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Stahlwölfe 01: Zombietrail

von Cico Cavca (Autor:in)
160 Seiten
Reihe: Stahlwölfe, Band 1

Zusammenfassung

Das Amerika des 19. Jahrhunderts, wie wir es kennen, hat so nie existiert! Denn die Geschichte hat sich ganz anders abgespielt! Der von Freimaurer-Eliten geschürte Amerikanische Unabhängigkeitskrieg hat einen Fluch heraufbeschworen, der schlimmer ist als alles, was die Menschheit bis dahin erfahren hat: Die Toten stehen wieder auf! Und mit ihnen: Vampire, Ghule, Werwölfe und andere Schreckensgestalten aus der Hölle, die die Städte, Wälder und Prärien bevölkern. Die im Kampf gegen die neue Gefahr vereinten Nord- und Südstaaten stellen sich gegen das Böse. Doch die Zombie-Horden erobern einen Bundesstaat nach dem anderen. Schließlich fliehen die letzten Überlebenden im längsten Treck in der Geschichte der USA nach Osten. In den Wilden Westen. Inmitten dieses "Trails der Tränen und des Blutes" verstecken sich Freimaurer. Sie werden von der Anti-Mason-Force als Staatsfeinde gesucht, weil sie den Bruderkrieg einst entfachten. Der beste Mann der AMF ist Major Bradock "Brad" Shannigan. Zusammen mit seinen Marines und der Shaolin-Amazonin Mailin Phuong begleitet und schützt er den "Zombie-Trail" in die Indianergebiete. Doch dann kommt es zur Katastrophe: Die Zombies brechen an allen Grenzen durch ... Brad Shannigan muss sich einer Übermacht Untoter stellen ... Der Vampir Billy the Kid und seine Bad Gun Gang terrorisieren die Überlebenden ... Flederschreckspinnen, unheimliche Wesen aus den Tiefen der Rockpile Mountains, fallen über den Treck her ... Die vereinten Indianerstämme der "Great Indian Nation", die von den Weißen aus dem Land ihrer Ahnen vertrieben werden sollen, wollen die letzten Amerikaner vernichten ... Mailin Phuong wird von Ghuls in ein unterirdisches Labyrinth entführt ... Und der Logenmeister der Freimaurer will das größte Geheimnis der Menschheit lüften, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt ... Die Printausgabe umfasst 160 Buchseiten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Da sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Da sprach der Herr zu Kain: Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun verflucht seist du. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.

1. Mose, Kapitel 4

Prolog

 

Die offizielle/unwahre Geschichte des Amerikanischen Bruderkrieges

Viel ist darüber geschrieben worden, warum sich die Nordstaaten (Union) und die Südstaaten (Konföderierten) in einem Bruderkrieg bekämpften, ein ganzes Land mit Tod und Terror überzogen. Seit jeher beruhte der Wohlstand der Südstaaten auf der Plantagenwirtschaft, die Baumwolle, Tabak und Zuckerrohr für den Norden und für den Export in die Alte Welt, nach Europa anbauten. Dabei dienten schwarze Sklaven als billige Arbeitskräfte, die einst aus Afrika nach Amerika verschifft worden waren. Die Union hingegen machte mit seiner Industrialisierung größere Fortschritte, kritisierte die im Norden strikt verbotene Sklavenwirtschaft des Südens immer stärker. 1860 wurde der Republikaner Abraham Lincoln zum Präsidenten der USA gewählt, der sich gegen die Sklaverei wandte. Dies und die wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung führten im Winter 1860/1861 zum Austritt der Südstaaten aus der Union, die daraufhin die Konföderierten Staaten von Amerika bildeten. Ihr Präsident wurde Jefferson Davis. Die Union akzeptierte diese Sezession der Konföderierten jedoch nicht, sodass es im April 1861 zum Bürgerkrieg kam, der bis zum Juni 1865 andauerte. Im September 1862 verkündete Lincoln die Emanzipation der Sklaven und am 1. Januar 1863 sollten alle Sklaven frei sein.

Die bekanntesten Kriegsherren waren im Süden General Robert. E. Lee und im Norden die Generäle Ulysses S. Grant und William T. Sherman. Der Sezessionskrieg endete schließlich mit dem Sieg der Union, der Wiederherstellung der staatlichen Einheit der USA und mit der Befreiung der schwarzen Sklaven.

Dies ist die offizielle Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges, des War between the States. Aber sie stimmt so nicht! Denn die Chronisten haben Wichtiges verschwiegen.

 

Die inoffizielle/wahre Geschichte des Amerikanischen Bruderkrieges.

Die mächtigste Elite in der Union waren die Freimaurer, die sich in zahlreichen Logen zusammengeschlossen hatten. Schon bei der Amerikanischen Revolution, die 1763 begann und mit der Loslösung der Dreizehn Kolonien vom Britischen Empire 1776 zur Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten führte, spielten die Logenbrüder eine dominierende Rolle. Die Rädelsführer des Freiheitskampfes, wie Samuel Adams, John Hancock, Paul Revere, Benjamin Franklin und George Washington gehörten allesamt dem Freimaurerbund an. Damals schon reiften die Logen zu Keimzellen eines neuen Staatengebildes heran. Der mächtigste Mann der Vereinigten Staaten, George Washington, wurde 1752 Mitglied der Fredericksburg Lodge No. 1 in Virginia und 1788 Meister vom Stuhl der Loge Alexandria No. 22. So leistete er den Eid des ersten Präsidenten des Landes auf die Freimaurer-Bibel der St. Johns Lodge No. 1 von New York. 1793 scheute sich Wa­shington auch nicht, bei der Grundsteinlegung zum Capitol einen freimaurerischen Ritus zu vollziehen, gründete so die Hauptstadt der USA. Die Macht der Logenbrüder zeigte sich noch an anderer Stelle: Von den sechsundfünfzig Unterzeichnern der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung waren dreiundfünfzig Freimaurer. Auch ihr Verfasser, Thomas Jefferson, gehörte einer Loge an, ebenso fünfzig von fünfundfünfzig Mitarbeitern der konstituierenden Nationalversammlung, sowie sämtliche Gouverneure der dreizehn Gründungsstaaten.

