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Im Schatten des Waldes: Das Amulett

Das Amulett

von Barbara Doris Kuhn (Autor:in)
260 Seiten
Reihe: Im Schatten des Waldes, Band 2

Zusammenfassung

Im Schatten des Waldes 2 Das Amulett Die junge Adlige Lillian alias Lucia macht sich auf den Weg, sich von einem teuflischen Fluch zu befreien. Doch nicht nur die Hexe Regulah, sondern auch ihr Widersacher Gundsrad von Herford, mit der Schwarzmagierin Imna, ist eine Bedrohung für sie. Nach einer schmerzhaften Dämonen-Austreibung erfährt Lillian den wahren Grund ihres Leidens. Sie ist die Auserwählte einer uralten Prophezeiung und muss, in nur dreißig Tagen, die Welt vor Gundsrads bösartigen Hexe Imna retten. Dafür hat sie nur ihren Mut und einen seltsamen, verzauberten Pfeil zur Verfügung. Kann sie ihr Schicksal annehmen oder geht sie an den teuflischen Machenschaften ihrer Feinde zugrunde? …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Im Schatten

des Waldes II

Das Amulett

Widmung

Für meine Kinder

und

meinen Mann.

Im Schatten des Waldes

Das Amulett

In diesem Buch

wurde absichtlich

die veraltete Schreibweise

benutzt.

Alle Figuren

sowie die Handlung selbst,

sind frei erfunden.

Inhalt

Vorgeschichte

Kapitel 1 Im Lager

Kapitel 2 Drudenstein

Kapitel 3 Wahrheit

Kapitel 4 Das Versprechen

Kapitel 5 Stein der Hoffnung

Kapitel 6 Lichtung der Wahrheit

Kapitel 7 Justus

Kapitel 8 Die Seherin

Kapitel 9 Prophezeiung

Kapitel 10 Weg ins Ungewisse

Kapitel 11 Macht des Wissens

Kapitel 12 Unterweisung

Kapitel 13 Begierde nach Macht

Kapitel 14 Zuversicht

Kapitel 15 Trank des Vergessens

Kapitel 16 Bei Freunden

Kapitel 17 Aufbruch

Kapitel 18 Regulah

Kapitel 19 Grunyas Höhle

Kapitel 20 Morcant

Kapitel 21 Erwacht

Weitere Bücher / Danksagung

Autorin

Impressum

Vorgeschichte

12. Jahrhundert in England. Genau genommen das Jahr 1189 in der Grafschaft Dudley, die zwischen Wolverhampton und Birmingham liegt. Ebendort lebt Lillian, die einzige Tochter des Lords Anthony Anselm von Dudley. Sie ist mit ihren sechszehn Jahren eine äußerst energische, junge Maid. Trotz ihres Standes lehnt sie sich gegen einen gewissen Gundsrad von Hereford auf, der das niedrige Volk zu seinem Vergnügen foltert sowie ausbeutet.

Irgendwann muss Lillian mit ansehen, wie er beinahe einen Bauernburschen zu Tode schlägt. Außer sich vor Wut bewirft sie den arroganten Adligen mit einem Apfel, sodass dieser kurz von dem Burschen ablässt. Jedoch bleibt dies keinesfalls ohne Folgen.

Lillian alias Lucia wird dadurch zur Zielscheibe von Gundsrad und flieht verletzt in die nahen Wälder. Dort wird sie von Geächteten gesund gepflegt, wobei sie sich in Samuel verliebt, der ihr mehrmals das Leben rettet.

Allerdings hat Gundsrad eine überaus teuflische Waffe, nämlich seine Tante Lady Imna. Diese ist eine bösartige Schwarzmagierin. Sie belegt Lucia, wie sie sich selbst nennt, mit einem seltsamen Fluch. Dadurch verliert Lucia ihre Stimme und ihr Gehör. Allerdings kann Imna durch einen sogenannten Seher, Lucias Gefühle erkennen sowie diese mit Worten verändern. In diesem verwirrten Umstand greift Lucia ihre Freunde an, worauf sie diese erheblich verletzt.

Ihr Zustand wird aufgrund eines Gegenstands ausgelöst, den Lucia in Form eines Steins an ihrem Körper trägt. Einen verzauberten Stein können ihre Verbündeten vernichten, jedoch für den zweiten benötigen Samuel sowie seine Freunde einen weiteren Drudenstein.

Allerdings kann lediglich die Kräuterhexe Regulah diesen verfluchten Stein vernichten und so hoffentlich Lucia wiederum die Freiheit schenken. Jedoch Lucia hat einen Feind in ihrer Mitte, nämlich die Kräuterhexe Regulah. Diese versucht mit allen Mitteln Samuel, Lucias große Liebe, für sich zu beanspruchen…

In des Wappen tiefengrund, liegt die Blum hernieder. Holde Jungfer spürt die Macht, der dunklen, bösen Krieger.

Stein auf Haut, Haut auf Stein, wird die Wahrheit finden.

Für den heiligen Pfeil bereit, das Böse zu bezwingen. Und die ewige Ruh, für immer zu finden.

1. Im Lager

Wir gelangten nach einem Tagesmarsch in die Nähe des besagten Drudensteins. Allerdings konnte ich mich indessen bedingt darüber freuen, denn sie… Regulah wäre ebenfalls an diesem Ort. Sie, die ihn… Samuel geküsst hatte! Wie würde ich reagieren, wenn ich die Hexe dortig erblicken würde?

Jedoch wurde mir eins durchaus bewusst, ich brauchte diese Fremde. Diese Kräuterhexe sollte schließlich die Beschwörung mit meinem Talisman durchführen. Was wenn sie sich weigert? Wenn sie stattdessen Samuel sodann als Entlohnung forderte? Wie sollte ich diesbezüglich damit umgehen? Wie sollte ich dies wiederum meistern, ohne Samuel? Könnte ich ihn wahrhaftig freigeben? Wollte ich dies überhaupt? Wenn ich ehrlich zu mir war, konnte und wollte ich ihn keinesfalls freigeben! Ich wollte, dass Samuel für immer und ewig bei mir bliebe. Was sollte ich jetzig tuen?

Beklommen blickte ich zu Bruder Matthias, dieser ging schweigend neben mir. Ohne ein Wort nickte der Mönch mir lediglich zu. Anscheinend hatte er die seltene Gabe meine Gedanken oder meine Gefühle zu lesen. Wie auch immer er dies bewerkstelligte, ich war einerseits erleichtert, dass ich dies keineswegs allein durchstehen musste.

Mit jedem Schritt den wir uns unserem Ziel nährten, wurde ich unruhiger sowie rastloser. Infolgedessen strich ich ständig mit meinen Fingern über mein langes, rotbraunes Haar, gleichzeitig fiel mir das Atmen immerfort schwerer. Urplötzlich blieb Harroh, unser Anführer, stehen. Er rief anscheinend etwas in den nahen Wald hinein, wo aus dem Nichts Veland unerwartet auftauchte. Erfreut begrüßte er Harroh, mit Handschlag sowie halber Umarmung. Sogleich drehte sich Veland um, worauf er augenblicklich wiederum im Wald verschwand. Wir folgten ihm sodann.

Nach einer geraumen Weile hatten wir ihren Lagerplatz erreicht. Sofortig überkam mich eine Anspannung, die meinen gesamten Körper erfasste. Der Mönch stand auf einmal neben mir, beruhigend legte dieser seine Hand auf meine Schulter. Da erblickte ich ein schmales Weib, mit pechschwarzen, langen Haaren. Diese trat zu Harroh, worauf sie ihn herzlich umarmte. Kurz danach wandte sie sich geradewegs zu Samuel, nahm diesen fest in ihren Arm und gab ihm einen innigen Kuss unmittelbar auf seinen Mund. Augenblicklich stockte mir der Atem. Dies war also die besagte Hexe, Regulah!

Samuel entzog sich etwas aus ihrer Umarmung, zugleich suchte er meinen Blick. Die Hexe schaute ebenfalls in meine Richtung, erwiderte jedoch etwas, was anscheinend Harroh zu ihr gesagt hatte. Es war schon ein Ärgernis an sich, dass ich dieses Weib keinesfalls hören konnte, Allerdings auf ihre Reaktion hätte ich wohlweislich verzichten können.

Völlig unerwartet fing sie an zu lachen, ferner gab dieses Weibstück wiederum Samuel einen Kuss. Diesmalig auf die Wange, wobei sie mich triumphierend anblickte. Schließlich nahm die falsche Schlange Harroh sowie Samuel an der Hand. Immerfort lachend zog sie diese beiden zur naheliegenden Feuerstelle. Auf einmal ging mein Atem rasend schnell, die Finger begannen leicht an zu kribbeln. Jedoch keineswegs vor Erregung, sondern von der aufkommenden Wut. Ich hasste dieses Weib abgrundtief!

Bruder Matthias verstärkte den Griff an meiner Schulter, sodass ich den Mönch ansehen musste. Ich blickte in seine ruhigen, tiefgründigen Augen. Langsam schüttelte der Mönch den Kopf, zugleich konnte ich den Druck auf der Schulter spüren. Urplötzlich liefen mir die Tränen über das Gesicht. Mit einem Mal ließ der Mönch mich los, gleichzeitig drehte er meinen Körper zu seinem. Wo ich kurzerhand mich an seiner Schulter in meinem Schluchzen ergab. Nach einer Weile hatte ich mich allmählich wiederum gefangen und löste mich von Bruder Matthias. Wie unangenehm war dieses denn? Da weinte ich, eine adlige Maid, mich bei einem Mönch an der Schulter aus?

Tief holte ich Luft und seufzte äußerst niedergeschlagen, worauf ich jetzt langsam den Kopf erhob. Augenblicklich stellte ich mich geradewegs vor den Mönch, richtete mein Gewand sowie meine Haare. Sodann nickte ich dankend Bruder Matthias zu. Nun endlich war ich bereit, ihr, diesem verfluchten Weibsstück in die Augen zu sehen.

***

Inzwischen erreichten wir die naheliegende Feuerstelle, wo dieses verwerfliche Weibsstück, mit den anderen lachend saß. Ihr Blick hatte mich gänzlich erfasst und glitt an meiner Statur hinab. Jedoch ließ ich mir meine tiefste Verachtung keinesfalls anmerken. Meine Gefühle hatte ich weitgehend in mir verschlossen. Keineswegs würde ich ihr die Blöße geben, sich über die dümmliche, kleine Adlige weiterhin gänzlich zu belustigen. Selbst wenn ich sie am liebsten mit einem Pfeil durchbohren würde. Stattdessen lächelte ich sie lediglich an, gleichzeitig musterte ich sie meinerseits überheblich.

Gemächlich erhob sie sich, sodann schritt die falsche Schlange freudestrahlend auf Bruder Matthias zu. Diesen umarmten sie zugleich, als wäre es selbstverständlich. Daraufhin trafen sich unsere beiden Blicke. In diesem Moment hatte ich wahrhaftig das Gefühl, alsdann wären die gesamten Augen des Lagers auf mich gerichtet. Was ohne Zweifel sich gänzlich bewahrheitete.

Ihre funkelten, grünen Augen sah mich an. Alsdann würde sie mir ein Geheimnis verraten, das da wäre: „Samuel hat mich wahrhaftig geküsst. Überdies fand er es sichtlich gänzlich berauschend.“ Süffisant sowie belustigt lächelte sie mich an, jedoch ich ließ mir diesbezüglich in keinster Weise irgendetwas anmerken. Meinen Zorn hatte ich gut in meinem Inneren verschlossen. Dafür war wahrlich gewiss noch später Zeit. Sie war sich im Moment zu sicher, allerdings gesiegt hatte die Hexe in keinster Weise!

Sie zog Bruder Matthias mit sich zu den anderen an die Feuerstelle. Langsam folgte ich ihnen, gleichzeitig entdeckte ich ein mir wahrlich vertrautes Gesicht. Veland. Er saß ebenfalls an der Feuerstelle, jedoch gegenüber von dieser anmaßenden Hexe. Veland war sichtlich erfreut wie er mich erblickte, zielstrebig wand ich mich in seine Richtung. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, setzte ich mich zu dem bulligen Kerl. Schließlich erhob sich Veland, zeigte mir allerdings, dass ich hierselbst auf ihn warten sollte.

Nach geraumer Zeit kam er mit einem Stück Brot sowie einer Holzschüssel mit köstlich duftender Brühe zurück. Lächelnd nahm ich dies von ihm an und nippte vorsichtig daran. Das musste man dem Weibsstück für gute halten, kochen konnte sie wahrhaftig. Mein Blick wand sich in ihre Richtung, Harroh sowie Samuel saßen neben ihr. Alle unterhielten sich in ausgelassener, vergnügter sowie unbeschwerter Weise. Selbst der Mönch war diesbezüglich ausgelassen am Sprechen.

In diesem Moment kam ich mir völlig überflüssig an diesem Ort vor. Außer Veland beachtete mich niemand, dieser Umstand machte mich gänzlich unruhig. Samuel würdigte mir keinesfalls einen einzigen Blick. Ich hatte das Gefühl alsdann starrte er lediglich dieses seltsame Weib an. Nein, er verschlang sie förmlich mit seinen Augen. Was sie belustigend wahrnahm, obendrein mir dies selbstverständlich überheblich zeigte.

Veland nahm die herablassenden Blicke ebenfalls wahr, jedoch war er in dieser Angelegenheit gänzlich anders. Er versuchte mithilfe der Zeichensprache, sich mit mir auf einfachste Weise zu verständigen. Veland war sogar imstande mich ein wenig zum Lachen zu bringen. Selbst wenn sie mich keineswegs hören konnten, man sah es mir gewiss an.

Irgendwann legte ich mich in die Nähe der Feuerstelle auf den Boden. Veland hatte mir seine Decke überlassen, da er anscheinend für die Wache eingeteilt war. Sein schelmisches Grinsen ließ jedoch diesen furchtbaren, feindlichen Ort sofortig ein wenig freundlicher auf mich wirken.

Ich fröstelte ein wenig und legte mir die Decke über die Schultern. Es wart kühl in dieser Nacht, ein eisiger Wind zerrte an meinen Haaren sowie an Velands Decke. Langsam glitt mein Blick durch das Lager. Harroh schaute manchmal zu mir herüber, jedoch er, Samuel in keinster Weise.

Stattdessen legte Samuel wärmend seinen Arm um ihre Taille. Meine Augen wollte ich gänzlich davor verschließen, allerdings konnte ich den Blick keineswegs von Samuel lassen. Augenblicklich erfasste mich Trauer. Samuel war wahrhaftig diesem männerverschlingenden Weibsstück verfallen.

Tränen spürte ich hinter den Augenlidern, wodurch ich die Decke über mein Gesicht zog, damit sie dies keineswegs erblicken konnte. Urplötzlich stand der Mönch vor mir und reichte mir ein Gefäß mit einer Flüssigkeit. Jedoch zögerte ich ein wenig. Was wenn es wiederum einer ihrer Tinkturen war, womit sie mich vollständig sowie gänzlich außer Gefecht setzte?

Mein Blick richtete ich auf dieses verhasste Weibsstück, wodurch sie hämisch anfing zu lachen. Die Hexe rief irgendetwas zu Bruder Matthias, hierauf schaute dieser sie lediglich ernsthaft an und schwieg. Daraufhin wandte er sich wiederum zu mir, grinste mich allerdings verschlagen an. Jetzig nahm er den Krug aus meiner Hand, sodann trank der Mönch einen Schluck aus dem Gefäß.

Schließlich hielt mir Bruder Matthias abermals denn Krug entgegen. Diesmal nahm ich ihn bereitwillig und trank. Erst jetzig spürte ich, wie trocken eigentlich mein Mund war. Die Flüssigkeit schmeckte erfrischend, gleichzeitig tat sie meiner ausgetrockneten Kehle sonderlich gut. Erneut rief die Hexe irgendetwas zu dem Mönch, jedoch dieser regte sich in keinster Weise. Was ihr einen verwirrten Ausdruck auf das Gesicht zauberte. In diesem Augenblick musste ich mir ein Grinsen verbeißen.

