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Borderline: Scherben einer Persönlichkeit

von Martina Schwarz (Autor:in)
282 Seiten

Zusammenfassung

Lena ist Single, arbeitet Vollzeit, hat eine kleine Wohnung und Freunde. Im Spiegel sieht sie eine Frau, die ihr Leben im Griff hat, könnte man meinen. Doch Lena verletzt sich selbst. Alkoholmissbrauch, Rasierklingen und ungeschützte Sexualakte mit Partybekanntschaften, bei denen sie die Liebe sucht, die sie sich allein nicht zu geben vermag, führen sie immer weiter in den Abgrund. Dazu kommen diese seltsamen Nachrichten von einem Fremden, der sie scheinbar besser versteht als sie sich selbst. Eine Geschichte voller emotionaler Bruchstücke, Puzzleteile scharfkantiger Gefühle, die dem Leser alle Facetten einer zersplitterten Lebensgeschichte widerspiegeln.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Borderline
- Scherben einer Persönlichkeit –


 

 

Martina Schwarz

 

 

 

 

 

Original-Ausgabe erschienen im Januar 2021 bei Merlins Bookshop.

 

Copyright © Merlins Bookshop

Korrektorat & Lektorat: Klarissa Klein, Merlins Bookshop

Verlag: Merlins Bookshop, Inh. Dietmar Noss, Waldstr. 22, 65626 Birlenbach

Alle Rechte liegen bei Merlins Bookshop, Inh. Dietmar Noss, Waldstr. 22, 65626 Birlenbach

 

Coverfoto: Adobe Stock

 

Prolog

 

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine fiese und unverständliche Diagnose, die kaum ein gesunder Mitmensch verstehen kann. Selbst Fachpersonen tun sich schwer mit einer psychischen Krankheit, die aufgrund ihrer vielen Gesichter und Nebenschauplätze oft wie ein Auffangbecken für alles Undefinierbare scheint … und teilweise sicher auch so genutzt wird.

Von Borderliner sagt man, sie seien jähzornig, manipulativ, extrem emotional, launisch und auch noch schlecht therapierbar, weil sie sich angeblich unkooperativ geben sollen. In Internetforen gibt es Selbsthilfegruppen für all die armen Teufel, die sich in einen Grenzwandler verliebt und mit diesem eine anhaltende Beziehung von stetig wechselnder Zuneigung und Entwertung erlebt haben und nun schwer geschädigt aus den Fängen dieser ach so bösen, kranken Person entkommen sind. Aber auch von kreativen Freigeistern ist die Rede; von Menschen, die ihrem Gegenüber durch reines Erspüren Bedürfnisse entlocken können und diese mit viel Hingabe erfüllen.

Es ist für Psychiater häufig schwer, zu erkennen, ob eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vorliegt. Ärzte stellen die Diagnose oft anhand eines definierten Kriterienkataloges, der hilft, die Krankheit zu erkennen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: (lt. Wikipedia)

1. Hektisches Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.

2. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.

3. Ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.

4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen, z. B. Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, „Essanfälle“.

5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.

6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung, z. B. hochgradige episodische Misslaunigkeit (Dysphorie), Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern.

7. Chronische Gefühle von Leere.

8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen.

9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

Ein Leben als Grenzgänger ist ein Hindernislauf mit tiefen Wassergräben, hohen Hürden und schweißtreibenden Langstrecken, und immer mal wieder äußern sich die Strapazen des Laufes durch Verletzungen, Ermüdungsrisse und ungewollte Auszeiten. Der Sprint auf dieser inneren Rundbahn ist anstrengend, die körperlichen Limits werden ausgelotet, nicht selten ignoriert und dabei vollkommen überschritten. Stellen Sie sich vor, Ihr Konkurrent an diesem Wettkampf, der sich das Leben nennt, bestreitet dieselbe Distanz wie Sie, nur ohne Hindernisse. Kein Wunder, sprinten Ihnen die anderen Läufer nur so um die Ohren und lassen Sie – währenddessen mit den letzten Reserven kämpfend – weit hinten zurück. Zudem können Sie nicht anders, als hin und wieder verträumt die Blumen am Rand der roten Tartanbahn zu bewundern, sich schier unendlich an der duftenden Pracht zu erfreuen. Manchmal rennen Sie energiegeladen ein Stück mit dem Tempomacher mit, aber wenn dieser dann aus dem Wettkampf aussteigt, weil er seine Pflicht als Jagdhase erledigt hat, hinterlässt dieser Abschied bei Ihnen unvorstellbare Qualen. Man lässt Sie allein und damit motivationslos weiterkämpfen. Einen kurzen Moment klammern Sie sich an andere Läufer, um den Verlust des Tempomachers auszugleichen. Wenn aber auch diese überschnell weiterziehen, spotten Sie über Ihre schnelleren Mitstreiter, Sie lästern vor sich hin und entwerten die Trainingsfreundschaften, die Sie mit einigen Überholenden gepflegt hatten. Wenn Ihnen schlecht wird, weil Sie kräftemäßig übertreiben, machen Sie weiter. Wenn Sie endlich über die Ziellinie zum verdienten Auslaufen und Rasten spurten, stellt sich keine Freude über das Erreichte ein: Sie hätten schneller sein können, viel schneller, und dabei hätten Sie auch noch besser aussehen können. Ihre Lauftechnik war Mist, und Ihr Trikot ist zu eng, weil Sie zu fett sind. Statt sich ein wohltuendes isotonisches Getränk zu gönnen, zünden Sie eine Kippe an und überhäufen die eh bereits schmerzende Lunge mit Rauch und Teer ... Und danach drücken Sie die Kippe auf Ihrem Arm aus. Glücklich sind Sie nicht, eher enttäuscht und leer. Die Zuschauer, die Ihnen zujubeln und Ihnen für Ihre Leistung Respekt zollen, nehmen Sie nicht wahr. Sie nehmen sich selbst nicht wahr; wer sind Sie eigentlich, wie zum Teufel kommen Sie in dieses Leichtathletikstadion? Ihre Startnummer fühlt sich falsch an – als gehöre sie nicht zu Ihnen. Das Stadion ist fremd; Sie sind unsichtbar gefangen in einer Disziplin, die Ihnen noch nie zugesagt hat. Viel lieber würden Sie doch wandern gehen, im schönen Panorama der Alpen, ab und zu an einem Sandwich knabbern, sich ganz gemütlich und gemächlich durch das mitgebrachte Täschchen mit Proviant mampfen und im Schatten der Berge lustwandeln. Aber Sie müssen hungern und rennen. Wütend über ihre miserable Vorstellung auf der Laufbahn kicken Sie jähzornig und mit voller Wucht in die Werbetafeln, welche die Rennbahn säumen. Dabei brechen Sie sich den großen Zeh, was Sie aber nicht richtig wahrnehmen.

Sie nehmen sich vor, mehr zu üben, weniger zu essen, den Tempomacher zu daten und ihn nie wieder gehen zu lassen, mit ihm zu verschmelzen; Sie kündigen den Mitstreitern impulsiv und heftig zeternd die Freundschaft, weil diese Sie auf der Strecke überholt haben.

Und kaum wollen Sie vom Rampenlicht weg zur warmen Dusche, werden Sie erneut für ein Rennen aufgestellt. Und schon sprinten Sie wieder, als wäre der Leibhaftige hinter Ihnen her, und wissen nicht, wie Sie die Hindernisse, die so hoch oder tief sind, überwinden können. Nun laufen Sie dehydriert, mit beginnenden Muskelzerrungen. Bald nach dem Start schon wieder Zieleinlauf, Endorphine, ambivalente Glücksgefühle und Geißelung zugleich. Und Schwupps, schon fällt wieder ein Startschuss, wobei Sie sehnlichst hoffen, dass die Pistole zum Auftakt des Rennens statt einer Kugel in die Luft eine in Ihren Kopf entlässt. Und Sie rennen …

Lena rennt auch, durch die Nacht, durch unausstehliche Phasen des Selbsthasses, durch Affären, in denen sie sich manchmal als gesehen und manchmal unsichtbar missbraucht fühlt. Sie läuft durch ihre eigene Vergangenheit, die zu jederzeit ihre Gegenwart beeinflusst. Sie spurtet durch Erinnerungen, erklimmt neue Freuden und schwimmt in verschlammten Sinnlosigkeiten. Vereinzelt kann sie sich erlauben, einen Teil des Weges mit geliebten Freunden und Familie zu erkunden, dann wiederum hechelt sie sich einsam Meter um Meter einem verschwommen sichtbaren Ziel entgegen, welches sich unerreichbar wie eine Fata Morgana entfernt, je näher sie der vermeintlichen Oase kommt. Dann wird sie von einem Wadenkrampf zu Boden gestreckt, bleibt kraftlos liegen, bis sich eine fremde Hand hoffentlich zur Hilfe anbietet. Lena sprintet unkoordiniert und oft ungewollt, schon gar nicht tempomäßig kontrolliert. Ich freue mich sehr, dass Sie sich entschieden haben, Ihre Laufschuhe überzustülpen, sich in Ihr bequemes Sport-Tenue zu werfen und den beschwerlichen, schweißigen, fiktiven Run gänzlich untrainiert mit Lena zusammen zu bewältigen.

Danke.

Achtung, fertig, los.