In den Jahrzehnten darauf übernahmen Freimaurer weitere wichtige Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, wurden damit zur mächtigsten Elite des Landes. 1860 trieben sie den gewählten Präsidenten Abraham Lincoln geradezu in den Bruderkrieg. Vorwand dafür war die Abschaffung der Sklaverei im Süden. Der wahre Grund war jedoch genau das Gegenteil. Wegen der fortschreitenden Industrialisierung der Union und das Herrschaftsdenken der Freimaurer, die USA zu einer Großmacht aufzubauen, wurden in den Fabriken immer mehr Arbeiter benötigt. Diese Sklaven jedoch besaß der Süden. Lincoln, getrieben von den Logenbrüdern, wollte also keinesfalls die Abschaffung des Sklavensystems, sondern dessen Übernahme in den Norden. Dagegen wehrten sich die Südstaaten, die sich willkürlich der Grundlage ihrer Wirtschaft beraubt sahen. So begann am 12. April 1861 der Bürgerkrieg mit dem Angriff der Konföderierten auf Fort Sumter in South Carolina, das in Besitz der US-Union-Army war. Im Laufe der folgenden vier Jahre bekämpften sich beide Seiten bis aufs Blut. Allerdings besaßen die Nordstaaten aufgrund ihrer weit entwickelten Industrialisierung zusätzliches Kriegsgerät. Dampfpanzer, Dampfmobile, Torpedoboote und Flugschiffe, die sie erfolgreich gegen die Südstaaten-Armee einsetzten. Dieser militärtechnische Vorteil war ausschlaggebend dafür, dass der Bruderkrieg im Juni 1865 mit dem Sieg der Union endete.

Zuvor fiel am 14. April 1865 Präsident Abraham Lincoln einem Attentat zum Opfer, das von Freimaurern beauftragt worden war, und verstarb am folgenden Tag. Der Täter, John Wilkes Booth, war einer ihrer Agenten. Der Grund für Lincolns Ermordung: Während seiner Amtszeit wurde er von den Freimaurern immer wieder zum Beitritt in den Bund gedrängt. Seine Bewerbung in der Tyrian Lodge in Springfield, Illinois, wurde erzwungen. Schließlich verweigerte sich Lincoln den Logenbrüdern endgültig. Er hatte gesehen, welches Elend er mit der Umsetzung ihrer Pläne, angerichtet hatte – den Bruderkrieg gegen das eigene Volk. Das war Lincolns Todesurteil. Nachfolger wurde sein einstiger Vize und Hochgradmaurer Andrew Johnson. Die Freimaurer­eliten waren am Ziel. Noch vor Kriegsende bereiteten sie die Übersiedlung der Sklaven aus dem Süden in den Norden vor, nahmen dafür das Ende der Plantagenwirtschaft und damit die wirtschaftliche Verelendung der Konföderierten billigend in Kauf. Doch soweit sollte es nicht mehr kommen.

 

Schreckensplage und Zombieseuche

Am 23. Juni 1865, dem Tag der Kapitulation der letzten Konföderierten in Texas, verdunkelte sich der Himmel auf unnatürliche Weise. Gleich darauf fielen drei Tage lang Blutregen und Hagel auf die Erde. Der tiefen Finsternis folgte die größte Katastrophe, die die Menschheit je gesehen hatte: Die Hölle öffnete ihre Pforten, schickte Vampire, Werwölfe, Ghule, sowie weiteres Dämonengezücht. Selbst die Toten standen als blutrünstige Wiedergänger aus ihren Gräbern auf, um wie hungrige Schakale über die Lebenden herzufallen. Gezeichnet waren sie mit dem sogenannten Kainsmal, fürchterlichen Geschwüren, von denen seltsamerweise die Verstorbenen von Schwarzen, Indianern und Mischlingen verschont blieben.

Christliche Fundamentalisten meinten zu wissen, warum diese Schreckensplage über das Land gekommen war. Mit diesem Höllenfluch zog eine Höhere Macht das amerikanische Volk für seinen Großen Bruderkrieg zur Verantwortung. Diese militärische Auseinandersetzung war mit seinen sechshunderttausend gefallenen und vierhunderttausend verwundeten Soldaten die verlustreichste, die je auf dem Boden der USA ausgefochten worden war. Deshalb wurden lediglich jene mit dem Kainsmal bestraft, die für den Krieg verantwortlich waren: Die weiße Bevölkerung.

Fundamentalistische Geistliche erinnerten daran, dass die Höhere Macht schon einmal eingegriffen hatte, als es zu einem solchen Brudermord gekommen war. Bei den ältesten Söhnen von Adam und Eva. Kain erschlug seinen eigenen Bruder Abel. Dafür wurde er verstoßen und mit dem Kainsmal belegt. Aus diesem Grund nannten die Lebenden und Überlebenden die Untoten Kainiter.