Bruder Matthias blickte mich nach geraumer Zeit an, nahm mir sodann den Krug aus der Hand und stellte diesen auf den Boden. Hierauf fasste er in seine Kutte, worauf er einen kleinen Beutel entnahm. Schalkhaft grinste er mich an, gleichzeitig überreichte er mir den kleinen dunklen Lederbeutel.

Verwundert schaute ich dem Mönch in seine undurchdringlichen Augen. Behutsam öffnete ich die feine Lederschnur von dem Beutel, neugierig blickte ich hinein. Langsam glitt meine Hand in diesen geheimnisvollen Lederbeutel, äußerst vorsichtig zog ich einen Gegenstand heraus. Erstaunt schaute ich zu ihm, er hingegen beobachtete eingehend meine Reaktion. Über dieses Geschenk ward ich so erfreut, dass ich aufsprang und den Mönch kurzerhand umarmte. Ohne zu überlegen gab ich Bruder Matthias einen Kuss auf seine Wange.

Entsetzt über mein unkeusches Verhalten ließ ich ihn augenblicklich los. Verlegen hielt ich mit der Hand den Mund zu. Jedoch Bruder Matthias zuckte vergnügt mit seinen Schultern wobei er lachte. Irgendwie hatte ich das seltsame Gefühl, alsdann errötete sein Gesicht ein wenig. Was natürlich gegebenenfalls auch eine Sinnestäuschung sein konnte.

Abermals setzte ich mich auf den Boden und strich behutsam mit den Fingern über diesen Gegenstand. Ich konnte es keinesfalls glauben. Er war wahrhaftig ein Engel. Der Mönch hatte mir fürwahr eine Wachstafel angefertigt. Dies war in keinster Weise so einfach, man brauchte eine Menge Zeit sowie äußerst viel Geschicklichkeit.

Erst musste man auf ein Stück Holz, Bienenwach der mit Talg, Ruß sowie Holzkohle vermischt war, auftragen. Jeweils erkalten lassen und dies, Schicht für Schicht. Anschließend wurde die Schreibfläche behutsam glattpoliert. Zum Schreiben benutze man einen Griffel. Dieser bestand aus einem Holzgriff mit einer Knochenspitze. Man konnte allerdings auch ein spitzes Holzstück, eventuell einen spitzen Knochen dementsprechend benutzen. Die Zeichen oder Wörter ritzte man sodann in die Wachsschicht hinein.

Vollkommen gerührt schaute ich zu dem Mönch. Bruder Matthias musste Tage dafür verwendet haben, um mir dieses anzufertigen. Die kleine Wachstafel hatte er daraufhin in einen Lederbeutel gelegt, damit diese keine Art von Beschädigung erhielt. Unglaublich, dass er dies für mich getan hatte. Er war sichtlich erfreut über meine Reaktion. Vorsichtig nahm ich den Griffel zwischen meine Finger, um diesen zum allerersten Mal zu benutzen.

„Ich danke Euch vielmals, für dieses wundersame, einzigartige Geschenk. Ich werde es immerfort in Ehren halten. Kann ich Euch unabhängig davon eine Frage stellen?“ Bruder Matthias nickte mir zustimmend zu, worauf ich erneut zu schreiben begann.

„Hat Harroh Euch mitgeteilt wann und wie diese Beschwörung vonstattengeht?“ Der Mönch blickte mich nachdenklich an und schwieg erstmalig.

***

Ich für meinen Teil wollte keinesfalls mehr länger warten. Gleichzeitig wollte ich hören sowie endlich sprechen. Ich wollte wiederum ich selbst sein. Endlich die Lucia, die ich vor geraumer Zeit war. Unabhängig davon hatte ich in keinster Weise das Bedürfnis, ständig auf dieses verfluchte Weibsstück Rücksicht zu nehmen.

Mein Unmut ihr gegenüber wurde mit jeder weiteren Stunde größer. Ich hoffte lediglich, keinesfalls die Fassung zu verlieren, bevor die Beschwörung wahrlich vorbei war. Der Gedanke diesem elenden Weibsstück an die Gurgel zu gehen und sie permanent zu schütteln, bereitete mir in Gedanken äußerst viel Vergnügen. Dies war richtig animierend, was mich augenblicklich zum Schmunzeln brachte.

Der Mönch klopfte mir ein wenig auf die Schulter, sodass er mich gleichzeitig in die gegenwärtige Zeit zurückholte. Verwundert blickte er mich an. Ungeachtet dessen zuckte ich lediglich mit meinen Schultern und schaute auf die geschriebenen Wörter. Ihr Bestreben war, die Beschwörung im Morgengrauen des kommenden Tages zu vollziehen sowie… Das Folgende grenzte bereits an eine ungeheuerliche Unverfrorenheit.

Die Hexe bestand mit Nachdruck darauf, dass sie mich diesbezüglich fesselten. Damit sie gänzlich vor mir geschützt sei. Falls ich mich wiederum zu einer wilden Kreatur von Gundsrad verwandelte. Beim letzten Mal hatte ich in diesem Zusammenhang die Hexe erheblich verletzt. Dies war ihre einzige Bedingung. Nun gut, dieses würde ich gewiss ebenfalls noch überstehen. Vielleicht war es unter diesen Umständen sogar das Beste?

Keiner von uns konnte voraussehen, was wahrhaftig bei der Beschwörung mit mir geschehen würde. Lediglich eine kurze Zeitspanne, sodann wäre es soweit. Urplötzlich erfasste mich Angst. Was wäre, wenn diesbezüglich etwas Unvorhersehbares geschehen würde? Könnte die Hexe mich töten?

Tief atmete ich aus. Ängstlich starrte ich den Mönch an, jedoch seine beruhigenden Augen sahen mich an. Bruder Matthias drückte zuversichtlich meine Hand, zugleich signalisierte er mir, dass jetzig die Zeit gekommen wäre um ein wenig auszuruhen. Zustimmend nickte ich, seufzte schwer und legte mich abermals auf den Boden.

Langsam schloss ich die Augen, gleichzeitig versuchte ich an irgendetwas Schönes zu denken. Augenblicklich musste ich an Raven denken, er hätte mich nie und nimmer hierselbst allein gelassen. Selbst wenn er wütend auf mich war und dies kam ohnehin selten vor. Raven hätte mich niemals im Stich gelassen, sowie Samuel dies wahrlich tat. Er war eben immer wie ein Bruder, Raven verstand mich beinahe auch ohne Worte.

Irgendwann glitten meine Gedanken ohne Unterlass weiter in die Vergangenheit. Erst nachdem mich eine kräftige Hand schüttelte, erwachte ich erschrocken. Sodann erblickte ich Harrohs ernsthafte Augen. Zustimmend nickte ich, worauf ich mich ein wenig unsicher erhob, sodass Harroh mich stützen musste. Es war so weit…

2. Drudenstein

Von einem Augenblick zum anderen begann mein Puls sich zu beschleunigen. Meine Finger wurden zunehmend feucht und ich verspürte Angst, die sich langsam jedoch stetig in mir innerlich ausbreitete. Langsam schritten wir durch das Lager. Ich folgte ununterbrochen Harroh, der uns zu den dunklen Bäumen des naheliegenden Waldes führte. Die Nacht wich permanent dem herannahenden Morgen. Vereinzelt konnte ich jetzig Konturen der Landschaft erkennen. Wir traten weitaus tiefer in den Wald hinein, wie ich dies erwartet hatte.

Nach geraumer Zeit lichtete sich der Wald, worauf ich eine kleine Lichtung erblickte. Im gleichmäßigen Abstand säumten Fackeln die Lichtung. Was allerdings bei genauerem Betrachten einen großen Kreis ergab. In der Mitte befand sich eine kleine Feuerstelle, wo an einem Gestänge sich ein silberner Kessel befand.

Dies war andererseits mitnichten was meine gänzliche Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern das was sich in der Mitte der Lichtung darstellte. Ein riesiges Pentagramm zierte die Lichtung. Anscheinend war dieses, mit einem weißlichen Pulver auf den Waldboden markiert worden.

Keinesfalls weit von dem Pentagramm entfernt stand ein großer schwarzgrauer Stein mit einer Vertiefung. Nein, dies war es in keinster Weise. Es war ein geschliffenes Loch, das sich in diesem Stein befand. Sehr wunderlich, eher sonderbar war dieses ohnedem. So etwas hatte ich bis dato noch niemals in meinem Leben gesehen. Natürlich, dies musste der Drudenstein sein, wovon sie die gesamte Zeit sprachen.

Verwundert, ja sogar ein wenig verängstlich blickte ich zu Harroh. Allerdings beachtet mich dieser in keinster Weise. Augenblicklich ging er auf Bruder Matthias zu, der etliche Schritte von uns entfernt wartete. Nach einem kurzen Wortwechsel kam der Mönch auf mich zu. Bruder Matthias deutete auf einen Baum, der sich etwas oberhalb der Lichtung befand. An eben diesem Baum wollte sie mich sehr wahrscheinlich festbinden. Mit großen Augen blickte ich den Mönch an, schluckte schwer und nickte.

Verängstigt folgte ich ihm, augenblicklich erfasste mich ein beklemmendes Gefühl. Dieses furchtbare Gefühl breitete sich in jeder einzelnen Zelle meines Körpers aus. Schließlich erreichten wir den Baum, der sich oberhalb der Lichtung erstreckte. Außerdem bemerkte ich das sich der Baum fernab von jeglichen anderen Bäumen befand. Lediglich ein wenig Gestrüpp und Farne konnte ich dortig erkennen.

Veland wartete bereits auf uns, alsdann er mich erblickte, lächelte dieser mich an. Allerdings keineswegs verachtend, sondern eher bedauernd darüber, dass er mich an diesen Baum festbinden musste. Ich wusste das dieses einzig und allein zu meiner und ihrer Sicherheit diente.

Gefasst drehte ich mich um, zugleich lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. Mein Blick richtete sich derweilen nach vorne. Jetzig bemerkte ich erstmalig, dass dieser Baum sich gegenüber der Feuerstelle befand. Was hatte das alles zu bedeuten?

In diesem Moment spürte ich wie Veland sowie Bruder Matthias mir die Hände hinter dem Baum zusammenbanden. Zusätzlich schlangen sie ein Seil um meine Taille. Mein Blick streifte gleichzeitig über diese furchteinflößende Lichtung. Ein wahrlich seltsames Szenarium tat sich vor mir auf.

Erneut erkannte ich den großen Kreis der Fackeln, worin sich in der Mitte dieses imposante Pentagramm befand. Wiederum in dieser Mitte erhob sich die Feuerstelle, mit dem silbrigen Kessel oder war es vielleicht eher eine Schale?

Durch die Fackeln der seltsamen Feuerstelle sowie dem dunklen Wald, wirkte alles irgendwie bedrohlich auf mich. Selbst der sonderbare Himmel, der mit seinen hellen, dunklen sowie hellroten Farbflecken über allem thronte, war erdrückend. Wo war eigentlich Samuel?

Ich entdeckte ihn ebendort an der Feuerstelle mit ihr, diesem männerverschlingenden Weib. Wieso war Samuel keinesfalls einen winzigen Augenblick zu mir gekommen? Weshalb fesselte er mich mitnichten an diesen verfluchten Baum? Weswegen war er, seitdem wir dieses Lager erreicht hatten ausschließlich bei ihr? Warum beachtete er mich keinesfalls mehr?

Hatte sie Samuel gänzlich verhext oder war er sich seiner Gefühle wiederum in keinster Weise bewusst? Allerdings aus welchem Grund hatte er mich sodann geküsst? Vielleicht wollte Samuel lediglich, dass ich ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitete? Deswegen war er gewiss im Wald so zärtlich zu mir gewesen. Es bestand allerdings auch die Möglichkeit, dass diese falsche Schlange ihn lediglich gut verführen konnte. Womit ich natürlich keineswegs aufwarten konnte, dafür war ich gänzlich zu unerfahren.

Bruder Matthias legte beruhigend seine Hand auf meine Schulter, sodass er mich aus meiner Melancholie riss. Ich nickte ihm mit angsterfüllten Augen zu, gleichwohl spürte ich das beklemmende Gefühl der Hilflosigkeit.

Die Stricke waren so straff um mich geschlungen, dass ich mich in keinster Weise mehr bewegen konnte. Mit großen Augen starrte ich auf die Lichtung. Wie würde diese Beschwörung wohl vonstattengehen?

Mir war wahrlich bewusst, dass es keinesfalls mehr lange dauern konnte. Darüber hinaus verspürte ich erstmalig grauenhafte Furchtsamkeit. Angst vor dem Ungewissen! Angst vor der Hilflosigkeit sowie dem Ausgeliefertsein!

Harroh vergewisserte sich schweigend, ob die Stricke straff um mich geschlungen waren. Augenblicklich gab er Samuel sowie diesem Weib ein Zeichen. Die Hexe schüttete ein weißliches Pulver in den Kessel, der anscheinend mit einer Flüssigkeit gefüllt war.

Als das Pulver den Kessel erreichte, quoll ein Nebelschleier über den Rand des Metallgefäßes. Alle außer Samuel sowie der Hexe, hatten das Pentagramm verlassen. Die anderen hatten ihren Platz abseits des Pentagramms, um jede Fackel verteilt, eingenommen. Sie starrten wie ich, auf dieses wundersame Gebräu.

Samuel nahm eine dicke, dunkle Kerze, zugleich schritt er zu diesem Drudenstein. Er stellte vorsichtig die brennende Kerze auf den gigantischen Stein. Jetzig entdeckte ich ein weiteres Pentagramm, in dem sich bereits ein zugebundener Beutel befand. Allerdings berührte Samuel diesen keinesfalls.

Mein Blick richtete sich abermals auf die Feuerstelle. Dieses Weib oder besser gesagt diese Magierin sprach irgendwelche Worte, gleichzeitig ließ sie ihre Hände über den nebligen Kessel schweben. Plötzlich richtete sie ihren Blick auf mich, streifte zu Harroh sowie anschließend zu Samuel.

Inzwischen hatte sich der Dunstschleier, der aus dem Kessel drang, auf dem gesamten Boden verteilt. Dadurch konnte man den Waldboden lediglich noch wage wahrnehmen. Ich erkannte, wie der Nebel auf mich zu kroch. Wie eine bösartige Schlange, die mir gänzlich die Kehle zuschnürte.

Ich presste meine Lippen fester zusammen, damit meine Zähne keinesfalls so laut klapperten. Die Angst hatte mich gänzlich sowie unaufhörlich erfasst. Ich starrte einzig und allein auf den nahekommenden Nebel. Alsdann würde ein wildes Tier jeden Moment hervorspringen und mich mit sich reißen. Für einen kurzen Moment wand ich den Blick auf die Feuerstelle, wo ich wahrnahm, dass Samuel den Beutel von dem Stein vorsichtig öffnete.

Anschließend nahm er den Talisman von Raven in seine Hand. Jetzig trat er zum Kessel, wo dieses Weib wiederum ein Pulver hineinwarf. Urplötzlich leuchtete der Dunstschleier in einem grünlichen Licht. Samuel blickte mich erstmalig mit seinen schwarzen Augen an, nahm den Talisman und warf ihn augenblicklich in den grünlich schimmernden Kessel.

Was daraufhin geschah, war unheimlich sowie wahrlich furchterregend. Ein gewaltiger silberfarbener Feuerstrahl drang aus dem besagten Metallgefäß. Ein Teil zischte in einer gewaltigen Fontäne in den dunklen Morgenhimmel empor. Jedoch das Entsetzlichste für mich war, alsdann der Talisman den Kesselinhalt berührte, verspürte ich, einen so gewaltigen Schmerz, dass dies mir beinahe die Sinne raubte.

