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Die Rückkehr der Engel

Science Fiction Roman

von Roland A. Toonen (Autor:in)
720 Seiten

Zusammenfassung

Das für unmöglich gehaltene geschieht: Außerirdische landen mit riesigen Raumschiffen auf der Erde und führen hier Krieg gegeneinander. Bei einem unerbittlichen Kampf zwischen engelgleichen Wesen und Insektoiden Aliens wird Lennox‘ beste Freundin verletzt. Zusammen mit ihrem Mitstudenten Noah, in den sich Lennox bis über beide Ohren verliebt hat, machen sie sich auf, um Hilfe zu suchen. Die Gegend um sie herum ist menschenleer. Schon bald geraten sie in ein neues Gefecht und werden von zwei Unbekannten gerettet. Ein sterbendes Engelwesen überträgt ein Teil von sich auf Lennox. Es verbindet sich untrennbar mit seinem Körper. Den Rettern ist dieses Phänomen bekannt. Sakushi kann mit der Kraft, die das „Engelband“ ihr verleiht Teklas schwere Verletzungen heilen. Auch Lennox lernt mit den Fähigkeiten, die sich in ihm entwickeln, umzugehen. Rätselhaft bleibt ihm aber weiterhin der Junge, der immer wieder in seiner Nähe auftaucht und dann spurlos verschwindet. Und was hat es mit den roten Steinsäulen, die im Wind zu Staub zerfallen und damit immer größere Teile der Landschaft bedecken, auf sich? Zunächst gelingt es der kleinen Gruppe sich mit Hilfe von erbeuteten Waffen und den Engelbändern gegen die ständigen Angriffe der Aliens erfolgreich zu wehren. Als sie in eine ausweglose Situation geraten bekommen sie von unerwarteter Seite Hilfe und erfahren mehr über die unglaublichen Ereignisse, die sich auf der Erde abspielen. Obwohl Lennox nicht dazu bereit ist, wird er in den Kampf der Außerirdischen hineingezogen und somit in das größte Abenteuer seines Lebens. Es ist die Geburtsstunde der „Liga Intelligenter Lebewesen“. Taucht ein in das Universum der Liga Intelligenter Lebewesen. Erfahrt mehr über Außerirdische, ihren Raumschiffen und Technik. Das Schicksal der Menschheit wurde schon seit Urzeiten von Außerirdischen Mächten beeinflusst. Begleitet Lennox mit seinen tapferen Mitstreiter bei unglaublichen Abenteuern. Ein Aktion geladener Science Fiction Roman erwartet euch in dem auch Humor und Liebe nicht zu kurz kommen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1.

„ Krass, da hat was den Eifelturm zerlegt!“

Ich schaute vom Spielfeld auf das Pad, das Tek mir unter die Nase hielt. Nur undeutlich war etwas zu erkennen, das aussah wie der Eifelturm, dessen obere Hälfte sich langsam zur Seite neigte.

„Ist wieder so ein Fake, oder?“ Missmutig gab ich das Teil zurück.

In der gegnerischen Kurve des Stadions brach tosender Beifall aus. Irritiert blickte ich auf das Spielfeld zurück. Unsere Plätze waren ziemlich weit oben, fast in der Mitte des Spielfeldes. Von hier hatte man zwar eine klasse Übersicht, konnte aber kaum Einzelheiten erkennen. Da war man eine Sekunde abgelenkt schon machten die anderen einen Touchdown. Mir war sowieso schleierhaft wie wir mit dieser Mannschaft bis ins Endspiel der Uni-Meisterschaft gekommen waren.

„Hast du das gesehen?“

„Was?“, fragte Tek ohne von ihrem Pad aufzusehen. Noch immer wischte sie hektisch darauf herum. „Warte, ich hab`s gleich.“

Niemand, der ihr zum ersten Mal begegnete, hätte vermutet, dass sie ein Super-Nerd war. Selbst jetzt, das langen rote Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, in dem viel zu weiten Mannschaftstrikot, unter dem sich ihre schlanke Figur nur erahnen ließ und der alten Jeans, sah sie verdammt gut aus. Nur die schwarze Brille mit den übergroßen Gläsern gab einen Hinweis auf ihr wahres Ich. Na ja, möglicherweise konnte ein Mädchen mit einem Namen wie ‚Tekla Gilligan‘ nicht anders als Technische Computerwissenschaften zu studieren.

„Hey Tek, solltest du mit dem Ding nicht lieber Aufnahmen vom Spiel machen?“

„Die Loser kacken doch sowieso ab. Spiel dich mal nicht so auf. Auch wenn du den besten Sportblog schreibst, den die Uni je hatte, bist du doch nur wegen dem da hier.“

Ich folgte ihrem Blick zu dem riesigen Bildschirm-Würfel in der Mitte des Stadions. Durch

eine abenteuerliche Konstruktion von Stahlseilen, verbunden mit dem Dach, das sich über die Zuschauerplätze spannte, schien er in der Luft zu schweben.

Die Nahaufnahme zeigte einen Spieler der den Football gefangen hatte. Noch bevor er zu Boden gerissen werden konnte schleuderte er das Teil in die linke Feldhälfte.

„Das ist doch nicht Noah! Schau mal genau hin! Der da ist doch viel kleiner. Es gibt nur einen in der Mannschaft der mit links wirft …“

„Noah! Der Typ da ist Rechtshänder und nicht mal einer von unseren Jungs, ich weiß.“ Tek kicherte boshaft. Sie liebte es mich zu necken und ich fiel immer wieder darauf rein.

„Hier dieses Mal offiziell.“ Sie hielt mir breit grinsend das Pad unter die Nase.

Verärgert griff ich nach dem teuren Teil und starrte auf den Live-Stream. Das Logo eines namhaften Nachrichtensenders wurde in der linken Ecke eingeblendet. Zunächst war nicht mehr zu sehen als ein sich bewegender leuchtender Punkt am nächtlichen Himmel über Paris. Dann eine verwackelte Nahaufnahme von etwas, das einen Feuerschweif nach sich zog. Das Bild wechselte zu einer erstaunlich klaren Aufnahme des Eifelturms.

Ich zuckte zusammen als das flammende Objekt oberhalb der ersten Plattform einen der Pfeiler zerschmetterte, einen zweiten rammte, um unbeeindruckt seine Flugbahn beibehaltend in eine Parkanlage einzuschlagen. Kurz wechselte die Einstellung. Zwischen verwehenden Rauschschwaden war ein flüchtiger Blick auf einen kupferfarbenen Zylinder zu erhaschen. Anschließend war wieder das verbliebene Wahrzeichen der Pariser Weltausstellung von 1889 zu sehen. Ich hielt den Atem an als sich die Spitze langsam in Richtung des zerstörten Pfeilers neigte. Obwohl das Pad stumm geschaltet war glaubte ich das schrille Kreischen sich verbiegender Stahlträger zu hören. Funken sprühten wo sich nacktes Metall berührte und mit tonnenschweren Kräften aneinander rieb. Immer weiter neigte sich der Turm bis er unaufhaltsam auf dem Boden aufschlug.

„Wow, ein Terroranschlag mit einer Rakete?“ ich gab Tek das Pad zurück.

„Glaube ich nicht. Von wo sollte jemand denn ein so großes Teil abgeschossen haben, ohne dass es bemerkt worden wäre?“ Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass der Pferdeschwanz nur so hin und her wedelte.

„Ein Flugzeug?“

„Quatsch! Nicht mal eine Militärmaschine ist so schnell, dass sie nur als Feuerschweif zu sehen ist.“

„Was war es denn dann, Miss Superschlau?“ nörgelte ich angepisst.

„Überleg doch mal. Ein Objekt mit so einer kinetischen Kraft kann doch nur ein Meteor oder etwas anderes aus dem All sein.“

„Na klar, ein UFO etwa? Ist ja auch viel logischer als Rakete oder Flugzeug.“

„Richtig! Hätte nicht gedacht, dass du es so schnell schnallst. Für einen Jungen bist du gar nicht mal so dumm“ Erst als Tek mein breites Grinsen sah, bemerkte sie die Ironie in meiner Stimme.

„Arschloch!“ Erbost machte sie sich wieder über ihr Pad her.

Vorbei an dem Bildschirm-Würfel und den ultrahellen Flutlichtern, die das Spielfeld taghell erleuchteten, schaute ich nachdenklich nach oben in das kleine Oval des nächtlichen Himmels. Nur ein paar Sterne konnten sich gegen die künstliche Helligkeit behaupten.

Mein Blick heftete sich an einen Lichtpunkt, der sich zu bewegen schien. Normalerweise wäre er mir bestimmt nicht aufgefallen. Aber durch das, was ich gerade gesehen hatte waren meine Sinne geschärft und warteten nur darauf etwas Ungewöhnliches zu sehen. Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz herum. Das Teil wurde tatsächlich größer und kam eindeutig auf das Stadion zu. Ich tippte Tek aufgeregt auf die Schulter.

„Mit ‚irgendwas aus dem All‘ meinst du doch wohl nicht so was, oder?“

„Wow, das glaub ich jetzt nicht.“ Mehr brachte Tekla nicht heraus als sie sah, was ich entdeckt hatte.

Der Lichtpunkt wurde schnell größer. Selbst mit bloßem Auge war jetzt ein leuchtender Schweif auszumachen, den er hinter sich her zog. Gebannt hingen unsere Blicke an dem ungewöhnlichen Teil. Auf einmal ging alles so schnell, dass ich nur einen Teil von dem mitbekam was um mich herum geschah.

Ein Lichtblitz zuckte für einen Sekundenbruchteil auf und blendete mich. Das Objekt hatte einen Teil der Dachkonstruktion getroffen und mit sich gerissen. Gleichzeitig hörte ich das Bersten von Metall und den Aufprall mitten im Stadion. Das Ding durchpflügte den Rasen bis zur Torlinie bevor es zum Stillstand kam.

Nur gut, dass sich das Spielgeschehen gerade auf die linke Hälfte konzentrierte. So wurden nur zwei der Sportler von dem Einschlag in Mitleidenschaft gezogen. Wie welke Blätter im Herbstwind wurden sie umher gewirbelt.

Es herrschte atemlose Stille. Einige Zuschauer hatten sich von ihren Plätzen erhoben und starrten gebannt zum Ende der Furche. Als nichts passierte rannten zwei Sanitäter auf den Platz. Ein zögerlicher Applaus stellte sich ein als einer der auf dem Boden liegenden Spieler sich wankend aufraffte und ins Publikum winkte. Noch unsicher auf den Beinen wurde er von einem Kameraden gestützt und verließ das Spielfeld. Dem anderen schien es nicht so gut zu gehen. Eine Trage wurde geholt.

Lautes Knistern und erschreckte Schreie lenkten meinen Blick auf das beschädigte Dach. Einzelne Bruchstücke lösten sich und fielen herunter auf die Tribüne. Die Zuschauer versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Zum Glück kam es aber nicht zu einer Panik.

Ein Knall ließ nicht nur mich zusammenzucken. An der Stelle, an der sich das unbekannte Ding in die Erde gebohrt hatte spritzten Gras, Dreck und eine gebogene kupferfarbene Platte hoch in die Luft. Im Zentrum dieses Chaos bewegte sich etwas.

Ich war viel zu weit vom Geschehen entfernt, um Einzelheiten zu erkennen. Die Gestalt, die sich schnell zur Mitte des Spielfeldes bewegte, erinnerte mich im ersten Moment an eine übergroße Ameise. Eine der Stadionkameras fing ein Bild der Kreatur ein. Für einige Sekunden erschien verschwommen ein Kopf auf den riesigen Monitoren.

Ein Helm mit Schutzvisier wie Piloten von Militärflugzeugen ihn trugen, darunter eine Art bizarrer Atemmaske. Es ging alles so rasch, aber ich hätte schwören können, dass aus dem Helm zwei Fühler herausragten, die sich schnell bewegten. Bestimmt spielten mir meine überreizten Sinne nur einen Streich.

Die verbliebenen Spieler brachten sich in Sicherheit. Es war bestimmt kein beruhigender Anblick zu sehen wie dieses Ding auf einen zustürmte.

Das Wesen blieb stehen. Erst jetzt konnte ich erkennen, dass es vier Arme hatte und etwas in seinen oberen Händen hielt. Ein roter Energiestrahl zuckte daraus hervor und schlug fauchend in die Absperrung am Spielfeldrand. Das Material glühte auf und verschwand. Nur eine Rauchwolke blieb zurück. An dieser Stelle war der Zuschauerbereich nun nicht länger vom Spielfeld getrennt. Schon fauchten weitere Energiestrahlen durch das Stadion. Einige schlugen dicht vor der Tribüne ein. Andere mitten in die voll besetzten Ränge.

Das ehrfürchtige Schweigen wurde von einer aufbrausenden Welle entsetzter Aufschreie hinweggespült. Zuschauer, die bis jetzt noch auf ihren Sitzen ausgeharrt hatten, sprangen auf. Panisch hasteten die Menschenmassen in die Gänge und strömten den Ausgängen entgegen.

Ein Seitenblick genügte, um festzustellen, dass Tek das gleiche dachte wie ich: sich mit der drängelnden Masse aus dem Stadion treiben zu lassen war gefährlicher als abzuwarten bis sich die erste Aufregung gelegt hatte.

Die Plätze um uns herum leerten sich schnell. Die oberen Sitzreihen im gesamten Stadion lagen schon verlassen da. Nur der zurückgelassene Müll zeugte noch von den Menschen, die vor wenigen Augenblicken hier das Spiel beobachtet hatte.

Ich konnte es kaum glauben als genau dort einer der roten Strahlen einschlug. Geschmolzene Plastiksitze und zertrümmerter Beton flogen umher.

„Ich glaube wir sollten besser in Deckung gehen.“ Tekla zeigte auf die hüfthohe Betonumrandung der Treppe mit dem Schutzgeländer unter uns. An den Seiten drängelten die Menschen vorbei um den Ausgang zu erreichen.

„Okay, bleibt wohl nur der direkte Weg.“

Tek nickte. Sie verstaute noch ihr Pad in der Umhängetasche während ich schon über die erste Reihe der roten Sitze nach unten kletterte. Ich blieb stehen und streckte die Hand aus, um ihr behilflich zu sein.

„Das schaff ich schon. Sieh mal lieber zu, dass du nicht auf die Fresse fällst.“ Schon war sie an mit vorbei. Manchmal fragte ich mich, wieso zur Hölle ich ausgerechnet mit ihr befreundet war.

Unten angekommen hockten wir uns hinter die dicke Betonwand und spähten darüber hinweg. Krachend schlug ein Energiestrahl hinter uns ein.

„Scheiße!“ war alles was ich herausbekam.

„Ohne mich wärst du jetzt gut durchgegrillt, Alter.“

Ich wollte etwas Unschönes erwidern, aber da blieb mir die Spucke weg. Über dem Stadion war etwas aufgetaucht, was meine Aufmerksamkeit fesselte. Es sah genauso aus wie eine dieser fliegenden Untertassen auf den unzähligen UFO-Postern.

„Hey Alter, was …“ Jetzt hatte auch Tekla das Teil gesehen.

Scheinbar schwerelos schwebend hing die blau leuchtend Scheibe in der Luft. Mehrere rote Energiestrahlen zuckten von unten herauf und trafen das UFO. Verblüfft sahen wir uns an.

„Ich dachte die Untertasse und das Ding da unten gehören zusammen“ flüsterte Tek.

„Auch eine Super-Nerd wie du kann sich mal irren“ gab ich genau so leise zurück. Diese Bemerkung brachte mir einen Boxhieb ein.

„Aua!“ Theatralisch rieb ich mir die Schulter. Innerlich musste ich breit grinsen. Tekla boxte nur wenn sie keine passende Antwort parat hatte. Das passierte leider viel zu selten.

Die Stadionkamera hatte den außerirdischen Schützen eingefangen. Auf dem großen Bildschirm wirkte die heran gezoomte Gestalt wie aus einem schlecht animierten Horrorfilm.

Der behelmte Kopf mit den schmalen Schultern und den dünnen Armen wirkte fast normal. Aber das zweite Paar Gliedmaßen in Höhe der Menschlichen Hüfte zerstörte diesen Eindruck Augenblicklich. Genauso wie die krasse Einschnürung und das langgezogene Becken darunter. Es war beinduckend wie schnell sich das Wesen auf den kurzen Beinen fortbewegte.

Der Bildausschnitt wechselte wieder. Ich hatte nicht erkennen können ob das Alien Kleidung trug oder dies sein eigentlicher Körper war. Dafür sah ich jetzt die Polizisten, die sich unbemerkt herangeschlichen hatten. Sie sprangen aus ihrer Deckung hervor und schossen.

Das Wesen schien dies wenig zu beindrucken es feuerte weiter auf den Diskus am Himmel.

Verblüfft beobachtete ich wie der nun blitzschnell um 90 Grad nach vorne kippte und sich dann mehrfach um seine vertikale Achse drehte. Nun sah das Ufo ganz und gar nicht mehr wie eine fliegende Untertasse aus. Es erinnerte mich stark an ein übergroßes Jo-Jo. In der Einkerbung zwischen den beiden runden Scheiben befand sich im Gegensatz zu dem Geschicklichkeitsspiel aber keine aufgewickelte Schnur. Genau hier schwebte ähnlich wie um den Saturn ein schmaler Ring. Es war nicht zu erkennen wie -oder ob er überhaupt- mit dem Flugobjekt verbunden war. Am Außenrand war er gezackt wie ein Zahnrad, wobei jeder dritte Zahn zweimal so lang war wie die übrigen.

Der Ring begann langsam zu rotieren und schwenkte auf seinen Angreifer ein. Dabei wechselte er die Farbe, von dem hellen Blau in ein leuchtendes Magenta. Ich zuckte zusammen als aus einem langen Zacken, der genau auf den Angreifer am Boden zeigte, ein Energiestrahl herausschoss. Das Alien sprang rechtzeitig zur Seite. Schon brodelte flüssige Glut an der getroffenen Stelle am Boden.

Der Ring drehte sich weiter und feuerte aus der nächsten Spitze. Es war bizarr mit anzusehen wie immer mehr glühende Pfützen das Spielfeld bedeckten. Ich hätte dem Wesen mit den kurzen Beinen nicht zugetraut so schnell zu sein. Wie ein Floh hüpfte es umher und wich den immer schneller aufeinander folgenden Strahlen aus.

Aber dann machte es einen tragischen Fehler. Es blieb eine Sekunde zu lange stehen, um einen Schuss aus seiner Waffe abzufeuern. Mit offenem Mund starrte ich auf die Stelle, an der es gerade noch gestanden hatte. Eine kurz aufflammende Feuersäule war alles was von dem Alien blieb.

„Interessant. Während sich der Ring dreht laden die Waffen wieder auf und sind einsatzbereit wenn sie sich wieder auf ihr Ziel richten. Man erkennt es deutlich daran, dass die langen Zacken nach dem abfeuern wieder blau werden und während der Rotation ins Magenta wechseln.“

Ich starrte Tekla fassungslos an. Während da unten ein Wesen -warum auch immer- um sein Leben gekämpft und verloren hatte analysierte sie regungslos die fremde Technik.

Ich wollte etwas sagen wurde aber von dem gemächlich zu Boden schwebenden Ufo abgelenkt. Ein Raunen ging durch das noch immer bis über die Hälfte gefüllte Stadion. Die Rotation des Rings verlangsamte sich und er nahm wieder seine ursprüngliche Farbe an. Knapp bevor eine der langen Spitzen den Rasen berührte kam das Fluggerät zum Stillstand.

„Das Teil sieht aus wie die Darstellung der Sonnenscheibe in antiken Kulturen“ murmelte Tek neben mir.

„Ja, oder ein blinkender Stern.“

„Was ja wohl dasselbe ist.“

Ich brummte missmutig etwas vor mich hin. Was sich schnell als Riesenfehler herausstellte.

„Die Sterne am Nachthimmel sind nichts anderes als das Licht weit entfernter Sonnen. Auf einem anderen Planeten würde man unsere Sonne auch nur als kleinen Lichtpunkt wahrnehmen, wenn überhaupt“ dozierte das Mädchen neben mir als würde sie gerade einen Vortrag an der Universität halten. Mit einem Finger schob sie die nach vorne gerutschte Brille zurück an ihren Platz.

„Ja, Frau Professor. Aua!“ Schon wieder traf ein Boxhieb meine Schulter. Diesmal noch kräftiger ausgeführt als der erste. Ich schielte zu Tekla hinüber. Deshalb bekam ich nicht mit wie sich in dem Flugobjekt eine Öffnung bildete. Als meine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen auf dem Spielfeld zuwandte wurde eine durchsichtige Rampe heraus gefahren. Durch das helle Leuchten, das sie ausstrahlte, konnte ich nur vermuten ob sie aus festem Material bestand oder ob es sich um eine Art von Kraftfeld handelte.

Die Menschen im Stadion verharrten regungslos an ihren Plätzen. Es herrschte eine gespannte Stille. Gebannt starrten alle auf die Öffnung, in der sich ein Schatten abzeichnete.

Es dauerte nur wenige Sekunden, die mir aber wie eine halbe Ewigkeit vorkamen. Als die Gestalt heraus trat und erhaben die Rampe herunter schritt, hätte ich fast laut aufgelacht. Nicht nur, dass dieses Ufo zunächst wie eine fliegende Untertasse ausgesehen hatte. Auch dieses Wesen sah aus wie die Aliens auf den Postern.

Es war sehr schlank. Beine und Arme länger als die eines Menschen. Der Kopf oval mit zwei übergroßen dunklen Augen. Die ganze Erscheinung strahlte in der gleichen Farbe wie das Flugobjekt.

Einige Meter von der Rampe entfernt blieb das fremde Wesen stehen. In Höhe seiner Schultern begann es zu flimmern. Zwei durchscheinende Kraftfelder in einem tiefen Blau breiteten sich hinter ihm aus. Als sie ihre volle Größe erreicht hatten ähnelten sie überdimensionierten Flügeln. Das Wesen breitete theatralisch die dünnen Arme aus und erhob sich in die Luft. Zwei oder drei Meter über dem Spielfeld stoppte die Aufwärtsbewegung. Anmutig drehte dich die Gestalt einmal um seine eigene Achse, als wollte es sagen, seht alle her: ich bin es. Ein Raunen ging durch die Menge.

Vereinzelt hörte ich Ausrufe wie: „Ein Engel!“ oder „Unsere Retter!“.

Von irgendwo her war ein zaghafter Applaus zu hören. Schnell breitete er sich wie eine Welle über das ganze Stadion aus und wurde rasch lauter.

„Echt jetzt? Die glauben doch wohl nicht, dass das ein Engel ist?“, murmelte ich vor mich hin.

„Nicht so wie ich mir einen vorstellen würde. Aber wer weiß denn schon wie die wirklich aussehen? Und? Hat er uns vor diesem Horror-Alien gerettet, oder nicht?“

„Keine Ahnung, was da unten los war. Aber ich …“

Um die ausgebreiteten Hände des Lebewesens bildeten sich leuchtende Kugeln. Von ihnen breitete sich eine Unzahl feiner Strahlen aus. Die unteren Sitzreihen wurden in eine fahle Helligkeit getaucht, wie durch die Lichtkegel zweier großer Scheinwerfer.

Der Applaus ebbte ab. Eine gespenstige Stille breitete sich aus und ließ das Geschehen noch unwirklicher erscheinen.

Ich blinzelte, weil ich glaubte meine Augen würden mir einen Streich spielen. Um besser sehen zu können was sich da unten abspielte wagte mich hinter meiner Deckung hervor. Aber die grünen Nebelschwaden, die sich über den Zuschauern am Spielfeldrand gebildet hatten, blieben. Gemächlich setzten sie sich in Bewegung und krochen auf das fremde Wesen zu.

Entsetzte Aufschreie waren zu hören. Ich konnte nicht erkennen was sich unter den immer heller funkelnden Strahlen abspielte. Es kam Bewegung in die betroffene Menschenmenge. Fluchtartig verließen sie ihre Plätze.

Als das Licht weiter wanderte brach eine Panik aus. Ohne Rücksicht versuchte sich jeder in Sicherheit zu bringen bevor er von dem bläulichen Flimmern erfasst werden konnte.

In diesen Tumult zuckte erneut ein Lichtblitz und blendete mich. Es kam mir wie ein Déjà-vu vor. Ich hörte erneut das Bersten von Metall und einen Aufprall. Eine weitere Kapsel durchpflügte das Spielfeld.

Die Lichtkegel erloschen schlagartig. Das Engelswesen drehte sich ruckartig in Richtung des Aufschlages. Es bewegte die Arme nach vorne bis sich die Handflächen berührten. Die blauen Kugeln vereinten sich zu einer. Das Leuchten wechselte zu Magenta und ein Energiestrahl schoss heraus. Auch der Ring des Flugobjekts setzte sich wieder in Bewegung und feuerte auf die Einschlagsstelle. Ein wahres Inferno aus Energie tobte an diesem Punkt.

Es kam zu einer heftigen Explosion. Ich dachte dadurch wäre das aufgeschlagene Ding zerlegt worden. Aber aus dem glühenden Erdreich, das herumspritzte, katapultierte sich wie schon bei dem ersten Objekt, eine gebogene Deckplatte heraus.

Ich staunte als ich bemerkte, dass sich der Passagier an der Innenseite festklammerte, um so dem sicheren Tod zu entkommen. Im Scheitelpunkt der Flugbahn löste sich das ameisenähnliche Wesen von dem kupferfarbenen Teil und sprang auf das Stadiondach.

Unten hatte man von der Aktion nichts bemerkt. Von seinem erhöhten Standort zielte der Außerirdische auf das immer noch wild auf die gleiche Stelle feuernde Wesen.

Volltreffer! Sein Gegner wurde herumgewirbelt. Wie ein Geschoss prallte er gegen eine Absperrung und blieb regungslos liegen.

Das Flugobjekt stellte das Feuer mit den unteren Spitzen ein und schwenkte in eine neue Position. Fast gleichzeitig schossen die ersten Energiestrahlen aus den oberen Zacken.

Das Wesen auf dem Dach wich geschickt aus und feuerte zurück.

Ich schreckte zusammen als mich eine Hand am Hosenbund packte und zurück hinter die Betonwand zog. Tekla schaute mich nur kopfschüttelnd an.

Ich lugte wieder über den Rand unserer Deckung. Das Ameisending landete erneut einen Treffer. Ein Stück des rotierenden Rings wurde zerfetzt. An der Stelle erlosch das Leuchten und der Teil wurde Schwarz. Er feuerte noch einen Energiestrahl ab dann blieb er ruckend stehen.

Ich atmete tief durch. Was für ein Chaos. Flüchtende Menschen, Explosionen, Aliens.

Ich zuckte zusammen. Das Engelswesen hatte sich wieder aufgerappelt und schoss eine Salve von Energiestrahlen in die Luft. Dabei war es so schlau nicht auf seinen flinken Gegner sondern auf das Dach zu feuern.

Ein Teil brach ab und riss das Ameisenwesen mit sich in die Tiefe. Ohne Rücksicht darauf zunehmen, dass die Fehlschüsse in die Tribüne mit den flüchtenden Menschen einschlugen feuerte das Wesen am Boden so lange weiter bis es einen Treffer landete.

Danach herrschte Ruhe auf dem Schlachtfeld. Keine weiteren Energiestrahlen zuckten durch die Luft. Keine Explosionen dröhnten mehr in den Ohren.

Das Engelswesen breitete wieder seine Arme aus. Die Schwingen aus Kraftfeldern erschienen. Es erhob sich erneut in die Luft und richtete die Kegel blauer Strahlen auf die flüchtenden Menschenmassen.

„Bin ich denn total verpeilt? Hier geht die unglaublichste Sache des Jahrhunderts ab und ich mache keine Aufnahmen für meinen Blog.“ Tekla griff in ihre Umhängetasche.

„Scheiße!“

„Was ist? Hast du deinen kleinen Liebling etwa nicht aufgeladen?“ fragte ich schadenfroh.

„Mein Pad! Es ist nicht da. Ich muss es beim Runterklettern irgendwo verloren haben.“ Das rothaarige Mädchen sprang entsetzt auf.

Ich packte Tek am Shirt und zog sie in die Deckung zurück.

„Aber da unten wird doch nicht mehr rumgeballert“ jammerte sie.

„Verdammt, du bleibst hier! Ich suche dein Pad!“ Meine Stimme duldete keinen Widerspruch. Mir war selbst nicht klar woher dieser Anfall von Heldenmut kam. Ich sprang auf und lief geduckt zu der Treppe, die nach oben führte und lugte in die leicht gekrümmte Sitzreihe. Nichts außer Pappbechern und Müll. Also weiter. Ich war schon fast bis zu der zerstörten Stelle gekommen da sah ich etwas Schwarzes auf einem der Plastiksitze liegen.

Na endlich. Ich schlängelte mich durch den schmalen Gang. Zum Glück es war tatsächlich das verlorene Pad.

WUMS!

Irgendetwas krachte in meiner Nähe. Ich war viel zu froh über meinen Fund, um es richtig zu bemerken. Ich nahm das Pad und wollte mich auf den Rückweg machen.

WUUMMS!

Dieses Mal war das unheilvolle Geräusch lauter. Gleichzeitig spürte ich ein Vibrieren durch die dicken Sohlen meiner Sportschuhe. Beunruhigt drehte ich mich um. Nicht weit von mir war von der Tribüne nicht mehr viel übrig. In der Außenwand des Stadions klaffte ein Loch, durch das ich den Parkplatz erkennen konnte. Mit einem flauen Gefühl im Magen schielte ich zum Spielfeld.

Der Ring des getroffenen UFOs hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Zu meinem Entsetzen hatte er die Schussrichtung beibehalten. Noch immer feuerten die oberen Zacken. Dabei drehte sich das Flugobjekt immer noch langsam um seine Achse.

WUUUMMMS!

Der Energiestrahl war noch näher an mich heran gekommen und zerlegte einen weiteren Teil des Stadions. Na klasse! Ich drehte mich um und rannte los. Verdammt, der Wirkungsbereich der Waffe war enorm. Ich würde es nicht rechtzeitig schaffen über die Treppe nach unten zu entkommen. So schnell es ging hastete ich weiter durch die nächste Sitzreihe.

WUUUMMMS!

Scheiße, das war dicht hinter mir. Plastikteile und Betonsplitter flogen mir um die Ohren. Zu dicht. Der nächste Energiestrahl würde mich treffen. Obwohl es unsinnig war, warf ich mich in panischer Angst zu Boden.

Jetzt! Ich schützte meinen Kopf mit den Armen und hielt die Luft an.

Keine Explosion, keine Hitze, kein Energiestrahl. Es blieb ruhig. Ich zählte bis zehn. Nichts passierte.

Ungläubig spähte ich über den Rand der roten Plastiksitze nach unten. Ich starrte genau auf den geschwärzten Teil des zerstörten Rings. Erleichtert ließ ich, laut hörbar, die angehaltene Luft aus meinen Lungen entweichen. Ich dankte dem Ameisenwesen für den Treffer, der mir nun unverhofft das Leben gerettet hatte. Ich zuckte erschrocken zusammen als der Ring sich noch einmal weiter bewegte. Ein Zittern ließ ihn erbeben als kämpfe er gegen eine unsichtbare Kraft an, die ihn festhielt.

Wahrscheinlich suchte sich die aufgestaute Energie, die nicht mehr abgestrahlt werden konnte, einen anderen Weg. Blitze und Entladungen zuckten auf. Ehe mir klar wurde was gleich passieren würde, explodierte einer der Zacken. Ein Lichtblitz blendete mich. Ohrenbetäubender Lärm hallte durch das Stadion. Noch bevor ich wieder in Deckung gehen konnte wurde ich von einer Druckwelle erfasst. Ich segelte durch die Luft. Wild mit den Armen rudernd sah ich einen Betonpfeiler auf mich zukommen. Mit voller Wucht prallte ich mit ihm zusammen. Schmerzen durchfuhren meinen Körper, es wurde dunkel um mich herum und ich verlor das Bewusstsein.

Kapitel 2

Undurchdringliche Schwärze, eintöniges Rauschen, Schmerzen. Mir wurde allmählich bewusst, dass ich noch unter den Lebenden weilte. Aus der Dunkelheit schälten sich hellere Flächen heraus, Umrisse wurden erkennbar. Das Stadion!