Doch die Priester täuschten sich in dem, was sie als Höhere Macht bezeichneten. Die Wahrheit war viel phantastischer und grausamer, als sie es sich jemals vorstellen konnten.

 

 

Invasion der Zombies und das große Sterben:

Nach und nach eroberten die Kainiter-Zombies die Südstaaten South Carolina, Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Virginia, Arkansas, North Carolina, Tennessee und Kentucky. Nur Texas, Missouri und Iowa blieben verschont. Die untote Brut breitete sich aber auch im Osten und Norden aus. In Maryland, Delaware, Pennsylvania, New York, New Jersey, Connecticut, New Island, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Maine, Ohio, Indiana, Illinois, Michigan, Wisconsin und Minnesota.

Von den einundzwanzig Millionen Menschen, die nach dem Großen Bruderkrieg in den Nordstaaten lebten, waren über achtzehn Millionen von den Kainitern eliminiert bzw. angesteckt worden. Von den neun Millionen in den Südstaaten, darunter vier Millionen ehemalige Sklaven, überlebten nur knapp eine Million. Die Zombies nahmen keine Rücksicht auf Ethnien. Auch wenn die Toten von Schwarzen und Indianern von den Kainsmalen verschont blieben und nicht als Wiedergänger zurückkamen.

 

Präsident Johnson und sein Hochverrat

Freimaurer-Präsident Andrew Johnson wurde vom Kongress abgesetzt. Ihm, sowie anderen einflussreichen Logenbrüdern, wurde vorgeworfen, den Großen Bruderkrieg mit Lügen entfesselt und das Attentat auf Abraham Lincoln initiiert zu haben. Sie sollten wegen Hochverrats vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Doch zuvor gelang ihm und weiteren Logenbrüdern die Flucht. Unter ihnen auch Brigadegeneral Albert Pike, der Souveräne Großkommandeur des obersten Rates der Südlichen Jurisdiktion des Alten und angenommenen schottischen Ritus von Nordamerika.

Johnsons Nachfolger wurde der einstige Oberbefehlshaber der Unions-Armee, Ulysses Simpson Grant. Noch im selben Jahr rief er die Spezialeinheit Anti-Mason-Force ins Leben. Die AFM sollte die Freimaurer-Staatsfeinde aufspüren und verhaften.

 

Trailing Blood, der Pfad des Blutes und der Tränen

Nach dem millionenfachen Sterben der Amerikaner und dem täglich größer werdenden Heer der Kainiter beschloss Grant, die Menschen in einem gewaltigen Treck aus den von den Untoten verseuchten Staaten hinauszuführen, in die Western-Territories und die Indianergebiete. Die noch unter Präsident Lincoln quer durch den Kontinent genehmigte Eisenbahnstrecke war allerdings aufgrund des Bruderkrieges nicht fertiggestellt. Militärische Operationen hatten die verschiedenen Teilstrecken und Eisenbahnanlagen zerstört, um Truppentransporte der Union oder der Konföderierten zu behindern.

Flugschiffe standen ebenfalls nicht zur Verfügung, weil diese zusammen mit den Dampfpanzern und Torpedobooten von der US-Army eingesetzt wurden, um die Grenzen der Kainiter-Zone, wie die zombieverseuchten Bundesstaaten genannt wurden, zu sichern. Dies wurde täglich schwerer.

So blieb den Überlebenden nichts anderes übrig, als sich mit Planwagen, Pferden und wenigen Dampfmobilen auf den Weg nach Westen zu machen, in der Hoffnung, den Zombie-Horden und dem Grauen zu entkommen. Zunächst vereinigten sie sich in St. Louis in Missouri mit Flüchtlingsströmen aus Tallahassee im Süden, Washington im Osten und Michigan im Norden, zum Trail der Tränen und des Blutes. In der Sprache der Cherokee wurde er Nunna daul Isunyi, der Weg, auf dem wir weinten, genannt.

Unter den Flüchtlingen versteckten sich auch der gesuchte ehemalige Freimaurer-Präsident Andrew Jackson und seine Logenbrüder.

Und hier beginnt die Geschichte der Stahlwölfe.

1. KAPITEL

 

Schweiß perlte von ihrer glatten Stirn, biss wie Säure in die vor Schock erstarrten Augen. Ihr verzerrtes Gesicht leuchtete gespenstisch in der dunklen Schlafkammer, aus deren Ritzen und Spalten, der Decke, des Fußbodens und der Wände etwas unvorstellbar Grausames, Unfassbares und Unbeschreibliches strömte. Es war so, als würde der Atem des Bösen durch den Raum wehen.

Der Schmerz ließ sie bis ins Mark erzittern und überall spürte sie die klebrige, dickflüssige Nässe. Blut.

Ihr Blut!

Doch das war ihr in diesem Moment egal, sie wollte nur eines: Diese unbändige Qual nicht mehr verspüren, die in ihren Eingeweiden wühlte, an ihren Knochen nagte, sich durch ihre Wirbelsäule fraß und ihre Gedärme zerfetzte.

Sie lag auf ihrem Bett. Ihr fiebernder Blick glitt an ihrem Körper hinunter, sie war unfähig, den Kopf zu bewegen. Noch immer war dieses Monster da, das gierig ihr Fleisch aufzehrte, sie lebendig ausweidete. Dieses Monstrum hatte sie vor wenigen Minuten in ihrem Zimmer wie ein wildes Tier angefallen.

Dieses Monstrum, das einmal ihr Bruder gewesen war!

