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Schere Gedanke Stein

von Frank Didden (Autor:in)
35 Seiten

Zusammenfassung

Scheren sind Steine mit Gedanken. Nein, Steine sind Gedanken mit Scheren. Oder sind es doch eher die Gedanken, die Steine mit Scheren sind? Vielleicht sind aber Steine und Scheren nichts anderes als Gedanken? Wer weiß das schon? Schere Gedanke Stein Es ist das zweite von drei kurzen Werken, in denen ich Sie gerne auf eine kurze literarische Reise mitnehmen würde. In kleinen Kurzgeschichten versteckt, spiele ich mit Ihnen meine Variante von „Schere, Stein, Papier“. Doch lassen Sie sich nicht täuschen! Es soll nicht wichtig sein, ob Sie oder ob ich die bessere Wahl treffen. Es ist nicht wichtig, wer von uns gewinnt. Legen Sie Stein und Schere beiseite. Lassen Sie den Gedanken gewinnen!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kurzgeschichten



Schere

Gedanke

Stein







Schere

Gedanke

Stein



von

Frank Didden
































Impressum:

Copyright: © 2016 Frank Didden


Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Scanning, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages oder des Autors reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.


Umschlaggestaltung: Frank Didden

Verlag: Frank Didden, Fritz-Kortner-Weg 3, 27711 Osterholz-Scharmbeck

ISBN-10 1534979093

ISBN-13 978-1534979093







Ein Augenblick ist mehr, als der Teil eines Momentes, den mindestens zwei verschiedene Augen teile. Ist man aber einmal innerhalb eines Augenblicks nicht eben mit diesen Augen beschäftigt, so kann man wohl richtig annehmen, dass man etwas Wesentliches verpasst hat, ja, das einem etwas wirklich Entscheidendes entgangen ist.

Ist man während dieses Augenblicks im Sinne eben dieses Blickes, so hat man wohl erkannt, was ein Augenblick bedeuten kann.

Nicht weniger als alles.





Die Idee der Maschine



Die Tristesse, die sich durch die langen Gänge des Krankenhaus zog, war allumfassend, ja, allgegenwärtig. Mein Weg war noch weit. Relativ. Ich musste bis zum Ende des Ganges, natürlich. Als Wäre mein Tag noch nicht schlimm genug gewesen, musste schließlich dieser Gang allem die Krone aufsetzen. Eigentlich war es nicht der Tag, der so schlimm war, sondern die ganzen letzten Monate. Was brachte Menschen nur zu solchen Taten?


Am Morgen waren wieder einige Granaten in der Stadt niedergegangen. Sie kamen wohl von der feindlichen Stellung auf dem Hügel vor der Stadt. Und natürlich trafen sie mit der tödlichen Präzision von Millionen von Nadeln ihre Opfer, oder direkt mit der brutalen Zerstörungskraft gigantischer Steinmassen, die alles unter sich zerquetschen. Als Arzt war ich dazu verpflichtet zu helfen. Ich tat, was ich konnte. Nicht genug. Es war ein schrecklicher Anblick. Kein medizinisches Studium dieser Welt, kein vorbereitendes Praktikum kann einem zeigen oder lehren, was man hier zu ertragen hat. Es sind weniger die Unmassen an menschlichem Blut, die mir die Alpträume in den wenigen Stunden, in denen ich schlafe, bescheren, als vielmehr das Leid der Menschen, die entweder Freunde, Verwandte oder gar das eigene Kind verloren hatten.


Die blutrünstige Brutalität dieses Krieges ist für den normalen menschlichen Verstand, für das normale menschliche, seelische Wohlbefinden, die letzte Dosis Cyanid, die einem zwar nicht den schnellen, aber den weitaus qualvolleren Tod versichert. Es ist dieses geistige Leid, das in mir diese Selbstzweifel weckt. Bin ich denn noch Mensch, wenn ich solche Untaten zulasse? Sicherlich versuche ich zu helfen, aber reicht das?


Heute früh musste ich einen Mann versorgen, der von einer Granate getroffen wurde. Es war grausam. Ich erinnere mich an dieses Bild des Mannes, der mit seiner rechten Hand versuchte seinen linken Arm in die Höhe zu halten. Er dachte, dass die Blutung dadurch verlangsamt würde. Eine verzweifelte, panikerfüllte Handlung, im Moment größten Entsetzens. Er hatte seine linke Hand verloren. Sie war zerfetzt. Der zersplitterte Knochen ragt blutverschmiert aus der hochgehaltenen Wunde, während die Reste seiner Sehnen, Muskeln und Adern in streifenartigen Fetzen den Oberarm überlappten. Der Anblick glich einem Menschen, dem man, wie im schwärzesten Mittelalter üblich, bei Diebstahl die Hand abgetrennt hatte, und dass, obwohl er wieder und wieder seine Unschuld beteuert hatte. Massakerartige Zustände. Ich fühlte mich in eine Zeit versetzt, in der man andere Menschen wie Vieh behandelte. Man kaufte sie, man verkaufte sie und wenn die Zeit gekommen war, brachte man sie um, einfach so.