In zähen Tropfen kehrte die Erinnerung in meinen brummenden Schädel zurück. Ich versuchte meinen schmerzenden Körper zu bewegen. Betonbrocken und anderer Schutt polterten von mir herunter. Die dazu passenden Geräusche drangen nur dumpf durch das Rauschen in meinen Ohren. Die Explosion hatte wohl mein Gehör in Mitleidenschaft gezogen, dass ich überhaupt noch etwas hören konnte war wohl ein gutes Zeichen.

Vorsichtig erhob ich mich. Bevor meine zitternden Beine ihren Dienst versagten, ließ ich mich in einen der Sitze fallen, die das Inferno auf wundersame Weise unbeschadet überstanden hatten. Erleichtert merkte ich wie sich mein Sehvermögen wieder besserte.

Nur noch einer der vielen Flutlichtmasten war in Betrieb. Der Lichtkegel erleuchtete einen kleinen Teil des Spielfeldes und tauchte den Rest des Stadions in gespenstige Schatten.

Vereinzelt sah ich die Schemen anderer Zuschauer. Puh, ich war zum Glück nicht der einzige Überlebende. Ich wollte um Hilfe rufen, brachte aber nur ein heiseres Krächzen heraus. In der Totenstille, die im Stadion herrschte, hätte mich trotzdem jemand müssen. Aber keiner der Schatten bewegte sich. Eine dichte Staubwolke wehte über die Tribüne hinweg. Als ich wieder etwas sehen konnte waren auch die Schatten verschwunden. Lag es an meinen getrübten Sinnen, oder ging hier etwas Seltsames vor?

Über dem Spielfeld hing noch immer der große Bildwürfel. Eines der Verbindungsseile war gerissen. Der übergroße Monitor hing schief und schaukelte im Wind. Zu meinem Erstaunen funktionierte er noch immer. Er zeigte die Stelle des Spielfeldes, die noch immer beleuchtet wurde und die Uhrzeit.

Wow, das war doch nicht möglich. Ich schaute auf die Uhr an meinem Handgelenk. Sie zeigte das gleiche an. Ich war fast eine Stunde bewusstlos gewesen.

Ich untersuchte meinen geschundenen Körper. Keine ernsthaften Verletzungen. Nur meine linke Schulter schmerzte höllisch wenn ich den Arm bewegte. Noch mal Glück gehabt.

Neben mir auf der Treppe lag etwas, dass meine Aufmerksamkeit erregte. Ich rappelte mich auf, um nachzusehen.

Das Pad! Kaum zu glauben: außer einem kleinen Sprung in einer der Ecken was das Teil unversehrt.

Tekla!

Wie durch eine geöffnete Schleuse strömten meine Erinnerungen.

Ich schob das Pad in den Hosenbund und stolperte mehr als dass ich ging die Gasse entlang. Ohne das Geländer hätte ich die Treppe nicht bewältigen können. Unten angekommen musste ich mich erst orientieren. Schon von hier aus konnte ich sehen, dass von der Betonumrandung, hinter der wir Schutz gesucht hatten, nicht mehr viel übrig war. Ich bahnte mir einen Weg durch die Trümmer. So schnell mich meine zitternden Beine tragen konnten wankte ich auf unsere Deckung zu. Einmal klappte ich zusammen und brauchte einige Minuten, um wieder genügend Kräfte zu sammeln.

„Tekla!“ rief ich heiser als ich schon ziemlich nahe war. Keine Antwort, Scheiße.

Endlich hatte ich mein Ziel erreicht. Unter den Trümmern konnte ich die Farben des Mannschaftstrikots erkennen. Mit klopfendem Herzen machte ich mich daran, die Betonbrocken zur Seite zu räumen. Der Körper darunter bewegte sich.

„Tekla!“

„Lennox, bist du das?“

„Ja, warte.“ Ich ackerte, um das Mädchens frei zu legen.

„Scheiße, wo warst du denn so lange?“, fragte sie benommen.

„Die Explosion von dem Ufo hat mich vor eine Wand geknallt. Da bin ich liegen geblieben und habe erst mal ne Runde gechillt.“

„Ich dachte schon, ich muss hier abkacken.“ Tek versuchte mühsam den Oberkörper aufzurichten. Ich half ihr so gut ich konnte. Meine Schulter brannte wie Feuer. Mit zusammen gebissenen Zähnen machte ich weiter und entfernte weitere Trümmerteile.

„Nur gut, dass ich nicht im letzten Sommer in so eine Lage geraten bin, da hättest du mich bestimmt nicht ausgebuddelt.“ Sie kicherte kurz, dann bekam sie einen Hustenanfall. Kein Wunder bei der staubigen Luft.

„Stimmt, da hätte ich sogar noch einige Steine drauf gepackt.“

Ich erinnerte mich nur zu gut an den letzten Sommer. Tekla war zu dieser Zeit die von mir am meisten gehasste Person auf dem Campus. Sie hatte es geschafft, Professor Dunkel-Heusel von diesem Platz zu verdrängen.

„Hammer! Ich wusste nicht, wie heftig es war. Nur weil ich mich an Noah ran gemacht habe? Ich hatte echt nicht geschnallt, dass du hinter ihm her warst.“

„Der Nullchecker hat es bis heute noch nicht gemerkt“ grummelte ich.

„Nur seinen Sport im Kopf. Wir sind viel zu gut für diesen Vollpfosten“ schimpfte Tek.

Ich musste lachen. Zuerst hatten wir uns wegen Noah angefeindet, dann waren wir als Verschmähte die dicksten Freunde geworden.

„AUA! Vorsicht, meine Bein.“ Ich wuchtete den letzten der großen Brocken hoch und warf ihn soweit ich konnte zur Seite.

In einem Katastrophenfilm war diese Stelle, an der jemand unter einem Trümmerstück eingeklemmt war, sagen wir: heiß. Der Held musste sich - meist unter Zeitdruck - etwas einfallen lassen, um die Person im letzten Moment zu retten. Mit einigen meist zu gut aussehenden Wunden im Gesicht und im schlimmsten Fall einem verstauchten Knöchel kamen sie davon.

Im echten Leben war das anders. Weder romantisch noch sexy.

Ich starrte auf die rostige Eisenstange, die Teklas linken Oberschenkel durchbohrt hatte. Getrocknetes Blut färbte die Jeans und den Boden darunter in einem dunklen Rot.

Zuerst war ich geschockt, dann aber doch eher erleichtert weil Tek relativ wenig Blut verloren hatte.

„Scheiße, wie ist das denn passiert?“

„Ich dachte nur unter Trümmern begraben zu werden ist etwas langweilig. Da habe ich mir das als Highlight ausgedacht“ beantwortete Tek meine Frage sarkastisch. Ich musste Grinsen. Wenn sie schon wieder so mies drauf seine konnte war noch nicht alles verloren. Sie rutschte ein wenig zurück, um sich mit dem Rücken gegen den unbeschädigten Teil des Betonsockels zu lehnen.

Dabei brach die Wunde wieder auf. Ein Rinnsal frischen Blutes lief am Hosenbein hinunter.

Den Schmerz unterdrückend presste sie keuchend die Zähne aufeinander.

„Sieht schlimm aus, was? Kannst du das Teil irgendwie raus ziehen?“

Die geriffelte Stange hatte das Bein durchbohrt und ragte an beiden Seiten eine Handbreit heraus. An dem einen Ende hafteten noch kleine Betonbrocken, das andere war total verbogen.

„Auf keinen Fall! Da brauche ich erst einen Bolzenschneider oder so was.“

Aus dem Augenwinkel sah ich etwas über den beleuchteten Teil des Spielfeldes huschen. Für einige Sekunden war die Gestalt auf dem schief hängenden Bildschirm zu erkennen. Ich sprang auf und winkte hektisch mit den Armen. Das hätte ich lieber bleiben lassen. Ein höllischer Schmerz durchzuckte die verletzte Schulter.

„Hey, hier sind wir. Hier oben! Wir brauchen Hilfe!“

Tekla zerrte an meinem Hosenbein.

„Bist du total bekloppt, Alter? Wenn das eins von den Aliens ist?“

Ich ging in die Hocke und grinste sie breit an.

„Ich glaube nicht, dass eines der Dinger so schnell Footballfan geworden ist und sich in ein Trikot gezwängt hat. Schon gar nicht in eines unserer Mannschaft, das machen doch nur Loser wie du.“

Tekla schaute mich mit zusammen gekniffenen Augen an und holte aus. Ich wich zurück.

„Nicht auf den Arm! Der ist sowieso schon hinüber. Ich mache mich mal vom Acker und hole Hilfe.“

„Okay, ich bewege mich nicht von der Stelle und warte hier auf dich.“

„Du kannst hier genau so wenig weg wie Leonardo als er an dieses Rohr gekettet war. Da fand ich den Satz schon reichlich bescheuert.

„Du hast auch ‚Titanic‘ gesehen?“

„Äh, nur diese eine Stelle.“

„Na, aber sicher doch.“

„Ich bin so schnell wie möglich mit Hilfe zurück. Ach, hier“ ich zog das Pad aus dem Hosenbund.

„Das funktioniert ja noch! Lennox, du bist der größte.“ Tek presste das Pad an ihre Brust und lächelte mich glücklich an. Dann schloss sie erschöpft die Augen. Ich schlich leise davon.

Vorsichtig machte ich mich durch das Halbdunkel auf den Weg nach unten. Überall war dieser rote Staub. Manche von der Zerstörung verschont gebliebenen Sitze waren fast gänzlich darunter begraben. Ich nahm eine Handvoll von dem Zeug. Es fühlte sich an wie feinster Sand, rieselte durch meine Finger und wurde von einem Windstoß davon geweht. Sand war kühl, dieses rote Pulver fühlte sich irgendwie warm und weich an.

Je tiefer ich kam, desto dicker wurde die Schicht auf den Treppenstufen. Meine Schritte knirschten als würde ich durch frisch gefallenen Schnee laufen. Nachdem ich endlich unten angekommen war wurde es noch unheimlicher.

Das Spielfeld erinnerte mich an Aufnahmen der Marsoberfläche. Einige längliche Hügel rechts von mir ließen erahnen, was da unter dem roten Staub verborgen war. Ein Schauer durchrieselte mich. Zu deutlich waren die Umrisse menschlicher Körper zu erkennen. Behutsam ging ich weiter.

Das Ufo hatte sich beim Absturz bis zur Hälfte in den Boden gebohrt. Der noch sichtbare Teil ragte schräg daraus empor. Ich kam auf meinem Weg ziemlich nahe an dem außerirdischen Fluggerät vorbei. Nun, da es nicht mehr in dem hellen blauen Licht strahlte, sah es nicht mehr so erhaben und anmutig aus. Seine Hülle bestand aus einem schmutzigen, dunkelgrünen Material. Der schwebende Ring hatte sich in der Ausbuchtung zwischen den beiden Scheiben verkeilt. Er war viel dicker und breiter als ich gedacht hatte. Die einzelnen Spitzen waren alles andere als Strahlen einer Sonne. Eine Vielzahl unterschiedlichster Bauteile türmte sich zu einem Pyramidenartigen Gebilde auf, aus deren Spitze ein längliches Rohr herausragte. Noch immer flimmerte ein magentafarbenes Lichtspiel in seinem Inneren.

Ich machte einen großen Bogen um den unheimlichen Waffenring.

Ich fühlte mich wie auf einem fremden Planeten. Das außerirdische Fluggerät neben mir. Die Stille. Der rote, staubbedeckte Boden lag unberührt vor mir. Ich kam mir vor wie das erste menschliche Wesen in einer unbekannten Welt.

Als ich in den von einem einsamen Flutlichtmast erhellten Bereich trat, sah ich die Abdrücke von Sportschuhen. Sie führten in Richtung der Mannschaftsräume.

Genau dahin wollte ich auch. Ich folgte den Spuren, die zu meiner Erleichterung eindeutig ein menschliches Wesen hinterlassen hatte. Der Untergrund wurde uneben und hügelig.

Über mir erklang ein unheilvolles Scheppern. Erschrocken blickte ich nach oben. Aber da war nichts zu sehen. Ich befand mich genau an der Stelle, wo das ameisenähnliche Alien mit dem Stadiondach in die Tiefe gestürzt war. Mit unsicherem Blick meine Umgebung erforschend ging ich weiter.

Unter meinem linken Fuß gab etwas nach. Ich geriet ins Stolpern und fiel hin. Als ich mich wieder aufrappelte sah ich worüber ich ins Straucheln geraten war. Unter den Trümmern hatte der Wind einen Teil des Alien Körpers frei gelegt. Eigentlich erkannte ich es nur an seiner fremdartigen Kleidung und der Hand, die aus dem roten Staub herausragte.

Die Finger waren kürzer und zierlicher als meine und wirkten fast menschlich. Der Eindruck wurde aber von zwei kräftigen Daumen zu Nichte gemacht. Die Hand war erstaunlich symmetrisch. Daumen, vier Finger, Daumen.

Ein guter Filmemacher hatte mal gesagt, dass es uns Menschen unheimlicher erscheint wenn etwas oder jemand nur eine Kleinigkeit von der Norm abweicht als etwas völlig Fremdes.

Hier war es genauso. Hätte das Alien drei große Klauen oder Tentakel als Greifwerkzeuge besessen, hätte mich das nicht so außer Fassung gebracht wie eine fast menschliche Hand mit einem zusätzlichen Daumen.

Ich musste mich zwingen nicht länger auf das tote Wesen zu starren. Der Tunnel zu den Mannschaftsräumen, der unter der Tribüne hindurch führte war nicht mehr weit. Ich stapfte tapfer weiter durch den pulverartigen Sand. Als ich den Eingang erreicht hatte starrte ich in die dunkle Unterführung hinein. Eine Leuchtstoffröhre, nur noch an dem Kabel der Zuleitung hängend, baumelte von der Decke. In einer ganzen Reihe von Leuchtkörpern war sie die einzige, die noch, wenn auch gelegentlich flackernd, Licht spendete. Durch die Bewegung wanderten bizarre Schatten über die Wände. Ich konnte nicht weiter als bis zu der Leuchtstoffröhre in den Gang hinein sehen. Alles was dahinter war blieb mir verborgen.

Was, wenn sich da drinnen noch eines der Aliens aufhielt? Ein kalter Schauer rieselte mir den Rücken entlang. Ich sah mich nach etwas um, dass ich als Waffe benutzen konnte. Mein Blick fiel auf einen der länglichen Hügel unter dem sich schwach die Konturen eines Menschen abzeichneten. Das musste einer der Polizisten sein, der sich an den Außerirdischen heran geschlichen hatte. Ich ging hinüber und suchte nach seiner Knarre. Ganz wohl war mir dabei nicht. Aber noch weniger gefiel es mir, völlig wehrlos einem dieser Aliens gegenüber zu treten. Nach einigem Suchen fand ich tatsächlich eine Pistole. Es war das erste Mal, dass ich so ein Teil in den Händen hielt. Bevor ich mich in den dunklen Gang wagte sollte ich wohl besser erst einmal testen wie man damit umging.

In Filmen hatte ich das schon tausendmal gesehen, so schwer konnte es also nicht sein. Ich zielte auf etwas im meiner Nähe und wollte meinen ersten Schuss abgeben, aber der Abzug bewegte sich keinen Millimeter.

Na klar, die Waffe war bestimmt noch gesichert. Ich fand etwas, das sich bewegen ließ und drückte es nach unten. Das Magazin flutschte aus dem Griff. Mit einem dumpfen Geräusch landete es genau vor meinen Füssen. Scheiße!

Na ja, durch dieses Missgeschick stellte ich immerhin fest, dass ich genug Munition hatte. Ich steckte das Magazin wieder an seinen Platz zurück. Nach einigem Suchen fand ich an der Seite der Pistole einen kleinen Hebel. Noch einmal suchte ich mir ein Ziel. Dieses Mal blockierte der Abzug nicht.

Klick!

Verdammt, war die Knarre im Arsch oder was? Ich dachte angestrengt nach. Sicherung, Munition, in den Filmen machten die doch noch was. Entsichern und durchladen.

Na toll, aber wie? Ich hantierte ungeduldig an der Waffe herum. Aha, das Oberteil ließ sich nach hinten ziehen. Mit einem leisen Klacken schnellte es wieder nach vorn.

Nächster Versuch. Ein lauter Knall. Der harte Ruck riss meine Hand nach oben. Etwas wurde getroffen und fetzte auseinander. Und das alles geschah irgendwie gleichzeitig.

Erschrocken rieb ich mein schmerzendes Handgelenk. Scheiße, dabei konnte man sich ja was verstauchen. So eine Knarre war ja voll gefährlich und bei weiten nicht so spielerisch zu handhaben wie es auf der Kinoleinwand aussah. Okay, ich würde die Pistole beim nächsten Schuss wohl besser mit beinen Händen halten.

Ich stand wieder vor dem Tunnel und atmete tief ein. Was würde mich in der Dunkelheit erwarten? Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Erneut knirschte und knackte etwas bedrohlich über mir. Es gab einen lauten Knall, dann ein Sirren in der Luft. Erschrocken wirbelte ich herum und starrte nach oben.

Zum Glück erfüllten sich meine schlimmsten Befürchtungen nicht. Es war weder eines der leuchtenden Fluggeräte am Himmel aufgetaucht, noch eine der Kapseln auf dem Boden eingeschlagen.

Eines der Stahlseile hatte sich gelöst. Der Bildschirmwürfel sackte ein Stück in die Tiefe. Durch den Ruck rissen zwei weitere Kabel aus den Verankerungen. Der Würfel bewegte sich wie ein übergroßes Pendel genau in meine Richtung. Zunächst noch träge, dann aber schnell an Geschwindigkeit zunehmend schwang er durch die Luft.

Ich rannte los. Die dicke Schicht von rotem Staub bremste meinen verzweifelten Lauf. Ich setzte meine letzten Kräfte ein, um in den Tunnel zu gelangen.

Im gleichen Moment, in dem ich den Eingang erreichte krachte die Konstruktion aus Stahl und übergroßen Bildschirmen mit einem ohrenbetäubenden Getöse zu Boden.

Ich spürte die Erschütterung durch die Sohlen meiner Schuhe. Eine dichte Staubwolke schoss in den Tunnel. Hustend und nach Luft ringend lehne ich mich mit dem Rücken an die Wand, die Armbeuge vor den Mund gepresst. Nur mühsam konnte ich durch den Stoff meiner Jacke atmen.

Als der Staub sich etwas gelegt hatte schaute ich nach draußen. Genau dort, wo ich eben noch gestanden hatte war alles verwüstet. Der letzte noch unzerstörte Bildschirm explodierte. Glas, Funken und Elektronikteile flogen in alle Richtungen durch die Luft. Elektrische Entladungen zuckten an den Metallstreben entlang. Dann wurde es wieder ruhig.

Der aufgewirbelte Staub mischte sich mit dem schwarzen Rauch, der von dem Trümmerhaufen aufstieg.

Erst jetzt bemerkte ich wie meine Beine zitterten. Ich rutschte an der kühlen Wand entlang bis mein Hinterteil den Boden berührte.

Hatte sich denn heute alles gegen mich verschworen? Schon zum zweiten Mal war ich dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. War das Pech? Oder etwa Glück, weil mich der Sensenmann schon zweimal verpasst hatte?

Ich konnte endlich wieder frei durchatmen. Mein rasender Pulsschlag beruhigte sich ein wenig. Ich blieb noch eine Weile sitzen, um neue Kräfte zu sammeln, dann rappelte ich mich wieder auf. Noch immer ein wenig wacklig auf den Beinen, die Pistole in der rechten Hand, machte ich mich daran, das Innere des Tunnels zu erkunden.

Nachdem ich an der schaukelnden Leuchtstoffröhre vorbei war umfing mich tiefste Dunkelheit. Vorsichtig tastete ich mich weiter. Nach einigen Schritten machte ich einen matten Lichtschein aus. Leise schlich ich darauf zu.

Ich kam zu einer Kreuzung. Der Gang zu meiner linken war schwach erleuchtet. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Hier würde ich mich zuerst umsehen.

Duschen, Toilette, Umkleideraum für die Spieler und eine Abstellkammer.

Ich konnte mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es im gegenüber liegenden Gang nicht anders aussah. Da ich hier nichts Brauchbares gefunden hatte konnte ich mir eine Suche in der Dunkelheit wohl sparen. Ich tastete mich weiter den Hauptgang entlang. Mein Glück, dass ich nur im Schneckentempo vorankam, sonst wäre ich vor die Schwingtür geknallt, die mir plötzlich den Weg versperrte. Als ich hindurch ging änderte sich die Geräuschkulisse. Ich musste einen großen Raum betreten haben. Einen Gemeinschaftsraum, eine Empfangshalle oder so was. Meine Schritte hallten dumpf von den weit entfernten Wänden zurück.

Ich tastete über die Flächen neben der Tür und fand einen Schalter. Ein tiefes Brummen ertönte. Für eine Sekunde flammte eine Leuchtplatte an der hohen Decke auf. Es gab einen Knall und das Teil explodierte. Ich hörte wie die Glassplitter auf den Boden rieselten. Der unerwartete Lichtblitz hatte mich zwar geblendet, aber in der knappen Sekunde hatte ich erkennen können, dass ich mich wirklich in einer Halle befand.

Ich fragte mich, wo die Person geblieben war, die ich auf dem Spielfeld gesehen hatte.

Bei meiner Suche war mir niemand begegnet. Keine ungewöhnlichen Geräusche oder andere Anzeichen, dass außer mir jemand hier war.

Hatte der Spieler das Stadion schon längst verlassen? Lauerte hier etwa eines der Aliens? War er längst zu seinem Opfer geworden und mich erwartete ein ähnliches Schicksal?

Meine Gedanken überschlugen sich. Die wildesten Theorien schossen mir durch den Kopf.

In diesem Moment erfüllte wieder dieses Brummen die Luft. Eine Leuchtplatte am anderen Ende der Halle begann flackernd ihren Zweck zu erfüllen.

Genau vor mir zeichnete sich ein dunkler Schatten ab. Größer als ich, mit bizarren, eindeutig nicht menschlichen Konturen, eine Extremität erhoben, um auf mich einzuschlagen. Noch eine Art von Alien?

Reflexartig ruckte meine Rechte mit der Waffe nach oben. Ich ignorierte den Schmerz in meiner linken Schuler und umklammerte die Knarre mit beiden Händen. Mein Zeigefinger berührte den Abzug. Ich zielte und schoss.

Kapitel 3

Die Waffe ruckte nach oben. Ein hohes Sirren durchschnitt die Luft. Ich zielte erneut und berührte den Abzug. Wieder dieses Geräusch. Irgendwo zersplitterte eine Glasscheibe.

Klick.

Klick.

Scheiße, keine Munition mehr.

Groß und furchteinflößend stand das Alien noch immer vor mir. Es hatte sich nicht von der Stelle gerührt, obwohl es mich mit Leichtigkeit hätte angreifen können. Blieb mir das Glück auch weiterhin treu und bot sich mir die Möglichkeit zur Flucht?

Hinter mir ertönte ein tiefes Brummen. Verdammt, eine Falle! Der Außerirdische war nicht allein.

„Weg mit der scheiß Waffe.“ Die Stimme klang dumpf, nuschelnd und hohl.

Das war‘s. Ich ließ die Pistole fallen und hob die Hände. Ein Teil der Deckenbeleuchtung flammte auf. Ich riss ungläubig die Augen auf. Nein, das war unmöglich. Vor mir stand kein Alien. Ich hatte auf eine Bronzestatue geballert. Die Nachbildung eines Spielers, der ausholte, um den Football in seiner Hand zu werfen. Kein Wunder, dass Querschläger durch die Luft gepeitscht waren. Ich konnte froh sein mich nicht selbst verletzt zu haben.

Langsam drehte ich mich um. Geschockt, mit offenem Mund und erhobenen Händen erstarrte ich. Ich wagte kaum Luft zu holen, geschweige denn mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Im Halbdunkel stand ein echter Footballspieler in voller Montur. Das Trikot der Uni-Mannschaft war verdreckt und an einigen Stellen verbrannt. Die Hose zerrissen. Wer sich unter dem Helm verbarg war nicht zu erkennen.

Aber dieser Anblick war es nicht, der mich vor Angst erstarren ließ. Mit beiden Händen hielt der Sportler einen schwarzen Stab umklammert. Das Teil war bis hinunter zum Griff von einem flimmernden Kraftfeld umgeben. Was immer dieses Ding auch sein mochte es sah gefährlich aus. Auf den ersten Blick hatte es Ähnlichkeit mit einem Lichtschwert aus den Science-Fiction-Filmen von George Lucas.

Ich weiß nicht wie lange wir nur so dastanden und uns anstarrten. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, aber in Wirklichkeit waren es bestimmt nur ein paar Sekunden.

Der blaue Lichtschein erlosch. Der Unbekannte ließ den Stab sinken und nahm den Helm ab. Das kurze, hellblond gefärbte Haar stand in starkem Kontrast zu dem dunklen wie aus Ebenholz geschnitzten Gesicht.

„NOAH!“ Ich rannte los und umarmte den fast einen Kopf größeren Kerl. Er roch nach Schweiß und verbranntem Stoff. Neben mir polterte der Helm zu Boden. Mit der freien Hand wuschelte er mir durchs Haar.

„Alter, ich hätte dich fast platt gemacht! Nur gut, dass mir noch rechtzeitig deine grüne Matte aufgefallen ist. Warum ballerst du hier eigentlich wie wild in der Gegend rum?“ Noah packte meine Schulter und schob mich von sich weg.

„Im Dunkeln sah das Ding da aus wie einer der Außerirdischen“ rechtfertigte ich mich.

„Was‘n das für‘n Teil?“ Ich zeigte auf den schwarzen Stab in seiner Hand.

„Eine Waffe von den Käfer-Dingern. Ich habe zwar noch nicht raus wie man damit schießt, aber das ist auch nicht schlecht. Pass auf!“

Noah hob die Alien-Waffe und fingerte daran herum. Das tiefe Brummen ertönte und der blaue Lichtschein umhüllte wieder den oberen Teil des schwarzen Stabes. Er ging zu der Statue hinüber. Meine Kugeln hatten der Bronze nur kleine Kratzer verpasset. Noah holte aus und schlug zu. Das Brummen der Waffe wurde für einen Moment lauter. Lichtblitze zucken als sie auf das Metall traf.

„Wow!“ Staunte ich als der obere Teil der Statue polternd zu Boden krachte.

„Ich weiß nicht, ob das tatsächlich für den Nahkampf gedacht ist oder ein Schutzschild für die Waffe.“ Noah drückte auf einen Kontakt. Das Leuchten erlosch wieder. Grinsend kam er auf mich zu.

„Nicht schlecht, was? Aber noch besser wäre es wenn ich herausfinde wie man mit dem Teil schießt. Hier halt mal.“

Er drückte mir die Alien-Waffe in die Hand. Das Ding war so lang wie mein Arm und etwa ebenso dick. Durch das kaum vorhandene Gewicht fühlte es sich an als handle es sich um ein billiges Spielzeug aus Plastik. Fehlte nur noch die Aufschrift MADE IN TAIWAN. Die fremden Zeichen (oder waren es Verzierungen?) und die bizarre Anordnung kleinster Bauteile verstärkten diesen Eindruck.

Obwohl ich die Waffe schon in Aktion gesehen hatte, konnte ich kaum glauben, dass dieses Ding in meiner Hand so eine Zerstörungskraft besaß. Ich war enttäuscht. Es war ganz anders als in meiner Vorstellung. Ich hatte etwas Schweres erwartet, kaum zu tragen mit blinkenden Lichtern, einer holografischen Zielvorrichtung und so was.

„Na endlich!“ Noah wühlte schon die ganze Zeit wie ein Besessener in einem der Schränke herum. Triumphierend kam er mit einem Karton zurück.

„Hier, Kermit.“ Der Kerl war der einzige, der mich so nannte. Er reichte mir eine Taschenlampe. Handlich, LED-Technik, mit viel Schnick-Schnack wie verschiedenen Farben, Lichtmuster und so was. Ich wusste das aus der Werbung, die pausenlos im Stadion gelaufen war.

„Werbegeschenk von unserem Sponsor.“

„Dachte ich mir schon. Die Firmenlogos sind ja kaum zu übersehen.“ Noah zuckte nur mit den Schultern. Nachdem er sich auch eine der Lampen aus dem Karton gegriffen hatte, nahm er mir die Waffe aus der Hand und machte sich in Richtung der Tür davon. Ich rannte ihm hinterher.

„Hey, warte mal!“ Ich packte ihn am Ärmel des Trikots. Ratsch. Der an gekokelte Stoff riss. Verdutzt stand ich mit dem Rest des Ärmels in der Hand da.

„Was?“ Noah blieb stehen.

„Mann Alter, wohin willst du?“

„Na ich will in unsere Mannschaftsraum, um meine Klamotten zu holen. Die hier sind echt hinüber.“ Vorwurfsvoll schaute er auf den abgerissenen Ärmel in meiner Hand.

„Nein, ich meine: was ist passiert? Wo sind die ganzen Leute geblieben? Warum bist du als einziger noch hier im Stadion?“ sprudelte es aus mir heraus.

„Die Aliens, weißt du noch? Rumgeballere, Laserstrahlen und so.“

„Ja sicher, aber als das UFO-Dings explodiert ist hat es mich aus den Socken gehauen. Ich war für fast ne Stunde bewusstlos.“

„Sorry, da weiß ich leider auch nicht viel mehr als du.“ Noah zuckte wieder mit den Schultern.

„Auf dem Spielfeld herrschte Chaos. Ich war hinter der Mannschaftsbank in Deckung gegangen als das Ufo-Teil in die Luft ging. Mir is nix passiert aber ich wurde unter einem Berg von Trümmern begraben. Zuerst hörte ich noch komische Geräusche und Schreie, dann wurde es total still. Niemand kam, um mir zu helfen. Ich weiß nicht wie lange ich gebraucht habe, um mich da raus zu graben. Das Stadion war verwüstet und leer. Auf meinem Weg hierher stolperte ich über die Alien-Waffe. Ich wollte meine Klamotten holen da hörte ich einen Schuss. Erst versteckte ich mich hier, den Rest kennst du ja.“

Ich nickte. Hastig berichtete ich von meinen Erlebnissen und dem Grund warum ich mich hier hinein gewagt hatte.

„Tek muss schnellstens in ein Krankenhaus. Allein kann ich sie nicht die Tribüne herunter tragen. Du musst mir helfen.“

„Krass Alter, besser wir beeilen uns.“

Noah schaltete seine Taschenlampe ein und marschierte los. Als wir an der Kreuzung angekommen waren, an der die Gänge zu den Mannschaftsräumen abzweigten bog er in einen dunklen Flur ab.

„Hey, wo willst du denn hin?“

„Immer noch meine Klamotten holen, was sonst?“

Mit einem Seufzer folgte ich dem Sportler. Irgendwie war es hier wärmer als im restlichen Teil der Anlage. Als Noah die Tür mit dem Uni-Logo öffnete schoss eine Flamme in den Flur. In dem Raum dahinter wütete ein mörderisches Feuer.

„Scheiße!“ keuchte Noah geschockt.

Gemeinsam stemmten wir uns gegen die Tür. Sollte das Feuer in den engen Flur gelangen würde hier alles in Flammen aufgehen. So zögerten wir das Unvermeidliche hoffentlich noch hinaus bis wir von hier verschwunden waren. Schnaufend lehnten wir uns gegen die Tür.

„Ging ja gerade noch mal gut, aber meine Sachen kann ich wohl vergessen“ brummelte Noah missmutig.

In meinem Rücken breitete sich eine angenehme Wärme aus.

„Da drüben ist noch alles in Ordnung. Da habe ich erst vor kurzem nachgesehen. Vielleicht finden wir da was für dich.“ Ich nickte mit dem Kopf zu dem noch immer schwach erleuchteten Gang herüber.

„Okay, hier wird es mir sowieso zu heiß“ meinte Noah trocken.

Wir grinsten uns an und rannten los. Keine Ahnung wieviel Zeit uns noch blieb da konnte es nicht schaden sich zu beeilen.

In der Umkleide des Gegners angekommen warf Noah die Waffe auf eine Bank. Er riss sich das Trikot herunter, kickte die Schuhe von den Füßen und verschwand in der Dusche.

„Kermit, sieh mal nach, ob du Klamotten für mich findest“ hörte ich seine tiefe Stimme durch das rauschende Wasser. Ich hasste es, wenn er mich so nannte. Nur weil ich mir die Haare grün färbte sah ich noch lange nicht aus wie ein Frosch. Grummelnd durchsuchte ich die offenen Spinde.

