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Karl Rudolf Brommy - Die Marine

Editiert und neu herausgegeben von Thomas F.Rohwer

von Thomas Rohwer (Autor:in)
447 Seiten
Reihe: Die Maritime Bibliothek, Band 2

Zusammenfassung

Karl Rudolf Brommys Buch »Die Marine - Eine allgemeinverständliche Darstellung des gesammten Seewesens für Gebildete aller Stände« wurde erstmals 1848 in Berlin veröffentlicht; editiert und mit einer Einführung neu herausgegeben von Thomas F.Rohwer. Karl Rudolf Brommy wurde 1804 in einem Dorf nahe Leipzig geboren. Als Vierzehnjähriger trat er in die Seemannsschule Altona ein und heuerte nach seiner Ausbildung dort auf der Brigg »Heinrich« an. Ab 1822 fuhr er auf verschiedenen amerikanischen Segelschiffen und wurde 1826 zum Kapitän befördert. 1827 ging Brommy nach Griechenland und beteiligte sich als Offizier in der griechischen Marine am Revolutionskrieg gegen die osmanische Herrschaft. Im deutsch-dänischen Krieg 1848-50 befehligte er zunächst die »Nordseeflottille« und wurde 1849 Konteradmiral und erster Befehlshaber der »Reichsflotte« des Deutschen Bundes. 1848 veröffentlichte Brommy »Die Marine« als Versuch, den gebildeten Kreisen der Öffentlichkeit in Preußen und den anderen deutschen Staaten die Aspekte der Seefahrt und insbesondere der Kriegsmarine näher zu bringen. Vollständige Neuausgabe (kein Reprint!) der Ausgabe von 1848, mit mehreren Tabellen und Abbildungen, einer Einführung und Erläuterungen zur Marinegeschichte Deutschlands vom 17.Jahrhundert bis zur Zeit Brommys. Brommy beschreibt ausführlich die Prinzipien und technischen Details des Schiffbaus und der Seefahrt seiner Zeit sowie des Einsatzes von Segelkriegsschiffen in einer Seeschlacht am Beispiel der Schlacht von Trafalgar.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einführung des Herausgebers

Der Name Karl Rudolf Brommy (auch Karl Rudolf Bromme geschrieben, oder Carl Rudolph Bromme) ist heute in Deutschland den wenigsten bekannt. Würde man historisch interessierte Bürger fragen, wer ihnen denn als „Gründer einer deutschen Marine“ einfällt, so wäre wohl in den allermeisten Fällen der Name „Tirpitz“ die Antwort. Falls es denn überhaupt eine Antwort gäbe, denn für „Marine“ haben sich die Deutschen in ihrer Geschichte nur selten interessiert - und die einzige Phase größeren Interesses war die Zeit des Admirals Alfred von Tirpitz.

Das größte Hindernis für das Entstehen einer „deutschen Marine“ war das Fehlen eines deutschen Nationalstaates bis ins Jahr 1871. Nichtsdestotrotz gab es zuvor schon entsprechende Bestrebungen, wenn auch auf höchst bescheidenem Niveau. Die „Frankfurter Nationalversammlung“ stellte 1848 eine „Reichsflotte“ auf, die vor allem auf preussischen und hamburgischen Ressourcen beruhte.

Diese Ressourcen waren winzig, und das Schicksal der „Deutschen Revolution“ von 1848 tat ein übriges. Erster und einziger Kommandeur dieser „Reichsflotte“ war der Konteradmiral Karl Rudolf Brommy, der zunächst auf Handelsschiffen und dann als Seeoffizier im griechischen Unabhängigkeitskrieg 1827/28 Erfahrungen gesammelt hatte. Die „Reichsflotte“ bestritt ein einziges, unentschiedenes Gefecht, im Krieg gegen Dänemark während der „Schleswig-Holsteinischen Erhebung“; dieses Gefecht fand vor der Insel Helgoland statt - damals noch in englischem Besitz und ein besonderes Symbol für das deutsche Einigkeitsstreben, da auf dieser Insel 1841 der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26.August 1841 das „Lied der Deutschen“ schrieb, das am 11.August 1922 in der „Weimarer Republik“, dem zweiten Versuch, ein freies, demokratisches und republikanisches Deutschland zu schaffen, zur Nationalhymne erklärt wurde. 

Das „Seegefecht vor Helgoland“ vom 4.Juni 1849 wurde unentschieden abgebrochen, nachdem die englischen Küstenbatterien auf Helgoland Warnschüsse gegen den deutschen Verband abgefeuert hatte, der die dänische Korvette „Valkyrien“ verfolgte, als die sich gegen den überlegenen deutschen Verband in englische Gewässer flüchtete und dort trotz der offiziellen englischen Neutralität geduldet wurde. Wie wenig Geltung zur See Deutschland oder auch Preußen in jener Zeit hatte, lässt sich aus dem Umstand erkennen, daß der englische Premier Lord Palmerston kurzerhand erklärte, Kriegsschiffe unter preußischer oder anderer deutscher Flagge in der Nordsee würden als Piratenschiffe verfolgt werden.

Karl Rudolf Brommy veröffentlichte 1848 ein Buch unter dem Titel „Die Marine“, eine „gemeinverständliche Darstellung des gesammten Seewesens für Gebildete aller Stände“. Dieses Buch ist keine Propagandaschrift für den Aufbau einer Marine in Deutschland bzw. Preußen, wie sie Alfred von Tirpitz ein halbes Jahrhundert mit massiver Propaganda betrieben hat. Es beschreibt vielmehr die Kenntnisse und Erfahrungen des Seeoffiziers Brommy aus mehreren Jahrzehnten des Dienstes zunächst auf Handelschiffen und dann als Marineoffizier in der griechischen und später der „Bundesflotte“, und es weist kritisch auf die geringe Bedeutung hin, die zu dieser Zeit die deutschen Mittel- und Kleinstaaten hinsichtlich der Schiffahrt hatten. Es ist ein höchst interessantes Dokument seiner Zeit, das einem weitgehend dem Binnenland zugeneigten Publikum das Wesen und die Anforderungen der Kriegsmarine und der Seefahrt vor allem auf Segelschiffen nahebringen sollte.

Auf das Verhältnis der Deutschen zur Seefahrt und besonders zu einer Kriegsmarine hat das Buch keinen Einfluß gehabt, es geriet schnell in Vergessenheit.

T.F.R.

Die Entwicklung der Marine in Deutschland vom 17.Jahrhundert bis zur Zeit Brommys - ein kurzer Abriss

Die Entwicklung von Seestreitkräften im Laufe der deutschen Geschichte wurde durch zwei besondere Umstände entscheidend geprägt.

Der erste Umstand ist das Fehlen eines deutschen Nationalstaates vor 1871. Es gab schlicht kein „Deutschland“, sondern einen Flickenteppich kleinerer und mittelgroßer Monarchien und Stadtstaaten in den deutschsprachigen Regionen Mitteleuropas. Preußen, Sachsen, Bayern, Westfalen, zahllose Fürstentümer, und nicht zuletzt natürlich Österreich, das lange die führende Macht im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ und später im „Deutschen Bund“ war.

Der zweite Umstand ist die geographische Lage der deutschsprachigen Regionen in Mitteleuropa. Zwar waren bereits im 14.Jahrhundert einige istrische und dalmatische Küstengebiete unter habsburgische Herrschaft gelangt, jedoch hatte das keinerlei Interesse der habsburgischen Krone an Seefahrt oder dem Aufbau einer eigenen Marine zur Folge.

Mit dem Frieden von Campo Formio gelangten 1797 Venedig, Istrien und Dalmatien in österreichischen Besitz, und Österreich übernahm die venezianische Marine. Venedig blieb in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts Haupthafen der Kriegsmarine; erst später wurden eigene Kriegshäfen in Pola und Cattaro erreichtet.

Die 1797 gegründete Marine erhielt den Namen „Österreichisch-Venezianische Marine“ (k.k. Veneta Marine). Mannschaften und Offiziere kamen nahezu alle aus Venetien und waren durch die Tradition Venedigs geprägt.

Damit begann in eher bescheidenem Umfang österreichische Seemacht zumindest im Mittelmeerraum zu existieren, und ebenso gab es eine österreichische Handelsschiffahrt. Seestrategisch war Österreich dadurch stark benachteiligt, daß der Zugang zum Mittelmeer und damit zur offenen See nur durch die schmale (maximal 71 km breite) Straße von Otranto am Ende der Adria möglich war, die von größeren Seemächten jederzeit zwischen Apulien im Süden des „italienischen Stiefels“ und der albanischen Küste blockiert werden konnte.

Im Norden des deutschsprachigen Gebiets in Mitteleuropa sah es nicht viel besser aus. Die Ostseeküste zwischen Flensburg und Ostpreußen war ein Flickenteppich unter verschiedenster und oft wechselnder Herrschaft. Die Ostsee hatte zwar eine erhebliche Bedeutung als maritimer Handels- und Machtraum, aber die Schwergewichte in dieser Region waren jahrhundertelang Rußland, Schweden und Dänemark. Preußen und Brandenburg spielten seestrategisch keine Rolle, und die einstmals bedeutende Rolle der deutschen Hansestädte an der Ostseeküste wie Lübeck und Wismar war um 1700 ebenfalls längst Geschichte. Zu- und Ausgänge der Ostsee zum Atlantik wiederum wurden von Dänemark und Schweden beherrscht und waren einfach zu blockieren.

An der Nordsee sah es nicht viel besser aus, Hamburg und Bremen hatten Bedeutung als Handelshäfen, politisch war die Region an der Nordsee zersplittert, und seestrategisch wurde die Nordsee durch die Englischen Inseln und den Ärmelkanal vom Atlantik abgeschnitten, und damit vor allem durch die englische Seemacht, aber auch die französische.

Auch das sind Gründe, warum es bis zum Ende des 19.Jahrhunderts nie zu ernsthaften Versuchen des Aufbaus einer deutschen „Seegeltung“ kam. Das führte dann auch dazu, daß traditionell ein beträchtlicher Teil des Seehandels von und nach „Deutschland“ von englischen, niederländischen und skandinavischen Schiffen übernommen wurde. Trotzdem kam es zwischen 1657 und 1871 immer wieder zu einzelnen Versuchen, Seestreitkräfte aufzubauen.

Die Brandenburgische und Kur-Brandenburgische Marine

Das Herzogtum Preußen hatte bereits ab 1618 eigene, wenn auch schwache Seestreitkräfte in der Ostsee. Die Markgrafschaft Brandenburg hatte zu Beginn des 17.Jahrhunderts zwar keinen Zugang zur Ostsee, aber die Brandenburger Hohenzollern übten seit 1605 im Herzogtum Preußen die Regentschaft aus, durch Erbanfall 1618 fiel es dann an Brandenburg. Das Herzogtum musste als Lehen des polnischen Königs diesem in mehreren Kriegen Schiffe zur Verfügung stellen.

Während des Dreißigjährigen Krieges fiel das Herzogtum an den Kurfürsten von Brandenburg, dieser konnte sein Erbe 1638 gegen den Willen der militärisch überlegenen schwedischen Besatzer aber nicht antreten. Im Westfälischen Frieden musste sich Brandenburg dann mit Hinterpommern begnügen, das dem brandenburgischen Kernland einen Zugang zur Ostsee eröffnete. Einziger bedeutender Hafen war Kolberg, das Schweden erst 1653 räumte. Schweden hielt weiterhin die Odermündung bei Stettin, die alten Hansestädte Stralsund und Greifswald und damit die wichtigsten sonstigen Seezugänge zum brandenburgischen Raum unter seiner Kontrolle.

