Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Titel
Gedanke
Schere
Stein
von
Frank Didden
Impressum:
Copyright: © 2016 Frank Didden
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Umschlaggestaltung: Frank Didden
Verlag: Frank Didden, Fritz-Kortner-Weg 3, 27711 Osterholz-Scharmbeck
ISBN-10 1534979131
ISBN-13 978-1534979130
Andererseits
An dieser Stelle möchte ich gerne einige Dinge zu Papier bringen, die mich immer dann quälen, wenn ich zuvor nicht daran gedacht habe, etwas zu Papier zu bringen. Es sind ausnahmslos Fakten, die hier geschrieben, gar erörtert werden sollen. Fakten, die mich in Momenten prägen, die einzig mir gehören, wenn ich allein bin.
Ich lese beispielsweise ein Buch. Es umreißt teilweise anschaulich die historischen Hintergründe in der Entwicklung des Marxismus, umschreibt aber gleichzeitig in keinem Moment die ideologischen Beweggründe des Buches. Es ist von Marxisten geschrieben. Soweit kein Problem. Ich lese fortwährend und bin nach vier Tagen mit dem komplex geschriebenen achtzig Seiten durch. Die kurze Zeit – vier Tage – verdeckt vieles, ja, wesentliches. Ich gehe mit der Meinung des Autors und dessen Argumenten nicht konform. Also beginne ich zu diskutieren. Aber mit wem?
Nun, wohl nur mit mir, denn es scheint mir die einzige Lösung, diese Diskussion zu gewinnen. Und ich gewinne auch nach heftiger Debatte gegen mich selbst. Lange hat das Gespräch zwar nicht gedauert, aber es hatte eine Lösung und einen charismatischen Sieger.
Mich.
1
An anderen Tagen lese ich Zeitung. Den politischen Teil. Die deutsche Politik versucht Wahlkampf. CDU kritisiert SPD. SPD kritisiert CDU. FDP, PDS, Bündnis90/Die Grünen spielen defensives Mittelfeld, wobei die Positionen, ob links, ob rechts, variieren. Gegner am heutigen Abend: Das souveräne Volk.
Wobei der gemeine Kapitalist, heute topfit im Tor, den gemeinen Allgemeinextremisten, linker und rechter Stürmer, den Rücken nicht unweigerlich stärkt.
Es ist ein elendiges Spiel und ich lese darüber täglich in der Zeitung. Kein einziges Tor, auch nicht nach Elfmeterschießen, und beiläufig haben sich Spieler der gleichen Mannschaft gegenseitig aufgehetzt. Die Spieler haben verlernt zu spielen. Das Volk hat verlernt souverän zu sein.
Die Politik spielt zu viel defensive Demokratie, sie muss regieren. Ein technisch starker Stürmer ist nutzlos, schießt er keine Tore.
Doch wer leidet unter dieser eklatanten Verletzung der Spielfreude? Im Spiel ist es der Zuschauer, doch alle haben Angst, wenn er frustriert den Platz stürmt.
2
An anderen Tagen lese ich nicht eine Zeile. Ich denke nur. Worüber? Über mich, über Politik, über die Welt. Der Esel nennt sich selbst zum Schluss. Ich missachte dies, denn ich bin kein Esel. Ich muss mich zuerst nennen, da ich ich bin. Ich stehe noch im Vordergrund. Keiner steht vor mir, wenn ich denke. Das allein zählt!
Für mich!
3
An anderen Tagen lese ich Lessis Weisen. Der Kampf des Glaubens. Glaubenskrieg. Glaubenskampf. Wie kann ich für den Glauben kämpfen? Ich glaube an mich und dafür kämpfe ich, für nichts sonst. Ich kämpfe nicht für das, was andere glauben. Doch glauben sie nicht nur, wissen sie vielleicht sogar, so bin auch ich bereit, vielleicht bereit daran zu glauben.
Leider weiß der Mensch eigentlich nichts wirklich, oder?
