»Schatz, bist du da drin?«
»Nein. Es ist der beschissene Marlon Brando.«
»Oh.«
Herb betätigte die Spülung. Er machte sich nicht die Mühe, den Deckel herunterzuklappen. Er öffnete die Badezimmertür und trat in den Flur. Da stand sie, Marjorie, in all ihrer untergegangenen Pracht. Wie eine namenlose Stadt inmitten der Wüste, durch die höchstens der Wind ab und zu mal ein paar Sandkörner fegt. Dabei hatte sie mal ein paar Schönheitswettbewerbe gewonnen, das musste man sich vorstellen. Aber natürlich war das gewesen, bevor sie aufgegangen war wie ein Hefekloß. Also ungefähr zu der Zeit, als die Dinosaurier noch auf Erden gewandelt waren.
»Herb, deine Schuhe!«, rief Marjorie erschrocken und deutete auf seine Füße.
»Was?«, blaffte Herb.
»Du wolltest sie doch ausziehen, Schatz«, sagte Marjorie. »Ich habe frisch gewischt wegen heute Abend. Und deine Laufschuhe sind so dreckig. Ganz voller Schlamm.«
»Ich musste mal, Marjorie. Dringend. Soll ich mir etwa in die Hose pissen?«
»Nein, Schatz.«
»Du weißt genau, dass es eine Ewigkeit dauert, aus diesen beschissenen Laufschuhen rauszukommen mit dieser scheiß Beinschiene.«
»Ja, Schatz. Entschuldige. Ich wollte nicht böse sein.«
»Ach. Du wolltest nicht böse sein. Na wie schön. Weißt du, was ich wollte?«
»Nein, Schatz«. Sie hielt den Blick gesenkt. Kniete sich vor ihn hin und machte sich an seinen Schuhbändern zu schaffen.
»Ich wollte, dass mir die verdammten Schlitzaugen nicht mein Bein zerschossen und mich zum Krüppel gemacht hätten. Ich wollte auch ich hätt noch zwei gesunde Augen. Wie wär das für ’nen Wunschzettel, hm?«
»Es tut mir leid«, flüsterte sie. Inzwischen war sie fertig mit den Schuhbändern. Gott, sie hockte da vor ihm auf dem Boden wie eine beschissene Kröte. Wie er diese fette Qualle hasste. Wäre Beth nicht hin und wieder durch sein Blickfeld marschiert, hätte er nicht geglaubt, dass er in diesen Haufen Elend tatsächlich mal seinen Schwanz gesteckt hatte. Na ja, das war lange her und Beth kam zu allem Überfluss ganz nach ihrer Mutter. Genauso dumm und fett. Andererseits war nichts davon jetzt noch zu ändern und der Herr Jesus befahl, dass man sich mit dieser Scheiße abfand und sich über die kleinen Dinge freute. Dass sie das mit den Schuhbändern erledigte, zum Beispiel. Herb schüttelte ungeduldig seinen Schuh vom Fuß und verspritzte dabei zusätzlichen Schlamm auf den Dielen. Dann machte er einen Schritt nach vorn und stieß die hockende Marjorie um. Jetzt lag sie da wie ein Hefekloß, den man in ein beschissenes Trägerkleid gestopft hatte und guckte zu ihm rauf, ein dümmliches Lächeln im feisten Gesicht. Ein Käfer, der auf den Rücken gefallen war und von allein nicht wieder auf die Beine kam. Pech.
»Entschuldige«, murmelte sie.
Herb lachte. »Bist hingefallen«, sagte er, »Hast dich von einem verfluchten Krüppel umschubsen lassen!«
Sie nickte, rollte sich in einer trägen Bewegung auf die Seite und schließlich auf die Knie. Stand auf und hob seine Schuhe auf und trug sie in den Flur. Herb ließ sich in seinen Sessel fallen und versuchte nachzudenken. Wegen dieser Schlitzaugensache.
Aber es gelang ihm nicht, sich drauf zu konzentrieren.
Marjorie kam zurück, in einer Hand einen Lappen für die Sauerei auf den Dielen, in der anderen ein Bier. Sie stellte die Dose vor ihn auf den Tisch, auf den Kristalluntersetzer, dann kniete sie sich wieder hin und begann, den Dreck wegzuwischen. Herb öffnete sein Bier, setzte es an die Lippen und trank die Dose in einem gierigen Zug halb leer.
Mitten im Wischen hielt sie inne und tat so, als schlage sie sich gegen die Stirn. Das hielt sie wohl aus irgendeinem Grund für drollig. Machte sie immer, wenn sie was vergessen hatte. Was für Herbs Geschmack eindeutig zu oft passierte.
