenen in der Regel sehr arrogant auftreten und ihre eigene Großartigkeit offen und ohne Schamgefühle zur Schau stellen. Offene Narzissten sind ausgesprochen extravertiert. Im Umgang mit anderen Menschen überzeugen sie oft mit ihrem Charme und sind zudem sehr erfolgreich, wenn sie mit ihren Leistungen Anerkennung und Bewunderung erlangen können. Insbesondere zu Beginn neuer Beziehungen – nicht nur romantischer Art, sondern auch in Freundschaften oder im Beruf – sind sie häufig zu Beginn überaus aufmerksam und wertschätzend, sobald diese Beziehungen enger werden, zeigen sie jedoch ihr „wahres Gesicht“ und behandeln ihr Gegenüber dann zunehmend respektlos, manipulativ und ausnutzend und verhalten sich arrogant und gemein.

 

Die verdeckten Narzissten hingegen verhalten sich völlig konträr dazu. Ihr Narzissmus bleibt „verdeckt“, da sie ihre narzisstischen Tendenzen und insbesondere ihren Drang zur Selbstdarstellung unterdrücken und sich stattdessen stets freundlich, zurückhaltend und hilfsbereit zeigen. Sie versuchen zwar ebenfalls, bei anderen Menschen einen möglichst positiven Eindruck zu machen und Bewunderung zu erhalten, jedoch tun sie dies auf sehr subtile Art. Zum Beispiel, indem sie sich besonders sozial verhalten oder sich in Wohlfahrts- oder religiösen Organisationen engagieren. Sie selbst sehen sich tendenziell als Opfer, deren Besonderheit von anderen Menschen schlicht übersehen wird. Auch ihre Manipulationen sind deutlich unauffälliger und werden oft in Form von Schuldgefühlen, Unwahrheiten und Heimlichkeiten sowie verunsichernden Äußerungen ausgeübt. Für ihre „Opfer“ ist es daher oft sehr viel schwieriger, die Manipulationen und den Missbrauch zu erkennen.

 


angepasst vs. unangepasst

 


 

Während es angepassten Narzissten weitgehend problemlos möglich ist, gut in der Gesellschaft zu „funktionieren“ und sich zu integrieren, sie ehrgeizig und erfolgreich sind, ist dies bei unangepassten Narzissten nicht der Fall. Sie haben nicht selten mit emotionalen Problemen, Neurosen und Ängsten zu kämpfen und leiden auch oft unter sozialen Beeinträchtigungen. In ihren Lebensläufen kommt es häufiger zu depressiven Episoden, Trennungen und Scheidungen, beruflichen Misserfolgen, Drogen- und Alkoholproblemen sowie teilweise auch kriminellen Handlungen.

 


grandios vs. fordernd

 


 

Die „klassischen“ Narzissten fallen in der Regel vor allem durch die Überzeugung von ihrer eigenen Großartigkeit auf. Ihr Verhalten ist gekennzeichnet durch Dominanz und Arroganz und sie haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Bewunderung. Die fordernden Narzissten hingegen streben weniger nach Anerkennung sondern viel mehr nach besonderer Behandlung, da sie sich oft benachteiligt fühlen. Sie sind der Meinung, dass ihnen stets das Beste zusteht beziehungsweise sie gegenüber anderen bevorzugt behandelt werden müssten. Diese ausgeprägte Erwartungshaltung zeigen sie meist eher subtil statt offen, beispielsweise indem sie sich als Opfer, besonders verletzlich, krank oder hilfsbedürftig präsentieren. Sie versuchen andere Menschen auf diese Weise zu manipulieren und Mitleid oder Schuldgefühle auszulösen.