4
An anderen Tagen liest der Mensch nicht, er schaut nur. Bilder, Gemälde, Natur und oftmals auch Pornografie. Pornografie? Ein seltsames, gar eigenartig klingendes Wort. Bei genauerer Betrachtung, gefällt mir das Wort nicht. Es gibt so viele schöne Wörter in allen möglichen Sprachen.
Aber Pornografie klingt wie Atemnot in einem intellektuellen Satz.
5
An anderen Tagen lese ich über mich. Ich lese Gutes und Schlechtes, doch was ich auch lese, es gefällt mir nicht. Sollte ich etwas Anderes lesen?
6
An anderen Tagen liest niemand. Alles geht einmal vorüber.
7
An anderen Tagen lese ich von großen Männern. Politikern, Schauspielern und Autoren. Sportlern, das ein oder andere Mal auch. Sie alle verbindet eines. Was sie sagen, hören fast alle, was sie darstellen, sehen fast alle. Doch wer versteht sie? Niemand? Ist es denn überhaupt nötig?
Nun, dem gemeinen Menschen reicht schon ihre Existenz. Er würdigt sie und damit ist es genug. Weiteres ist für ihn belanglos.
Doch was geschieht, wenn die großen Männer groß in das Leben der Menschen eingreifen? Wenn sich die Frauen dann melden, ist es zu spät.
8
An anderen Tagen lese ich über alles Mögliche. Ich lese weltbewegende Literatur. Ich lese über Politik. Ich lese über die Welt.
Doch in dem Moment, da ich jegliches Buch beiseitelege, denke ich. Ich denke an alles Mögliche. Ich denke an Emotionen.
Emotionen sind etwas Vernichtendes, wenn man nicht auf sie vorbereitet ist. Ist man auf sie vorbereitet, so zerstören sie einen im Moment des Verlustes.
Verliert man sie nicht, darf man vielleicht leben, oder?
9
An anderen Tagen sollte man nicht lesen. Man sollte sterben. Wieso sollte man am Tag des höchsten Glücks nicht sterben? Wenn man sein beschränktes Glück für erfüllt hält, sollte man sterben dürfen, oder?
Leider hält man es nur für erfüllt, doch ist man auch erfüllt? Zum Glück, zum glücklich sein, gehört das Denken an andere, das Denken der anderen an den vermeintlich Glücklichen. Ist es Glück im Glück seiner selbst, aber im Unglück der anderen zu sterben?
Man sollte mehr lesen!
10
An anderen Tagen, wenn ich mein Leben abgeschlossen habe, denke ich wieder an mich. Ich diskutiere wieder mit mir. Diesmal gewinne ich nicht. Ich bin allein.
Im Moment kurzer Einsamkeit, in kurzen Momenten der Einsamkeit wünsche ich mir jemanden, der mich hält, der mich versteht, der mich liebt. Auch ich bin nur ein Mensch, seinen Gefühlen unterworfen.
Ich sollte mehr lesen!
11
An anderen Tagen lese ich über die Vergangenheit. Ich lese über damals, um für morgen zu lernen. Während ich über Vergangenes lese, holt mich die Zukunft in der Gegenwart.
Dann kommen die Momente, in denen ich mir darüber klar werde, dass ich durch lesen allein keine Welt verändern kann. Doch gerade jetzt muss ich für morgen lesen.
Ich vertrete die Meinung, unsere Zukunft wurde schon irgendwann einmal geschrieben, irgendwo. Ob in einem Buch, einem Lied, einem Artikel oder gar einem banalen Drehbuch. Aber geschrieben ist sie. Man muss sie nur finden und dann etliche Jahre in die Zukunft denken.
So schwer kann das doch nicht sein, oder?
12
An anderen Tagen denke ich kaum, ich euphorisiere mich, weniger meine Mitmenschen. Ich euphorisiere mich in mir und von mir selbst. Ich bin schon ein echtes Phänomen, ja, ein regelrechtes Wunder. Tausende von Tagen, Milliarden von Gedanken alt, aber ohne Verständnis oder Erkenntnis über mich selbst.