 

Schüchterne Bürogedanken

 

Während Lena die Zahnräder konstruierte, welche die Maschinen später zur gewünschten Leistung zwingen würden, fanden ihre Gedanken erneut den Weg hinaus aus dem stickigen Büro und schwebten zu IHR. Pasquale war der Name von Cedrics Ex-Freundin, die Frau, mit der er acht Jahre seines Lebens in harmonischer, symbiotischer Liebe verbracht hatte. Pasquale! Der Name klang so feminin, leichtflüssig und chic, dass Lenas Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Die unerwünschten Bauschmerzen konnten aber natürlich auch an den künstlich gesüßten Cassis-Bonbons liegen, die sie sich in ihrem Frust am Schreibtisch sitzend, tonnenweise reingepfiffen hatte. Der Bauch drückte schon voll gebläht gegen den Ledergurt, den sie bereits um ein Loch gelockert hatte. Hin und wieder konnte sie sich einer nervlich bedingten zuckenden Bewegung nicht verwehren, und ein unkontrollierter Furz entwich ihrem schwangeren Bonbon-Bauch. Immerhin waren die Lärmemissionen ihrer Gasentweichungen verhältnismäßig gering, was man von der geruchstechnischen Belastung nicht behaupten konnte. Verschämt schielte Lena durch ihre zwei Bildschirme hindurch und hinüber zu ihrem Lehrling, der mit ihr das Büro im 1. OG des Maschinenbaubüros teilte. Hatte er ihre Ausdünstungen bemerkt, die so gar nicht zum ladyliken Image passten, das sich Lena neuerdings auferlegen wollte? Aber Hakan war wie immer zu sehr mit sich und seinem Smartphone beschäftigt, als dass er Lena und ihre Körpervorgänge hätte wahrnehmen können. Zumal sie mit ihrer Erscheinung und dem fortgeschrittenen Alter von vierunddreißig Jahren so gar nicht seinem Beuteschema entsprach. Mit ihrer Art und ihrem Äußeren fiel Lena einfach durch das Aufmerksamkeitsfeld des Jünglings hindurch, unbemerkt und leise wie eine Currywurst vorbei am hungrigen Vegetarier.

Ja, der Frust kämpfte sich mit dem Geschmack von Johannisbeeren durch Lenas Bauchgegend. Pasquale, die schöne, die intelligente, die junge, die gut gekleidete, die selbstbewusste Frau. Ein blonder Engel mit blauen Funkelaugen, mit der Figur eines zierlichen High-Fashion-Models, ein schützenswertes Geschöpf. Sie, Pasquale, hatte sich als Ärztin in Neonatologie ausbilden lassen und in Afrika bei Ärzten ohne Grenzen gedient. Also ehrlich, dagegen kommt doch niemand an; klarer Fall von Konkurrenzarschkarte! Lena war sich ihrer Unzulänglichkeiten niemals mehr bewusst als jetzt, da sie sich in Selbstablehnung verlor und sich in diesem trüben Moment im gut besuchten Instagramprofil dieser Frau wiederfand. Kein Wunder, war Cedric nur an einem gelegentlichen platonischen Bierchen mit Lena interessiert und schien nicht gewillt, ihr mehr von seiner Zeit, geschweige denn seiner Liebe, schenken zu wollen. Für Cedric war sie der klassische Kumpel, eine Frau zum Lachen, sich freundschaftlich in die Schulter zu boxen oder Gettofaust-Gesten auszutauschen. Was für ein blöder Scheiß, diese Friendzone. Ungefähr alle zwei Monate, und immer auf Drängen Lenas hin, machten Cedric und sie ein Treffen aus, wobei Cedric meist in seiner Planung völlig zu war und nur Randzeiten unter der Woche für Lenas schmachtende Begehren freimachen konnte … oder wollte. Für diese, oft sehr kurzfristigen Bierchen zu zweit, cancelte hingegen Lena alle ihre fix geplanten Termine, sagte guten Freunden ab, verschob wenn nötig die Erdkugel, um den Mann ihrer Träume zu sehen. Natürlich ließ sie dabei auch die eigenen wichtigen Rhythmen außer Acht: Zum Beispiel, dass sie unter der Woche meist früh zu Bett ging, weil sie sonst, aufgrund des Schlafmangels, eine unterirdisch tiefe Frustrationsgrenze erlangte und die Menschen um sich herum kaum mehr ertrug. Oder ihre Kalorienkontrolle, die ihr ein Gefühl der Stabilität verlieh – ein Schutz, der mit diesem unerlaubten Bier zwischen Montag und Freitag außer Gefecht gesetzt wurde. Sie fühlte sich danach immer mehrere Tage furchtbar fett und hasste sich dafür, die Beherrschung durch den Konsum eines oder mehrerer Malzgetränke für einen desinteressierten Buben aufgegeben und verloren zu haben. Lustig: Cedric prahlte immer damit, dass er sich möglichst viel Zeit freihalten würde, um spontane Dinge tun zu können. Er versicherte Lena mit fester Stimme, dass er auf keinen Fall Wochen im Voraus irgendwelche Dates aushandeln wollte. Wenn Lena sich dann nach unerträglichem Warten dazu durchrang, ihm eine Zusammenkunft vorzuschlagen, so war er immer mit Terminen, Freunden und Unternehmungen zugetackert bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Was die Vermutung nahe legte, dass Cedric sehr wohl Pläne schmiedete und sich frühzeitig Platz reservieren konnte; nur wollte er dies eben nicht für Lena tun. Diese Erkenntnis schmerzte, machte wütend und hinterließ sichtbare Spuren von großzügiger Selbstentwertung. Vor jedem dieser Scheiß-Möchtegern-Rendezvous tanzten die Gedanken in Lenas Kopf Polka, hüpften lustig umher und hoben keck das Röckchen hoch. Was sollte sie bloß anziehen, damit er sie begehrenswert fand; was hatte sie letztens Lustiges erlebt, was sie ihm als amüsante Geschichte erzählen konnte? Denn er sollte sich ja amüsieren und auch merken, wie spannend und reich an Erlebnissen Lenas Leben war. Würde er sie berühren, würde er Sätze sagen und Dinge tun, die Grund zur Hoffnung gaben? Bestimmt würde sie es wieder total verkacken, es war ganz allein ihre Schuld, dass er nicht mehr als einen weiblichen Kumpel in ihr sah. Wie würde sie die wässerigen Wochen nach dem Treffen überstehen, ohne sich ständig jedes Detail, jedes Wort, jede Geste des Treffens wieder in Erinnerung rufen zu müssen? Es war eine Qual, eine Tortur, dieses Festhalten an einem Mann, der nicht bereit war, ihre unendlich hohen Erwartungen zu erfüllen: Lena zu vervollständigen, ihr einen Inhalt zu geben, wo sie sich doch vorkam wie ein Buch mit leeren Seiten. Alles, was Cedric ihr erzählte, seine Pläne und Abenteuer, googelte Lena hinterher ekstatisch, sie beschäftigte sich mit seinen dahingeplauderten Sätzen wie mit den Grundlagen einer Doktorarbeit. Sie schlug in Karten seine Reiseziele nach, informierte sich über die Lehrgänge, die er sich zu machen überlegte, eignete sich Wissen an über alle seine Aktivitäten bis ins kleinste Detail. Und dabei gab sich Lena gänzlich ungesehen selbst auf, verschwand in den Gedanken an und um Cedric, wurde verschluckt von seinem Universum, in welchem sie sich nicht zurechtfand und sich wie ein Eindringling vorkam. Es war alles so falsch.

Die gelegentlichen Wiedersehen mit diesem Mann waren von geringer Substanz, und Lena wusste es. Dennoch wollte sie mehr von ihm, so viel mehr, seit sie ihn vor einem Jahr während der Firmenfeier nach etlichen Gläsern Weißwein angepöbelt hatte. Betrunken wie Bauarbeiter im Pub am Freitagabend hatten sie sich im Dunkeln des leer stehenden Sitzungszimmers der Berner Filiale gefunden und geküsst, danach waren sie kurzerhand zusammen weitergezogen und bei Cedric zu Hause in seiner WG, resp. in seinem Bett gelandet. Eigentlich hatten sie sich vor dieser verhängnisvollen Büroparty nie gegenseitig bemerkt, zumal er erst seit wenigen Wochen und darüber hinaus nur als Aushilfe am Standort Bern seinen Dienst begonnen hatte. Lena hingegen arbeitete seit Jahren stabil, gewissenhaft und etwas angestaubt im familiären Bieler Tochterbüro des Berner Technikkonzerns. Cedrics Gesicht war mit den etwas schiefen Zähnen und den leicht abstehenden Ohren von einer seltsam einnehmenden Schönheit, Lena hatte sich sofort hingezogen gefühlt; hingezogen und in die Hölle verdammt.

Seine wunderschönen Prinzenzüge gaben leider schon kurz nach dem ersten gemeinsamen Sexerlebnis bereits Anlass für eifersüchtige Horrorfantasien seitens Lena. Cedric mit einer Jüngeren, Cedric mit einer fröhlichen, lebenslustigen Studentin, Cedric mit seinen Abertausenden Kolleginnen. In jener Nacht hatte er magische Sätze an Lena gerichtet, als sie sich bei seinen Berührungen etwas versteift hatte. «Du musst lernen zu vertrauen, Lena. Komm jetzt her meine Kleine, ich halte dich fest.»

Er fragte sie nach ihrer Nummer und versicherte ihr: «Natürlich sehen wir uns wieder, ich kanns kaum erwarten.»