Alles was mir passend schien warf ich auf die Bank gleich neben die Alien-Waffe. Als ich an der offenen Tür vorbei kam schielte ich in die Dusche. Der dunkelhäutige Sportler drehte sich mit geschlossenen Augen unter dem dampfenden Wasserstrahl. Noah hatte die schlanke Figur eines trainierten Läufers. Kleine Rinnsale flossen über seine breite Brust, umspülten die sanften Hügel des ausgeprägten Sixpacks. Bevor ich noch mehr sehen konnte drehte er sich weiter. Unter der nassen Haut bewegten sie die gestählten Muskeln. Die runden Pobacken und die kräftigen Oberschenkel reichten schon, um mein Herz schneller schlagen zu lassen.

Ich ließ mich auf die Bank plumpsen, schloss die Augen und versuchte meine Erregung zu bändigen.

„Hey Alter, träumst du?“ Erschrocken riss ich die Augen auf. Noah stand vor mir, mit einem großen, weißen Badetuch trocknete der gut gebaute Kerl sich ungeniert vor mir ab. Natürlich dachte er sich nicht dabei sich vor einem anderen Jungen nackt zu zeigen.

Ahnte er denn nicht, was für Gefühle er damit bei mir auslöste? Oder machte er das sogar absichtlich?

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Vergiss es, Lennox! Bis zum heutigen Tag hatte Noah nicht im Geringsten auf meine Annäherungsversuche reagiert. Auf die von Tek aber auch nicht, ging es mir durch den Kopf. Für eine Sekunde wogte eine Welle der Hoffnung in mir empor.

Mach dir nix vor! Der Kerl hält dich nur für seinen besten Freund, der denkt sich nix dabei.

Zu meiner Erleichterung zog sich Noah rote Retroshorts mit weißen Streifen an den Seiten an.

Aus dem Haufen von Kleidungsstücken, die ich zusammengesucht hatte, fischte er sich eine Jeans heraus. Danach streifte er ein (meiner Meinung nach) viel zu enges Sweatshirt über. Es betonte die Muskeln seines schlanken Oberkörpers auf fast obszöne Weise. Genau dieser Umstand schien Noah besonders gut zu gefallen.

Er setzte sich neben mich und schnupperte an den weißen Sportschuhen. Angewidert verzog er das Gesicht.

„Alter, ich glaub‘s nicht.“ Mit spitzen Fingern schleuderte er die Treter weit von sich. Seine zweite Wahl waren ein paar blaue Sneakers. Die knöchelhohen Teile passten wie angegossen. Mit einer braunen Vintage-Lederjacke, die aussah als habe ein Pilot aus den 1920-er Jahren sie eben erst ausgezogen, war sein Outfit komplett.

Noah suchte in den Spinden herum bis er eine große Umhängetasche gefunden hatte. Er schüttete den Inhalt auf den Boden.

„Hm, nicht viel Brauchbares dabei“ brummte er vor sich hin. Er bückte sich und hob eine kleine Billardkugel auf, an der ein Schlüssel baumelte. Beides verschwand in seiner Hosentasche.

„Hier, die nehmen wir mit.“ Noah warf mir die Tasche zu, griff sich die Alien-Waffe und ging zur Tür.

„Was ist Kermit? Kommst du, oder was?“

Ich sprang auf, hängte mir die Tasche um und folgte dem schnell davon eilenden Sportler. An der Gangkreuzung bog er nach links ab.

„Hey Noah, was ist denn nun schon wieder? Nach draußen geht es in die andere Richtung.“

„Ich weiß, Bro. Aber wenn wir Tekla helfen wollen brauchen wir noch ein paar Sachen.“

Kopfschüttelnd folgte ich ihm. Wir betraten erneut die Halle. Noah steuerte auf eine Tür an deren Rückseite zu, die mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet war. Nun ging mir ein Licht auf.

Wir traten ein. Zum Glück hatten wie die Taschenlampen, denn auch hier funktionierte die Beleuchtung nicht mehr.

Der weiße Raum war eingerichtet wie alle anderen Erste-Hilfe-Bereiche: eine Liege, Tisch, Stuhl, Schränke an den Wänden. Noah zerrte eine Decke von der Liege und gab sie mir. Während ich sie in die Tasche stopfte machte er sich an einem der Schränke zu schaffen.

„Scheiße, verschlossen! Leuchte mir mal!“

Noah versuchte es mit allem, was er finden konnte aber die verstärkten Metalltüren gaben nicht nach. Schmunzelnd beobachtete ich wie sich der kräftige Bursche abmühte und leuchtete brav weiter. Fluchend drehte er sich zu mir um.

„Was gibt‘s da zu grinsen? Du bekommst das scheiß Ding auch nicht auf“ maulte er.

„Hm“ machte ich nur.

„Niemals! Da halt ich jede Wette!“

„Du wissen, deine Kraft gebrauchen richtig du musst.“

„WAS?“ Noah starrte mich verdattert an. Ich griff nach der Alien-Waffe, die er auf der Liege abgelegt hatte. Ich musste nicht lange suchen, bis ich den Kontakt gefunden hatte. Das Leuchten tauchte den Raum in bläuliches Zwielicht. Zweimal holte ich aus und die Metalltüren polterten zu Boden.

„Du sehen, junger Schüler?“ fragte ich stolz während ich mit einer theatralischen Geste das Teil wieder ausschaltete. Noah grinste breit, legte die Hände flach aneinander und verbeugte sich.

„Ja, Meister! Möge die Kraft immer mit dir sein!“

„Na ja, fast richtig, aber Macht nix.“ Ich schüttelte selbst den Kopf über den schlechten Joke, den ich da rausgehauen hatte. „War doch ganz schön schlau, oder?“

„Du hast es voll drauf, Kermit.“ Noah durchsuchte den Schrank. Alles was ihm brauchbar erschien landete in meiner Tasche. Verbandmaterial, Medikamente und ein komplettes Erste-Hilfe-Set. Zuletzt stopfte er noch zwei kleine Wasserflaschen hinein.

„Denke mal, das reicht.“

Ich war erstaunt wie vorrausschauend Noah in dieser chaotischen Situation handelte. Als wir uns auf den Rückweg machten versagte der Strom endgültig. Die gesponserten Taschenlampen kamen erneut zum Einsatz.

„Ich habe da ein ganz mieses Gefühl, Kermit“ flüsterte Noah als wir durch den Gang liefen.

Mir erging es nicht anders. Mich beschlich diese ungute Ahnung, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Als wie bei der Gangkreuzung waren erfüllte ein bedrohliches Knistern die Luft.

Scheiße, daran hatte ich nicht mehr gedacht. Noah sah mich bestürzt an.

Mit einem lauten Knall wurde die Tür aufgeschleudert. Feuer loderte auf und schoss mit einer irren Geschwindigkeit auf uns zu. Wir stürmten los. Hinter uns verschwand die Kreuzung in einem Flammenmeer. Ich wagte einen kurzen Blick über meine Schulter.

Weil sich die Feuerwalze gleichzeitig in drei Gänge verteilte verlangsamte sich ihre Geschwindigkeit. Wir hatten noch eine Chance, den endlos erscheinenden Tunnel rechtzeitig zu verlassen.

„Nicht so lahm, gib mal Power, Alter!“

Der durchtrainierte Sportler hatte gut reden. Der Arsch hatte ja nur die leichte Alien-Waffe in der Hand. Ich musste die sauschwere Tasche schleppen.

Noah hatte schon einen beachtlichen Vorsprung. Ich hetzte keuchend hinter ihm her. In meinem Rücken wurde es immer heißer. Es schien mir, als ob die Flammen schon an meinen Klamotten nagten. Endlich kam der Ausgang in Sicht. Ich legte noch einen Zahn zu.

Ich spürte die kühle Luft. Geschafft! Brutal wurde ich gepackt und zur Seite gerissen. Zusammen mit Noah landete ich unsanft auf dem Boden. Roter Staub wirbelte auf und nahm mir für einen Moment die Sicht. Hinter uns fauchte eine Feuersäule aus dem Tunnel und steckte die Überreste des Bildschirmwürfels in Brand. Einen Moment blieb ich benommen liegen.

„Alles klar bei dir?“ Noah schien aufrichtig besorgt.

Ich rappelte mich ächzend auf.

„Ja, aber ich hab jetzt endgültig die Schnauze voll!“ schrie ich wutentbrannt in die Stille.

Noah sah mich verstört an.

„Ach, vergiss es“ murmelte ich, streifte den Trageriemen der Tasche über die Schulter und stapfte davon. Mir war es egal, ob Noah mir folgte oder nicht. In den Actionstreifen sah alles so abenteuerlich aus. Da sah man nix von den Schmerzen und der Angst, die einem im Nacken saß oder dem miesen Geruch in der Nase. Während ich die Stufen der Tribüne erklomm nörgelte ich weiter vor mich hin. Erst als ich die Stelle erreicht hatte an der wir Deckung gesucht hatten war mein Zorn verraucht.

Tek lag noch genauso da wie ich sie verlassen hatte. Ihr geliebtes Pad fest im Arm. Die schwarze Brille mit den großen Gläsern war verrutscht, der Kopf zur Seite geneigt.

Es beunruhigte mich, dass ihre Augen geschlossen waren. Mit klopfendem Herzen kniete ich mich neben den leblos daliegenden Körper. War ich zu spät gekommen? Ich würde es nicht ertragen wenn meine beste Freundin während meiner Abwesenheit …

Nicht mal den Gedanken konnte ich zu Ende führen. Allen Mut zusammen nehmend rüttelte ich sanft ihre Schulter.

„Hey, Tek!“

Träge öffnete das rothaarige Mädchen die Augen. Mit dem Zeigefinger schob sie die Brille wieder zurück an ihren Platz. Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen.

„Oh, hallo Lennox.“ Ihre Augen blickten an mit vorbei und richteten sich auf die Person neben mir.

„Ne, nä?! Das glaub ich jetzt nicht. Du hast mich hier eine Ewigkeit liegen lassen, um ausgerechnet mit DEM hier aufzuschlagen?“

„Hallo Ginger, freut mich auch dich zu sehen.“ Noah ging neben mir in die Hocke und legte seine Waffe ab. Tekla funkelte mich böse an.

„Ob du es glaubst oder nicht: Noah ist der einzige, der außer uns noch im Stadion ist.“

„Na, so ein Glück aber auch.“ Sie machte sich keine Mühe den Sarkasmus in ihrer Stimme zu verbergen.

„Charmant wie immer, unser Nerd. Sieht echt hässlich aus.“ Noah untersuchte den Oberschenkel, aus dem zu beiden Seiten die Eisenstange herausragte.

„Au-ha!“ schrie Tekla laut auf.

„Such mal nach dem Schmerzmittel.“

Ich kramte in der vollgepackten Tasche herum bis Noah sie mir ungeduldig aus der Hand riss und den gesamten Inhalt auf dem Boden verteilte.

Er drückte vier Kapseln aus einer Verpackung. Zusammen mit einer der Wasserflaschen hielt er sie Tekla vor die Nase.

„Die sind leider nicht besonders stark, aber besser als nichts. Aber wenn du die Schmerzen lieber aushalten möchtest ... “ meinte Noah gleichgültig als er Teklas ablehnendes Stirnrunzeln bemerkte.

Widerstrebend nahm sie die Kapseln.

„Was ist, Bro? Was starrst du mich so an?“

Erst jetzt bemerkte ich wie sehnsüchtig ich auf die Verpackung in Noahs Hand starrte.

„Ehrlich gesagt tut mir nach dem ganzen Scheiß jeder einzelne Knochen weh. Wäre schon geil ein paar von den Dingern einzuwerfen.“

Noah sah mich einen Moment nachdenklich an. Dann drückte er mir und sich selbst zwei Kapseln in die Hand. Tekla reichte uns wortlos die Flasche und wir spülten das Schmerzmittel mit dem Rest des lauwarmen Wassers herunter.

„Du hattest echt Glück. Die Stange hat sich sauber durch den Muskel gebohrt.“

„Glück?“ echote Tekla.

„Aber hallo! Hätte echt schlimmer kommen können. Ich vereise die Wunde, dann spürst du für ein einige Minuten nix. Wir verbinden das Bein und dann bringen wir dich in ein Krankenhaus, okay?“

Tekla nickte tapfer.

Noah versprühte den gesamten Inhalt einer Dose Vereisungsspray auf dem Oberschenkel nachdem er vorsichtig das Hosenbein aufgeschnitten hatte. Danach brachte er fachkundig einen Verband an. Es sah so aus als machte er so was nicht zum ersten Mal. Mit der Bandage fixierte er gleichzeitig die Eisenstange so gut es ging. Ich holte wieder mein Smartphone aus der Hosentasche. Noch immer kein Netz! Alles was mir noch brauchbar erschien wanderte zurück in die Tasche. Noah hob Tekla auf die Arme und wir machten uns auf den Weg Richtung Ausgang. Ich war die Vorhut. Aufmerksam suchte ich den besten Pfad durch die Trümmer. Vorbei an kleinen Schwelbränden und den riesigen Löchern, die von der unbekannten Waffe in das Gebäude gerissen worden waren.

Noah folgte mir, ihn schien das zusätzliche Gewicht kaum zu belasten. Tekla hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt und schien sich an seiner breiten Brust sehr wohl zu fühlen.

Nun mal nicht eifersüchtig werden, mein Lieber, rief ich mich zur Ordnung. Wenn ich mir ein Stahlteil durch den Oberschenkel rammen musste, um so nahe bei ihm sein zu können dann musste ich passen – nein, danke.

Kühle Nachtluft empfing uns als wir das Stadion nach einigen Umwegen endlich verlassen konnten. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wolken schoben sich vor den leuchtend am Himmel stehenden Halbmond. Nur wenige Sterne funkelten durch die Lücken hindurch.

Noah legte seine Fracht vorsichtig auf den Boden. Tekla schlug nur kurz die Augen auf, döste aber vor Erschöpfung gleich wieder ein.

„Ich such uns mal ein Transportmittel.“

Noch bevor ich Noah antworten konnte war er schon im Halbdunkel verschwunden. Der Wind frischte auf und wehte stärker. Ich holte die Decke aus der Tasche. Liebevoll packte ich meine dösende Freundin darin ein, um sie so gut es ging vor der kühlen Nachtluft zu schützen. Nicht nur bei Tek wirkte das eingenommene Schmerzmittel. Auch mir ging es besser. Erst jetzt merkte ich wie erschöpft ich war. Müde kauerte ich mich dicht neben ihr zusammen. Mein Blick wanderte über den riesigen Parkplatz.

Ein düsteres und unheimliches Bild bot sich mir. An den hohen Masten brannten nur noch wenige der Scheinwerfer, die das Areal sonst taghell erleuchteten. Die meisten der Parkbuchten waren leer. Also war doch noch vielen Zuschauern die Flucht aus dem Chaos gelungen. Neben noch sauber eingeparkten Autos standen einige der Fahrzeuge kreuz und quer auf dem schwarzen Asphalt, einige mit geöffneten Türen als seien sie von ihren Insassen in größter Eile verlassen worden.

Nach allem was heute schon geschehen war wollte ich gar nicht so genau wissen was sich hier abgespielt hatte.

Zwischen den Fahrzeugen machte ich wieder diese Säulen aus, die mir schon auf der Tribüne im Stadion aufgefallen waren. Manche so hoch wie ein Auto andere ragten nur wenige Zentimeter über dem Boden auf. Einzeln oder in kleinen Gruppen standen sie auf dem ganzen Parkplatz verteilt herum. Von der Spitze abwärts zerfielen sie zu diesem roten Staub, der sich auch hier überall breit machte.

Was auch immer diese Gebilde sein mochten oder bedeuteten, sie standen eindeutig mit dem Erscheinen der Außerirdischen in Verbindung.

In der Ferne tauchten zwei rote Augen auf. Beunruhigt sah ich wie sie immer größer und heller wurden. Eine weitere mir noch unbekannte Art von Außerirdischen? Verdammt, wo blieb nur Noah? Wieder einmal war ich auf mich allein gestellt. Ich stand langsam auf ohne diese bedrohliche Lichterscheinung aus den Augen zu lassen. Mein Blick viel auf Tekla und die Alien-Waffe neben ihr. Die hatte ich fast vergessen. Ich griff mir das Teil. Damit fühlte ich mich schon sicherer. Ein brummendes Geräusch durchbrach die Stille. Eines war sicher: diese unheimliche Erscheinung kam genau auf uns zu. Dieses verzerrte Geräusch weckte Erinnerungen in mir. Hörte sich fast an wie ein Motor.

Tatsächlich zeichneten sich die Umrisse eines Autos im Halbdunkel ab. Vor den größer werdenden Scheinwerfern sah ich den roten Staub, der vom Wind aufgewirbelt wurde und das helle Licht so gespenstisch einfärbte.

Mit quietschenden Reifen kam ein großer Geländewagen vor mir zum Stehen. Die Fahrertür wurde aufgerissen und Noah sprang gut gelaunt heraus.

„Na, was sagst du? Geile Karre, was?“ Er klopfte auf das Dach des schwarzen Fahrzeugs.

„Super, Alter! Beeilen wir uns mal lieber.“ Ich zeigte auf Tekla, die zusammengesunken unter der Decke kauerte.

Es war gar nicht so leicht, aber gemeinsam schafften wir es, das verletzte Mädchen auf den breiten Rücksitz zu legen. Noah klemmte sich wieder hinter das Steuer. Ich stieg auf der Beifahrerseite ein. Als ich mich ordnungsgemäß anschnallte verdrehte er die Augen. Nachdem wir einige Meter gefahren waren begann es im Wagen nervig zu Piepsen.

„Ist ja schon gut“ murmelte Noah angepisst und folgte meinem Beispiel indem er den Sicherheitsgurt anlegte während er auf die zweispurige Straße abbog.

Das Stadion war wegen des regen Besucherverkehrs außerhalb der Stadt in Höhe der Autobahn gebaut worden. Wir würden bis zum nächstliegenden Krankenhaus noch eine Weile unterwegs sein.

Ich dachte darüber nach wie Noah es geschafft hatte den Wagen so schnell zu besorgen. Gerade als ich ihn fragen wollte fiel mir die kleine Billardkugel auf, die am Zündschloss baumelte. Nun machte die Aktion aus dem Mannschaftsraum Sinn. Natürlich kannte Noah die Autos der anderen Studenten, auch die der Gegner. Schon dort hatte er daran gedacht, dass wir später ein Transportmittel brauchten.

In meiner Magengegend breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Die Skyline der näher kommenden Stadt sah fremd und unwirklich aus. Die sonst von zahlreichen Fenstern erhellten Gebäude lagen zum größten Teil im Dunkeln. Von den sonst die ganze Nacht über angestrahlten Wahrzeichen waren nur dumpfe Schatten auszumachen, die sich vage gegen den Horizont abzeichneten.

In einen nebelartigen Dunst gehüllt wirkten die verbliebenen Lichter und Konturen seltsam verzerrt. Gelegentlich glaubte ich ein Donnern oder Sirenen von Rettungsfahrzeugen zu hören.

Kleine Lichtpunkte huschten über den Himmel. Da kein Flugzeug oder Hubschrauber so schnell die Richtung ändern konnte war mir schnell klar, was da über der Stadt herumschwirrte.

Zum Glück hatte ich noch keinen der blauen Energiestrahlen aufblitzen sehen. An einigen Stellen war ein grünlicher Schimmer auszumachen, an anderen erhellte rot-gelbes Flackern den Himmel.

Noahs Gesicht war angespannt. Mit fest aufeinander gepressten Lippen warf er mir einen vielsagenden Blick zu.

„Sieht nicht gut aus, Bro.“

Nach dem, was wir im Stadion erlebt hatten nickte ich zustimmend. Gebannt das ungewöhnlichen Schauspiel am Horizont verfolgend bemerkten wir die Straßensperre fast zu spät. Nach einer Kurve waren die blinkenden Lichter auf einmal da. Noah ging voll in die Eisen. Die Reifen quietschten, der Wagen machte einen Schlenker, dann setzte die Elektronik ein. Wir kamen zum Stehen und rammten dabei eines der Warnlichter.

Ein schneller Blick über die Schulter beruhigte mich. Tekla stöhnte zwar leise, lag aber noch immer sicher auf der breiten Rückbank.

Erschrocken zuckte ich zusammen als wie aus dem nichts ein Soldat in voller Kampfmontur auf der Fahrerseite stand. Fordernd hämmerte er mit der Faust gegen das Fenster. Im Licht der Scheinwerfer erkannte ich mehrere Militärfahrzeuge, die auf der Straße und dem Grünstreifen verteilt parkten. Noah ließ die Scheibe herunter.

„Bescheuert oder was? Ihr Vollpfosten hättet mich fast umgenietet“ blökte der junge Soldat uns an.

„Öhm, sorry. Auch wenn sie es uns nicht glauben, aber so Aliens haben das Stadion platt gemacht“ stotterte Noah drauf los.

„So? Aliens sind hinter euch her?“

„Ähm, ja, nein, jetzt gerade nicht. Unsere Freundin wurde echt heftig verletzt. Wir müssen sie schnellstens ins nächste Krankenhaus bringen.“

Der Soldat trat näher an den Wagen heran und spähte hinein. In diesen Uniformen, mit Helm und Knarre, sahen die für mich alle gleich aus. Darum war ich echt verblüfft in das Gesicht einer jungen Frau zu sehen. Dunkle Hautfarbe, markante Wangenknochen und große braune Augen, die sich aufmerksam umschauten.

„Tut mir leid Jungs, aber ich kann euch nicht durchlassen.“

„Was?“ brauste Noah auf.

„Eure Aliens zerlegen gerade die Stadt. Alle Zivilisten werden evakuiert.“

Wir schauten uns verblüfft an. Dann wanderte mein Blick zu der verlassenen Gegenfahrbahn hinüber.

„Vor zwei Stunden war hier noch die Hölle los. Aber seit einiger Zeit kommt kein einziges Fahrzeug mehr aus der Stadt. Echt unheimlich.“

„Verdammt, sie müssen uns durchlassen!“ Noah schnallte sich ab, riss die Tür auf und wollte aussteigen. In diesem Moment wurde die Tür auf der Hinterseite eines Kastenwagens aufgestoßen. Mit einem dumpfen Scheppern knallte sie gegen das Fahrzeug. Aus dem hell erleuchteten Inneren sprang ein Mann heraus. Mit großen Schritten kam er auf uns zu.

„Was zur Hölle ist hier los?“ bellte der große Kerl in Uniform.

„Wir haben eine Schwerverletzte im Wagen und müssen hier durch“ maulte Noah im gleichen Ton, noch bevor die angesprochene Soldatin Meldung machen konnte.

„Zurück in die Karre, du Arschloch und verpisst euch schleunigst. Hier kommt keiner mehr durch.“

„Das wollen wir doch mal … “

Mit einer blitzschnellen Bewegung zog der große Kerl seine Pistole und zielte damit auf Noahs Kopf.

„Steig sofort ein, du kleiner Dreckskerl!“

Erschrocken griff ich nach Noahs Jacke und zerrte daran.

„Mach keinen Scheiß, Alter.“

„Los, mach schon! Hör auf deinen Freund. Wenn sich die Karre auch nur einen Zentimeter in die falsche Richtung bewegt knall ich dich ab!“

Die Soldatin versuchte die Situation zu entschärfen, wurde aber von ihrem Vorgesetzten mit einem scharfen Befehl zum Schweigen gebracht.

„Ist doch besser wenn ich die drei gleich hier abknalle bevor diese blauen Außerirdischen …“ Der aufgebrachte Kerl starrte mit glasigen Augen ins Leere.

„Hydra. Diese Flügel sind nur Tarnung. Schlangen, ja Schlangen müssten sie auf ihren Köpfen haben“ flüsterte er abwesend vor sich hin.

Noah starrte noch immer in den Lauf der Pistole, die auf ihn gerichtet war. Mit zeitlupenartigen Bewegungen setzte er sich wieder hinter das Steuer.

„Hey, Matschke! Da sind die Funksprüche wieder!“ rief jemand aus dem Inneren des Kastenwagens. Der große Kerl steckte die Waffe in den Holster zurück und drehte sich um.

„Matschke? Dir reiß ich den Arsch auf, den Kommandierenden ohne seinen Dienstgrad anzureden ... “ Er schien uns völlig vergessen zu haben und stiefelte davon.

„Ihr solltet euch jetzt schleunigst aus dem Staub machen.“ Unsicher schielte die Soldatin zu dem Kerl hinüber, der wieder in dem Fahrzeug verschwand.

„Der ist doch total ausgetickt, oder ist der etwa immer so?“ fragte ich.

Die junge Frau schüttelte den Kopf.

„Nachdem wir die Straßensperre errichtet hatten ist unser Leutnant mit ein paar Männern losgezogen. Gegend erkunden und so. Wir hörten hier nur die Schüsse als sie auf die Aliens stießen. Nur Matschke kam lebend zurück. Von den anderen fehlt jede Spur. Nicht mal Leichen haben wir gefunden.“

„Und seitdem ist der so?“

Die Soldatin nickte.

„Von so einem Psycho lasst ihr euch was sagen?“ mischte sich Noah ein.

„Er ist der ranghöchste Offizier.“ Die junge Frau zuckte entschuldigend mit den Schultern.

Vom Rücksitz war ein leises Stöhnen zu hören.

„Wir müssen in ein Krankenhaus.“ Flehend sah ich die Soldatin an. Sie nagte an ihrer Unterlippe während sie angestrengt nachdachte.

„Aber nicht da rein. In der Stadt herrscht Chaos, das hilft euch nicht weiter. Bringt sie nach Fichtenheim. Da ist es soweit ich weiß noch ruhig und die haben eine kleine aber gute Unfallambulanz.“

„Das sind aber mindesten noch vier bis fünf Stunden Fahrt. Ob sie das noch so lange aushält? Sie hat Schmerzen.“ Noah schaute besorgt nach hinten.

„Hm, wartet mal.“ Die Soldatin kramte in einer ihrer Beintaschen herum.

„Eigentlich darf ich das ja nicht von wegen Armeeigentum und so.“

Sie sah zu Tekla herüber und reichte mir zwei in Plastikfolie eingeschweißte Tütchen.

„Sieht aus wie Pflaster. Was sollen wir denn damit?“ nörgelte Noah.

„Das sind spezielle Injektionspflaster für den Kampfeinsatz. Beides Hammerteile gegen Schmerzen. Aber Vorsicht, mit dem blauen schläft sie gut ein bis zwei Stunden tief und fest. Das rote enthält zusätzlich ein Aufputschmittel. Dreißig Minuten bist du voll da und kannst Bäume ausreißen.“

„Und danach?“ fragte ich.

„Klappst du zusammen und bist für Stunden außer Gefecht.“

„Okay, ich verstehe. Danke.“ Ich steckte die beiden Tütchen in die Hosentasche.

„Verdammt, die Arschlöcher sind ja immer noch da!“

Erschrocken sahen wir zum Kastenwagen. Da stand der große Kerl. Im Licht der offenen Tür war zu sehen wie angepisst er war. Dieses Mal hielt er eine größere Waffe in den Händen.

„Alles in Ordnung die wollen ... “ Die Worte der jungen Soldatin gingen im lauten Rattern des Maschinengewehrs unter. In dem Bereich, der von den Autoscheinwerfern erhellt wurde konnte ich sehen wie die Kugeln in den Boden einschlugen. Dreck und Asphalt spritzten in die Luft. Rasend schnell kam die Linie der Zerstörung auf uns zu. Mit einem lauten Klirren wurde der Scheinwerfer auf meiner Seite zerfetzt.

Kapitel 4

Mit Vollgas setzte Noah den Geländewagen zurück. Das Getriebe jaulte winselnd auf. Im Licht des verbliebenen Scheinwerfers sah ich die junge Soldatin zu Boden gehen.

Noah riss das Steuer herum. Das Auto drehte sich mit quietschenden Reifen um seine Achse. Noch immer war das Rattern des Maschinengewehrs zu hören. Keine der einschlagenden Kugeln drang bis in den Innenraum vor. Noah legte den Vorwärtsgang ein und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

Ich blickte nach hinten. Tekla lag noch immer dösend auf der breiten Rückbank. Fest in die Decke eingehüllt hatte sie von alldem nichts mitbekommen. Durch die Heckscheibe sah ich die Soldatin bewegungslos am Boden liegen. Aus allen Richtungen rannten ihre Kameraden auf den noch immer wild um sich ballernden Offizier zu. Das Licht bei der Straßensperre wurde aus der zunehmenden Entfernung zu schwach, um noch Einzelheiten erkennen zu können. Nach einigen Sekunden verschwand alles in der Dunkelheit.

„Was für ein Vollpfosten“, fluchte Noah vor sich hin. „Sag mal Kermit, weißt du wie wir nach Fichtenheim kommen?“

„Hm, mal überlegen, ich denke wir müssen über die Umgehungsstraße am Stadion und dann auf die B9.“

„Alles klar, dann weiß ich wo wir lang müssen.“

Für eine Weile saßen wir schweigend neben einander. Jeder hing seinen Gedanken nach.

Der noch verbliebene Scheinwerfer erhellte die vor uns liegende Straße nur unzureichend. Lediglich an den weißen Mittelstreifen, die unter unserem Wagen verschwanden war zu erkennen, dass wir uns tatsächlich vorwärts bewegten.

Noah fuhr mit mäßigem Tempo. Angespannt hockte er hinter dem Steuer. Ich wollte die Stimmung etwas auflockern und knipste das Radio an. Ein nerviges Rauschen drang aus den Boxen. Ich startete den Suchlauf. Rote Ziffern huschten über das Display. Erneutes Rauschen. Ich versuchte es weiter, aber an dem Ergebnis änderte sich nichts. Der dunkelhäutige Sportler mit dem blond gefärbten Haar schaute genervt zu mit herüber. Ich zuckte nur mit den Schultern und schaltete ab.

Wir waren schon über eine Stunde unterwegs. Eingelullt durch das eintönige Brummen des Motors und den immer gleichen Klang der Reifen auf dem Asphalt glaubte ich zuerst meine Sinne würden mir einen Streich spielen. Ich rieb mir die Augen, aber da war noch immer dieses matte Leuchten am Himmel. Es sah aus wie eine Vielzahl sich bewegender Suchscheinwerfer, deren kaum sichtbaren Strahlen die Nacht durchschnitten und die dünnen Wolken von unten erhellten.

„Habe ich schon Hallus oder ist da hinten wirklich was?“ Mein Flüstern übertönte kaum das Geräusch des Motors.

„Krass, sieht aus als würde da ein Mega-Event laufen.“

„Klaro, bestimmt ne Alien-Willkommens-Parade.“

„Wäre doch geil, oder?“ Noah schielte grinsend zu mir herüber.

„Wenn die Außerirdischen bei ihrer Landung nicht gleich alles Schrotten würden.“

Noah lachte leise. „Stimmt, die benehmen sich nicht besonders gut. Ernsthaft, was meinst du was da abgeht?“

„Keine Ahnung. Liegt da hinten nicht irgendwo der alte Steinbruch?“

„Stimmt, wir müssten ziemlich nah daran vorbei kommen wenn wir auf dieser Straße bleiben.“

Schweigend, den Himmel nicht aus den Augen lassend, fuhren wir weiter. Nach zehn Minuten waren wir verdammt nah an das Lichtspektakel heran gekommen. Noah hielt den Wagen an.

Die Landschaft wurde von einem milchigen Schein schwach erhellt.

„Wir müssten nur über die Wiese. Gleich hinter dem kleinen Wäldchen liegt schon der alte Steinbruch.“ Noah sah mich herausfordernd an.

„Du meinst echt … “ Ich ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.

„Willst du etwa nicht wissen was da abgeht?“

„Doch schon, aber ... “ Ich schaute nach hinten. Tekla schien tief und fest zu schlafen. Noah legte den Zeigefinger an die Lippen.

Behutsam öffnete er die Fahrertür und schlich sich hinaus. Der Motor brummte beruhigend vor sich hin. Die Heizung verbreitete angenehme Wärme im Inneren des Wagens. Tekla war gut versorgt, sie würde es vermutlich nicht mal merken wenn wir kurz nachsehen würden was da los war. Ich hatte ein schlechtes Gewissen weil sich dadurch die Fahrt zu einem Arzt verzögerte. Aber meine Neugierde war stärker. So leise ich konnte folgte ich Noahs Beispiel.