 

 

Maligner Narzissmus

 

Eine weitere Ausprägung des Narzissmus ist der sogenannte maligne Narzissmus. Hierbei handelt es sich um eine Art Steigerung, die als eine Kombination aus NPS mit einer antisozialen Verhaltensstörung sowie aggressiven und paranoiden Tendenzen beschrieben werden kann. In diesem Fall treten die betroffenen Personen oft noch egoistischer und rücksichtsloser auf, das Verhalten kann sogar sehr gemein und bösartig ausfallen. Personen mit malignem Narzissmus haben teilweise den Bezug zur Realität verloren. Alles, was für sie zählt, sind Macht, Kontrolle und die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse.

 

Nicht nur bei der krankhaften Ausprägung einer narzisstischen Persönlichkeit wird zwischen verschiedenen Formen oder Abstufungen unterschieden. Auch bei „lediglich“ narzisstischen Tendenzen können verschiedene Typen ausgemacht werden. Im Rahmen einer Analyse von Narzissmus-Typen wurden zwei unterschiedliche Ausprägungen gefunden: auf der einen Seite gibt es diejenigen, die eher zu großspurigem Verhalten neigen, die oft auch in höherem Maße auf Social Media- Plattformen aktiv sind und dort die vielfältigen Möglichkeiten der Selbstdarstellung nutzen. Und auf der anderen Seite gibt es die sehr unsicheren Narzissten, die sich im Allgemeinen eher von der Öffentlichkeit zurückziehen und sehr sensibel, beziehungsweise empfindlich im Kontakt mit anderen Menschen sind.

 

Neben den Narzissten in ihren unterschiedlichen Formen und Ausprägungen gibt es aber noch eine weitere „Form“, die zwar nicht den Narzissten selbst betrifft, aber im Zusammenhang mit Narzissmus eine bedeutende Rolle spielt: die sogenannten Co-Narzissten. Was es damit auf sich hat, erfährst du im folgenden Abschnitt.

 

 

Was ist ein Co-Narzisst?

 

Wie du bereits weißt, sind die meisten Narzissten in hohem Maße auf Bestätigung durch ihre Mitmenschen angewiesen. In zwischenmenschlichen Kontakten und Beziehungen sind sie daher immer dann besonders zuvorkommend und charmant, wenn sie dadurch Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen können, um ihr Ego zu füttern. Sie setzen ihre positive, freundliche und charismatische Seite gezielt dort ein, wo sie dafür belohnt werden. Wenn sie die erwartete Bewunderung nicht erhalten, sehen sie keinen Nutzen in positivem Verhalten und entziehen ihrem Gegenüber die Zuwendung. Sie behandeln sie dann zunehmend kalt und abweisend, meckern und kritisieren ständig und die Beziehung wird sehr einseitig.

 

Dieses Wechselspiel aus Wertschätzung und Ablehnung sowie aus Nähe und Zurückweisung führt bei den Beziehungspartnern von Narzissten zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Besonders problematisch daran ist, dass Narzissten sich sehr oft mit Partnern zusammenfinden, deren persönliche Eigenschaften – um nicht zu sagen „Schwächen“ – die des Narzissten perfekt ergänzen und so dessen Bedürfnisse ideal befriedigen. Sie sind wie zwei perfekt zusammenpassende Puzzleteile.

 

Die Partner von Narzissten zeichnen sich in vielen Fällen durch ein ebenfalls geringes Selbstwertgefühl, eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Kränkungen sowie ein starkes Bedürfnis nach Akzeptanz, Zuwendung und Liebe aus. Der typische Narzissten-Partner versucht diese Aspekte jedoch nicht durch Bewunderung der eigenen Großartigkeit, egoistisches Verhalten, Rücksichtslosigkeit oder eine ausgeprägte Anspruchshaltung zu kompensieren, sondern durch eine übermäßige Anpassung an andere. Auch neigen sie stark dazu, sich mit dem großartigen, narzisstischen Partner zu identifizieren, um sich selbst aufzuwerten. Der narzisstische Partner wird glorifiziert und seine Schwächen werden ausgeblendet, entschuldigt oder ausgeglichen.

