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Perlmuttschwarze Herzen

von Neobe Klein (Autor:in)
400 Seiten

Zusammenfassung

Endlich, nach zwei quälenden Jahren, schafft es Officer Michael Thomson, den Mörder seines Kollegen und Freundes festzunehmen. Doch dieser, jünger als erwartet und noch viel aggressiver, als gedacht ist leider auch der persönliche Leibwächter der Nummer eins im Menschenhandel und dessen Festnahme somit nicht nur für Michael wertvoll. Und so endet Michaels Versuch, schnellstmöglich ein Geständnis zu erzwingen, mit einem Veilchen seinerseits, als sich auch schon ein Commissioner Mayer einschaltet und ihnen einen Deal anbietet. Während dem Leibwächter wohl keine andere Wahl bleibt, muss Michael sich nun entscheiden. Entweder gibt er diesen Fall ab oder er lässt sich zu dem Sklavenhändler Emeral mit einschleusen. Und dies auch noch mit dem verhassten Leibwächter, als einzigen Verbündeten vor. Natürlich entscheidet sich Michael dennoch dafür, diese gefährliche Mission anzutreten. Denn der Preis dafür ist das Geständnis für den Mord an seinem Freund. Doch nachdem er das Haus des Menschenhändlers betreten hat, in dem dieser tatsächlich zwei Menschen wie Sklaven hält, wird er mit unvorstellbaren Dingen und Situationen konfrontiert. Die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwimmen zunehmend und allen Widrigkeiten zum Trotz, keimt nicht nur in Michael eine Art Hassliebe auf. Gefangen zwischen Verachtung, Faszination und Begehren muss Michael sich bald wieder entscheiden. Hält er weiterhin an der Rache für seinen getöteten Freund und somit am Hass fest oder wählt er dieses andere, nicht minder gefährliche Gefühl und entscheidet sich für den Mann, der sich langsam, aber dafür heiß brennend, in sein Herz geschlichen hat.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



Kapitel 2

Michael musste eingeschlafen sein. Denn ein Klopfen an der Tür, ließ ihn aus einem Albtraum hochschrecken, den er Sekunden später schon wieder fast vergessen hatte.

Irgendetwas mit einem grausamen Mafiaboss, in dessen Haus er lebte.

Ach so, ja. Das war ja die verdammte Realität!

Kopfschüttelnd richtete er sich auf und atmete erst einmal tief ein und aus, bevor er „Ja, bitte?“, durch die Tür schrie.

Er musste sich zusammen reißen! Er durfte nicht schon in den ersten Stunden hier die Nerven verlieren.

„Ich soll dich zum Abendessen holen!“, drang die bekannte Stimme von Andilo zu ihm.

„Ähm… ich soll SIE abholen…Sir…“, folgte mit ein paar Sekunden Verzögerung.

An der richtigen Ansprache musste Andilo wohl noch etwas arbeiten, stellte Michael höhnisch fest, bevor ihn die Erinnerung an das Geschehene wieder einholte und er betroffen den Blick senkte.

Gut, dass sein Gegenüber ihn jetzt nicht sehen konnte. Allerdings wusste er nicht, wie er diesem nun gegenüber treten sollte?

Aber er MUSSTE ihn darauf hinweisen, in Zukunft besser auf das Mikrofon und das Bild zu achten. Sie mussten so schnell, an so viele Informationen kommen, wie es ging.

Mit einem Seufzen stand Michael auf, ging zur Tür und öffnete sie.

Täuschte er sich, oder wich auch Andilo seinen Blicken aus?

Etwas, was er bisher noch nie getan hatte!

Schnell sah Michael sich um, um sicher zu sein, dass sie niemand beobachtete.

„Achte in Zukunft besser auf das Mikro. Und halte verdammt nochmal den Blick nicht immer auf den Boden“, zischte Michael leise zur Seite, während sie den Gang zur Treppe entlang liefen.

Ein kaum merkbares Zusammenzucken war die Reaktion auf seine Worte, dann ein giftiger Blick.

„Fick dich!“

Michael blieb stehen.

„Wenn du nicht tust, was ausgemacht war, verfrachtet Mayer dich schneller wieder in die Zelle, als du Menschenhändler sagen kannst. Und deinen schönen Deal kannst du dir dann abschminken!“

Tatsächlich schluckte Andilo schwer und rang sich ein gehorsames Nicken ab. Anscheinend hatten diese Worte Eindruck bei dem renitenten Leibwächter hinterlassen.

Zumindest für zwei Sekunden.

Dann flackerten seine Augen wieder kampflustig auf.

„Trotzdem. Fick dich!“

Erst war Michael zu sehr verblüfft, um sich Andilo zu Gemüte zu führen. Dann hatten sie schon die Treppe zur Hälfte passiert und er sah Emeral bereits unten auf sie wartend. Trotzdem durfte und würde er das nicht auf sich sitzen lassen, soviel stand fest.

Doch zuerst stand Michael das Abendessen mit Emeral bevor.

Dieses lieferte leider keine wirklich wichtigen Erkenntnisse.

Sie sprachen über zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit. Die schlechte Arbeitsmoral der Angestellten heutzutage, wobei Michael es vermied, sarkastische Bemerkungen zu machen. Ach ja, und sie sprachen über das verdammte Wetter. Emeral hatte wohl vor, sich erst einmal ein Bild von der Vertretung seines Geschäftspartners zu machen, bevor er mit diesem, wichtige Dinge besprach. Aber alles andere hätte Michael auch sehr gewundert.

Die einzige Neuigkeit, die er erfuhr, war, dass außer Lotta augenscheinlich noch zwei andere Sklaven in diesem Haus lebten.

Ein halb nackter Mann, der so etwas Ähnliches wie einen Lendenschurz trug, dazu Halsband und Leine, kniete wie selbstverständlich, die ganze Zeit neben Emeral und wurde von diesem häppchenweise gefüttert. Außerdem fuhr sein Herr ihm immer wieder durch die blonden Haare, wie man es wohl bei einem Hund tun würde.

Ein zweiter, ebenfalls spärlich bekleideter Mann saß in einem kleinen Käfig, der an einer Eisenkette befestigt, etwa einen Meter über dem Boden hing und wohl nur zur Dekoration diente.

Oder zur Abschreckung. Scheiß Laden!

Und obwohl er versuchte, es zu unterdrücken, erwischte Michael sich selbst einige Male, wie er mit irritiertem Blick immer wieder zu den beiden Sklaven spähte. Was aber wohl den meisten Menschen so ergangen wäre. Ob sie nun Drogenhändler waren, oder nicht.

„Oh, ich hoffe, die Anwesenheit meiner Bediensteten stört Sie nicht allzu sehr“, kommentierte Emeral einen erneuten Blick von Michael.

Dieser hatte sich genug in der Gewalt, nicht ertappt zu Boden zu sehen, sondern sah weiterhin und nun offen zu dem Mann im Käfig. Schließlich war es genau das Thema, worüber er mit seinem Gegenüber sprechen wollte.