Der trainierte Sportler schwang sich elegant über den Weidezaun. Zu gerne wäre ich auch einfach darüber gesprungen. Aber bei meinem Glück würde der Versuch cool zu sein in die Hose gehen und ich mich dabei voll auf die Fresse legen. Um mir diese peinliche Aktion zu ersparen kletterte ich lieber ungelenk über den Holzzaun.

Obwohl dichte Wolken über den Himmel zogen war die Umgebung noch immer in eine fahle Helligkeit getaucht, die ich nur aus klaren Vollmondnächten kannte.

Im leichten Dauerlauf überquerten wir die Weide. Schnell war das schmale Waldstück, das uns noch vom Steinbruch trennte, erreicht. Aus der trüben Helligkeit wurde ein strahlendes Leuchten. Das Wechselspiel aus weißem Licht und schwarzen Schatten erzeugte ein bizarres Bild. Die Bäume wirkten wie von einem anderen Planeten. Vorsichtig schlichen wir weiter.

Der Abstand zwischen den Bäumen wurde größer. Der Rand zum Steinbruch zeichnete sich selbst in diesem diffusen Licht deutlich von der Umgebung ab. Es waren nur noch wenige Meter bis zur steil abfallenden Böschung und dem Geheimnis, das sich da unten verbarg.

„Wir sollten vorsichtig sein“, flüsterte ich.

Noah nickte zustimmend. Auf unseren Bäuchen robbten wir das letzte Stück durch das feuchte Laub.

Gefesselt von dem Anblick, der sich mir bot, nahm ich nur am Rande wahr, dass der Abhang fast senkrecht in die Tiefe führte.

Im Schätzen von Entfernungen war ich noch nie gut gewesen. Der alte Steinbruch war riesig und wurde von dem Objekt, das da unten schwebte in seiner gesamten Länge ausgefüllt.

In meinem Kopf drängte sich der Vergleich zu einem übergroßen Steinbutt oder einer Scholle auf. Natürlich ohne Flossen, Augen und all den anderen Merkmalen eines Fisches. Aber die Grundform war nahezu Identisch.

„Das Teil sieht fast aus wie ein Plattfisch“ flüsterte Noah und bestätigte damit meinen ersten Eindruck. Natürlich leuchtet wohl kaum einer unseren Meeresbewohner von sich aus in einem bläulich weißen Licht.

Die hervorragenden spitzen Aufbauten erinnerten mich an die Stacheln eines Igels. War das menschliche Gehirn darauf angelegt, Unbekanntes mit schon bekanntem Wissen zu vergleichen? Möglicherweise, um nicht von der Angst vor dem Fremden überwältigt zu werden, oder Gefahren abzuschätzen?

Dieser Gedanke war es wert weiter verfolgt zu werden. Aber nicht hier und nicht jetzt. Außerdem würden meine eigenen, oder unsere gesamten menschlichen Erfahrungen wohl kaum ausreichen, um dieses außerirdische Teil auch nur annähernd zu begreifen.

Also beschränkte ich mich zwecks Sammlung weiteren Wissens darauf zu beobachten.

Im unteren Drittel war das Objekt von blauen Kraftfeldern umgeben. Sie bewegten sich als habe man eine Plastikfolie mit einem Stein in einem See versengt. Von der Strömung gemächlich wie in Zeitlupe umherwabernd wirkte der Anblick fast schon anmutig.

Um den Rest des riesigen Alien-Dings, was auch immer es sein mochte, bewegten sich träge große rötliche Achtecke. In verschiedenen und wechselnden Umlaufbahnen umkreisten sie das außerirdische Objekt.

Im gesamten Steinbruch flitzten die sonnenartigen UFOs umher. Sie schienen eines der am häufigsten auftauchenden Fortbewegungsmittel der blauen Aliens zu sein. Die Bezeichnung UFOs konnte ich langsam aus meinem Kopf streichen, denn unbekannt waren mir die Flugobjekte nicht mehr.

Blitzschnell raste eines der Dinger auf uns zu. Zwanzig Meter von unserer Position entfernt blieb es in der Luft stehen. Der Ring richtete sich aus der Fluglage in die Senkrechte auf und begann langsam zu rotieren. Mehrfach drehte sich das Flugobjekt um seine Achse als suche es etwas. Dann kippte der Ring wieder in die Waagerechte zurück und das Teil zischte ab.

Erst als Noah neben mir erleichtert ausatmete bemerkte ich die aufgestaute Luft in meinen Lungen. Pfeifend ließ ich sie entweichen und sog erleichtert die kühle Nachtluft ein.

„Ich dachte schon die machen uns platt“ flüsterte Noah.

„Wir sollten uns vom Acker machen, nochmal haben wir bestimmt nicht so viel Glück.“

„Nicht so schnell, Kermit. Was meinst du, was das da hinten am Himmel ist? Sterne können es nicht sein, dazu ist es zu bewölkt.“

Ich folgte Noahs ausgestrecktem Finger und erspähte fünf kleine Lichtpunkte.

„Stimmt, es gibt kein Sternenbild in dieser Formation. Außerdem bewegen die sich.“

„Krass! Eine Patrouille der Aliens, die zu ihrer Basis zurück kommt oder so?“

„Hm, denke nicht. Die außerirdischen Flugobjekte sind schneller und würden nicht einen so weiten Bogen fliegen.“

„Flugzeuge? Echt jetzt?“

Wie um seine Vermutung zu bestätigen wurde ein leises Grollen hörbar.

„Die werden es den Aliens schon zeigen. Nix wie weg, Alter!“ Noah wollte Aufspringen, ich packte die Lederjacke und zog ihn zurück auf den Boden.

„Mach keinen Scheiß!“

Neue Lichtpunkte tauchten am Himmel auf. Sie steuerten geradewegs auf den Steinbruch und somit auch auf uns zu.

„Das sind Raketen, Alter“ flüsterte Noah mit heiserer Stimme.

„Stimmt, aber es ist sicherer wenn wir flach auf dem Boden liegen bleiben. Du willst bestimmt nicht beim Laufen von einer Druckwelle erfasst und durch die Luft geschleudert werden.“

„Meinst du?“

„Hundert Pro! Glaub mir, ich habe da Erfahrung.“

Ein Feuerschweif zuckte über den Horizont. Verschwommen nahm ich die Umrisse einer Rakete war, bevor sie auf eines der Sechsecke traf und in tausend Teile zersplitterte. Das rote Kraftfeld löste sich auf. Die anderen Sechsecke bewegten sich plötzlich mit unerwarteter Geschwindigkeit zu neuen Positionen. Die nächste Rakete explodierte, aber nichts passierte. Der Feuerball wurde von einem der Felder, das rechtzeitig zur Stelle war, aufgesogen.

In schneller Folge fanden auch die anderen Raketen ins Ziel. Aber keine kam an dem Schutzwall der roten Sechsecke vorbei. Jede einzelne wurde neutralisiert bevor sie Schaden anrichten konnte.

Zwei der Alien-Flugobjekte flitzten in Richtung der Militärmaschinen davon. Kurz darauf sah ich es mehrfach aufblitzen. Am Himmel standen fünf kleine Feuerbälle. Noch ehe ich so richtig begriffen hatte, was passiert war kamen die Jäger auch schon wieder zurück. Als wäre nichts gewesen setzten sie ihre kreisenden Flugbahnen um das riesige Objekt fort.

„Mega-krass, Alter!“ hauchte Noah sichtlich erschüttert.

Langsam krochen wir rückwärts. Wir trauten uns erst wieder aufzustehen, als wir die ersten Bäume erreicht hatten. Stumm neben einander her laufend klopften wir Dreck und Blätter von den Klamotten.

„Wir haben keine Schnitte gegen die Engel. Wir losen voll ab.“

„Das sind keine Engel, nur verkackte Aliens!“ fuhr ich Noah unbeherrscht an. Ich war frustriert und ließ meinen Ärger an dem Kerl an meiner Seite aus. Wenn unsere Luftwaffe so kläglich versagte dann: Prost Mahlzeit!

Die Sonne ging auf, auch wenn wegen der dichten Wolken nicht viel davon zu erkennen war. Wieder am Wagen angekommen war es schon hell genug, um Tekla zu sehen, die aufrecht auf der Rückbank des Autos saß.

„Wo kommt ihr beiden denn her?“ ranzte sie mich an als ich die Tür öffnete.

„Ohm, wir waren nur … kurz pinkeln“ log ich, ohne zu wissen warum. Möglicherweise wollte ich Tekla nur nicht mit einem Bericht unserer Erlebnisse schocken. Sie hatte auch so schon genug durchgemacht.

„Gute Idee, eh, ich meine: ich muss schon wieder!“ Noah schlug sich in die Büsche.

„So ein Arschloch“ rutschte es mir raus.

„Schlau war das echt nicht. Aber ich bin schon lange genug wach, um zu wissen, dass ihr nicht mal eben Schiffen wart. Habt ihre etwa … “ Tekla machte eine obszöne Geste.

„NEIN! Echt jetzt, Tek! Ich dachte immer nur wir Männer haben eine schmutzige Phantasie.“

Das rothaarige Mädchen klimperte unschuldig mit den Wimpern.

„Okay Lennox, raus damit, wo wart ihr? Und jetzt keinen Scheiß mehr, bitte!“

Erschöpft ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen. Noch während meines Berichts von dem gerade erst Erlebten kam Noah zurück. Ohne mich zu unterbrechen stieg er ein und fuhr los.

Während der nächsten Kilometer entbrannte eine lebhafte Diskussion über die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Wilde Theorien wurden aufgestellt, widerlegt und verworfen.

„Ich unterbreche euch Spinner ja nur ungern, aber funktioniert dein Tablet noch, Ginger?“

„Ja, Akku hab ich noch, nur mit dem Internet klappt es momentan nicht, wieso?“ fragte Tekla zurück.

„Die Karre hat kaum noch Sprit. Damit kommen wir nicht mehr weit. Dachte, du könntest mir sagen, wo hier ne Tanke ist?“

„Warte mal, eine Straßenkarte von der Gegend müsste ich noch drauf haben.“

Tekla schaltete das Pad ein und wischte über die glatte Oberfläche.

„Fahr mal die nächste rechts, da müsste eine sein.“

Noah bog in eine Nebenstraße ein. Nach etwa einem Kilometer erreichten wir tatsächlich eine kleine Tankstelle.

Obwohl es schon lange hell war brannte überall noch Licht. Keine Menschenseele war zu sehen. Ich stieg mit Noah aus, um mir die Beine zu vertreten. Bei meiner Runde um den Wagen begutachtete ich die zahlreichen Einschusslöcher. Wir hatten echt Glück gehabt.

Nachdem der Tank gefüllt war gingen wir zu dem altmodischen Flachdachbau und wollten bezahlen.

„Bringt mir was zu trinken mit, ne Cola oder so“ rief Tekla uns nach. „Aber light!“

Wir betraten den kleinen Shop. Hier drinnen herrschte eine genauso unheimliche Stille wie draußen an den Zapfsäulen. Nicht mal die Kasse war besetzt.

„Hallo! Kundschaft!“ rief ich mehrmals. Wir warteten, aber nichts regte sich.

„Ich sehe mich mal um.“ Noah verschwand in der Tür hinter der Theke.

Beim Anblick der Sachen in den gefüllten Regalen begann mein Magen zu knurren. Mit Keksen, Getränken und anderen Snacks auf dem Arm schlenderte ich zum Auto zurück.

„Wo bleibt denn Noah?“

„Der sucht nach jemandem, bei dem er bezahlen kann. Da drinnen ist niemand.“

Mit Heißhunger machten wir uns über die Sachen her. Ein Motorengeräusch durchdrang die gespenstische Stille.

„Gott sei Dank! Ich dachte schon wir sind an einer Geistertankstelle gelandet“ nuschelte Tekla während sie sich einen Schokoriegel reinzog.

„Uha! Gleich tauchen überall Zombies auf! Kesseln uns ein! Verwesende Hände hämmern gegen die Scheiben ... AUA!“

Tekla boxte mich mit voller Wucht auf den Arm. Zum Glück erwischte sie nicht die verletzte Seite.

„Hör auf mit dem Scheiß! Du machst mir echt Angst.“

Ein kleines Wohnmobil hielt neben uns. Ich konnte es nicht fassen als Noah mit einem breiten Grinsen auf seinen vollen Lippen ausstieg.

„Na, was sagt ihr dazu?“

„Wohnmobil, oder heißt das jetzt anders?“

„Richtig, Ginger. Ich dachte wenn wir mit der durchlöcherten Karre unterwegs verrecken sehen wir echt alt aus. Hier ist ein richtiger kleiner Krankentransporter mit Bett und allem was man so braucht.“

„Hast du das Teil ausgeliehen?“ fragte ich.

„Na ja, kann man so sagen.“

Tekla und ich wechselten einen fragenden Blick und starrten den gut gelaunten Kerl an.

„Habe niemanden gefunden, den ich hätte fragen können. Wir geben das Wohnmobil auf dem Rückweg hier wieder ab und bezahlen dann alles. Das ist ja ein Notfall, da geht das schon klar denke ich.“

„Hm, ich weiß nicht. So ganz wohl ist mir bei der Sache nicht“ warf ich meine Bedenken in die Runde.

„So schlecht ist der Plan gar nicht, Lennox. Noah hat Recht. Wer weiß wie weit wir mit dem Schweizer Käse noch kommen.“

„Dann bin ich wohl überstimmt. Aber das ihr einer Meinung seid, macht mir mehr Angst als die Aliens.“

Die beiden lachten. In Teamarbeit verfrachteten wir Tekla in das neue Reisegefährt. Ich musste zugeben die Koje war um ein vielfaches besser als die Rückbank des Geländewagens. Ich holte noch die Umhängetasche, in der ich den Proviant unterbrachte und die Alien-Waffe. Noch während ich die Tür hinter mir zuknallte setzte sich das Fahrzeug auch schon in Bewegung. Mit einem Seufzer ließ ich mich in den Beifahrersitz fallen.

Wir fuhren wieder zurück und bogen auf die B9 ab, um unsere unterbrochenen Fahrt nach Domburg fortzusetzen.

Es war echt unheimlich. Die menschenleere Straße kam mir vor wie aus einem Zombiefilm. Nichts regte sich, obwohl der morgendliche Berufsverkehr längst über den Asphalt hätte rollen sollen.

Hier lag ein Wagen in der Böschung. Dort stand einer mit offenen Türen mitten auf der Fahrbahn. Einen Kilometer weiter musste sich Noah durch mehrere verlassenen Autos hindurchschlängeln. Es sah aus als wären die Insassen erst vor wenigen Augenblicken herausgebeamt worden. Um mich von der unwirklichen Umgebung abzulenken beschäftigte ich mich mit der Alien-Waffe.

„Vergiss es, Kermit. Das Teil machst du auch nicht klar.“

Noahs überhebliches Grinsen und seine andauernde Anspielung auf meine grün gefärbten Haare spornten mich erst recht an.

Nachdem ich die Funktion und Handhabung der Pistole im Stadion erfolgreich erforscht hatte kam ich mir vor wie ein Waffenexperte. So schnell würde ich mich nicht entmutigen lassen.

Ein langes Rohr mit einem Griffstück. Leicht wie Plastik, unbekanntes Material. Fremde Zeichen und Bauteile, deren Zweck mir unverständlich blieb. Ich war genau so schlau wie zuvor.

„Ich sag ja, um damit umgehen zu können müsstest du schon eine dieser außerirdischen Ameisen sein“ stichelte Noah schadenfroh weiter.

Genervt schloss ich die Augen und dachte nach. Ein außerirdisches Wesen, ging es mir durch den Kopf. Vor meinem geistigen Auge erschien eine Hand wie sie im Stadion aus dem roten Staub herausgeragt hatte.

Vier kleine Finger und zwei kräftige Daumen. Hm, ich konnte davon ausgehen, dass bei dieser Hightech-Waffe auch eine Art von Sicherung vorhanden war, wie bei der Pistole. Bestimmt einfach, aber fortschrittlicher, sicher kein mechanischer Hebel wie bei unseren Knarren.

Die Hand des Außerirdischen, konnte sie der Schlüssel sein? Ich öffnete die Augen. Mal sehen.

Ich positionierte meine Linke geöffnet im Schoß. Die Rechte legte ich mit der Handkante in die andere. Ich drehte die Hände noch ein wenig bis es so aussah als habe meine rechte Hand einen zweiten Daumen. Gar nicht so schlecht.

Ich packte die außerirdische Waffe und umschloss den Griff mit meiner simulierten Alien Hand. In dem Moment als beide Daumen Kontakt mit dem unbekannten Material bekamen wurde ein tiefes Brummen hörbar. Der schwarze Stab vibrierte. Lichter, Anzeigen und ein Display leuchteten unverhofft auf.

Erschrocken umklammerte ich den Griff fester mit meinen Fingern. Ein hohes Sirren erfüllte die Luft, gefolgt von einem Energiestrahl, der aus der Vorderseite des Rohrs zuckte.

Zum Glück hatte ich den Lauf die ganze Zeit in den Fußraum gerichtet. Der rote Strahl fauchte aus der Vorderseite des Wagens und schlug in die Straße ein. Im Asphalt klaffte ein glühendes Loch.

Noah riss das Steuer herum. Nur knapp konnte er den so plötzlich entstandenen Krater umfahren. Eines der Hinterräder steifte die Kante. Wir wurden kräftig durchgeschüttelt. Lautes Scheppern ließ nichts Gutes erahnen. Ein Knall katapultierte die Motorhaube davon. Einzelne Teile flogen heraus. Der Wagen bockte mehrmals und kam zum Stehen. Schwarzer Rauch verdunkelte die Frontscheibe und nahm uns die Sicht.

Noch immer saß Noah wie versteinert mit offenem Mund hinter dem Lenkrad.

Als kleine Flammen emporzüngelten sprang er auf, packte den Feuerlöscher und stürmte hinaus. Gleich darauf hörte ich ein dumpfes Fauchen. Schaum klatschte gegen die Scheibe und der dichte Qualm löste sich auf. Noah kam zurück, er stürmte auf mich zu.

„Du Flachwichser! Willst du den Aliens die Arbeit abnehmen und uns gleich selbst killen?“ schrie er außer sich.

„Was ist los, Jungs? Sind wir von den Außerirdischen getroffen worden?“ Benommen blinzelte Tekla von ihrem Krankenlager herüber.

„Der Hirni hat mit der Alien Knarre unser Wohnmobil geschrottet und uns fast mit!“

„Aber ich habe doch nur … “ Ich kam nicht mehr dazu, meine Rechtfertigung los zu werden. Der starke Footballspieler schleifte mich durch den Wagen.

„Nur noch dreißig Kilometer! Ne halbe Stunde Fahrt, Ginger hätte endlich behandelt werden können.“ Noah schubste mich aus der offen stehenden Tür. Mein Hosenboden machte Bekanntschaft mit dem verkohlten Asphalt.

„Du hast es verbockt, also besorgst du auch schleunigst ein neues Transportmittel!“

Er knallte die Tür zu. So wütend hatte ich Noah noch nie erlebt. Woher wollte das Arschloch eigentlich wissen wie weit es noch bis nach Fichtenheim war? Ich rappelte mich fluchend auf, dabei fiel mir der Wegweiser ins Auge. So beantworteten sich manche Fragen von selbst.

Mal sehen, wir waren doch erst vor kurzem an zwei verlassenen Autos vorbei gefahren.

Ich musste mich erst orientieren. Da standen sie ja, gar nicht mal so weit entfernt. Ich war erst ein paar Meter gelaufen, da wurde das Wohnmobil wieder aufgerissen. Die Hoffnung, Noah hätte sich wieder abgeregt und würde mich begleiten erfüllte sich nicht.

Er schleuderte die außerirdische Waffe in meine Richtung. Ich konnte mich gerade noch ducken sonst hätte ich das Teil voll vor die Birne bekommen. Hinter mir rutschte der schwarze Stab noch ein Stück über die Straße. Hätte mich das Ding mit dieser Wucht getroffen …

„Du spinnst wohl!“ schrie ich außer mir.

„Lass dieses verkackte Alien-Teil verschwinden, bevor wir noch alle drauf gehen!“

RUMS.

Schon stand ich wieder allein auf der verlassenen Straße. So ein mieses Arschloch! Ich war kurz davor zu explodieren. Wütend stapfte ich weiter. Im Vorübergehen griff ich mir die Alien-Waffe. Der würde sich voll in die Hose machen wenn ein sauber gezielter Energiestrahl knapp vor dem Wagen einschlagen würde. Für einige Sekunden erfreute ich mich an dem Gedanken. Das tiefe Summen und die leuchtenden Anzeigen brachten mich in die Wirklichkeit zurück. Scheiße, ich hatte die Waffe tatsächlich aktiviert! Entsetzt über mich selbst ließ ich den Griff los. Mit einem leisen Zischen erloschen die Anzeigen wieder.

ALTER!

Ich klemmte mir das Teil unter den Arm und marschierte auf die beiden Autos zu.

Sah doch gar nicht so schlecht aus. Groß genug, um Tekla zu transportieren waren beide. Ich setzte mich in den ersten Wagen und drehte den Zündschlüssel um. Der Motor sprang an, gut so. Die heftig blinkende Tankanzeige dämpfte mein Hochgefühl.

Der Wagen fuhr ein paar Meter dann war Schluss. Kein Sprit mehr. Der Motor ging aus, nichts mehr zu machen.

Das zweite Auto war verschlossen. Ich lugte hinein. Kein Zündschlüssel zu sehen. Da ich nicht wusste wie man einen Wagen anders zum Laufen brachte, würde es wenig Sinn machen die Scheibe einzuschlagen.

Mir blieb keine andere Wahl als weiter zu gehen. Ich blickte noch einmal zurück bevor das Wohnmobil endgültig hinter der sanften Krümmung der langgezogenen Kurve verschwand.

Der Fehlschlag besserte meine Laune nicht. Vor mir tauchte ein weiteres Fahrzeug auf der Straße auf. Ein City-Car, Zweisitzer. Ich war total Angepisst. Wütend umklammerte ich den Griff der Alien-Waffe mit beiden Händen und zielte.

Wusch!

Der rote Energiestrahl traf voll ins Schwarze. Das kleine Auto wurde senkrecht in die Luft katapultiert und explodierte. Einzelteile regneten, leuchtende Spuren wie bei einer Silvesterrakete hinter sich her ziehend, zu Boden.

Geil!

Während ich weiter die Straße entlang schlenderte machte ich mich mit der Außerirdischen-Waffe vertraut. Okay, mit den beiden Daumen am Griff wurde sie aktiviert, mit einem Druck der Finger abgefeuert. Das ovale Display an der mir zugewandten Seite des Rohrs war wohl so etwas wie eine Zielvorrichtung. Auch wenn ich nicht erkennen konnte wie oder was darauf angezeigt wurde.

Hm, eines der insektenartigen Wesen würde damit bestimmte etwas anfangen können. Ich ließ mich nicht entmutigen, sondern betrachtete die Leuchtstreifen auf der Oberseite genauer. Der rechte strahlte zu Dreiviertel der Gesamtlänge in einem Rostrot. Der restliche, mir zugewandte Abschnitt, in einem dunklen Grün.

Der Streifen auf der linken Seite war nur zur Hälfte sichtbar erleuchtet. Auch hier war die Farbe ein dunkles, schmutziges Rot. Aber es gab einen Unterschied: der schimmernde Streifen war in einzelne Segmente unterteilt, nämlich in drei längliche Rechtecke. Während ich die Anzeige betrachtete erhellte sich ein weiteres Feld. Mal sehen, ich hatte da so eine Vermutung.

Zielen, dieses Mal auf die Böschung am Straßenrand. Finger an den Kontaktgriff. Der kleine Krater mit den glühenden Rändern, der zurück blieb interessierte mich kaum. Eines der roten Segmente war erloschen. Meine Theorie hatte sich bestätigt. Das war eine Art von Munitions-Anzeige.

Die Waffe musste sich also erst wieder aufladen. Nach dem sichtbaren Teil zu urteilen konnten bei vollem Magazin sechs Schuss abgefeuert werden. Auf keinen Fall würde ich auf Noah hören und das Ding verschwinden lassen. Nun, da ich wusste wie das Teil funktionierte hatten wie endlich etwas Wirksames gegen die Aliens in der Hand.

Unsere eigenen Waffen schienen ja gegen die Aliens nicht besonders wirkungsvoll zu sein. Noch einmal zielte ich auf ein Fahrzeug, das im Straßengraben lag.

WUUMMS!

Ein hefiger Energiestrahl zuckte aus dem Lauf. Mit großen Augen starrte ich auf die Einschlagstelle. Dort, wo gerade noch ein blauer Mittelklassewagen gelegen hatte, schimmerte jetzt eine Lache aus flüssigem Metall. Ungläubig schielte ich auf die Alien-Waffe. Alle Segmente waren erloschen. Wow, sowas wie ein Super-Strahl!

Aber wie war das passiert? Ich hielt den schwarzen Stab ruhig in meinen Händen und versuchte mich an jede meiner Bewegungen zu erinnern. Die Daumen aktivierten das Teil, okay, mit den Fingern schießen. Ja, das war die Lösung!

Es dauerte geradezu unerträglich lange bis endlich ein drittes Segment aufleuchtete. Mal sehen, ob ich Recht hatte. Zeige- und kleiner Finger gegen den Griff pressen.

Wusch!

Ein Energiestrahl schoss heraus und ein Feld erlosch. Okay, nun kam es drauf an. Mittel- und Ringfinger.

WUUMMS!

Die Energie von zwei Segmenten entlud sich. Ich war echt genial. Voll in meine Experimente versunken wäre ich fast an einem Auto vorbei gelaufen. Ich versuchte es, aber der Wagen ließ sich nicht starten.

So ein Scheiß! Also weiter.

Die Gegend kam mir bekannt vor. Bald musste die Straße auftauchen, auf die wir abgebogen waren, um zur Tankstelle zu kommen. Da stand ein Wagen. Groß genug, aufgetankt, mit ein paar Löchern zwar, aber noch fahrtüchtig. Wenn ich ab hier quer über die Felder laufen würde konnte ich den Weg erheblich abkürzen. Dann mal los.

Es war noch ein ganz schönes Stück bis die Tankstelle endlich am Horizont auftauchte. Es war alles noch genau so wie wir es verlassen hatten. Auch nach mehrmaligem Rufen tauchte keine Menschenseele auf. Ich bediente mich nochmal im Shop und packte eine Kiste mit Proviant. Ein paar Snacks und eine Limo später war ich soweit und fuhr los.

Gut gelaunt bog ich auf die Bundesstraße ab. Noah würde nicht besonders erfreut sein wenn ich ausgerechnet mit dem durchlöcherten Geländewagen auftauchte. Noch weniger darüber, dass ich die Alien-Waffe noch immer bei mir hatte. Ich war entschlossen sie zu behalten, egal was er davon hielt. Während ich an den Überresten meiner Testversuche vorbei kam, dachte ich darüber nach wie ich den sturen Kerl überzeugen konnte das Hammerteil zu behalten.

Mit mäßiger Geschwindigkeit fuhr ich in die langgezogene Kurve ein. Gleich würde das Wohnmobil auftauchen.

Scheiße, was war das denn?

Da stand eines dieser blauen Aliens mitten auf der Straße. Ich stellte den Motor ab. Fast geräuschlos ließ ich den Wagen auf dem Seitenstreifen ausrollen. Noch war der Außerirdische nicht auf mich aufmerksam geworden.

Leise öffnete ich die Tür, griff mir die Waffe und schlich zu den beiden Autos hinüber bei denen ich als erstes vergeblich mein Glück versucht hatte.

Ich lugte über das Dach des weißen Kombis. Der Außerirdische stand mit dem Rücken zu mir. Das schloss ich daraus, dass ich die übergroßen schwarzen Augen nicht sehen konnte. Meine Beobachtung war richtig. Die flügelartigen Kraftfelder erschienen auf der mir zugewandten Seite. Das Wesen breitete seine dünnen Arme aus und erhob sich in die Luft. Wieder bildeten sich die blauen Kugeln um seine Hände. Die feinen Strahlen krochen über den Asphalt auf das noch immer an seinem Platz verharrende Wohnmobil zu. Was auch immer Sinn und Zweck dieser Aktion sein mochte, es konnte nach meinen Erfahrungen aus dem Stadion nichts Gutes bedeuten. Die flirrenden Strahlen erreichten das Wohnmobil.

Ich stützte die Waffe auf dem Autodach ab, legte meine Hände um den Griff und zielte. Alle sechs Segmente leuchteten auf. Ich schoss zweimal hinter einander. Treffer!

Einer der Flügel löste sich knisternd auf und das Alien sackte in die Tiefe. Kurz bevor es auf dem Boden aufschlug konnte es sich gerade noch abfangen. Das Knistern wurde lauter und das andere Kraftfeld erlosch ebenfalls. Noch ehe seine Füße den Asphalt berührten schoss ich erneut. Das Wesen wurde mit der Wucht eines kräftigen Fußtritts nach vorn gestoßen, konnte sich aber gerade noch auf den Beinen halten.

Ich schoss weiter. Bzzz. Scheiße, keine Energie mehr!

Der Außerirdische stand immer noch aufrecht da. Langsam drehte er sich zu mir herum. Seine übergroßen schwarzen Augen fixierten mich.

Mit einer theatralischen Geste bewegte er seine Arme nach vorn bis sich die Handflächen berührten. Die mir schon bekannte magentafarbene Kugel erschien. Ich wusste nur zu gut was nun passieren würde. Mit einem Sprung hechtete ich hinter den anderen Wagen in Deckung. Keine Sekunde zu früh. Ein Energiestrahl riss den weißen Wagen in die Höhe. Erst zehn Meter hinter mir schlug er wieder auf. Nachdem er sich mehrfach überschlagen hatte blieb er liegen und explodierte.

Vorsichtig spähte ich über die Motorhaube. Mist, das Alien hatte meinen Fluchtversuch bemerkt. Es sah mich an. Obwohl es kein menschliches Gesicht hatte kam es mir so vor als würde es mich überheblich angrinsen.

Ein Feld auf dem linken Leuchtstreifen der Waffe glühte auf. Ohne nachzudenken schoss ich auf meinen Gegner. Der Außerirdische wurde zu Seite geschleudert, kam aber blitzschnell wieder auf die Beine. Erneut aktivierte er seine Waffe.

Das Auto, hinter dem ich in Deckung gegangen war, stand mitten auf der Straße. Wenn ich losrannte, um im Wald Schutz zu suchen, würde ich ein super Ziel abgeben. Wenn ich hier hocken blieb aber auch.

Kapitel 5

Unfähig meinen Blick abzuwenden starrte ich auf die leuchtende Kugel. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich wie aus dem Wald zu meiner Linken mehrere Feuerbälle herausschossen. Der mit voller Wucht getroffene Außerirdische wurde von der Straße gefegt. Benommen richtete sich das Wesen wieder auf.

Nach den ersten unsicheren Schritten wankte es auf die Straße zurück. Ich schien als Bedrohung zweitrangig geworden zu sein. Ohne mich weiter zu beachten lief das Wesen an mir vorbei.

Das angeschlagene Alien richtete seine Waffen-Arme auf den Wald und feuerte einen Energiestrahl ab. Mehrere Bäume gingen in Flammen auf.

Erneut rasten drei Flammenkugeln auf das Wesen zu. Dieses Mal prallten sie von einem unsichtbaren Hindernis ab wie Bälle, die gegen eine Wand geworfen werden. Vom ersten Angriff eiskalt erwischt reagierte das Alien jetzt gelassen auf die Bedrohung. Es ging nicht einmal in Deckung sondern blieb einfach mitten auf der Straße stehen. Es schien sich seiner Überlegenheit sicher zu sein: der ideale Zeitpunkt sich vom Acker zu machen. Aber zwei Sachen beschäftigten mich so intensiv, dass ich die Gelegenheit verstreichen ließ.

Erstens: Woher kamen auf einmal diese tennisballgroßen Feuerkugeln? Bis zu diesem Zeitpunkt waren im Kampf zwischen den Außerirdischen nur Waffen mit Energiestrahlen zum Einsatz gekommen.

Die zweite Sache: Wie schützte sich der blaue Bastard? In meinem Kopf spukte ein Gedanke herum, der mich nicht mehr losließ. Die Möglichkeit eines dieser Aliens aus der Nähe zu beobachten würde sich so schnell kaum wieder ergeben.