Ich versuchte, laut aufzuschreien. Mein Körper verbrannte wahrhaftig von innen und erst dieser Schmerz! … Eine innere Macht riss mich in alle vier Himmelsrichtungen! … Ich konnte keinesfalls mehr irgendetwas sehen! … Ich konnte mitnichten mehr etwas fühlen, bis auf diesen entsetzlichen Schmerz! Ein furchterregendes Etwas rief meinen Namen, meinen waren Namen: „Befreie dich… Lillian von Dudley! Befreie mich von den Fesseln… Lillian von Dudley!“

Wenn ich in diesem Moment etwas sprach, wusste ich nicht im Geringsten, was ich ebendort tat. Ich wollte lediglich, dass dieser unheimliche Schmerz in mir zum Erliegen kam. Bitte nimmt diesen Schmerz von mir, dachte ich immerfort. Jedoch niemand hörte mich. Es war so gänzlich hoffnungslos. Wie lange ich wohl dortig an diesem Baum stand?

***

Lediglich am Rande meines Unterbewusstseins spürte ich, wie ich mich ständig vor Schmerzen windete. Gänzlich erschöpft starrte ich weiterhin in diesen seltsamen Nebel. Urplötzlich erblickte ich eine fürchterliche, grauenerregende Fratze, die mit ihrer grüngräulichen Klaue nach mir griff.

Ob ich die Besinnung verlor oder diese Kreatur mich wahrlich verletzt hatte, war mir entfallen. Erschrocken riss ich die Augen auf, allerdings entfernte sich allmählich die Fratze von mir immer weiter und weiter und weiter… Verlor ich jetzig den Verstand?

Ein grelles Licht erfasste mich augenblicklich, ferner drückte es mich mit aller Macht an diesen Baum, woran ich zurzeit immer noch gefesselt war. Statt der Dunkelheit, der fürchterlichen Fratze sowie der grauenhaften Stimmen, trat augenblicklich eine friedliche, wärmende Helligkeit an ihre Stelle. Diese entriss mir sofortig die lähmende Angst.

Dankbar nahm ich diese aufkommende Wärme an. Dieses schleichende, permanente Geborgenheitsgefühl nahm ich gänzlich in mir auf. Durch meine Ohren drang ein krachendes Geräusch. Da ich jedoch weiterhin gefesselt war, konnte ich meine Ohren keinesfalls festhalten. Was den Schmerz weiterhin in mir verstärkte.

Im selbigen Moment fühlte sich meine Kehle an, alsdann würde kochendes Öl hineingefüllt. Dieser Schmerz war mir unerträglich, ich schrie! Ich schrie so laut, wie ich diesbezüglich in der Lage war! Urplötzlich sowie unerwartet… da war es wiederum.

Ich konnte es keinesfalls glauben! Ich konnte ihn hören, ich konnte die verschiedenen Stimmen wahrnehmen. Jedoch vernahm ich vor allem meinen unverkennbaren, markerschütternden Schrei, der mich gänzlich zusammenzucken ließ.

Er war so gewaltig, dass mein gesamter Körper von einem durchdringenden Zittern erfasst wurde, sodass ich wiederum die Augen weit aufriss. Schlagartig erfasste mich lediglich undurchdringbare Schwärze. Dies war wahrscheinlich mein Ende!

Gundsrad hatte gewonnen, es hatte keinesfalls sein sollen. Alles für immerfort verloren, alles war diesbezüglich umsonst. Raven, mein Vater, die Flucht vor Gundsrad, die Rettung durch Samuel, Ludgers Angriff. Die wundersamen Zärtlichkeiten, die ich wahrlich durch Samuel erfahren durfte sowie die Auseinandersetzungen mit ihm. Dieses Weib, das Samuel gänzlich bezirzt hatte. Diese seltsame Beschwörung, all die Menschen, die mir irgendetwas bedeuteten.

Die da waren: Bruder Matthias, Veland, Harroh, Minna, Tiw sowie Brigitt. All jene würde ich niemals wiedersehen. Ich spürte, wie mich eine Woge der inneren Ruhe gänzlich erfasste endlich loszulassen. Mich jetzig dem Licht zu ergeben, das so friedlich auf mich dortig wartete. Ich wollte keineswegs mehr kämpfen. Schließlich wollte ich lediglich eins meine Ruhe finden. Den inneren Frieden mit mir selbst machen.

Einmal… ein einziges Mal hatte ich mich bereits danach gesehnt, ins Licht zugehen und zu sterben. Damals im Wald auf der Lichtung, wo Samuel mich dortig fand. Jetzig war es wohl soweit?! Ich spürte, wie das Licht mich gänzlich erfasste.

Zum ersten Mal hatte ich keinerlei Angst mehr. Ich war wahrhaftig bereit, worauf ich schließlich losließ…

3. Wahrheit

Ich spürte eine wärmende Hand auf meiner Stirn. War ich im Himmel, dass mir das helle Licht verheißen hatte? Ich hörte da leises Wispern. Flüsterten die Engel am Firmament meinen Namen?

Allmählich kamen überdies weitere Geräusche an mein Ohr, ich konnte… ich konnte wahrhaftig wiederum hören. Dies musste gänzlich ein Traum sein? Wenn ich ehrlich zu mir war es ein äußerst schöner Traum!

Irgendwo in unmittelbarer Nähe hörte ich eine Eule rufen. Ich vernahm darüber hinaus eine leise Stimme, geradewegs neben mir. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, jedoch wusste ich keinesfalls, woher ich diese in meinem Umfeld kannte.

Irgendetwas Feuchtes sowie Kühles wurde mir auf die Haut gelegt, zugleich nahm jemand meine Hand. Ich spürte, dortig an meiner Seite war jemand, ich war in keinster Weise allein. Allerdings war ich mitnichten in der Verfassung, mich auf die ein oder andere Weise zubewegen. Selbst meine Augen blieben weiterhin verschlossen.

„Wie lange Matt? … Ernsthaft Matt… wann gedenkst du, wird Lucia wiederum ihr Bewusstsein erlagen? Ich meine, sie ist… es sind bereits einige Tage vergangen?“

„Harroh, du musst dich ein wenig in Geduld üben. Ich kann dir dies keinesfalls mit Gewissheit mitteilen. Im Gegensatz dazu, sieh lediglich ihr Gesicht. Es hat wahrhaftig aufgehört zu zucken und der Ausdruck des Schmerzes ist gänzlich verschwunden. Es grenzt wahrlich an ein Wunder, dass Lucia überhaupt noch diesbezüglich am Leben ist.“ Ein kurzes Schweigen trat ein, sodann sprach die Stimme leise weiter. Wahrscheinlich hatte sich die Personen wenig von mir entfernt.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass sie baldig erwachen wird. Geduld… Übe dich in Geduld Harroh. Lucia ist eine bemerkenswerte starke Maid. Gewiss wird sie dieses überstehen und sicherlich die auferlegte Prüfung überwinden.“ Prüfung? Von was für einer Prüfung sprach die Stimme?

Jedoch konnte ich dies keinesfalls erfragen, somit lauschte ich weiterhin der ruhigen Stimme. „Ich habe noch niemals so eine derartige heftige sowie schmerzhafte Austreibung erlebt. Wenn Lucia gänzlich bei klarem Verstand sein wird, sodann könnte sie das Erlebte für immer verändern. - Seht lediglich allein ihr Haar, dies lässt erahnen, welche unmenschlichen Schmerzen sie erdulden musste. Anderweitig kann ich mir dieses Geschehnis keinesfalls erklären.“

Es wurde still, plötzlich fragte diese Stimme etwas Unfassbares. „Was ist de facto mit Samuel? Gedenkt er diesbezüglich auf längere Zeit bei Regulah zu verweilen? - Lucia wird wahrlich keinesfalls darüber erfreut sein, wenn sich Samuel bei ihr weiterhin aufhält.“

„Matt, Samuel ist wahrhaftig der Meinung, dass er diesbezüglich Regulah irgendetwas schuldet. Sie hätte sich immerhin auf die Beschwörung eingelassen, mit all ihren fatalen Folgen. Zu mir meinte Samuel allerdings wörtlich, alsdann Regulah, keineswegs in seiner unmittelbaren Nähe war: „Wenn es Regulah besser gehen sollte, werde ich mit ihr diesbezüglich sprechen. Ich werde ihr mitteilen, dass ich mich gänzlich für Lucia entschieden habe.“

„Dieses hatte mir Samuel wörtlich mitgeteilt. Indessen bleibt lediglich zu hoffen, dass Regu diese Angelegenheit genauso sieht und Samuel gehenlässt. Wie wird Lucia dies wohl aufnehmen, wenn Samuel immerfort bei Regu und keinesfalls bei ihr sich befindet? – Weiber, ich sage es immerfort, wir können keinesfalls mit sowie keinesfalls ohne sie leben.“

„Im Gegensatz dazu können wir unter diesen Umständen Lucia keineswegs mit Regulah alleine lassen. Harroh, wir alle haben umfassend Lucias Temperament mehrmalig miterlebt. Wenn ich diesbezüglich an Samuel Lippe oder Stirn denke. Nicht auszudenken, wenn Regulah sowie Lucia aneinandergeraten.“

„Möglicherweise sollten wir Lucia in keinster Weise wütend machen. Allerdings hätte ich ihr ebenfalls in keinster Weise zugetraut, dass sie Samuel jemals verletzen würde. - Obwohl wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich Regulah selbig den Hals umgedreht.“

„Gewiss, Regulah ist keinesfalls sanftmütig mit Lucia umgegangen.“

***

Stille. Waren die Stimmen gegangen? Jedoch irrte ich mich in diesem Moment.

„Matt, ich kann Samuel keinesfalls verstehen. Wenn ich mitnichten mit Minna liiert wäre, würde ich einen Menschen wie Lucia, nie und nimmer mehr alleine lassen. Keinesfalls dieweil sie ein Weib ist. Nein, dies hat sie mit Sicherheit bisweilen bewiesen, dass Lucia vor nichts und niemanden Angst hat. Anderseits, vielleicht kann sie sich in dieser Hinsicht auch äußerst gut verstellen? Sie ist eben ein so außerordentlicher Mensch, ich…“

„Harroh… du vergisst dich.“

„Äh… Ich… ich meine… Ich glaube, ich werde meinen jetzigen Rundgang durch das Lager verrichten. Matt, wenngleich Lucia erwacht, gebe mir umgehend Nachricht. Ich meine… äh… damit wir baldig aufbrechen können, sobald sie erwacht ist. Ich… ich mache meinen Rundgang.“

„Harroh, ich kann dich äußerst gut verstehen. Lucia ist ein so warmherziger Mensch, ihre Qualen kann ich lediglich erahnen. Glaube mir, sie hat einiges zutragen, selbst wenn sie versucht, diese gänzlich vor uns zu verbergen. Ich bin zu keiner Zeit einem Menschen der Obrigkeit begegnet, dem dieser Standesunterschied so gänzlich irrelevant war.“ Eine Hand berührte kurz meine Stirn.

„Für Lucia ist dies wahrlich belanglos, ob jemand von niedrigem Stand ist. Ich glaube wahrhaftig, sie sieht lediglich den reinen Menschen, mitnichten sein Hab und Gut. Gewissermaßen gibt es diesbezügliche äußerst wenige Ausnahmen wie Lucia… Harroh sie wird es überstehen, glaubt mir dieses. Infolgedessen geht nunmehr.“

Abermals breitete sich Stille aus. Wahrscheinlich war ich irgendwann eingeschlafen oder hatte ich dieses alles lediglich im Traum vernommen? Urplötzlich hörte ich eine Stimme, eine männliche Stimme. Diese rief leise meinen Namen oder war es der Wahn, der infolgedessen zu mir sprach?

„Lucia? Lucia erwache… Lucia es ist gänzlich vorüber. Ihr habt diese entsetzliche Beschwörung überwunden. Ihr müsst lediglich erwachen…

„Lucia, bitte erwacht. Es wird sich gewiss alles zum Guten wenden. Versucht bitte, eure Augen zu öffnen. Wenn Ihr mich gleichwohl hören könnt, sodann drückt meine Hand. Lucia! Hört Ihr mich?“

Irgendetwas spürte ich. Es war warm sowie wohltuend, eine Wärme die durch meine Finger strömte. Es musste wohlweislich eine wärmende Hand sein, die sich abermals auf meine gelegt hatte.

Ich versuchte, meine gesamte Kraft auf diese Hand zu lenken, die dieser Unbekannte hielt. So fest alsdann möglich drückte ich abermals zu. Ein Seufzer entglitt diesem einen Menschen, der sich gänzlich um mich sorgte. Wer dies auch immerfort war, er ließ mich keinesfalls allein. „Gott sei Dank. Ihr könnt meine Stimme vernehmen.“ Ein erleichternder Atemzug entwich ihm.

„Sodann versucht bitte, vorsichtig eure Augen zu öffnen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies euch gewiss äußerst Schwierigkeiten bereiten wird, dennoch versucht es bitte, Lucia.“

Ich hörte seine Worte, ich hörte sein Flehen. Wie sollte ich dieser freundlichen Stimme wahrlich etwas abschlagen? Es war gewiss Bruder Matthias, mein weißer Ritter im göttlichen Gewand. Äußerst vorsichtig öffnete ich die Augen, gleichzeitig erschrak ich.

Erst erblickte ich lediglich grelle Lichterpunkte, die wild durcheinanderkreisten. Jedoch nach einer geraumen Weile klarte sich meine Sichtweise zunehmend auf. Jetzig erkannte ich anstelle von grellfarbigen Lichterpunkten, helle sowie dunkle Schatten. Ich schloss erneut die Augen. Wollte ich wahrhaftig die Welt außerhalb meines geschützten Kokons erblicken? War ich dazu diesbezüglich gänzlich bereit? Ja, ich wollte dies bewältigen!

Ich wollte endlich wiederum ich sein. Ich wollte wiederum leben, lieben, mit all seinen absurden Facetten. Einfach Lucia, die Tochter von Lords Anthony Anselm von Dudley.

Erneut öffnete ich ein weiteres Mal die Augen. Zu meiner Freude bemerkte ich, dass ich zwar keinesfalls alles mit klarer Deutlichkeit erblicken konnte, dennoch sah ich weitaus mehr, alsdann helle oder dunkle Schatten.

Abermals vernahm ich diese Stimme, die keinem anderen gehörte alsdann Bruder Matthias. Er war bei mir, er ließ mich in keinster Weise allein zurück. Erleichtert seufzte ich auf.

„Könnt Ihr vielleicht irgendetwas erkennen? Lucia Ihr braucht lediglich zunicken. Gewiss wird euch das Sprechen ebenfalls genauso schwerfallen, wie das Hören. Nun gut, könnt Ihr irgendetwas erkennen?“ Ich nickte.

„Könnt Ihr mich deutlich erkennen?“ Ich verneinte dies, zugleich seufzte ich abermals. Enttäuscht über meine geringe Sehkraft drehte ich den Kopf beiseite. Eigentlich hatte ich diesbezüglich angenommen, dass alles wiederum wie vorher sei. Ich könnte reden, hören sowie sehen.

Im Gegensatz dazu könnte ich den Mönch zwar hören, jedoch in keinster Weise etwas deutlich erkennen. Was allerdings noch schlimmer war, dass ich mich weiterhin keinesfalls mit meinen Worten mitteilen konnte. Lediglich das stumme Nicken war mir zurzeit vergönnt. Eine kleine Träne löste sich und lief an meiner Gesichtshälfte hinunter. Sofortig versuchte ich, diese zu entfernen. Allerdings entging dies in keinster Weise dem Mönch.