„Nein, nein“, behauptete er. „Es ist nur… gewöhnungsbedürftig.“

„Das verstehe ich“, antwortete Emeral großzügig. „Ich wäre wohl auch etwas irritiert, wenn ich bei Ihnen päckchenweise Drogen herum liegen sehen würde.“

Ohne sein Wollen musste Michael grinsen. Natürlich wusste er es nicht genau, dennoch war er sich sicher, dass auch bei den Kontows die Drogen nicht Päckchenweise im Wohnzimmer herum lagen.

„Nun ja“, entgegnete er immer noch schmunzelnd. „Das ist bei uns Zuhause meistens nicht der Fall.“

„Natürlich nicht“, entgegnete Emeral augenscheinlich ebenfalls belustigt, obwohl Michael noch nicht so wirklich klar war, worüber. „Sie haben mit Sicherheit große versteckte Lagerhallen, in denen Sie ihre … Ware … lagern.“

„In der Tat“, gab Michael freiherzig zu.

So wie es aussah, waren sie nun endlich beim richtigen Thema angekommen.

Doch genau in dem Moment, als Michael zu einer weiteren Frage Richtung Menschenhandel ansetzen wollte, stand Emeral vom Tisch auf.

„Aber lassen Sie uns doch in meinem gemütlichen Wohnzimmer weiter sprechen“, erklärte dieser sein Tun. „Was möchten Sie trinken? Wein?“

„Gerne“, gab Michael zurück und stand ebenfalls auf.

Etwas missbilligend, aber nicht überrascht sah er mit an, wie auch Emerals Sklave, der bis jetzt neben ihm gekniet hatte, ihnen in das Wohnzimmer folgte.

Wohl gemerkt auf allen vieren und an einer Leine geführt.

Während der Boss sich wieder in den großen Ledersessel fallen ließ, nahm Michael auf dem Sofa gegenüber platz.

Auch Andilo war mit in das Zimmer getreten, verhielt sich aber wie immer unauffällig und stellte sich in eine dunkle Ecke.

Naja, sich in ein Sofa zu setzen war für dessen Kehrseite wohl sowieso nicht die beste Idee, überlegte Michael böse, verbot sich seine Gedanken diesbezüglich dann aber sofort wieder. Sie waren definitiv nicht angebracht!

Kurz darauf kam Lotta in das Zimmer, in dem ein offener Kamin eine herrliche Wärme und Gemütlichkeit verstrahlte. Sie brachte die angebotene Flasche Wein und zwei Gläser. Als sie den beiden Männern ihr Getränk mit unterwürfigen Gesten serviert hatte, setzte sie sich, ohne Befehl oder dergleichen zu Michaels Füßen.

An so eine Scheiße kann man sich doch nicht gewöhnen!

Dennoch versuchte er, cool zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen.

Beide „Herren“ nippten an ihrem Weinglas. Natürlich erst, nachdem sie den guten Tropfen vorher geschwenkt und daran gerochen hatten. Michael würde diesen Blödsinn nie verstehen, benahm sich aber, wie es wohl von ihm erwartet wurde, und lobte das gute Bukett.

Zu Michaels Verdrossenheit führten sie abermals ein Gespräch über Weinberge und tolle Urlaubsorte an der Riviera. Zudem rückte Lotta ihm immer weiter auf die Pelle. Inzwischen schmiegte sie sich an seinen Unterschenkel und hob dabei ihren Hintern hoch oder spreizte die Beine.

Und auch der männliche Sklave zu Emerals Füßen benahm sich nicht anders.

Obwohl Mayer versucht hatte, ihn auf solche Szenarien vorzubereiten, musste Michael wohl doch bald, niederschmetternde Müdigkeit aufgrund des Weines schauspielern und sich auf sein Zimmer verziehen. Es war immerhin gerade einmal der erste Abend hier, verdammt!

Hoffentlich unbemerkt blickte er fast schon hilfesuchend in die dunkle Ecke, in der sich Andilo platziert hatte. Dieser stand, so wie Michael es aus der Zelle her kannte, immer noch reglos an seinem Platz. Die Hände hinter dem Rücken, den Blick gesenkt und nicht ansatzweise irgendeine Emotion im Gesicht.

Wie abgedroschen musste man sein?

Aber wahrscheinlich hatte dieser schon weitaus andere Dinge hier gesehen, die mit den armen Sklaven veranstaltet worden waren. Sehr wahrscheinlich hatte er ihnen diese Dinge sogar selbst angetan.

Allein der Gedanke daran, ließ Michael erschauern und führte ihm wieder mehr als deutlich vor Augen, weswegen er hier war.

Und so, wie es aussah, war Michaels heimlicher Blick zu seinem „Komplizen“ wohl auch noch bemerkt worden. Denn als er sich wieder seinem Gastgeber zuwandte, der eigentlich noch damit beschäftigt sein sollte, seinem Sklaven den Hintern zu tätscheln, sah dieser ihn durchdringend und mit nachdenklichem Blick an.

Scheiße! Scheiße! Scheiße!

Auf keinen Fall durfte Emeral auch nur den geringsten Verdacht hegen, er und dieser Andilo könnten gemeinsame Sache machen.

„Ihr Bodyguard hat sich ziemlich schnell wieder bei Ihnen eingefügt“, stellte er deshalb mit argwöhnischer Stimme fest.

Während Emeral grübelnd den Kopf schief legte, konnte Michael derweil doch noch eine Gefühlsregung von Andilo erhaschen. Erschrocken über seine Worte und definitiv auch erzürnt, was er aber anscheinend zu verbergen versuchte, sah dieser kurz auf, hatte sich aber Sekunden später bereits wieder in der Gewalt.

„Nun ja, da muss ich Ihnen wohl recht geben“, begann Emeral nach einigen Augenblicken. „Ich denke, eine angemessene Bestrafung, sollte nach so einem Vergehen schon folgen. Oder was meinen Sie?“

Nun musste Michael nicht einmal überrascht tun. Er war es! Immerhin hatte er mehr oder weniger live mitbekommen, wie sein Gegenüber, Andilo einer, anscheinend überaus angemessenen Bestrafung unterzogen hatte.

Doch dies sollte er lieber für sich behalten!

„Das liegt natürlich ganz in Ihrer Hand, Herr Emeral“, antwortete er deshalb ausweichend. Obwohl er zugeben musste, der Gedanke über Andilos zweite Bestrafung an diesem Tag, mitbestimmen zu können, gefiel ihm irgendwie. Immerhin hatte Michael nicht nur persönliche Gründe, diesen Leibwächter zu verachten. Denn mit seinem „Job“ hier, unterstützte er maßgeblich die grausamen Taten dieses Menschenhändlers.

„Nein, nein“, wiegelte Emeral derweil ab. „Nicht alle meiner Geschäftspartner hätten so loyal reagiert und mir meinen ungehorsamen Leibwächter an einem Stück wieder vorbei gebracht! Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, was so mancher an Ihrer Stelle getan hätte.“

Michael nickte wissend.