Ich schlich um den Wagen herum. Im dichten Grün war nicht die geringste Spur des Angreifers auszumachen.

Dem Alien schien es nicht anders zu gehen. Mehrmals schoss es einfach wahllos in den Wald.

Von meinem Standpunkt konnte ich tatsächlich Einzelheiten an dem Außerirdischen erkennen, die mir vorher entgangen waren.

Kleine, rote Sechsecke umschwirrten den blauen Körper wie Insekten eine Lichtquelle in der Dunkelheit. Zwei glühende Bälle preschten aus dem Dickicht heraus und trafen ihr Ziel.

Es war genauso wie ich es in der vergangenen Nacht bei diesem riesigen Alien Gebilde im Steinbruch beobachtet hatte. Zwei der roten Sechsecke veränderten blitzschnell ihre Position und wehrten den Angriff ab. Danach lösten sich die beiden Mini-Schutzschilde auf. Noch waren genug von den Dingern da, um ihn vor den Angriffen zu verteidigen.

Ich fragte mich, ob sich die Teile wieder regenerierten oder nur eine begrenzte Anzahl vorhanden war. Ich aktivierte die Waffe. Lange dauerte es nicht bis die nächste Angriffswelle auftauchte. Ich zielte und schoss mein Magazin leer.

Tatsächlich die Anzahl der schützenden Energiefelder verringerte sich. Aber noch bevor ein zweites Segment in seinem rostigen rot auf der Anzeige meiner Waffe aufleuchtete umschwirrten mehr Sechsecke das unbekannte Wesen als zuvor.

Verdammt! Für einen Augenblick hatte ich gehofft eine Möglichkeit entdeckt zu haben, um die Wichser platt zu machen.

Erneut schoss eine Handvoll Feuerkugeln auf das Wesen zu. Es sah so aus als habe es nur darauf gewartet. Blitzschnell erfolgte sein Gegenschlag. Noch bevor die flammenden Geschosse ihr Ziel erreichten, feuerte es mehrere Energiestrahlen in Richtung des Angreifers.

Eine Explosion zerriss die Stille. Vögel stoben in alle Richtungen davon. Fast gleichzeitig schlug eine Feuersäule aus dem Laubdach des Waldes in den Himmel. Weitere Bäume gingen in Flammen auf. Die fast unnatürliche Lautlosigkeit kehrte zurück und dröhnte lauter in meinen Ohren als die krachende Explosion. Dunkler, fast schwarzer Qualm stieg auf. Wer oder was die Feuerkugeln abgefeuert hatte würde ich wohl nie erfahren.

Nur langsam sickerte die Erkenntnis durch meine aufgewühlten Gedanken, dass sich meine Lage dramatisch verschlechtert hatte. Der Angreifer aus dem Wald war zwar ausgeschaltet, die Möglichkeit zur Flucht hatte ich jedoch dummerweise ungenutzt verstreichen lassen. Noch immer hockte ich hinter dem Wagen.

Unweigerlich würde es zu einer Neuauflage des Duells mit dem Außerirdischen kommen. Ich starrte auf die Anzeige, ein viertes Segment erhellte sich. Mein Blick glitt über den Lauf meiner Waffe zum Gegner hinüber.

Einzelfeuer erzielte nicht die geringste Wirkung. Als Alternative blieb mir nur noch der Mega-Schuss mir vollem Magazin.

Das Alien drehte sich um und kam langsam auf mich zu. Ein weiteres Licht glühte auf. Mein Herz klopfte immer schneller. Nur noch eins, dann hatte ich maximale Feuerkraft. Ich nahm das blau leuchtende Wesen ins Visier. Immer schneller huschte mein Blick zwischen der Anzeige und dem sich nähernden Gegner hin und her. Der Außerirdische blieb stehen und ging in Angriffsstellung. Mir blieben nur noch Sekunden.

Im gleichen Augenblick in dem das sechste Feld aufleuchtete, presste ich Ring- und Mittelfinger fest gegen den Griff. Natürlich war blitzschnell eines der roten Sechsecke zur Stelle, um meinen Angriff abzuwehren. Mein Energiestrahl durchschlug den Schutzschild und traf das Alien an der Schulter.

Ich hielt die Luft an. Einige Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit erschienen, passierte gar nichts. Noch immer stand das Wesen angriffsbereit vor mir.

Dann, als habe jemand einen Ausschalter gedrückt, erlosch die magentafarbene Kugel gleichzeitig mit den herumschwirrenden Sechsecken. Selbst die hellblau leuchtende Haut des Außerirdischen wurde dunkel. Aus den übergroßen schwarzen Augen schossen Funken und Blitze hervor. Endlich kippte das Wesen wie ein gefällter Baum nach hinten und schlug mit einem eklig schmatzenden Geräusch auf den Asphalt.

Es war kaum zu glauben, ich hatte das Wesen platt gemacht! Zur Sicherheit wartete ich noch ab. Erst als sich die Munitionsanzeige wieder bis zur Hälfte gefüllt hatte wagte ich mich aus der Deckung hervor. Dabei fiel mir auf, der Leuchtbalken auf der rechten Seite hatte sich verändert, er war nicht mehr so lang wie bei er ersten Aktivierung der Waffe. Aufgrund meiner Experimente und nach dem heftigen Feuergefecht schloss ich, dass es sich um die Darstellung der verbliebenen Gesamtenergie oder Feuerkraft handelte wie bei einer Batterie. Kein eingebauter Atomreaktor, sondern ein simples Energiemagazin. So fortschrittlich waren die Außerirdischen also auch wieder nicht. Vorsichtig, meine Waffe noch immer auf das Alien gerichtet, schlich ich mit zittrigen Beinen auf den leblos daliegenden Körper zu.

Aus der Nähe betrachtet konnte das außerirdische Wesen den erhabenen Eindruck nicht länger aufrechterhalten, erst recht nicht den eines Engels.

Ich schätzte seine Größe auf etwas über zwei Meter. Sein extrem schlanker Körper war tatsächlich unbekleidet. Die Haut grau, dick und faltig wie die eines Elefanten. Seine Augen, nur noch zwei tiefe dunkle Höhlen, starrten in die Unendlichkeit. Aus dem beachtlichen Loch in seiner Schulter sickerte eine zähe, gelbliche Flüssigkeit auf die Straße.

Ein Geräusch, eindeutig aus dem Inneren des Alien, ließ mich zusammenzucken. Mein Herz setzte fast einen Schlag aus als sich unerwartet der gesamte Oberkörper öffnete. Er schwang auf wie der Deckel einer Truhe. Mit einem dumpfen Knall prallte er auf den Asphalt.

Aus dem Inneren erhob sich eine mehr als ungewöhnliche Lebensform. Flach wie ein Flusskrebs, in der Form eines langgezogenen Sechsecks. Die Haut, oder möglicherweise auch die Schale, erinnerte an eine dicke, durchsichtige Plastikfolie.

Auch sein kompliziert ineinander verschachteltes Innenleben war aus einem glasähnlichen Material. Zuerst dachte ich, dieses bizarre Ding ohne sichtbare Sinnesorgane würde schweben. Erst als die Lebensform aus dem Alien-Körper heraussprang und flüchtete konnte ich die ebenfalls transparenten Extremitäten erkennen. Auf acht sehr dünnen Spinnenbeinen, die mit mehreren Gelenken versehen waren, bewegte es sich schnell die Straße entlang. Schon nach wenigen Metern war das Lebewesen nur noch schemenhaft zu erkennen. Obwohl es seine Richtung nicht änderte und ich es mit meinen Augen verfolgte, verschmolz es einfach mit der Umgebung. Auf diese perfekte Tarnung wäre selbst ein Chamäleon neidisch.

Geschockt von dem befremdlichen Geschehen stand ich noch immer wie angewurzelt da. Verdammt, hätte ich dieses transparente Was-auch-immer erledigen sollen? War es ein harmloses Tier oder eine intelligente Lebensform, die bald mit Verstärkung anrückte?

Nachdenklich starrte ich auf die sechseckige Vertiefung des leblosen Aliens. Genau angepasst, um das geflohene Ding aufzunehmen. Meine Augen wanderten weiter. Das Innenleben bestand einerseits aus biologischen und andererseits eindeutig aus künstlichen Teilen.

Nach allem was ich in der letzten Zeit erlebt hatte, sollte mich so etwas Ungewöhnliches nicht weiter erstaunen. Gleich unterhalb des langen Halses, an der Stelle wo bei uns Menschen die Schlüsselbeine aufeinander zulaufen, schimmerte ein hellgrünes Oval, wie ein wertvoller Edelstein. Er lag eingebettet in einer Ansammlung verschieden dicker Kabel oder Zuleitungen. Die meisten verteilten sich nach links und rechts in Richtung der Schultern. Einige wenige liefen aber auch nach unten auf die Vertiefung zu.

Während ich darüber nachgrübelte, ob dieses Alien tatsächlich eine eigenständige Lebensform war oder nur eine Art von künstlich erschaffenem Android, bildete sich über dem Stein eine Glocke. Zuerst kaum sichtbar wie eine filigrane Seifenblase wurde das handgroße Gebilde massiver. Seine Oberfläche verwandelte sich in ein nebeliges Weiß, unter dem der grüne Stein nur noch schemenhaft zu erkennen war. In die dunkelblauen Zuleitungen kam Bewegung. Langsam zogen sie sich aus dem Körper zurück.

Fasziniert beobachtete ich wie sich die halbrunde Glocke gemächlich in die Luft erhob. Das Teil schwebte wirklich. Es stützte sich nicht mit den verschieden dicken Kabeln ab. Die dunkelblauen Tentakel bewegten sich nicht mehr. Leblos hingen sie herunter.

Das Gebilde ähnelte stark einer Qualle, nur die anmutigen Bewegungen des Meeresbewohners fehlten. Ohne ein Geräusch schwebte es bis auf die Höhe meiner Schulter, um dort untätig in der Luft zu verharren. Wartete das Ding auf etwas?

Bereitete es sich darauf vor mich anzugreifen? Ich dachte darüber nach, ob ich nicht vorsichtshalber von meiner Waffe Gebrauch machen sollte.

„Hey du, lass die Finger von dem Seelenstein, der gehört mir!“

Am Waldrand war ein Soldat aufgetaucht, mit weit ausholenden Schritten rannte er auf mich zu.

„Bleib da stehen, nicht näher ran gehen!“

Ich hatte mir doch schon gedacht, mit dem komischen Ding stimmte etwas nicht. Erschrocken trat ich vorsichtshalber einen Schritt zurück.

Als der Kerl näher kam merkte ich wie sehr ich mich getäuscht hatte. Das war auf keinen Fall ein echter Soldat. Er war mit einer Hose im militärischen Tarnmuster bekleidet. Die hellbraunen Worker-Boots gehörten aber genau so wenig zu einer originalen Uniform, wie das bedruckte Shirt mit einem Totenkopf im Manga-Style. Die olivgrüne Jacke passte da schon eher. Aber unter den zahlreichen Aufnähern waren nur die beiden Rangabzeichen auf den Schultern echt. Die anderen waren von legendären Fliegerstaffeln, militärische Abzeichen aus der ganzen Welt oder einfach nur Fakes. Einen der Aufnäher kannte ich sogar aus einem Online-Spiel.

Als sich der junge Mann bis auf wenige Meter genähert hatte, verlangsamte er sein Tempo. Vorsichtig, nein fast schon ehrfürchtig näherte er sich dem schwebenden Fragment aus dem Körper des Außerirdischen. Der Typ schien ein gut trainierter Läufer zu sein. Auch nach seinem Sprint war er kaum außer Atem.

„Ist das Alien-Teil gefährlich?“ fragte ich.

Der Unbekannte ließ sich Zeit mit der Antwort.

„Eher nicht“ murmelte er abwesend vor sich hin.

Na super! Mit der Aussage konnte ich echt viel anfangen. Tickte der noch ganz sauber, oder was?

Eigentlich sah er ganz normal aus. Na ja, die Frisur war schon schräg. An den Seiten bis auf wenige Millimeter abrasiert passte sie ganz gut zu dem gefakten Militärlook, nicht aber der ungewöhnliche Irokesenschnitt oben auf dem Kopf. Das schwarze, zwei bis drei Zentimeter lange Haar war mit Gel nach oben gestylt und wild verstrubbelt. Eine recht gewagte Frisur bei den abstehenden Ohren. Die dunkle Hautfarbe und seine Gesichtszüge legten eine indische Abstammung nahe.

Die hellbraunen Augen starr auf das Quallen artige Ding gerichtet schien er mich völlig vergessen zu haben.

Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor. Der Kerl war nicht mal bewaffnet, was mich etwas beruhigte.

Der Unbekannte leckte sich nervös über die Lippen. Er hob die linke Hand, um nach dem noch immer regungslos in der Luft schwebenden Alien-Teil zu greifen.

„AJEET!“

Mitten auf der Straße stand eine weitere Person. Der offene Trenchcoat flatterte im Wind. Fehlte nur noch die Musik von Ennio Morricone und der ultracoole Auftritt wie aus einem Italo-Western wäre perfekt.

„Kacke! WAS?“ der Inder zog seine Hand zurück. Angepisst stampfte er wie ein bockiges Kind mit dem Fuß auf.

Der große Mann setzte sich in Bewegung und kam auf uns zu. Das schulterlange blonde Haar, der gestutzte Vollbart und die breiten Schultern weckten ein neues Bild in meinem Kopf. Der Trenchcoat wurde zu einem roten Umhang. Ein antiker Hammer, übergroß aus Eisen und mit grobem Holzgriff, kam herangeflogen. Er landete in der geöffneten Hand des Hünen. Verblüffend, genau so hatte ich mir den nordischen Gott Thor immer vorgestellt.

Meine Phantasie verblasste wieder. Natürlich trug der Kerl kein Superheldenkostüm wie in den Comics. Obwohl die Motorradstiefel aus weichem Leder mit der dazu passenden Hose schon wie der Teil eins futuristischen Kampfanzuges wirkten. Die schwarze Kapuzenjacke und der wehende Mantel entfachten meine Vorstellung von einem Superhelden in zivil erneut. Die Aura von Autorität, die der Kerl selbst aus der Entfernung ausstrahlte verstärkte diesen Eindruck.

„Du hast versprochen der Seelenstein des nächsten Engels gehört mir“ jammerte der Inder. Einen Meter hinter ihm blieb der Hüne stehen.

„Ajeet, du kennst die Abmachung genau so gut wie ich.“ Die dunkle Stimme klang ruhig und befehlsgewohnt.

„Ja schon, wer einen Engel erledigt, hat als erster Anspruch auf den Stein. Echt jetzt, du willst ihn doch nicht diesem Freak mit der Wiese auf dem Schädel überlassen?“

Der Hüne musterte mich aufmerksam mit seinen leuchtend blauen Augen. Ich scheute mich nicht, das gleiche zu tun. Sein Alter war nur schwer zu schätzen, was wohl hauptsächlich an seiner massiven Statur und dem Vollbart lag. Von weitem hatte er wesentlich älter gewirkt, Ende dreißig oder so. Aber jetzt, aus der Nähe betrachtet, war ich mir da nicht mehr so sicher.

Die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen als sich unsere Blicke trafen.

„Von der grünen Matte würde ich mich an deiner Stelle nicht täuschen lassen. Der scheint einiges auf dem Kasten zu haben. Immerhin hat der Freak, wie du ihn nennst, den Engel erledigt. Mit einer funktionstüchtigen Alien-Waffe. Uns ist es noch nicht mal gelungen so ein Teil zu aktivieren. Der könnte uns einfach wegpusten wenn er wollte.“

Der Junge mit den Segelohren starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an. Erst jetzt bemerkte ich die noch immer schussbereite Alien-Waffe in meinen Händen.

„Oh, ähm, sorry“ stammelte ich verlegen, deaktivierte sie und richtete den Lauf nach unten.

„Okay Alter, der Stein gehört dir“ murmelte der Inder angepisst.

„Äh, danke.“ Verblüfft und ohne den geringsten Schimmer, was ich mit dem schwebenden Ding anfangen sollte, schaute ich ihn ratlos an.

„Ach nö! Verdammt, Leon! Der checkt nicht mal was hier abgeht! Wäre es nicht besser, wenn ich … “

„Ajeet!“

„Ach, Kacke!“ Er packte meinen rechten Arm und hielt ihn in die Nähe des Quallen artigen Objekts. Die schlaff herunter hängenden Tentakel erzitterten. Gemächlich schwebte das bizarre Teil auf meinen Arm zu. Gebannt sah ich zu, wie es genau über meinem Handgelenk zum Stillstand kam und dabei an Höhe verlor.

Einer der dunkelblauen Tentakel berührte meine Haut. Ein warmes Kribbeln breitete sich von der Stelle aus. Erschrocken wollte ich meinen Arm zurückziehen. Obwohl mich der Bursche mit den Pseudo-Militärklamotten wieder los gelassen hatte konnte ich den Arm nicht bewegen. Wie die betäubte Beute eines zuerst harmlos erscheinenden Gegners stand ich da, auch der kleinsten Regung nicht fähig.

Auf einmal ging alles so schnell, dass ich es mit meinem träge wirkenden Verstand kaum erfassen konnte. In die Tentakel kam Bewegung. Blitzschnell, sich dabei ineinander verschlingend, wickelten sie sich um mein Handgelenk. Dabei zogen sie die Schwebende Halbkugel immer weiter herunter. Als sie mein Handgelenk berührte erlosch die milchig schimmernde Kuppel. Gleichzeitig kam es mir vor als würden eine oder mehrere der Tentakel sich unter meine Haut bohren. Ein unerträglicher Schmerz durchzuckte meinen Unterarm. Kurz darauf breitete sich Wärme und ein elektrisierendes Kribbeln in meinem gesamten Arm aus. Mir wurde ein Moment schwarz vor Augen dann kehrte meine Bewegungsfreiheit allmählich wieder zurück. Ich fühlte mich total ausgepowert. Obwohl ich in meinem ganzen Leben noch keinen Marathonlauf bestritten hatte fühlte ich mich als hätte ich gerade einen hinter mir. Ein Zittern durchlief meinen Körper. Als meine Beine nachgaben und ich kraftlos zusammen sackte, war der Hüne zur Stelle, um mich aufzufangen. Behutsam setzte er mich auf dem schmutzigen Asphalt der Straße ab.

„Geht es wieder?“ fragte er nach einer Weile. Noch immer hielt er mich in seinen starken Armen. Nur ungern gab ich die behagliche Sicherheit seiner Berührung auf.

„Ja, denke schon“ murmelte ich. Es ging mir tatsächlich schon etwas besser. Der Kerl ließ mich los und ging zu seinem Kumpel. Erstaunt und neugierig zugleich betrachtete ich meinen Unterarm.

Die Tentakel hatten sich fest um mein Handgelenk gewickelt. Einige von ihnen verschwanden tatsächlich unter meiner Haut.

Eingebettet in dem kunstvollen Geflecht schimmerte der ovale Stein in einem hellen Grün. Das ganze wirkte wie eine fette, sehr kostspielige Armbanduhr. Auch die Farben hatten sich verändert. Das dunkle Blau wirkte jetzt fast wie schwarzes Metall. Als ich mein Handgelenk bewegte merkte ich, dass meine Beobachtung nicht zutreffend war. Je nach Lichteinfall schimmerte das Band in allen Regenbogenfarben, wie Benzin auf einer Pfütze.

Noch etwas fiel mir auf. Ich winkelte den Arm an, um das ungewöhnliche Schauspiel aus der Nähe zu betrachten. In den verschieden dicken Tentakeln, die sich zu dem fetten Armband verwoben hatten, bewegten sich winzige Leuchtperlen. Von der Unterseite meines Handgelenks wanderten sie zu der gegenüberliegenden Seite, um in dem grünen Kristall zu verschwinden. Die Perlen strahlten so hell, dass sie den Teil der Tentakel, den sie gerade durchwanderten transparent erscheinen ließen.

Von außen betrachtet wirkten die einzelnen Stränge wie glattes Metall. An den leuchtend durscheinenden Stellen konnte ich die filigrane Struktur erkennen aus der die Tentakel bestanden.

„Leon.“ Der Hüne ging vor mir in die Hocke und streckte mir seine Rechte entgegen. Dabei rutschte der Ärmel des Trenchcoats zurück. Es überraschte mich nicht wirklich, zu sehen, dass sein Handgelenk von einem ähnlichen Teil umschlungen wurde wie meines.

Sein Armband war wesentlich breiter. Die Stränge, anderes als bei mir, zu einem wiederkehrenden Muster verflochten. Bei ihm glitzerten und funkelten die Perlen genau so aufgeregt wie an meinem Handgelenk.

„Lennox“ erwiderte ich die Vorstellung und ergriff seine Hand. Anders als von anderen Kerlen, die mir ihre Männlichkeit beweisen mussten indem sie mir die Fingerknochen zerquetschten, drückte Leon mit wohldosierter Kraft zu.

„Bleib noch einen Moment sitzen. Der erste Kontakt ist immer heftig. Es wird gleich besser.“ Wieder erschien dieses zaghafte Lächeln in seinen Mundwinkeln, was den Kerl noch attraktiver erscheinen ließ.

„Sag mal, was trage ich da jetzt mit mir herum?“ Ich zeigte auf mein Armband.

„Wir denken, es ist eine Art Energiezelle, mit der die Engel ihre Waffen und Schutzschilde versorgen. Aber bei uns wirken die Teile ein wenig anders.“

Leon streckte seinen Arm mit geballter Faust aus. Der grüne Stein blitzte kurz hell auf. Dann baute sich so etwas wie ein Hologramm oder Energiefeld genau über dem grünen Kristall auf. Ein rotierender Feuerball erschien zwei handbreit über seinem Unterarm.

Leon bewegte seine Faust nach unten und die Kugel schoss davon. Der Feuerball zerlegte das Auto hinter dem ich die ganze Zeit über Schutz gefunden hatte.

„Vorsicht Alter, den schwarzen Geländewagen da hinten brauche ich noch“ rief ich durch die ohrenbetäubende Explosion. Die nächste Kugel, die sich schon über dem Handgelenk gebildet hatte, verschwand wieder.

„Was dein Band drauf hat musst du erst noch herausfinden. Kannst du schon wieder aufstehen?“ Leon reichte mir beide Hände, um mir behilflich zu sein.

„Kann ich damit nicht auch so Feuerkugeln verballern wie du?“ fragte ich total erschöpft und noch immer etwas wacklig auf den Beinen.

„Bei jedem wirken sich die Kräfte des Seelensteins anders aus. Aber ich erkläre dir später alles in Ruhe. Wir sollten hier besser schnellstens verschwinden. Hast du den Geist auch erledigt?“

„Den was?“

Der Inder verdrehte die Augen.

„Na den Geist! Das durchsichtige Ding.“ Er ließ die Finger beider Hände wie Spinnenbeine tanzen und zeigte dabei auf die Vertiefung in dem offenen Oberkörpers.

„Ach so, ihr meint dieses komische Lebewesen. Tut mir leid, nein. Bevor ich geschnallt hatte was da abging war es schon weg.“

„Fuck!“ Leon sah auf einmal besorgt aus. Er blickte in den Himmel, dann suchten seine Augen die nähere Umgebung ab. Glaubte der etwa, dieses Wesen würde zurückkommen, um uns anzugreifen? Wachsam schaute auch ich mich um, aber von einer drohenden Gefahr war nichts zu erkennen.

„Ajeet, check die Umgebung.“ Seine Stimme klang jetzt wieder hart und befehlend.

„Jawohl, Sir!“ bestätigte der Angesprochene in knapper militärischer Art. Er winkelte den rechten Arm an. Auch sein Handgelenk wurde von den Tentakeln eines Quallen artigen Gebildes umschlossen. Ich bemerkte sofort den einzigen Unterschied zu Leon und mir.

Ajeets Stein strahlte in einem satten Dunkelgrün. Er berührte mit der Linken den Armreifen, der darauf genau wie bei Leon kurz aufblitzte. Durch ein ebenso helles Aufblitzen wurde meine Aufmerksamkeit auf seinen Kopf gelenkt.

Sein rechtes Ohr verschwand hinter einer halbdurchsichtigen Energiescheibe. Aus dem blauen Feld schob sich ein breiter Streifen über die hellbraunen Augen des jungen Inders. Es sah aus wie eine futuristische Brille oder ein breites Helmvisier, das ohne sichtbare Verbindung vor seinem Träger schwebte.

„Was ist?“ fragte Leon ungeduldig.

„Moment, auch mit dem Engelkram kann ich nicht zaubern.“

Das transparente Kraftfeld veränderte seine Struktur. Wie eine polarisierende Scheibe bei Sonneneinstrahlung wurde es dunkel. Es sah aus, als sei es zu einem undurchsichtigen festen Material geworden. Ein dunkelblaues Metall, das von innen heraus zu leuchten schien. Ajeet sondierte mit dem Visier vor den Augen die Umgebung.

„Sieht gut aus. Der Luftraum im Umkreis von mehreren Kilometern ist sauber. Noch keine Alien-Schiffe im Anflug auf unsere Position. Keine Engel- oder Insekto-Patrouille in der Nähe. So weit, so gut. Nur diesen verkackten Geist finde ich nicht.“

„Okay, noch ist es ruhig. Die Gelegenheit, unbemerkt zu verschwinden bevor die Engel auftauchen, um den Körper zu bergen. Komm schon, Lennox.“ Leon packte meinen Arm und zog mich mit in Richtung Wald. Von der Aktion überrumpelt brauchte ich einige Sekunden, um zu kapieren was los war. Ich befreite mich aus seinem Griff und blieb stehen. Der große Kerl schaute mich verdutzt an.

„In dem Wohnmobil sind Freunde von mir. Ohne die haue ich hier bestimmt nicht ab.“

„Scheiße.“ Leon folgte mir.

„Oh, oh!“ Ajeet schien etwas entdeckt zu haben. Wir blieben stehen und sahen ihn fragend an.

„Ich habe den Geist gefunden. Nicht weit von hier auf einer Lichtung im Wald steht das Schiff der Engel, er bewegt sich genau darauf zu.“

„Kann dieser, äh, Geist so ein Schiff fliegen?“ fragte ich.

„Keine Ahnung. Einen Engelkörper kann er auf jeden Fall steuern. Ich bin nicht scharf darauf, heraus zu finden was der noch alles drauf hat“ meinte Leon nachdenklich.

„Dann sollten wir uns hier schnellstens verpissen.“ Ajeet ließ die Ortungsbrille wieder im nichts verschwinden.

„Denke ich auch. Krall dir das Motorrad. Ich kümmere mich mit Lennox um seine Kumpel.“ Der Inder mit den Segelohren stürmte davon.

„Na los.“ Der Hüne gab mir einen Schubs.

Ich rannte zum Wohnmobil. Noah hing zusammengesunken über dem Lenkrad. Tekla lag noch immer in der Koje. Keiner von beiden rührte sich. Ich packte den Sportler an der Schulter und rüttelte ihn. Mit einem grunzenden Laut kam Bewegung in den trainierten Körper. Noah richtete sich mühsam auf, aus halb offenen Augen blinzelte er mich benommen an.

„Lennox, da bist du ja“ lallte er mit schwerer Zunge und kippte wieder auf das Lenkrad.

„Hey Alter, was ist mit dir? Aufwachen! Keine Ahnung was hier abgeht.“ Hilfesuchend schaute ich Leon an, der gleich nach mir den Innenraum betreten hatte.

„Hat der Engel mit diesem Bündel aus feinen blauen Strahlen rumgemacht?“

„Wenn du mit Engel den Außerirdischen meinst: ja, hat er.“

„Okay, dann weiß ich was mit deinen Freuden los ist. Bin mal ganz kurz von solchen Strahlen gestreift worden. Die saugen dir die Kraft aus dem Körper, ich war voll ausgeknockt, mir war hundeelend.“

„So wie von den Dingern?“ Ich tippte auf mein Armband.

„Tausendmal schlimmer. Is echt ne fiese Waffe. Eine lähmende Strahlung. Dann klemm dich mal hinter das Steuer und gib Gummi.“

„Lennox hat mit der Alien Knarre den Motor geschrottet“ brabbelte Noah. Langsam kam er wieder zu sich. Gerade rechtzeitig, um mich in die Scheiße zu reiten, Glückwunsch! Obwohl ich eigentlich Stolz darauf war, das ich die Funktionsweise der Waffe herausgefunden hatte, war mir der Vorfall doch ein wenig peinlich. Ich lief rot an. Leon zog die Augenbrauen in die Höhe.

„Was ist mit der Kleinen?“ Ich war ihm dankbar, dass er keinen blöden Spruch losließ.

„Tekla ist am Bein verletzt. Wegen dem, äh, Unfall habe ich den Geländewagen besorgt. Der ist in Ordnung. Hat zwar einige Löcher, fährt aber super.“ Ich überholte mich fast selber beim Sprechen, um von meiner roten Birne abzulenken.

„Na dann … ich trage die Kleine, du schleifst deinen Kumpel hier raus.“

Wie einen Betrunkenen schleppte ich Noah zum Geländewagen.

„Hat dem Besitzer wohl nicht gefallen als du den geklaut hast?“ meinte Leon, als er die Einschusslöcher bemerkte.

„Öhm nein, der ist nicht gestohlen. Das war ganz anders“ stotterte ich verlegen. Schon schoss mir wieder das Blut in den Kopf.

„So ein durchgeknallter Militär-Heini wollte uns platt machen“ nuschelte Noah.

Als ich Leons breites Grinsen bemerkte wurde mir klar, dass er mich mit der Bemerkung nur hatte aufziehen wollen. Ich lehnte Noah gegen den Wagen, um die Tür zu öffnen damit der Hüne Tekla auf die Rückbank legen konnte.

„Hey Kumpel, es ist wohl besser wenn du mich fahren lässt“ schmunzelte Leon, der gerade noch verhindern konnte, dass Noah sich hinter das Steuer setzte. Gemeinsam schafften wir es den durchtrainierten Footballspieler unter großem Protest auf dem Beifahrersitz fest zu schnallen. Ich rannte noch einmal zum Wohnmobil zurück, um die Umhängetasche zu holen. Dann ließ ich mich neben Tekla nieder, die jetzt auch langsam das Bewusstsein zurück erlangte, aber noch immer etwas benebelt wirkte.

Ein dunkles Brummen aus dem Wald kündigte ein Motorrad an, das sich in unsere Richtung bewegte.

Ein stuntreifer Sprung katapultierte Ajeet aus der letzten Baumreihe heraus. Mit einem kurzen Schlingern landete er auf der Straße. Breit grinsend, eine Wolke verbrannten Gummis hinter sich lassend, kam er neben uns zum Stehen. Die Motocross-Maschine sah schon recht mitgenommen aus. Aber das gleiche konnte man von unserem Geländewagen auch sagen.

Wir fuhren los und ließen das Wohnmobil, den kleinen Krater in der Straße und die brennenden Bäume hinter uns. Für einige Minuten erfreute ich mich an dem Gedanken in Sicherheit zu sein.

Am Horizont, genau in Fahrtrichtung, tauchte eines der Alien-Schiffe auf. Ohne zu zögern schwenkte es in Angriffsposition. Der Feuersturm, der auf uns zurollte, kam mir mehr als bekannt vor. Bei der Straßensperre waren es Kugeln gewesen, die Dreck in die Luft rissen und so den Weg der immer näher kommenden Bedrohung sichtbar machten. Hier war es ganz ähnlich, nur mit einem winzigen Unterschied: die auftreffenden Energiestrahlen schleuderten die ganze Straße samt Grünstreifen in alle Himmelsrichtungen.

Ajeet, vor uns, riss die Geländemaschine in einem gewagten Bremsmanöver herum. Auch Leon ging voll in die Eisen, wobei das Heck des Wagens herumschleuderte. Kaum hatte er das Fahrzeug wieder unter Kontrolle gab er Gas. Mit quietschenden Reifen rasten wir los, um dem jetzt hinter uns tobendem Inferno zu entkommen.

„Der scheint echt voll angepisst zu sein!“ schrie Ajeet als er uns auf dem Weg zurück zu seiner Führungsposition überholte. Wir waren fast wieder am Start unserer Reise angekommen.

Ich warf einen Blick nach hinten durch die verdreckte Heckscheibe. Obwohl wir mit fast Hundertzwanzig Sachen über die Bundesstraße donnerten kamen die vernichtenden Strahlen immer näher.