»Was?«, knurrte er und hievte seine schwitzenden Beine auf den Couchtisch.
»Ich hätt’s doch glatt vergessen, Schatz. Donnie hat angerufen.«
Sie lächelte und wandte sich zum Gehen. Gott, diese hängenden Schweinebacken. Hatte sie etwa schon wieder zugenommen? Er würde sie mal danach fragen müssen, und zwar eindringlich. Würde ein Mordsspaß werden.
»Und, Marjorie?«, fragte er.
Sie drehte sich langsam um.
»Und was, Schatz?«
»Was wollte Donnie?«
»Ach so. Das. Ja. Er hat gesagt, er weiß noch nicht genau, ob er’s heut Abend schaffen wird. Er hat in Tulsa zu tun, glaube ich, und ...«
»Was?«
»Na ja, er hat in Tulsa zu tun, sagt er, und dass er nicht weiß, ob er’s schafft.« Ihre Stimme zitterte.
»Das hast du gerade schon mal gesagt, Marjorie. Ich bin nicht taub.«
Du bekackte Schlampe.
Er trank den Rest des Biers, drückte die Dose zusammen und stellte sie auf den Tisch, neben den Untersetzer.
»Nein, bist du nicht.«
»Aber das geht nicht, oder?«, fragte Herb.
»Nein, Schatz.«
»Dieser verdammte Schlappschwanz kann nicht einfach ein Essen absagen, zu dem ich ihn einlade. Oder, Marjorie?«
»Nein, Schatz.«
»Sind wir etwa ein beschissenes Hotel? Oder eine Bar, oder ein verfickter Burgerladen?«
»Nein, Schatz.«
»Gib mir das Telefon, Marjorie.«
Sie ging und holte es ihm.
»Und bring mir noch ein Bier.«
Sie ging in die Küche. Herb wählte die Nummer. Donnie ging nach dem dritten Klingeln ran.
»Hallo?«
»Was ist braun und stinkt, Brüderchen?«, fragte Herb.
»Herb?«
»Ja, verdammt, was ist braun und riesengroß und stinkt zum Himmel?«
»Ich weiß nicht, Herb«, sagte Donnie. »Was ist denn braun und stinkt zum Himmel? Kacke vielleicht?«
Er klang gehetzt. Gut. Herb musste ihn gerade noch erwischt haben.
»Ganz genau, Donnieboy. Ein Haufen Kuhscheiße.«
Donnie keuchte. »Der ist gut, Herb.«
»Ist kein Witz.«
»Oh.«
»Was soll das, du hast in Tulsa zu tun und kannst heute Abend nicht kommen? Heute ist unser verfickter Pokerabend Donnie.«
»Ja, ich weiß.«
»Marjorie wird ihren berühmten Auflauf machen, Mann!«
»Oh, echt? Das wusste ich nicht. Dachte, es wäre nur unser ... unser Pokerabend.«
»Nur? Nur unser Pokerabend? Hat dir wer ins Hirn geschissen, Donnieboy?«
»Es ... oh, Mann.«
»Donnie. Was zur Hölle ist los, Mann? Klingst echt beschissen, Mann. Komm schon, vertrau dich deinem großen Bruder an.«
»Es ist ... es ist wegen Kim.«
»Kim? Welche Kim?«
»Kim. Mein Mädchen.«
Herb lachte. Bestimmt eine ganze Minute lang. Als er sich wieder eingekriegt hatte, sagte er: »Donnie. Das ist der bekackte Witz des Jahrhunderts. Dein Mädchen? Seit wann hat mein kleiner Bruder ein Mädchen?«
»Ja, Herb. Sie heißt Kim.«
»Kim Basinger. Ja, ich weiß. Darauf hast du dir schon zu Schulzeiten immer einen runtergeholt. Die mit den dicken Titten. Neuneinhalb Wochen. Du hast dir zu einem beschissenen Frauenfilm die Palme gewedelt! Das muss man sich mal ...«
»Herb, bitte, ich ...«
»Scheiße. Donnie. Du meinst das echt ernst, oder?«
»Ja, Herb, tu ich. Ich werde Kim heute vom Flughafen holen und wir ...«
»Vom Flughafen, Donnie? In fucking Tulsa?«
»Na ja, ich muss sowieso da hin. Und auf dem Rückweg hole ich Kim vom Flughafen ab.«
Beschissener Lügner. Diese räudige kleine Ratte von Donnie log ihm hier etwas vor, dass sich die Balken bogen. Hielt das vermutlich für einen Mordsspaß. Nun, Euer Ehren, Herbert Bouthillier gestattet sich, da anderer Meinung zu sein. Ganz anderer Meinung. Männer sollten einander nichts vorlügen. Brüder schon gar nicht.