Im Zweiten Nordischen Krieg (1655-60) erkannte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Bedeutung eigener Seestreitkräfte, als er 1656 mangels eigener Kräfte zur See die Häfen von Pillau und Memel dem feindlichen Schweden öffnen musste. Während dieses Krieges erlangte er 1657 schließlich die volle Souveränität über das Herzogtum Preußen. 

Im selben Jahr entstand in Pillau erstmals unter brandenburgischer Flagge eine Flottille von anfangs drei Schiffen mit zusammen 34 Kanonen unter dem Kommando des Kavallerie-Obersten Johann von Hille (1609-84). Mit der Zeit wurde der Schiffsbestand auf sieben größere Kriegsschiffe, drei Kanonenschaluppen und zwanzig bewaffnete Boote verstärkt, die im Frischen Haff im Bündnis mit Polen erfolgreich gegen schwedische Schiffe und Befestigungen eingesetzt wurden. Nach Ende des Krieges wurde die Flotte aus Geldmangel schnell wieder verkleinert, 1662 gab es nur noch acht Schiffe, Um 1670 existierte dann nur noch die „Leibyacht“ des Kurfürsten. Nichts desto trotz beteiligte sich der Kurfürst in der Folgezeit am internationalen Seehandel. Dazu ließ er in Holland zwei Schiffe bauen, die jedoch von England beschlagnahmt wurden.

Der Sieg über Schweden in der Schlacht von Fehrbellin im Juni 1675 nach einem neuerlichen schwedischen Einfall in Brandenburg gab den letzten Anstoß zum Aufbau einer eigenen Flotte. Seit 1675 erfolgte der Bau von hochseetüchtigen Kriegsschiffen. Wesentlich daran beteiligt war der niederländische Reeder und Kaufmann Benjamin Raule (1634–1707). Der Große Kurfürst bot Raule 1675 Kaperbriefe für den Seekrieg gegen Schweden an. Raule, der in finanziellen Schwierigkeiten war, nahm das Angebot an und vermietete für die nächsten Jahre zwischen vier und sechs Schiffe an Brandenburg, das erfolgreich Kaperkrieg gegen die schwedische Handelsschifffahrt führte. Raule wurde daraufhin von seinen eigenen Landsleuten wegen Seeräuberei verfolgt und musste nach Berlin fliehen. Am 14.Mai 1675 wurde er dort zum „Marinerath“ ernannt, am 20. Februar 1676 „Schiffsdirecteur“ und am 17. August 1677 „Oberdirecteur unserer Seesachen“. Am 20. Februar 1681 wurde Raule schließlich „Generaldirecteur de Marine“ im Range eines Obersten.

Die angemietete Flotte (Schiffe mit zusammen etwa 500 Geschützen) nahm  an vielen Operationen teil, so etwa an der Belagerung von Stettin (1677), der Belagerung von Stralsund (1678), der Eroberung Rügens (1678) und der Einnahme Greifswalds (1678).

Am 16. Januar 1679 verpflichtete sich Raule vertraglich, für sechs Jahre fünf Fregatten und sechs Schaluppen gegen eine feste Bezahlung an Brandenburg-Preußen zu vermieten. Schon im Juli 1679 führte er erfolgreich Kaperkrieg gegen Hamburg, um ausstehende Zahlungen einzutreiben. 1680 verfügte die kurbrandenburgische Flotte über 28 Kriegsschiffe. 

Im selben Jahr kam es im „Brandenburgischen Kaperkrieg“ zu einem gegen Spanien gerichteten Einsatz der Marine mit dem Ziel, rückständige spanische Zahlungen aus dem kurz zuvor beendeten Nordischen Krieg einzutreiben. Dazu lief ein Verband von acht Schiffen unter dem niederländischen Marineoffizier Claus von Bevern in den Ärmelkanal, kaperte vor Ostende das spanische Schiff „Carolus Secundus“ und schickte es als Prise nach Pillau, wo es als „Markgraf von Brandenburg“ das Flaggschiff der brandenburgischen Marine wurde. Anschließend segelte ein Teil von Beverns Geschwader in die Karibik, wo es zwei spanische Schiffe aufbrachte. Am 30. September 1681 focht ein brandenburgisches Geschwader unter Thomas Alders im Seegefecht beim Kap St.Vincent erfolglos gegen ein spanisches Geschwader - es war das erste Seegefecht eines deutschen Verbands auf hoher See.

Mit Raules Hilfe plante der Große Kurfürst die Gründung einer Handelskompanie für den Handel nach Übersee nach holländischem Vorbild. Dazu wurde ab 1680 der Hafen Pillau zum Stützpunkt mit einer Werft ausgebaut.

Raule rüstete mit eigenen Mitteln 1680/81 eine erste Afrikaexpedition  aus, die einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit örtlichen Herrschern auf dem Gebiet des heutigen Ghana abschloss. Eine zweite Afrikaexpedition (1682/83) gründete das Fort Groß-Friedrichsburg an der westafrikanischen Küste am „Kap der drei Spitzen“. (Heute zu Ghana gehörend.)

Als Basis für die Ausweitung ihrer Operationen benötigte die Kurbrandenburgische Marine auch einen geeigneten Hafen an der Nordsee. Friedrich Wilhelm gelang es 1682, in Ostfriesland Fuß zu fassen und sich zunächst in Greetsiel einen Stützpunkt zu sichern. Auf Grundlage eines 1683 mit den Ständen der Stadt Emden geschlossenen Vertrages wurde Emden der neue Stammhafen der Marine. Gleichzeitig wurde der Sitz der Handelskompanie von Pillau nach Emden verlegt. Ein Stützpunkt auf Insel St.Thomas in der Karibik, damals dänische Kolonie, kam 1685 dazu.

Offiziell wurde die „brandenburgisch-preußische Marine“ am 1.Oktober 1684 gegründet, als der Kurfürst zu den eigenen Schiffen auch noch Raules Flotte aufkaufte. Fünf Jahre später erließ Friedrich Wilhelms I. Sohn, Kurfürst Friedrich III. (der spätere König Friedrich I.), organisatorische Vorschriften und richtete Admiralitätsämter in Berlin, Emden und Pillau ein. Außer Schiffen, Offizieren und Matrosen gehörte zur Marine auch ein eigenes „Marinekorps“ (Marineinfanterie). Er führte ab 1688 die Flotte und die Handelskompanie fort, hatte jedoch kein echtes Interesse daran. Entsprechend verfiel die Flotte bald, und 1701 gab es nur noch elf Kriegsschiffe unter brandenburgischer Flagge (gegen 34 Schiffe 1684). 

Die Preußische Marine ab 1701

Der ab 1701 nun „Preußischen Marine“ war kein Glück beschieden. Es gelang nicht, die Flotte durch Gewinne im Überseehandel zu finanzieren, und es gingen immer wieder Schiffe verloren, z.B. durch Freibeuter und Piraten oder auch durch Beschlagnahme von Schiffen durch andere Länder. 1711 löste König Friedrich I. die preußische Marine und die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie auf. Die Besitzungen in Afrika wurden 1717 für 7.200 Dukaten (nach heutigem Wert etwa 125.000 Euro) an die Niederlande verkauft.  Unter der Regierung Friedrichs I., dem „Soldatenkönig“ (König von Preußen von 1713 bis 1740) wurden alle Ressourcen in den Aufbau der Landstreitkräfte gelenkt, für die folgenden hundert Jahre war Preußen trotz seines Anteils an der Ostseeküste eine reine Landmacht. 

Nach dem „Nordischen Krieg“ (1700-1721) gelangte Brandenburg-Preußen in den Besitz von Stettin und der Odermündung und hatte dadurch einen viel bedeutenderen Zugang zur Ostsee als vorher allein mit Kolberg. 1733 wurde die Frage nach einer militärischen Präsenz auf See erneut geprüft, aber man kam zu den Schluß, daß es ausreichend war, sich für den Schutz des Seehandels (z.B. vor Piraterie) auf die Seestreitkräfte anderer Staaten zu verlassen. Brandenburg-Preußen baute das sehr kampfkräftige viertgrößte Heer Europas auf und pflegte freundschaftliche Beziehungen zu den benachbarten Seemächten Dänemark und Niederlande.

Auch Friedrich II. lehnte den Aufbau einer eigenen preußischen Kriegsmarine strikt ab. Man könne mit den großen Seemächten der Zeit (England, Frankreich, Spanien, Dänemark, Rußland) ohnehin nicht gleichziehen. Außerdem war Friedrich „der Große“ der Überzeugung, daß Seeschlachten ohnehin praktisch nie eine Kriegsentscheidung herbeiführen würden. Das war zwar ein fulminanter historischer Irrtum, der die Grundlagen für die Macht und den Wohlstand von Nationen wie Großbritannien, Frankreich oder früher auch Spanien (und noch früher von Athen und Rom) völlig verkannte, aber bis zur Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. und auch danach wieder bis heute die Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik Deutschland prägte und prägt.

Nur während des „Siebenjährigen Krieges“ operierten  improvisierte, aber militärisch unbedeutende preußische Seestreitkräfte im Raum Stettin, und einige Kaperschiffe fuhren während des Krieges mit einem preußischem Kaperbrief. Ein kleiner schwedischer Flottenverband vernichtete 1759 die „Stettiner Flottille“, ein Jahr später wurden erneut improvisierte Küstenschutzkräfte aufgestellt. Der Flottenbauplan von 1796, Teil der Denkschrift des Generalmajors Ernst von Rüchel über die preußische Küstenverteidigung, wurde nie weiter verfolgt. Auch während des Krieges gegen das napoleonische Frankreich setzte Preußen nur kleine, improvisierte Marinekräfte in der Ostsee ein.

Nach dem Wiener Kongress 1815 und der Gründung des „Deutschen Bundes“ begann Preußen sehr langsam mit dem Aufbau einer kleinen Küstenflotte. 1816 bestimmte König Friedrich Wilhelm III. eine eigene Kriegsflagge, die auf einem weißen Doppelstander einen schwarzen Adler und im oberen Eck ein Eisernes Kreuz zeigte. 

Im August 1815 „lieh“ sich Preußen von Schweden den Marineoffizier Diedrich Johann Longé (1770-1863) aus. Longé übergab sechs in Stralsund stationierten und von Preußen gekaufte schwedische Kanonenboote und wurde als Offizier in die preußische Marine übernommen. Auf seinen Vorschlag wurde ein schneller bewaffneter Schoner mit dem Namen „Stralsund“ für die Marine gebaut. Die Kanonenboote wurde bereits 1819 wieder außer Dienst gestellt, die „Stralsund“ 1829 zum Abbruch versteigert. Das Schiffsmaterial scheint keine besonders gute Qualität gehabt zu haben.

Die preußische Regierung lehnte aus finanziellen Gründen 1820 Pläne von 1811 und 1814 für die Aufstellung einer Marine ab, die vom interimistischen Generalstabschef Oberst Gustav von Rauch ausgearbeitet worden waren, und auch einen Plan, den Longé entwickelt hatte. Auch zwei „Seewehr-Kommissionen“ kamen 1825 und 1834 zu keinem anderen Ergebnis. 1837 fand Rauch, inzwischen Generalleutnant, erstmal die Unterstützung des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. 1840 als Friedrich Wilhelm IV. zum König von Preußen gekrönt, bewilligte der 1841 den Bau einer hochseegängigen Schulkorvette. Dieses Schiff lief 1843 unter dem Namen „Amazone“ vom Stapel und diente der „Seefahrtsschule“ in Danzig als Schulschiff für die Ausbildung des seemännischen Nachwuchses. Das zielte zunächst aber mehr auf die Bedürfnisse der Handelsmarine als auf den Aufbau eines Besatzungs- und vor allem Offiziers- und Unteroffiziers-Stammes für eine künftige preußische Kriegsmarine.