Ajeet hatte angehalten. Er stand auf dem Grünstreifen. Mit beiden Armen winkend zeigte er in den Wald. Als wir uns seiner Position näherten bretterte er wieder los.

Leon riss den Geländewagen hart herum und folgte dem Motorrad auf dem schmalen Forstweg. Durch die unruhige Fahrt war nicht nur Noah auf einmal wieder voll da. Tekla stöhnte vor Schmerzen laut auf. Ich versuchte ihr Bein so gut es ging zu schützten. Gegen die heftigen Stöße, die den ganzen Wagen durchschüttelten war ich allerdings machtlos.

Wir kamen an einem ausgebrannten Lieferwagen vorbei. Die Bäume in seiner Nähe standen noch immer in Flammen.

„War das euer Wagen?“ fragte ich neugierig.

„Ja. Schade um die ganzen Vorräte, die wir gesammelt hatten. Zum Glück waren Ajeet und ich schon weit genug weg als alles in die Luft ging.“

Das war also die heftige Explosion gewesen, die ich beobachtet hatte. Nicht weit neben uns schlug ein Energiestrahl ein. Weil das Alien unsere Spur verloren hatte, schoss es ziellos umher. So schnell es der Wagen und der mit Untiefen übersäte Untergrund zuließen rasten wir durch den Wald.

Durch die Baumwipfel erhaschte ich einen Blick auf den Alien-Flieger. Nach einigen weiteren Schüssen hörte das sinnlose Herumgeballere plötzlich auf.

„Ha, der hat wohl eingesehen, dass die Aktion nix bringt“ meinte Noah erleichtert.

Ich konnte Leons hellblaue Augen im Rückspiegel sehen. Nur kurz trafen sich unsere Blicke. Der Hüne schien genau so wenig von Noahs Einschätzung überzeugt zu sein wie ich. Meine Augen suchten weiter den Himmel ab, der sich gelegentlich zwischen den Baumwipfeln zeigte.

Plötzlich, völlig unerwartet durchpflügte eine Salve von mehreren Strahlen den Wald. Genau vor uns, von links über den schmalen Weg hinweg entstand eine Feuerwand. Leon riss das Steuer herum und bretterte über den lockeren Waldboden zwischen den Bäumen hindurch.

Ajeet, der uns voraus gefahren war, konnte nicht mehr so schnell reagieren. Ich sah ihn mit der Motocross-Maschine in der Flammenwand verschwinden.

„Scheiße! So ein verdammtes Arschloch!“ fluchte Leon während er weiter durch den Wald heizte.

Tekla schrie neben mir laut auf. Ihre Schmerzen mussten unerträglich sein. Was konnte ich nur tun?

Mir fielen die Injektionspflaster von der Soldatin an der Straßensperre wieder ein. Zum Glück hatte ich die Teile in meine Hosentasche gesteckt. Wie war das noch? Rot mit Aufputschmittel? Also das andere. Ich riss die Verpackung auf und presste das Pflaster in Teklas Nacken. Nur Sekunden später kippte ihr Kopf schlaff nach vorne auf ihre Brust.

Na toll, gut gemacht Lennox! Die ist im Schlummerland und du kannst jetzt zusehen, dass sie sich bei der wilden Fahrt nicht weiter verletzt.

Irgendwie schaffte ich es, das Mädchen in eine Position zu quetschen, in der ihr nicht viel passieren konnte. Als ich aus dem Fenster blickte stockte mir der Atem. Ich wünschte mir ein zweites Pflaster, um mich ebenfalls ins Land der Träume zu verabschieden.

So wie Leon zwischen den Bäumen herumkurvte brach mir der kalte Angstschweiß aus. Das konnte nicht gut gehen. Wir schossen auf zwei dicht, sehr dicht beieinander stehende Bäume zu.

Zack!

Beide Außenspiegel mussten dran glauben, aber wir waren durch. Na ja, im Augenblick würde uns deswegen sowieso keine Streife anhalten, um uns einen Strafzettel zu verpassen.

Wieder schoss ein Energiestrahl nicht weit von uns in den laubbedeckten Boden. Ich hörte ein tiefes Knattern und bemerkte rechts von mir einen Schatten.

„Ich glaub´s nicht! Halt an, da ist dein Kumpel!“

Der Inder fuhr bis auf die Höhe der Fahrerseite heran.

„Alles klar bei dir?“ fragte Leon besorgt.

„Aber hallo, das war voll der Hammer, Alter.“ Ein breites Lächeln erschien auf dem rußverschmierten Gesicht. Dem Typen schien die ganze Aktion auch noch Spaß zu machen!

„Der Geist lässt nicht locker, was? Man müsste ihn mit irgendwas ablenken oder so. Mit deiner Knarre könnte ich ihn weglocken und ihr euch vom Acker machen.“ Ajeet starrte mich an.

„So einfach ist das mit dem Teil nicht. Es dauert viel zu lange bis ich dir alles erklärt habe. Und außerdem brauchst du beide Hände. Vom Motorrad aus wird das nichts.“

„Quatsch doch keinen Scheiß, Alter! Die Insektos ballern auch mit einer Hand, dann bring ich das wohl locker!“

„Na klar! Du hast also auch sechs Finger inklusive zwei Daumen an jeder Hand, oder?“

Der junge Inder starrte mich verwirrt an.

„Hm, ich glaube Lennox kennt sich mit den Aliens besser aus als wir. Wenn er sagt es geht nicht, dann wird da wohl was dran sein.“

„Okay, du bist der Boss. Was machen wir dann?“ lenkte Ajeet nur widerwillig ein.

Leon stieg aus dem Wagen.

Dein Plan ist echt gut. Ich nehme das Motorrad und ihr schlagt euch zum Treffpunkt durch.“

„Aber Boss …“

Der Hüne streckte seinen rechten Arm aus. Genau so fasziniert wie beim ersten Mal starrte ich auf die gelbe Kugel, die nach einem kurzen Aufblitzen des Armbandes über seinem Handgelenk schwebte. Er schoss einen Feuerball schräg zwischen den Baumkronen hindurch. Wortlos stellte er sich neben Ajeet. Der musste zähneknirschend einsehen, dass Leon der einzige war, der seinen Plan ausführen konnte.

Er stieg nur ungern von der Maschine. Der Hüne schwang sich auf den Sattel.

Wir stiegen aus, erhaschten aber nur noch einen Blick auf das Rücklicht wie es zwischen den Bäumen verschwand.

Ein weiterer Feuerball stieg in den Himmel. Es dauerte nicht lange und ein Energiestrahl schoss an der gleichen Stelle in den Wald.

Meinst du er schafft es da lebend wieder raus zu kommen?“ fragte ich.

„Wenn es einer schafft, dann Leon. Er ist ein guter Anführer, der packt das.“

„Denke ich auch.“ Mitfühlend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. Der Inder schüttelte sie unwirsch ab.

„Wir müssen los.“

„Lass mal gut sein Kleiner, is wohl besser wenn ich fahre“ meinte Noah, während er auf die offene Fahrertür zusteuerte.

„Na aber sicher, Alter! Du weißt ja auch wo es hingehen soll!?“

Die beiden blickten sich eisig an.

„Lass gut sein.“ Ich schleifte Noah zur Beifahrerseite. Es war nicht leicht ihn davon zu überzeugen Ajeet ans Steuer zu lassen.

Es dauerte eine Weile bis der Wald hinter uns lag. Von weiteren Angriffen blieben wir verschont. Nur hin und wieder sahen wir in sicherer Entfernung Energiestrahlen aufblitzen.

Die schmale Straße führte geradewegs zu einer Ortschaft. Oder besser gesagt zu dem, was davon noch übrig war. Es sah aus wie in einem Kriegsgebiet, so wie ich es bis jetzt nur aus den Nachrichten kannte.

Nur vereinzelt ragten noch einige unversehrte Häuser oder andere Bauwerke aus den Trümmern. Ein halb verschüttetes Ortsschild erstickte all meine Hoffnungen: Fichtenheim.

„Scheiße!“

„Was ist, Alter?“ fragte Ajeet.

„Hier sollte die Unfallpraxis sein zu der wir meine Freundin bringen wollten.“

„Daraus wird wohl nix. Hier steht nicht mehr viel. Aber keine Panik, wir haben jemanden, der sich darum kümmern kann.“

„Einen Arzt?“

„So was in der Art.“

„Na klasse.“

„Wirst schon sehen.“

Wir fuhren noch ein Stück, dann machte Ajeet vor den Überresten eines Bahnhofs halt und stieg aus.

„Was ist mit Ginger?“ fragte Noah mich.

„Schläft noch tief und fest: Injektionspflaster.“

Wir stiegen ebenfalls aus und lehnten uns neben dem Inder an den Wagen.

„Worauf warten wie hier eigentlich?“

Ajeet schaute Noah genervt an: „Darauf.“

Ein junger Mann mit einem Rucksack auf den Schultern kam über die Trümmer auf uns zugelaufen.

„Mann Alter, wo wart ihr denn so lange? Wo ist Leon? Und wen schleppst du da an?“

Während Ajeet mit ihm sprach schaute ich mir den blonden Kerl genauer an. Er war in etwa so alt wie ich und seine Füße steckten in knallroten Chucks, die schon ihre besten Zeiten hinter sich hatten. Zu den knöchelhohen Schuhen trug er knielange Hosen und unter der viel zu großen Kapuzenjacke mehrere Shirts unordentlich übereinander. Mit seinen blonden Dreadlocks machte er einen sympathischen Eindruck.

Der Typ kam mit einem herzlichen Lächeln und ausgestreckter Hand auf uns zu.

„Hi, ich bin Robin.“

Noah und ich stellten uns ebenfalls vor. Dann warf er einen Blick in den Wagen.

„Macht euch mal keinen Kopf, Sakushi bekommt das schon wieder hin.“

Der Kerl hatte echt ein sonniges Gemüt.

„Alles okay, es ist Ajeet!“ rief er laut. Drei weitere Personen tauchten in den Trümmern auf.

Ein leises Knattern erfüllte die Luft. Am Horizont wurde ein Motorrad sichtbar. Schnell kam es auf der schmalen Straße näher.

„Leon, na endlich!“ seufzte der junge Inder erleichtert. Ich hielt nach dem Flugobjekt der Außerirdischen Ausschau, konnte es aber nirgendwo entdecken. Hatte der Hüne es wirklich geschafft unseren Verfolger abzuschütteln?

Leon bretterte auf uns zu. Im letzten Moment ging er voll in die Eisen. Geschmeidig sprang er ab. Die Motocross-Maschine kippte auf die Seite und schlitterte noch einige Meter weiter bis sie vor eine Hauswand krachte.

„Wir haben nicht viel Zeit. Da sind Flugzeuge aufgetaucht, die Beschäftigen das Ufo eine Weile.“

Ajeet aktivierte sein Visier. Alle starrten ihn gebannt an.

„Die Piloten testen eine neue Taktik. Sie haben sich aufgeteilt und greifen aus verschiedenen Richtungen an. Wird bei der Feuerkraft und Geschwindigkeit der Engel-Flieger leider nicht viel bringen“

„Okay Leute, wir müssen hier schnellstens weg. Sobald der mit denen fertig ist wird er sich wieder um uns kümmern. Irgendwelche Vorschläge?“ Leon schaute in die Runde.

„Wir verstecken uns in einen Keller.“ Noah zeigte auf eines der noch intakten Gebäude.

„Echt super Idee! Ein Energiestrahl und wir sind lebendig unter dem Schutt des ganzen Gebäudes begraben!“ kommentierte ich trocken.

„Okay Mister Mega-Schlau, weißt du was Besseres?“

„Noch acht Flugzeuge. Schätze, uns bleiben zehn Minuten oder weniger“ meldete sich Ajeet.

„Danke, sehr hilfreich. Nur keinen Druck aufbauen!“ brummelte ich vor mich hin.

Auch die anderen dachten fieberhaft nach. Nur der Typ mit den Rastalocken stand gelassen da. „Ich wüsste schon, wo wir uns verstecken könnten ... “ sagte er mit breitem Grinsen.

„Abschuss! Nur noch sieben Flieger!“

Kapitel 6

„Da waren‘s nur noch sieben … “

„Nun sag schon Robin, wo?“ Beunruhigt schaute Leon in die Richtung, aus der wir gekommen waren.

Der angesprochene streifte den Rucksack ab, dann streckte er den rechten Arm aus. Mich wunderte es nicht als ein dunkelblaues Armband sichtbar wurde. Es war mehr als doppelt so breit wie meines, sonst gab es aber kaum einen Unterschied.

Noah bekam große Augen als das Teil aufblitzte und sich veränderte. Die ineinander verschlungenen Stränge verwandelten sich in honigfarbenen Bernstein, durch die reines Sonnenlicht zu fließen schien. Nur der grüne Kristall blieb wie er war.

Auf dem Parkplatz erhob sich eines der Autos in die Luft und schoss auf uns zu.

Reflexartig ging ich in Deckung. Nachdem der Wagen in sicherer Höhe über uns hinweggeflogen war landete er sanft vor der noch intakten Außenwand des sonst völlig zerstörten Bahnhofs.

Ich schaute mich um. Außer Noah und mir hatte sich niemand auf den Boden geworfen. Für die anderen schien der außergewöhnliche Vorfall nichts besonderes oder gar bedrohliches gewesen zu sein. Weitere Fahrzeuge segelten durch die Luft. Erst langsam stellte mein Gehirn einen Zusammenhang zwischen den schwebenden Autos und den Bewegungen des Typen mit den Dreadlocks her.

„Nur noch sechs Flugzeuge!“ Ajeets Stimme ging in dem aufeinander krachenden Metall und dem berstenden Glas fast unter.

Die Autos stapelten sich vor der Betonwand im Kreis zu einem Schutzwall auf. Im Nu war eine abenteuerliche Konstruktion aus sechs aufeinander liegenden Schichten in die Höhe gewachsen. Zum Abschluss wurden zwei S-Bahn-Wagons und ein Bus der Länge nach auf der Wagenburg platziert. Sie bildeten eine Abdeckung, die man mit viel Phantasie als Dach bezeichnen konnte.

Was nun passierte blieb mir zunächst ein Rätsel. Ein weiteres Auto flog heran. Genau über dem spektakulären Bauwerk verharrte es in der Luft. Sekunden später zerplatze es in zeitlupenartiger Geschwindigkeit. Wie bei einer Silvesterrakete regneten unzählige Einzelteile vom Himmel. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrfach.

„Na, was haltet ihr davon?“

„Super, ein Schrotthaufen! Was soll das bringen?“ meinte Noah trocken.

Zuerst wusste ich auch nicht worauf Robin so stolz war. Das ganze sah wie einer der vielen anderen Schutthaufen ringsherum aus. Die chaotischen Oberflächen verbanden sich nahtlos mit dem Trümmerfeld und wirkten wie ein Teil des eingestürzten Bahnhofs. Dann entdeckte ich eine kaum sichtbare Öffnung in Bodennähe.

„Geniales Versteck! Wenn die Aliens auch nur ein bisschen intelligent sind werden sie keinen Energiestrahl verschwenden, um den Schrott platt zu machen. Erst recht nicht, wenn sie keine Lebewesen darunter vermuten. Schlau, Alter!“

Robin smilte mich dankbar an. Ich schien der einzige zu sein, der seine Absichten durchschaut hatte.

„Da drunter sollen wir uns verkriechen?“ fragte Noah total verblüfft.

„Na klar und da geht‘s rein.“ Ich zeigte auf die Öffnung, die nur wie ein schwarzer Schatten wirkte.

„Noch fünf Flieger, Leute!“ mahnte Ajeet mit eindringlicher Stimme.

Die restlichen Mitglieder der Gruppe waren in der Zwischenzeit bei uns angekommen. Ein junger Bursche in Skater Klamotten, mit fetten Sportschuhen und einer hippen Frisur,

eine schlanke Asiatin mit langem schwarzem Haar und ein Typ, der mich aus zusammen gekniffenen Augen argwöhnisch ansah. Mit Rucksäcken schwer bepackt hatten sie sich um ihren Anführer versammelt.

„Okay, das Versteck ist echt gut.“ Leon ging um den Geländewagen herum. Behutsam holte er Tekla aus dem Fahrzeug. Das Mittel der Soldatin wirkte immer noch. Schlaff hing sie in den starken Armen des Hünen.

„Wir brauchen noch etwas, um es der Verletzten ein wenig bequem zu machen. Sie hat schon genug durchgemacht, fehlte gerade noch sich auf dem kalten Boden auch noch ein Lungenentzündung zu holen.“

Alle schauten sich in den Trümmern nach etwas Brauchbarem um. Da kam schon wieder was auf uns zu geflogen. Ein Reisebus!

Schon in der Luft löste sich die Karoserie in Einzelteile auf und fiel krachend zu Boden. Fast allem beraubt was ein Fahrzeug ausmachte landete die nackte Fahrgastzelle dicht neben uns.

„Die Rückbank ist doch genial, oder?“ Das leuchten seines Armbandes erlosch. Robin vergrub seine Hände tief in den Hosentaschen. Erwartungsvoll schaute er uns der Reihe nach an.

Der Hüne nickte ihm anerkennend zu.

„Können wir auch ein paar Sitze für uns mitnehmen? Ich meine von wegen kalter Boden und so. Wäre uncool, wenn einer von uns wegen einer läppischen Lungenentzündung drauf geht.“ Der junge mit den Rasta-Locken kippte den Kopf zur Seite und blickte Leon wie ein treuer Dackel mit großen Augen an.

„Klar doch. Aber zuerst schaffen wir die Bank und unsere Sachen da rein.“

„Vier“ murmelte Ajeet vor sich hin.

Leon marschierte mit Tekla in seinen Armen los. Die Asiatin und der strohblonde Skater rafften alle Rucksäcke zusammen und folgten ihrem Anführer. Der Rest machte sich eifrig daran, die Bank aus ihrer Verankerung zu brechen. Der rohen Gewalt und Entschlossenheit von vier jungen Männern konnte die solide Befestigung nicht lange standhalten.

Der mir noch unbekannte Kerl, nicht weniger kräftig gebaut als Noah, wuchtete die Bank hoch und schleppte sie mit Hilfe des Footballspielers davon.

Mein Blick folgte ihnen. Als sie an dem ramponierten Geländewagen vorbei kamen fiel mir die Kiste mit dem Proviant wieder ein, die ich an der Tankstelle eingeladen hatte.

„Hey Lennox, verpissen gilt nicht! Ich könne hier echt deine Hilfe gebrauchen“ Robin zerrte an einem der Doppelsitze herum.

„Chill mal Alter, da sind noch wichtige Sachen im Wagen“ rief ich über meine Schulter. Noch bevor ich mein Ziel erreicht hatte sah ich den jungen Skater aus der dunklen Öffnung auftauchen, in der er erst vor einer knappen Minute mit Rucksäcken beladen verschwunden war. Wieselflink rannte er durch die Trümmer auf Robin zu.

Entschlossen packte ich den Griff der Heckklappe, aber öffnen ließ sich der Geländewagen nicht. Mit beiden Händen und aller Kraft rüttelte ich daran herum. Meine Befürchtung, gleich nur noch den losen Griff in den Händen zu halten, erfüllte sich glücklicherweise nicht. Ich versuchte wirklich alles, aber meine Bemühungen blieben erfolglos. Das Teil war nicht zu öffnen. Während unserer wilden Flucht durch den Wald musste sich die Karosserie verzogen haben, oder die Mechanik war im Arsch - was auch immer. Die Lebensmittel, die im Kofferraum lagen, konnte ich wohl vergessen.

Ein Knacken und Knirschen riss mich aus meiner Grübelei. Der Griff in meinen Händen begann zu vibrieren. Erschrocken ließ ich los und trat einen Schritt zurück. Scharniere und Verriegelung rissen mit der Heckklappe aus dem Blech. Kurz verharrte das abgetrennte Teil des Geländewagens frei schwebend in der Luft, dann flog es zur Seite und landete krachend neben mir auf der Straße. Als ich mich umdrehte bestätigte sich meine Ahnung.

Der Typ mit den Rasta-Locken ließ gerade den rechten Arm sinken.

„Kein Ding, auf meine Hilfe kannst du immer zählen!“ Augenzwinkernd drehte er sich wieder um und begann mit dem blonden Jungen einen Sitz aus dem Busgerippe zu lösen.

So ein Arschloch! Wollte der mir etwa ein schlechtes Gewissen einreden? Ich holte die gut gefüllte Kiste aus dem Heckteil. Verdammt, als ich das Ding in den Wagen geladen hatte war es mir um einiges leichter vorgekommen. Möglicherweise lag es auch nur daran, dass ich jetzt noch die prall gefüllte Tasche und die Alien-Knarre mit mir herumschleppte. Ich war froh als ich den etwa türgroßen Eingang zu dem ungewöhnlichen Unterschlupf erreicht hatte. Aus der dunklen Öffnung, die alles Licht zu verschlucken schien, drangen geflüsterte Wortfetzen zu mir nach draußen.

„Echt jetzt? Du willst wirklich, dass die bei uns bleiben?“

„Wir haben in den paar Tagen unglücklicherweise schon zu viele von uns verloren. Wenn wir weiter gegen die Aliens durchhalten wollen brauchen wir Verstärkung.“

Die erste Stimme war mir unbekannt. Die andere -dunkel, wohlklingend mit dieser unaufdringlichen aber unbeugsamen Autorität- gehörte eindeutig zu Leon.

„Aber wenn die merken mit wem sie sich einlassen?“

„Ich denke nicht, dass es einen von den dreien interessiert was wir vor der Alien Invasion gemacht haben. Erst recht da wir die Möglichkeit haben dem Mädchen zu helfen. Außerdem ist Lennox jetzt einer von uns.“

„Nur weil er den Kristall abgegriffen hat? Du weißt ja nicht mal welche Fähigkeiten er dadurch bekommt und ob die uns was nützen.“

„Schon klar, aber eine wichtige Fähigkeit hat er jetzt schon. Lennox kann mit einer Insekto-Waffe umgehen. Wir hatten es noch nicht mal geschafft eine von denen zu aktivieren.“

„Hm, gut. Aber wenn der Froschkopf es uns gezeigt hat, dann ... “

Von hinten angerempelt, stolperte ich um mein Gleichgewicht ringend, durch die Öffnung. Auf der anderen Seite wäre ich um ein Haar mit Leon zusammen geknallt. Neben ihm stand der Typ, der mich vorhin misstrauisch gemustert hatte. Die beiden blickten mich überrascht an.

„Vorsicht, aus dem Weg! Schwertransporter heiß und fettig!“ Robin und der blonde Junge schleppten einen Zweisitzer an und vorbei.

Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ihre Unterhaltung mitbekommen hatte.

„Hi, euer Wagen mit Vorräten ist bei unserer Rettung drauf gegangen. Ich habe hier was, ist nicht viel, aber besser als nichts denke ich mal.“

Der dunkelhaarige Typ mit dem Dreitagebart fixierte mich mit einem argwöhnischen Blick. Noch bevor er etwas sagen konnte hörte ich Robins Stimme hinter mir.

„Leute, der Count-Down steht bei drei. Es wird knapp wenn wir noch ein paar Bänke abgreifen wollen, um keinen kalten Arsch zu bekommen.“

„Oh ja, da werde ich mal lieber mit anpacken.“ Ich drückte Leon hastig die Kiste in die Hände und folgte dem Jungen. Draußen atmete ich erleichtert auf.

Mit aller Kraft half ich dabei den nächsten Sitz aus der Verankerung zu brechen.

„Warum rackern wir uns damit so ab? Lass die Sitze doch einfach damit rüber schweben.“ Mit dem Kopf deutete ich auf sein Alien-Armband.

„Würde ich ja gerne machen, Alter. Aber damit kann ich nur Sachen aus Metall beeinflussen. Die Teile hier sind blöderweise aus Stoff und Plastik.“

„Ach so.“ Ich nickte verstehend.

„Zwei!“

Wir verstärkten unsere Bemühungen. Die anderen Jungen eilten uns zu Hilfe.

„Nur noch ein Flugzeug am Himmel. Echt tapfer, der Typ.“

Wir hatten es tatsächlich noch rechtzeitig geschafft drei weitere Sitzbänke in unser Versteck zu schleppen.

„Ajeet, beweg deinen Arsch hier rein!“ rief Robin nach draußen. Ich spähte durch die Öffnung. Der Junge mit den Segelohren stand noch immer in seine Beobachtungen versunken da und bewegte sich nicht von der Stelle. Wir riefen gemeinsam aber er reagierte noch immer nicht.

„Was geht denn hier ab?“ Durch unser Geschrei angelockt tauchte Leon neben uns auf. Robin zeigte nach draußen. Ohne ein weiteres Wort stürmte der Hüne hinaus. Er warf sich den Inder über die Schulter und hastete in unseren Unterschlupf zurück.

Keine Sekunde zu früh. Am Horizont tauchte eines der außerirdischen Flugobjekte auf. Es flog genau auf uns zu. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube zog ich mich von der Öffnung zurück.

Leon stellte den Jungen vorsichtig auf dem Boden ab. „Hey Leute, was soll der Scheiß? Ich hatte alles voll im Griff!“ murmelte Ajeet während er sein Visier deaktivierte. Verwirrt mit den Augen blinzelnd sah er sich um.

„Alter!“ hauchte er beeindruckt. Ich folgte seinem Blick. Die letzten Minuten waren so hektisch verlaufen, dass ich kaum etwas von dem beeindruckenden Innenraum gesehen hatte, obwohl ich schon mehrmals im Inneren dieser abenteuerlichen Zuflucht gewesen war. Etwa in der Mitte standen die zu einem unregelmäßigen Kreis abgestellten Sitze aus dem Bus. Die Rückbank, auf der Tekla lag, stand abseits gleich neben der steil in die Höhe ragenden Wand aus Blech.

Wow! Von außen betrachtet wirkte die Konstruktion bei weitem nicht so hoch wie aus meiner jetzigen Perspektive. Schon einmal war ich von so einem Anblick beeindruckt worden. Ich erinnerte mich noch genau an den Schulausflug bei dem wir eine Kathedrale besichtigten. Genauso klein und verloren fühlte ich mich jetzt wieder als ich zu der hohen Decke hinauf blickte. Wer hätte gedacht, dass fünf Lagen aufeinander gestapelter Autos eine so beachtliche Höhe von schätzungsweise sechs Metern ergaben? Durch die vereinzelten Spalten und einige Fenster drang genug Tageslicht, um den Innenraum in ein schummriges Halbdunkel zu tauchen.

Von Draußen war jenes typische Fauchen zu hören, dass beim Abfeuern eines Energiestrahls die Luft erfüllte. Eine unheilvolle Explosion folgte nur Sekundenbruchteile danach. Angespanntes Schweigen machte sich breit, jeder für sich erstarrt in dem Gefühl zwischen Bangen und Hoffen.

Einige sahen sich beunruhigt um, wirkten wie verschreckte Tiere in einem Käfig. Andere standen einfach nur abwartend da und lauschten.

Der Junge mit den Dreadlocks und ich spähten vorsichtig durch die Öffnung nach draußen. Ein zweites Flugobjekt tauchte auf.

„Immer wenn einer von denen drauf geht ziehen die Engel so eine Show ab. Sie tauchen blitzschnell auf. Einer von ihnen sichert die Umgebung, der andere holt den toten Körper.“

„Aber was machen die dann hier? Die leblosen Reste des Aliens liegen doch auf der Straße hinter dem Wald.“

„Die sind noch hinter etwas anderem her.“

Als Robin meinen Fragenden Blick bemerkte, hielt er mir sein Armband mit dem Kristall unter die Nase.

„Dieses Energie-Ding scheint super wichtig zu sein. Die versorgen ihre Waffen, Schutzschilde und alles andere mit Energie. Aber ich denke da steckt noch mehr dahinter. Die machen jedes Mal voll Alarm wegen der Kristall-Quallen.“

Die nächsten Explosionen entfernten sich von uns. Es schien als wären wir tatsächlich in Sicherheit.

„Wenn die Engel so vorgehen wie immer wird es noch eine Weile dauern bis sie wieder abziehen. Wir sollten die Zeit nutzen, etwas essen und uns ausruhen.“ Leon ging mit der Proviantkiste herum. Jeder konnte sich ein Getränk und etwas zu beißen heraus nehmen.

Mit einer Dose Limo in der einen und einer Packung Kekse in der anderen Hand schlenderte zu einem der freien Sitze hinüber. Ich hängte meine Tasche über die Rückenlehne und stellte die Alien-Waffe daneben ab. Mit einem leisen Seufzer ließ ich mich in den Sitz fallen.

Während ich mir die Kekse reinzog nahm ich die Gruppe genauer unter die Lupe. Fast alle schienen so zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt zu sein. Nur Leon, der sicher schon über dreißig war und der noch sehr jung aussehende Skater bildeten da eine Ausnahme.

Wenn ich nur nicht dieses merkwürdige Gespräch mitbekommen hätte. Auf den ersten Blick schien alles in bester Ordnung zu sein. Welches Geheimnis verbargen sie vor uns?

Waren wir in eine Gruppe von Straftätern oder in eine kriminelle Gang geraten? Aber wie der Hüne schon richtig bemerkt hatte: war so etwas im Kampf um das Überleben noch wichtig?

Ein ungutes Gefühl setzte sich trotzdem in mir fest.

Ich schreckte auf als es sich jemand in dem freien Sitz neben mir bequem machte.

„Wir sollten hier so schnell wie möglich die Biege machen, Kermit. Die Typen sind mir nicht geheuer“ flüsterte mir Noah verschwörerisch zu.

„Wie meinst du das?“ Hatte er schon etwas entdeckt was mir noch nicht aufgefallen war?

„Na diese Armbänder, Alter! Hast du nicht gesehen was der Rasta-Typ damit gemacht hat? Das ist bestimmt Alien-Kram! Wer weiß, was diese Freaks mit uns vorhaben.“

Ich hatte meinen rechten Ärmel hoch gezogen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Noah auf mein Handgelenk.

„Kacke, Alter! Du auch?“

Mit halb offenem Mund, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen, hörte er gebannt zu als ich ihm erzählte was nach meinem Rauswurf aus dem Wohnmobil alles passiert war. Während meiner Schilderung betrachtete ich dieses nicht von unserer Welt stammende unfassbar fremde Ding. Ein Teil aus der Brust jener mysteriösen Aliens, die uns ohne jede Vorwarnung angegriffen hatten, friedlich verbunden mit meinem Handgelenk.

Der beim ersten Kontakt hellgrün strahlende Kristall hatte sich um einige Schattierungen verdunkelt. Die leuchtenden Perlen, die sich noch immer in den kunstvoll verflochtenen Tentakeln bewegten, hatten sich sowohl von der Anzahl als auch von der Geschwindigkeit erheblich reduziert. Gemächlich, wie kleine Schnecken mit erleuchten Behausungen auf ihrem Rücken, zogen sie dahin.

„Ich habe ein voll mieses Gefühl mit dem Alien-Zeug. Du solltest den Kram so schnell wie möglich wieder loswerden.“ Noah schien echt besorgt zu sein.

Ich war mir noch nicht so sicher was ich machen sollte. Bis jetzt hatte mir der Kristall weder geholfen noch geschadet. Ich drehte meinen Arm hin und her, um alles noch einmal genauer zu betrachten. Irgendwie kribbelte es in mir weil ich es kaum erwarten konnte heraus zu finden welche Kräfte dieses Ding im mir wecken würde.

„Diese Stränge sind mit meinem Handgelenk verbunden, einige haben sich sogar unter meine Haut geschoben. Ich hab keinen Plan wie ich das wieder rückgängig machen soll.“

„Aber es muss doch eine Möglichkeit geben. Wir sollten die Ärztin fragen.“

„Kannst du voll vergessen, Alter. Einmal mit seinem Träger verbunden gibt es keine Möglichkeit, es wieder los zu werden.“ Der Bursche mit den Dreadlocks schlenderte lässig zu uns herüber. In einem Zug leerte er seinen Energydrink. Ohne auch nur einen Blick darauf zu verschwenden ließ er die Dose davonschweben. Polternd fiel sie irgendwo zu Boden.

„Echt jetzt? Da ist nichts zu machen?“ Ich sah fragend zu ihm hoch.

„Doch schon, ist aber ein echt mieser Deal. Es löst sich auf die gleich Weise von dir wie bei dem Engel von dem zu es bekommen hast.“ Robin schaute mich mit ernster Miene an.