Ben! Mein Gott …

Doch Ben war kein Mensch mehr, sondern ein untoter Kannibale. Ein Zombie! Seine Augen waren pupillenlos, wie die eines an Land verendeten Fisches. Genauso kalt war seine kreidebleiche Haut mit den unzähligen Geschwüren. Mit jeder seiner Bewegungen platzten die verkrusteten Pusteln wie vollgefressene Maden unter einer Stiefelsohle auf. Sonderten dabei eine rote schleimige Flüssigkeit ab, ein bestialischer Gestank breitete sich aus.

Ben!

Aber ihr Bruder hörte ihr stummes Flehen nicht, sondern fraß sich schmatzend weiter durch ihre blutigen Gedärme, zerriss mit seinen scharfen Zähnen die Schleimhäute und Venengeflechte, um gleich darauf den Brei aufzuschlürfen. Dann endlich erlöste der Tod sie von ihren schrecklichen Qualen.

Plötzlich peitschte ein Schuss durch die unwirkliche Szenerie. Die Kugel zerfetzte das halbe Gesicht des Zombies. Fleisch- und Gehirnfetzen klatschten gegen die Wand. Aus dem, was noch von seinem Schädel übrig geblieben war, schlängelte sich eine lange Spur aus grauer wurmiger Masse. Endgültig tot blieb Ben auf dem ausgeweideten Körper seiner Schwester liegen.

Doch auf einmal rührte sich diese wieder, bewegte die zu Klauen entstellten Hände und hob den Kopf. Ihre leeren, trüben Augen schauten nach oben. Aufgrund des Kainsfluches verwandelte auch sie sich in einen Zombie. Plötzlich stand über ihr eine Gestalt. Breitbeinig, mit einem großkalibrigen Revolver in der rechten Faust.

Wenn die Frau noch leben würde, dann hätte sie erkannt, dass es ihr Ehemann war. So aber sah sie nur eine Mahlzeit vor sich, die sie rasend vor Gier machte.

Bevor die Kainiterin den leblosen Körper des Bruders abschütteln konnte, um ihren Gatten anzufallen, drückte der Mann erneut ab. Mündungsfeuer flackerte aus dem Lauf seiner Waffe. Das Geschoss zerfetzte dem Zombie den Schädel und warf ihn auf das Bett zurück. Die Blut- und Fleischreste vermengten sich mit denen des anderen Untoten, der auf dem besudelten Laken lag.

Erst nach einer geraumen Weile wandte sich der Mann von dem grauenvollen Anblick ab. Mit hartem, unbewegtem Gesicht verließ er die einst gemeinsame Schlafkammer. Er hatte soeben seine Frau und seinen Schwager in die Hölle geschickt. Und, bei Gott, er würde es jederzeit wieder tun!

 

*

 

15. Juli 1866,
Nähe Columbia und Boonville, Bundesstaat Missouri

Marine-Major Bradock Shannigan schreckt plötzlich aus dem Tagtraum auf, kämpft gegen die kraftvolle und grausame Erinnerung an, die wie der Ton einer Totenglocke in ihm nachklingt und nicht vergehen will. Die Trauer hat sich erneut über ihn gelegt, presst ihm die Luft aus den Lungen. Es fällt ihm schwer, die negativen Emotionen abzuschütteln, in die Gegenwart zurückzukehren. Die Gedanken daran, wie er seine Ehefrau Marissa getötet hat, weil sie sich in eine Untote verwandelte, wird ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen und ihn ewig als wiederkehrenden Albtraum begleiten.

An diesem Morgen steht die Sonne heiß und glühend am wolkenlosen Himmel. Shannigan zieht sich die Hutkrempe seines breitrandigen Stetson tiefer in die Stirn. Sein weißes Uniformhemd mit den Schulterklappen und die hellblaue Levishose mit den roten Streifen schützen ihn zudem vor den brennenden Strahlen.

Er ist ein groß gewachsener, sehniger Mann mit geschmeidigen Muskeln. Anfang vierzig, mit militärisch kurzem dunklen Haar und einem harten Gesicht mit markanten Zügen, wie aus Granit gemeißelt. Nur die blassen grauen Augen über der kerzengeraden Nase, deren Farbe einem nebelverhangenen Meer gleicht, scheinen es mit Leben zu füllen. Auf den unrasierten Wangen schimmern zwei Messernarben, die sich wie mit einem Lineal gezogen von den hohen Wangenknochen bis knapp zu den Mundwinkeln hinunter ziehen. Sie verleihen seinem schmallippigen Mund einen seltsam verkniffenen Ausdruck. Das energische Kinn verrät Durchsetzungsvermögen, eisernen Willen und unbändige Energie. Man sieht ihm an, dass er ein Mann ist, der genau das tut, was getan werden muss.

Marine-Major Brad Shannigan, ein Stahlwolf, wie die Mitglieder der paramilitärischen Anti-Mason-Force auch genannt werden, zu der er gehört. Hart wie Stahl, unbeugsam und unerbittlich. Die AFM ist nicht der US-Army unterstellt, sondern operiert eigenständig. Ihr oberstes Ziel ist das Aufstöbern sowie die Ergreifung der Freimaurer-Staatsfeinde. Dabei kann sie alle militärischen, geheimdienstlichen und polizeilichen Methoden anwenden. Im Gegensatz zum US-Marshal-Service, der nur Letzteres darf. Somit ist die AFM eine Spezialeinheit, die mit den weitreichendsten Befugnissen ausgestattet ist, die es im Sicherheits- und Militärapparat der USA gibt.