„Lucia, Ihr müsst geduldiger mit euch sein. Dies ist gewissermaßen keinesfalls ungewöhnlich. Zumindest seid Ihr mitnichten blind, dies ist wahrlich ein gutes Zeichen. Ich denke mit der Zeit, werdet Ihr gewiss wiederum alles deutlich erkennen. Davon bin ich gänzlich überzeugt. Geduld… selbst, wenn dies in keinster Weise eure größte Stärke ist. Jetzig versucht erstmalig ein wenig zu trinken. Ich habe euch diesbezüglich einen Trank für eure Stärkung zubereitet.“ Ich seufzte leise, worauf ich unverzüglich die Augen schloss.

„Auch wenn Ihr euch schlafen stellt, Ihr solltet diesen Trank wahrhaftig trinken. Ihr möchtet doch diesbezüglich keineswegs, dass ich euch diesen Stärkungstrank einflösse oder?“ Wütend schnaufte ich in seine Richtung, zugleich verneinte ich dies mit meinem beharrlichen Kopfschütteln.

Gegen Bruder Matthias konnte ich keineswegs irgendetwas ausrichten, ferner wusste er dies mit ziemlicher Sicherheit. Er hielt mir eine Schale aus Holz an die Lippen und flößte mir behutsam eine wärmende Flüssigkeit, seinen Wundertrank ein.

Zwar schmeckte diese Flüssigkeit überaus scheußlich, jedoch wusste ich aus Erfahrung, dass der Mönch sich diesbezüglich keinesfalls erweichen lassen würde. Was seine Umschläge sowie Tränke anging, war der Mönch unerbittlich. Er duldete in diesem Fall von keinem einen Widerspruch.

Bruder Matthias lachte laut und meinte: „Wie ich gänzlich wahrnehme, hat sich euer Geschmackssinn in keinster Weise verändert. Habt Ihr eventuell noch einen Wunsch? Gewiss müsst Ihr euch nach dieser erheblichen Anstrengung ebenso erleichtern?“

Zustimmend nickte ich, worauf ich augenblicklich seine Hand hinter meinem Rücken spürte. Vorsichtig half mir der Mönch, mich ein wenig aufzurichten, damit ich im Stande war, mich von dem Schlaflager zu erheben.

Erheblich rang ich nach Luft, gleichzeitig versuchte ich, keinesfalls den Schmerz, der meinen gesamten Körper durchzog, dem Mönch zu zeigen. Ich wusste, dieses würde Bruder Matthias sehr wahrscheinlich ebenfalls bemerken. Allerdings schwieg der Mönch.

Nach einer Weile räusperte sich der Mönch. Schließlich meinte er: „Woher erinnert mich diese Situation Mylady? Sagen wir einfach Ihr befandet euch bereits schon dereinst in dieser misslichen Lage. Damalig wart Ihr ebenfalls verletzt, alsdann ich euch das erste Mal traf. Erinnert Ihr euch vage daran?“

Der Mönch blickte mich an, selbst wenn ich ihn mitnichten deutlich erkennen konnte, spürte ich seine Blicke auf mir ruhen. Verlegen grinste ich.

Gewiss dieser Tatsache war ich mir wohlweislich bewusst. Wir beide hatten dies bereits einmal durchgestanden. Seinerzeit erholte ich mich von einem Pfeil in meiner rechten Schulter, den mir Gundsrads Männer zugefügt hatten. Wie lange war dies wohl her, Wochen oder sogar Monate?

Die Zeit rann mir gänzlich durch die Finger. So viel war inzwischen passiert. Jedoch was sollte ich jetzig darüber nachdenken? Die Vergangenheit war bei Weitem keinesfalls mehr so wichtig. Nunmehr zählte die Gegenwart, der jetzige Augenblick. Ich hatte überlebt, was diesbezüglich kommen mag, wussten lediglich die Sterne. Die Zukunft war im Ungewissen und dies war auch gut so.

***

Vorsichtig versuchte ich, mich aufzusetzen. Der Mönch half mir fürsorglich, wobei er mich auf die Beine zog. Ein bisschen schwankend schritten wir langsam hinaus. Auf einmal roch ich klare, frische Luft. Ich spürte den Wind, der meine Haut streichelte und mir gleichzeitig einen Kälteschauer versetzte.

Bedauerlicherweise konnte ich keinesfalls viel erkennen, allerdings schien es heller Tag zu sein. Die Wärme der Sonnenstrahlen konnte ich wahrhaftig auf meiner Haut spüren und dies fühle sich wundervoll an.

Als ich mich schließlich erleichtert hatte, kehrte ich mühsam wiederum zurück. Erst alsdann ich abermals auf meinem Lager lag, seufze ich resigniert. Ich wollte mich bei Bruder Matthias für seine unersetzliche Fürsorge bedanken, worauf ich versuchte, zu sprechen. Allerdings bekam ich außer einem fürchterlichen Gekrächze keinerlei Worte zustande. Dies war gänzlich mehr alsdann enttäuschend!

Der Mönch spürte meine innere Unruhe, sogleich legte er seine Hand behutsam auf meine Schulter. „Lucia, Ihr müsst mit euch geduldiger sein. Es können Tage oder sogar Wochen vergehen, bis Ihr diesbezüglich wiederum sprechen könnt. Darüber hinaus zählt lediglich, dass Ihr am Leben seid.“

Ich atmete wiederum schwer aus, nickte und drehte mich niedergeschlagen auf die Seite. Abermals schloss ich die Augen. Mein Zustand war keinesfalls zufriedenstellend für mich. In keinster Weise!

Der nächste Tag verlief bereits bei Weitem besser. Im Schneckentempo konnte ich wiederum ein kurzes Stück ohne Hilfe laufen. Jedoch verlor ich ständig den Halt, sodass der Mönch mich fortlaufend retten musste. Dennoch verlor Bruder Matthias niemals die Geduld. Langsam wurden die Umrisse um mich herum permanent deutlicher, gleichzeitig konnte ich allmählich Farben erkennen. Anderseits meine Stimme, mit dieser war ich weiterhin in keinster Weise annähernd ein Stück weitergekommen.

Was mich vermehrt zum Schluchzen brachte, worauf mir die Tränen über das Gesicht liefen. Andererseits machte mir Bruder Matthias fortwährend Mut keineswegs aufzugeben. Immerfort von Neuem zu beginnen sowie sich gänzlich in Geduld zu üben. Dies sah er gewiss anders als ich selbst, was diesbezüglich verständlich war. Er konnte ja sprechen, im Gegensatz zu meiner Wenigkeit.

Der Mönch kümmerte sich dennoch rührend um mich. Bis auf meine Stimme ging es mir fortwährend besser. Darüber hinaus, wenn Bruder Matthias dereinst verhindert war, standen Harroh sowie Veland ihm in nichts nach.

Ausschließlich Samuel war keinesfalls zu erblicken, dies verbitterte mich zunehmend. Nein! Dies machte mich äußerst wütend! Richtig wütend auf ihn, diesen tapferen Krieger. Was bildete sich der gnädige Herr eigentlich diesbezüglich ein? Ich würde ihn mit wehenden Fahnen wiederum zu mir nehmen, wenn er dieser Hexe überdrüssig geworden war? Weit gefehlt!

Ich war und werde niemals ausschließlich für Samuel ein Zeitvertreib darstellen. Außerdem konnte ich mir bei Weitem keinesfalls vorstellen, dass Harroh Samuel dies in keinster Weise mitgeteilt hatte. Samuel wusste, dass ich wiederum bei Bewusstsein war. Jedoch er kam bislang keineswegs zu mir.

Kein einziges Mal hatte er nach meiner Wenigkeit gefragt, geschweige denn irgendetwas von sich verlauten lassen. Samuel hatte mich zutiefst gekränkt, und dass er weiterhin bei dieser Hexe war, machte mich zunehmend wütender. Womöglich liebte er sie sogar? Abscheulicher Gedanke!

***

Es waren bereits einige Tage wiederum vergangen, jedoch spürte ich, dass wir an diesem Ort mitnichten ewig verweilen konnten. An diesem neuen Morgen öffnete ich meine Augen, etwas war anders und anders war bei Weitem gut. Meine Augen erblickten die friedlichen Augen des Mönches, sodass mir ein Lächeln entfuhr. Er schaute mich erstaunt an, gleichzeitig riss er seine Augen weit auf. Sein Gesicht begann plötzlich vor Freude an zu strahlen.

„Ihr könnt mich sehen ist es mitnichten so? Ihr könnt mich sogar äußerst gut erkennen. Ihr habt dieses schelmische Grinsen auf den Lippen und dies vermag bei weitem nichts Gutes. Gewiss möchtet Ihr etwas zu euch nehmen? - Das Sprechen wird sich zweifellos in naher Zukunft ebenfalls wiederum einstellen.“

Ich nickte lediglich, worauf er weitersprach: „Ihr könnt weiß Gott von Glück sprechen, dass es euch diesbezüglich bereits besser geht, sowie Eure Genesung weiterhin fortschreitet. Wir hatten gänzlich die Befürchtung, dass Ihr dieses keinesfalls überleben würdet.“ Er atmete laut aus, gleichzeitig reichte er mir einen Becher mit Wasser. Das Wasser war kühl, ferner erfrischte es mich sofortig.

„Gottlob hat sich alles zum Guten gewandt. Überdies kenne ich wahrhaftig jemanden, den dieses genauso erfreut, wie unsereins. Da Ihr endlich wiederum richtig sehen könnt, werde ich euch etwas bringen. Wartet bitte einen kurzen Moment.“

Er stand auf und verschwand. Indessen blickte ich mich ein wenig genauer um. Anscheinend waren wir keineswegs mehr in diesem abscheulichen Wald, wo diese Beschwörung stattgefunden hatte. Dieser Ort sah eher aus, wie ein kleiner Stall. Jedoch war dieser trocken sowie sauber. Mein neuer Zufluchtsort. Ich konnte zwei, maximal drei Schlafplätze erkennen. Wo schliefen denn die anderen?

Bruder Matthias trat durch den kleinen Eingang, der einer Stalltür glich, überdies war er keinesfalls mehr alleine. Jemand folgte ihm, und dieser jemand war kein anderer als Harroh! Harroh erblickte mich, worauf sein Gesicht über alle Maße strahlte.

Urplötzlich blieb Harroh stehen, musterte mich eindringlich. Er wand sich sodann an den Mönch: „Matt ich glaube, dieses brauchen wir keinesfalls mehr allzu lang.“ Er grinste und zeigte auf die kleine Wachstafel. „Matt, du solltest dich trotzdem vor ihr in Acht nehmen, Lucia ist weiterhin äußerst… gefährlich.“

Harroh blickte ernst zu mir, worauf der Mönch die Augen verdrehte. Jetzig bemerkte ich erstmalig, warum Harroh plötzlich so schelmisch grinste. Ich konnte es keinesfalls glauben. Harroh hatte wahrhaftig meinen Bogen sowie die dazugehörigen Köcher mit den Pfeilen in seiner Hand.

In diesem Augenblick hielt mich nichts mehr auf dem Schlaflager. Mühsam richtete ich mich auf, trat einen Schritt auf ihn zu. Harroh ließ den Bogen jedoch keinesfalls los, auch kam er in keinster Weise näher. Alsdann wollte ich danach greifen, jedoch meine Finger berührten statt dem Bogen seine Finger. Mein Blick verharrte augenblicklich auf seinem Gesicht, ich schluckte spürbar, gleichzeitig holte ich unvermeidlich tief Luft.

Harrohs Blick band mich in jenem einen Augenblick. Jetzig nahm seine Hand behutsam meine Finger. Ein Kribbeln erfasste mich gänzlich, worauf ich angespannt den Atem anhielt. Ich konnte meinen Blick keinesfalls von seinem Gesicht abwenden. Was auf mich stark sowie unnahbar wirkte.

An seiner rechten Schläfe hatte er eine kleine Narbe, die mir bis dahin keinesfalls aufgefallen war. Sein dunkelbraunes Haar, das glatt sowie schulterlang war, rahmte sein Gesicht perfekt ein. Ich schluckte schwer, sodann schnappte ich erneut nach Luft. Ehe ich mich versah, hatte Harroh mir einen sanften Kuss auf die Wange gegeben. Was mich völlig ganz und gar verunsicherte, dieweil ich darüber hinaus Harroh weiterhin anstarrte. Was zog mich in diesen Bann?

Ein lautes Räuspern, was augenblicklich den Raum erfüllte, ließ uns auseinanderfahren. Bruder Matthias richtete den Blick fragend auf uns, beschämt senkte ich meinen Blick auf den Boden. Harroh hatte sich wiederum bei Weitem schneller gefangen, alsdann ich es tat. Er reichte mir schweigend den Bogen mit dem Köcher.

„Ich bin wahrlich äußerst erleichtert, dass es dir wiederum besser geht. Ich dachte mir, du solltest niemals ohne eine Waffe sein. Das Leben ist wahrhaftig zu kostbar. Vor allem deines, Lucia. Wenn du weitgehend wiederum bei Kräften bist, solltest du in Erwägung ziehen, erneut damit zu üben. Einverstanden!?“

Unbeschwert grinste mich Harroh an, so alsdann wäre diesbezüglich zu keiner Zeit etwas vorgefallen. Jedoch ich wusste, wie Harroh für mich wahrhaftig empfand. Er hatte dies dem Mönch mitgeteilt, ohne jedoch zu erahnen, dass ich es vernahm. Allerdings würde ich dieses Wissen niemals ausnutzen.

Harroh hatte Minna sein Weib, die immerfort auf ihn wartete. Zaghaft lächelte ich Harroh an, gleichzeitig nickte ich dankbar. Der Mönch trat zu mir. Er hatte eine flache Schale in der Hand, worin sich Wasser befand. Verwundert blickte ich Bruder Matthias sowie Harroh an.

„Ich möchte, dass Ihr euch… euer Gesicht anseht. Bitte erschreckt keinesfalls. Ihr seid weiterhin dieselbe wie früher. Vielleicht diesbezüglich ein wenig verändert, jedoch gewiss genauso bemerkenswert sowie anmutig, als vor geraumer Zeit. Vergisst dies mitnichten.“

Abwartend blickte er zu Harroh, dieser nickte zustimmend, daraufhin reichte der Mönch mir die Schale. Verwirrt blickte ich dem Mönch ins Gesicht. Ich spürte, dass dies etwas zu bedeuten hatte, somit legte ich den Bogen sowie den Köcher beiseite. Was war mit mir geschehen? Hatte sich mein Gesicht nach der Beschwörung eventuell gänzlich verändert?

Tief atmete ich tief ein, biss mir ängstlich auf die Lippen und nahm zugleich die Schale mit dem Wasser. Diese wirkte jetzig wie ein Spiegel. Angstvoll blickte ich hinein, worauf ich laut erschrak.

Ich weitete die Augen, um besser etwas zu erkennen. Im ersten Moment hielt ich bestürzt den Atem an. Schließlich hatte ich mich nach einer geraumen Zeit wiederum gefangen, wobei ich tief ausatmete.

Eine handbreite, schneeweiße Haarsträhne zierte meine linke Haarpracht. Ein wenig fassungslos starrte ich Bruder Matthias an. Dieser räusperte sich, gleichzeitig blickte er mich mit seinen tiefblickenden Augen an.

„Ich glaube, die Schmerzen, die Ihr bei der Beschwörung erdulden musstet, haben euch die Haarfarbe genommen. Ich habe so etwas bereits schon einmal erblickt. Ehrlich gesagt bezweifle ich gänzlich, dass eure Haare irgendwann noch einmal eine andere Farbe annehmen werden. - Jedoch Ihr habt dieses Martyrium überlebt, was gewiss keinesfalls viele an eurer Stelle getan hätten. Aufgrund dessen, tragt dieses alsdann ein Zeichen eurer Stärke und mitnichten alsdann des Verlustes eurer Würde.“

Laut schluckte ich, gleichzeitig nahm ich seine Worte gänzlich in mich auf. Weiterhin schaute mich der Mönch eindringlich an, worauf ich nickte. Bruder Matthias hatte diesbezüglich vollkommen recht. Ich würde diese Strähne mit Würde sowie Stolz tragen, denn ich hatte diesen unvorstellbaren Fluch überlebt.