Eine Rolle spielte auch die staatliche „Preußische Seehandlung“, die 1772 zur Förderung des Außenhandels gegründet worden war und sich im Laufe des 19.Jahrhunderts zunächst zu einer Reederei entwickelte und dann in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zunehmend zu einer Exportbank wandelte. Die „Seehandelsgesellschaft“ begann 1822 mit dem Vertrieb schlesischer Textilwaren nach Mittel- und Südamerika mit eigenen Schiffen. Dieses Geschäft dehnte sie bald weltweit aus und ließ 1822 bis 1824 das Segelschiff „Mentor“ die erste Weltumsegelung eines preußischen Schiffes durchführen. Sechs weitere Weltumsegelungen durch die „Princess Louise“ folgten. Gleichzeitig wurde der Schiffbau gefördert, indem zum Beispiel in den Vereinigten Staaten die Schonerbrigg „Christian“ kaufte, die als guter Segler galt und den preußischen Schiffbauern künftig als Lehrmodell dienen sollte. Die meisten für den Seehandel fahrenden preußischen Handelsschiffe waren (wie durchaus üblich in der damaligen Zeit) zum Schutz gegen Piratenüberfälle bewaffnet und bildeten eine Art „Hilfsmarine“, die bis etwa 1850 bestand.

Zu den ersten, die sich engagiert für den Aufbau einer ernstzunehmenden preußischen Marine einsetzten, gehörte Prinz Adalbert von Preußen (1811-73), Sohn des Prinzen Wilhelms, des jüngsten Bruders König Friedrich Wilhelms III. Er hatte auf zahlreichen Reisen den Wert einer Flotte zur Unterstützung und zum Schutz des Seehandels einer Nation kennengelernt. In der Revolutionszeit von 1848 bis 1852 beteiligte er sich am Aufbau einer „Reichsflotte“, den die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor dem Hintergrund des Krieges gegen Dänemark beschlossen hatte. Der „Deutsche Bund“ besaß zu dieser Zeit keine eigene Marine, sondern stützte sich auf die verbündeten Staaten Großbritannien, Niederlande und Dänemark.

Der Schleswig-Holsteinische Krieg 1848-50

Während des „Schleswig-Holsteinischen Krieges“ 1848 zeigte sich die fatale Schwäche dieser Politik. Großbritannien und die Niederlande blieben neutral, und Dänemark war plötzlich Kriegsgegner. Die dänische Marine unterband innerhalb weniger Tage den gesamten deutschen Seehandel in Nord- und Ostsee. Die Marine des ja auch zum „Deutschen Bund“ gehörenden Österreich wiederum lag im Mittelmeer und konnte erst mit erheblicher Verzögerung in die Kampfhandlungen eingreifen. Großbritannien erschwerte die Lage zudem noch dadurch, daß es erklärte, jedes unter der Flagge Preußens angetroffene Kriegsschiff als Piratenschiff zu behandeln.

Am 5.April 1849 kam es nördlich von Kiel in der Bucht von Eckernförde zu einer nachgerade skurrilen „Seeschlacht“, die mit einiger Berechtigung als die Geburtsstunde einer modernen deutschen Marine angesehen werden kann.

Eckernförde, das von der „Schleswig-Holsteinischen Armee“ besetzt war, wurde zum Ziel eines dänischen Landungsversuchs. Das Segel-Linienschiff „Christian VIII“ (84 Geschütze), die Segel-Fregatte „Gefion“ (48 Geschütze), zwei kleine Dampfschiffe und drei Yachten sollten 250 Mann Landungstruppen an Land setzen.

Bereits im April 1848 hatte General von Wrangel durch den preußischen Artillerie-Leutnant Werner Siemens (den späteren berühmten Elektroingenieur, Erfinder und Unternehmer und Gründer der Siemens-Werke) eine Küstenartilleriestellung in Eckernförde errichten lassen, die mit 10 Geschützen bestückt war. Kurz vor dem dänischen Angriff am 5.April 1849 war außerdem eine nassauische Batterie mit sechs Feldgeschützen herangeführt worden.

Am Abend des 4.April 1849 ankerten die dänischen Schiffe außerhalb der Reichweite der feindlichen Artillerie in der Eckernförder Bucht. Da Ostwind herrschte, der in die Bucht hineindrückte, war die Manövrierfähigkeit der dänischen Schiffe beeinträchtigt, und sie konnten die Bucht nur mit Schlepperhilfe wieder verlassen.

Frühmorgens begannen die „Christian VIII“ und die „Gefion“, die deutschen Stellungen zu beschießen. Die Schiffe konnten dabei nur mit Schlepperhilfe manövrieren, was sich als fatal erwies. Ein Treffer durchtrennte die Schlepptrosse der „Gefion“, die daraufhin manövrierunfähig nahe zu den Küstenbatterien herantrieb. Einige Zeit später wurde auch die „Christian VIII“ manövrierunfähig.

Gegen 13 Uhr forderten dänische Parlamentäre freien Abzug unter Androhung, Eckernförde zu beschießen, der freie Abzug wurde aber abgelehnt. Beide Schiffe wurden durch die Küstenbatterien und Feldgeschütze manövrierunfähig geschossen, die „Gefion“ ergab sich gegen 18 Uhr und wurde von schleswig-holsteinischen Soldaten geentert, die auf Grund gelaufene „Christian VIII“ ergab sich etwa eine halbe Stunde später. Nach der Kapitulation explodierte die „Christian VIII“ schließlich während der Ausschiffung der Besatzungen aus ungeklärten Umständen. Der Großteil der Besatzung war zu diesem Zeitpunkt bereits an Land. 

Bei dem Gefecht kamen 224 Dänen und fünf Schleswig-Holsteiner ums Leben, darunter der Kommandeur der Süderschanze, Unteroffizier Ludwig Theodor Preußer, der vor der Explosion der „Christian VIII“ auf das Schiff übergesetzt war. 

Zwei Monate später kam es in der Nordsee zum „Seegefecht bei Helgoland“. Dort sichtete am 4.Juni 1849 ein aus der Dampffregatte „Barbarossa“ und den Dampfkorvetten „Lübeck“ und „Hamburg“ bestehender Verband unter dem Kommando von Admiral Karl Rudolf Brommy die dänische Segelkorvette „Valkyrien“ (26 Geschütze). Die „Barbarossa“ war ein ursprünglich für die Cunard-Reederei in England gebaute Raddampfer mit zusätzlicher Segeltakelage, der in der Nordatlantikfahrt eingesetzt worden war und im März 1849 für die neu aufzubauende „Bundesflotte“ gekauft und mit neun 68-Pfünder-Bombenkanonen[1] ausgerüstet worden war. Die „Lübeck“ und „Hamburg“ waren kleine Raddampfer (335 bzw. 380ts), die mit jeweils vier Geschützen bewaffnet worden waren

Es kam zu einem kurzen Feuergefecht, bei dem die Überlegenheit der deutschen Geschütze den dänischen Kommandanten Polder zwang, sich auf das damals britische Helgoland zurückzuziehen. England, obwohl eigentlich neutral in dem Konflikt, gewährte dem dänischen Schiff Schutz. Die Festungsartillerie der Insel feuerte Warnschüsse auf die deutschen Schiffe ab. 

Polder wartete die Ankunft des dänischen Raddampfers „Gejser“ ab, der mit zwei 60-Pfünder-Geschützen bewaffnet war. Da Brommy erkannte, daß zudem zwei weitere dänische Fregatten zur Verstärkung heranliefen, zog sich der Verband in die Elbmündung vor Cuxhaven zurück; die dänischen Schiffe verfolgten Brommys Verband, zogen sich dann aber wieder auf ihre Blockadepositionen zurück.

Nachdem Preußen unter dem Druck Großbritanniens und Rußlands am 10.Juli 1849 einen Waffenstillstand und am 2.Juli 1850 im Namen des Deutschen Bundes einen Sonderfrieden mit Dänemark geschlossen hatte, brach die „Schleswig-Holsteinische Erhebung“ zwischen Juli und Oktober 1850 nach den Niederlagen in den Schlachten bei Idstedt und Friedrichstadt zusammen. In der Folge blieb die Provinz Schleswig dänisch, Holstein wurde von preußischen und österreichischen Truppen „befriedet“.

Die in Eckernförde eroberte „Gefion“ blieb gemäß dem Friedensvertrag deutsches Eigentum und wurde im November 1850 unter preußischer Flagge in die Nordsee überführt und dort am 30.November 1850 vor Helgoland unter dem Kommando des „Lieutenants I. Klasse“ Reichardt in die Flotte des Deutschen Bundes aufgenommen und unter dem Namen SMS „Eckernförde“ wieder in Dienst gestellt. 

Die preußische Marine nach 1850

Schon während der Revolution 1848 hatte sich Prinz Adalbert um den Ausbau der preußischen Marine bemüht. Ihr Seebefehlshaber wurde 1848 der aus den Niederlanden stammende Kommodore Jan Schröder. Der Aufbau einer preußischen Flotte wurde aber zunächst durch viele innere und äußere Schwierigkeiten behindert. In Preußen fürchtete das Heer den Verlust von Haushaltsgeldern, die für den Aufbau einer Kriegsflotte nötig gewesen wären. Großbritannien wollte keine neue, wenn auch nur regionale Seemacht in Nord- und Ostsee, Rußland keine preußische Seemacht in der Ostsee. Hinzu kam, daß die Idee einer deutschen Marine vielerorts als „revolutionär“ empfunden wurde, und allein schon deshalb den heftigen Widerstand der restaurativen Kreise in Europa und vor allem in Rußland hervorrief, daß ja führend an der Niederschlagung der „demokratischen 1848er Revolution“ in Mitteleuropa beteiligt gewesen war.

Dennoch schaffte es Prinz Adalbert, seine Flottenpläne weiter zu verfolgen. Preußen begann mit der Beschaffung von Schiffen, wobei die größeren überwiegend im Ausland gekauft wurden, weil die Werftindustrie an den deutschen Küsten noch nicht leistungsfähig genug dafür war.

Außerdem wurde ein Stützpunkt an der Nordseeküste erworben, im „Jade-Vertrag“ von 1853 trat Oldenburg das Jadegebiet an Preußen ab. Hier wurde in den folgenden Jahren ein Kriegshafen erreichtet, der 1869 den Namen Wilhelmshaven erhielt.

Ab Mitte der 1850er Jahre waren preußische Korvetten und Fregatten immer wieder auf allen Weltmeeren zu finden. Eine größere Überseeoperation der preußischen Marine führte ab 1859 nach Ostasien. Die von Friedrich Albrecht zu Eulenburg geführte „Preußische Ostasienexpedition“ mit den Schiffen „Arcona“, „Thetis“, „Frauenlob“ und „Elbe“ wurde von den Staaten des Zollvereins unterstützt. Es gelang 1861 China einen Handelsvertrag aufzuzwingen, der den Verträgen entsprach, die Großbritannien und Frankreich mit China abgeschlossen hatten. 

Karl Rudolf Brommy - eine kurze Biographie

Am 10.September 1804 wurde Karl Rudolf (nach manchen Quellen auch Carl Rudolph) Bromme in Anger, einem Dorf nahe Leipzig, als fünftes Kind des Gerichtsschöffen Johann Simon Bromme (1758-1808) und seiner Frau Frederike Louise (geborene Berthold, 1771-1806) geboren. Bereits als kleines Kind verlor er beide Eltern und wuchs bei einem Vormund auf. 