„Was meint der Typ damit, Kermit?“

„Ist doch wohl nicht so schwer zu verstehen. Ich habe dir doch alles erzählt.“

„Ja, schon. Aber du hast gesagt dieses Alien war tot als … oh, Scheiße.“ Noah starrte uns abwechselnd an, als wären Robin und ich ohne es zu bemerken auf einmal zu Monstern mutiert.

„Entschuldigt wenn ich euch unterbreche aber ich brauche eure Hilfe.“

Ich blickte mich um. Die Asiatin mit den schmalen Mandelaugen stand auf einmal neben uns. Der leuchtend grüne Stein mit dem schmalen Band, der ihr Handgelenk schmückte, war nicht zu übersehen.

„Das macht mal schön unter euch aus. Ich bin nur ein ganz normaler Mensch ohne diesen ganzen Alien-Kram.“ Noah schien sich auf einmal sehr unwohl in unserer Gegenwart zu fühlen. Doch bevor er die Flucht ergreifen konnte trat ihm die junge Frau in den Weg.

„Alleine werde ich eurer Freundin nicht helfen können.“ Ihre Stimme klang sanft und leise wie ein vom Wind verwehtes Flüstern. Mit leicht gesenktem Kopf schaute sie Noah bittend an.

„Aber klar doch. Wenn es um Tek geht sind wir natürlich dabei. Nicht wahr, Noah?“

Der dunkelhäutige Sportler nickte widerstrebend. Ich konnte ihm ansehen wie unangenehm es ihm war von Leuten umgeben zu sein, die ihr Leben lang an etwas gefesselt waren, das nicht von dieser Welt stammte. Es schien mir als wären wir für ihn auch zu einer Art von Aliens geworden.

Ich erhob mich aus dem gepolsterten Sitz. Müde, jeden meiner überanstrengten Muskeln spürend wurde mir erst jetzt bewusst wie dringend ich nach den Strapazen der letzten Stunden etwas Ruhe brauchte. Die Schulter, mit der ich bei der Explosion im Stadion vor die Wand gekracht war, schmerze besonders heftig.

Wir waren noch keine drei Schritte gegangen da drehte sich die junge Asiatin blitzschnell herum. Ihr langes Haar wirbelte wie in einer Werbung für teures Shampoo durch die Luft. Zum ersten Mal fielen mir die dunkelrot und blau gefärbten Strähnen auf. Ihre Augen richteten sich auf den noch immer lässig dastehenden Burschen mit den blonden Rasta-Locken.

„Du auch Robin, oder muss ich erst Leon holen?“

Abwehrend hob der Angesprochene die Hände.

„Alles easy, wenn du so nett bittest ... “ Angepisst setzte er sich in Bewegung.

„Die ist noch ganz schön jung für eine Ärztin“ raunte mir Noah zu.

„Sakushi ist keine Ärztin!“ warf Robin so laut ein, dass jeder es hören konnte.

Die Rückenlehne der Bank aus dem Bus war nach unten gebogen worden. Auf diese Weise war ein Komfortables Krankenlager entstanden. Tekla lag mit geschlossenen Augen da. Ihr Bein sah nicht gut aus. Es hatte eine ungesunde Färbung angenommen. Unter dem blutgetränkten Verband breitete sich ein dunkler Fleck auf dem Polster aus.

„Eine Krankenschwester wird das bestimmt auch irgendwie hinkriegen“ murmelte ich, geschockt über Teklas schlechten Zustand, vor mich hin.

„Sicher, wenn wir hier eine hätten ... “

Warum drängte sich mir der Eindruck auf, Robin und Sakushi wären nicht gerade die besten Freunde?

„Aber irgendeine medizinische Ausbildung hast du schon, oder?“

Die Asiatin schaute mit gesenktem Kopf schüchtern zu mir herüber.

„Nein, ich bin Heilerin.“ Ihre Worte waren kaum zu hören.

„HEILERIN! Ich pack‘s nicht! Denkst du etwa, das ist alles nur ein Spiel? Ein Fantasy-Spektakel, ein Manga-Event oder so was?“ Fassungslos starrte ich sie an.

Langsam hob die Asiatin den Kopf. Mit einem eisigen Blick aus ihren fast schwarzen Augen fixierte sie mich. Mit zwei Schritten stand sie vor mir. Das Band aus Alien-Materie begann zu leuchten. Ein blaues Lichtfeld breitete sich aus. Es umschloss ihre Rechte wie ein Handschuh. Argwöhnisch beobachtete ich wie sie, ohne mich zu berühren, meinen Körper abtastete. Bei meiner verletzten Schulter angekommen hielt sie inne. Genau an dieser Stelle, etwa zehn Zentimeter über meiner Haut, bildete sich eine halbdurchsichtige Projektion. Neugierig sah ich wie sich aus dem formlosen, schemenhaften Nebel ein vergrößertes Abbild meiner Schulter herausbildete. Haut, Muskelstränge, Knochen.

Wie in einer Mischung aus Kernspintomographie und Röntgenaufnahme war alles in dem bläulichen Leuchten zu erkennen.

„Hm, Prellungen, Muskelzerrung und ein Haarriss im Schultergelenk. Kein Problem.“ Sakushi blickte mir kurz in die Augen. Das Leuchten veränderte sich, wurde intensiver und ging in ein dunkles Grün über. Meine Schulter begann zu kribbeln. Eine angenehme Wärme breitete sich an der schmerzenden Stelle aus. Der Vorgang dauerte nur knapp eine Minute, dann erlosch das Licht wieder. Die junge Frau nahm die Hand herunter. Fragend blickte sie mich an.

Zuerst zögerlich, dann ungläubig alle Funktionen und Stellungen ausprobierend bewegte ich die gerade noch unerträglich schmerzende Schulter.

„Ähm, keine Schmerzen mehr. Es scheint wieder alles so gut zu sein wie vor meinem Unfall.“

„Heilerin“ stellte Sakushi trocken fest.

„Sorry, ich wusste ja nicht was diese Alien-Teile alles drauf haben. Ich entschuldige mich wegen meiner blöden Bemerkung.“

„Ich weiß nicht was ich mir mehr wünsche: von einem herabfallenden Bus erschlagen zu werden, eurer liebevollen Unterhaltung weiter zu lauschen oder von den Schmerzen in meinem Bein bewusstlos zu werden“ meldete sich Tekla zu Wort. „Ich warte am besten ab, was als erstes eintrifft.“

„Unsere Ginger, charmant wie immer.“ Noah konnte es sich nicht verkneifen auf ihren sarkastischen Kommentar zu antworten.

Sakushi schnitt mit einer Schere vorsichtig den blutgetränkten Verband auf. Mir drehte sich fast der Magen um. Die rasante Fahrt durch den Wald hatte ihre Spuren hinterlassen:

die Wunde war wieder aufgerissen. Mit dem Bein hätte Tek in jedem Splatter-Movie mitspielen können.

„Das bekommt die Heilerin schon wieder hin.“ Tapfer grinste ich Tekla aufmunternd an.

„Jungs, ich brauche einen Freiwilligen, der die Eisenstange herauszieht.“

Wir starrten Sakushi geschockt an. Meinte sie das ernst?

„Während ich meine heilenden Kräfte einsetze, um die Wunde zu schließen muss das rostige Ding langsam herausgezogen werden. Beides gleichzeitig bekomme ich nicht hin.“

„Is wohl eher ein Job für euch Helden. Ginger ist deine Freundin und mit euren Superkräften kann ich sowieso nicht mithalten.“ Noah machte sich mit einer entschuldigenden Geste davon. Die junge Frau sah Robin und mich abwechselnd an.

„Nee, echt jetzt? Leute, das bring ich nicht.“ Robin setzte sein Armband ein. Wie durch Zauberhand bewegte sich das verbogene Ende bis es wieder seine ursprüngliche gerade Form erreicht hatte. Ich konnte beobachten wie er sich dabei konzentrieren musste, um den Anblick der aufgerissenen Wunde zu ertragen. „Mehr kann ich echt nicht machen.“ Als auch er verschwinden wollte hielt ich ihn an der Schulter fest.

„Kannst du das Teil nicht einfach mit deinen Magnetkräften herausziehen?“ fragte ich hoffnungsvoll.

„Ich weiß nicht, was abgeht wenn zwei Kräfte zusammenwirken. An so etwas solltest du nicht mal denken. Würde mich bei dem Alien-Zeug nicht wundern wenn unsere Atome im ganzen Universum verstreut würden. Lass mich lieber gehen wenn du nicht Bekanntschaft mit meinem Mageninhalt machen möchtest.“

Erst jetzt bemerkte ich wie blass sein Gesicht geworden war.

„Was für Loser“ quetschte Tekla zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ich schloss kurz die Augen uns atmete tief ein.

„Okay, was soll ich machen?“

„Stell dich mir gegenüber auf die andere Seite. Zieh die Stange langsam heraus. Ich erledige den Rest.“

„Lennox, du bist mein Held!“ flüsterte Tekla.

„Gegen die Schmerzen kann ich leider nichts machen. Aber ich verspreche dir danach ist dein Bein so gut wie neu. Bereit?“

Tekla nickte nur und biss die Zähne fest zusammen. Die junge Asiatin aktivierte ihren Kristall. Sanft hüllte das grüne Leuchten einen Teil des Oberschenkels ein. Als sie mir stumm zunickte ergriff ich schweren Herzens das mit kleinen Betonbrocken behaftete Ende der Eisenstange. Es war viel schwerer das Ding herauszuziehen als ich es mir vorgestellt hatte. Ich musste einiges an Kraft aufbringen bevor es sich bewegte. An der mir zugewandten Seite öffnete sich die Wunde und frisches Blut sickerte heraus.

Gebannt schaute ich auf das immer kürzer werdende Ende an der mir abgewandten Seite. Als es ganz in Teks Bein verschwunden war, intensivierte sich das Leuchten.

Nach dem vom Blut gefärbten Teil der Eisenstange zu schätzen hatten wir es schon zur Hälfte geschafft.

„Warte.“

Ich unterbrach meine undankbare Aufgabe und blickte in das Schmerzverzerrte Gesicht meiner Freundin.

„Atmen!“

Tekla ließ die aufgestaute Luft aus ihren Lungen entweichen. Am liebsten hätte ich ihr die Schweißperlen von der Stirn getupft aber ich wagte nicht meinen Standort zu verlassen. Mehrmals atmete sie tief ein, dann nickte sie uns zu und schloss wieder die Augen. Über ihrem Bein erschien eine Projektion. Im blau leuchtenden Muskelgewebe war die Stange als rot pulsierender Fremdkörper zu erkennen. Wir machten weiter.

Zentimeter um Zentimeter kam mehr vom dem rauen Stahl zum Vorschein, der einst eingebettet in Beton ein Teil des Stadions gewesen war.

Mir kam es noch immer wie eine Ewigkeit vor bis auch das wieder gerade gebogene Stück heraus war. Angewidert vom Anblick des frischen Blutes auf der rauen Oberfläche schleuderte ich die Stange mit all der aufgestauten Spannung, die sich in mir aufgebaut hatte, weit von mir. Wie im Zeitraffer schloss sich die Wunde vor meinen Augen. Ich konnte zusehen wie sich neue Haut bildete. Zuerst noch rot und vernarbt, dann aber schon nach wenigen Augenblicken zu einem glatten Gewebe verheilend, welches nicht mehr von der umgebenden Haut zu unterscheiden war. Das grünliche Flimmern erlosch. Erschöpft hockte sich die Asiatin neben Tekla auf den Rand der improvisierten Liege.

Ich bemerkte wie die kleinen Leuchtpunkte in ihrem Armband umherflitzten. Der Kristall schimmerte nur noch in einem wässrigen Grün.

Langsam verstand ich -zumindest teilweise- wie dieses außerirdische Ding funktionierte. Die Fähigkeiten, die der Träger durch das Band erlangte, verbrauchten Energie. Der Kristall funktionierte wie ein Akku oder eine Batterie. Um sich wieder aufzuladen entzogen diese Aliententakel unserem Körper die benötigte Menge.

Noch einmal überprüfte Sakushi Teklas Bein.

„Noch ein wenig Ruhe, dann geht es deiner Freundin wieder prima. Erhol dich erst mal von dem Ganzen, ich habe hier alles im Griff.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Die Aktion hatte mich total ausgepowert. Erschöpft ließ ich mich wieder auf den Sitz sinken. Mein Blick schweifte träge umher. Ajeet und der Typ mit dem Dreitagebart standen flüsternd zusammen wie zwei Schuljungen, die einen Streich aushecken. Obwohl sie sich alle Mühe machten nicht aufzufallen, entging es mir nicht, wie sie immer wieder verstohlen in meine Richtung schielten.

Nach einer Weile setzten sie sich in Bewegung. Ein ungutes Gefühl beschlich mich als mir klar wurde wohin ihr Weg führte. Vor meiner Sitzbank blieben die beiden stehen.

„Es wäre echt cool von dir wenn du Steven und mir zeigst wie man das Teil scharf macht.“

Ajeet zeigte auf die Alien-Waffe neben mir.

Die Bruchstücke der Unterhaltung zwischen Leon und diesem Steven klang mir noch in den Ohren. Die Waffe zeigen, aber dann ...

„Ich bin echt fertig Leute, lasst uns das später machen, okay?“ versuchte ich das Unvermeidliche so lange wie möglich heraus zu zögern. Die beiden schauten mich unschlüssig an.

„So schwierig wird es wohl nicht sein, uns zu zeigen wie die Waffe funktioniert“ murrte Steven.

„Mit meinen Feuerbällen kann ich zwar kräftig austeilen und Robin hat auch was drauf. Aber bei einem Angriff wäre es nicht schlecht zusätzliche Feuerkraft zu haben.“ Leon hatte sich unbemerkt zu uns gesellt. Mit seinen stahlblauen Augen sah er mich ernst an.

„Wir haben drei Waffen der Insektos erbeutet, es wird Zeit die auch zu unserem Schutz einzusetzen.“

Die anderen waren auf unser Gespräch aufmerksam geworden. Ein Halbkreis erwartungsvoller Gesichter umringte mich. Trotz meines unguten Gefühls blieb mir wohl nichts anderes übrig als ihrem Drängen nachzugeben.

„Okay, wichtig ist: die Hand der Armeisen-Wesen hat einen zusätzlichen Daumen. Mit den beiden Daumen wird die Waffe aktiviert, die anderen Finger lösen die Feuersequenz aus.“

Ich griff nach meiner Waffe, demonstrierte meine Nachahmung einer Alien-Extremität mit beiden Händen und aktivierte sie. Die mich umringende Gruppe war beeindruckt. Nach der Erklärung von den Leuchtstreifen auf der Oberseite folgte die Sache mit Einzel- und Megaschuss. Auf die kleine ovale Anzeige an der mir zugewandten Seite angesprochen zuckte ich mit den Schultern.

„Eine Zielvorrichtung, denke ich. Habe aber keinen Plan wie die funktioniert.“

Leon verteilte die erbeuteten Waffen. Nach meinen Anweisungen machten sich die Jungen eifrig ans Werk.

Zweimal erklang das mir schon vertraute hohe Sirren, bei der dritten Waffe regte sich auch nach mehrmaligen Versuchen nichts.

„So ein scheiß Ding!“ Ajeet schleuderte die Waffe wütend auf den Boden. Steven und der blonde Skater hielte ihre Knarren fest umklammert. Schadenfroh grinsten sie in seine Richtung. Ajeet trat einen Schritt auf mich zu.

„Du, äh, Lennox“ fing er in einem fast schon zu freundlichen Tonfall an. „Ich habe dir ja den Seelenstein überlassen. Der hat bestimmt ne mega-krasse Power. Da brauchst du die Knarre bestimmt nicht mehr. Ähm, ich könnte doch … “

Natürlich hatte ich schon geblickt was der Inder im Militär-Outfit von mir wollte.

„Oh sorry, Alter. Aber die Alien-Waffe gehört mir nicht. Noah hat sie nach dem Kampf im Stadion besorgt.“ Ich drückte meinem verdutzt dreinschauenden Kumpel das Teil in die Hand.

Es wurde still. Ajeet ballte die Fäuste. Es fehlte nicht viel und er würde hoch gehen wie eine Rakete.

„Leon, es wird bald dunkel. Die Nächte werden schon empfindlich kalt. Die Verletzung des Mädchens ist geheilt, sie hat aber eine Menge Blut verloren und ist noch sehr schwach. Es wäre nicht gut wenn sie in ihrem Zustand auskühlt. Wir haben nicht genug Decken, um uns alle warm zu halten.“ Sakushi sah den Hünen mit ihren dunklen Augen fast liebevoll an.

„Alles klar. Wir sammeln Feuerholz solange es noch hell ist. Zweiergruppen.“ Befehlsgewohnt erteilte Leon seine Anweisungen. Ich stellte mich schon neben Noah als ich meinen Namen hörte.

„Lennox und Steven. Noah zum Schutz von Robin. Casper, du gehst mit Ajeet und gibst ihm deine Waffe.“

Der junge Skater starrte Leon aus weit aufgerissenen Augen an.

„Vorläufig. Ajeet ist unser bester Kämpfer, das weißt du auch. Passt da draußen gut auf euch auf Jungs. Los!“

Ausgerechnet der Typ mit dem Dreitagebart. Mann, hatte ich ein Glück. Da sich alle Leons Anweisungen ohne Murren fügten blieb mir wohl auch nichts anderes übrig.

„Pass gut auf dich auf“ raunte ich Noah im Vorbeigehen zu.

Die einzelnen Gruppen verteilten sich. Wir brauchten nicht weit zu laufen. Überall in den Trümmern war Holz zu finden.

Aber wenn der Froschkopf es uns gezeigt hat, dann …

Der Satz ging mir nicht aus dem Kopf. Argwöhnisch beobachte ich den Typ mit der Waffe aus den Augenwinkeln. Auch er sammelte fleißig, ohne mich und die Umgebung dabei aus den Augen zu lassen.

Es war schon merkwürdig. Robin war mir eigentlich sympathisch. War es wirklich nur ein Zufall ausgerechnet ihn mit Noah loszuschicken? Klar, mit seinem Armband hatte er nicht zu unterschätzende Kräfte. Er konnte Noah angreifen bevor der überhaupt merkte was los war.

Bei dem Gedanken angekommen hörte ich hinter mit dieses unverkennbare Zischen einer Alien-Waffe, die aktiviert wurde. Langsam drehte ich mich um. Steven stand mit der Knarre im Anschlag da. Deutlich konnte ich die leuchtenden Anzeigen erkennen. Noch nie hatte ich eine Alien-Waffe aus dieser Perspektive gesehen. In der Mündung, die sonst nur wie ein schwarzes Rohr aussah, pulsierte ein furchteinflößendes Kraftfeld.

„Bleib stehen, Lennox! Nicht bewegen!“

Kapitel 7

Was auch immer man über den Moment kurz vor dem Tod erzählt: vor meinem geistigen Auge lief keine Zusammenfassung meines bisherigen, viel zu kurzen Lebens ab.

Ich stand nur da und starrte Steven an. Wie dämlich konnte ein Mensch eigentlich sein? Obwohl ich ahnte, dass mit den Leuten etwas nicht stimmte, hatte ich sie selber im Umgang mit der Alien-Waffe unterrichtet. Und diese Waffe war jetzt direkt auf mich gerichtet. Hoffentlich ging es schnell. Ich hatte echt keinen Nerv auch noch einen schmerzvollen Abgang hinzulegen. Der rote Energiestrahl zuckte nur knapp an meinem Kopf vorbei. Für eine Sekunde konnte ich die Wärme auf meinem Gesicht spüren.

Hinter mir ertönte ein lautes Brüllen. Ich wirbelte herum. Geschockt starrte ich auf die furchteinflößende Gestalt. Gleich vor mir auf einer kleinen Anhöhe aus den Überresten eines Gebäudes stand ein Braunbär. Er hatte sich auf den kräftigen Hinterbeinen zu seiner vollen Größe aufgerichtet fletschte die Zähne zum Angriff.

Ein zweiter Schuss hinterließ ein beachtliches Loch im Bauch des Raubtieres. Mit rauchendem Fell und einem erstickten Röcheln kippte es nach vorn. Rollend, sich einmal überschlagend blieb der Bär am Fuß der Anhöhe bewegungslos liegen. Der beißende Geruch von verbranntem Fell und verkohlten Fleisch wehte zu mir herüber.

Steven trat mit der Waffe im Anschlag neben mich. Erst als er sicher war, das Tier wirklich erledigt zu haben richtete er den Lauf nach unter. Die Leuchtanzeigen erloschen.

„Alles klar bei dir, Lennox?“

„Ja, denke schon. Danke.“

„Für einen Moment hast du ein Gesicht gemacht als dachtest du ich wollte dich abknallen.“ Steven grinste breit.

„Na, einen Schrecken hast du mir mit der Aktion schon eingejagt. Ich wusste ja nicht, dass hier in der Gegend echte Bären leben.“

„Tun die auch nicht, echt schräg!“

„Wo der wohl hergekommen ist?“

„Ich hab keinen Plan, Alter.“

„Is hier irgendwo ein Zoo oder so was?“

Steven schüttelte verneinend mit dem Kopf.

„Aber was ist damit?“ Er zeigte mit der Waffe auf die Reste einer Hauswand die mit bunten Plakaten zugekleistert war.

„Ein Zirkus! Verdammt! Hoffentlich haben die mit ihrer Werbung nur mächtig angegeben. Wenn nicht, dann schleichen hier echt böse Raubtiere rum.“

Ein Knacken ließ uns zusammenzucken.

„Na klasse! Erst Aliens und jetzt auch noch wilde Tiere! Is wohl besser wir sind hier weg bevor es dunkel wird.“

Da konnte ich Steven nur zustimmen. Ein umgedrehter Esstisch diente uns als Transportmittel für das gesammelte Holz. Es begann bereits zu dämmern.

„Scheiße, ist das schwer“ keuchte Steven.

In der zunehmenden Dunkelheit war unser Ziel gut zu erkennen. Im Inneren der Kuppel brannte bereits ein Feuer. Gelblich flackerndes Licht drang durch Spalten und die Scheiben der aufeinander gestapelten Autos nach draußen.

„Machen wir die Aliens damit nicht auf uns aufmerksam?“ fragte ich besorgt.

„Bestimmt nicht. Schau dich doch mal um, Alter.“ Steven hatte Recht. Unser Versteck war nicht mehr als ein weiterer Brandherd in den Trümmern der zerstörten Stadt.

Verschwitzt und außer Puste erreichten wie endlich den Unterschlupf.

Das Feuer war nahe Teklas Krankenlager entzündet worden. Wie nicht anders zu erwarten hatte sich der Kreis aus den herausgerissenen Bänken aufgelöst und sich neu um die wärmenden Flammen gruppiert. Daneben lag ein Haufen aus brennbaren Materialien. Mit dem von uns gesammelten Holz würde es locker für die Nacht reichen.

Erschöpft suchte ich nach einem Platz. Erleichtert darüber auch Noah unverletzt wieder zu sehen, ließ ich mich neben dem Jungen mit den Rastalocken in die Polster fallen.

Früher hatte ich die Sitze in den Bussen als unbequem und hart empfunden, jetzt erschienen sie mir wie Luxussessel.

„Lecko mio!“ bemerkte Robin trocken als ich ihm von meinem Erlebnis berichtete. Ich rollte mich ab vor Lachen über diesen Ausdruck. Die Mischung aus Verständnislosigkeit und Erstaunen mit der Robin mich anschaute machte es nur noch schlimmer.

Der blonde Skater Boy kam mit einem Pappkarton auf uns zu. Er füllte zwei Plastikbecher mit Wasser und reichte sie uns zusammen mit einem kleinen Päckchen.

„Och nö, hätte ich mir denken können. Nach dem üppigen Mittagessen schon wieder Notfallrationen. Na danke, Casper.“

„Ähm ja, danke schön.“ Der Junge schaute mich nur an, packte den Karton und ging weiter. Ich trank einen Schluck und riss die Verpackung auf. Der Inhalt sah aus wie ein zu groß geratender Keks.

„Pass bloß auf, an dem Teil beißt man sich schnell die Zähne aus“ warnte Robin mich und starrte missmutig auf seinen Keks.

„Nicht gerade gesprächig der Kleine.“

„Seit zwei Jahren kein Wort.“

„WAS? Du verarscht mich, Alter.“

„Ne echt jetzt, is ne lange Geschichte.“

Ich knabberte an dem geschmacksneutralen Etwas herum.

„Habe gerade keine wichtigen Termine, du etwa?“

„Nö.“ Robin grinste mich an. „Casper war zu seinem fünfzehnten Geburtstag mit seinen Eltern in einem Vergnügungspark. Auf der Rückfahrt kam es zu einem mysteriösen Unfall. Der Wagen wurde in einem Feld gefunden, total ausgebrannt. Nicht weit davon hat man Casper völlig verstört in einem Gebüsch gefunden aber seine Eltern? - Fehlanzeige. Die haben da alles CSI-mäßig untersucht: nix! Nur zwei Schleifspuren als wenn jemand die beiden aus dem brennenden Wagen gezogen hätte.“

„Also doch im Auto verbrannt?“ warf ich ein.

„Nee, das ist ja das Komische. Dann hätten die doch was finden müssen. Knochen oder Zähne, die verbrennen nicht so schnell. Seit dem redet er nicht mehr.“

„Krass! Und man hat nicht heraus bekommen was passiert ist oder warum sie von der Straße abgekommen sind?“

„Nee, nur das die ein höllisches Tempo drauf gehabt haben müssen, um so weit in dem Feld zu landen.“

Nachdenklich beobachtete ich Casper dabei wie er die anderen versorgte.

„Gestern um diese Zeit war ich mit Tek auf dem Weg ins Stadion, um unsere Uni-Mannschaft anzufeuern. Heute verstecke ich mich vor Aliens, die hier eure ganze Stadt platt gemacht haben.“

„Platt gemacht haben die uns schon, aber schon vor fünf Tagen und nicht hier.“

„Echt? Schon vor fast einer Woche! Aber warum gab es da nicht längst Alarm oder einen Bericht in den Medien?“

„Weil es nur ein kleines Dorf mit Zivilisten und eine geheime Militärbasis war haben die es natürlich vertuscht weil sie glaubten, noch alles in den Griff zu bekommen.“ Ajeet ging vor uns in die Hocke. Er bastelte an einem Trageriemen für seine Waffe herum.

„Echt jetzt?“ fragte ich verstört.

Robin nickte nur.

„Aber gegen die Engel und Insektos hatten die keine Schnitte.“ Ajeet sah nur kurz von seiner Beschäftigung auf.

„Du meinst die Außerirdischen? Engel ist schon klar, aber Insektos?“

„Mensch Lennox, na diese Käfer! Oder Ameisenwesen, oder was auch immer. Beim Militär nennt man die offiziell Insektoiden.“

„Jap, aber so eine akademische Bezeichnung ist voll uncool. Da haben wir abgekürzt auf ... “ Robin sah mich herausfordernd an.

„Insektos.“

„Ta- daa! Der Kandidat bekommt eintausend Punkte.“

„Die Punkte kannste behalten. Erzähl mir lieber wie ihr es geschafft habt da raus zu kommen.“

„Es war echt ein schöner Tag. Wir waren auf dem Rückweg von einem Ausflug zurück in die …“

Ajeet räusperte sich und warf Robin einen warnenden Blick zu. Da war es wieder dieses wohl gehütete Geheimnis. Was konnte nur so unangenehm sein, um es auch weiterhin vor mir zu verbergen? Ich würde es früher oder später schon herausbekommen. Aber erst mal tat ich so als hätte ich nichts bemerkt.

„Okay, schöner Tag und so. Was passierte dann?“

Robin starrte gedankenverloren in die Flammen des Feuers. Zögernd erzählte er:

Wir, das waren acht, … ähm, Leute in Begleitung von Leon und Dr. Del Monty, also Tanja. Sie und Leon hatten was miteinander. Wurde so langsam ne echt ernste Sache, denke ich.

Lange Feuerschweife hinter sich herziehend schlugen mehrere Meteoriten in unserer Nähe ein. Echt heftig, sag ich dir. Aus den Kratern sprang ein bewaffneter Insekto heraus und stürmte in Richtung Militärbasis.

Erstaunlicherweise erfolgte recht schnell ein Gegenschlag unserer Truppen auf den unerwarteten Angriff. Dann tauchten auch noch diese Sonnenschiffe auf. Explosionen und schwarze Rauchwolken hüllten den Bereich der Militärbasis ein. Wer da auf wen ballerte war nicht mehr zu erkennen. In der Gruppe machte sich Panik breit. Nur Leon behielt einen klaren Kopf.

„Wir müssen hier weg Leute! Zum Park! Schnell, nun macht schon, bewegt euch!“

Wir rannten los. Vorbei an Passanten, die wie angewurzelt da standen und staunend oder ungläubig das Kampfgeschehen beobachteten. Auf der Hauptstraße tauchte ein schwebender Engel auf. Mit ausgebreiteten Schwingen hing er anmutig in der Luft. Einer von uns wurde von den schimmernden Strahlen erfasst, die von seinen Händen ausgingen.

Rick blieb, genau wie alle anderen, die davon erfasst wurden, einfach stehen.

„He Rick, was ist los? Komm schon, wir müssen weiter.“ Vanessa rannte zu ihm. Auf einmal war Leon neben ihr. Er hielt das Mädchen zurück bevor sie ebenfalls von den bläulichen Strahlen erfasst wurde.

„Du kannst ihm nicht mehr helfen. Siehst du nicht? Keiner kann sich bewegen.“

Das seltsame Leuchten kroch weiter auf die beiden zu. Leon wich im gleichen Tempo zurück und zog Vanessa mit sich. Auf einmal riss sie sich los und rannte mit Tränen in den Augen in Richtung Park davon.

„Los Leute! Ihr nach!“

Leons Aufforderung war überflüssig. Wir stürmten hinter ihr her.

Mir war noch schleierhaft warum wir ausgerechnet dort in Sicherheit sein sollten. Aber die bizarren Ereignisse ließen mich sowieso keinen klaren Gedanken fassen. So rannte ich, der Aufgabe eine eigene Entscheidung treffen zu müssen enthoben, einfach mit.

Hinter uns explodierte ein Gebäude. Fast im gleichen Moment flog eines der Alien-Schiffe über uns hinweg.

Wir erreichten den Rand der weitläufigen Parkanlage. Die letzten Häuser, die unsere Sicht auf den Himmel verbauten lagen hinter uns. Gebannt die Flugbahn des Alien-Schiffes beobachtend blieben alle stehen. Es flog einen weiten Bogen und kam dann genau auf uns zu.

„Scheiße, das sieht nicht gut aus“ flüsterte Ajeet mir zu. Ich weiß nicht, ob der Pilot die Starkstromleitungen nicht bemerkte oder ob er einfach nur keine Ahnung hatte wozu die Kabel zwischen den hohen Masten dienten. Auf jeden Fall ging er tiefer und flog mit seinem Schiff genau hindurch. Funken und heftige Entladungsblitze zuckten auf. Es gab mehrere kleine Explosionen, das blaue Leuchten erlosch und das Flugobjekt schmierte ab.

Wir warfen uns flach auf den Boden. Nicht weit entfernt schlug das Sonnenschiff auf. Eine weitere Explosion brachte den Boden zum Beben. Bäume und Erdreich wurde hoch in die Luft geschleudert. In einem weiten Umkreis um die Aufschlagstelle regnete alles zu kleinen Fragmenten geschreddert wieder herunter.

Als sich das Inferno beruhigt hatte wühlten wir uns durch die auf uns herabgeprasselten Massen der ehemaligen Parkanlage zurück an das Licht der Sonne. Wie durch ein Wunder war keiner von uns ernsthaft verletzt. In dem riesigen Krater lagen die Reste des zerfetzten Alien-Schiffes. Zwischen den verstreuten Teilen konnte ich sogar zwei regungslos daliegende Engel-Wesen erkennen. Leon und Vanessa wagten sich bis an den Rand des Kraters vor. Ein Stück der steil abfallenden Böschung brach ein und riss die beiden mit sich in die Tiefe. Tanja schrie entsetzt auf.