Und für eine winzig kurze Zeitspanne hatte Lena Hoffnung gehabt, und sie verliebte sich Hals über Kopf. Sie hatte ihn zu ihrem Erlöser erkoren. Es folgten in der Abwärtsspirale dieser vergifteten Liebe noch haufenweise solcher Floskeln, die Lena immer für bare Münze nahm, mit denen sie ihre Träume fütterte. Es waren fiese Versprechungen, wie: Ich melde mich sicher bei dir, ich bin kein Typ für One-Night-Stands, oder auch ich bin nicht bindungsunfähig, aber ich möchte noch etwas reisen und so, deswegen kann ich dir jetzt grade nicht zu viel versprechen, aber wir sehen uns ganz bestimmt bald wieder, Kleines … Aber es hatte nie an seinen Reisegelüsten gelegen, dass sich diese romantische Affäre in Rauch und Schwefel aufgelöst hatte und Rückstände einer Freundschaft zurückließen, die niemanden wirklich zufriedenstellten. Sie hatte sich damals, nach der ersten körperlichen Zusammenkunft, im Morgengrauen davongeschlichen, bevor er ihre Falten im Dämmerlicht und ihren mittlerweile üblen Mundgeruch nach all den Zigaretten bemerken konnte. Dagelassen hatte sie nur ihr Herz. Wie pathetisch, stupid und naiv. Aber wer konnte schon ahnen, welche endlose krankhafte Beschäftigung mit diesem Kerl dieser initialen Begegnung folgen würde. Es hätte auch anders, schöner enden können. Mit einem gegenseitigen Zugeständnis an Liebe und Treue.

Fuck!

Jaah, dachte Lena. Es klingt zuerst wie ein einmaliges Sexerlebnis. Aber nach dieser durchzechten lockeren Nacht entwickelte sich für einige Wochen ein, mit Koitus gespicktes Kumpelding mit Cedric. Sie waren noch einige Male in der Horizontalen gelandet, der Sex war erfüllend gewesen, in jeder Hinsicht, und Lena hatte sichtlich genießen und sich gehen lassen können. Sie hatten sich täglich Nachrichten geschrieben und auch einiges an Aktivitäten unternommen, eigentlich beinahe wie ein Pärchen, na ja, so quasi eine Prä-Pärchen-Beziehung halt. Aber dann begann Cedric plötzlich den Kontakt einzuschränken, fand, Lena wäre eine super Kollegin, aber er sähe nicht mehr in dieser Verbindung als eine freundschaftliche Fortsetzung des mittlerweile nur noch wöchentlich statt täglich stattfindenden Infoaustauschs per WhatsApp.

Am Boden der Tatsachen angelangt, oder hingeschmettert und ausgekotzt, begrub Lena all die schönen Hoffnungsträume vom großen Helfer, der sie befreien konnte aus der Einsamkeit und dem Selbsthass. Mit der narrativen Retrospektive der Erzählerstimme aus dem Off in Lenas Kopf klang das alles sehr melodramatisch, und sie empfand die Situation auch ganz genauso. Als furchtbar schlimm, demütigend und schmerzhaft. Der Liebeskummer hielt bis heute an. Und verdammt, masochistischerweise verabredete sich Lena immer wieder auf einen kleinen Umtrunk oder einen Spaziergang mit Cedric, wobei sie sich den Himmel auf Erden ersehnte, statt der jeweils zwei Stunden lockeren Plauderns. Wofür sie sich für alle Fälle, vollbepackt mit seufzenden Kleinmädchenträumen die Beine und die Intimzone rasierte, Parfum in unkontrollierten Mengen wie herbstlichen Sprühnebel auf ihrer Haut verteilte, die Augen dezent schminkte und sowieso alles versuchte, um Anziehungskraft, einen Kuss, eine Gefühlsregung bei Cedric zu provozieren. Irgendwie schaffte es Lena immer wieder, trotz der forschesten und deutlichen Zurückweisung ihrer Avancen, irgendwo einen Fetzen Hoffnung zu bewahren. Hoffnung ist das Schlimmste überhaupt; Hoffnung ist der Kick in den Arsch, wenn man schon geprügelt auf dem Boden abnippelt. Meist schaute Cedric an den Treffen demonstrativ auf sein Mobiltelefon, und nach Ende der obligaten zwei Stunden verabschiedete er sich, gesättigt vom brüderlich unterhaltsamen Gespräch mit Lena. Denn er hatte natürlich jedes Mal danach noch etwas anderes vor … und ließ Lena, wie ein eifersüchtiges Huhn ausgereifte Geschichten von anderen Frauen ausbrüten.

Wieso konnte sie sich nicht lösen von einem Kerl, der ihr immer wehtat, der ihr ganz klipp und klar sagte, dass sie niemals eine Beziehung auf Paarebene führen würden, der zudem einen Humor aufwies, den Lena nur beschränkt lustig fand, der keine Ziele im Leben hatte, prokrastinierte und sich auslebte, als sei er gerade eben aus dem Knast entlassen worden und seit Langem zum ersten Mal seine Freiheit genießen würde. Er war so schön, groß, stark und sexy. Sie hasste ihn, liebte ihn.

Nun ja, besser ein Spatz in der Wohnung als eine Taube auf dem Dach, oder wie hieß dieser beschissene Kalenderspruch, der eine Freundschaft gegenüber einer Liebesbeziehung anpries wie ein schlecht verkaufbares Restpostenprodukt im Supermarkt. Dämliche Lebensweisheiten – was nützten einem diese vermeintlich gescheiten Sätze, wenn der Bauch und der Kopf zwei unterschiedliche Sprachen zu sprechen schienen. Der Kummer um die immer wiederkehrende Zurückweisung schlich sich widerlich in Lenas Körper und Geist, wie die letzte bittere Galle, nachdem man sich schon zwei Stunden lang übergeben hatte. Sie checkte ihr Handy, gerade eben war Cedric online gewesen, ganze zehn Minuten lang hatte er sich im WhatsApp gewälzt und wohl fröhlich herumgezwinkert, ohne aber ihre Nachricht zu beantworten. Ihre Nachricht, an der sie mindestens zwei Tage lang gefeilt hatte, bis der richtige Humorgrad erreicht war, die beste Textlänge, das korrekte Maß an neckender Mädchenhaftigkeit, die schönsten Worte gewählt waren.

Hei Meister Cedi, wo drückst du dich denn so rum. Wie sieht’s aus, mal wieder Lust und Zeit, um etwas trinken zu gehen. Immer der Nase nach, sag ich! Bis dann, Gruß Lena (die wie ein Vampir vor Sonnenlicht geschützt im Büro hockt.)

Sie wusste, irgendwann würde Cedric in der Öde seines Daseins seine Nachrichten durchsehen und dabei feststellen, dass er ihr der Höflichkeit halber noch eine Antwort schuldig war. In einer Minute wäre die einzeilige Antwort durch seine Finger eingetippt, verschickt und würde Lena in stundenlanges Grübeln, Zerpflücken und Hinterfragen versetzen. Manchmal schaffte sie es, den Kopf nach Erhalt einer Antwort seiner Majestät nüchtern zu halten, doch der Bauch machte sofort auf akute Magen-Darm-Grippe.

Sie hasste den toxischen Sinnestaumel, sie wollte sich nicht so fühlen wie gerade jetzt. So machtlos, hässlich, minderwertig und abgelehnt. Sie zupfte sich die zarte Kruste von der Wunde, die sie sich am Donnerstag hatte zufügen müssen. Es würde sicher eine Woche vergehen, bis sie dem fast frischen Schnitt Heilung erlauben konnte. Die Schmerzen und das konzentrierte Knibbeln erleichterten Lena etwas und entspannten ihren Kopf. Das amouröse Leiden schob sich hinter das brennende Ziepen, sanft, aber bestimmt zog sie an einem keck aufstehenden Hautfetzen und riss ihn unter heißen kurzen Qualen ab. Lena war sich voll und ganz bewusst, dass ihr keine Liebe zuteilwerden konnte. Von niemandem, denn sie war nicht liebenswert. Kein bisschen, sie fand sich einfach nur widerlich. Sie war ein unbemerkter brauner Fliegenschiss im pinkfarbenen Glanz des Universums.

Heute Abend aber würde sie im Klub Alkohol in rauen Mengen trinken, sich eine Zigarette nach der anderen anstecken, lasziv rauchend tanzen, sich die Welt zurecht saufen und ihrem Spiegelbild in der säuerlich nach Fäkalien riechenden WC-Anlage den Mittelfinger zeigen. Wer war schon Cedric. Irgendein bärtiger, anspruchsloser Typ würde ihr heute Nacht die Zuneigung spenden, nach der sie sich so quälend verzehrte.

Um die bekannte Leere, die Scham und den Selbstekel am Morgen danach würde Lena sich kümmern, wenn’s so weit war.

Filmkritiker mit Krümelresten

 

«Hei Lena Süße, was denkst du, wer als Nächstes den Löffel abgibt?», rief Meli Lena mit ihrer rostigen Kettensägestimme aus der Küche der WG zu.

Melis etwas morbide Frage drang forsch und kompromisslos in Lenas Gehörgänge ein. Gerade ebenso, wie der Geruch angebratener Zwiebeln in ihre Nase schlüpfte und einen Dialog mit ihrem Magen auslöste. Lena schleuderte ihre ausgelatschten Sneakers in die Ecke der Garderobe und folgte in Socken mit regenbogenfarbenem Ringel-Muster den Kochdämpfen wie ferngesteuert zu ihrem Ursprung. Meli stand in Schlabberhose und XXL-Pullover am Herd und quetschte euphorisch den Inhalt der überladenen Knoblauchpresse in die Bratpfanne. Der Knoblauch ging sofort eine innige Bindung mit der zerlaufenen Butter sowie den Zwiebeln ein und umgarnte die Cherrytomaten mit dem vorhersehbaren Charme eines kubanischen Salsa-Tänzers.