 

Dieses „Gegenstück“ zum Narzissten wird als Co- oder auch Komplementär-Narzisst bezeichnet. Die Beziehung zwischen diesen beiden Persönlichkeitstypen wird oftmals Co-Abhängigkeit genannt. Der Co-Narzisst ist für sein Selbstwertgefühl darauf angewiesen, vom Narzissten für die Befriedigung seiner Bedürfnisse gebraucht zu werden. Somit sind im Grunde beide Seiten aufeinander angewiesen, beziehungsweise voneinander abhängig, um das Selbstbild stabil zu halten. Im Alltag zeigt sich in diesen Beziehungen häufig eine typische Aufteilung hinsichtlich der Geschlechter: die Narzissten selbst sind oft männlich und deren co-narzisstische Partner weiblich.

 

Die narzisstischen Partner hegen aufgrund ihres Verhaltens nicht selten unbewusst Schuldgefühle. Diese passen jedoch nicht mit seinem grandiosen Selbstbild zusammen und werden daher verdrängt. Ausdruck finden sie stattdessen in Aggressionen, Kritik, Vorwürfen und Demütigungen gegenüber den Partnern. In der Folge wird der Co-Narzisst noch unsicherer, unterwürfiger und empfindet selbst Schuldgefühle. Es entsteht zunehmend eine sich stets wechselseitig verstärkende „Täter-Opfer-Beziehung“: Je größer, stärker und abwertender und je mehr der Narzisst ein Täter ist, desto kleiner, schwächer und devoter und desto mehr Opfer ist der Co-Narzisst und umgekehrt.

 

 

Berühmte Narzissten

 

Wie du bereits weißt, sind viele Narzissten oft auch besonders erfolgreich. Das liegt daran, dass ihr Wunsch nach Anerkennung sie antreibt, große Leistungen zu erbringen. Dadurch, dass sie zudem anderen gegenüber oft sehr charmant sind und durch ihre Persönlichkeit Sympathien und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind sie bei anderen Menschen oft sehr beliebt. Narzissten stehen überaus gerne im Mittelpunkt. Daher verwundert es nicht, dass es auch unter berühmten Persönlichkeiten relativ viele Narzissten gibt – in Politik, Wirtschaft und der Unterhaltungsbranche. Berühmtheit und beruflicher Erfolg sind die ideale Nahrung für die narzisstische Persönlichkeit. In den jeweiligen Positionen gelingt es Narzissten nicht selten, Großes zu leisten, neue Trends zu setzen, Engagement für andere zu zeigen oder revolutionäre Veränderungen in Gang zu bringen. Natürlich geht es den Narzissten dabei in der Regel nicht um die eigentliche Aufgabe, die sie erfüllen, sondern in erster Linie um die Inszenierung ihres besonderen Selbst und das Ernten der Bewunderung anderer Menschen. Beispielhaft stelle ich dir nachfolgend einige große, berühmte Narzissten vor.

 

image   Ludwig XIV.

 

Der frühere französische König ist ein typisches Beispiel für einen narzisstischen Menschen. Nachdem er an die Macht gelangt ist, verzichtete er fortan darauf, Minister für die Staatsgeschäfte einzusetzen, da er die alleinige Herrschaft über sein Land haben wollte. Ludwig XIV. war stets sehr bemüht, die anderen europäischen Staatsmänner zu beeindrucken und seine Macht, Überlegenheit und seinen Reichtum darzustellen. Er organisierte pompöse Feste am Hof, präsentierte sich gerne selbstbewusst und prunkvoll und stellte seinen übertriebenen Luxus gezielt zur Schau. Er galt als egozentrisch, sehr eitel und fordernd. Gegenüber anderen Menschen und insbesondere Frauen zeigte er sich stets ausgesprochen höflich und charmant, weshalb er neben seiner Ehefrau noch zahlreiche Liebschaften pflegen konnte. Während das Volk hungerte, ließ er das prachtvolle Schloss Versailles bauen, welches damit als eine Art „Denkmal“ für seinen ausgeprägten Narzissmus betrachtet werden kann.