Shannigan sitzt auf einem klobig gebauten Pferd, das auf den Namen Django hört. Der schwarze Hengst trabt gemessenen Schrittes neben der schier unendlichen Schlange des Konvois aus Planwagen, Dampfmobilen und anderen Lasttieren. Insgesamt sind annähernd drei Millionen Überlebende im längsten Treck der jungen Geschichte der USA vereinigt. Auf dem Trailing Blood, dem Pfad des Blutes und der Tränen.

Eine Million Menschen sind in der Kainiter-Zone zurückgeblieben. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Alte, Kranke oder um jene, die nur kämpfend ihre mühsam geschaffene Heimat in der Neuen Welt aufgeben wollen. Fest steht jedoch, dass sie sterben werden, massakriert von den Zombiehorden, die sich wie eine Seuche über den Süden, Osten und Norden des Landes ausgebreitet haben. Der Treck ist auf der Flucht nach Westen. Bis dort sind die Kainiter noch nicht vorgedrungen.

Das erste Ziel der Überlebenden ist der östliche Knotenpunkt der Pionierwege, des ehemaligen Oregon-, California- und Santa Fe-Trails. Kansas City im Bundesstaat Kansas. Bis dahin sind es allerdings einhundertzwanzig Meilen. Vor zwei Stunden haben sie Columbia hinter sich gelassen und den Missouri-River überquert. Columbia liegt genau in der Mitte zwischen St. Louis und Kansas City. Nun befindet sich der Treck in der Höhe von Boonville.

Brad Shannigan hofft, dass dies ein gutes Omen ist. Denn Boon, also Segen, brauchen sie gewiss in dieser schrecklichen, unbestimmten Zeit.

Sein Blick schweift über die Wagen- und Pferdekolonne, die sich wie eine endlose Schlange von einem Ende des Horizonts bis zum anderen hinzieht. Ein paar Dampfmobile, besetzt mit Politikern der Escape, der Fluchtregierung, sind auch dabei. Doch die meisten dieser Fahrzeuge werden an den Grenzen zur Kainiter-Zone gebraucht. Genauso wie die Flugschiffe, Torpedoboote und Dampfpanzer der wiedervereinigten US-Army. Ihre Infanterie, Kavallerie und Artillerie besteht aus eineinhalb Millionen Soldaten unter dem Oberkommando der Generale William Tecumseh Sherman und Edmund Kirby Smith. Sherman hat einst bei den Yankees gekämpft und Smith bei den Konföderierten.

So bleiben als Schutz für den Treck nicht mehr als einhunderttausend reguläre Soldaten des I. US-Army-Corps, angeführt von dem einst erfolgreichsten General der Rebellen, Robert Edward Lee und seinem Yankee-Assistenten Generalmajor George Gordon Meade. Hinzu kommen zwanzigtausend Marshals und Sheriffs, die im US-Marshal-Service zusammengefasst sind, sowie dreißigtausend Elitekämpfer der 1. AFM-Division. Für einen Flüchtlingsstrom von drei Millionen Menschen sicher viel zu wenig, um bei einem eventuellen Angriff der Kainiter bestehen zu können. Dies ist auch nicht die Aufgabe der AFM, sondern die Ergreifung der fünfhundert Freimaurer-Staatsverräter, die sich irgendwo im Treck verstecken. Unter ihnen Ex-Präsident Andrew Johnson, sowie der Chef seiner Logen-Leibgarde, Brigadegeneral Albert Pike.

Brad Shannigans Gedankengänge werden unterbrochen, als Mailin Phuong auf ihrem kleinen, quirligen Mustang an seine Seite reitet. Sie gehört ebenfalls der AFM an, trägt die gleiche Uniform, nur mit dem Rangabzeichen eines Marine-First Lieutenants.

Die Fünfundzwanzigjährige ist die Tochter einer Amerikanerin und eines Chinesen. Ihr Vater Han Chau arbeitete einst, wie tausend andere aus dem Reich der Mitte, beim Bau der Eisenbahn. Kurz vor dem Großen Bruderkrieg starb er an einem Herzanfall. Nicht jedoch ohne Mailin ein Vermächtnis zu hinterlassen: das Shaolin Kung-Fu. Darin war der Eisenbahnarbeiter ein wahrer Meister. Der Familientradition verpflichtet, hatte er sein Wissen und Können an seine Tochter weitergegeben und sie von Kindesbeinen an unterrichtet.

Brad Shannigan hat Respekt vor der uralten Kampfkunst, die er selbst auch beherrscht, nachdem ihn seine Adjutantin trainiert hat. Aber noch etwas anderes verbindet die beiden Marines: die tiefen Gefühle zueinander.