«Na ja, Robert Redford oder Sean Connery würde ich mal so tippen», entgegnete Lena, nachdem sie Meli zur Begrüßung umarmt und den Weißwein in den überfüllten Kühlschrank gestellt hatte.

«Nein, wenn Robert Redford stirbt, muss ich weinen wie ein Baby», quakte Meli, die Augen gespielt schockiert aufgerissen wie Alex in A Clockwork Orange bei seiner ungewöhnlichen Anti-Gewalt-Behandlung. «Andererseits, wenn Redford ins Gras beißt, werden alle seine geilen Klassiker im Fernseher gesendet und wir können uns den sexy Cowboy geben, bis uns das Höschen platzt», kicherte Meli. Lena stimmte ins Gegacker ein.

Aus den Tiefen des dritten Zimmers blökte Rahel nun auch ihre Meinung zum Thema in Richtung Küche. «Also ich glaube ja, dass Maggie Smith demnächst ins Gras beißt. Und ich sage euch, das wird die Frauen der Schauspielerei zu hochtrabenden Twitter-Trauerkundgebungen ermutigen. Alle werden großartig ihr Beileid aussprechen und mit Zitaten um sich schmeißen, um sich durch gekünstelte Anteilnahme eine Scheibe des Ruhms abzuschneiden. Und nach drei, vier Tagen ist der Spuk vorbei, Maggie vergessen und der nächste Promi wird verenden und all den Narzissten eine Plattform geben, sich auf Kosten eines berühmten Ablebens mit dem Interesse der Welt zu bereichern.»

«Hört, hört», rief Meli und imitierte dabei die Stimme eines englischen Earls gekonnter als jeder Oxfordabsolvent.

Die Aussicht auf den Abend mit ihrer Intello-Filmgruppe gluckerte wie Kohlensäure aus Lenas Bauch herauf in ihren Kopf und sorgte dort für kribbelnde Vorfreude. Jeden ersten Samstag im Monat traf man sich in Melis WG in der Innenstadt, um Filme mit dem alten Beamer an die fleckige Wand des Altbauwohnzimmers zu projizieren. Mit viel, – oftmals zu viel – nahrungstechnischer Unterstützung verpflegt, schauten sie sich zu dritt Leinwandstreifen an und diskutierten lautstark über die oft etwas schrägen Handlungen der gewählten Klassiker und selbstverständlich auch über das Aussehen der Protagonisten. Die Gruppe durfte sich ungeniert der Bezeichnung Cineasten bedienen, mehr als hundert Filme aus aller Welt, Thematik und Filmepochen hatten sie sich schon zusammen angesehen. Zusammengekuschelt und wohl genährt wie ein frischer Wurf junger Karnickel.

An diesem Samstag flimmerte Arizona Dreams mit dem damals noch ganz jungen Johnny Depp in der Hauptrolle über die Tapete. Dazu wurden Spaghetti mit einer Soße aus so ziemlich allem, was der Kühlschrank beherbergt hatte, rumgereicht. Es wurde großzügig Käse über die vollen Teller mit Pasta gerieben und die Bäuche bis zum Bersten mit der heißen Köstlichkeit gefüllt.

Rahel grübelte laut vor sich hin, streckte sich dabei auf dem Ledersessel aus und zog den Elastikbund ihrer Pyjamahose in die Länge, um dem Teigwarenwanst den nötigen Freiraum zu gewähren. «Ich begreife nicht, wieso dieser Fisch immer durchs Bild schwebt, der Film ist echt ein wenig verstörend.»

Meli runzelte die Stirn, welche sich aber gleich wieder glättete. Melis Haut schien immun gegen Falten, und ihr Haar erstrahlte trotz der sechsunddreißig Lenze in sattem kastanienbraun. Während Meli nun ihre Ansichten formulierte, starrte Lena neiderfüllt auf Melis Teint und dachte an ihren eigenen rissigen Zitronenmund. Launisches Organ, ihre Haut, verknitterte Fältchen wie bei den Omas im Altersheim und dennoch jugendliche Pickel, die ihren Schokoladenkonsum und Dauerstress widerspiegelten. Müsste man Lenas Gesicht beschreiben, so würde man die Worte: Verwelkte, streuseldekorierte Furchenlandschaft wählen.

«Ja, find ich auch», klinkte sich Meli ins Gespräch ein, «aber die Filmmusik macht den Streifen irgendwie eingängig. Und ich mag, dass Johnny mit dieser älteren Frau anbandelt, die so gar nicht dem RomCom-Babydoll-Klischee entspricht.»

«Ich fand den Schluss gut, ein düsterer, rauschender Sturm mit Bindfadenregen, und die junge jungfräuliche Geliebte begeht den zu hundertsten Mal angekündigten Suizid und ballert sich rabiat die Rübe weg. Kein dramatisches Schnibbeln der Pulsadern, schaumgeküsst in der Wanne, kein inszenierter Sprung vom meterhohen Wolkenkratzer mit ewig langer Fallszene und Erinnerungsrückblenden, einfach Mund auf, Stahl rein peng und fertig, tschüss.»

Etwas erstaunt über Lenas Ausbruch wurde sie von den anderen beiden gemustert.

«Lena, meine Liebe, hast du eventuell schlechte Laune oder woher kommt diese plötzliche Affinität zu Selbsttötungsschusswaffenszenen?»

Rahel wischte sich mit dem Pyjamaärmel letzte Krümel des Desserts vom Mundwinkel und beäugte Lena mit Neugierde und auch etwas Besorgnis im Blick. Sie streckte ihre Hand nach Lena aus und legte sie Lena sanft und auffordernd auf die Schulter.

«Na ja», begann Lena ihre Erklärung und konnte sich nicht wehren, dass sich ihre Augen plötzlich mit blöden, nichtsnutzigen Tränen füllten. «Dieser dämliche Cedric, ich habe mich in den Arsch verliebt. Aber es beruht ja nun mal nicht auf Gegenseitigkeit, wie wir ja schon zur Genüge diskutiert haben. Doch mein Kopf ist vergiftet von all den Gedanken an ihn, die Eifersucht frisst die komplette Rationalität aus meinem Hirn raus. Ich fühle mich wie ein Sklave meiner sinnlosen Gefühle und meines dummen, dummen Herzens. Es will einfach nicht begreifen, dass nichts draus wird, niemals. Allen Fakten zum Trotz hält mein Gemüt an dieser komischen, übrig gebliebenen Freundschaft fest, als würde sie mir Gutes tun.»

Rahel und Meli sahen sich wissend an, Meli robbte etwas schwerfällig zu Lena auf den Sitzsack rüber und streichelte ihr durchs dünne Haar.

«Liebeskummer ist scheiße, das ist er immer», flüsterte Meli in Lenas Ohr, ihr Atem roch dabei nach Knoblauch und Brownie, «und durch die Geschichte mit deinem Bruder kann ich verstehen, dass du Schwierigkeiten hast, dich von diesem Burschen zu lösen.»

«Ich bin ja kein Psychologe oder so, aber, dass der Tod deines Bruders einen Knacks in deinem System hinterlassen hat, ist ja nicht von der Hand zu weisen und durchaus verständlich. Nun hast du Schwierigkeiten, wenn jemand dein Leben zu verlassen droht», brachte sich Rahel ein, während Lena schniefte, sich aufrichtete und wieder die gewohnt starke steife Haltung einnahm.

Eine Welle der Zuneigung für ihre kostbaren Freunde überflutete Lena, warm und geborgen drückte sie sich in Rahels und Melis Arme. Die überschwängliche Gruppenumarmung hatte nichts Sexuelles an sich, es war eine zarte, sehr echte Berührung, heilend und Mut machend. Lena schämte sich für ihre ewige miese Laune, ihre Trauermiene und ihre fiesen Gedanken. Für einen kurzen umgarnten Moment glaubte sie gar, die endlose Gefallsucht ablegen zu können. Die Suche nach männlicher Aufmerksamkeit aufgeben zu können und sich von den guten Ratschlägen der gestandenen Frauen im Raum bestechen zu lassen.

«Und ich verspreche dir etwas», ergänzte Meli in die Umarmung hinein, «du wirst dich wieder besser fühlen. Irgendwann geht der Schmerz vorbei.»

Aber er ging nicht vorbei, er blieb und wurde stärker. Unaushaltbar.

Papas Mädchen

 

Die ganze letzte Woche befand sich Lena in Katerstimmung. Der hartnäckige Liebeskummer nagte an ihr wie ein Hamster am Kornstängel, und das Telefon schwieg ihr höhnisch grinsend ins Gesicht. Lena hatte das dringende Bedürfnis, sich mit zufälligen Kerlen auszutauschen, mit einem männlichen Kontrahenten zu texten, einige ungesittete Nichtigkeiten und Belanglosigkeiten zu versenden und im Gegenzug anerkennende, anzügliche Worte zu erhalten, sich abzulenken, sich begehren zu lassen. Irgendwie fand sich Lena immer wieder in der Situation, dass sie versuchte, sich durch WhatsApp-Verkehr mit Jungs einen emotionalen Taschengeldbonus zu erzwingen. Wenn sich die Ereignisse in ihrem Leben mal wieder in schwarzgemalten Saltos überschlugen, sie die Vergangenheit rasant einholte oder aber die Gesamtsituation ihrer Existenz klar und unbefriedigend vor ihrem inneren Auge in der ersten Reihe Platz nahm, fühlte sie sich unbehütet, einsam und ungenügend. Dann war sie süchtig danach, einem Typen zu schreiben und sich von ihm die ersehnte Bestätigung einzuholen. Komplimente, die doch nie in ihr hängen blieben, weil ihr Selbsthass, ein stabiles Fangnetz für liebende Worte, immer wieder großzügig zerschnitt.