Im Jahr 1818 ging  er - als 14jähriger - an die Seefahrtsschule in Altona, das damals noch eine unabhängige Stadt im zum Deutschen Bund gehörenden, aber von Dänemark regierten Herzogtum Holstein war, und die nach Kopenhagen zweitgrößte Stadt Dänemarks. Nach Abschluss der Ausbildung an der Seefahrtschule trat er auf der Brigg „Heinrich“ seine erste Seereise an.

Über die ersten Jahre Brommes nach Verlassen der Navigationsschule in Hamburg im Sommer 1820 gibt es nur lückenhafte Aufzeichnungen.Mit der „Heinrich“ machte er anscheinend einige Reisen nach Mittelamerika. Nach eigenen Angaben heuerte er ab 1822 auf verschiedenen US-amerikanischen Segelschiffen an und wurde 1826 zum Kapitän befördert. Zu dieser Zeit änderte Bromme die Schreibweise seines Namens entsprechend der englischen Aussprache in Brommy. Für die angebliche Beteiligung am chilenischen und später am brasilianischen Unabhängigkeitskrieg gibt es keine nachvollziehbaren Belege.

1827 wurde Brommy ein Mitglied der Freimaurer in der Loge Apollo in Leipzig. Von Berichten über den englischen Admiral Thomas Cochrane angeregt, der nach dem Ende seiner Marinekarriere in England aufgrund umstrittener militärischer Entscheidungen und eines Börsenskandals England verlassen hatte, und sich als Oberbefehlshaber der jeweiligen Flotten an den Unabhängigkeitskriegen von Chile (1817-22), Brasilien (1823-25) und Griechenland (1827-28) zu beteiligen, ging Brommy 1827 nach Griechenland und schloss sich den dortigen Revolutionären gegen die osmanisch-ägyptische Herrschaft an.

Im Rang eines Korvettenkapitäns wurde Brommy Erster Offizier der Segelfregatte „Hellas“ (64 Kanonen; ehemals der amerikanische Segler „Hope“), danach ebenfalls Erster Offizier auf der Segelkorvette „Hydra“ (26 Kanonen). Mit der „Hydra“ nahm er an der Bekämpfung von Piraten in der Ägäis und an der Zerstörung der Piratenhochburg Grabusa auf der Insel Kreta teil. Am 11.Juni 1828 wurde Brommy zum Fregattenkapitän befördert und zum Kommandanten der Raddampfer-Korvette „Enterprise“ (griechisch: „Epicheiresis“; 8 Kanonen) ernannt. Mit dem Geschwader des griechischen Admirals Miaoulis nahm Brommy an Kämpfen vor Preveza (Golf von Arta) und an der Eroberung von Messolongi teil.

1831 verließ Brommy Griechenland wieder und unternahm einige wissenschaftliche Reisen durch Frankreich, England und Deutschland. Danach kehrte er nach Sachsen zurück. In Meißen veröffentlichte er unter dem Pseudonym „R.Termo“ einen autobiographischen Roman.

Als 1832 der bayrische Prinz Otto von Wittelsbach als Otto I. König von Griechenland wurde und eine griechische Delegation unter Admiral Miaoulis den König von München in sein neues Reich begleitete, schloss sich auch Brommy an. Er wurde am 16.November 1832 wieder in seinem alten Dienstgrad als Offizier der griechischen Marine reaktiviert und Kommandant eines alten Raddampfers, der „Hermes“ und ein halbes Jahr später von deren Schwesterschiff „Mercur“. 

Gleichzeitig diente Brommy als Mitglied einer Marinekommission, als Hafenkapitän und später als Präfekt der von König Otto I. eingerichteten „Seepräfektur“ in Poros. Diesen Dienstposten mußte er 1835 aufgegen, nachdem er von einem Kriegsgericht zu vier Monaten Arrest und 60 Drachmen Geldstrafe verurteilt wurde. Zeitgenössischen Berichten zufolge hatte in Notwehr einen Unteroffizier geohrfeigt.

Während der nachfolgenden Dienstzeit im griechischen Marineministerium erstellte Brommy einen neuen Organisationsplan für die griechische Marine. Später wurde er stellvertretender Kommandeur der Militärschule, zunächst in Ägina, dann in Piräus. Sein Bemühen, eine eigene Marineschule einzurichten, konnte er während seiner Dienstzeit in Griechenland aber nicht verwirklichen. Nach seinen Ideen sollte eine Marineschule auf einem Schiff eingerichtet werden, um der Praxis auf See so nahe wie möglich zu sein. 

Nach Unruhen im Jahr 1843 im Zusammenhang mit dem Streit um eine neue Verfassung für Griechenland mußten alle Ausländer das Land verlassen, Brommy durfte allerdings aufgrund seine Verdienste im Land bleiben. Er wurde „zur Disposition“ gestellt, d.h. vom aktiven Dienst abberufen, aber zum Mitglied des „Marinegerichts“ ernannt. Angeblich soll sich Brommy aber ab 1843 überwiegend in Berlin aufgehalten haben, und nicht mehr in Griechenland.

1845 bewarb er sich mit einem Gesuch an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. um die Übernahme in die preußische Marine, das Gesuch wurde jedoch abgelehnt. Die Veröffentlichung seines Lehrbuches „Die Marine - eine gemeinverständliche Darstellung des gesamten Seewesens für Gebildete aller Stände“ erfolgte 1848 in Berlin. Mit den revolutionären Ereignisse von 1848 wurde in den deutschen Staaten auch der Ruf nach einer eigenen Flotte lauter. In einem Brief an den Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung, Heinrich von Gagern, vom 23.Juli 1848 bot Brommy seine Hilfe beim Aufbau einer deutschen Reichsflotte an. Er wurde im Antwortschreiben vom 4. November 1848 von Handelsminister Arnold Duckwitz eingeladen, nach Frankfurt zu kommen, wo er Anfang des Jahres 1849 eintraf. Der griechische König hatte Brommy für sechs Monate beurlaubt, um eine Entscheidung zwischen einem Dienst für Griechenland oder Deutschland zu treffen. Am 19.April 1849 reichte Brommy sein Abschiedsgesuch beim griechischen König ein, das bewilligt wurde.

Zunächst war Brommy in der technischen Marinekommission der Marineabteilung der königlich preußischen Regierung tätig. Nachdem deren Leiter Prinz Adalbert von Preußen aus dieser Position abberufen wurde, übernahm Brommy sein Amt. Am 18.März 1849 wurde Brommy Oberbefehlshaber der „Nordseeflottille“ auf deren Flaggschiff, der Raddampfer-Fregatte SMS „Barbarossa“ in Brake. Brake an der Unterweser nahe der Wesermündung wurde zur provisorischen Marinestation. Verstärkung erhielt Brommys „Nordseeflottille“ durch die „Hamburger Flottille“.

Mit Beginn des „Schleswig-Holsteinischen Krieges“ gegen Dänemark wurde Brommy am 3.April 1849 als Kapitän zur See Leiter der Seezeugmeisterei in Bremerhaven, die als Arsenal für die aufzubauende Flotte diente. Trotz erheblicher materieller, personeller und finanzieller Defizite gelang es Brommy, eine kleinen Marineverband für den Kampf gegen Dänemark aufzustellen. Er bestand zunächst aus neun seetüchtigen Raddampfern, zwei Segelschiffen und 27 Ruderkanonenbooten. Für die Besetzung der höheren Offiziersstellen musste Brommy meist auf Engländer und Belgier zurückgreifen, da es nicht genügend qualifiziertes einheimisches Personal gab.. Der erste und einzige von Brommys Geschwader gegen die dänische Blockadeflotte endete am 4.Juni 1849 mit dem Abbruch des Gefechts vor dem damals englischen Helgoland, um einen Konflikts mit England zu vermeiden.

Am 23.November 1849 wurde Brommy vom Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich zum Konteradmiral ernannt. Schon am 20.Dezember legte der Reichsverweser seine Befugnisse zugunsten einer österreichisch-preußischen Bundeszentralkommission nieder. 1850/1851 wurde der Deutsche Bund wiederhergestellt. Brommy war weiter um den Aufbau einer deutschen Flotte bemüht, stieß aber im deutschen Kleinstaatengefüge zunehmend auf Widerstand, vor allem auch hinsichtlich der finanziellen Unterstützung.

Am 2.April 1852 beschloss der Bundestag in Frankfurt am Main die Auflösung der Flotte; diese Aufgabe übertrag man einem Bundeskommissar, Laurenz Hannibal Fischer. Brommy verwendete sich für seine von Entlassung bedrohten Marineangehörigen. Die Schiffe der Flotte wurden noch 1852, meist unter Wert, versteigert. Zwei moderne Schiffe wurde von Preußen übernommen. Am 31.März 1853 unterzeichnete Brommy den Abschlussbefehl. Mit der Auflösung aller Marinebehörden und der Entlassung des noch in Dienst stehenden Personals am 1.April 1853 endete die Geschichte der ersten deutschen Flotte. Brommy heiratete Caroline Gross, die Tochter eines Kaufmanns und Hotelbesitzers aus Brake 

Am 30.Juni 1853 erhielt Brommy den Abschied als Konteradmiral. Er bekam eine einmalige Abfindung von 2.500 Talern. Später wurde ihm noch eine Pension von 125 Talern monatlich für die Dauer der Nichtbeschäftigung zugestanden. Um einen Vergleichsmaßstab zu haben: ein Lehrer erhielt um 1850 im Königreich Preußen eine jährliche Besoldung von 600 bis 1.000 Talern. Brommys Bewerbung bei der preußischen Marine wurde abgelehnt. Im Juni 1857 übernahm er eine Stelle als technischer Referent in der österreichisch-ungarischen Marine in Mailand, mußte diese Tätigkeit aber nach wenigen Monaten aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes wieder aufgeben. Mit seiner Frau und seinem Sohn Carl Traugott Gerhard lebte er enttäuscht und zurückgezogen in Bremen-Burglesum, wo er am 9.Januar 1860 im Alter von 55 Jahren starb.

Hinweise zur Editierung

Dieser Neuausgabe von Karl Rudolf Brommys „Die Marine“ liegt die Originalausgabe zugrunde, die 1848 im Verlag von Alexander Duncker, Berlin, erschienen ist.

Die Originalausgabe wurde mit größtmöglicher Sorgfalt für die Neuausgabe übertragen. In dieser Originalausgabe findet sich eine vom Autor selbst verfasste Fehlerkorrektur, die darauf beruht, daß Brommy gehindert war, die Korrektur der ersten Druckbögen selbst zu übernehmen.

Diese 21 Korrekturen wurden in die Neuausgabe eingearbeitet, die jeweiligen Korrekturen sind vom Herausgeber nicht gesondert markiert worden.

Desweiteren wurden einige ganz offensichtlich Schreib- und Satzfehler in der Ausgabe von 1848 korrigiert, auch dies ist nicht gesondert markiert.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die Originalausgabe Brommys von 1848 nicht nur die in früherer Zeit üblichen Schreibweisen vieler Wörter enthält, also zum Beispiel das Wort nötig „nöthig“ geschrieben wird, usw. Es gab zu der Zeit, in der „Die Marine“ veröffentlicht wurde, noch überhaupt keine einheitliche, genormte deutsche Rechtschreibung. Erste Anregungen zu einer einheitlichen Rechtschreibung stammen aus den Jahren nach 1850, 1879 und 1880 erfolgte die Veröffentlichung der bayerischen und preußischen offiziellen Regelbücher, die dann mit geringen Veränderungen auch im übrigen Deutschland angenommen wurden. Auf der „II.Orthographischen Konferenz“ von 1901 wurde die deutsche Schriftsprache erstmals einheitlich geregelt, dies manifestierte sich schließlich im „Duden“.