„Für meinen Onkel und mich war das selbstverständlich.“

„Was natürlich auch daran liegt, was für eine überaus wichtige Persönlichkeit Sie sind, Herr Emeral“, gab er nachträglich zu, was diesem, ein Schmunzeln auf die Lippen zauberte.

„Sie schmeicheln mir, Herr Kontow.“

Ein Augenrollen unterdrückend setzte Michael sein sympathischstes Lächeln auf.

„Ich sage nur die Wahrheit“, beteuerte er.

„Und das soll belohnt werden“, verkündete Emeral laut. „Wie würden Sie einen Leibwächter bestrafen, der Ihre Befehle missachtet hat?“

Fuck! Keine Ahnung! Ich hatte noch nie einen!

Auf der einen Seite hätte er schon gerne mit eigenen Augen gesehen, wie Emeral diesen Bastard in die Mangel nahm. Vor allem, nachdem er nun wusste, wie unangenehm es Andilo augenscheinlich war, wenn er eine solche Bestrafung mitbekam.

Allerdings kam es ihm, nachdem was er gesehen und gehört hatte, irgendwie falsch vor.

Andererseits witterte Michael auch eine Art Falle oder gar Prüfung seines Gastgebers.

Welcher Neffe würde nicht auf eine Bestrafung pochen, wenn sein Onkel zusammen geschlagen worden war.

Also sah er sich suchend nach einer Alternative um und wurde tatsächlich fündig.

„Nun, es kommt immer darauf an, in wieweit es dem Beschuldigten leidtut, was er getan hat“, begann er rätselhaft und Emeral zog, wie erwartet, fragend die Augenbrauen hoch.

„Mein Onkel hat mir einmal erzählt, dass bei ihm in der Schule, die Prügelstrafe noch an der Tagesordnung war“, fuhr Michael mehr oder weniger erklärend fort. „Einen Lehrer gab es, der die Strafe anhand dessen festlegte, wie reumütig sich der Delinquent zeigte.“

„Und wie hat er das herausgefunden?“, hakte Emeral nach, der augenscheinlich mehr als angebissen hatte, während Andilo ihnen einen herrlich beunruhigten Blick zuwarf.

„Der Lehrer hatte immer ein Holzscheit in dem Klassenzimmer deponiert“, erzählte Michael weiter und sah dabei auf die vielen Holzstücke, die neben dem Kamin aufgeschichtet lagen. „Der Schüler musste sich dann auf die Kante des Holzscheites knien. Verharrte er die Unterrichtsstunde lang so, sah der Lehrer von einer Bestrafung ab.“

„Das ist eine sehr interessante Idee“, gab Emeral mit glitzernden Augen zu.

„Ja, das ist es“, nickte auch Michael.

„Luca!“

Dieser sah auf, ebenfalls mit einem Glitzern in den Augen. Jedoch ein gänzlich anderes, als das seines Chefs: Widerwille gepaart mit einer guten Portion Frust?

Dennoch gab er sich gehorsam.

„Ja Sir?“

„Komm zu uns“, befahl Emeral weiter und Andilo setzte sich widerwillig in Bewegung. „Ach, und bringe doch bitte ein Holzscheit mit, ja?!“

„Ja Sir!“, presste Andilo aus zusammen gebissenen Zähnen hervor.

Würde sich der, aufrührerische junge Mann nun auch gegen seinen Chef so auflehnen, so wie er es im Gefängnis getan hatte? Aber dies war nur schwer vorstellbar. So jemand würde als Leibwächter nicht geduldet werden! Obwohl sich Michael schon öfter gefragt hatte, warum Emeral gerade einer, so hoch aggressiven und unzugänglichen Person sein Leben anvertraute. Die Antwort lag jedoch auf der Hand: Genau wegen dieser Attribute!

Wie erwartet schnappte Andilo sich mit harschen Bewegungen einen der etwa dreißig Zentimeter langen Holzstücke. Bei ihnen angekommen, legte er diesen nicht etwa auf den Boden, sondern ließ ihn einfach achtlos fallen, wohl um zu demonstrieren, wie bescheiden ER diese Idee fand.

Emeral übersah diese Geste großzügig. Zu sehr war er darauf erpicht, seinen renitenten Leibwächter darauf knien zu sehen. Und dies befahl er auch augenblicklich.

„Wenn du genug Reue zeigst, bleibt dir, dank Herrn Kontow eine weitere Bestrafung erspart“, fügte er, tatsächlich im Ton eines strengen Lehrers, hinzu.

Andilo erwiderte nichts, sein Blick sprach jedoch Bände.

„Er scheint nicht wirklich erfreut über Ihren Einfall zu sein, Herr Kontow“, stellte Emeral hämisch fest.

„Nun…“, entgegnete dieser ungerührt und musste zugeben, ihm gefiel das Bild, welches sich ihm bot, als Andilo sich tatsächlich mit einem frustrierten Schnauben, kniend auf dem Holzscheit nieder ließ. „…ich glaube, mein Vater hat erwähnt, dass diese Methode auch bei den Schülern nicht wirklich beliebt war.“

Beide, Emeral wie Michael, verfielen in ein spöttisches Lachen, während Andilos Miene sich noch mehr verfinsterte und dies nicht nur wegen des Spottes.

Zwar war er so schlau gewesen, oder hatte auch nur Glück gehabt, ein Scheit zu wählen, dessen Kante etwas abgebrochen und somit nicht ganz spitz war, aber dennoch zeigte die, mehr als unangenehme Position schnell ihre Wirkung. Michael sah mit Genugtuung, wie Andilo bereits jetzt, nach noch nicht einmal einer Minute, zu kämpfen hatte, um seinen Schmerz nicht allzu deutlich zu zeigen.

„Nun wollen wir uns aber den etwas erfreulicheren Dingen zuwenden“, entschied Emeral.

Michael nickte, hatte dabei allerdings überhaupt kein gutes Gefühl.

Aber wenigstens hatte Emeral inzwischen eingesehen, dass sein Gast wohl noch nicht so weit war, um sich der Sklavin zu seinen Füßen zuzuwenden. Deshalb orderte er sie mit einem Wink zu sich, was Michael aufatmen ließ. Vorerst zumindest.

„Lotta, hole doch bitte den Spielzeugkoffer. Vielleicht hat unser Gast ja Interesse daran, einer schönen Show zuzusehen?“

Der letzte Satz war an Michael gerichtet und dieser beeilte sich zu nicken. Schließlich war er der Neffe eines Drogenbosses, der in den Menschenhandel einsteigen wollte. Es wäre nicht hilfreich, wenn er sich zu sehr zierte. Und ja, er wusste, er musste bald damit rechnen, auch selbst Hand anlegen zu müssen, schob diesen Gedanken jedoch schnell wieder zur Seite.

Nicht am ersten Abend!

Wie befohlen holte Lotta tatsächlich einen Koffer, stellte ihn zwischen Michael und Emeral und öffnete ihn. Zum Vorschein kam allerlei „Spielzeug“ für Erwachsene. Mehrere Dildos, Plugs, Klammern und auch zwei Peitschen, wie ein dünner Schlagstock.