In ihr klaffte ein monströses, bodenloses Loch, nicht zu füllen, schon gar nicht durch diese unbefriedigenden Männergeschichten. Und doch schien Lena wieder und wieder auf dieses unbewehrte Betäubungsmittel zurückzugreifen. Sie ärgerte, ja ekelte sich über die doofen zweideutigen Lustbarkeiten, die ihr von sabbernden Buben offeriert wurden, und war doch unheilbar abhängig davon.

Sie war sich der meisten Seelenfakten bewusst, die zu diesem ungesunden Verhalten führten. Sie kannte die verschiedenen Hintergründe ihrer dranghaften Schwäche genau. Der Unfalltod des geliebten Bruders, der trunksüchtige, depressive Vater, die männerfressende Mutter … Doch die tiefenpsychologischen Teile lösten ihre verankerten Zwänge nicht auf, in dem sie geschmeidig wie ein Puzzle ineinandergriffen und ein Bild darstellten. Das Wissen allein reichte nicht aus, etwas zu ändern, sie war vierunddreißig Jahre alt, und ihre Muster waren chronisch. Das ganze Bild zu sehen änderte am Gefühl nichts, im Gegenteil. Die Wolke aus Schwermut entleerte sich über ihr, ergoss sich monsunartig, verfickter Scheiß-Petrus! War man denn eigentlich selbst schuld an den Dingen, die einem geschahen?

Gestern hatte sie ihren Vater besucht. Bereits beim Klingeln verkrampfte sich ihr Magen zu einem ausgewachsenen Seemannsknoten, Schiff ahoi, wieder mal über die Planke schlurfen, direkt in den Haifischschlund. In welcher Stimmung würde er sein, der Herr Papa?

Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und die braunen, treuen Kuhaugen ihres Vaters lugten etwas verstört zum Türspalt hinaus. Obwohl die Augen ihres Bruders im Gegensatz zum Vater in eisigem Gletscherblau geglitzert hatten, so war doch der versunkene, bekümmerte Schimmer der gleiche gewesen.

«Hallo Papi, ich bin's, ich hab’ seit zwei Wochen nichts von dir gehört und konnte nicht anders als dich kurz umarmen kommen. Wie gehts denn, läuft alles gut?»

Lena versuchte, ihre Stimme leicht und unbeschwert klingen zu lassen, und hoffte, dass ihre gute Laune, mochte sie auch nicht ganz so echt sein, auf ihren Vater übergehen würde. Ein kurzes Freudestrahlen erhellte seine feinen Züge und erlosch dann für einen Moment, bis sich ein ausgewachsenes Lächeln auf seinem grimmigen Gesicht breitmachen konnte. «Komm rein Lena, schön bist du da, ich hab’ gar nicht aufgeräumt. Sieht schlimm aus hier drinnen, schau bitte nicht hin.»

Lena wusste nicht, ob er die Unordnung in der Wohnung meinte oder seinen geistigen Zustand. «Das ist mir doch wurscht», schmunzelte Lena aufgesetzt, drückte ihren Vater in einer liebevollen Umarmung fest an sich und atmete seinen Duft ein. Er roch so gut nach Papi, einst hatte dieser Geruch in ihr ein Gefühl der Sicherheit ausgelöst. Ihr starker Beschützer, der viel zitierte Fels in der Brandung, der heroische Übermann. Nun fühlte er sich zerbrechlich an in ihren Armen, viel zu zart und knochig. So als hätte sich das Blatt gewendet, so als wäre die Rolle des unbesiegbaren Superhelden auf Lena übergegangen.

Lena dachte sich unwillkürlich, dass sie dann wohl unter den Comic-Helden eher als böser Joker denn als Wonder Woman durchs Leben schritt, jedenfalls erschien ihr jegliche Handlung und Berechtigung ihres Daseins als schlechter Witz, Schenkelklopfer eines Tetraplegikers (Eine Form der Querschnittlähmung, bei der alle vier Gliedmaßen, also sowohl Beine als auch Arme, betroffen sind). Der Vater führte Lena in seine kleine Kellerwohnung hinein und offerierte ihr einen Kaffee, den Lena dankend – ohne Zucker und Milch – annahm, und sogleich ihre Hände an der heißen Tasse aufwärmte. Der Herbst hatte seine klammen Fingerchen ausgestreckt, draußen wurde das Wetter immer garstiger, es regnete in Strömen, und wäre man im Freien, würde man innerhalb Sekunden völlig durchnässt.

«Na erzähl schon, wie gehts dir? Habt ihr es gut, du und deine Gisela?»

Gisela war die On-Off-Freundin von Lenas Vater. Eine kleine, etwas pummelige Frau mit teigigem Gesicht und Knubbelnase, die nie zu wissen schien, was sie von einem Partner erwarten wollte und daher einfach mal mindestens die ganze Welt erwartete. Lena wusste zu gut, dass ihr Vater aus Angst des Verlassenwerdens immer wieder auf Biegen und Brechen versuchte, genau diese unmöglichen Ansprüche von Gisela zu erfüllen und daran grandios scheiterte. Dann zoffte sich das Paar, Gisela schimpfte ihren Partner aufs Übelste aus, wobei Schlappschwanz, Säufer oder Nichtsnutz noch zu den harmloseren Verunglimpfungen gehörte. Ihr Vater wehrte sich nicht gegen diese verbalen Gewaltattacken, er öffnete sich ein Bier ums andere und flüchtete sich stumm in seinen Kopf, ließ Giselas unzufriedene Schimpftirade über sich ergehen, ohne den kleinsten Widerstand zu leisten. Wieso blieben Paare zusammen, wenn sie sich nur Schaden zufügen wollten? Masochismus, Angst, Abhängigkeiten? Lena schwor sich erneut, niemals eine solche Beziehung einzugehen, und überkreuzte die Finger, als sie dabei an Friendzone Cedric dachte.

«Ach weißt du», holte der Vater nun zu einem weiteren unvermeidbaren Lamento aus, das Lena eigentlich nicht hören mochte.

Die jammernden Schilderungen waren vorhersehbar, es würde wieder endlose Aufmunterungsversuche ihrerseits benötigen, die ihren Vater aber doch nicht in seiner depressiven Verstimmung erreichen konnte.

«Gisela und ich sind ja neulich essen gegangen, beim Italiener du weißt schon, ich wollte ihr eine Freude machen und hab’ sie eingeladen. Angefangen hat der Abend eigentlich sehr nett, wir haben geredet, gelacht, und Gisela war sehr anhänglich und anschmiegsam. Hat sich gut angefühlt, sie berühren zu dürfen und ein bisschen zu schmusen. Immer wieder hat sie ihre Hand auf meine gelegt und mir gesagt, dass sie mich liebt und ich der Mann bin, mit dem sie bis ans Ende des Lebens gehen will. Ich sag dir Lena, das ging mir runter wie Öl, hab’ mich lange nicht mehr so gut gefühlt. Aber dann, als der Kellner die Weinbestellung aufnehmen wollte, hab’ ich einen Fehler gemacht und Weißwein bestellt, obwohl Gisela den gar nicht mag. Deine Mutter hat immer Weißwein haben wollen und für eine Millisekunde ist mir dies entfallen. Danach war es aus mit der guten Laune. Gisela war sofort eingeschnappt, warf mir vor, sie absichtlich zu blamieren, indem ich ihre und die Vorlieben deiner Mutter verwechseln würde. Sie hat das Essen nicht mehr angerührt und gesagt ihre wäre schlecht. Sie hat den ganzen Abend rumgeschmollt und ist danach zu sich nach Hause gefahren, weil sie Abstand benötige. Das hat sie jedenfalls so gesagt. Dann haben wir die halbe Nacht über WhatsApp gestritten, böse, gemeine Sachen geschrieben. Oh Lena, immer mach’ ich alles falsch, ich bin einfach nicht Manns genug für Gisela, kann sie nicht glücklich machen. Ich kann sie schon verstehen, ich bin ein verkorkstes Bisschen von einem Mann. Jeder andere könnte ihr mehr bieten als ich. Die Eifersucht wütet in mir. Immer habe ich Angst, dass sie einen Besseren findet als mich und dann abhaut. Sie hat mir erzählt, ihr Ex-Freund hätte ihr immer so kleine Überraschungen zugesteckt, Blumen, einen Anhänger für ihr Armband, oder er habe spontane Reisen geplant. Lena, ich bin überhaupt nicht spontan! Reisen organisieren macht mir Angst und meine kleinen Geschenke gehen immer nach hinten los. So wie die Pralinen von letzter Woche, die hat sie verächtlich in den Vorratsschrank verfrachtet und mich darauf hingewiesen, dass sie weder gerne Schokolade möge, noch will sie so dick werden wie deine Mutter. Sie lasse sich nicht mästen und verwüsten, wie ich's bei deiner Mutter geschafft hätte. Lena, ich tauge einfach nichts, ich bin nichts wert. Manchmal denke ich, es wäre besser, einfach den Strick zu nehmen.»