Das stellt nun den Herausgeber eines Buches, das 1848 erschienen ist, vor einige Herausforderungen. Die Schreibweise „Schachbret“ zum Beispiel erscheint im ersten Moment als offensichtlicher Schreib- bzw. Satzfehler, denn die Akribie, mit der in den Jahren zwischen etwa 1900 und den 1980er Jahren in Deutschland Bücher (und andere Schriftwerke) gesetzt wurden, war damals noch unbekannt, Bücher aus jener Zeit sind mit allen möglichen Fehlern behaftet.. Es lässt sich dann aber alsbald feststellen, daß das Wort „Brett“ tatsächlich von Brommy durchgehen „Bret“ geschrieben wird.

Hier muß nun für eine neu editierte Ausgabe die Entscheidung getroffen werden, ob man den Text vollständig in moderne deutsche Rechtschreibung überführen will, oder ob man den Reiz des altertümlichen Textes erhält. Wie in den anderen Neuausgaben im Rahmen der Maritimen Bibliothek fiel die Entscheidung zugunsten der Originaltreue. Das stört den Lesefluss und den Lesegenuss nicht wirklich, erhält aber den eigentümlichen Reiz eines alten Buches.

Ähnliches gilt für den Umgang mit dem im Original anhängenden Stichwort-Register samt einer Liste von seemännischen Fachbegriffen.

Es wurde auf den doch erheblichen Aufwand verzichtet, das Stichwort-Register an die neue Ausgabe anzupassen, es hätte für den heutigen Leser auch nur wenig Nutzen. Dagegen wurde die Liste der seemännischen Fachbegriffe mitsamt ihren Erklärungen übernommen, denn sie spiegelt nicht zuletzt den Wissensstand wieder, den Brommy 1848 bei seinen möglichen Lesern voraussetzen konnte, und diese gehörten zweifellos zum damaligen Bildungsbürgertum.

Es verwundert dabei vielleicht im ersten Moment, wieso Brommy es für nötig gehalten hat, zum Beispiel die Begriffe „Ebbe“ und „Flut“ zu erklären. Bedenkt man aber, daß in der Zeit von 1848 selbst Bildungsbürger häufig keine „weitgereisten Menschen“ waren, sondern oft nie über den näheren Umkreis ihres Geburtsortes hinausgekommen sind, und also viele Leser im Binnenland auch noch nie persönlich das Phänomen von Ebbe und Flut kennengelernt hatten (das heute entweder im Schulunterricht oder schlicht durch Urlaubsreisen jedermann zumindest grundsätzlich bekannt ist), werden solche Erklärungen besser nachvollziehbar.

Die diversen Tabellen, die im Original von 1848 enthalten sind, wurden aus technischen Gründen als Faksimile übernommen. Sie sind übrigens im Original genauso unübersichtlich angeordnet wie in diesem Buch. Die Abbildungen des Originals wurden dort in einem besonders gedruckten Anhang beigefügt, sie finden sich in der Neuausgabe bis auf die Abbildung 1 und die Flaggentafel an der Stelle, wo sie auch im Original stehen. Die im Original (sinnvollerweise) farbig gedruckte Flaggentafel findet sich in der Neuausgabe aus technischen Gründen auf der hinteren Umschlagseite, und hier ebenfalls in Farbe.

T.F.R. 

Vorwort.

Hat eine Wissenschaft bedeutende Fortschritte gemacht, ist sie mit Riesenschritten ihrer endlichen Ausbildung entgegen gegangen, so ist es die Schifffahrtskunde; - und wohl ist sie es werth, des Nähern auch in einer Sprache beleuchtet zu werden, welcher bis in letztere Zeit ihre Ausdrücke meistens fremd waren. 

Deutschland, obgleich einen bedeutenden Seehandel treibend, ist - um nicht geradezu entblösst zu sagen - arm an darstellenden Schriften über Marine. Gierig werden die nautischen Romane fremder Nationen gelesen, ohne verstanden zu werden, da es leider kein Werk giebt, welches dem Leser einigermassen als Leitfaden in dem Gewirre der ihm unbekannten Phraseologie dienen könnte. 

Von der Mode hingerissen durchliest man den neuesten Roman und da man die Ausdrücke der Seesprache nicht versteht, gewährt gerade das Unverständliche derselben einen höhern Reiz, denn selbst unter dem Trivialsten denkt man leicht sich etwas Erhabenes, etwas Schauerliches. 

Warum aber sollte gerade der Deutsche mit einem Gegenstande unbekannt bleiben, der ihm doch eben so interessant sein müsste, als wie dem Engländer, dem Franzosen des Binnenlandes?

Hatte auch Deutschland bis jetzt keine Kriegsmarine - denn die Oestreichs ist doch mehr italienisch als deutsch - so hat es doch ausgebreiteten Seehandel und bedeutende Küsten, seine Nachbarstaaten sind maritime Mächte, die Verbindungen sind jetzt so leicht gemacht, eine Reise nach den transatlantischen Staaten so schnell abgethan, dass es wohl der Mühe werth scheinen dürfte, sich mit der Marine mehr bekannt zu machen, als bis jetzt geschehen.

In Oestreich wird seit Jahren daran gearbeitet, die Marine so viel als immer möglich durch Deutsche zu ergänzen; - Preussen wird auch hierin ein Muster sein, Deutschland den Weg zu bahnen, um die Ehre seiner Flaggen herzustellen, diese auf fremden Meeren wiederum geehrt und gefürchtet wehen zu lassen und die seit Jahrhunderten verschollenen Sagen in das Leben zurückzurufen.

Was einst die Hansa, was Preussens grosser Churfürst vermochten, sollte das im neunzehnten Jahrhunderte dem kräftigen deutschen Willen nicht möglich sein? Athen, im December 1847. 

Anmerkungen die Zeichnungen betreffend.

1. Fregatte mit allen Segeln gesetzt; als Titel (da das Original-Titelbild nicht mehr verfügbar ist, findet sich statt dessen eine historische und beschriftete Skizze eines dreimastigen Vollschiffs auf Seite 165.)

2. Gerippe des Schiffes auf dem Stapel; zum Abschnitte: „Die Schiffsbaukunst“ gehörig.

3. Querschnitt des Schiffes, mit Kanonen und Carronaden und den Booten in ihren Klampen; ebendaselbst. 

4. und 5. Längendurchschnitte des Schiffes; zum Abschnitte „Das Schiffsgebäude“ gehörig.

6. Brig am Winde, mit backgelegtem grossen Marssegel, aufgegeyten Untersegeln und beschlagenen Bramsegeln, signalisierend; Schooner und Cutter dicht am Winde auf verschiedenen Halsen; zum Ende des Abschnittes: „Die Schiffsbaukunst“ gehörig.

7. Schoonerbrig vor dem Winde, mit Leesegeln auf Backbord, Kanonenboot dicht am Winde auf Steuerbordhalsen; ebendaselbst.

8. Dampfschiff, ankernd; ebendaselbst am Ende.

9. Linienschiff vor Anker und verteyed; zum Abschnitte: „Das Schiffsgebäude“ gehörig.

10. Rundholz und Segel; zum Abschnitte: „Die Zurüstung“ gehörig.

11. Flaggenkarte; zum Abschnitte: „Die Ausrüstung“ gehörig.

12. Dreidecker und Corvette am Winde auf verschiedenen Halsen; als Titel der zweiten Abtheilung. 

Maßeinheiten

(Erklärungen durch den Herausgeber der Neuausgabe.)


Seemeile* (Nautische Meile) 1852 m
Kabellänge 185 m
Faden 1,85 m

Englischer Fuß 30,48 cm
Pariser Fuß 32,48 cm
(Englischer) Quadratfuß ~ 929 cm²
(Englischer) Kubikfuß ~ 28.317 cm³
Zoll (Inch) 2,54 cm
Quadratzoll (Square Inch) ~ 6,45 cm²

Klafter (als Armspanne bzw. 6 Fuß definiert),
preußischer Klafter 1,88 m
österreichischer Klafter ~ 1,90 m
bayerischer Klafter ~ 1,75m
hessischer Klafter ~  2,50 m

*) Die Seemeile ist ursprünglich definiert als eine Winkelminute des Äquators.
Sie ist ein Dezimalmaß: 1 Seemeile = 10 Kabellängen = 1000 Faden.

Grad Réaumur (° R) - früher sehr gebräuchliches Temperaturmaß.
0° R entspricht genau wie bei ° Celsius dem Gefrierpunkt von Wasser.
4° R = 5° C, der Siedepunkt von Wasser bei 1013,25 hPa liegt also bei 80° R. 

Das Meer.

Anblick des Meeres. - Farbe. -Salzigkeit. -Verhältnisse der Bestandtheile. - Schwere. - Temperatur und Druck des Meeres. - Bewegung. -Wellen. -Strömungen. - Fluth und Ebbe. - Wind. - Instrumente. - Compas. - Logg. - Seeuhren. - Seecharten. - Senkblei. - Fernröhre.

Durch besondere Naturrevolutionen hervorgebracht, bietet die Oberfläche der Erdkugel eine Menge unregelmässiger und bedeutender Vertiefungen dar, welche über zwei Drittel derselben sich erstrecken und mit einer unendlichen Menge stehenden, ununterbrochenen Wassers angefüllt sind, das im Allgemeinen mit dem Namen Meer belegt, in der Seemannssprache aber die See genannt wird.

Einen imposanten und majestätischen Anblick gewährt das Meer zu allen Zeiten; ob in dem mächtigen Daherrollen seiner vom Sturme bewegten Wogen furchtbar; - ob Grausen erregend in der gewaltigen Macht, mit welcher diese unter einander oder an den beschränkenden Küsten sich brechen und das schwere Gewicht des auf und zwischen ihnen rollenden Schiffes - gleich einem leichten Spielballe - auf und niederwerfen; - ob reizend in der, die Bläue des Aethers zurückstrahlenden, ruhigen oder sanft bewegten Fläche, auf der träge und doch anmuthig, mit matt herabhängenden, von keinem Lüftchen geblähten Segeln, das Schiff schwankt; - immer bietet es, durch seine Grösse, seine Unendlichkeit, ein gewisses Etwas dar, das dem Gemüthe des Beschauenden Staunen und Ehrfurcht einflösst.

Prächtig und erhaben ist besonders der Anblick der aufgehenden Sonne auf dem offenen Meere, wenn bei heiterm Wetter der glänzende Feuerball dem, von keinem Hindernisse gebrochenen, Horizonte sich nahend, seine Purpurstrahlen über die unendliche, dem Chaos zu vergleichende Fläche wirft.

Nirgends lässt die Kugelform der Erde sich leichter erkennen und besser beweisen, als auf dem Meere, wo sanft gebogen das Himmelsgewölbe sich auf dasselbe zu beugen und mit ihm zu verschwinden scheint: denn von einem am Rande des Horizontes erscheinenden Schiffe erblickt man deutlich Segel und Masten, ehe der Rumpf desselben aus dem Wasser sich hebt und dem Auge sichtbar wird.