„Sunny…“, forderte Emeral nun den männlichen Sklaven zu seinen Füßen auf. „…erfreue unseren Gast, zusammen mit Lotta, mit einem kleinen Schauspiel eures Repertoires.“

Sofort nickte dieser und kroch auf allen vieren zu der jungen Frau, die sich bereits mit dem Rücken auf den weichen Teppich zwischen dem Sessel und der Couch gelegte hatte.

Deshalb steht hier also kein Wohnzimmertisch, überlegte Michael gereizt, suchte und fand einen kleinen Beistelltisch neben dem Sofa, auf dem er saß und stellte dort sein Weinglas ab. Er hatte das sichere Gefühl, dass er in den nächsten Minuten lieber nichts in der Hand halten sollte, was er vor Schreck über den, teuer aussehenden Teppich schütten konnte.

Tatsächlich legten Sunny und Lotta, ohne weitere Aufforderung, mit ihrer „Show“ los und man musste kein Experte sein, um zu erkennen, die beiden taten dies nicht zum ersten Mal.

Sunny begann, seine Zunge über Lottas Oberschenkel fahren zu lassen, und hob dabei mit gespreizten Beinen seinen Hintern in die Höhe, während Lotta sich wollüstig auf dem Boden rekelte.

Hätte man nicht gewusst, dass die beiden dies nur aus Zwang heraus taten, hätte man das Geschehen sogar als anregend empfinden können. Denn die beiden gingen durchaus liebevoll miteinander um, auch wenn Michael diese Beschreibung völlig aus dem Kontext gegriffen vorkam. Dennoch versuchte er, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die in ihm keinen Ekel oder Wut auslösten.

Zu diesen gehörte auch der unfreiwillige Nebendarsteller, der immer noch auf seinem Holzscheit kniete, dabei jedoch inzwischen sichtlich ins Schwitzen kam.

Michael entfloh ein schadenfreudiges Grinsen, bevor er seinen Blick wieder auf die Hauptdarsteller richtete.

Inzwischen hatte Sunny sich verkehrt herum über Lotta postiert. Somit konnten sie sich gegenseitig oral verwöhnen, was sie auch intensiv taten.

Sunnys Glied war inzwischen steif und zuckte jedes Mal, wenn Lotta gekonnt ihre Zunge über dessen Spitze flattern ließ. Michael legte den Kopf schief und schaute interessiert.

Er hatte nicht mitbekommen, dass Emeral diesem irgendein Aphrodisiakum oder dergleichen gegeben hätte.

War es echte Lust, die der junge Mann in diesem Moment verspürte? Denn aus reinem Gehorsam oder gar Angst heraus, konnte man doch keine solche Erektion bekommen?! Zumindest nicht, soweit Michael dies beurteilen konnte.

Dieser Gedanke, auch wenn es vielleicht nur ein Schönreden war, stimmte Michael zumindest etwas versöhnlich.

Außerdem hatte auch er keine andere Wahl!

Er musste sich angetan geben, ob er wollte oder nicht! Alles andere wäre mehr als kontraproduktiv.

Also machte er es sich in seinem Sitz gemütlich und sah weiter zu, auch wenn er insgeheim erleichtert feststellte, dass sich in seiner Hose nicht das Mindeste regte.

„Sehr schön“, kommentierte auch Emeral sichtlich zufrieden die Bemühungen seiner Sklaven. „Und jetzt wollen wir noch etwas Pep in die Sache bringen!“

Lotta, Sunny und auch Michael sahen auf.

Nur Andilo war zu sehr damit beschäftigt, das Zittern, welches sich langsam in seinem Körper ausbreitete zu unterdrücken.

„Herr Kontow. Als mein Gast dürfen Sie das erste Spielzeug bestimmen“, erklärte Emeral weiter und deutete auf den Koffer.

Sich zu einem lüsternen Lächeln zwingend, besah Michael sich die Gegenstände im Koffer und überlegte fieberhaft, welches wohl noch das kleinste Übel für die beiden wäre.

Klammern? Autsch, nein!

Peitsche, auf gar keinen Fall!

Neben den Dildos, die allesamt eine furchteinflößende Größe aufwiesen, fiel sein Blick auf die wesentlich kleineren Plugs.

Er nahm nicht an, dass Lotta, und Sunny erst recht nicht, noch einen jungfräulichen Hintereingang besaßen. Und so wie die beiden miteinander umgingen, sollte es zumindest nicht schmerzhaft werden, diese zu benutzen.

Also fiel seine Wahl auf die Plugs, auf die er auch im selben Moment noch deutet, während er gleichzeitig hoffte, diese nicht selbst benutzen zu müssen. Somit blieb er nach seiner Wahl sitzen und wartete. Er würde den Teufel tun, und die Plugs freiwillig oder ohne Aufforderung auch nur in die Hand nehmen.

Doch zumindest in dieser Sache hatte er sich zu viel Panik gemacht.

Mit flinken Fingern fischte Lotta sich das ausgesuchte Spielzeug heraus. Wohlgemerkt zwei von ihnen!

Einen davon reichte sie an Sunny weiter und keine zwei Sekunden später wurde das Schauspiel fortgesetzt.

Wie angenommen und erhofft, drückten sie die Plugs nicht einfach rüde in die vorgesehene Körperöffnung des jeweils anderen hinein.

Das wäre ja auch einfach nur geschmacklos gewesen, durchfuhr Michael der sarkastische Gedanke.

Allerdings musste er zugeben, dass das, was er nun zu sehen bekam, auch nicht ganz spurlos an ihm vorbei ging.

Erst hatten Sunny und Lotta die Plugs noch auf den Boden neben sich gelegt und begonnen den anderen, zugegeben lustbringend, auf diese vorzubereiten.

Michaels Blick konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf Sunnys hintere Körperregion, welche dieser inzwischen, sichtlich erregt, vor und zurück bewegte, während Lotta dabei war, ihn mit zwei ihrer Finger, die sie zuvor mit ihrem Speichel benetzt hatte, zu penetrieren.

Es dauerte nicht lange und der Schließmuskel des jungen Mannes war weit genug gedehnt, um den Plug problemlos aufzunehmen. Allerdings schien auch das, was Lottas Gegenspieler gerade tat, ziemlich lustbringend zu sein. Denn die Sklavin nahm den Plug nun zwar auf und hob ihn an Sunnys, vor Erwartung zuckendes Loch, machte dann aber nicht weiter, sondern warf stöhnend ihren Kopf in den Nacken.

Also entweder waren die beiden wirklich verdammt gute Schauspieler oder sie schafften es tatsächlich, die zwei grausamen und lüstern zusehenden Männer an ihrer Seite komplett auszublenden. Wahrscheinlich etwas von beidem.

Lottas Wangen schimmerten inzwischen rot vor Erregung und auch Sunny biss sich gerade höchst erotisch auf die Unterlippe, wie Michael bei einem Seitenblick erhaschen konnte.