Mailin, was soviel wie schöne Orchidee bedeutet, lächelt den Major von unten her an, weil ihr Pferd um einiges kleiner als der gigantische Django ist. Dabei bilden sich zwei winzige Grübchen auf ihren Wangen. Mit ihrem Mädchengesicht, in dem große, meerwasserblaue Augen schimmern, der Stupsnase, den vollen Lippen und dem langen Haar, das wie reifer Weizen leuchtet, sieht sie nicht aus wie eine Chinesin. Einzig die hohen Wangenknochen zeugen von ihrem asiatischen Blut. Vielleicht auch noch die Tätowierung des pechschwarzen Drachens, der von ihrer linken Halsseite bis über das Schlüsselbein hinab zu ihren üppigen Brüsten reicht. Die Form ihres Körpers ist straff und durchtrainiert. Ansonsten haben die Gene ihrer Mutter ihr Erbe hinterlassen, die selbst deutsch-irischer Abstammung war und letztes Jahr verstarb. Was würde Mailin alles dafür geben, wenn der Mann mit den Messernarben die Trauer um seine tote Frau endlich ablegen könnte. Frei für eine neue Beziehung wäre. Mit ihr …

„Hallo, Orchidee“, sagt Brad knapp, ebenfalls ein Lächeln im Gesicht. Ihre beiden ungleichen Pferde traben im Gleichschritt nebeneinander her. „Ich denke, Präsident Grant wird vor Kansas City den Treck für eine Rast anhalten.“

„Möglich“, antwortet Mailin knapp. „Die Tiere und die Menschen sind erschöpft. Hundert Meilen ohne Ruhepause werden sie nicht mehr schaffen.“

„Obwohl wir hier noch lange nicht in Sicherheit sind“, meint Brad. „Bleibt zu hoffen, dass Sherman und Smith mit der US-Army die Grenzen an der Kainiter-Zone weiter dicht halten. Sonst haben wir ein Problem.“

Kaum hat der Marine-Major ausgesprochen, erklingt ein Trompetensignal der Infanterie. Das Zeichen zum Halt. Wie in Zeitlupe kommt der Konvoi zum Stehen. Pferde wiehern und stampfen mit den Hufen im Staub. Vor Ermüdung längst verstummtes Menschengemurmel klingt wieder auf. Es liegt eine angespannte Atmosphäre über der Szenerie, der sich niemand entziehen kann.

Brad Shannigan und Mailin treiben ihre Tiere an, um zu ihrer Truppe zu reiten, die sich an der Spitze des Konvois befindet. Angeführt wird die AFM von Marine-General Sam Big Foot McCoy. Seinen Spitznamen verdankt der über acht Inch große Amerikaner schottischer Abstammung seiner immensen Schuhgröße.

Wie die anderen Flüchtlinge schlagen die Stahlwölfe ihr Mittagslager auf. Tausende Zelte muten wie weiße Farbtupfer in der hügeligen, bewaldeten Landschaft des Missouri-Flusstals an. Die beiden Stahlwölfe reiten zum Offizierszelt, das neben dem von Big Foot McCoy und seinem Generalsstab aufgebaut ist. Drinnen ist es warm wie im Vorhof der Hölle. Aber wenigstens sind die Männer und Frauen hier unmittelbar vor dem Glutball der Sonne geschützt. Doch noch bevor sie auf ihren harten Holzpritschen etwas Ruhe finden können, stürmt der Marine-General mit seinen beiden Stabsadjutanten herein. Marine-Lieutenant General John Costello und Marine-Lieutenant General Frank Andrus. Shannigan und Mailin erheben sich zackig, salutieren genauso wie die übrigen Offiziere.

„Es gibt außerordentlich schlechte Nachrichten. Soeben komme ich von einer von Präsident Grant eilig einberufenen Audienz mit dem militärischen Oberbefehlshaber des Trecks, General Lee und seinem Adjutanten Generalmajor Meade“, beginnt Big Foot ohne Umschweife. Tiefe Sorge schwingt in seiner Stimme mit. Der hagere General, der soeben das fünfundsechzigstes Lebensjahr vollendet hat, überragt seine Adjutanten um mehr als Haupteslänge. „Über den mobilen Elektro-Telegrafen ging ein Notruf von Fort Springfield in Illinois ein. Während die US-Army die Hauptfront gegen die Kainiter hält, ist es einigen von ihnen gelungen, die Stadt und die Festung zu überrennen. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was das bedeutet.“

Die Offiziere erbleichen. Das ist tatsächlich eine Katastrophe, denkt Shannigan. Denn dies bedeutet, dass die Zombies die Zone in einem Nadelöhr in Richtung Westen durchbrochen haben, das stündlich größer werden kann. Springfield liegt gerade mal zweihundert Meilen von ihrem jetzigen Standort entfernt.

„Planen Sherman und Smith die Lücke in Springfield zu stopfen, Sir?“, fragt Shannigan und reißt damit die anderen aus ihren unheilvollen Gedanken.

Marine-General Big Foot wendet sich ihm zu. „So ist es, Major. Das IV. US-Army-Corps unter Lieutenant General Darry Young, das bei Elizabethtown in Kentucky stationiert ist, wurde bereits in Marsch gesetzt.“

„Wie hoch ist seine Truppenstärke, Sir?“, fragt einer der Offiziere.

„Das Corps besteht aus vier Infanterie-Divisionen, einem Kavallerieregiment, einer Airforce-Group und einer Panzer- und Artilleriebrigade.“

Das ergibt insgesamt achtzigtausend Soldaten, neunhundert Dragoner, einhundertzwanzig Dampfpanzer und noch mal so viele Geschütze. „Mit Verlaub, Sir“, wirft Shannigan ein. „Von Elizabethtown nach Springfield sind es dreihundertfünfzig Meilen. Bis Young diese Distanz zurücklegen kann, haben die Kainiter den Treck längst erreicht.“