An und für sich ist das Meer farblos; die verschiedenen Namen die man einigen Theilen desselben nach Farben beilegt, haben einen andern Grund solcher Benennung als die Färbung des Wassers. Dennoch ist der Anblick der Meeresoberfläche hinsichtlich der Farbe verschieden. Dunkles Blau färbt den atlantischen und stillen Ocean und das grosse Mittelmeer, während ein bläuliches Grün die andern Meere färbt. Die Tiefe des Meeres, die Nähe des Landes und andere Umstände sind die Ursachen des verschiedenen Farbenwechsels, der oftmals auf kurzen Strecken stattfindet. An manchen Stellen sieht das Meer trübe aus, während an andern der Schein einer hineingeworfenen weissen Platte noch bis auf hundert Fuss Tiefe sichtbar ist.

Der Geschmack des Seewassers ist vorherrschend salzig und bitter; es kann daher durchaus nicht getrunken werden; es sind in neuerer Zeit viele Versuche angestellt worden, es trinkbar zu machen, und ist es auch den beiden französischen Seefahrern Freycinet und Clement gelungen eine Destillirmaschine zu erfinden, welche bei geringem Verbrauch von Brennmaterial (Steinkohlen) in einem Tage 400 bis 500 Quart Trinkwasser ergiebt. Durch chemische Zersetzung fand man es aus süssem Wasser, Küchensalz, einem aus Salzsäure und Bittersalze gemischten Mittelsalze, etwas Gyps und Kalkerde bestehend, welche Theile durch kohlensaures Gas in beständiger Auflösung erhalten werden.

Nicht überall ist das Meer gleich stark salzig: man fand in einem Pfunde Wasser von ein bis zu vier Loth Salz; daher denn auch die specifische Schwere des Seewassers sehr verschieden ist; gewöhnlich nimmt man siebenzig Pfund für den Cubikfuss an. Trotz dem, in ihm enthaltenen, Salze schützt es nicht gegen Fäulniss; im Gegentheile faulen Gegenstände leichter darin, als im süssen Wasser; allein seine Tragfähigkeit wird dadurch vermehrt, so dass ein jedes grössere Schiff im süssen Wasser mehrere Zoll tiefer geht, als im Meere.

Die Temperatur des Meeres ist sehr verschieden und nimmt mit der Tiefe nach Umständen ab oder zu. So fand man am Bord der französischen Corvette Astrolabe in 28° 59' N. Breite und 16° 55 O. Länge von Paris und bei einer Temperatur der Luft von 18,1° Reaumur, dass die Temperatur des Meeres auf der Oberfläche 18,9° R. war, in einer Tiefe von fünftausend Pariser Fuss aber nur 4,1° R. betrug. Im nördlichen und südlichen Polarmeere nimmt die Temperatur zu, so dass, wenn der Thermometer auf der Oberfläche 0° oder 1° unter Null zeigte, in einer Tiefe von eintausend fünfhundert Fuss 3° bis 4° über Null gefunden wurden.

In der Baffinsbay erleidet dies jedoch eine Ausnahme, da dort die Temperatur abnimmt; in diesem abgeschlossenen, den erwärmenden Strömen des Oceans unzugänglichen Golfe, fand man in 71° 24' N. Breite in fünftausend Pariser Fuss Tiefe die Temperatur des Wassers 11,5° unter Null, während die Ober fläche 2° über Null hatte. In fünfhundert Fuss Tiefe war der Thermometerstand bereits 1° unter Null.

Der Druck des Wassers ist ungeheuer und neuern Berechnungen zufolge, wo eine Flasche, deren Kork man vermittelst eines Schlägels eingetrieben hatte, in hundert Klaftern Tiefe gelassen ward, und den man beim Heraufziehen in der Flasche fand, zeigte sich der Druck auf die Oberfläche derselben, - circa 85,21 Quadratzoll, - etwas über zehn Tonnen. In einer Tiefe von neunhundert Klaftern ist der Druck auf jeden Quadratfuss Oberfläche gleich einhundert ein und fünfzig Tonnen.

Das Meer sollte als Flüssigkeit zwar überall eine und dieselbe Höhe haben, allein durch die Anziehungskraft der Erde hervorgebracht, die unter und bei den Polen stärker wirkt, als unter dem Aequator, leidet dies bedeutende Veränderungen, zu denen noch drei interessante Erscheinungen kommen, die dazu dienen, die Oberfläche des Meeres aus ihrem Gleichgewichte zu bringen: die Wellenbewegung, die Strömungen und die regelmässig wiederkehrende Fluth und Ebbe.

Die Wellenbewegung, eine Wirkung des Windes, ist die erste Bewegung des Meeres; verliert die Luft ihr Gleichgewicht, so geräth sie in wellenförmige Schwingung, stösst somit auf die Fläche des Wassers und stört die horizontale Lage desselben. Der angestossene Theil erhebt sich über den nächstfolgenden, es entsteht also eine Erhöhung, die aber vermöge der Schwere des Wassers sogleich wieder sinkt und eine andere Masse dadurch in die Höhe drückt. Demnach ist die Wellenbewegung ein fortwährendes Steigen und Fallen zweier Wasserhügel, wobei aber das Wasser nicht fortfliesst.

Mit der Stärke des Windes nimmt auch die Bewegung des Wassers zu; die Wellen wachsen an und üben einen grössern Druck aus. Ein zu heftiger Druck der Luft, wie beim Typhon, lässt jedoch die Wellen nicht sogleich steigen, welche nur, nachdem die erste Wuth des Sturmes über das Wasser brauste, sich erheben können.

Durch das in der Luft hergestellte Gleichgewicht, - die eingetretene Windstille, - werden indessen die Wellen nicht sogleich beruhigt, sondern rollen, besonders im Oceane, noch lange fort.

Die Höhe, zu welcher die Wellen steigen, ist nicht genau bestimmt, obschon in neuerer Zeit Versuche gemacht wurden, sie in offner See zu messen; man nimmt jedoch zwei und dreissig Fuss für deren Höhe beim Sturme an. Zu furchtbarer Höhe wachsen sie, vom Orkan aufgewühlt, am Cap Hom und dem der guten Hoffnung. An Küsten, wo sie an sich darbietenden Hindernissen sich brechen, steigen sie zu bedeutender Höhe, in der Gewalt der Brandung Alles vor sich wegreissend.

Eine zweite Bewegung des Meeres ist die Strömung, welche darin besteht, dass das Meer auch ohne vom Winde bewegt zu sein, nach einer gewissen Richtung treibt. Die Bewegung oder Strömung des freien Meeres, ist zufolge des Umschwunges der Erde von Osten nach Westen, dort ausgenommen, wo sie Widerstand findet, wie im Golf von Mexico, wo der sogenannte Oststrom, vom einschliessenden Lande zurückgestossen, die Richtung nach Nordost einschlägt und in dieser fortströmt, bis er in höhern Breiten sich verliert.

Ausser diesem grossen Strome giebt es in verschiedenen Theilen des Meeres Ströme, welche abwechselnd Ost oder West fliessen; und noch über das ganze Meer vertheilt, Strömungen, deren Ursache nicht erörtert werden kann, und die nur den Flüssen des Festlandes verglichen werden können.

Durch entgegengesetzte Strömungen entstehen Wirbel auf dem Meere, deren berühmtester der Maalstrom, an Norwegen’s Küste ist. Der neuern Schifffahrt ist die Charybdis zu unbedeutend, als dass sie weitere Erwähnung verdiente.

Die dritte und unstreitig die merkwürdigste Bewegung des Meeres ist die täglich zweimal wiederkehrende Fluth und Ebbe. Allmählig steigt das Meer, bis dass es nach sechs Stunden seine grösste Höhe erreicht hat, steht dann einige Minuten still und fällt dann wieder während der nächsten sechs. Stunden, wo es auf die grösste Tiefe hinabkommt, wiederum einige Minuten still steht und von Neuem zu steigen beginnt. Im Ocean und besonders zwischen den Wendekreise ist der Augenblick des höchsten Wasserstandes, wenn anders nicht Nebenumstände, wie die Nähe des Landes, hindernd eintreten, ungefähr drei Stunden nachdem der Mond durch den Mittagskreis des betreffenden Ortes gegangen ist.

Ununterbrochen dauert dieses Steigen und Fallen fort, nur tritt die hohe Fluth täglich neun und vierzig Minuten später ein, indem um eben so viel Zeit der Mond täglich später durch den Meridian geht. Ueberall wo diese Bewegung des Meeres nicht durch einengende Küsten gehindert ist, zeigen sich in diesem Phänomen drei regelmässige Veränderungen, eine tägliche, eine monatliche und eine jährliche. Hieraus ergiebt sich nun deutlich, dass Mond und Sonne durch ihren vereinten Einfluss auf den Erdkörper Fluth und Ebbe hervorbringen; eine Kenntniss, welche bereits die Alten besassen, und welche durch viele, namentlich im Weltmeere angestellte, Beobachtungen bestätigt wurde.

Nach dem Gesetz der Schwere ist bewiesen, dass wenn eine beträchtlich grosse Kugel mit einer dünnen Lage eines flüssigen Gegenstandes umgeben, in allen ihren Theilen gegen einen äussern Punkt oder Körper gravitirt, die sie umgebende Flüssigkeit die Kugelform verlassen, muss und die Gestalt eines ellyptischen Sphäroids annimmt, dessen Axe gegen den anziehenden Körper gerichtet ist. Je näher nun Sonne und Mond der Erde sind, desto grösser sind ihre Wirkungen auf Fluth und Ebbe; die Trägheit des Wassers und der Umschwung der Erde verspäten indess die Fluth und vermindern ihre Höhe. In den Tagen des Neu- und Vollmondes treten natürlich die stärksten Fluthen ein, die alsdann den Namen Springfluthen erhalten; ist zugleich der Mond in der Erdnähe, so werden diese auch gewaltiger.

Newton hat man die Erklärung dieses Phänomens zu verdanken, das durch Bernoulli und Euler noch erschöpfender aus gearbeitet ward.

Ueber den 65° Breite hinaus werden Fluth und Ebbe unbedeutend; Binnenmeere, wie das Mittelländische und Baltische, haben wenig oder gar kein bemerkbares Steigen und Fallen des Wassers, indem: sie im Verhältniss zum Ganzen zu unbedeutend sind; die Anziehungskraft der Sonne und des Mondes ist an beiden Extremitäten fast gleich und kann daher auf das Wasser nur einen geringen Einfluss ausüben.

Die Höhe, zu welcher das Wasser während der Fluth steigt, ist sehr verschieden und von mancherlei Umständen abhängend; an einigen Stellen in England und Nord- Amerika steigt die Springfluth bis siebzig Fuss, während sie an andern, wie in Port Royal in Jamaika, nur sechs Zoll steigt.

Für den Seefahrer ist es von grösster Wichtigkeit, genau zu wissen, wann Fluth und Ebbe stattfinden, indem er nicht allein dadurch einem unersetzlichen Zeitverlust, sondern auch dem Untergang seines Schiffes und seiner Ladung vorbeugen kann. Er kommt z. B. vor einem Hafen an, der von Untiefen umgeben ist, über welche er nur mit steigender Fluth zu segeln vermag; oder das Fahrwasser ist zu schmal, der Wind entgegen und er sieht sich genöthigt, die Fluth abzuwarten, um mit derselben einzutreiben.

Nach der Beschreibung des Meeres ist es nöthig, noch einige Worte über einen Gegenstand zu sagen, der einen ebenso grossen Einfluss wie jenes auf die Schifffahrt ausübt.

Die den Erdball umgebende Luft, zeigt, wie alle flüssigen Körper, ein ewiges Bestreben, das Gleichgewicht zu erhalten, oder das gestörte wieder herzustellen. Wird dieses Gleichgewicht durch ausdehnende Wärme oder durch zusammenziehende Kälte aufgehoben, so strömt, zur Wiederherstellung desselben, die daran grenzende Luft herzu: dies ist die Ursache des Windes.