»Donnie. Hör zu.«
»Mach ich, Herb.«
»Wir vergessen jetzt einfach mal für eine Sekunde diesen Riesenhaufen Kuhscheiße, den du mir auf einem Silbertablett ... warte! Was hab ich dir gesagt, Marjorie? Was du zu tun hast, wenn ich telefoniere?«
Marjorie wurde knallrot, die Bierdose in ihrer Hand begann zu zittern, als sie sie vorsichtig auf dem Tisch abstellte.
»Entschuldige, Herb.«, flüsterte sie und stürzte aus dem Zimmer. Fett und plump, wie sie nun mal war.
»Marjorie lässt grüßen«, fuhr Herb im Plauderton fort. »Weiber. Können nicht mit ihnen leben, und können sie nicht abknallen, außer im Staate Texas, stimmt’s, Brüderchen?«
»Stimmt genau, Herb.« Donnie stieß wieder sein angestrengtes Keuchen aus.
»Also. Wie ich sagte, wir vergessen mal für einen Augenblick den ganzen Kuhmist und du fängst am besten nochmal von vorn an. Und diesmal mit der richtigen Geschichte. Also. Was soll das mit dieser Kim?«
»Okay, Herb.« Sagte es und klang wie ein beschissener, verknallter Schuljunge. War er jemals was anderes gewesen?
»Die Schlampe aus dem Internet, aus diesem ... diesem Fickportal oder was?« Herb grinste und klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Wange, um das zweite Bier aufzumachen.
»Äh ..., ja, Herb. Aber es ist ein seriöses ...«
»Schon klar. Du triffst dich mit einer Nu ... mit einem Mädchen aus dem Internet. Bist du jetzt völlig übergeschnappt, Donnieboy?«
»Wir haben uns schon ein paar Mal getroffen, Herb. Und nenn sie bitte nicht so.«
»In Ordnung, Donnieboy. Habt euch also getroffen. Ihr habt euch ...« Das Bier verharrte mitten in der Luft. Der Hörer plumpste auf ein Sofakissen. Herb starrte mit offenem Mund ins Leere.
»Warte«, fuhr er fort, nachdem er den Hörer wieder zum Ohr geführt hatte. »Ist es dieses Schlitzauge? Diese kleine Japsentussi, die du mir gezeigt hast? Oder Chinesin oder was auch immer. Die gibt es wirklich?«
»Sie ist Chinesin, Herb. Und ja, es gibt sie wirklich.« Donnie klang jetzt beinahe genervt, fast schon ätzend. Hatte sich wohl über Nacht sowas wie Eier wachsen lassen. Meine Güte, der Herr sendet Zeichen und Wunder.
Nur war es freilich nicht irgendeine Chinesin, oder?
Wenn sie es denn war.
Scheiße.
»Eine Chinesin, soso«, murmelte Herb und irgendwie schweiften seine Gedanken ab. Zum Park und der Bank mit dem Pärchen und von da zu Donnie und dann zu der hässlichen Gipsplastik und damit automatisch auch zu Mike. Dem sie den halben Kopf weggeschossen hatten, diese verdammten Schlitzaugen. Scheiße auch.
»Herb?« Donnies Stimme kam von ganz weit weg.
Herb sammelte er sich. »Scheiße auch, Donnieboy. Eine Chinesin.«
»Ja, Herb. Aber sie lebt schon eine Weile in den Staaten. Sie ist wirklich sehr nett und ... und echt in Ordnung.«
»Sie ist in Ordnung.«
»Ja, Herb.«
»Dieses Chinamädchen ist also in Ordnung?«
Herb ließ die Worte stehen wie eine Wolke, wenn jemand einen ziehen lässt.
»Herb, ich ...«
»Diese verdammten Chinesen haben mir das linke Auge ausgeschossen, Donnie, und meinen Fuß in einen Klumpen Hackfleisch verwandelt.«
»Ich ...«, stammelte Donnie, »ich weiß, Herb. Deshalb wollte ich ja noch etwas warten. Und es später mal in Ruhe mit dir besprechen.«
»Ach scheiß drauf, Mann. Ich nehm dich nur hoch.«
»Ehrlich, Herb?«
»Na klar«, sagte Herb und bemühte sich um einen unverbindlichen Ton. »Du hast ne kleine Ling-Ling zur Freundin, das ist in Ordnung. Besonders für dein kleines Ding-Ding, vermutlich.«
Herb lachte schallend, und Donnie stimmte keuchend ein. Lass sie mich in Augenschein nehmen, deine kleine Schlitzfotze dachte Herb. Solange die Erinnerung noch frisch ist. Bring sie nur vorbei.