Es war ein gegenseitiges, aufheizendes Triezen, welchem sich auch Michael inzwischen nicht mehr entziehen konnte.

Lotta spielte gekonnt mit Sunnys, immer größer werdenden Verlangen. Jedes Mal, wenn sie den Plug schon fast unbeschreiblich langsam in ihm versengt hatte und als Lohn ein leichtes Zittern durch dessen Körper lief, zog sie das Spielzeug wieder aus seinem angespannten Loch heraus und Sunny keuchte frustriert auf, während sein Schwanz zuckend um Aufmerksamkeit bettelte. Dieser wurde von ihr jedoch, mit schon an teuflischer Ignoranz bestraft. Warum auch immer!

Und somit schlich sich auch in Michael, langsam aber sicher der Wunsch, zu sehen, wie Sunny endlich die erlösenden Berührungen zugedacht bekam, nach der dieser sich so offensichtlich sehnte.

Bevor Michael sich seiner Gedanken bewusst wurde und diese nieder kämpfen konnte, war Emeral es, der ihn mit seinen Worten auf den harten Boden der Realität zurückwarf und dies so wuchtig, als hätte ihn tatsächlich ein Faustschlag getroffen.

„Gut so, mein geiles Mädchen!“, feuerte dieser Lottas Tun an. „Bring ihn dazu, mich anzuflehen, abspritzen zu dürfen!“

Und an Sunny gewandt fügte Emeral hinzu:

„Na, mein Sklave? Dir müssen langsam aber sicher die Eier platzen, wie?“

Dieser nickte verzweifelt.

„Bitte Herr! Bitte!“, keuchte er abgehackt.

Schockiert hörte Michael dieser surrealen Unterhaltung zu und seine Emotionen mussten ihm wohl mehr als deutlich im Gesicht stehen. Auch wenn Emeral sie wohl anders interpretierte.

„Ich verstehe, wenn Sie gerne den finalen Shot gesehen hätte, Herr Kontow“, begann dieser an Michael gewandt. „Aber ein Sklave muss begreifen, dass sein Körper nicht ihm selbst gehört, sondern seinem Herrn! Und mein Sunny hier, braucht in dieser Hinsicht immer wieder Erinnerungslektionen, nicht wahr?“

Dieser sah mit glasigem Blick auf.

„Ja … mein … Herr!“

Zufrieden lehnte Emeral sich wieder zurück und befahl Lotta weiter zu machen, was diese natürlich augenblicklich befolgte, während sich ein fieses Grinsen auf den Zügen ihres Herrn ausbreitete.

„Ich habe Sunny seit drei Wochen nicht mehr erlaubt zu kommen, wobei ich Lotta, so alle zwei bis drei Tage Hand an ihn legen lasse. Sie ist inzwischen eine wahre Meisterin darin, ihn in den Wahnsinn zu treiben, bis ihm die Eier platzen. Finden Sie nicht auch?“

Erst nach einigen Sekunden begriff Michael, dass Emerals Worte eine Frage beinhaltet hatten, und hätte dann beinahe mit einem gehorsamen „Ja, mein Herr“, geantwortet, bevor er sich seiner Stellung hier wieder bewusst wurde und ein mehr oder weniger anerkennendes Nicken zustande brachte. Zu hart traf ihn das Begreifen, dass seine gut gemeinte Wahl des Spielzeuges, das genaue Gegenteil bewirkt hatte.

„Nun ja. Es wäre natürlich schon ein schöner Abschluss der Show gewesen, zu sehen, wie er sich auf Ihren Befehl hin aufbäumt und seine Ladung verschießt“, begann Michael, als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte und versuchte dabei so viel Enttäuschung in seine Stimme zu legen, wie es ihm möglich war.

Noch während er diese Sätze sagte, um seinen Fehler vielleicht wieder etwas wettmachen zu können, hatte Michael das ungute Gefühl, die Situation, vor allem für Sunny, dadurch nur noch mehr zu verschlimmern, als zu verbessern.

Aber nun konnte er nicht mehr zurückrudern und so, wie es aussah, schien der Hausherr tatsächlich gewillt, seine Bitte zu erfüllen.

Allerdings anders als erwartet.

Emeral orderte Lotta zur Seite und ließ Sunny alleine auf dem Boden zu Michaels Füßen knien.

Sollte ER etwa?!

Nein!

Michael blieb weiterhin Zuschauer dieses nervenaufreibenden Schauspieles, während Emeral sich eine der Peitschen aus dem Koffer fischte.

„Wichse deinen Schwanz“, befahl dieser nun.

Sein Sklave gehorchte augenblicklich, wenn auch, mit fast schüchtern wirkenden Bewegungen. Außerdem war dessen Erregung sichtbar zurückgewichen. Wahrscheinlich aus Angst vor dem Kommenden.

Während Emeral sich hinter Sunny aufstellte und begann die ersten Hiebe auf dessen Hintern zu platzieren, fluchte Michael in sich hinein.

Er sollte sich auf seine Mission konzentrieren und aufhören, den Sklaven helfen zu wollen! Vor allem, da seine dummen Versuche jedes Mal nach hinten losgingen. Und er war sich sicher, Emeral verursachte dies mehr als bewusst!

Also sah er mit steinerner Miene dabei zu, wie Sunny nun, im Gegensatz zu vorhin, mehr als Schwierigkeiten hatte, seinen Schwanz überhaupt wieder steif zu bekommen, während Emeral weiterhin seinen Hintern malträtierte.

„Na los, Sunny“, feuerte dieser seinen Sklaven an. „Jetzt oder nie! Und glaube mir, so schnell wirst du nicht mehr die Erlaubnis bekommen!“

Diese Worte wirkten.

Mit, teils angestrengter, teils schmerzverzerrter Miene massierte und wichste Sunny seinen Schwanz immer härter und schneller, bis er sich irgendwann aufbäumte. Es war dennoch mehr ein frustrierter, denn befreiender Aufschrei, den er dabei ausstieß, als er sich zuckend auf dem Boden ergoss.

Derweil maß Emeral seinen Gast mit einem Blick, der wohl so etwas wie: „Und, zufrieden?“ bedeuten sollte.

Natürlich war Michael alles andere als das! Einzig und allein der Gedanke, dass es nun wenigstens vorbei war, ließ ihn aufatmen und brachte ihn dazu, einen hoffentlich vergnügt aussehenden Blick an den Tag zu legen.

Trotzdem hatte er das Gefühl, hier einfach nur weg und raus zu müssen, bevor er diesem Bastard einfach an die Gurgel springen würde. Deshalb kramte er nach der Zigarettenschachtel in seiner Hosentasche und zog sie hervor.

„Ich werde mal kurz vor die Tür gehen, wenn Sie erlauben?!“

„Sie können auch gerne hier rauchen“, gab Emeral freimütig zurück.

Ich will aber raus, verdammte Scheiße!

„Das ist sehr großzügig, aber ich glaube, ein bisschen Frischluft wird mir nach dieser heißen Show gut tun“, gab er anstelle seiner wahren Gedanken zurück.