Beständige Ursachen erzeugen beständige Wirkungen; die stärkere Erwärmung der Luft zwischen den Wendekreisen bewirkt natürlich ein fortwährendes Zuströmen kälterer Luft aus den Polargegenden. Dieses Zuströmen, mit dem Luftzug vereint, welcher durch den Umschwung der Erde hervorgebracht benumstände, wie die Nähe des Landes, hindernd eintreten, ungefähr drei Stunden nachdem der Mond durch den Mittagskreis des betreffenden Ortes gegangen ist.

Ausser diesem beständigen Winde giebt es noch periodische, welche in gewissen Meeren eine Zeit des Jahres nach einer, die andere Zeit nach einer entgegengesetzten Richtung wehen. Diese Winde, unter dem Namen Mousson bekannt, wehen nördlich vom Aequator und in der ganzen Ausdehnung, welche zwischen der Ostküste von Afrika und dem Meridian enthalten ist, der durch den westlichen Theil Japan’s geht, aus Südwest von der Mitte April bis Mitte Oktober; und von Nordost während der andern Monate; das rothe Meer und der persische . Golf, in denen veränderliche Winde herrschen, sind ausgenommen. Die Abwechselung des südlichen zum nördlichen Mousson geschieht indess nicht plötzlich; den Uebergang von einem zum andern, bezeichnen Windstille, veränderliche Winde und Stürme.

In höhern Breiten kennt man nur veränderliche Winde.

Die Stärke des Windes in des Seemannes kräftiger Sprache zu bezeichnen, bedient man sich des Wortes Kühlte, indem Wind die Richtung desselben nach dem Compasstriche oder dem Laufe des Schiffes ausdrückt.

Die grösste Schnelligkeit des Windes ist einhundert und fünfzig Fuss in der Sekunde, wo er dann zerstörende Wirkungen hervorbringt und mit dem Namen Orkan belegt wird.

Wirbelwinde erzeugen die, kleinen Fahrzeugen gefährlichen, Wasserhosen.

Bemerkenswerth ist es, dass der zwischen den 4° und 10° N. Breite und zwischen dem 20° und 25° W. Länge von Paris enthaltene Theil der See, zu beständiger Windstille verurtheilt zu sein scheint, die von bedeutenden Gewittern und fast beständigen Regen begleitet ist, weswegen er dem Seemann auch nur unter dem Namen der Regen bekannt ist. 

Um auf der weiten Fläche des unendlichen Meeres den vorgeschriebenen Weg zu verfolgen, um jederzeit den Ort genau bezeichnen zu können, auf dem sein Schiff sich befindet, bedarf der Seemann Instrumente und Charten; diese zu gebrauchen muss er seine erworbenen theoretischen Kenntnisse in Anwendung bringen.

Das wichtigste Instrument dessen der Seemann sich bedient, ist der Compas, ohne welchen er nicht wohl die Meere mit Sicherheit beschiffen könnte.

Wem die Erfindung des Compasses zuzuschreiben ist, ward noch nicht ausgemittelt, nur so viel ist gewiss, dass er im zwölften Jahrhunderte bereits bekannt war und an Bord benutzt ward. Bedeutend verbessert ward er im vierzehnten Jahrhunderte, doch wurde erst am Ende des fünfzehnten die Variation oder die Abweichung der Magnetnadel von der wahren Nord- und Südlinie nach Ost oder West, entdeckt.

Beim Seecompas befindet sich die Magnetnadel unter einer pappenen Scheibe – die Windrose genannt, auf welcher die zwei und dreissig Striche des Windes bezeichnet sind, – und dreht sich, im Gleichgewicht auf einer Spitze ruhend, in einer kupfernen Büchse, die frei in Bügeln hängend, allen Bewegungen des Schiffes leicht nachgiebt und somit die Scheibe stets horizontal liegen lässt.

Der Cours des Schiffes oder die Richtung, nach welcher es steuert, ist derjenige Strich des Compasses, der mit dem Kiele parallel läuft.

Um die Schnelligkeit, mit welcher das Schiff segelt zu finden, bedient man sich des Logg’s und des viertel Minuten-Glases. Das Logg besteht aus einer, circa einhundert zwanzig Klaftern langen, dünnen Leine, die in gewissen Entfernungen, je zu vierundzwanzig und ein zehntel Fuss englisches Maass, durch Knoten bezeichnet ist und auf einer Rolle aufgewunden wird. An dem einen Ende der Leine befindet sich ein kleines (dreieckiges) Brettchen in Form eines Kreissectors, – an der untern runden Seite mit Blei beschwert, um im Wasser senkrecht zu stehen. Soll der Lauf des Schiffes gemessen werden, so wird das Brettchen am Hintertheil des Schiffes über Bord geworfen, der Druck des Wassers hält es auf und sobald sechzig bis siebenzig Fuss (der sogenannte Vorläufer) von der Leine ausgelaufen sind, was durch eine Marke angezeigt ist, wird das viertel Minutenglas umgedreht. So wie der Sand in demselben ausgelaufen, wird die Leine angehalten: so viel Knoten nun über Bord waren, so viel Seemeilen ging das Schiff in einer Stunde, da zwischen den Knoten und Seemeilen genau dasselbe Verhältniss Statt findet, als zwischen viertel Minuten und Stunden.

Gewöhnlich wird alle Stunden geloggt und die Schnelligkeit des Laufes, so wie der Cours, den das Schiff während der letzten Stunde steuerte, aufgeschrieben, wodurch am Ende der vier und zwanzig Stunden das Resultat der Distanz und des Courses (General-Cours und Distanz) gefunden und auf der Charte bemerkt wird, um den Ort des Schiffes, oder die Breite und Länge, in der es sich befindet, zu bestimmen, was das Besteck machen heisst.

Es ist indessen nicht hinreichend, blos auf diese Weise den Standpunkt des Schiffes ausfindig zu machen, da so mancherlei Hindernisse eintreten, die störend auf die Richtigkeit der Berechnung einwirken, als z. B. unbekannte Strömungen, ungenaues Loggen und unsichere Bestimmung der Abtrift zur Nachtzeit etc.; deswegen benutzt der Seemann astronomische Beobachtungen, um seine tägliche Berechnung zu verbessern. Mit Hülfe des Quadranten, Sextanten und Borda’schen Kreises, misst er die Sonnen- und Sternenhöhen, die ihm die Breite geben und die Distanzen zwischen dem Monde und der Sonne oder den Sternen, durch deren Berechnung er die Länge erhält.

Zu welcher Genauigkeit er jedoch seine Beobachtungen und die daraus folgenden Resultate zu bringen vermag, stets wird ein kleiner Fehler in der Länge sich finden; um diesem abzuhelfen, werden in der neuern Zeit die Seeuhren oder Chronometer - zu einer grossen Vollkommenheit gebracht - an Bord gebraucht, da mit ihrer Hülfe der Zeitunterschied zweier Orte und mithin die Länge mit der grösstmöglichsten Genauigkeit gefunden werden kann.

Die Seecharten, deren man sich allgemein bedient, sind nach Mercator’s System entworfen und weichen von der Construction der Landcharten bedeutend dadurch ab, dass die Meridiane alle parallel mit einander laufen und von den Breitenparallelen im rechten Winkel durchschnitten sind. Um aber die stets gleiche Entfernung der Meridiane auszugleichen, werden die Entfernungen der Breitenparallelen von einander nach den Polen zu bedeutend vergrössert, wodurch freilich die fern vom Aequator liegenden Länder eine unrichtige Zeichnung erhalten, aber dennoch können Entfernung und Lage der Orte leicht und bestimmt auf diesen Charten gefunden werden.

Da auf Seecharten das Land nur Nebensache ist, so sind blos die Küsten genau und gut gezeichnet; die Sandbänke, Felsen, Riffe und sonstige gefährliche Stellen, die Tiefe des Wassers bei gewöhnlichem, niedrigen Stande in Faden oder Klaftern, so wie die Strömungen und die Variation des Compasses müssen angegeben sein. Windrosen sind auf mehreren Stellen der Charte angebracht, um mit ihrer Hülfe schnell den gesteuerten Cours des Schiffes bezeichnen zu können.

Um die Tiefe des Wassers zu finden, bedient man sich des Lothes oder Senkbleies, das in der Gestalt eines abgestumpften Kegels von Blei gegossen ist und an der Basis eine Höhlung hat, welche mit Talg ausgefüllt wird, um die Beschaffenheit des Bodens damit zu untersuchen, da dieser daran hängen bleibt oder Eindrücke macht. Am obern Ende ist eine Oeffnung, um die Lothleine daran zu befestigen.

Das kleinere oder Handloth wiegt sieben bis neun Pfund, die Leine ist circa dreissig Faden lang, und fast alle Fadenlängen durch Tuchstückchen von verschiedenen Farben markirt. Man bedient sich desselben in geringer Tiefe und lothet, ohne das Schiff im Laufe zu hemmen, von der grossen Rüste aus, wobei fortwährend die Tiefe abgerufen wird. Das grosse oder Tiefloth, zwischen dreissig und vierzig Pfund schwer und an einer stärkern, circa zweihundert Faden langen Leine, die nur alle zehn Faden durch sogenannte Knoten, nach Art der Loggleine markirt ist, befestigt, wird im tiefen Wasser gebraucht, wenn man der Küste sich nähert, oder auch auf hoher See, um den Standpunkt des Schiffes zu berichtigen. Um mit diesem zu lothen, wird das Schiff beigelegt, das heisst, in seinem Laufe gehemmt; zu dieser Arbeit werden mehrere Mann erfordert und höchstens alle Stunden einmal gelothet.

Die Jedem bekannten Fernröhre sind nirgends nothwendiger, als auf der See, wo der Gesichtskreis so bedeutend erweitert und es von höchster Nothwendigkeit ist, am äussersten Rande des Horizontes Gegenstände zu entdecken. Die Fernröhre, deren man sich an Bord bedient, sind für gewöhnlich Tag- und Nachtröhre; doch gebraucht man auch besondere Nachtfernröhre. 

Die Schiffbaukunst.

Bau und Eintheilung der Schiffe. - Risse und Pläne. - Verhältnisse aller Theile. - Erfordernisse eines guten Schiffes. - Bauanlagen auf dem Stapel. - Todtes und lebendiges Werk. - Kalfatern. - Abbrennen und Kupfern. - Vom Stapel laufen. - Beobachtungen dabei. - Berechnung der Tonnenzahl. - Dauer des Schiffes. - Material. - Gewicht. - Kosten. - Rangordnung der Schiffe. - Dampffahrzeuge.

Nach dieser einleitenden Betrachtung des Schauplatzes, auf dem der Seemann seine Kunst und Wissenschaft in Anwendung bringt, folgt natürlicher Weise die Beschreibung des kühnsten und sinnreichsten Gebäudes, auf dem der unerschrockene Mensch, die See beherrschend, thront, und womit er ihren Gefahren Trotz bietet.

Die Schiffsbaukunst, die den schwimmenden Palast den Wellen übergiebt, beruht auf Grundsätzen aus der Mechanik und Hydraulik abgeleitet, in so fern diese auf Bewegung und Gleichgewicht sich beziehen, und nach denen das Schiff, behufs seiner Bestimmung, als schnellsegelndes oder lasttragendes construirt wird. Diese Kunst besteht darin, Pläne und Risse von Schiffen zu entwerfen, nach denen der praktische Schiffszimmermann den einzelnen Theilen des Fahrzeugs die gehörige Gestalt, Zusammensetzung und Verbindung zu geben hat, aus welchen das künstliche Gebäude besteht, das wir bewundern.