Einfach so, ja. Der Krieg begann, einfach so. Der Krieg dauert an, einfach so. Doch keiner unternimmt mit Entschlossenheit etwas, um dieses Blutbad einzudämmen, vielleicht sogar zu beenden.


Ein Tag im Krankenhaus kommt, Opfer werden gebracht, der Tag im Krankenhaus geht. Und ich? Ich will nicht mehr. Ich habe einfach keine Lust mehr. Ich versorge Menschen, die eventuell gesundwerden, damit sie das Haus verlassen um ihre Feinde zu töten. Ich heile Halbtote, um anschließend den Tod ihrer Feinde zu bestätigen, wodurch die Freunde des Toten wiederum den Geheilten umbringen. Dessen Freunde reagieren dementsprechend. Eine endlose Kette. Eine Maschinerie, die sich von ihrer eigenen Idee, Menschen zu hassen, nährt. Und ich bin derjenige, der für die Nahrung sorgt. Ist es da falsch, wenn ich weglaufen will. Wie kann ich Elend verhindern, wenn ich dadurch nur größeres Elend schaffe?


Endlich, ich bin am Ende des Ganges angelangt. Mein Blick schwenkt auf das am Bett angebrachte Patientenblatt. Es ist der Mann mit der verlorenen Hand. Ein Gemüsehändler. Verheiratet. Vater von vier Kindern. Er ist im frühen Nachmittag an den Folgen des hohen Blutverlustes gestorben. Ausstellung des Totenscheins. Möglichst schnell. Das Bett wird benötigt.





Wenn eines Tages der

Rote-Jacken-Mann kommt



Ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Es war an einem Dienstag, da stand dort dieser Mann an der Ecke. Der Ecke einer Querstraße zu der Straße, in der ich wohne. Nichts sonderlich Interessantes sollte dieser Mann anfangs bieten. Er war etwa ein Meter und achtzig groß, hatte dunkelblondes Haar und trug diese rote Jacke. Er wäre ohne jede Beachtung geblieben, hätte er sich bewegt, aber das hat er nicht. Er stand einfach nur da. Regte sich fast gar nicht, wenn er nicht ab und an mal einige vorbeigehende Passanten angesehen und dabei den Kopf gedreht hätte.

Es dauerte so seine acht Stunden, bevor ich dann doch, von meinem begierigen Wissensdurst gedrängt, mich aus meiner Wohnung aufmachte, um diesem Mann eine Frage zu stellen. Doch was sollte ich fragen?

Was machen sie da? Geht es ihnen nicht gut? Kann ich ihnen helfen? Das wären einige plausible Fragen gewesen. Natürlich hätte es ja sein können, dass dem Mann irgendetwas fehlt. Vielleicht war er krank. Man kann so etwas ja nicht wissen. Und im Grunde wollte ich ja auch helfen und nicht nur mein Interesse stillen.

Also gelangte ich an der Ecke an, baute mich vor dem Mann auf und sprach ihm direkt ins Gesicht:

„Entschuldigen Sie, aber ich hätte eine Frage.“

„Ja.“, erwiderte mir dieser Rote-Jacken-Mann.

„Müssen sie ausgerechnet hier stehen? Geht´s nicht auch dort drüben? Auf der anderen Seite der Straße?“

„Nein, ich stehe lieber hier.“

„Aber warum?“

„Guter Mann, weil ich hier auf der linken Seite stehe.“

Ein kurzer Gedanke, der mir sagen wollte, aha, durchfuhr mein Gehirn, bevor ich antworten konnte. Ein leichtes Grinsen konnte ich leider nicht unterdrücken:

„Sie stehen an der Ecke einer Kreuzung. Es gibt hier keine linke Seite.“

„Wieso nicht?“

„Weil, wenn man von der anderen Seite herkommt, ich meine aus Richtung der Stadt, die andere Ecke dort hinten, links liegt.“

„Nun, von wo man kommt, ist mir ziemlich egal, aber, wenn ich Richtung Innenstadt will, so muss ich hier stehen. Hier ist dann links.“

„Aber nur, wenn sie von der Straße hier rechts kommen. Kommen sie hingegen von der hier links liegenden Straße, so müssen sie für eine linke Position dort drüben stehen.“

„Guter Mann, ich habe diese Gespräch sehr genossen, aber was wollen sie eigentlich von mir?“

„Ich will wissen, warum sie hier geschlagene acht Stunden herumstehen?“

„Wieso?“

„Ja, wieso stehen sie hier?“

„Nein, ich will wissen, wieso sie das wissen wollen?“

„Weil ich sie nun schon seit acht Stunden beobachte.“

„Hatten sie nichts Besseres zu tun?“

„Nein.“

„Schade, sie hätten sich zu mir stellen können. Wir hätten sicherlich ganz vorzüglich miteinander kommuniziert. Aber jetzt entschuldigen sie bitte, ich muss gehen.“


Der Mann ließ mich regelrecht im Regen stehen. Er ging links die Straße herunter und verschwand dann links um eine Ecke. Ich ging zurück in meine Wohnung. Ich hatte keine Lust allzu nass zu werden. Mein Haus liegt übrigens auf der rechten Seite, wenn man Richtung Innenstadt will. Ich werde wohl umziehen müssen. Verdammt, und ich war der Meinung, ich hätte an alles gedacht.