„Natürlich, wie Sie wünschen.“

Na also, geht doch!

„Sind Sie nur so freundlich, Herr Kontow und warten einen kleinen Augenblick, dann werde ich Sie natürlich begleiten.“

Nein!

„Gerne.“

Nervös auf seine Zigarettenschachtel tippend, lief Michael dennoch schon einmal zur Terrassentür und versuchte nicht hinzuhören, als Emeral seinem Sklaven nun befahl, die Sauerei, die er verursacht hatte, wieder aufzulecken und sich dann sauber zu machen.

Noch bevor sein Gastgeber danach ganz zu ihm getreten war, öffnete Michael selbstständig die Tür, trat ins Freie und zog wenige Sekunden später gierig den Rauch in seine Lungen.

Eigentlich hatte Michael vor einigen Jahren mit dem Rauchen aufgehört. In weiser Voraussicht hatte er sich trotzdem ein paar Päckchen seiner alten Lieblingsmarke eingepackt. Über gesundheitliche Konsequenzen konnte er sich immer noch Gedanken machen, wenn er das hier überlebt hatte.

„Ich möchte Sie etwas fragen, Herr Kontow“, begann Emeral eine erneute Unterhaltung, auf die Michael lieber verzichtet hätte, aber dennoch auffordernd nickte.

„Sie müssen mir nicht antworten, wenn es Ihnen zu intim ist.“

Beinahe hätte Michael bei diesen Worten hart aufgelacht.

Zu intim?

Er hatte gerade dabei zugesehen, wie zwei Menschen, jeglicher Selbstbestimmung beraubt, sich gegenseitig Dinge in ihre Körperöffnungen geschoben hatten! Von dem erzwungenen Orgasmus mal ganz zu schweigen!

Dennoch ließ er seinen Gastgeber natürlich weiter sprechen.

„Mir ist aufgefallen, Ihr Interesse scheint mehr an meinem Sklaven zu hängen, als an Lotta. Zudem muss ich zugeben, ich habe berichtet bekommen, dass Sie meinen Willkommensgruß in Form meiner Sklavin wohl abgelehnt haben.“

Berichtet bekommen, oder abgehört, du Bastard?!

Allerdings war beides möglich und außerdem sollte er sich wohl lieber nicht auf diese Kleinigkeit versteifen, während Emeral ihn anscheinend gerade nach seiner sexuellen Gesinnung fragte.

„Erst habe ich natürlich angenommen, Lotta habe sich einfach nur dumm angestellt. Aber inzwischen…“

Emeral brach ab und sah sein Gegenüber erwartungsvoll an.

„Ja, ich bin schwul“, stieß Michael herausfordernd hervor, auch wenn sie ihm auf der Wache noch davor gewarnt hatten, diese Tatsache überhaupt zu offenbaren. Aber das war ihm im Augenblick egal! Er wollte diesem Bastard Paroli bieten, auch wenn es eher ein jämmerlicher Versuch der Auflehnung war. Das wusste er selbst.

„Ich muss sagen, ich mag ihre Ehrlichkeit, Herr Kontow“, konterte Emeral jedoch mit Freundlichkeit, der Michael nichts mehr entgegenzusetzen wusste. Aber wenn sie schon beim Thema Ehrlichkeit waren…

„Sie haben ebenfalls ZWEI männliche Sklaven in Ihrem Haushalt, Herr Emeral. Deswegen nahm ich an, mein Interesse an Männern sollte kein Problem für Sie sein?!“

Denn im Gegensatz zu allen anderen, hatte Michael den armen, jungen Mann, der anscheinend immer noch in diesem kleinen Käfig im Esszimmer hing, nicht vergessen!

Sein Gesprächspartner legte tatsächlich nachdenklich den Kopf zur Seite, bis er sich dann doch noch zu erinnern schien.

„Oh, Sie meinen Frankie“, stellte er dann schmunzelnd fest. „Nein. Lotta und Sunny gehören mir und wie sie damit erkennen können, sehe ich Vorzüge in jedem Geschlecht. Frankie ist nicht mein Sklave. Er gehört einem guten Freund von mir. Vito ist allerdings gerade geschäftlich im Ausland und ich habe Frankie so lange bei mir … beherbergt.“

Ehrlich jetzt?!

Zum einen würde Michael, in einen Käfig sperren, nicht gerade beherbergen bezeichnen! Zum anderen sprach Emeral, wieder einmal, über einen Menschen, wie von einem Haustier. Fehlte nur noch, dass er einen seiner Sklaven an einer Autobahn aussetzte, wenn er ihn nicht mehr haben wollte!

„Ich werde ihn morgen auf dem Sklavenmarkt wieder an ihn übergeben“, fuhr Emeral weiter fort.

Dies ließ Michael sofort aufhorchen.

Denn mit Vito konnte nur Viktor Demali gemeint sein. Ein ebenfalls großer Fisch im Menschenhandel, von dem sie jedoch bis jetzt nicht wussten, dass dieser mit Emeral zusammen arbeitete und nach dessen Aussage, sogar ein guter Freund von ihm war.

Das musste Mayer und sein Team erfahren, wenn sie nicht sogar gerade mithörten!

Unbewusst sah Michael sich nach dem, immer anwesenden Schatten von Emeral, seinem verwanzten Leibwächter um, bevor ihm mit einem Blick nach drinnen einfiel, dass dieser immer noch verbissen auf diesem Holzscheit kniete.

Fuck!

„Alles in Ordnung, Herr Kontow?“, fragte Emeral nach, dem seine Reaktion nicht entgangen war.

„Ja… Ja, alles gut“, log er. „Ich habe mich nur gefragt, ob es möglich wäre, Sie morgen vielleicht dorthin begleiten zu können.

Mit Kamera und Mikrofon, versteht sich!

„Natürlich werden Sie mich begleiten, mein Freund“, erklärte Emeral schon fast belustigt. „Sie müssen doch wissen, was bald zu Ihren Aufgaben gehören wird, wenn Sie, Ihr Onkel und ich uns einig werden, und davon gehe ich aus.“

Dankbar und erleichtert nickte Michael.

„Außerdem habe ich dort eine Überraschung für Sie geplant“, fuhr Emeral weiter fort. „Ich möchte nicht zu viel verraten, aber es ist gut, dass wir Ihre Vorlieben heute noch geklärt haben, ansonsten hätte ich wohl einen massiven Fehlgriff begangen.“

Es war nicht schwer zu erraten, welche Überraschung sein Gastgeber auf dem Sklavenmarkt für ihn geplant hatte, dennoch gab Michael sich erwartungsvoll.

„Nun, dann bin ich sehr gespannt auf den morgigen Tag und bedanke mich schon einmal im Voraus.“

„Nein, nein“, wiegelte Emeral ab. „Danken Sie mir erst, wenn Sie mein Geschenk auch wirklich erfreut. Doch ich muss zugeben, ich habe bereits eine gewisse Vorahnung, was Ihnen gefallen könnte. Aber lassen Sie uns wieder rein gehen. Der gute Wein trinkt sich schließlich nicht von selbst.“

„Gerne“, stimmte Michael zu, auch wenn er über Emerals Worte grübeln musste.