Das Wehklagen war Lena bekannt: Gisela, davor Julia, und vor dieser war ihre Mutter der Inbegriff der Unzufriedenheit gewesen. Immer ging es um eine Frau und darum, dass der Vater sich in Anbetracht der schwächelnden Romanze mit Schuldgedanken eindeckte und mit Suizidfantasien beschäftigte. Sie kannte dieses Gerede zu Genüge, und doch löste es jedes Mal von Neuem einen heißen Schub der Angst in ihrem Bauch aus. Der Kaffee schmeckte mit einem Mal zu bitter, ihr wollenes Halstuch engte sie ein, kratzte, und die Luft im Raum schien nie so stickig und abgestanden wie in diesen Minuten. Für einen klitzekleinen Moment überlegte Lena, die Beine in die Hand zu nehmen und diesem ewiggleichen Drama so hastig zu entfliehen, als wäre der Teufel des Fegefeuers hinter ihr her. Es würde ihren Vater jedoch nur kränken, Lena wollte ihn nicht noch einsamer machen und ihn mit seinen Ängsten allein lassen, die Verantwortung drückte wie ein Stein im Schuh. Ruckedigu, Blut ist im Schuh, dachte Lena und unterdrückte ein aufkeimendes hysterisches Kichern. Aber dann fasste sie sich wieder, atmete durch und startete ihre übliche Laientherapiestunde. Baute den Vater auf, erzählte ihm von Bekannten, die schlimme Trennungen erlebt hätten und nach einigem Schmerz zurück ins Leben fanden. Zum hundertsten Mal empfahl sie dem Vater, sich professionelle Hilfe zu suchen, evtl. sogar eine Medikation, Psychopharmaka zu verlangen. Nur damit er wieder etwas an Boden gewinne und etwas mehr Selbstvertrauen.

«Schau Papa, Gisela ist sicher kein böser Mensch, aber ihr schadet euch so sehr. Denkst du nicht, es wäre an der Zeit, deine Gesundheit und dein Wohlbefinden in den Vordergrund zu rücken? Ich sehe dich nur noch traurig und bedrückt, du machst mir Angst Papa. Reto ist bereits gestorben, ich will dich nicht auch noch verlieren.»

Und während Lena auf ihren Vater einredete, verspürte sie die aufsprudelnde Panik in ihren Eingeweiden rumtoben. Was, wenn ihr Papi wirklich plötzlich und vorsätzlich aus dem Leben verschwinden würde? Sie erinnerte sich noch zu gut an diese fiese Ohnmacht nach dem Tod ihres Bruders, es hatte die eh schon belastete Familie zerrissen. Der ungewollte Abschied hatte Lena zu Boden geworfen, genau wie ihre Eltern, keiner konnte den anderen durch dieses Trauma hindurch trösten. Jeder für sich, in nässende Stücke gerupft, ausgespuckt, unendlich traurig. Sie wollte diesen Mist nicht erneut verkraften müssen, das schaffte sie nie im Leben. Und darum schwatzte sie auf ihren Vater ein und versprach ihm Wendungen, Besserung, Aufstieg, Glück und Liebe – im Wissen, dass es dafür keine Garantien gab. Ihr Vater nickte nur ab und an und nahm sich ein weiteres Bier.

«Wie viel hast du eigentlich heute schon getrunken, Papa? Meinst du nicht, es wäre besser, auf den Alkohol zu verzichten, in deinem Zustand?»

Lena bemerkte besorgt, wie seine Hand die Bierflasche zittrig, aber gierig zum Mund führte.

«Lass mich Lena, ich bin hier nicht das Kind. Ich bin der Papa und du die Tochter, du hast mir nichts vorzuschreiben. Ich bin vielleicht ein Nichts, aber das Bierchen lass ich mir nicht nehmen.»

So lang sich Lena zurückerinnern konnte, hatte ihr Vater immer zum Alkohol gegriffen, wenn die Dinge einen ungewollten Verlauf nahmen. Auch damals, als ihre Mutter diese vielen Affären ausgelebt hatte, als sie die ganze Familie belog und betrog und sich zu diesen Arbeitskollegen, Bekanntschaften und Tennislehrern schlich, um sich aus der Ernsthaftigkeit ihrer Vita hinaus zu vergnügen. Ein Tennislehrer, was für ein blödes Klischee! Lena erschauderte angewidert bei diesem Rückblick. Bei all diesen Eskapaden hatte ihr Vater zugeschaut, sich Stück für Stück in sich selbst zurückgezogen und getrunken, getrunken, getrunken. Er wurde nie jähzornig nach seinen Biergelagen, aber furchtbar abweisend, und Lena verschwand dann immer mirakulös aus dem alkoholgeschwängerten Sichtfeld ihres Vaters, driftete von ihm fort, wurde von ihm nicht mehr wahrgenommen, ein Phantom in der Tristesse der elterlichen 60er-Jahre-möblierten Mietwohnung.

In dieser kriegsähnlichen Trennungs- und Scheidungszeit der Eltern war nur ihr Bruder wirklich da gewesen und sorgte sich im Chaos der pubertierenden Eheleute um Lena. Er war immer der Leim gewesen, der die Familie zusammengehalten hatte. Nun, im Angesicht der vermehrten Trinkerei des Vaters und der für immer bleibenden Abwesenheit des Bruders, fühlte sich Lena mehr denn je unsichtbar.

«Und wie läuft die Arbeit Papa? Hast du den Garten der Widmers gestaltet, drüben bei der alten Unterführung? Sieht wunderschön aus, mit all diesen chinesischen Purpurrosen und dem Koi-Teich. Sag, schwimmen da echte Kois?», schmeichelte Lena ihrem Vater, wechselte unbewusst und geschickt das Thema.

«Gelernt ist gelernt, nicht wahr?»

Der Vater ging glücklicherweise darauf ein, denn sein Posten als leitender Landschaftsarchitekt bei der Großgärtnerei des Dorfes war seine Passion und das einzige Talent, das er sich ungeschminkt eingestehen konnte.

«Schön, nicht? War viel Arbeit, das Team und ich haben uns die Hände wund geschuftet, aber es hat sich gelohnt. Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich nun bei den Widmers vorbeifahre! Und wie gehts dir eigentlich so Lena? Hast du diese Maschinengeschichte fertiggezeichnet? Also ich begreife bis heute nicht ganz, was du eigentlich den ganzen Tag machst in deinem Büro oder was dein Job beinhaltet.»

Lena, froh um die Wendung des Gesprächs, erzählte ausschmückend von ihrem Projekt und redete sogar ein wenig davon, dass auch sie etwas Liebeskummer zu schlucken hatte. Sie berichtete von ihrem Azubi, der sie manchmal mit seinem übertriebenen Selfie-Wahn erboste, und versuchte, dem Vater mit ihren Ausführungen sowohl ein Lächeln als auch eine väterliche Aufmunterung zu entlocken. Was ihr gelang, ein hartes Stück Arbeit und ein kleiner Sieg gegen das Leben, das so oft einfach ein dämliches Arschloch zu sein schien. Lena und ihr Vater schwelgten noch einem Moment in Erinnerungen über Reto.

«Weißt du noch Papa, wie er damals an Ostern all diese Eier gegessen hat, und ihm beim Ausflug zum Murtensee schlecht wurde? Immer hat er sich all den Mist reingestopft, verfressen wie sonst keiner. Du hast noch extra an der Raststätte angehalten, damit Reto, der schon ganz grün im Gesicht war, die Toilette aufsuchen konnte. Er hat die Autotür aufgemacht, eines seiner endlos langen Giraffenbeine war schon draußen und da …»

«… hat er doch noch ins Auto gekotzt, haha, man hat das gestunken!», beendete der Vater die bereits hundert Mal erzählte Story. Sie brachen beide in wehmütiges Gelächter aus und waren sich kurz ganz nah, verbunden im gemeinsam Erlebten.

«So Paps, ich muss, Meli, also Melanie wartet. Ich hab’ mich mit ihr noch auf einen kleinen Gin im Rössli verabredet. Mach keinen Scheiß bitte und denk daran, du bist ein Kämpfer. Versprich es mir Papa. Und trink nicht zu viel, du weißt, dass es dich nur runterzieht.»

Ihr Vater stand auf. «Na dann genieße die Zeit mit deiner Kollegin, ich hab’ ja eben selber keine Freunde, aber was solls.»

Lena ignorierte das Gesagte, setzte eine strenge Mine auf und küsste ihren Vater auf die schlecht rasierte Wange. Als sie in die Abenddämmerung hinaustrat, atmete sie einmal tief und fest den vertrauten Nebel-Zuckerrübengeruch des Seenländer Herbstes ein und zückte ihr Mobiltelefon. Nach den kräfteraubenden Besuchen bei ihrem Vater fühlte sie sich immer wie ausgewrungen, gerade so als wäre sie ein Putzlumpen, mit dem man die Kotze der letzten Partygäste von der Tanzfläche gewischt hatte. Sie öffnete WhatsApp und schickte, ohne sich dessen voll bewusst zu sein, eine Nachricht an Joe. Hei, wie gehts dir?