Abermals schaute ich erneut in die Schüssel. Dortig erblickte ich eine junge Maid mit langen rotbraunen Haaren. Zugegeben sie wirkte zunehmend etwas blass. Ihre Wangenknochen ragten durch die vergangenen Strapazen ein wenig hervor, ansonsten hatte sie sich keineswegs verändert. Außer natürlich dieser handbreiten, weißen Haarsträhne, die über ihre Schulter fiel. Wenn ich ehrlich zu mir war, gefiel sie mir immerfort besser an mir. Ja! … Sie machte mich wahrhaftig zu etwas Besonderem!

Ich richtete den Blick aus der Schüssel und blickte Harroh sowie Bruder Matthias hämisch grinsend an. Der Mönch blickte mich verwundert an, hob erstaunt seine Augenbrauen.

„Nein! Dies wagt Ihr euch keinesfalls? Nein Lucia, mitnichten werdet Ihr…!“ Jedoch da war es bereits zu spät. Ich schüttete die gesamte Schüssel mit dem kalten Wasser in ihre Richtung. Bruder Matthias versuchte, sich augenblicklich umzudrehen, allerdings er konnte keinesfalls verhindern, dass beide, Harroh sowie er triefend nass wurden. Harroh stockte augenblicklich der Atem und Bruder Matthias entwich lediglich ein: „Oh nein.“

Wie ich die beiden so durchnässt vor mir stehen sah, entwich mir ein schallendes Lachen. Für einen kurzen Augenblick hielt ich mir die Hand vor den Mund. Verwundert über den euphorischen, beglückenden Klang meines eigenen Lachens sowie meines ungestümen Verhaltens.

Ausgelassen fing ich abermals an zu lachen, allerdings packte mich jetzig Harroh und goss mir ebenfalls einen Krug mit eiskaltem Wasser über den Kopf. Das kalte Wasser ließ mir für einen kurzen Moment den Atem nehmen. Jedoch wie ich Harroh wiederum ansah, prustete ich ein weiteres Mal los, gleichwohl stimmten beide mit ein.

Nach einer Weile meinte Bruder Matthias gänzlich gelassen: „Wenn wir bereits einmal nass sind, haben wir uns wahrlich ohne Weiteres das Waschen erspart.“ Er grinste mich schelmisch an, was mich wiederum zum Kichern brachte. Harroh blickte mich mit tiefgründigen Augen an.

„Es ist wahrlich bezaubernd, dich so erheitert sowie ausgelassen zu erblicken.“ Er nahm eine nasse Haarsträhne und strich sie mir behutsam aus dem Gesicht. Ich schluckte äußerst schwer, zugleich beschleunigte sich mein Herzschlag um das Vielfache. Mein Atem ging schneller, nein, er raste vor innerer Erregung. Ich blickte in seine dunklen Augen, worauf ich laut schluckte. Nein… nein, dies durfte keinesfalls geschehen. Er war auf ewig mit Minna vereint.

Urplötzlich veränderte sich die Stimmung zwischen uns beiden. Sie hatte etwas Magisches sowie Tiefgründiges, ja sogar Berauschendes an sich. Ich blickte ihn sein wundersames Gesicht. Seine braunen Augen verschlangen mich beinahe und sein männlicher Duft war so überwältigend für mich.

Gierig zog ich seinen Duft ein. Spürte auf einmal, dass ich ihm in keinster Weise mehr länger standhalten konnte. Ich wusste, wenn ich diesbezüglich nachgeben würde, wäre Harroh mein. Verzweifelt schaute ich hilfesuchend zu Bruder Matthias, jedoch dieser hatte uns wahrhaftig alleine gelassen.

Nein dies durfte ich mitnichten tun, selbst wenn ich mich gänzlich nach diesen Zärtlichkeiten sehnte. Ich durfte um Minnas Willen keinesfalls schwach werden. Ich spürte, die Wärme, die mein Gesicht jetzig erfasste, gleichzeitig blickte ich verängstigt wiederum zu Harroh.

„Er ist fort. - Du bist so wunderschön. Ein so bemerkenswertes sowie äußerst starkes Weib. Ich würde…, wenn ich könnte… Du bedeutest mir so gänzlich viel, mehr alsdann… Lucia, du setzt mein Herz gänzlich in Flammen, jedoch ich bin mit Minna…“

Sehnsüchtig blickte er mich an. Ein tiefer Seufzer ging über seine Lippen, worauf sein Atem schwer ging. Harroh schluckte hörbar, er zögerte sichtlich, gleichsam wollte er sich von mir abwenden. Augenblicklich verspürte ich einen inneren Drang, ihm wahrlich etwas mitzuteilen. Abermals aus heiterem Himmel geschah es, ein weiteres Wunder durchlief meinen Körper. Meine krächzenden Laute wurden urplötzlich zu Wörtern, sodann zu Sätzen.

„Harroh du bist ein guter Gefährte und ich schätze dich sehr. Es bedeutet mir äußerst viel, dass du… du mir deine Gefühle gestanden hast. Allerdings ich… Minna ist dein Weib. Sie ist dir treu… Ich möchte keinesfalls, dass du zwischen uns wählen musst.“ Harroh blickte mich erstaunt an, schluckte wiederum hörbar.

„Minna ist weit fort, jedoch du bist hierselbst in dieser Hütte… bei mir. Du zauderst, das kann ich deutlich erkennen. Ich spüre, dass irgendetwas zwischen uns geschehen ist. Auch du kannst es keinesfalls mehr leugnen.“

„Harroh du wirst… wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Ich meine…, wenn du mich irgendwann brauchst, werde… werde ich für dich da sein. Dennoch kann ich Samuel einfach… einfach in keinster Weise vergessen, selbst wenn er sich für sie entschieden hat. Ich kann keinesfalls… dennoch schätze ich dich mehr, als ich jemals gedacht habe… Dies verwirrt mich zutiefst.“

Eine einzelne Träne lief mir augenblicklich über die Wange. Beschämt wollte ich mich von ihm abwenden, jedoch dies ließ er keinesfalls geschehen. Plötzlich umschlang Harroh mit seinen starken Armen meine Taille und zog mich zu sich.

„Oh, Lucia“, hauchte er in mein Ohr. Diese zwei Worte lösten in mir ein so intensives Kribbeln aus, worauf sich meine Nackenhaare aufstellten. Für einen Moment fühlte ich mich bei Harroh so geborgen, dass ich jegliche Bedenken vergaß. Äußerst behutsam erwiderte ich seine Umarmung, strich vorsichtig über seinen Rücken. Diesen Anflug von Zärtlichkeiten, hatte ich seit einer Ewigkeit keinesfalls mehr verspürt.

Ich atmete tief ein, gleichzeitig nahm ich wiederum seinen berauschenden Duft wahr. Der nach Wald, Luft sowie unserer Begierde roch. Seine wundervolle wärmende Nähe verzauberte mich zunehmend. Seine immerwährende Besorgnis um mich, seinen erregten Atem, all dies nahm ich in mir gänzlich auf.

Ich spürte, wie Harroh langsam kleine Kreise auf meinen Rücken malte. Dieses Gefühl war überaus berauschend. Genüsslich schloss ich die Augen und gab mich diesem Gefühl gänzlich hin. Für einen kurzen Moment verlor ich die Kontrolle. Das Kribbeln breitete sich in meinem Körper weiter aus. Ich wollte diese Berührung, die einzig und allein uns beiden gehörte. Wo wir wahrlich keinem in irgendeiner Form Rechenschaft ablegen musste. Wo wir beide gänzlich und ausschließlich alleine zählten.

Schwer seufzte ich, sodann löste ich mich langsam von ihm. Allerdings hielt er mich an meiner Hand fest. Wir blickten uns so tief sowie innig in die Augen, dass es mir beinahe die Luft zum Atmen nahm.

In seinen Augen konnte ich seine Sehnsucht und er die meine erblicken. Ganz sanft strich Harroh mir die Tränen fort, worauf ich ihn willenlos anschaute. Seine warmen Finger glitten über meine zitternden Lippen.

„Ich… es darf mitnichten geschehen. Du… du gehörst zu Minna. Ich kann dies keinesfalls tuen… Verzeiht mir… Harroh. Ich kann Samuel keinesfalls vergessen.“ Harroh schaute mich eindringlich an.

„Vergiss Samuel, er ist es keinesfalls wert, dass du ihm diesbezüglich nachtrauerst. Ich werde mich allerdings mitnichten zwischen Euch stellen. Ich… ich werde dich immerfort hierselbst…“, er zeigte auf sein Herz. „Hier in meinem Herzen tragen, darin sind wir beide immerfort frei.“

Wie durch Zauberhand strich ich langsam über sein herbes, wundervolles Gesicht, sodass meine Finger zu zittern begannen. Er schloss seine Augen, schluckte, sein Atem wurde schneller und meine Gefühle wurden immerfort verwirrender. Wieso dachte er so über mich? Warum fühlte er sich mir so nahe, wie ich ihm plötzlich? Was taten wir hierselbst? Dies war äußerst verwirrend sowie falsch.

Harroh öffnete langsam seine Augen, zugleich blickte er mich mit einem sehnsüchtigen Blick an, in dem ich augenblicklich versank. Behutsam zog er mich näher zu sich, ich blickte ihm weiterhin in sein vertrautes Gesicht. Äußerst vorsichtig strichen seine Finger über mein erhitze Wange, dies berauschte mich aufs Neue. Sein Kopf senkte sich, sodann küssten seine Lippen mich zärtlich. Langsam aber stetig schmolz ich dahin. Völlig unfähig mich gänzlich zu bewegen.

Für einen kurzen Augenblick vergaß ich alles um mich herum. Es war ein so wunderschönes Gefühl der Sehnsucht, die meinen Körper in jeder einzelnen Zelle erfasste. Meine Hand glitt wie von selbst zu seinen Haaren, die ich zwischen meine Finger nahm und leicht daran zog. Augenblicklich entwich ihm ein erleichternder Seufzer, worauf Harroh mich noch fester nahm.

Er hatte mich wahrlich in seinen Bann gezogen, dem ich keinesfalls mehr entrinnen konnte. Eine aufkommende Hitze machte mich jetzig willenlos. Ich sehnte mich nach seinen Berührungen, nach seiner unbeschreiblichen Nähe sowie Zuneigung.

„Ich will dich, Lucia“, hauchte er in mein Ohr. Jedoch bevor ich irgendetwas erwidern konnte, legten sich seine Lippen auf die meinen. Plötzlich wurde sein Kuss fordernd, forscher sowie ungestüm. Harroh hielt mich fest, zog mich an seine starke Brust, gleichzeitig presste er seine Lippen fest auf die meinen.

Seine Hand glitt fordernd über mein Gewand, berührte meinen weiblichen Brustansatz. Ich wollte ihn zurückhalten, jedoch hielt er mich mit seiner Hand fest. Ich stöhnte laut auf, worauf er fester seine Hand auf meine Brust presste.

Urplötzlich waren seine Lippen dortig, wo er mich soeben berührt hatte. Seine Lippen auf meiner Haut enthemmten mich zunehmend. Seine Berührungen wurden auf einmal unbeherrschter, besitzergreifend. Wieso war ich so hilflos? Warum berauschte er mich so sehr? Weshalb wollte ich seine fordernden Berührungen? Wieso wollte ich Harroh so sehr ohne jeglichen Vorbehalt?

Ohne, dass es mir gänzlich bewusstwurde, glitt Harrohs Hand unter mein Gewand. Langsam schob er es nach oben, gleichzeitig glitt Harroh über meine Beine. Angst machte sich in mir breit, allerdings konnte ich mich keineswegs von ihm lösen. Diese Berührung an meinen Oberschenkeln schaltete meinen Verstand völlig aus.

Ein leises Geräusch drang zu meinem Ohr, alsdann wir lautstark die Stimme des Mönchs vernahmen. Augenblicklich ließ Harroh von mir ab, sodass mein Gewand wiederum hinabfiel. Kopflos versuchte ich, irgendwie mein Gewand zu richten. In diesem Moment stand Bruder Matthias mit Veland bereits im Stall. Gottlob hatten sie keinesfalls irgendetwas bemerkt.

„So ein Ärgernis, dass ihr mitnichten etwas trinken konntet, dieweil ich alles verschüttet hatte. Was bin ich gleichwohl für ein dümmlicher Tollpatsch.“ Äußerst dankbar blickte ich den Mönch an. Er hatte mich, ohne sein Wissen vor Schlimmeren bewahrt. Jedoch war dies wahrlich mein eigenes Verschulden. Wie konnte ich so kopflos sein, dieweil ich mich lediglich nach ein wenig menschlicher Nähe sehnte?

4. Das Versprechen

Allmählich war ich wiederum wie früher und dies war auch gut so. Meine Sehkraft war gänzlich vorhanden, ferner konnte ich noch so leise Geräusche wahrnehmen. Selbst das Sprechen viel mir von Tag zu Tag leichter. Dieses freute mich allerdings am meisten.

Harroh sowie Veland unterwiesen mich mittlerweile im Kampf mit dem Messer, der Steinschleuder sowie dem Umgang mit Pfeil und Bogen. Mit dem Bogen hatte ich vorher bereits keinerlei Schwierigkeiten, sodass ich mittlerweile genauso treffsicher war wie Harroh. Was mich sichtlich begeisterte sowie Harroh merklich erfreute.

Über unsere flüchtige Liebelei sprach keiner von uns ein Wort. Harroh verhielt sich ohnedem wie immer, alsdann wäre keinesfalls im Entferntesten etwas geschehen. Worüber ich wahrhaftig äußerst dankbar war. Nicht auszudecken was geschehen wäre, wenn Bruder Matthias keinesfalls zu uns gekommen wäre. Nach einer Weile sah ich dem Ganzen, eher wie einer Träumerei gegenüber.

Eigentlich hatte ich beinahe die Gefahr von Gundsrad gänzlich vergessen, sodass ich selbig mich gelassen ausruhen konnte. Ich hatte wahrlich das Gefühl, dass wir endlich ein wenig von der wohlverdienten Ruhe bekamen. Allerdings, wie so oft im Leben, sollte dies eine trügerische Ruhe sein. Die Ruhe vor dem besagten Sturm!

***

Samuel blieb weiterhin auf Abstand. Offenbar hatte er sich mit dieser Hexe Regulah zusammengetan. Dies ließ mich zunehmend in eine Melancholie verfallen. Ich hatte Samuel lediglich ein einziges Mal bei Harroh wahrgenommen, dennoch sprach Samuel keineswegs mit mir. Obwohl er gewissermaßen von Harroh unterrichtet wurde, dass sich mein Zustand gebessert hatte. Dass ich sogar beim Sprechen, Hören sowie Gehen große Fortschritte machte. Allerdings kam Samuel keinesfalls zu mir. Ohnehin sollte er zu mir kommen, auf keinen Fall die Adlige zum Krieger. Ich hatte mitnichten etwas Unrechtes getan!

Samuel hatte diese Hexe geküsst… in der Zeit, wo ich unpässlich war! … Ich war mitnichten bereit zu ihm… Moment. Hatte ich keinesfalls diesbezüglich dasselbe getan?

Wahrhaftig hatte auch ich jemanden anderen geküsst. Ich hatte Harroh geküsst, selbst wenn er mitnichten die Zärtlichkeit sowie die Vorsicht besaß, wie einst Samuel. Wahrscheinlich war Harroh davon ausgegangen, dass ich ohnedies die gänzliche Erfahrung besaß, allein durch Samuel.

Ich wollte Harroh gewiss keinesfalls eines Besseren belehren. Eigentlich wollte ich meinen Frevel schnellstens vergessen. Dank Bruder Matthias, war ich beinahe unversehrt. Allerdings äußerst verwirrt. Wie konnte ich so den Kopf verlieren? Weshalb hatte ich mich so willenlos ihm hingeben? Vergaß man gänzlich seine Hemmungen, wenn man diesbezüglich erfahrener war?