 

image   Salvador Dalí

 

Über den berühmten spanischen Künstler, der bereits zu Lebzeiten als Genie bezeichnet wurde, hegen sich zahlreiche Geschichten darüber, wie exzentrisch und sonderbar er gewesen sein muss. Nicht selten wurde er sogar als paranoid oder gar wahnsinnig bezeichnet. Er liebte es, zu provozieren und zu verstören – und dies findet sich auch in seiner surrealistischen Kunst wieder. Dalí liebte die Aufmerksamkeit und das Polarisieren. Sein Markenzeichen, den langen, mittels Wachs aufgerichteten Zwirbelbart, ergänzte er stets mit Umhang und goldverziertem Spazierstock, wenn er sich in der Öffentlichkeit präsentierte. Dalí, mit seinem großen künstlerischen Talent und seiner ausgeprägten Selbstverliebtheit, genoss zwar die Bewunderung, die ihm entgegengebracht wurde, verachtete seine Bewunderer aber zugleich. Freundschaften pflegte er kaum und wenn, dann vornehmlich für Menschen, die ihm ähnlich waren: exzentrische Künstler und rebellische Intellektuelle. Am deutlichsten werden seine narzisstischen Züge und seine Selbstverliebtheit aber wohl in Aussagen, die er über sich selbst gemacht hat. So soll er beispielsweise gesagt haben: „Die beiden größten Glücksfälle, die einem Maler passieren können, sind: 1. Spanier zu sein, 2. Dalí zu heißen.“

 

image   Coco Chanel

 

Auch wenn, insbesondere berühmte, Narzissten oft männlich sind, soll an dieser Stelle auch ein weibliches „Exemplar“ der Narzissten vorgestellt werden. Die französische Modedesignerin Coco Chanel gilt als Revolutionärin der Mode-Welt. Mit der Erfindung des „kleinen Schwarzen“ schuf sie einen unsterblichen Klassiker in der Damenmode und die von ihr gegründete Marke „Coco Chanel“ ist auch heute noch eines der populärsten und erfolgreichsten Labels im Bereich Mode. All dies hat sie nicht zuletzt ihrer narzisstischen Persönlichkeit zu verdanken. Ihr Wunsch nach Anerkennung und Erfolg haben ihren Ehrgeiz ins Unermessliche beflügelt. All ihre Energie steckte sie in ihre Arbeit. Und sie war extrem überzeugt von sich selbst – mit einem Hang zur Selbstüberschätzung. So behauptete sie beispielsweise, es sei ihr zu verdanken, dass die Frauen aus dem Korsett „befreit“ wurden. In Wahrheit ist dies aber bereits anderen Designerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuzuschreiben. Über sich selbst sagte sie einst: „Ich bin der einzige noch nicht erloschene Vulkan der Auvergne.“

 

image   Cristiano Ronaldo

 

Der berühmte und erfolgreiche portugiesische Fußballspieler fällt auf dem Platz nicht nur durch seine besonderen sportlichen Leistungen auf, sondern auch durch sein stets akkurates Styling. Wenn er das Spielfeld betritt, sieht er immer aus wie „aus dem Ei gepellt“. Ronaldo legt größten Wert auf sein Äußeres, die Kleidung sitzt grundsätzlich perfekt und vor der Ausführung von Freistößen oder Elfmetern bringt er sich gern selbstbewusst, kämpferisch und breitbeinig in Pose. Schießt er ein Tor, so lässt er es sich nicht nehmen, selbstgefällig und arrogant über den Platz zu stolzieren, um sich feiern zu lassen. Sein gesamtes Auftreten ist darauf ausgerichtet, ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhaschen und der Welt zu zeigen, was für ein großartiger Fußballspieler er ist. Beliebtheit bringt ihm dieses Verhalten nicht sonderlich ein – sowohl unter anderen Fußballspielern als auch im Publikum wird er von vielen Menschen für seine Allüren verachtet. Er selbst meinte dazu aber einst recht unbeeindruckt und typisch narzisstisch „Vielleicht hassen sie mich, weil ich zu gut bin.“