Da der Körper des Schiffes von drei verschiedenen Standpunkten aus betrachtet werden kann, so entwirft man auch drei Pläne desselben.

Die erste Ansicht oder den Spannriss erhält man, wenn man das Auge in einiger Entfernung in der Verlängerung des Kiels sich denkt. Die beiden Hauptspannten oder Rippen des Schiffes dienen dann als Fläche, innerhalb welcher die andern Spannten gezogen werden. Diese Projectionsart giebt den Verticalschnitt des Schiffskörpers seiner Breite nach und liefert denersten und wichtigsten Riss, nach welchem alle andern entworfenwerden müssen.

Bei der zweiten Projection für den Seitenriss befindet das Auge sich in einiger Entfernung seitwärts von Kiele, und die Entwerfung des Risses geschieht auf dem senkrechten Durchschnitte des Schiffes, seiner Länge nach.

Die dritte Entwerfungsart, um den Wasserpassriss zuerhalten, bringt das Auge in einiger Höhe senkrecht über den Kiel und schneidet das Schiff horizontal in der Wasserlinie. Die Form des ganzen Schiffes wird durch diese drei Projectionsarten genau bestimmt, und es bleibt - wenigstens bis auf die Wasserlinie, - nichts übrig, was der Willkühr des praktischen Baumeisters überlassen wäre.

Wie weiter oben bemerkt ward, richten sich nach der ersten Projection die beiden andern. Die grösste Breite des Schiffes oder die Länge des Haupt- oder Segelbalkens bestimmt alle andern Ausdehnungen des Schiffes. Dies ist förmlich in ein System gebracht und nicht allein auf alle Ausdehnungen der verschiedenen Theile des Schiffes, die Bemastung, Betakelung und das Segelwerk angewandt, sondern auch die Quantität der zum Bau, zu der Zu- und Ausrüstung nöthigen Gegenstände richtet sich nach der grössten Breite des Schiffes, deren Quadrat oder Kubus diese verschiedenen Quantitäten mit ziemlicher Gewissheit finden lässt. So viele und unzählige Versucheindessen gemacht wurden, um die besten Verhältnisse beim Bau der Schiffe zu bestimmen, sind doch die Schiffsbaumeister noch nicht einig; noch sind die Verhältnisse der Länge und Breite nicht unwandelbar festgesetzt, obschon im Allgemeinen bei grössern Schiffen drei und zwei Drittel, bis drei und drei Viertel Mal und bei kleinern drei und ein Viertel Mal bis drei und ein Drittel Mal die grösste Breite für dessen Länge in neuern Zeiten angenommen ward.

Die grösste Breite befindet sich ungefähr auf zwei Drittel der Länge nach vorn, indem das Schiff dort die andringende Wassermasse leichter zertheilt, somit weiter nach hinten weniger Widerstand darbietet, das Wasser stärker nach dem Steuerruder treibt und dessen Wirkung dadurch verstärkt.

Die Erfordernisse eines guten Schiffes bestehen darin, dass es bei grösster Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Räumlichkeit nicht rank sei, d. h. sich nicht zu leicht auf die Seite neige, schnell und so nahe am Winde, als nur möglich, segle, leicht gegen und vor dem Wind drehe, nicht zu sehr bei Gegenwinde seitwärts wegtreibe und nicht zu stark rolle oder stampfe.

Alle diese Erfordernisse sind indessen schwer zu vereinigen und zu erreichen; die grosse Aufgabe des Baumeisters besteht darin, die richtigen Verhältnisse, diesen Entzwecken entsprechend, zu finden; ein scharfgebautes und dabei schmales Schiff hat zu starke Bewegung von vorn nach hinten, was in der Seesprache stampfen heisst; ein breites und flachgebautes hat diesen Uebelstand nicht, dahingegen rollt es mehr von einer Seite zur andern, welche Bewegung schlingern genannt wird.

Obgleich nun besonders in der neuesten Zeit bedeutende Fortschritte in der Schiffsbaukunst gemacht wurden, so ist man trotz aller Berechnungen und Erfahrungen noch nicht dahin gekommen, dass man des Erfolgs gewiss sein könnte, und man sieht noch täglich, dass zwei nach demselben Plane gebaute Schiffe im Segeln oft einen merklichen Unterschied geben, der nicht immer in der Ausrüstung oder in der fehlerhaften Anordnung der Belastung zu suchen ist, an der im letztern Falle beständig dadurch geändert wird, dass man den Schwerpunkt mehr nach vorn oder nach hinten, weiter nach oben oder nach unten zu bringen sucht.

Festigkeit und Dauerhaftigkeit sind, wie bemerkt, die Haupterfordernisse, die ein Kriegsschiff vor allen andern Fahrzeugen besitzen muss, damit es der vereinten Wirkung des Windes und der Wellen so wie der des feindlichen Geschützes zu widerstehenvermöge; darum muss der grösste Fleiss auf die Verbindung dereinzelnen Theile verwendet werden; darum ist es ein Hauptgegenstand der Untersuchung und des Strebens der neuen Schiffsbaumeister, die beste Art der Verbindung zu erreichen und dennoch das Schiff gleichzeitig so leicht als möglich zumachen, damit es mit grosser Stärke und Schwimmkraft die schweren Batterien zu tragen vermöge und mit der Leichtigkeit des Seebootes die Ueberlegenheit im Segeln verbinde. Fahrzeuge, die einer dieser Eigenschaften entsprechen, können leicht gebaut werden, aber in allen gleichzeitig das Beste zu leisten, ist Etwas, was selbst ausserordentlichem Studium und gediegener Erfahrung wohl schwerlich jemals gelingen wird. Eine Annäherung zur Vollendung ist fast unmöglich, und das Höchste, was gehofft werden kann, ist, dass ein Baumeister weniger Fehler mache, als ein anderer. Was in der Schiffsbaukunst geleistet ward, zeigt das Beispiel der englischen Fregatte Pike, die vor einigen Jahren, von Quebeck auslaufend, auffuhr, einen Theil des Kielsund der Bauchplanken losscheuerte und dennoch ihre Reise nach England glücklich vollendete.

Wie das zur Construction des Schiffes dienende Holz am besten zubereitet sein soll, um dem Zwecke der Dauer zu entsprechen, ist leider noch nicht genau bestimmt. Trotz aller Versuche, die seit langen Jahren deswegen gemacht wurden, ist die trockene Fäule noch nicht verbannt, und es dürfte noch einige Zeit vergehen, ehe eine glückliche Lösung des Problems gefunden wird.

Um einen deutlichen Begriff eines Schiffes zu geben, folgt, nebst der Zeichnung des Gerippes desselben, dem die Bekleidung durch Planken fehlt, die Beschreibung der Bauanlage, oder der Ordnung, nach welcher die verschiedenen Theile des Schiffes zusammengesetzt werden.

Nach der, vom Schiffsbaumeister gegebenen, Zeichnung werden im Plansaale die Umrisse des Vorderstevens, sämmtlicher Rippen, Knie und anderen Krummhölzer, welche das Gerippe des Schiffes bilden, im wirklichen Massstabe auf den Fussboden gezeichnet, und nach diesen Zeichnungen die Schablonen aus dünnen Brettern geschnitten, welche den Zimmerleuten zur Anfertigung der verschiedenen Stücke dienen.

Der Platz, auf welchem das Schiff erbaut wird, heisst die Werft oder Schiffswerft, und das Gerüste worauf dasselbe beim Bau steht, der Stapel, der in den besser eingerichteten Arsenalen der Marine überbaut ist, um dem Einfluss der Witterung auf das zu bauende Fahrzeug so viel als möglich zu begegnen. Auf dem Stapel liegen die Stapelblöcke aa, auf denen das Gebäude während der Construction ruhen soll, in Entfernungen von fünf bis sechs Fuss von einander, in der Art, dass die niedrigsten dem Wasser am nächsten liegen und von demselben weg immer höhere gelegt werden, damit das Gebäude auf eine schiefe Ebene zu stehen komme. Auf manchen Werften ist diese schiefe Ebene aufgemauert und mit einem Roste versehen, was die Stapelblöcke unnöthig macht.

Die Lage des Schiffes auf dem Stapel ist verschieden; in England, Frankreich, Russland, Preussen und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ist der Hintertheil des Schiffes dem Wasser zu gekehrt; in andern Ländern ist gewöhnlich die entgegengesetzte Lage im Gebrauche.

Der Kiel bb ist. das erste Stück Holz, welches auf die Stapelblöcke gelegt wird; er hat das ganze Gebäude zu tragen und wird aus dem besten, ausgesuchtesten Eichen- oder Buchenholze angefertigt; höher als breit, besteht er, nach der Grösse des zu bauenden Schiffes entweder aus einem Stücke, oder er ist aus mehreren Stücken zusammengesetzt, die als dann begreiflicher Weise sehr genau zusammengefügt sein müssen. Seiner ganzen Länge nach hat der Kiel an beiden Seiten oben einen Einschnitt oder eine Rinne, (Sponung genannt) wo hinein beider Bekleidung des Gerippes mit Planken die untern Kantender dem Kiel zunächst liegenden Planken (Kielplanken) eingefugt werden.

Auf dem Vorderende des Kiels wird der Vordersteven cc und auf dem Hinterende der Hintersteven dd aufgerichtet. Der erstere besteht aus einem gebogenen Stücke Holzes, derletztere aus einem geraden, das mehr oder weniger in einer schiefen Richtung hinten über hängt. Beide Steven werden mit dem Kiel durch Knie ee, Steven- oder Reidknie genannt, verbunden; zwischen dem Knie des Hinterstevens und dem Kieljedoch vorher gerade Hölzer, die sogenannten Slemphölzer ff gelegt, um jenem mehr Festigkeit zu geben. Der untere Theil des Vorstevens heisst der Unterlauf gg.

An der inwendigen oder obern Seite des Kiels wird der Gegenkiel hh mittelst starker Bolzen, genau schliessend, befestigt und mit Einschnitten versehen, in welche die Bauchstücke ii und Piekstücke kk aufrecht gestellt und mit Bolzen befestigt werden. Der Gegenkiel ist an beiden Enden höher als in der Mitte, was dazu beiträgt, den Bauchstücken die nöthige Beugung zu geben. Gewöhnlich besteht der Gegenkiel bei grossen Schiffen aus drei Stücken.

Auf die Bauch- und Piekstücke, welche dicht an einander stehen, werden die Sitzer ll und die Auflanger mm gesetzt, welche mit jenen zusammen die Spanten oder Innhölzer genannt werden und die Rippen des Schiffes ausmachen. Der zwischen ihnen befindliche Raum wird in neuerer Zeit bei Kriegsschiffen so weit, als sie völlig ausgerüstet im Wasser liegen, vollkommen mit Holz ausgefüllt und wasserdicht gemacht, Gleichzeitig werden auf beiden Seiten Balken angebracht, um die Rippen vor dem Umfallen zu sichern und das Gebäude, während es auf dem Stapel liegt, zu stützen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752141696
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
Marine Militärtechnik Kriegsschiffe Marinegeschichte Militär

Autor

  • Thomas Rohwer (Autor:in)

Thomas F.Rohwer beschäftigte sich als Journalist mehrere Jahrzehnte besonders auch mit Militär- und Marine-Themen und berichtete u.a. auch aus verschiedenen Krisen- und Kriegsgebieten in aller Welt. In der Kleinen Maritimen Bibliothek veröffentlicht er neu herausgegebene und editierte Klassiker der Marine-Literatur.
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Titel: Karl Rudolf Brommy - Die Marine