Ich hatte weder die Ahnung, noch konnte ich dies bei irgendjemand erfragen. Ich war bei weitem in keinster Weiser diesbezüglich bereit, bereit für mehr. Außerdem hatte Harroh Minna, sein eheliches Weib!

Harroh war ein Freund, ein Gefährte. Demgegenüber war Samuel meine erste große Liebe. Vielleicht blieb Samuel fortwährend bei der Hexe, da sie wie ich hörte verletzt war? Selbst ich würde mich um Harroh sorgen, ferner mich fürsorglich um ihn kümmern. Jedoch musste wahrhaftig auch diese Hexe inzwischen ebenfalls genesen sein, was mich wiederum tief bekümmerte.

Unglücklicherweise sah es dementsprechend so aus, dass Samuel an mir gänzlich sein Interesse verloren hatte. Er ging schlechterdings mir aus dem Weg. Zudem ließ sich die Hexe wahrlich keinesfalls hierselbst blicken.

Samuel sowie die Hexe hatten ihr Lager bei den Verbündeten aufgeschlagen. Ebendortselbst wollte ich mich keinesfalls hinbegeben. Die Verbündeten blickten mich weiterhin, womöglich noch finsterer an. Wenn sie mich sahen, nannten sie mich Ausgeburt des Höllenschlunds oder die Ausgeburt der Hölle. Was beides keinesfalls schmeichelhaft für mich war.

Wahrhaftig hatte ich Bedenken, dass sie mir eines Tages ein Messer in die Seite stießen, um daraufhin mein Blut zu trinken, damit sie gegen das Böse gefeit wären. Warum war Samuel ebendort?

Möglicherweise liebte er die Hexe augenblicklich mehr, wie mich einst? Jedenfalls war es ihm gänzlich gleichgültig, ob er mich zutiefst im Inneren verletzt hatte.

Allerdings machte ich mir immerzu Gedanken um ihn, selbst wenn Samuel kein einziges Wort mit mir sprach. Tief in meiner Seele brannte dieses Feuer, wie ein Nichts von ihm behandelt zu werden. Vor geraumer Zeit wäre dies wahrhaftig unmöglich gewesen, dass er so gleichgültig mir gegenüber war. Was war wahrhaftig mit ihm geschehen?

Samuel hatte sich verändert, ich hatte mich verändert. Ich war keinesfalls mehr die gänzlich naive, kleine Lucia. In mancherlei Dingen ohne Frage, was die körperliche Nähe betraf, war dies weiterhin vorhanden. Im Gegensatz dazu gab es diesbezüglich andere, denen ich mitnichten gänzlich gleichgültig war.

Man nehme allein Bruder Matthias. Der Mönch hatte sich vom ersten Augenblick, wo er mich erblickte, um mich gekümmert. Er war zudem, selbst wenn ich ihm dies niemals mitteilen würde, ein wahrer Freund sowie der Einzige, dem ich von Anfang an vertraute. Er tröstete mich und sprach mir ständig Mut zu. Gleichzeitig war er immerfort bei mir, wenn ich zu unüberlegt handelte oder es brenzlig wurde. Wie ein wahrer Schutzengel eben!

Da war Veland, der keineswegs lediglich Kraft, sondern gewissermaßen desgleichen eine Seelenruhe auf mich ausstrahlte. In seiner Nähe fühlte ich mich gänzlich wohl sowie äußerst behütet.

Natürlich Harroh unser Anführer. Dieser wollte mich am Anfang keinesfalls in seinem Lager aufnehmen. Was sich nunmehr grundlegend geändert hatte. Jetzig erschien ich ihm äußerst wichtig zu sein sowie sein Weib Minna. Sie war die einzige Frau im damaligen ersten Lager und äußerst liebenswürdig.

Außerdem gab es da noch Tiw. Ein Jüngling, gleichzeitig war er Velands Mündel. Allerdings so draufgängerisch, zudem manchmal so lustig, dass man ihm niemals lange böse sein konnte. Irgendwie schweiften meine Gedanken wahrlich ein wenig ab.

Vielleicht wollte ich in diesem Moment lediglich an all die guten Menschen denken? Diese mir gänzlich vor Augen halten, damit sie sich in meinen Kopf einbrannten. Somit konnte ich eventuell den Schmerz um Samuel ein wenig vergessen.

Nun gut, jetzig wart ich auf den Weg etwas zu erledigen. Bruder Matthias hatte mich unweigerlich um einen Gefallen, einen sogenannten wahren Freundschaftsdienst gebeten. Diesen konnte ich natürlich keinesfalls ausschlagen. Jedoch verspürte ich davor eine außerordentliche Angst, je näher ich diesem kam.

Der Mönch hatte mich nämlich gebeten, zu Samuel sowie zu den Verbündeten zu gehen. Ich sollte ihnen mitteilen, dass wir im Morgengrauen das Lager aufgaben. Zuerst mussten wir zu Justus. Gundsrads Männer hatten das Dorf von seinem Neffen Finley überfallen. Einige der Verbündeten waren ebendort geblieben, zu der Zeit als Unterstützung.

Danach wollten wir mitten durch unwegsames Gebiet, zu Tiw sowie Minna. Dass sich dortig ebenfalls Ludger aufhielt, verdrängte ich sofortig. Ludger würde mich keinesfalls noch einmal anfassen, dafür würde ich selbst sorgen. Was mich allerdings wiederum für Bruder Matthias sowie Veland freute. Sie vermissten Minna sowie Tiw genauso wie Harroh dies ebenfalls tat. Wohlan, ich war wahrhaftig angekommen! Ihr Lagerplatz!

Ihr Lager war keinesfalls weit von unserem entfernt, dennoch kam mir dieser Weg meilenweit vor. Ein beklemmendes Gefühl erfüllte mein Inneres. Nach einer Ewigkeit würde ich Samuel wiedersehen, darüber hinaus gewissermaßen desgleichen sie. Die Hexe Regulah!

Ich atmete tief durch und begab mich zügig zur Feuerstelle. Dortig konnte ich Samuel sowie die Hexe erblicken. Sie hatte mir ihren Rücken zugewandt. Alsdann das männerverschlingende Weib mich erkannte, blieb sie regungslos am Feuer stehen. Dies entging Samuel keineswegs.

Da er diesbezüglich ihre Reaktion bemerkte, blickte er sofortig in meine Richtung. Irgendetwas sprach die Hexe zu ihm. Samuel erhob sich, sogleich kam er mit zügigen Schritten auf mich zu.

Beklommen blickte ich ihn an, jede einzelne Körperzelle war von mir angespannt. Er hingegen wirkte wie immer, nichtsdestotrotz in seinen Augen war jeglicher Glanz gänzlich verschwunden. Dies war alleinig ihr Werk! Das Werk dieser Hexe!

Ohne irgendeine Regung zu zeigen, blickte ich Samuel an. Ich versuchte, keinesfalls in seine Augen zu schauen, dieweil dies meine größte Schwachstelle war. Zugleich wollte ich dieser Hexe keinesfalls die Genugtuung geben, mich gänzlich gehen zu lassen. Ihr obendrein diesbezüglich noch meine Schwäche zu zeigen.

„Bruder Matthias schickt mich. Er möchte, dass ich euch mitteile, dass wir im Morgengrauen zu Justus aufbrechen. Ihr sollt euch diesbezüglich bereithalten. Ah… könntet ihr dieses bitte ebenfalls den Verbündeten mitteilen?“ Sofortig verstummte ich.

Dies war trotz alledem keinesfalls so schwer, wie ich dieses erwartet hatte. Ich war sichtlich stolz auf mich. Selbstsicher blickte ich Samuel an. Nun gut, er wollte mit mir wahrhaftig in keinster Weise reden, das konnte ich ebenfalls.

„Nun gut, ich habe es euch mitgeteilt, ich werde jetzig wiederum zu dem Mönch zurückkehren.“ Was sollte dies? Musste ich um Erlaubnis fragen? Mitnichten!

Erbost über meine letzten Worte drehte ich mich um, sodann atmete ich erleichtert aus. So schnell wie irgend möglich wollte ich diesen Ort verlassen. Lediglich viel Abstand bringen, zwischen Samuel sowie mir.

„Warte!“, rief mir Samuel nach. Da ich mit dem Rücken zu ihm stand, konnte ich in keinster Weise seinen Gesichtsausdruck wahrnehmen.

„Bitte wartet Lucia! Können wir einen Moment miteinander sprechen?“ Ich erschrak innerlich. Zögerte, mich zu ihm umzudrehen, jedoch spürte ich seinen flehenden Blick in meinem Rücken. Ich schloss die Augen, gleichzeitig versuchte ich, mich gänzlich zu beruhigen.

Nachdem ich tief ein und ausgeatmet hatte, antwortete ich ihm ein wenig aufgebracht: „Oh, wie überaus freundlich von dir, du kennst sogar noch meinen Namen. Ich wüsste keinerlei Grund, was wir noch miteinander zu besprechen haben. Du hast dich für sie entschieden und keinesfalls für mich.“

In diesem Moment drehe ich mich wütend zu Samuel um. Darüber hinaus machte ich den fatalen Fehler ihm in die Augen zu blicken. Er schaute mich mit flehenden Augen an, ruhelos trat er auf der Stelle Hin und Her. Oh nein, was war mit ihm geschehen? So niedergeschlagen hatte ich ihn gewissermaßen niemals erblickt. Wut stieg in mir gänzlich auf. Dies war das Werk von dieser elenden Hexe!

Schwer seufzte ich und dachte: Wenn ich ihn trotz allem lediglich einmal, ein einziges Mal noch berühren könnte!

Er war wie eine Blume ohne Sonnenschein. Anderseits hatte er diesen Weg selber gewählt. Was sollte dies sodann bewirken? Wiederum schloss ich die Augen, atmete tief aus und versuchte, meine Zerrissenheit zu bändigen.

Plötzlich kam es über mich, mit wütendem Blick schaute ich ihn an. Ich richtete mich auf und sagte ungehalten: „Wohlan? Was möchtet Ihr mit mir besprechen?“

Langsam kam Samuel auf mich zu, seine schwarzen, undurchdringlichen Augen schauten mich erneut flehend an. Ich schluckte schwer, abermals richtete ich den Blick unmittelbar auf den hiesigen Boden.

„Könnten wir uns ein wenig von der Feuerstelle entfernen? Ich möchte gerne mit euch alleine etwas besprechen. Ohne, dass irgendjemand dies vernehmen kann.“ Verdrießlich richtete ich, bei seinen Worten den Blick auf sie. Die wahre Feindin zwischen uns.

„Ihr meinet wohl, ohne dass dies jemand belauschen kann? Gewiss dies sähe der Hexe wahrlich ähnlich“, fuhr ich ihn gereizt an, ein weiteres Mal blickte ich zu dem Weib. Die falsche Schlange ergötzte sich an der Wärme des Feuers, allerdings blickte sie in keinster Weise in unsere Richtung.

Sie war sich gänzlich ihrer Macht sicher. Dieses machte mich wahrhaftig noch wütender. Ich war so aufgebracht, dass ich ihr am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, da besann ich mich wiederum. Er, Samuel liebte dieses Weibsstück. Wie konnte ich ihm dies zerstören?

Diesbezüglich musste ich endlich loslassen. Wenn ich ehrlich zu mir war, hatte ich dies bereits getan. Samuel riss mich aus meinen trüben Gedankengängen.

„Sie ist bei Weitem keinesfalls so, wie du derzeit über sie denkst. Vielleicht sollten wir es dabei belassen? Ich spüre deine Wut sowie deine Verletzbarkeit. Bitte schenkt mir lediglich einen kurzen Augenblick, sodann werde ich dich in keinster Weise mehr belästigen.“ Äußerte sich Samuel ein wenig betrübt und schluckte hörbar.

„Ich werde euch diesen Augenblick gewähren“, erwiderte ich mürrisch und blickte ihn ein wenig zermürbt an. Er nickte zustimmend, nahm leicht meinen Ellbogen, gleichzeitig zog er mich in Richtung der Bäume. Was wollte er mir gänzlich mitteilen?

***

Wir erreichten eine Baumgruppe mit einer üppigen Vegetation. Dortig hatten wir das Lager keinesfalls mehr im Blick. Unvorhersehbar drehte sich Samuel zu mir um und packte mich. Schlagartig entriss ich mich von ihm, zugleich blickte er mich äußerst überrascht an. Wütend funkelte ich ihn an, gleichzeitig schnappte ich ungehalten nach Luft.

„Was denkt Ihr Euch eigentlich?! Zuerst behandelt Ihr mich, seitdem wir dieses Lager betreten haben, wie Luft und nun dieses hier! … Wenn Ihr wahrhaftig glaubt, dass ich Euch nach Lust und Laune zur Verfügung stehe, sodann… sodann erliegt Ihr einem gewaltigen Irrtum! Ich bin mitnichten Euer Eigentum… merkt Euch dies! Ihr habt Euch gleichwohl für diese… diese Hexe entschieden oder war dies keinesfalls so?“

Wütend blickte ich Samuel an, schäumte jetzig vor Wut, gleichwohl lief ich wie eine Furie Hin und Her. Überrascht von meiner Reaktion schaute er mich an, lehnte sich mit verschränkten Armen an einen nahestehenden Baum und wartete. Samuel wartete solange, bis ich ein wenig zur Ruhe gekommen war. Leicht amüsiert blickte er mir gänzlich nach. Gereizt starrte ich ihn an und blieb abrupt wütend stehen.

„Was ist so belustigend?! Wieso seht Ihr mich so an?! Sehe ich so seltsam für Euch aus?!“, fauchte ich ihn wiederum wütend an. Er schluckte hörbar, atmete tief ein sowie aus, sodann blickte er mich überaus traurig an.

„Mitnichten! Ich bin ihr verpflichtet, jedoch mein Herz gehört ungeachtet immerfort alleinig dir. Für alle Zeit wohlgemerkt.“ Was meinte er damit? Wollte er möglicherweise mein Mitleid? Er hatte sich für diese Hexe entschieden oder unterlag ich wahrlich einem Irrtum?

„Dies verstehe ich in keinster Weise. Ihr seid doch diesbezüglich bei ihr und keineswegs bei mir, oder obliege ich einem Irrtum?“ Verdrießlich schaute ich zu Samuel, der mich abermals zerknirscht anschaute. Schwer seufzte er und strich sich durch sein dunkles Haar.

„Ich habe Regulah geschworen bei ihr zubleiben, wenn…, wenn sie dich rettet. Ich… ich konnte trotz alledem keinesfalls zusehen, wie du dortig festgebunden an diesem Baum stirbst. Ich liebe dich. Hörst du? Ich konnte dich auf gar keinen Fall sterben lassen.“ Samuel löste sich langsam von dem Baum, ferner kam er vorsichtig auf mich zu.

„Ich werde dich immerfort lieben, selbst wenn wir voneinander getrennt sind. Ich habe dies Regulah geschworen. In keinster Weise kann ich dies mehr rückgängig machen. Du weißt mitnichten, zu was sie gänzlich fähig ist.“

Samuel schaute mich mit in seinen dunklen Augen an, erblickte ich da so etwas wie Tränen in seinen Augen? Ich schluckte. Wer hätte gedacht, dass er, der stolze Krieger so emotional reagieren würde? Fassungslos starrte ich ihn, meinen Krieger, an. Die Tränen liefen mir jetzig über das Gesicht.

„Ich dachte fälschlicherweise du…“, ich bekam keinen einzigen Ton mehr aus meinem Mund. Ich hatte wahrhaftig angenommen, er liebt mich keinesfalls mehr und jetzig dies. Vorsichtig trat ich zu ihm, nahm seine Hand und legte diese in die meine. Samuel blickte mich voller Sehnsucht an, zugleich zog er behutsam meine Hand an seinen Körper.