Bei Joe musste sie sich im Gegensatz zu Cedric nicht anstrengen und einen wohlüberlegten Text verfassen, da seine Antwort sowieso meist nur easy oder yeah voll gut war. Joe reihte sich nicht unter den Nobelpreisträgern ein, weder in Physik noch in sozialen Gebieten. Erwartungen in Sachen Liebe und Empathie durfte sie bei Joe keine hegen. Er war ein Fickfreund, ein Spielgefährte, der mit seinem Penis die ganze kleine Welt, in der er lebte, zu beherrschen versuchte und Lena ab und an auf eine Runde Spaß traf. Und obwohl die Fronten damit geklärt waren, ertappte sich Lena doch immer wieder dabei, wie sie zu viel von sich preisgab, sich vor Joe nicht nur wörtlich, sondern auch im übertragenen Sinne entblößte. Joe interessierte sich einen Scheiß für Lenas traurige Verstimmungen, oder für ihre energiezehrenden Besuche bei ihrem Vater. Joe sah nur Lenas Möse und ab und an ihr Arschloch. Lena hasste sich dafür, den Unterschied zwischen simpler körperlicher Begierde und echter Zuneigung nicht verinnerlichen zu können. Auch Analsex mochte sie nicht, aber für Joes Anerkennung und einen Moment des Nichtalleinseins tat sie einiges. Er benutzte sie, und Lena ließ es zu, um wenigsten etwas Nähe zu ergattern, im Wissen, dass sie sich nach jedem dreckigen Sextreffen schmutziger, einsamer und wertloser denn je fühlen würde.

Während sie also Joe antextete, bemerkte sie auf einmal, wie ihr etwas heiß und flüssig ins Höschen entwischte. Verdammt, dachte Lena, wie kann es sein, dass ich mit 34 Jahren noch immer von meiner Periode überrascht werde und nicht mal Reservestopfmaterial dabei hab’, um den doofen Fluss zu stoppen. Aber dann befand sie mit dem üblichen Galgenhumor, dass so immerhin etwas reibungslos laufen würde in ihrem Leben. Zu Hause angelangt, erlag Lena einem spontanen Heulkrampf, alles tat ihr weh. Sie konnte diese blöden Tränen nicht aufhalten, und so entledigte sie sich oben und unten der liquiden Materie, harmonische Synchron-Entleerung, braunschmieriges Blut und salzig-süße Tränen. 1 A Performance, keinen Abzug in T- und P-Note, Platz eins der Loser-Olympiade! Inmitten dieses Fiaskos antwortete Joe auf ihre Nachricht:

Hei, läuft bei mir, Bock? Hätte grad Lust!

Lena ließ sich in ihrer Weltuntergangsorgie hinreißen, sich von Joe etwas mitfühlende Worte zu erhoffen und textete:

Mir gehts grad nicht so gut, paar familiäre Probleme. Und ich hab’ meine Tage. Magst du morgen trotzdem was machen?

Joe schrieb ihr schneller als erwartet zurück.

Nee, lass mal.

Jeder hat Probleme, stell dich nicht so an. Und außerdem macht der Fick keinen Spaß, wenn du nur ein Loch frei hast. Schreib mir, wenn dein Weiberzeugs durch ist!

Es war ein Schlag mitten in die verheulte Fresse. Statt dem Jüngelchen mal was von Knigge und Manieren zu geigen säuselte Lena devot zurück:

Ja, entschuldige Joe, du hast recht. Ich melde mich, wenn die lästige Frauengeschichte vorbei ist.

Dann fügte sie einen lasziv zwinkernden Smiley am Ende der Nachricht an, obwohl ihr eigentlich mehr nach dem Emoji mit der Pistole war. Ein Schuss zwischen Joes Augen, so kalt und herzlos wie ein Erschießungskommando im Zweiten Weltkrieg. Ene mene Muu und raus bist du, ich brauch dich nicht Joe.

Aber Lena wusste genau, sie würde Joe erneut an ihre Pussy lassen.

Balancefreier Tanzbeinschwung

 

Endlich sprang die Uhr an der unteren rechten Ecke am Bildschirm auf halb fünf Uhr. Fertig gearbeitet für heute. Lena hatte schon den ganzen Tag unkonzentriert und unproduktiv in ihren Computer gestarrt und nichts von dem geschafft, was auf ihrer ellenlangen To-do-Liste stand. Eigentlich war die ganze Woche so abgelaufen, aber sie log dem Chef ebenso Strebsamkeit und Arbeitswillen vor wie sich selbst. Hin und wieder überprüfte sie Cedrics Facebook-Account auf neue weibliche Freundschaften und quälte sich mit den neusten Bikinifotos vom Mauritiustrip seiner Ex auf Instagram. Für die blonde Engelsmähne der bildhübschen Pasquale hätte Lena locker einen Massenmord begangen. Na ja, in Gedanken war sie sowieso schon tausendfach Amok gelaufen, zum Glück konnte niemand direkt in ihren Kopf sehen, man würde sie wohl für immer in der geschlossenen Psychiatrie verwahren. Diese Vorstellung war – bis auf den ewigen Freiheitsentzug – gar nicht so schlecht, ja sogar verlockend. Den ganzen Tag behütet und umsorgt vor sich hindösen, zugeballert und sediert von heftigen Medikamenten, nichts fühlen nur fressen und meditativ-monotone Beschäftigungstherapien durchlaufen. Doch Lenas Routine sah anders aus. Wenn sie morgens müde und mit verquollenen Schweinsaugen im Zug zur Arbeit fuhr, stieg die unaufhaltsame Wut in ihr auf. All diese aufgemotzten Weiber überall am Bahnsteig, all diese männlichen, makellosen Poser mit zum Dutt geformtem Haar, diese arroganten Wesen, die jegliche Aufmerksamkeit und Jugend für sich beanspruchten, all diese Schönheiten, die mit Pfirsichhaut gesegnet, naiv durch den Bahnhof schwebten, all diese lockerleichten Vanilleparfum-Schnecken, die mit ihren betörenden Blicken die Luft elektrisierten, all diese knusprigen Mittzwanziger-Typen, die sich auf ihren modischen Sneakers nach den besagten Vanillepuppen umdrehten und dabei Lena ungestüm und abgelenkt von all dem Zauber überrannten und nicht mal eine Entschuldigung artikulieren konnten. Lena spürte, wie sie völlig entrückt, in dieser ÖV-Population, zur imaginären Maschinenpistole griff. Rätätätä peng! Ihr Scheißwichser, ihr seid alle tot, tot, hahaha. Natürlich wusste Lena, dass sich hinter der schönsten Modelvisage eine trostlose, ja höchst dramatische Lebensgeschichte verstecken konnte. Dass sie nicht die Einzige war, die sich in der Menge quälte. Ihr war bewusst, dass sie beim unkontrollierten Ausleben ihres Zorns nur der eigenen Unsicherheit Platz einräumen und damit ihr Neid nicht geringer werden würde, wenn sie unschuldige Mitmenschen auf bestialische Weise durchlöcherte. Und doch konnte sie die morgendlichen Hassträume nicht eindämmen. Und wenn sie, so wie heute im Büro, auf den sozialen Plattformen, noch auf die klassischen Aristokratenzüge der Ex ihres unerreichbaren Märchenprinzen Cedric starren musste, wünschte sie sich einen Atompilz inmitten ihrer Brust. Aber Cedric würde nie ihr Ritter in weißer Rüstung werden; er würde sie weder beschützen noch behutsam an seine starke Brust drücken. Auf ihre Nachrichten antwortete er, wenn überhaupt, einsilbig und nicht selten etwas abweisend. Genau das schleuderte Lena oft nur noch tiefer in den Schlund der Gier nach Zuspruch. Er fragte nie weiter nach, wie es ihr ergangen war bei ihren elterlichen Besuchen, obwohl er von ihren Nöten wusste. Er dachte nie einfach so mal im Alltag an sie, bestärkte sie nicht auf der Suche nach Lebensmut, erkannte nicht das Heimweh nach ihrem Bruder. Lena fiel bei Cedric ganz einfach durch jegliche Hirnwindungen hindurch. Das passierte Lena dem Anschein nach bei allen Männern, die sie nicht nur unter ihre Bettdecke, sondern auch in ihren Kopf und Brustkorb ließ.

Wem konnte man einen Vorwurf machen? Liebe nicht erwidern zu können ist nun mal kein Strafbestand, in keinem Rechtssystem der Welt. Gefühle erzwingen stand seit jeher auf der großen Liste der Alchemisten, grade neben der magischen Umwandlung von Stroh zu Gold. Was nicht sein soll, ist nicht zu ändern. Lena würde also selbst in die Rüstung schlüpfen müssen, sich auf in die Schlacht machen, für sich selbst kämpfen und danach auf ihrem Kamel (für den exotischen Touch, ein bisschen schwarzer Humor musste in dieser Situation schon sein) in den Sonnenuntergang reiten. Bevor sie mitten im Büro einem Weinanfall verfiel, straffte sie die Schultern und fuhr ihren Computer runter. Egal, heute Abend war Tanzen angesagt. Rösslifest in Bern, trinken, feiern, lachen und noch mehr trinken. Ihr Outfit hatte Lena sich schon seit Tagen in ihrem Kopf zurechtgelegt, und der Weißwein lagerte kühl und verführerisch für das Apéro-Vorfestgelage bei Meli im Kühlschrank. Mit hastigen Schritten und flüchtigen Abschiedsworten verließ sie ihr Büro Richtung Zug, weg von der Maloche und hinein in die zwei Tage Sündenpfuhl und Chaos des Wochenendes.