Wie ein Wolf



Lauf. Lauf schneller. Du musst dich schon bemühen. Es ist schließlich dein Leben, nicht meines. Und jetzt lauf. Schneller, sonst kriegt er dich. Er kriegt dich, wenn du nicht das Ende erreichst. Und du musste es schnell erreichen. Lauf, denn er wird dich töten. Der Tod tötet jeden. Und er tötet auf viele Arten, mit vielen Gesichtern. Vielleicht ist er für dich ein Wolf, ein schneller Wolf, der dich in Fetzen zerreißt. In kleine blutige Fetzen. Renn schneller. Wenn er dich kriegt, tötet er dich schnell und niemand kann dir helfen, weil du schon tot bist, wenn er dich kriegt. Aber wenn er dich langsam umbringt, vielleicht mit den stahlharten Händen eines Riesen, dann kannst du schreien. Während er dich langsam und qualvoll in seinen Händen zerdrückt, kannst du schreien. Entsetzlich, wie ein Tier kannst du brüllen, aber niemand wird dich hören. Deshalb lauf. Renne. Es ist dein Leben. Natürlich weißt du, dass es für dich kein Weiterleben mehr gibt. Auch nicht am Ende. Also, kannst du auch stehen bleiben. Hat ja eh keinen Zweck. Bist doch schon tot. Hör auf zu laufen. Was, du willst nicht? Du läufst trotzdem weiter. Willst das Ende um jeden Preis erreichen. Das klare, weiße Licht, auf das du zuläufst, lockt dich, stimmt’s? Du willst es erreichen. He, du wirst schneller. Aber warum denn? Hast du es so eilig? Hinter dir ist doch niemand. Du glaubst mir nicht? Warum? Sieh, du bist fast da. Ein schönes Licht, nicht wahr? Du brauchst aber nicht dort hinein. Kannst ruhig stehen bleiben. Der Tod ist nicht mehr hinter dir. Dreh dich ruhig um. Er läuft dir nicht mehr nach. Schon lange nicht mehr.

Oh, endlich, du bist am Ende angelangt. Bist völlig außer Atem, oder? Da, hinter dir, da ist niemand mehr. Ja, genau, dreh dich um. Was, du schreist? Aber warum schreist du? Ich will doch nichts von dir. Ach, dich erschreckt mein Aussehen. Aber ich tu dir nichts. Glaube mir, ich gehöre zu dir. Vorsicht, pass auf. Hinter dir. Der Abgrund.






Ein menschliches Wesen



Es ist schon ein seltsamer Tag. Kaum ein Vogel zwitschert und auch die sonstige Umgebung gibt keinen Laut von sich. Vieleicht liegt es an der Jahreszeit? Immerhin ist es November. Obwohl man meinen sollte, dass mittags das Leben zu hören ist. Wir haben schließlich nicht Sonntag.

Und man sieht die Arbeit, wie sie nicht allzu weit entfernt tätig ist. Beängstigend diese Stille, die sich, genauso wie das eiskalte Wetter, in den Körper hineinbohrt und alles zerstört, woran man zuvor gedacht hat. Nur noch ein Gedanke beschäftigt mich, während ich frierend auf das Aachener Klinikum blicke. Was mach ich hier. Anfangs war es nur eine Idee. Die Idee, sich das Klinikum anzusehen. Da steh ich nun, sehe es mir an und das einzige, was ich doch sehe, ist die Kälte, die ich erlebe. Diese stille, ruhige Kälte.

Es ist merkwürdig, dass mir die Kälte gerade an diesem Ort besonders auffällt, wo sonst nur dieser riesige Gebäudeklotz etwas Auffallendes bietet?

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739358932
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Oktober)
Schlagworte
Spiel Schere Literatur Kurzgeschichte Autor Leben Hilfe Stein Gedanke

Autor

  • Frank Didden (Autor:in)

Frank Didden, wurde 1977 in Aachen geboren. Bereits in seinen jungen Jahren beschäftigte er sich mit dem Schreiben und konnte auch erste redaktionelle Erfahrungen sammeln. Auch während seines Studiums an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen blieb er dieser Leidenschaft über viele Jahre treu. Nach seinem Abschluss im Bereich der Werkstofftechnik und Tätigkeiten im modernen Projektmanagement fand er erneut einen Weg in die Welt des kreativen Schreibens.
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Titel: Schere Gedanke Stein