Natürlich würde sein „Geschenk“ nun männlich ausfallen, so viel stand fest. Doch das hatte sein Gegenüber mit seinen letzten Worten nicht gemeint, dessen war Michael sich sicher. Aber er würde es wohl auf sich zukommen lassen müssen.

Michael nahm sich einen letzten Zug, drückte seine Zigarette aus und folgte Emeral dann wieder nach drinnen.

Dort empfing sie Lotta, die brav neben dem Sofa kniend auf sie wartete und Sunny, der schon wieder sein Hinterteil in die Höhe streckte, da er immer noch dabei war, den Teppichboden mit seiner Zunge zu säubern. Allein der Gedanke bereitete Michael Übelkeit und mit dieser stieg auch wieder die Wut über das Geschehene in ihm hoch.

Deshalb beäugte er Sunnys Hintern kritisch, stellte jedoch etwas erleichtert fest, dass dieser zwar noch etwas rot war, doch außer einer kleinen, leicht rötlichen Linie, wäre in spätestens einer Stunde nichts mehr von den Schlägen zu sehen.

Mit diesem Gedanken sah Michael zu Andilo, der immer noch und inzwischen unübersehbar zitternd, auf seinem Scheit kniete.

Warum war er nicht einfach längst aufgestanden und hätte dafür den kürzeren und wie Michael ja nun gesehen hatte, nicht sehr schlimmen Schmerz einer Peitsche auf sich genommen?

Weil er sturer ist, als eine ganze Horde Esel!, beantwortete Michael sich die Frage selbst. Wahrscheinlich würde er einfach alles tun, damit Michael nicht dabei zusah, wie Emeral seinen, vielleicht bloßen Hintern bearbeitete.

Wieder musste Michael zugeben, dieser Gedanke gefiel ihm!

Luca Andilo, dieser widerspenstige Bastard, der von Emeral übers Knie gelegt wurde und den nackten Hintern versohlt bekam. Zumindest hätte dieser es tausend Mal mehr verdient, als der arme Sunny! Außerdem stellte er im Nachhinein fest, dass Sunny, im Gegensatz zu Andilo, nicht geschrien hatte, als er Emerals Peitsche zu spüren bekommen hatte. War der, sich so hart gebende Leibwächter vielleicht doch nicht so stark, wie er einem immer weismachen wollte?

„…und einen hübschen Knackarsch hat er auch“, drang indessen an Michaels Ohr.

Er war so sehr in seinen kleinen Rachegedanken versunken gewesen, dass er Emeral nur halbherzig zugehört hatte, als dieser begonnen hatte, über seinen Sklaven zu schwärmen.

„Ja, aber etwas dünn“, gab Michael unkonzentriert und damit ehrlich zur Antwort.

„Nein, tut mir leid. Er ist wirklich ein Augenschmaus“, fügte er dann hastig hinzu.

„Ich mag sie ja lieber sehnig“, gab Emeral zurück, sah aber gleichzeitig und fast schon lauernd zwischen Sunny und Andilo hin und her, als müsse er überlegen, welchem von beidem Michaels letzte Worte gegolten hatten.

Michael war alleine über diese abwegige Idee, er könne diesen Andilo auch nur ansatzweise ansprechend finden, mehr als entsetzt! Schließlich war er noch nie einem so renitenten und aufmüpfigen Menschen begegnet.

Und dies sollte sein Gastgeber ruhig erfahren!

„Nun“, begann er mit dunkler Stimme. „Der Lehrer meines Vaters hätte den Delinquent nun übers Knie gelegt und ihm ordentlich den Arsch versohlt.“

Natürlich schoss Andilo ihm augenblicklich, einen seiner dunklen, aggressiven Blicke zu, mit dem er ihn wohl am liebsten aufgespießt hätte, während Emeral überrascht eine Augenbraue hochzog.

„Ich dachte, er hat über eine Bestrafung hinweg gesehen, wenn, der zu bestrafende genug Reue gezeigt hat? Alles andere wäre wohl sehr als sehr unfair anzusehen gewesen.“

Und diese Worte aus dem Munde eines Menschenhändlers!

Schulterzuckend drehte Michael sich zu Emeral um.

Immerhin hatte er inzwischen an Sunny gesehen, ein paar Peitschenhiebe waren nicht so schlimm, wie er es heute Nachmittag vermutet hatte.

„Es ging vielleicht damals nicht immer fair zu, aber in der Klasse dieses Lehrers gehorchten die Schüler und es herrschte Ordnung!“, gab er zu bedenken.

Emeral schien angebissen zu haben. Er legte den Kopf schief, wie er es öfter tat, wenn ihm eine interessante Idee unterbreitet wurde, und setzte sein zähnefletschendes Lächeln auf.

„Was sagst du dazu, Luca? Denkst du, es wäre dienlich für deinen Gehorsam und deine Treue, wenn ich dir hier, vor den Augen meines Gastes und wie einem Schuljungen, den Hintern versohle?“

Nun waren alle Augen auf Andilo gerichtet. Selbst Sunny hörte mit seiner haarigen Aufgabe auf und tauschte einen verstohlenen Blick mit Lotta aus.

War es Mitleid, welches er in den Augen der beiden las? Zumindest Bedauern über die Situation, in der Andilo sich gerade befand. Bereits bei ihrer Ankunft hatte Michael die Sympathie bemerkt, die Lotta augenscheinlich für den Leibwächter hegte. Wie auch immer diese zu erklären war.

Auf jeden Fall reagierte Andilo erst einmal überhaupt nicht, auch wenn er die Frage seines Chefs durchaus gehört hatte.

Nur einen entsetzten, bis fassungslosen Blick hatte er kurz nach oben geworfen.

Doch auch wenn er nun wieder zu Boden starrte, konnte Michael sehen, wie es hinter dessen Stirn arbeitete. Seine Mundwinkel wirkten verkrampft und zuckten leicht. Und seine Brust hob und senkte sich angestrengt, als habe er Mühe zu atmen.

Dann schluckte er und bemühte sich um eine gefasste Miene, während er die folgenden Worte aus sich heraus zwang.

„Das liegt alleine in Ihrem Ermessen, Sir. Ich werde mich Ihrem Urteil fügen, wie auch immer dieses lautet.“

„Und du wirst dich, bei jedem Schlag mit einem „Danke, Sir“ bei mir bedanken, oder?“, forderte Emeral streng noch mehr ein.

„Ja, Sir.“

Andilos Stimme schien nun brüchig, auch wenn er sich wohl alle Mühe gab, dies zu unterbinden.

Michael drehte sich augenblicklich um und lief ein paar Schritte abseits, um seine wahren Emotionen zu verbergen. War es vor wenigen Sekunden noch Schadenfreude gewesen, die er empfunden hatte, so drängte sich jetzt ein ganz anderes Gefühl in seine Brust.