Sam Big Foot McCoy nickt und sieht seine Offiziere der Reihe nach an. Dann richtet er den Blick auf seinen Major. „Aus diesem Grund ordnete Präsident Grant den sofortigen Aufbruch an. Dennoch müssen die Kainiter aufgehalten werden. Lee kann keine Soldaten dafür abstellen, weil jeder Mann für den Schutz des Konvois gebraucht wird. Deshalb soll das die AFM übernehmen. Unsere Division besteht aus Elitekämpfern, die das Zeug haben, die Zombies dahin zu schicken, woher sie gekommen sind. Zurück in die gottverdammte Hölle!“ Nach einer kurzen Pause fährt der General fort. „Sie, Shannigan, werden mit der 1. und 2. AFM-Brigade Richtung Springfield reiten, um sich den Kainitern in den Weg zu stellen. Die restlichen vier Brigaden begleiten weiterhin den Treck. Halten Sie die Brut so lange auf, bis das IV. US-Army-Corps bei Ihnen eintrifft.“

Shannigan spürt die Blicke seiner Kameraden auf sich. Sie ahnen, dass dies ein Kommando ohne Wiederkehr ist. Zwei Brigaden umfassen knapp zehntausend Marines. Dazu zwei Artilleriebatterien mit je zehn schweren Schnellfeuerkanonen. „Eine letzte Frage, Sir.“ Shannigan wendet sich noch einmal an den Oberkommandierenden der AFM. „Gibt es Erkenntnisse der Luftaufklärung, wie viel Kainiter bei Springfield durchgebrochen sind?“

Sam McCoy antwortet nicht sofort. Doch als er es tut, ist seine Stimme rau und belegt. „Nur Schätzungen, Major. Aber die Aufklärung spricht von einer viertel Million!“

2. KAPITEL

 

16. Juli 1866,
Nähe Bowling Green, Bundesstaat Missouri

„For every wound and every thrust, On Prisoners dealt by hand accurst, A Mexican shall bite the dust: Remember the Alamo!“

Aus Tausenden AFM-Soldaten-Kehlen schallt das legendäre Lied des texanischen Unabhängigkeitskrieges. 1836 besiegte Sam Houston in der Schlacht von San Jacinto mit seiner Armee den mexikanischen Diktator Santa Anna. Zuvor wurde in Alamo eine kleine Schar von zweihundert Texanern von siebentausend Mexikanern förmlich niedergerannt. Sie hatten sich in der zu einem Fort umgebauten Missionsstation verschanzt, erlagen schließlich aber der feindlichen Übermacht. Bis heute ist ihr mutiger Kampf ein Beispiel auf den Militärakademien und begründet den texanischen Heroismus.

Mit voller Absicht hat Brad Shannigan das Unabhängigkeitslied angestimmt, das von seinen treuen Männern freudig aufgegriffen wird. Irgendwie passt es zu der momentanen Situation. Nicht mehr lange und das Kainiter-Heer wird Bowling Green erreichen.

Die 1. und 2. AFM-Brigade erreicht Omala. Die einstige Missionsstation der Franziskaner, die im Großen Bruderkrieg zu einem Fort ausgebaut wurde, liegt verlassen irgendwo im Niemandsland zwischen Springfield und Boonville.

Shannigan hat die Station mit Bedacht gewählt. Hier kann er sich mit zehntausend Marines den Zombies in den Weg stellen. Wie damals in Alamo wird eine kleine Schar von Todesmutigen gegen eine Übermacht antreten müssen. So wird Omala auch zum Symbol für ihn und seine Männer. Zum Zeichen des Freiheitskampfes gegen eine andere Besatzungsmacht, die des Bösen!

Der Major gibt das Kommando zum Absitzen. Pferde wiehern, Hufe stampfen, Sattelgeschirr klirrt, Reiterstiefel poltern. Neben Shannigan lässt sich auch Mailin aus dem Sattel gleiten. Im Fort können sich nur einige hundert Soldaten verschanzen. Deshalb befiehlt Shannigan, drei Verteidigungsringe um Omala zu ziehen, die jeweils aus drei Bataillonen mit dreitausend Marines bestehen. Dazwischen Schützeneinheiten mit Gatling-Guns und Maxim-
Maschinengewehren. Die Artilleriegeschütze werden ebenfalls in Stellung gebracht.

„Warum glaubst du, dass die Kainiter diesen Weg nehmen und sich nicht weiter nördlich oder südlich orientieren?“, fragt First Lieutenant Mailin, während sie neben Shannigan hergeht, um mit ihm die einzelnen Trakte der Missionsstation zu inspizieren.

„Die Zombies suchen nach uns und dem Treck, wie hungrige Schakale, die ihre Beute riechen. Sie haben Hunger, sind darauf programmiert, alles Lebende zu töten.“

Shannigan verstummt. Auch Mailin schweigt. Sie kennt die Geschichte, die ihr Vorgesetzter und Freund mit sich trägt, der seine eigene Frau und seinen Schwager erschießen musste, weil sie zu Untoten wurden. Dieser Kern Verletzlichkeit, in dem ansonsten knallharten Mann, macht ihn so unglaublich anziehend für sie.

Die Missionsstation ist mit massiven Sandsteinmauern eingegrenzt. Um den quadratisch angelegten Patio, den Innenhof, ordnen sich die Gebäude der Mönche, der Diener, der Soldaten, die Werkstatt, das Lagerhaus und die Ställe an. Das Refektorium, der Speisesaal, ist direkt neben der Küche errichtet worden. Die Kapelle befindet sich im Zentrum des Hofs. Ihr Glockenturm überragt alle anderen Gemäuer. Die Dächer bestehen aus gebrannten Backsteinziegeln, die rostrot in der langsam verglühenden Sonne schimmern. Der erste Hauch einer Abendbrise streicht über die tief eingeschnittene Landschaft mit dem Flussbett des Missouri und den niedrigen Hügeln, die sich wie Höcker zum Horizont ziehen.