Zwischen den Trümmern angekommen rappelten sich Leon und Vanessa wieder auf. Sie winkten uns zu, um zu zeigen, dass ihnen nichts passiert war. Die beiden kletterten nicht gleich wieder zu uns hinauf, sondern gingen zu einem der leblos daliegenden Aliens hinüber. Gebannt standen wir da und schauten zu. Zwei grüne Lichtblitze, ausgehend von der Position der Aliens ließ uns vor Schreck zusammenzucken. Ohnmächtig mussten wir mitansehen wie unsere Freunde zu Boden gingen.

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern rutschte Tanja die steile Böschung hinunter. Erst nachdem Ajeet und ich es ihr nachmachten folgten auch die anderen. Als wir sie erreichten kamen die beiden schon wieder zu sich. Zu unserer Erleichterung waren Leon und Vanessa lediglich etwas benommen und wacklig auf den Beinen aber unverletzt. Dann bemerkten wir die Alien-Teile an ihren Handgelenken...

In Panik versuchten wir allesmögliche, um sie wieder davon zu befreien. Aber ohne Erfolg.

Das fremdartige Material war hart wie Stahl. Nirgendwo war ein Verschluss oder eine Nahtstelle zu entdecken. Das Teil war wie aus einem Guss. Es blieb ein Rätsel wie sich dieses Band mit dem grünen Stein um ihre Handgelenke gewickelt hatte.

Irgendjemand schrie entsetzt auf.

Am Rand des Kraters war ein Insekto aufgetaucht. Unter dem Helm mit dem großen Visier war nicht zu erkennen wohin sein Blick gerichtet war. Aber die Waffe in seinen Klauen zeigte unmissverständlich in unsere Richtung.

Obwohl es im Nachhinein mehr als lächerlich wirkte, packte sich Leon einen Stein und schleuderte ihn in die Richtung des Aliens. Treffer!

Ein Energiestrahl löste sich aus der Waffe und schlug knapp vor Leon in den Boden. Genau in diesem Moment erschien zum ersten Mal ein Feuerball. Genau an der Stelle des Alien-Armbandes schwebte er einige Zentimeter über seinem Handgelenk in der Luft.

Mit einer irren Geschwindigkeit raste die Kugel auf den Insekto zu und zerfetzte ihn.

Nach einigen Schrecksekunden brach lauter Jubel aus. Noch immer etwas benommen betrachtete Leon das Band staunend.

„Geil Alter, so was will ich auch“ meinte Ajeet trocken.

Viel Zeit zur Freude blieb uns nicht. Über dem Rand der Böschung schwebte ein Engel mit ausgebreiteten Schwingen. Von seinen Händen breiteten sich die feinen blauen Strahlen aus und krochen auf uns zu. Leon trat vor und schoss zwei Feuerkugeln ab. Der Engel wurde zurück geschleudert und verschwand aus unserem Blickfeld. Der erneut aufkommende Jubel brach jäh ab als der Engel wieder auftauchte.

Dieses Mal schwebte er nicht, dafür leuchtete eine Kugel in einem bedrohlichen magentafarbenen Licht vor ihm. Schon schoss ein weiterer Energiestrahl auf uns zu. Während alle in Deckung hechteten blieb Leon heldenhaft stehen und verschoss weitere Feuerkugeln.

Mit einer versteinerten Miene trat Vanessa zögerlich neben ihn. Sie erhob ebenfalls den Arm mit dem außerirdischen Teil. Ein Blitz zuckte auf.

Für einige Sekunden wurde der Angreifer in ein Feld aus knisternden Energieentladungen gehüllt. Irgendetwas schützte den Engel. Ohne den geringsten Schaden davon zu tragen feuerte er weiter. Der Strahl traf auf ein Trümmerstück des abgestürzten Sonnenschiffs. Eine heftige Explosion wirbelte uns wie welke Blätter durch die Luft. Mir wurde schwarz vor Augen.

Als ich hustend und keuchend wieder auf die Beine kam, sah ich nicht weit von mir Tanja liegen. Ich kletterte über die Trümmer hinweg, um nach ihr zu sehen. Geschockt blieb ich stehen. Gleich neben ihr lag die Leiche eines weiteren Engels. Bewegliche Tentakel wickelten sich um ihr Handgelenk. Mit einem Sprung erreichte ich die bewusstlos daliegende Ärztin. Aber es war bereits zu spät. Das außerirdische Ding hatte sich schon zu dem stahlharten Band zusammengezogen.

Tanja kam zu sich. Ihre Reaktion auf das Ding an ihrem Handgelenk bestand lediglich in einem erstaunten Aufreißen ihrer Augen gefolgt von einem tiefen Seufzer. Sie sah sich kurz um dann sprang sie auf, um Ajeet zu helfen. Die Bedrohung durch das Alien für einen Augenblick fast vergessen, suchten meine Augen den Rand des Kraters ab.

Hoch aufgerichtet stand der Engel noch immer da. Aber bevor er einen weiteren Angriff starten konnte stürzten zwei Insektos auf ihn zu.

Während da oben ein wildes Feuergefecht entbrannte fand ich Leon schwer verletzt am Boden. Tanja war sofort bei uns, um seine blutenden Wunden zu behandeln. Es sah nicht gut aus.

Tanja war genauso verblüfft wie ich als ihr Armband unverhofft aktiv wurde. Als hätten die Fähigkeiten schon immer in ihr geschlummert gelang es ihr mühelos sämtliche Verletzung zu heilen. Benommen kam Leon wieder zu sich.

Erleichtert drückte ihm Tanja einen dicken Kuss auf die Lippen. Gemeinsam liefen wir zu dem um Hilfe rufenden Ajeet hinüber. Er kniete neben einem in einer verrenkten Position daliegenden Körper: Vanessa!

Tanja setzte erneut ihre unglaublichen Fähigkeiten ein. Begleitet von einem tiefen Seufzer erloschen die Energiefelder schon nach kurzer Zeit.

Ich blickte die Ärztin erwartungsvoll an. Es verstrichen einige Sekunden bis mir die Bedeutung ihres traurigen Kopfschüttelns klar wurde.

Alle anderen aus der Gruppe hatten den Angriff überlebt. Nur diese tapfere junge Frau nicht, die sich ohne zu zögern dem Engel im Kampf gestellt hatte. Während wir stumm neben ihr knieten geschah etwas Seltsames.

Die Tentakel begannen sich zu bewegen und lösten sich von ihrem Handgelenk. Ein halbkugeliges Kraftfeld hüllte den grünen Kristall ein. Dieses filigrane Gebilde, das mich stark an eine Tiefseequalle erinnerte schwebte gemächlich empor.

Noch bevor irgendjemand von uns begriff was da vor sich ging, handelte Ajeet. Er streckte seinen Arm aus. Erneut beobachtete ich jenes bizarre Schauspiel, das ich zuvor schon bei Tanja gesehen hatte. Ehrfürchtig, mit einem zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht schaute Ajeet zu wie sich die Tentakel um sein Handgelenk wickelten.

Ein heiserer Ausruf lenkte mich von dem Geschehen ab. Über uns schwebte erneut der Engel. Die Insektos hatten den Kampf offensichtlich nicht für sich entschieden. Wenn es diesen außerirdischen Wesen mit fetten Energie-Knarren nicht gelang einen Engel platt zu machen welches Schicksal stand uns dann bevor?

In einer fast schon heroisch anmuteten Geste streckte Ajeet seinen Arm in Richtung des Aliens. Aber kein Energieblitz zuckte durch die Luft. Stattdessen baute sich eine Art von Visier vor seinen Augen auf.

Erschrocken zuckte ich zusammen als mehrere Feuerkugeln den schwebenden Engel trafen. Geschwächt von dem Kampf mit den Insektos durchschlug eine der Kugeln seine Sicherheitsbarriere. In rötliche Flammen gehüllt hing eine brennende Fackel über uns in der Luft. Ich drehte mich um. Auf einem der größeren Trümmerstücke stand Leon. Mit wehendem Mantel und ausgestrecktem Arm wirkte er wie der Held aus einem Action-Comic.

Die Überreste des Engels fielen vor mir auf den Boden. Sein Oberkörper klappte auf und ein fast durchsichtiges Wesen sprang heraus. Seine Flucht endete schon nach wenigen Metern. Mit einem ekligen Geräusch wurde es von einem Feuerball zerfetzt.

Steven und einige der anderen, die in der Nähe waren, heulten angewidert auf als sie von dem herumspritzenden zähen Schleim getroffen wurden. In dem verbrannten Alien Körper zu meinen Füßen regte sich etwas …

„So bist du zu deinem Band gekommen.“ Vermutete ich. Robin nickte zustimmend.

„Dann ist mir auch klar geworden, warum Leon mit uns unbedingt zum Park wollte.“ Ajeet überprüfte die Befestigung des Riemens.

„War ja auch kein Ding mit deiner Ortungsbrille“ stichelte der Bursche neben mir.

„Ich hab´s auch so heraus bekommen.“

„Na sicher.“

„Es gab da so einen alten Bunker. Groß als Museum beworben war er aber nicht mehr als ein verrotteter Betonklotz aus den Zeiten des kalten Krieges.“

„In dem Teil verbrachten wir die Nacht. Als wir uns am nächsten Tag heraus trauten war alles vorbei.“

„Jap, keine Aliens, keine Menschen, nicht mal ein Vogel am Himmel. Totale Stille.“ Ajeet starrte abwesend in die prasselnden Flammen des Feuers.

„Alles war mit diesem roten Staub bedeckt. Es sah aus als wäre alles Leben schon seit Jahren unter dieser Schicht erstickt worden.

„Hört mal her Leute!“ Gespannt schauten wir zu Leon auf.

„Da draußen treiben sich nicht nur die Außerirdischen rum sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch wilde Tiere. Ich teile Wachen für die Nacht ein.“

Nachdem Leon fertig war suchten sich die meisten von uns ein möglichst bequemes Plätzchen in der Nähe des Feuers, um sich aufs Ohr zu hauen. Es wurde ruhig. Nur ein gelegentliches Flüstern und das Knistern des Feuers durchbrach die Stille.

Ich zog den Reisverschluss meiner Jacke hoch und kuschelte mich in den Sitz. Nachdenklich blickte ich in das Lagerfeuer. Alles um mich herum versank in einer absoluten Dunkelheit. Nur das Feuer und ich schienen in diesem Universum noch zu existieren.

Und dieser Junge. Er hockte in seiner Schuluniform da und stocherte mit einem Stock in der Glut herum. Kurze Hose, Kniestrümpfe, blitzblanke Lackschuhe, eine Jacke mit einem merkwürdigen Abzeichen. Das nachtschwarze Haar sauber gescheitelt. Er mochte sechs oder sieben Jahre alt sein. Fragen, die sich durch mein zäh dahinfließendes Bewusstsein an die Oberfläche kämpften versanken wieder als der Junge zu mit herüberschaute. Ich blickte in ein schmales Gesicht mit übergroßen Augen, die mich seine Traurigkeit mitfühlen ließen. Gebannt, keiner Regung fähig, beobachtete ich wie er mit seiner rechten Hand in die Flammen griff.

Er zog einen Schild daraus hervor. Zunächst noch glühend, kühlte das Metall schnell ab.

Der Schild, eine grobe Schmiedearbeit aus dickem Eisen war viel zu groß und schwer für einen Jungen seines Alters. Er stand auf und kam auf mich zu. Mühelos hielt er mir den schweren Schild mit ausgestrecktem Arm hin.

Als ich danach greifen wollte, wurde seine Körper transparent und löste sich schließlich ganz auf. An seiner Stelle hockte Robin. Mit der ausgestreckten Hand rüttelte er an meiner Schulter.

„Hey Alter, deine Wache fängt an.“

Die undurchdringliche Schwärze war genauso verschwunden wie der unbekannte Junge. Benommen schaute ich mich um. Im flackernden Licht des Feuers hoben sich nur die schlafenden Gestalten vor dem Hintergrund aus gestapelten Autoteilen ab.

„Ähm ja, bin schon wach.“ Noch immer etwas durcheinander schlich ich zum Eingang hinüber. Na super, an dem schmalen Durchgang hockte ausgerechnet Steven. Mit der Alien-Waffe im Anschlag starrte er konzentriert in die Dunkelheit hinaus.

„Hi, alles klar?“

„Psst!“ zischte er mich genervt an.

Das schwache Leuchten der Anzeigen erhellte seine angespannten Gesichtszüge. Na, das lief ja großartig. Ich lehnte mich gegen das kühle Blech der schützenden Wand und spähte hinaus. Zum Glück musste ich nicht die ganze Stunde meiner Wache mit Steven verbringen. In dreißig Minuten würde er den nächsten wecken und sich dann schlafen legen. Leons Strategie war gar nicht übel.

Aus dem Schlaf gerissen konnte man erst mal wach werden, während der andere seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Aufgabe konzentrieren konnte. Selten war mir eine halbe Stunde so lang vorgekommen wie die neben diesem schweigsamen Kerl.

„Pass bloß gut auf.“ Ich war froh als er mir die Waffe in die Hand drückte, um seine Ablösung zu wecken. Ich lugte auf den Zettel, der an einen Außenspiegel geklemmt war.

Steven, Lennox, Noah, Casper …

Ich grinste vor mich hin als der dunkelhäutige Footballspieler noch total verpeilt auftauchte. Fröstelnd zog er den Reißverschluss seiner Lederjacke zu und klappte den mit Kunstpelz besetzten Kragen nach oben. Er lehnte sich mit der Schulter gegen eine Seite der Öffnung.

„Was denkst du?“ Er deutete mit einer Kopfbewegung zu den Schlafenden hinüber.

„Gar nicht mal so übel der Haufen. Haben echt schon einiges hinter sich. Aber irgendetwas verbergen die vor uns.“

„Denke ich auch. Und?“

„Wir sollten noch eine Weile bei ihnen bleiben. Sind gute Kämpfer. Wenn Tek wieder auf den Beinen ist können wir immer noch die Kurve kratzen.“

Ein Geräusch ließ uns zusammenzucken. Aufmerksam lauschend versuchten wir in der Dunkelheit etwas zu erkennen.

„War wohl nix.“

Auf einmal packte mich Noah und zog mich an sich heran. So nahe war ich dem Kerl meiner Träume noch nie gewesen. Ich spürte die Wärme unserer Körper selbst durch die geschlossenen Jacken hindurch. Sein Gesicht mit den markanten Wangenknochen schwebte dicht vor meinem. Seine braunen Augen musterten mich nervös. Zum ersten Mal fiel mir der kleine hellbraune, fast gelbliche Fleck in seiner linken Iris auf. Noch ehe ich recht wusste was los war presste er seine Lippen auf meine. Es war kein flüchtiger Kuss, er war zärtlich und voller Leidenschaft.

Nachdem er sich mit einem breiten Grinsen wieder von mit löste starrte ich ihn eine Weile verblüfft an.

„Alter, guck nicht so geflasht! Ich bin doch kein Nullchecker. Als ob ich nicht gemerkt hätte, dass du voll auf mich abfährst.“

„Aber warum hast du nie ... “ stammelte ich total überrumpelt. Mein Herz klopfte wie wild.

„Bei den anderen aus der Mannschaft kommt es nicht so gut wenn die mitkriegen, dass einer auf Jungs steht. Ich bin da nicht so mutig wie du.“

Klar war es auch heute noch nicht so einfach sich zu outen. Es gab immer noch Idioten, die einem das Leben zur Hölle machten. Aber meiner Meinung nach war alles besser als sich ein Leben lang zu verstecken.

„Warum jetzt?“ Meine Frage klang härter als ich es beabsichtigt hatte. Noah blickte angespannt nach draußen.

„Mensch Lennox! Wer weiß welcher krasse Alienscheiß uns noch erwartet. Ich wollte wissen wie es mit einem Jungen ist bevor es zu spät ist.“

„Und?“

Er drückte seine Lippen erneut auf meine. Dabei wanderte Noahs Hand unter meine Jacke. Gerade als ich mich mit geschlossenen Augen seiner zärtlichen Berührung hingab löste er sich wieder von mir. Offensichtlich erschrocken über sein forsches Herangehen wich Noah zurück. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich wieder gegen die Wand.

„Lass es uns langsam angehen, ja? Kein Wort zu den anderen, ich brauche noch etwas Zeit.“

„Okay“ nickte ich tapfer. Verwirrt über seinen Gefühlsausbruch und gleichzeitig enttäuscht darüber, dass der Kerl gleich wieder zurückruderte, starrte ich in die Nacht hinaus.

Die folgende Stille zwischen uns war ein wenig peinlich. Mit einem nervösen Blick auf die Uhr stellte ich erleichtert fest, dass meine Schicht gleich zu Ende war.

„Hier, ich geh dann mal Casper wecken.“ Ich drückte Noah die Waffe in die Hand und schlich davon. Nachdem ich meine letzte Pflicht erfüllt hatte warf ich noch etwas Holz auf die glimmende Glut. Erst als wieder einige Flammen emporzüngelten tastete ich mich durch das Halbdunkel zu meinem Platz zurück.

Robin hatte von beiden Sitzen Besitzt ergriffen. In einer nicht gerade bequem aussehenden Stellung lag er da und schnarchte leise mit offenem Mund vor sich hin. Da ich es nicht übers Herz brachte den so friedlich schlummernden Jungen zu wecken musste ich wohl mit einem Platz auf dem Boden zufrieden sein.

„Pssst!“ Tekla winkte mir einladend zu. „Nun komm schon! Ich kann meinen tapferen Helden doch nicht auf dem Boden schlafen lassen.“

Ich kroch zu ihr unter die warme Decke.

„Wie geht’s dir?“ flüsterte ich.

„Gut. Bis jetzt! Scheiße, da ist ein Eisklotz ja wärmer als du. Ich bekomme bestimmt Frostbeulen. Mann, das hat man davon wenn man ein so weiches Herz hat wie ich.“

Ich grinste beruhigt vor mich hin. Wenn Tek schon wieder herumnörgeln konnte war alles in bester Ordnung. Erst jetzt wurde mir bewusst wie müde ich war. Die Wärme des Körpers neben mir und das leise Knistern des Feuers war das letzte was ich bewusst wahrnahm. Für einige Sekunden nickte ich ein.

„Komm schon, wir müssen hier raus!“

Sakushi legte Tekla die Decke um die Schultern und zog sie energisch mit sich. Noch benommen von bizarren Träumen, die durch mein träges Bewusstsein geisterten, brauchte ich etwas, um die nicht weniger verwirrende Szene um mich herum zu begreifen. Ich richtete mich auf und sah mich blinzelnd um. Zwischen entsetzten Schreien und laut gerufenen Anweisungen herrschte ein panisches Treiben. Die wenigen Habseligkeiten und Ausrüstungsgegenstände wurden hektisch zusammengerafft.

„Nun macht schon! Beeilt euch! Lasst den Rest liegen und macht, dass ihr hier raus kommt!“ übertönte Leons dunkle Stimme das Chaos.

Ein unheilvolles Knistern erfüllte die Luft. Gleich darauf krachten Autoteile auf das Feuer. Funken und glühende Holzstücke stoben in alle Richtungen davon. Durch diese Aktion wurde meine Aufmerksamkeit in Richtung Decke gelenkt. Nicht die Tatsache da oben ein riesiges Loch zu entdecken, durch das helles Tageslicht hineinflutete, erschreckte mich. Sondern das flammende Inferno in den umliegenden Fahrzeugen. Bei dem was hier alles abging war ich vermutlich doch länger als nur ein paar Sekunden eingenickt.

Ich sprang auf und raste in Richtung Ausgang.

„Verdammt, was ist denn hier los? Haben uns die Aliens gefunden und angegriffen?“ hörte ich mich rufen.

„Scheiße, nein! Da hat irgendjemand mit seiner Insekto-Knarre herumgespielt“ kam umgehend die angepisste Antwort.

Aus den Augenwinkeln sah ich die Sitzbank, auf der Robin gepennt hatte. Zum Glück hatte er sich schon in Sicherheit gebracht. Aber meine Tasche war noch immer dort, wo ich sie abgelegt hatte. Ohne nachzudenken änderte ich die Richtung.

Geschafft! Ich hängte mir die Tasche über die Schulter und wollte wieder los. In diesem Augenblick explodierte etwas genau über mir. Erschrocken blickte ich nach oben.

Durch die Druckwelle zerplatzte eine der großen Scheiben in dem Bus, der standhaft noch immer einen Teil des Dachs bildete.

Wie funkelnde Diamanten regneten die Glassplitter herab. Durch die nicht gerade geringe Höhe, beschleunigten die harmlos aussehenden Bruchstücke auf eine nicht zu verachtende Geschwindigkeit. Mit offenem Mund starrte ich auf die Sitzbank. In Sekundenbruchteilen zerfetzte Stoff und Plastik vor meinen Augen. Nur ein Gerippe aus Teilen des Innenkerns blieb übrig.

„Lennox raus da, schnell!“ Robin stand hektisch winkend im Ausgang. Erst als neben mir etwas zu Boden krachte spurtete ich los.

Ich hörte erneutes Splittern von Glas. Ein Blick aus den Augenwinkeln nach oben bestätigte meine Befürchtung. Über mir, genau in Fluchtrichtung platzen durch die Hitze weitere Scheiben. Tausende von funkelnden Splittern regneten auf mich herab.

Nach dem ich gesehen hatte was mit der Bank passiert war, wusste ich wie gering meine Chancen waren. Leider konnte mir Robin mit seinen magnetischen Kräften wohl nicht helfen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Junge mit den Rastalocken nach oben.

Selbst wenn ich einen Sprint in neuer Weltrekordzeit hinlegte, konnte ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Ich kauerte mich zusammen, hielt die Tasche über meinen Kopf und schloss die Augen.

Kapitel 8

Um mich herum hüpften funkelnde Kristalle wie aufschlagende Hagelkörner in einem heftigen Gewitter. Im Nu verschwand der Boden unter den Glassplittern. Nur die Stelle, an der ich mich niedergekauert hatte blieb auf wundersame Weise verschont. Die meinen ganzen Körper lähmende Angst mit einer riesigen mentalen Kraftanstrengung überwindend blinzelte ich an der Tasche vorbei, um der Ursache des nervenzerreißenden Geräusches über mir auf den Grund zu gehen. Da schwebte doch tatsächlich nur zwei Handbreit über meinem Kopf die Hecktür eines Kleintransporters.

„Mach schon, Lennox b … “ Der Rest ging in dem immer lauter werdenden Getöse unter. Robin stand am Ausgang. Sein rechter Arm mit dem leuchtenden Alien-Band zeigte in meine Richtung. Mit der anderen machte er hektische Gesten, die mir signalisierten schnellstens meinen Standort zu verlassen und zu ihm herüber zu kommen.

Der Junge mit den Rastalocken setzte seine Alien-Kräfte mal wieder äußerst kreativ ein. Mit klopfendem Herzen bewegte ich mich in geduckter Haltung vorsichtig in seine Richtung.

Zum einen war es nicht einfach über den mit Glassplittern bedeckten Boden zu laufen (jetzt zu stolpern war bestimmt nicht besonders gut), zum anderen wollte ich Robin genug Zeit lassen, die Tür genau über mir zu halten. Eine erneute Explosion ließ mich fast taub werden. In die um mich herum niederprasselnden Scherben mischten sich immer mehr zerfetzte Metallteile.

Endlich erreichte ich den schmalen Spalt zwischen den aufgetürmten Autos. Robin griff nach meiner Jacke und zog mich unsanft ins Freie. Durch den unerwarteten Übergang von dem lockeren Glas auf festen Boden geriet ich ins Straucheln und knallte voll auf die Fresse.

Auf dem Boden liegend wälzte ich mich auf den Rücken, um mich lautstark über die unnötige Aktion zu beschweren. Mit einem halsbrecherischen Sprung warf sich Robin bäuchlings neben mich und verbarg seinen Kopf unter den Armen.

Unter lautem Getöse krachte unsere ehemalige Zuflucht in sich zusammen. Wie in Zeitlupe sah ich eine dunkle Wolke auf mich zukommen. Ich schaffte es gerade noch in letzter Sekunde die Augen zu schließen bevor mir Staub und Dreck um die Ohren flogen. Für einen Moment konnte ich kaum atmen.

Während sich die Luft langsam wieder klärte, versuchte ich hustend und spuckend den Dreck aus meinem Mund zu bekommen. Robin hob den Kopf. Fluchend schüttelte er den Staub aus seinen Rastlocken. Blinzelnd sah er mich an und brach in lautes Gelächter aus. Auch die anderen, die uns besorgt zu Hilfe geeilt waren fielen bei meinem Anblick in sein Lachen ein.

Ratlos kramte ich Teklas Pad aus der Tasche. Die dunkle Glasfläche warf nur ein schwaches Spiegelbild zurück, aber dieses fast schon schwarze Gesicht mit den hellen Rändern um die Augen und den aufrecht stehenden Haaren war echt eine Show.

Erleichtert, dass sich niemand verletzt hatte half uns Leon mit einem breiten Grinsen auf die Beine.

Während ich damit beschäftigt war, Klamotten und Gesicht wieder einigermaßen sauber zu bekommen wurden mir noch immer belustigte Blicke zugeworfen.

„Noch länger hier zu bleiben bringt nichts. Packt alles zusammen, wir verschwinden.“

Leon hatte Recht. Die Aliens hatten von der Stadt nicht viel übrig gelassen, die Aussichten in den Trümmern noch etwas Brauchbares zu finden waren gleich Null. Ohne ein Wort darüber zu verlieren wie es zu der Katastrophe gekommen war, rafften wir unsere geretteten Habseligkeiten zusammen und marschierten los.

Schneller als erwartet verschwanden die rauchenden Ruinen hinter dem Horizont. Auf der Landstraße begegneten uns weder Autos noch Menschen. Die wenigen Wolken machten es der Spätsommersonne leicht, dem schwachen Wind eine angenehme Wärme zu verleihen. Vogelgezwitscher und das Rauschen von Blättern in den Baumkronen waren die einzigen Geräusche, die uns begleiteten. Wiesen und Felder zu beiden Seiten leuchteten in kräftigen Herbstfarben. Der Frieden in der Natur ließ mich für einen Moment vergessen, was hinter der trügerischen Ruhe auf uns lauerte. Den anderen schien es genauso zu gehen. Die angespannte Wachsamkeit bei den Waffenträgern verflüchtigte sich.

Zuerst noch leise geführte Gespräche wurden lauter. Ein unbekümmertes Lachen war zu hören. Leon lief, wie immer von Casper begleitet, an der Spitze der Truppe. Ich schloss zu den beiden Frauen vor mir auf.

„Hi, Tek.“

Sakushi schaute uns mit gesenktem Kopf nacheinander abschätzend an.

„Ich lass euch beiden dann mal besser allein.“ Obwohl sie sich schnell von uns abwand bemerkte ich doch ein Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte.

„Ich glaube, die denkt echt wir haben was miteinander“ flüsterte Tekla und kicherte dabei wie ein kleines Schulmädchen.

Die Heilerin gesellte sich zu den Anführern unserer kleinen Gruppe.

„Wie geht es deinem Bein?“ erkundigte ich mich.

„Wirklich erstaunlich. Ich habe meinen Oberschenkel genau unter die Lupe genommen. Nichts mehr zu sehen! Nicht mal ne kleine Narbe oder so.“ Sie hüpfte auf einem Bein weiter, um ihre Aussage zu unterstreichen.

„Lass den Quatsch! Sag mal was hältst du von dem ganzen Alienkram?“

„Nur weil die Insektoiden als erste aufgetaucht sind die These aufzustellen, die Engel sind unsere selbstlosen Retter halte ich für recht gewagt.“

„Ist doch alles Blödsinn! Die Engel greifen uns doch genauso an wie die Insektos“ mischte sich Ajeet in unser Gespräch ein, der schräg hinter uns lief. „Ich denke, wir sind in einen interstellaren Krieg geraten und die Erde ist nur ein Schlachtfeld, auf dem die Aliens sich austoben.“

Robin, der vor uns her marschierte, drehte sich um und ging rückwärts weiter.

„Auch ne Theorie, aber ne saublöde! Ich denke, es ist wie in den Kolonialkriegen zwischen den Engländern, Spaniern und den anderen. Unsere Erde ist wie neues, fruchtbares Land und die streiten sich drum.“

„Echt jetzt?“ Noah hatte zu uns aufgeschlossen. „Und was ist, wenn das ein Aufstand ist? Die Insektos kämpfen um ihre Freiheit gegen die mächtigen Engelwesen, die sie versklaven wollen ... “

„Schon möglich, aber wie Sklaven sehen mir die Insektos nicht aus. Wenn es um die Freiheit geht, dann doch wohl eher wie bei der Französischen Revolution“ warf ich ein.

„Leute, nun kriegt euch mal wieder ein! Das bringt doch alles nichts. Wir brauchen eindeutig mehr Informationen, um heraus zu bekommen was da abgeht“ wandte Tekla sachlich ein.

„Na, aber klar doch! Zeit haben wir ja genug, während die Außerirdischen über uns herfallen“ murrte Ajeet. „Wir sind genauso gearscht wie seinerzeit die Afrikaner oder Indianer. Mit ihren primitiven Waffen hatten die auch keine Schnitte gegen die Musketen der Eroberer. Sie wurden einfach platt gemacht, genau wie wir.“

„Nu mach mal nicht so eine Panik, Alter! Wir haben eine Menge, mit dem wir den Aliens in den Arsch treten können.“ Ich zeigte auf die von uns erbeutete Ausrüstung.

„Na aber klar doch! Ganze Armeen von Soldaten werden niedergemetzelt und eine kleine Gruppe junger Nerds mit komischen Armbändern und ein paar erbeuteten Alien-Knarren schlagen die Außerirdischen in die Flucht.“ Noah schaute uns kopfschüttelnd an.

„Das glaub ich jetzt nicht!“ Ajeet zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf eine Wiese. Da standen tatsächlich zwei ausgewachsene Elefanten und rissen mit ihren Rüsseln Blätter von den Bäumen.

„Kacke, ich dachte ihr hättet die Story von dem Bären und dem Zirkus nur erfunden“ flüsterte Tekla.

Ab jetzt die Umgebung wieder wachsam im Auge behaltend marschierten wir schweigend weiter.

Noch rechtzeitig vor Einbruch der Nacht fanden wir einen verlassenen Bauernhof. Nach vorsichtiger Erkundung aller Räume und Nebengebäude konnten wir sicher sein, nicht unangenehm überrascht zu werden. Weder von Aliens noch von irgendwelchen wilden Tieren.

Leon vergab Schlafplätze und teilte Wachen ein. Tekla und Robin zauberten aus den gefundenen Konserven einen echt guten Eintopf.

Aber meine Vermutung, alles schmeckt, wenn man nur richtig ausgehungert ist, wurde schnell widerlegt: Überschwänglich gut gelaunt wuchtete Ajeet einen großen Plastikeimer auf den Tisch.

„Hätte echt nicht gedacht, dass die ganzen Urlaube auf dem Land, zu denen mich meine Öko-Eltern mitgeschleppt haben, mal zu etwas gut sein würden. Frische Milch aus den Eutern von glücklichen Kühen.“

Er tauchte ein Tasse in die weiße Flüssigkeit und trank genüsslich. Im Nu hatten alle irgendein Gefäß in der Hand und drängelten sich um den Eimer. In freudiger Erwartung kippte ich die Hälfte des Glases auf einmal hinunter. Diese Brühe, lauwarm, fettig, mit einem eigenartigen Beigeschmack, sollte Milch sein? Ich versuchte nicht angeekelt das Gesicht zu verziehen. Tapfer trank ich den Rest in kleinen Schlucken aus. Die anderen reagierten ganz ähnlich wie ich. Manche versuchten die Reste unauffällig verschwinden zu lassen. So ein natürliches Produkt direkt aus dem Euter einer Kuh war nichts für uns hochtechnisierten Stadtkinder.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739464053
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Schwul Action Abenteuer Hope Punk Jugend Buch Liebe Gay Manga Science Fiction Dystopie Utopie Roman

Autor

  • Roland A. Toonen (Autor:in)

Aufgewachsen am Niederrhein wurde sein Interesse für Science Fiction schon in frühster Jugend durch „Raumschiff Enterprise“ und die wöchentlich erscheinenden „Perry Rhodan“-Heftromane geweckt. Enttäuscht über die wenigen guten Neuerscheinungen in den letzten Jahren setzte sich Roland A. Toonen an den Schreibtisch, um die im Laufe der Jahre in seinem Kopf entstandenen Universen und deren Bewohner zum Leben zu erwecken.
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Titel: Die Rückkehr der Engel