Damit ich sie in Augenschein nehmen kann.
»Wann holst du sie denn vom Flughafen ab diese Kim?«
»Sechs, Herb, ich hol sie gegen sechs.«
»Verstehe.«
»Aber ich glaube nicht, dass wir dann viel Zeit haben, um ... also, weißt du Herb, ich dachte, wir verbringen den Abend vielleicht lieber gemeinsam, also Kim und ich. Sei nicht böse, okay? Wir holen das nach, ja?«
Denken, Herb. Du musst nachdenken.
Eine hübsche, junge Frau. Viel zu jung und viel zu hübsch für diese Nullnummer von einem kleinen Bruder, und dann auch noch übers Internet. Die Donnie gleich vom Flughafen abholen würde. In Tulsa. Gut achtzig Meilen von Stillwater entfernt.
Scheiße auch.
Wenn sie nun doch nicht die auf der Parkbank war?
Immerhin sahen sich diese Schlitzaugen doch alle ähnlich wie die Lemminge in diesem bekackten Computerspiel.
Aber.
Aber zu einem Flughafen kann man auch mit dem Auto fahren. Und dann so tun, als wäre man der soeben gelandeten Maschine entstiegen.
Hielt einen keiner von ab.
Wenn sie es nun war, würde er Donnie vielleicht vor einem Riesenfehler bewahren, dem größten seines ganzen beschissenen Lebens vermutlich. Verdammt, er schuldete das Donnie.
Donnie, der sein Bruder war, und auch sowas wie der behinderte Sohn, den er zum Glück nie gehabt hatte.
»Donnie, du weißt, wie viel es Marjorie bedeutet?«
»Ja, aber ...«
»Unterbrich mich jetzt nicht, Donnie. Du weißt, wie viel Mühe sie sich mit dem verdammten Fraß immer gibt, und nur deinetwegen. Mir setzt sie sowas Raffiniertes nie vor.«
»Ich mach’s wieder gut, Herb, versprochen!«
»Hör mal. Onkel Herb hat die Lösung. Hat Onkel Herb nicht immer die Lösung parat, Brüderchen?«
»Klar, Herb. Schätze schon. Aber ich muss jetzt wirklich los, ich ...«
»Also, wie ist das? Du holst die kleine Ling-Ling vom Flughafen ab. Dann kommt ihr her, zieht euch Marjories berühmte Fischlasagne rein und dann verschwindet ihr und du vögelst dem kleinen Schlitzauge das Hirn raus. Ich lass sogar eine Flasche Wein springen. Guter Tropfen, hörst du? Macht die Weiber willig. Dann kann sie gar nicht anders, dann vögelt sie sogar dich, ganz bestimmt! Hörst du mich, Donnieboy?«
»Ja Herb, aber so ist das nicht mit uns ...«
»Ach, Donnie, hör auf, hör auf. Sonst kotz ich mir noch auf die Füße, ich schwör’s!«
Herb machte ein paar Würgegeräusche.
»Marjorie!«, brüllte er, »Donnie hat’s schwer erwischt. Bring besser den großen Eimer aus der Küche! Schnell, ich kanns nicht mehr lang drin behalten.«
»Herb, Mann ...« Donnie stieß wieder das trockene Keuchen aus. Urkomisch fand er das.
»Also, ihr kommt vorbei, nur 'ne Stunde oder so. Esst ein bisschen was und trinkt ein Glas von Herbs bestem. So sparst du dir das Geld für irgend so ein teures Restaurant, und es bricht Marjorie nicht das Herz.«
»Eine Stunde?«
»Eine Stunde.«
»Keine Por ... ich meine, keine Pokerrunde?«
»Keine Pokerrunde, Brüderchen. Schon klar. Wir machen es richtig gemütlich, und Marjorie wird sich ein zweites Arschloch in ihren fetten Hintern freuen. Keine Widerrede!«
»Herb, ich ...«
Aber da hatte Herb schon aufgelegt. Starrte nachdenklich auf die beiden zerdrückten Bierdosen vor sich auf dem Kaffeetisch. Eine leer, eine halbleer. Oder halbvoll, wo war der beschissene Unterschied?
Ansonsten nahezu identisch.