 

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Weitere Berühmtheiten, denen oft eine narzisstische Persönlichkeit zugeschrieben wird, sind unter anderem der irische Schriftsteller Oscar Wilde, der frühere italienische Staatschef Silvio Berlusconi, der Autor Thomas Mann oder der ehemalige US-Präsident Richard Nixon. Der derzeit wohl bekannteste Narzisst und wohl auch einer der umstrittensten ist der US-amerikanische Präsident Donald Trump. So beschreibt ihn selbst seine eigene Nichte, die Psychologin Mary Trump, als „verlogenen und kaltherzigen Narzissten“. Andere Psychologen gehen sogar so weit, ihn als perfektes Beispiel oder gar eine Karikatur eines Narzissten zu bezeichnen. So schrieb die Psychotherapeutin Marie-France Hirigoyen über Trump: „Auch jemand, der kein Psychologe und Psychiater ist, merkt sofort, dass mit Donald Trump etwas nicht stimmt. Denen, die nicht wissen, was unter ‚pathologischem Narzissmus‘ genau zu verstehen ist, liefert der Präsident der Vereinigten Staaten mit seiner Prahlerei, seinem extrovertierten Verhalten, seiner absoluten Hemmungs- und Empathielosigkeit ein karikatureskes Beispiel.“

 

Donald Trump wird von einigen Menschen sogar als maligner, also bösartiger Narzisst beurteilt. Weitere berühmte Beispiele für bösartige Narzissten sind unter anderem der römische Kaiser Nero, Hitler, Stalin oder auch der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi.

 


Das Wichtigste in Kürze

 


 

Der Begriff Narzissmus hat seinen Ursprung in dem griechischen Mythos vom Jüngling Narziss und wurde im 19. Jahrhundert von der Psychologie und insbesondere der Psychoanalyse aufgegriffen.

 

Heute werden im alltäglichen Gebrauch Menschen als Narzissten bezeichnet, die sich selbst für ausgesprochen großartig halten, arrogant sind, einen Hang zur Selbstdarstellung aufweisen, dazu neigen, andere Menschen zu manipulieren und auszunutzen und sehr empfindlich auf Kritik reagieren.

 

Aus medizinischer Perspektive wird der Begriff für das Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, kurz NPS, verwendet, bei der diese Merkmale und Verhaltensweisen besonders stark ausgeprägt sind.

 

Eine Diagnose erfolgt anhand verschiedener Diagnosekriterien und typischer Merkmale und Verhaltensweisen sowie durch Befragungen betroffener Personen und deren Bezugspersonen.

 

Narzissmus hat seinen Ursprung in der Regel in verschiedenen ursächlichen Faktoren, wie der Erziehung durch die Eltern, gesellschaftlichen Faktoren und der individuellen Veranlagung.

 

Der „Gegenpart“ eines Narzissten in Beziehungen wird als Co-Narzisst bezeichnet.

 

Narzissten sind oft erfolgreich in Politik, Medien und der Unterhaltungsbranche.

 

 

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Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783948593964
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
ehe egoismus emotionen beziehung selbstliebe psychologie toxische beziehung manipulation narzissten narzissmus Meditation autogenes Training Krankheiten Ratgeber

Autor

  • Johannes Lichtenberg (Autor:in)

Johannes Lichtenberg hilft mit seinen Büchern dabei, komplexe psychologische Themen und Lebensphilosophien in leicht verständliche Schritt für Schritt Anleitungen runterzubrechen. Er möchte so vielen Menschen wie möglich helfen mehr Erfolg, Glück, Zufriedenheit und Selbstbewusstsein im Alltag zu erlangen.
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Titel: Narzissmus - Das Königreich im Kopf