„Bitte weine nicht meine holde Maid.“ Samuel drückte mich weitaus fest in seinen Arm, vergrub sein Gesicht in meine Haare und atmete schwer.

„Lucia. Ich musste es tun, du wärst wahrlich gestorben. Ich weiß, dies willst du zu dieser Zeit keinesfalls hören, jedoch musste sie ebenfalls für ihre Magie bezahlen.“

Bei seinen Worten wurde mir das Herz auf einmal schwer. Kleinlaut sagte ich daraufhin: „Du hättest mich dortig sterben lassen sollen. Was hat dieses Leben für einen Sinn, ohne dich an meiner Seite? Keinen. Ich für meinen Teil kann jedenfalls nichts Sinnvolles darin erkennen. Du bist meine wahre einzige Liebe, ohne dich bin ich gänzlich verloren. Fortan bist du… du bei ihr, für immer… immerfort mit… mit dieser Hexe zusammen.“

Ohne nachzudenken, drückte ich mich so fest an ihn, wie ich dies vermochte. Ich spürte seine Wärme, die durch mein Gewand drang und ließ meinen Kummer gänzlich fließen. Ich wollte seine Nähe, ich brauchte sie so sehr.

Ja, ich brauchte ihn. Konnte er dies in keinster Weise begreifen? Sowie die Sonne das Licht, wie der Tag die Nacht, wie der Regen den Sonnenschein. Wie sollte ich mit diesem Wissen, dass ich ihn gänzlich verloren hatte, weiterleben?

Seine tiefe Stimme ließ mich wiederum in die Gegenwart zurückkommen. „Vielleicht kann ich Regulah davon überzeugen, mich irgendwann freizugeben. Sie allein kann mich von diesem Schwur befreien, lediglich sie hat diese Macht.“ Jetzig streichelte Samuel vorsichtig meinen Rücken und ich erschauerte vor Sehnsucht nach seinen Berührungen.

„Was hast du ihr versprochen? Sag es mir, damit ich es gänzlich verstehen kann… bitte?“ Ich drückte mich nochmals fester an seine männliche Brust und wartete. Wartete auf die vernichtenden Worte seinerseits. Er hielt in seiner Bewegung inne und räusperte sich. Ich konnte seine Unruhe spüren, fragte allerdings keinesfalls weiter nach.

„Dein Leben gegen meins. Regulah wollte mich immerfort für sich. Sie will ihre Begierde gestillt haben. Dies war der Preis…“ Ich spürte da war noch mehr, jedoch ich schwieg.

„Jedoch dafür lebst du Lucia, dies war wahrhaftig den Preis wert.“ Ich schluchzte laut auf. Samuel war für immer und ewig verloren. An eine männerverführende Hexe gebunden. Sie würde ihn niemals aus ihrem Leben gehenlassen.

Mein Körper, begann bei diesem Gedanken an zu zittern. Sie sollte ihn besitzen und keinesfalls ich ihn. Mitnichten konnte ich meinen innerlichen Kummer zurückhalten, zu sehr war ich von seinen Worten erschüttert.

Samuel sprach keinerlei Wort. Er hielt mich lediglich fest, gleichzeitig streichelte er weiterhin über meinen Rücken. Irgendwann atmete ich aus, genug Tränen hatte ich um seinetwillen vergossen. Meine Tränen versiegten und ich beruhigte mich wiederum.

„Samuel, du verabscheust gänzlich gebunden zu sein. Du bist ein Krieger und kein Lakai. Du hast dich für mich in lebenslange Knechtschaft begeben. Ich kann es gänzlich keinesfalls glauben, dass du dies für mich getan hast.“

Schwer atmete ich tief ein und aus, gleichzeitig versuchte, ich mich innerlich zu beruhigen. Sodann fuhr ich fort: „Im Augenblick findest du dies in jeder Hinsicht vernünftig, jedoch mit der Zeit, wirst du mich dafür hassen sowie dich selbst. Es wird dich innerlich verzehren und dich irgendwann zugrunde richten. - Sie wird dich niemals freigeben. Ansonsten hätte sie dieses Sinnlose, ad absurdum, von dir niemals verlangt.“

Abermals versuchte ich, meine Wut auf die Hexe zu bändigen. Irgendwann sprach ich leise weiter: „Samuel ich liebe dich so sehr. Es bricht mir das Herz, dich so leiden zusehen.“ Augenblicklich umschlang ich meine Arme um ihn. Ich wollte unter keinen Umständen, dass er mich verließ. Warum hatte er mich keinesfalls dortig auf der Lichtung sterben lassen? Samuel hatte dieses Martyrium in keinster Weise verdient.

„Lucia! Ich weiß du liebst mich, allerdings dein Leben ist wahrhaftig zu kostbar. Du hast etwas Besseres verdient, alsdann dieses Leben in den Wäldern. Ich musste mich so entscheiden. Es schmerzt mich aufs Äußerste, dich so gänzlich leiden zu sehen. Nichtsdestotrotz habe ich etwas für dich.“ Langsam löste ich mich von ihm und blickte in sein betörendes, wunderbares, vollkommendes Gesicht.

„Lucia, ich möchte das du dir erstmalig anhörst, was ich dir diesbezüglich zu sagen haben. Selbst wenn du dies in erster Hinsicht keinesfalls verstehen wirst. Es ich äußerst wichtig für dich sowie für mich selbst.“

Sein Blick sah mich flehend an, worauf ich lediglich nicken konnte. Wie sollte ich ihm jetzig noch irgendetwas abschlagen? Er nahm meine Hand, blickte mich weiterhin mit seinen dunklen Augen an, sodass ich augenblicklich ruhiger wurde.

„Hör mir zu, dies ist von äußerster Wichtigkeit. Regulah wird dir später einen grünen Stein, einen Kristall anlegen.“ Ich wollte etwas daraufhin erwidern, jedoch Samuel legte mir einen Finger auf die Lippen, so schwieg ich.

„Dieser Stein, dieser Kristall ist in Wahrheit ein Geschenk von mir, an dich. Es war und ist immerfort mein Talisman gewesen, allerdings erahnt sie dies in keinster Weise. Bruder Matt hat ihr mitgeteilt, dass er diesen Kristall von einer Seherin erworben hat. - Regulah wird später über diesen Stein magische Formeln aussprechen, damit das Böse von dir fernbleibt. Dies war meine Bedingung an sie, derweil ich dich keinesfalls mehr gänzlich beschützen kann. Regulah wird ihn dir später anlegen.“

Samuel zog mich an sich und sprach leise weiter: „Du darfst ihr unter keinen Umständen mitteilen, dass dieser Stein in Wirklichkeit von mir ist. Ihre Wut sowie ihre Vergeltung, für uns beide, würde unbeschreiblich werden. - Der Talisman soll dich beschützen, es… Ich… ich möchte wenigstens, dass ein kleiner Teil von mir bei dir bleibt, auch wenn es mir gänzlich untersagt ist. Vielleicht in naher Zukunft? Ich… ich liebe dich so sehr, Lucia. Ich würde alles für dich Erdenkliche tuen, alles.“

Schwermütig schluckte er, zugleich zogen seine Arme mich fester an sich. Ganz langsam zog ich mich an ihm hoch und meine bebenden Lippen berührten sanft die seinen. Samuel seufzte erleichtert, augenblicklich umfasste er mich noch stärker. So fest, alsdann würde sein Leben davon abhängen.

„Oh, Lucia. Wie konntest du wahrhaftig annehmen, ich wollte dich keinesfalls mehr? Ich würde mich allezeit für dein Wohlergehen entscheiden. Unerheblich, was dies mich wahrlich kosten würde, ich…“ Jedoch zu mehr kam er in keinster Weise mehr.

Ich drückte meine Lippen wiederum auf die seinen und diesmal erwiderte er meinen Kuss. Anfänglich sanft, sodann leidenschaftlicher, stürmischer sowie ungezügelter. Wir ließen uns treiben und unseren Gefühlen freien Lauf. Dies war das letzte Mal. Vielleicht für immer?

Ich wollte mitnichten an Später denken. Einzig und allein das Hier und Jetzt zählte, mehr wollte ich keineswegs. Wir glitten langsam auf den Boden. Äußerst behutsam berührten mich seine Hände, vorsichtig sowie zärtlich zugleich.

Mein Herz begann wie wild zu schlagen, worauf mein gesamter Körper von einer tiefen qualvollen Sehnsucht nach seinen Berührungen erfüllt wurde. Meine Haut begann an zu kribbeln, die Schmetterlinge in meinem Bauch fingen mit ihren überaus sinnlichen Freudentänzen an.

Samuels Finger strichen sanft von der Schläfe bis zu meinem Gesicht. Jetzig zu meinem Kinn hinunter zu meinem Hals. Meine Begierde, seine Finger an meinem Körper zu spüren, wurde immerfort heftiger. Ich liebte ihn so sehr.

Seine Küsse wurden unaufhörlich leidenschaftlicher, fordernder, gleichzeitig hemmungsloser. Seine Hände verkrallten sich in mein Haar. Abermals strich er über meinen Hals, den er sodann gänzlich mit Küssen liebkoste.

Behutsam glitten seine Finger zu dem Gewand, löste dortig langsam das Band zwischen meinem Brustansatz. Vorsichtig schob er es beiseite, sodass meine weiblichen Konturen zum Vorschein kamen. Liebevoll strichen seine Finger darüber, worauf Samuel seinen Kopf senkte und mir einen sehnsüchtigen Kuss auf die Brüste gab. Ein Seufzer entglitt mir. Er hielt inne, zudem blickte Samuel mich mit begierigem Blick an.

Im Gegensatz zu früher wollte ich seine Berührungen, ich wollte ihn, wenngleich es lediglich für diesen einen Moment war. Samuel trat ein Stück beiseite, gleichzeitig entblößte er seinen wundervollen, männlichen Oberkörper. Alsdann legte er sein Wams auf den Boden und zog mich zu sich.

Meine Finger glitten zitternd über seine bildschönen Oberkörper. Seine männliche Brust, mit den kleinen, dunklen Härchen berauschte mich immer mehr. Zaghaft liebkoste ich, mit den Lippen, seine Brust, worauf er deutlich hörbar die Luft durch die Nase einzog.

„Ich liebe dich so sehr, Lucia. Wie kannst du mir jemals dies verzeihen, ich.“

Meine Lippen ließen ihn verstummen, ich wollte keinesfalls dies hören. Ich wollte lediglich nur ihn. Seine Berührungen, seine Wärme, seinen Atem auf meiner erregten Haut spüren. Immer fordernder wurden meine Küsse. Ich zog begierig seinen berauschenden, herben Duft in mich ein und verlor mich gänzlich in seinen Liebkosungen sowie Zärtlichkeiten.

Bedachtsam zog seine Hand mein Gewand in die Höhe, sodass ich seine wärmenden Hände auf meiner Haut spürte. Alsdann seine Finger meine Schenkel streichelten, erschrak ich und hielt den Atem an.

„Keinesfalls werde ich dir deine Unschuld nehmen, allerdings möchte ich dich gleichwohl dortig berühren. Ich werde äußerst vorsichtig sein. Wahrlich ich gebe dir mein Ehrenwort.“

Ich nickte, sogleich schloss ich meine Augen. Seine Hände berührten mich, gleich dort wo mich noch keinesfalls ein Mann berührt hatte. Ich verging unter seinen liebkosenden Händen, vergaß für einige Zeit meine Angst und meinen innerlichen Kummer.

Langsam veränderte sich die Farbe des Himmels. Seine rötliche Färbung erinnerte mich an die Gegenwart, gleichzeitig wusste ich es wurde Zeit. Samuel musste zurück zu der Hexe Regulah, gleichwohl musste ich ohne ihn gänzlich zurechtkommen. Ein letztes Mal strich ich über seine entblößte Brust und nahm seinen herben Duft in mir auf. Wir richteten unsere Gewänder, sodann blickten wir uns überaus betrübt an.

Der Verlust über Samuels Nähe schmerzte mich zutiefst. Abrupt nahm er mich fest in den Arm, zudem vergrub er sein Gesicht in meinen Haaren. Ich atmete gequält aus und sagte leise: „Gibt mir bitte dein Messer, dass du immerfort am Fußgelenk trägst.“

Erschrocken ließ er mich los und schaute mich bestürzt an. „Was willst du damit Lucia?“ Ich lächelte ihn beruhigend an. „Ich werde dir eine Haarsträhne von mir geben, damit du mich unter keinen Umständen vergisst. Mehr kann ich dir keinesfalls von mir überlassen. Außerdem Versprechen, dass ich auf dich warten werde.“

Mein Herz wurde schwer, jedoch fuhr ich fort: „Ich finde einen Weg, dich aus deinem Schwur der Hexe zu befreien. Dies schwöre ich dir. Ich werde niemals aufgeben, bis du wiederum frei bist, selbst wenn eine lange Zeit der Jahre verrinnt. - Dies wird mein Ziel sein, bis ich sie wahrlich besiegt habe. Dies schwöre ich dir am heutigen Tag. Das Schicksal wird uns wiederum zusammenfügen, wie einst dies unsere Bestimmung war.“

Mit seinem Messer schnitt ich unterhalb meines Kopfes eine Strähne für ihn ab. Langsam flocht ich sie zusammen, ferner gab ich einen innigen Kuss auf die Haarsträhne. Sodann reichte ich sie ihm. Gerührt nahm Samuel die Strähne an sich, worauf er den Duft tief einatmete. Behutsam steckte er sie unter sein Wams und verschloss diesen.

Mit verklärtem Blick schaute ich ihn an. „Ich liebe dich Samuel, so sehr.“

„Sowie ich dich liebe. Lillian alias Lucia Tochter von Lord Anthony von Dudley.“ Er strich mir sanft über das Gesicht und ich musste ein wenig lächeln. Samuel hatte mich noch nie… niemals bei meinem wahren Namen genannt.

„Meine Geliebte, meine Lucia. Ich muss dir wahrlich noch etwas mitteilen. Ich werde dich im Inneren immerfort lieben, vergisst dies in keinster Weise. Allerdings wenn ich bei Regulah mich befinde, werde ich dich eher kühl sowie forsch behandeln. Sie soll sich gänzlich in Sicherheit wiegen. Es wird irgendwann der Tag kommen, da sich dieses ändert wird. - Ich glaube fest daran, dass du mein Schicksal bist, du und keineswegs sie. Regulah.“

Samuel zog mich an sich und ich schlang die Arme um ihn. „Es wird für dich viel schwerer sein, alsdann für mich. Du wirst gewiss dem Zweifel verfallen, dennoch glaub mir, ich liebe dich inständig. - Der Einzige der uns wohlgesonnen und im Bilde ist, ward Bruder Matthias. Er kennt meine wahrhaftigen tiefen Gefühle für dich. Du kannst lediglich ihm vertrauen, ansonsten gänzlich niemandem. Vergisst dies in keinster Weise. Bruder Matthias bestärkt deine und meine Sicherheit.“

Ich spürte, wie er sich ein wenig anspannte. Sodann sprach er weiter: „Wenn Regulah die wahren Gefühle von uns erfahren würde, hätte sie Mittel und Wege dies zu ihren Gunsten zu verändern. Glaubt mir, sie würde ihre Magie gegen uns einsetzen. Ohne jegliches Gewissen.“ Samuel ließ mich los und starrte in Richtung Feuerstelle.

„Wir müssen gehen, ansonsten wird sie gewiss misstrauisch. Außerdem bedenke, dass du fortan wütend auf mich bist. - Der Stein ist das Wichtigste. Er gibt dir Schutz und meine innere Liebe. Vergiss dies niemals Lucia, niemals.“

Samuel sah mich jetzig verloren an, worauf ich mich noch einmal fest an ihn drückte. Er küsste mich sanft auf die Haare und zog hörbar meinen Geruch in sich ein. Abrupt löste er die Umarmung, zugleich drehte er sich zum Lager.