Und wenn nun nicht bloß er sie, sondern die kleine Schlitzaugenfotze auch ihn erkannt hatte, trotz der Sonnenbrille? Und wenn schon. Was würde sie sagen? Dass er im Park hinter einem Baum gestanden und sich einen gewichst hatte? Wer würde ihr das glauben? Außerdem war da noch das Gebüsch gewesen. Vermutlich hatte die Schlampe im Park überhaupt nichts gesehen, und letztlich war es öffentliches Gelände und er hatte wirklich pissen gemusst wie ein Rennpferd. Und vermutlich war sie es sowieso nicht.
Wenn aber doch?
Dann hatte er sie mit einem anderen Kerl auf der Parkbank sitzen sehen, und zwar ziemlich eng. Und ein paar Stunden, bevor sie angeblich in dem beschissenen Flieger nach Tulsa saß. Dann würde sie erst recht die Klappe halten.
Aber Herb nicht.
Heute Abend würde er es wissen. Wozu war er schließlich ein Cop, wenn er es nicht rausbekommen würde, wenn sie vor ihm saß? Kein Bedarf für einen Lügendetektor. Bei einem richtigen Cop gehört der zur Grundausstattung, yessir!
Wenn sein eingebauter Lügendetektor bei der Schlampe ansprang, dann würde er dafür sorgen, dass Donnie die kleine Hure vor die Tür setzte. Gleich hier und jetzt. Und zwar, bevor sie ihm sein Herz brach oder ihn um seine mickrigen Ersparnisse brachte oder was immer sie sonst vorhatte.
Was immer sie vorhatte.
Warte.
Und plötzlich ergab alles einen Sinn.
Donnie und sein beschissenes Internet. Man hörte das doch ständig, im Fernsehen warnten sie andauernd davor. Die Gipsplastik. Beschissener, dummer Donnie.
Herb wählte die Nummer nochmal.
Donnie ging nicht ran.
»Scheiße!«, brummte Herb. Marjorie kam rein, mit dem großen Plastikeimer aus der Küche.
»Was soll das?«
»Na ja, Herb. Du hast gerufen, dass du ... dass du einen Eimer brauchst. Aber ich wollte nicht reinkommen, solange du mit Donnie am Telefon sprichst. Aber jetzt seid ihr doch fertig, nicht wahr?«
»Oh, Marjorie, du bist so dumm, dass es dem kleinen Jesus im Himmel weh tut.«
»Ja, Herb.«
Herb nickte und sah sie ernst an, während sich ihre wässrigen Augen mit Tränen füllten. Das war überhaupt kein Mordsspaß, überhaupt keiner. Wenn jemand so dumm war, gab es überhaupt nichts mehr zu lachen. Wenn ein Weib so ausgesprochen dämlich war, dann half nur eines, und auch das stand alles schon in der Bibel. Dann half nur der Gürtel.
»Ist dein Glück, dass ich gerade diese dämlichen Jogginghose trage, Marjorie. Wo keine Gürtelschlaufen dran sind.«
»Ja, Herb.«
Eine einzelne Träne rann über ihre Wange.
»Und dass ich jetzt unter die Dusche muss.«
»Ja, Herb.«
»Ist dein Glückstag. Solltest du in deinem Kalender anstreichen.«
»Mach ich, Herb«.
Jetzt flennte sie richtig, heiliger Jesus. Wie ein beschissenes Kind. Stand da mit ihrem bescheuerten Eimer mitten im Wohnzimmer und flennte ihm was vor.
»Und sieh zu, dass du mit dem Essen fertig wirst. Und schmeiß dich in Schale. Donnie kommt vorbei.«
»Er kommt doch vorbei?«
»Ist das ein Problem, Marjorie?«
»Nein«, beeilte sie sich zu sagen. »Natürlich nicht. Natürlich nicht.«
»Dann ist ja gut. Und nimm die große Auflaufform. Er bringt seine Freundin mit.«
»Seine Freundin?«
Herb stand auf. Ging zu ihr hin. Packte an ihre fette Brust und kniff kräftig hinein. Und vielleicht dachte er da wieder ein bisschen an die Chinesin auf der Parkbank, und was er gern mit der angestellt hätte. Marjorie stöhnte und heulte noch ein bisschen mehr. Ließ aber den Eimer nicht los, ihr Glück. Herb drückte noch einmal richtig zu, dann ließ er das schlaffe Fleisch los.
»Bist du ein beschissener Papagei, Marjorie, dass du mir alles nachplapperst?«
Sie schüttelte den Kopf. Rote Flecken auf ihren Wangen.
»Wenn ich dich so sehe, brauch ich den Eimer vielleicht doch noch«, sagte er. Lachend ging er unter die Dusche.