„Glaubst du, dass die Kainiter heute Nacht angreifen?“, fragt Mailin, als sich Shannigan im Refektorium einen Schluck aus seiner Wasserflasche gönnt. Er reicht sie auch der Shaolinkriegerin, doch die lehnt mit einem Kopfschütteln ab.

Der Marine-Major wischt sich mit dem Hand­rücken über die Lippen und hakt die Flasche wieder an seinem Gürtel ein. „Jones vom ersten Scout-Squad berichtete, dass uns die Zombies nicht vor Morgengrauen erreichen werden.“ Staff Sergeant Jones und sein Spähtrupp sind erst vor Kurzem von der Erkundung der Position der Kainiter zum Hauptkontingent zurückgekehrt.

„Dann bleiben uns noch rund acht Stunden.“

Shannigan nickt. „Die brauchen wir, um unsere Verteidigungslinien zu festigen.“

„Wie viele sind es?“ Mailin hofft genauso wie alle anderen, dass Big Foot McCoy mit seiner Schätzung von einer viertel Million Kainitern falsch liegt.

„Jones schätzt, mehr als vom General angegeben.“

Mehr?“ Mailins meerwasserblaue Augen weiten sich.

„Das Doppelte.“

„Oh, mein Gott, Brad! Wir sind gerade mal zehntausend! Die Zombies werden uns wie eine verdammte Sturmflut wegspülen.“

Shannigans Blick fällt zum Fenster des Speisesaals hinaus. Die Sonne neigt sich dem westlichen Horizont zu. Die Schatten werden länger.

„Ich weiß, Mailin. Aber Befehl ist Befehl. Travis, Bowie und Crockett haben sich ebenfalls einer Übermacht gestellt und für ihre Ideale bis zum Schluss gekämpft.“ Die Stimme des Majors klingt hart und unerbittlich.

William Travis, James Jim Bowie und Davy Crockett waren die Anführer in Alamo, wo sie 1836 fast zwei Wochen lang von den zahlenmäßig weit überlegenen Mexikanern im Fort belagert wurden.

Mailin holt tief Luft. „Bei der Erstürmung töteten die Mex fast alle männlichen Verteidiger. Den Rest richteten sie gnadenlos hin.“

„Wir besitzen etwas, das die Zombies niemals haben werden“, entgegnet Shannigan. „Stolz und Ehre! Stahlwölfe kämpfen bis zum letzten Atemzug.“

 

*

 

17. Juli 1866,
Fort Omala, Bundesstaat Missouri

Sie kommen im Morgengrauen. Genauso wie es Marine-Staff Sergeant Jones vom 1. Scout-Squad vorhergesagt hat. Zu sehen sind sie zunächst nicht, nur zu hören. Der Wind trägt den schrillen Chor aus unentwegtem Stöhnen, der aus fünfhunderttausend Kehlen dringt, zu den AFM-Verteidigungswällen hinüber. Und noch etwas, den Geruch. Eine unsägliche Mischung aus Fäulnis, Moder, Blut, der sich in den Haaren und Uniformen der Soldaten festsetzt und ihnen den Atem raubt.

Major Bradock Shannigan befindet sich in vorderster Front; in der ersten der drei Verteidigungslinien. Hier haben sich dreitausend Marines eingegraben. Die beiden Artilleriebatterien mit den insgesamt zwanzig schweren Schnellfeuerkanonen sind verteilt. In dieser Linie stehen acht Geschütze, in der zweiten und dritten jeweils sechs.

Shannigan hat sich, wie die meisten seiner Männer auch, das baumwollene Halstuch vor Mund und Nase gebunden, um den penetranten Zombiegeruch abzuhalten. Neben ihm im Schützengraben liegt Mailin, das Infanterie-Repetiergewehr in den Händen.

In das krächzend-rasselnde Stöhnen der Untoten mischt sich nun das Geräusch ihres unkontrollierten, zigtausendfachen Trampelns. Dann taucht die Kainiter-Armee am sich aufhellenden Horizont auf. Zuerst nur als dunkler, unendlich scheinender Streifen, der sich über die Wiesen, Felder und Hügel in Schwärmen einzelner Punkte auflöst. Wie ziellos umherschwirrende Insekten. Diese Szenerie prägt sich unwiderruflich in jedem Marine ein, der an diesem Tag im Fort Omala in der Nähe von Bowling Green dabei ist. Begleitet von dem Wunsch, dass die Welle aus Leibern, die unaufhaltsam auf sie zu rückt, nicht aus untoten Kreaturen bestehen möge, sondern aus herkömmlichen Gegnern.

Doch die Zeiten haben sich geändert, die Feinde auch. Das Amerika von früher gibt es nicht mehr. Der Große Bruderkrieg ist vorbei, dafür aber gibt es nun eine noch gewaltigere Bedrohung. Eine Gefahr, die im Begriff ist, alles menschliche Leben auszulöschen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783957193711
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
Horror Ghule Zombies Werwölfe Vampire

Autor

  • Cico Cavca (Autor:in)

Cico Cavca wurde 1949 als Kind politisch und kulturell gebildeter Eltern auf einer kleinen Nordseeinsel geboren. Seiner Großmutter verdankte er einen reichen Schatz an Epen, Sagen und Legenden der nordischen Geschichte. Als werdender Künstler war er jedoch nie Taxifahrer oder hat beim Aufbau von Bühnen geholfen.
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Titel: Stahlwölfe 01: Zombietrail