Im Zug nach Hause ignorierte Lena mit aller Kraft die asiatische Frau, die Lena gegenübersaß und ihren Apfel so geräuschvoll aß, als wollte sie damit eine Lawine im Berner Oberland auslösen. Lena hasste Kaugeräusche oder nervöse Finger, die einen undefinierbaren Rhythmus tippten oder Tastentöne beim Telefon ihrer Mitreisenden. Wie kam es, dass diese Menschen sich nicht schämten, andere mit ihrem Leben zu belästigen. Konnte denn nur Lena das Bedürfnis haben, im Sitz der Bahn einzutauchen und für die 20-minütige Heimreise im Polster des Sitzes zu verschwinden? Kurz dachte sie darüber nach, ihrem vis-à-vis die sündige Frucht mit einem Horrorfilmlachen aus der Hand zu schlagen und der Frau ins Gesicht zu spucken. Der Drang erschien ihr einen Moment lang beinahe übermächtig, aber dann stöpselte Lena ihre Kopfhörer in die Ohrmuschel und dröhnte sich mit schrammenden Bässen zu. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit mit aller Macht auf die letzten Seiten ihres Pendlerromans, der Schachnovelle von Stefan Zweig. Die verstörende Geschichte eines Mannes, der in Einzelhaft im Zweiten Weltkrieg aus Einsamkeit heraus beginnt, gegen sich selbst Schach zu spielen. Bis er schlussendlich seine Persönlichkeit zur Spaltung bringt und glaubt, ein reales Gegenüber zu haben. Lena wünschte sich, sie könnte auch dissoziieren, sie wäre ihre beste Freundin, ihr eigener Lover; praktische Vorstellung. Wenn auch etwas schockierend. Zu Hause ließ sie das Abendessen sausen, in Anbetracht der kalorienhaltigen Alkoholgetränke, die sie am Abend konsumieren wollte. Alles geht schließlich nicht. Figur, Rausch, Genuss. Man konnte nicht alles haben, die Schokolade und die Taille.

Sie zwängte sich in die enge Hose, zog ihr schwarzes Shirt mit dem verheißungsvollen Ausschnitt über und schminkte sich dezent, aber so wirkungsvoll wie nur möglich. Ihre allmählich vermehrt auftretenden Falten lachten ihr fies aus dem Spiegel entgegen. Überhaupt sah sie beschissen aus, fahl, fett, wie ein Naturquark mit zwei Dingern, die aussahen wie Augen, aber rot unterlaufenen Maraschinokirschen ähnelten. Einen kurzen Augenblick kroch ihr die Scham über die ewig gleichen narzisstischen Egoschwierigkeiten in die Glieder. Was waren schon diese Wohlstandsproblemchen, wenn an anderen Orten hungernde Kinder ums Überleben kämpften, oder in Kriegsgebieten die ganze Familie zerbombt wurde und man auf sich allein gestellt zum Flüchtling wurde, sich dem Fremdenhass ausgesetzt durch die eigene Unkenntnis gegenüber einer völlig neuen Umgebung und Kultur schlängeln musste. Nur konnte Lena halt nicht in eine andere Welt als ihre reinschlüpfen und wurde daher nur von den eigenen Leiden getroffen und von einer Welle des Selbstmitleids überschüttet.

Es war ja nicht so, als wäre alles, was ihr widerfuhr, nur böse, schlecht und dramatisch. Vor wenigen Monaten hatte sie drei herrliche Ferienwochen in Finnland verbracht, mit Meli und Janine. Eine richtige Weiberauszeit inklusive Freiluftwandern, Shopping, gutem Essen und Trinken und sogar hier und da einen kleinen unbedeutenden Flirt mit einem Einheimischen. Es war absolut wundervoll gewesen, sie hatten Spaß gehabt, so viel erlebt. Es würde noch Monate dauern, bis Lena, die solche Abenteuer wie in einem Kuhmagen verarbeitete, alles wiedergekäut und verdaut haben würde. Nur manchmal wünschte sie sich, all diese Räuberanekdoten, die ihr dort weit weg von allen heimischen Mühen widerfahren waren, Cedric erzählen zu können. Da! Schon schlich sich der Blödmann wieder in ihre Gegenwart. Natürlich hatte sie in den Ferien versucht, ganz Seemann, den Eisberg (wie passend für die merklich abgekühlte Sache mit Cedric) zu umschiffen. Anstatt Herzbuben-Cedric Feriennachrichten per WhatsApp zu schicken, schrieb sie ihren Freunden und den Eltern Karten und SMS von aufregenden Geschehnissen fernab der Heimat, aber die Befriedigung hatte sich nicht einstellen wollen. Jedenfalls nicht im selben Ausmaß, als würde sie einen Typen anschreiben, mit dem sie auch eine körperliche Ebene verband. Diese immense Macht, die Cedric auf sie hatte, war krass. Wäre Reto noch da, hätte sein Brudersein, seine rein geschwisterliche Liebe eventuell gereicht, um Lenas Defizit zu füllen. Sie hätte sich ihm anvertraut, ihm Geschenke mitgebracht, ihn informiert und unterhalten. Aber der war weg, Asche in der Erde, wurmstichiger Kompost. Also schrieb sie den Jungs, die ihr Höschen gewollt und Lenas Lebensfreude als Bonus gleich mitentwendet hatten. Warum muss man sich eigentlich selbst immer mitnehmen auf Reisen, hatte sich Lena in Finnland gefragt, und sich bereits vor der Heimkehr gefürchtet. Sinnlos, alles irgendwie nicht zu retten. In ihr drin war einfach etwas völlig falsch verkabelt. Immer löste sie einen Kurzschluss in ihren Empfindungen aus.

Jaah, so ist das, dachte Lena als sie aus den Reiseerinnerungen zurück ins Hier und jetzt glitt, zog sich noch mal kurz den Lidstrich nach und sprühte großzügig Parfum ins Dekolleté. Ganz automatisiert geschah es erneut. Trotz der hochgelobten Versprechen, sich nicht mehr so häufig bei Cedric zu melden, und erst recht nicht mit intimen Details, verfiel Lena erneut dem Drang und verfasste eine kurze Nachricht:

Hei du, ich stürze mich heute Abend ins Rösslifest, wird mich aufmuntern, bin grad etwas traurig, aber ich will dich ja nicht mit meinem Mist zulabern. Und bei dir so?

Der zweite Haken erschien auf Lenas Smartphone, die Message war also angekommen. Lena wollte ihr Telefon gerade in die Tasche stecken, da wurden die Häkchen blau, was bedeutete, dass Cedric online war und ihren Gruß gelesen hatte. Gefühlte Stunden schaute Lena auf den Bildschirm und sah, dass Cedric sich aktiv in der Nachrichten-App tummelte, ihr aber nichts zurückschrieb. Das Onlinezeichen – im Zusammenhang mit der nicht eintreffenden Antwort – löste diese wilde Ohnmacht in Lenas Magengegend aus, wieso schrieb er denn nicht, er war doch offensichtlich eh dauernd auf WhatsApp? Er ignorierte sie, er hatte keinen Bock mit ihr zu texten, darum! Wütend auf ihr hilfloses Ausgeliefertsein boxte Lena impulsiv gegen die Raufasertapete, schlug sich dabei die Knöchel blutig und taub und schrie sich den Frust von der Seele: «Schreib mir doch endlich zurück, du blöder Bastard, du elendes Dreckstück, ich habe dir nie Böses getan. Ich habe nicht verdient, dass du mich so ignorierst. Du bist so ein egoistisches Arschloch, sieh mich endlich. Ich brauche dich! Und ich brauche meinen Bruder, der mich vor solchen Pissern wie dir beschützt. Ach Reeeto bitte rette mich, du fehlst mir so sehr.»

Dann war der Ausbruch vorbei, Lena wurde ruhig, wischte sich die ewigen Tränen weg, besserte kurz das Make-up aus und klebte zwei Pflaster auf die geschundene Hand; zurück zum Normalzustand. Dann schnappte sie sich ihre Tasche und die Zigaretten, schloss die Tür hinter sich und machte sich seltsam ermüdet auf, zu Meli und dem Weißwein.

«Lena du Gans, wieso hast du ihm denn schon wieder geschrieben. Der Blödarsch antwortet dir sowieso nicht, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie du es dir wünschst. Na ja, man muss ihm schon zugutehalten, dass er dir nie was vorgemacht hat. Du bist nur eine Kollegin für ihn, nicht mehr als das. Und Kollegen schreibt man halt nicht täglich, und antwortet auch manchmal nicht grad sofort. Hat er dir ja schon mehrfach verklickert. Außerdem machst du dich auch nicht wirklich interessant, wenn du dich immer bei ihm meldest und so verfügbar bist. Willst du was gelten, mach dich selten. Oder noch besser Schatzi, vergiss ihn! Wenn du so erzählst, klingt er sowieso nicht cool, den willst du doch gar nicht.»

Meli traf ins Schwarze, minderte aber weder die heiße Glut noch das Weh in Lena.

«Ich weiß Meli, du hast recht … mit allem. Aber jetzt ist Schluss damit, aus und vorbei mit Cedric. Wir erwähnen seinen Namen nicht mehr, schenk mir doch bitte ein Glas erfrischendes Vergessen ein.»

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752141740
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
Borderline selbstverletzng Sucht Depression Missbrauch Alkohol

Autor

  • Martina Schwarz (Autor:in)

Martina Schwarz ist 1985 im Kanton Bern in der Schweiz geboren und arbeitet hauptberuflich als Gebäudetechnikingenieurin. Seit sie einen Stift in den Patschehändchen halten kann, schreibt sie ihre Erlebnisse und Fantasien auf und hat nun ihren Erstling «Borderline – Scherben einer Persönlichkeit», eine fiktive Autobiografie veröffentlichen können. Ihr Buch ist eine augenzwinkernde Abrechnung mit Traumata, eine Erzählung, die unterhalten und den Leser bestärken soll, niemals aufzugeben.