„Kommt! Lasst uns ins Verderben gehen.“ Ich seufzte schwer, wenngleich ich ihm auch langsam folgte. Innerlich jedoch zerriss die Betrübnis meine Seele.

5. Stein der Hoffnung

Wir erreichten das Lager, wo sie, diese männerverschlingende Hexe bereits auf uns wartete. Inzwischen war die Dämmerung über die Lichtung gezogen und der Nebel breitete sich erbarmungslos über die Wiesen aus. Mich fröstelte es plötzlich. Ob es an der Kühle des Nebels lag oder an der Nähe der Hexe konnte ich keinesfalls sagen.

Auf eine absonderliche Weise waren diese Umstände mehr als ungewöhnlich. Da sollte ich tatsächlich meiner Erzfeindin überaus dankbar sein, dass sie mich gerettet hatte? Zugleich sollte ich hinnehmen, dass sie Samuel für sich allein beanspruchte?

Nein, dies war keineswegs absonderlich, dies war der reinste Irrsinn! Ein Wahn der Machtbefugnisse ihrerseits, dieser verfluchten Hexe. Jetzig musste ich obendrein, wenn ich Samuel keinesfalls gefährden wollte, liebenswürdig zu dieser falschen Schlange sein.

Bah! Was für eine Abscheulichkeit. Eine Beleidigung meiner inneren Werte. Dies würde mir wahrscheinlich äußerst schwerfallen, jedoch für Samuel könnte ich diese Art von Erniedrigung auf mich nehmen.

Wiederum seufzte ich schwer, als hätte ein Dolch mein Herz, in abertausende Stücke zerschlagen. Samuel hatte diesbezüglich recht, ich musste den Anschein waren und ihr gegenüber Dankbarkeit sowie Großmut zeigen.

Die Hexe stand weiterhin mit dem Gesicht zum Feuer gewandt, jedoch wie sie unsere Schritte vernahm, drehte sie sich abrupt um. Schlagartig blieb ich stehen, allerdings schritt Samuel an mir zielstrebig vorbei und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Dieser Kuss ließ mich innerlich gänzlich erstarren. Jedoch konnte ich meinen Blick keinesfalls von in ihrem Gesicht abwenden. Eine tiefe, rote Narbe zog sich über ihre gesamte linke Gesichtshälfte. Was ihrem Gesicht etwas Unheimliches gab. Sie lächelte mich zynisch an, wodurch ihr Mund sich zu einer Grimasse verzog.

„Bezaubernd, nicht wahr? Dies war der Preis für die Beschwörung. Die dunklen Mächte fordern immerfort ihren Tribut. Ich glaube, wir können alle von glücklicher Fügung sprechen, dass wir dieses lebend überstanden haben. Ist dies mitnichten so, meine Liebe?“

Sie blickte mich an, nein, sie durchbohrte mich mit ihren funkelnden, grünen Augen und wartete. Ich räusperte mich und nickte zustimmend. „Gewiss. Ich bin euch zu tiefstem Dank verpflichtet. Überdies hege ich keinerlei Groll gegen euch. - Äh… werdet glücklich mit… mit Samuel. Ich muss diesbezüglich meinen eigenen Weg gehen.“ Kurz schloss ich die Augen, damit ich meine innere Unruhe in mir selbst bewahrte. Unter keinen Umständen wollte ich ihr meine Zerrissenheit zeigen.

Ich öffnete wiederum die Augen und blickte sie entschlossen an. Diese falsche Schlange musterte mich eingehend und meinte schließlich: „Wohl wahr. Euer Weg wird wahrlich keinesfalls friedlich verlaufen, dies hat mir das Orakel selbig geweissagt. - Ich… beziehungsweise Samuel und ich haben diesbezüglich etwas für Euch.“

Regulah streckte Samuel die Hand entgegen. Unverzüglich ergriff er diese, gab ihr einen Handkuss und stellte sich neben sie. Ich schluckte schwer, versuchte allerdings mir nicht im Entferntesten etwas anmerken zulassen.

„Wir möchten, dass Ihr dies von uns annehmt. Es wird euch vor Gundsrads Hexe Lady Imna beschützen. Ihr dürft dieses allerdings unter keinen Umständen ablegen. Außerdem bin ich mir gänzlich sicher, dass der finstere Lord Gundsrad weiterhin irgendetwas von euch besitzt. Dieses habe ich auf der Lichtung gespürt, jedoch seine Macht über euren Geist ist weitaus begrenzter, alsdann vor der Beschwörung.“

Sie schaute zum Waldrand und fuhr fort: „Hütet euch vor Gundsrad, er will euch mit all seiner Macht besitzen. Unerheblich mit welchen Mitteln er dies Ziel erreicht und bedeutungslos wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt. Gundsrad hat seine Lakaien überall, er wird diesbezüglich niemals aufgeben. Bedenkt dies Lucia. Ihr werdet euch in naher Zukunft ihm stellen müssen. Allerdings ist dies augenblicklich keineswegs die rechte Zeit.“

Plötzlich blickte mich die Hexe mit ihren grünen Augen an. „Ihr werdet stärker, gerissener und sodann werdet Ihr ihn schlagen oder für immer vergehen. Dies hat mir das Orakel geweissagt. Deshalb nehmt bitte diesen Talisman. Er wird euch stärken und die schwarze Magie ein wenig abschwächen.“

Die weiße Hexe blickte mich allwissend, abwartend sowie abschätzend an. Samuel legte seine Hand um ihre Taille, gleichzeitig schaute er mich mit seinen flehenden Augen an. Ich seufzte, zugleich nickte ich bejahend.

„Ich danke euch… euch beiden.“ Schwer schluckte ich, ein weiteres Mal schloss ich für einen kurzen Moment die Augen, damit ich keineswegs in Tränen ausbrach.

Schließlich hatte ich mich weitgehend gefangen und fuhr fort: „Ich werde diesen Talisman mit Ehrfurcht tragen. Habt vielen Dank für dieses wertvolle Geschenk.“

Besonnen sowie äußerst gefasst schaute ich sie an. Regulah griff in einen naheliegenden Beutel und entnahm einen grünen Stein. Seine Konturen waren ungeschliffen, zackig, teilweise spitz, wie eine Pfeilspitze. Seine Farbe atemberaubend schön.

Grünlich mit braunen, unregelmäßigen Streifen versetzt, die wiederum ein eigenes Muster ergaben. Einfach bezaubernd, wie er, Samuel. Eingefasst in einer silbrigen, matten Halterung und befestigt an einem Lederband. Die Hexe Regulah hielt den Talisman in die Abenddämmerung und rief die magischen Worte:

„In diesem Stein sollst du

fortwährend Trost sowie Stärke finden!

Die böse Macht

wird von dir ohne Unterlass entrinnen!“

Vielleicht täuschte ich mich oder die untergehende Sonne blendete in meinen Augen. Indessen hätte ich schwören können, dass der Stein einen kurzen Augenblick aufleuchtete und wiederum verblasste.

Sie kam auf mich zu und band mir den Stein, seinen Talisman um den Hals. Sofortig verspürte ich ein Gefühl der inneren Ruhe. Ich umschlang seinen Stein mit meiner Hand, schloss die Augen und atmete tief ein. Alsdann öffnete ich diese wiederum, blickte beide an und räusperte mich ein wenig verlegen.

„Ich danke euch beiden, für alles, was Ihr in der Vergangenheit für mich getan habt. Der Stein ist wunderschön. Ich werde diesen Stein immerfort tragen, bis sich mein eigenes Schicksal erfühlt hat. - Indessen sollte ich zu Bruder Matthias sowie den anderen zurückkehren. Außerdem habe ich wohlweislich einiges, worüber ich wahrhaftig nachdenken muss. Wir sehen uns beim Morgengrauen. Regulah… Samuel.“

Ich machte eine leichte Verbeugung, blickte Samuel ein letztes Mal in die Augen, wand mich um, sogleich ging ich fort von ihm. Sowie ich einige Schritte gegangen war, drehte ich mich verstohlen noch einmal zu ihnen um.

Mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen. Samuel sowie die Hexe Regulah standen eng umschlungen und küssten sich. Augenblicklich schaute ich in die entgehende Richtung. Gleichzeitig fing ich an zu rennen, alsdann wäre der Leibhaftige hinter mir her. Die falsche Schlange hatte gewonnen. Samuel würde für immer bei ihr bleiben. Was konnte ich gegen eine weiße Hexe gänzlich schon ausrichten? Nicht!

Mir liefen die Tränen am Gesicht herunter, jedoch ich ließ es geschehen. Ich konnte immer noch seine Berührungen auf meinen Körper spüren. Ich vermisste Samuel bereits, gleichwohl verging ich beinahe vor Sehnsucht nach ihm. Nein! Ich musste stark sein, stark für uns beide!

Könnten wir jemals wiederum zusammen sein? Irgendwie würde ich einen Weg finden, ich musste einfach. Ich wollte keinesfalls aufgeben und mich in mein Schicksal fügen. Niemals täte ich dies! Samuel hatte lediglich mich, der ihm gegen den Schwur helfen konnte.

Atemlos sowie mit rotumrandeten Augen erreichte ich schließlich das Lager und somit Bruder Matthias. Erschöpft lehnte ich mich an den Eingang des kleinen Stalls und atmete lautstark aus. Irgendwann erblickte mich Bruder Matthias, gleichzeitig schaute er in meine tränenüberströmten Augen.

Fragend musterte er mich, worauf der Mönch in einem ruhigen Ton meinte: „Samuel hat mit euch gesprochen? Ich meine, sind diesbezüglich alle Zweifel beseitigt? - Möchtet Ihr darüber eventuell sprechen? Ich bin ein guter Zuhörer, dies hat euch Samuel hoffentlich mitgeteilt?“

Ich blickte ihn lediglich an, ohne ihm allerdings eine Antwort auf seine vielen Fragen zugeben. Langsam schritt ich gänzlich betrübt zu meinem Schlafplatz. Völlig ratlos legte ich mich schweigend auf das Lager und starrte in Richtung Holzdecke. Die Tränen liefen über mein Gesicht. Nach einer Ewigkeit verstummte irgendwann mein Wimmern. Vorsichtig richtete ich mich auf und blickte mich um. Bruder Matthias war wahrhaftig noch bei mir, er hatte mich keinesfalls verlassen. Niedergeschlagen wischte ich meine Tränen beiseite, räusperte mich und schaute ihn fragend an.

„Bruder Matthias, braut Ihr eventuell noch Bier? Wenn ja, besitzt Ihr zurzeit noch ein wenig von diesem Trank?“ Ein wenig überrascht blickte er mich an.

„Gewiss versteckt Ihr irgendwo einen kleinen Vorrat. Könntet Ihr mir eventuell ein wenig davon abgeben? - Bitte, lediglich dieses eine Mal?“ Flehend blickte ich Bruder Matthias von der Seite an und wusste, dass der Mönch mir schwer etwas abschlagen konnte.

„Persönlich finde ich diesen Gedankengang äußerst erbärmlich. In eurem Fall, sogar ein wenig gefährlich. Lucia Ihr wisst in keinster Weise, was für eine Wirkung dies auf euch hat. Wahrscheinlich könnte es euch weitaus mehr schaden, alsdann lediglich ein wenig betäuben.“ Der Mönch schaute mich mit seinem durchdringenden Blick an, gleichzeitig seufzte ich schwer.

„Wart Ihr niemals in einer solchen Lage? Wo… wo Ihr dieses ebenfalls über die Vernunft hinausgetan hättet? Außerdem seid Ihr diesbezüglich doch bei mir.“ Mit tränenverklärten Augen blickte ich zu ihm und wartete.

Wortlos erhob sich der Mönch, worauf er langsam in eine Ecke des Stalls ging. Ebendort standen allerlei Krüge sowie Töpfe. Zielstrebig beugte er sich hinunter, hob einen Krug hoch und kam wiederum schweigend zu mir.

„Nun gut, jedoch lediglich ein oder zwei Schlückchen. Ich glaube, Harroh sollte sich dazugesellen, alsdann können wir darüber reden.“ Missbilligend schaute er mich von der Seite an und reichte mir dennoch den Krug. Ich nahm den Krug in meine beiden Hände und meinte leise: „Wahrhaftig solltet Ihr dieses in Erwägung ziehen.“

Bruder Matthias drehte sich um, worauf er wortlos den Stall verließ. Vorsichtig roch ich an dem Krug. Ein etwas seltsamer Geruch trat mir unerwartet entgegen? Ich trank einen kräftigen Schluck, augenblicklich fing ich an zu husten.

Es war unglaublich bitter, ich hatte wahrhaftig etwas anderes erwartet. Wie konnten die anderen von diesem Trank so viel trinken? Dies war mir im Moment wahrlich äußerst unverständlich. Indessen erfüllte mich auf einmal eine wohltuende Wärme, sodass ich einen weiteren Schluck von diesem bitteren Trank zu mir nahm. Wärme sowie Ruhe breiteten sich gänzlich in mir aus.

Dieses Getränk war in der Tat äußerst köstlich. Ein Trank der Götter! Ich nahm einen weiteren Schluck. Plötzlich konnte ich mich keinesfalls mehr daran erinnern, warum ich eigentlich so traurig war? Wo blieb denn Bruder Matthias?

Gewiss durfte ich noch einen weiteren kleinen Schluck zu mir nehmen? Der Mönch hatte bestimmt keinesfalls im Geringsten etwas dagegen. Vielleicht sollte ich einmal nach ihm sehen oder doch eher nicht? Ach mitnichten!

Ich war indessen keinesfalls mehr, alsdann die sogenannte Ausgeburt der Hölle. So nannten mich schließlich die Verbündeten. Diese waren mit ihren Fellumhängen und ihrem wilden Aussehen ebenfalls seltsam genug. Wieso behandelten sie mich dennoch so abweisend?

Bei diesem Gedanken viel ich urplötzlich in eine unheimliche herzzerreißende Traurigkeit. Die Tränen, die ich solange unter Verschluss gehalten hatte, quollen aus meinen Augen. Immer und immer wieder hervor. Ich konnte und wollte sie keinesfalls mehr zurückhalten. Warum sollte ich dies zudem auch tun?

Die gesamte Zeit war ich so stark gewesen, ich wollte keineswegs mehr stark sein. Ich wollte ein weibliches Wesen sein. Das man eventuell lieben könnte, ohne an irgendeinen Fluch oder ein Versprechen zudenken. War dies denn so abwegig? Hatte ich keinerlei Zuneigung verdient?

Ich begann an zu zittern. Mein gesamter Körper zuckte urplötzlich unkontrolliert, zugleich liefen mir wiederum die Tränen über das Gesicht. Ich fühlte mich schrecklich einsam, so gänzlich allein. Niemand der Lucia, die Tochter von Lord Anthony von Dudley, ganz und gar liebte. Die ihren Vater verlassen, ihren Gefährten und wahren Freund für immer verloren hatte. Die von einem grausamen, bösartigen Tyrannen, der sich Sir Gundsrad nannte, verfolgt und verhext wurde.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739370071
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (November)
Schlagworte
Hexen Prophezeiung Bedrohung Verbündete Magie Abenteuer Dämonenaustreibung Mittelalter Mythen Vertrauen Fantasy

Autor

  • Barbara Doris Kuhn (Autor:in)

Mein Name ist Barbara D. Kuhn. Ich wohne mit meinen vier Kindern und meinen Mann in einem kleinen Dorf im Westerwald. 2013 habe ich mein erstes E- Book und 2014 mein erstes Buch veröffentlich. Ich schreibe gerne über das Mittelalter (speziell um das 12. Jahrhundert) Meine Bücher handeln meistens von selbstbewussten Frauen in England. Meine Covers gestalte ich mit Vorliebe selbst, was viel Spaß macht. Ich lese viel über alte Kulturen( Kelten) Hexen, Magie usw.
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Titel: Im Schatten des Waldes: Das Amulett