Erst wollte er sich selbst weismachen, dass es Verwirrtheit war. Was um alles in der Welt, bewegte diesen jungen Mann, den er bisher nur als dreist und abgebrüht kennengelernt hatte, zu solch, fast schon unterwürfigen Worten?

Aber diese Frage allein war es nicht!

Auf einmal hatte Michael das Gefühl, er könne diese Bestrafung, die er vor nicht einmal zwei Minuten selbst eingefordert hatte, um keinen Preis der Welt zulassen.

Wahrscheinlich war es einfach diese Umgebung und diese zwei Sklaven, die ihm unendlich leidtaten, was ihn dazu veranlasste, nun auch, und dies unerklärlicher Weise, für diesen Mörder, so etwas wie Mitgefühl zu empfinden.

Entschlossen drehte er sich wieder zu dem Geschehen um. Er würde, zumindest heute Abend, keine weiteren Schläge und Demütigungen zulassen. Egal bei wem!

Inzwischen hatte sich der Herr des Hauses auf seinem Sessel nieder gelassen. Andilo war aufgestanden, schaffte es aber noch nicht, dem auffordernden Wink seines Chefs nachzukommen und sich tatsächlich die Hose herunter zu ziehen.

„Herr Emeral“, schritt Michael ein. „Ich fürchte, der Wein ist mir doch etwas mehr in den Kopf gestiegen, als ich dachte, und morgen wird mit Sicherheit, ein sehr interessanter und anstrengender Tag werden. Wäre es möglich, die Bestrafung auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen? Ich würde mich gerne schlafen legen.“

Natürlich war Emeral, von seinen Worten, mehr als überrascht und nicht gerade sehr angetan. Außerdem zog er wieder eine seiner Augenbrauen nachdenklich, fast lauernd, hoch und sah abwechselnd Michael und Andilo an, bevor er sich dann doch dazu durchringen konnte, zu nicken.

„Sie sind mein Gast, Herr Kontow und natürlich möchte ich Sie nicht an Ihrem ersten Abend hier überanstrengen. Obwohl ich zugeben muss, dass ich es doch etwas bedauere. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, nicht wahr?“

Es war nicht auszumachen, wem diese letzten Worte galten, dennoch nickte Michael zustimmend, da Andilo so sehr die Zähne aufeinanderpresste, dass die Wangenknochen hervortraten und somit eine Antwort von ihm eher ausgeschlossen war.

„Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis“, fügte Michael schnell hinzu, bevor Emeral es sich doch noch einmal anders überlegen würde.

„Natürlich“, entgegnete dieser. „Luca, bringe unseren Gast doch bitte auf sein Zimmer. Ich denke, ich werde mir hier mit Sunny und Lotta noch ein wenig die Zeit vertreiben.“

Immerhin schaffte es Andilo, nun wenigstens zu nicken und beeilte sich dann, voraus zu eilen, um Michael, wie angewiesen zu seinem Zimmer zu bringen.

Michael wartete, bis die Tür zum Herrenzimmer geschlossen war und sie sich bereits auf der Treppe nach oben befanden, bevor er es wagte, sich leise an Andilo zu wenden.

„Wir werden morgen zu einem Sklavenmarkt gehen“, gab er seine neue Information weiter.

„Ich weiß“, flüsterte Andilo tonlos zurück.

Noch bevor Andilo den Mund geöffnet hatte, hatte Michael diese Antwort anhand dessen Reaktion - nämlich keine, erahnt.

Verdammt nochmal! Er sollte mit allem sofort zu ihm kommen und ihm alles erzählen, was er mit Emeral besprach! Vor allem bei so wichtigen Dingen!

„Und wann zum Teufel wolltest du mir davon berichten, hä?“, hakte Michael verärgert nach.

„Hätte ich getan, wenn du nicht bisher zu beschäftigt damit gewesen wärst, Emerals kleines Arschloch zu spielen!“, gab dieser patzig zurück.

Empört schnappte Michael nach Luft.

Wie hatte dieser Bastard ihn gerade genannt?!

Andererseits musste Michael zugeben, dass seine Aktion eben, wohl alles andere als fair gewesen war. Aber Andilo hatte es auch nicht anders verdient!

Oder?

Langsam aber sicher begann Michael an allem zu zweifeln, was er bisher als unumstößliche Tatsache gesehen hatte. Andilo war ein eiskalter Mann! Ein Mörder und Sadist! Er hatte keine Fairness und auch keine Gnade verdient! Die hatte er bei Tim auch nicht gezeigt!

Tief ein und aus atmend mahnte Michael sich selbst zur Ruhe. Es gab wichtigere Sachen zu klären!

„Du wirst morgen auf dem Markt die Kontaktlinsen und die Wanze tragen“, befahl er.

Wieder bekam er eine, mehr als unzufrieden stellende Antwort.

„Nein. Zu gefährlich.“

„Willst du mich verarschen?“, fuhr Michael, lauter als gut war auf. „Du wirst es morgen tragen, und zwar beides! Ansonsten schwöre ich dir, werde ich dich nicht nur von Emeral übers Knie legen lassen! Ich werde selbst Hand anlegen!“

Abermals schien er mit seiner Drohung ins Schwarze zu treffen, denn augenblicklich sah er die versteckten Anzeichen, die Andilo nur zeigte, wenn er gestresst war. Das Zucken seiner Finger und das hin und her huschen seines Blickes, als suche er einen Ausweg aus dieser Situation. Aber Michael würde ihm keinen geben!

„Es sind dort überall Wachmänner mit Metalldetektoren und Körperscanner. Kameras!“

Nun war es Michael, der ungerührt mit den Schultern zuckte.

„Du hast die Wahl! Entscheide dich. Außerdem werden sie Vincent Emeral und seinen persönlichen Leibwächter wohl kaum genauer unter die Lupe nehmen!“

„Vielleicht aber gerade seinen persönlichen Leibwächter doch“, gab Andilo zu bedenken und Michael musste eingestehen, dieser Gedanke war nicht ganz so abwegig.

Dennoch war ein Sklavenmarkt eine zu wichtige Angelegenheit. Da musste auch Andilo ein größeres Risiko wagen. Ob es ihm gefiel oder nicht.

„Du wirst es tragen! Ansonsten weißt du, was passiert“, beendete Michael diese Diskussion und verschwand in seinem Zimmer, ohne Andilo die Gelegenheit zu geben, noch etwas zu erwidern.

Mit wütenden Schritten lief auch Luca in sein Zimmer.

Was bildete sich dieser Bullenarsch nur ein?!

Und ja verdammt! Eigentlich sollte es ihm scheiß egal sein! Es sollte ihm auch scheiß egal sein, ob dieser Thomson dabei war, wenn Emeral ihn schlug, oder ob dieser seine Striemen am Rücken sah! Aber irgendetwas in Luca wehrte sich dagegen. Er konnte allein den Gedanken nicht ertragen, wie dieser Bulle ihn dann ansehen würde, obwohl er nicht sagen konnte, ob es mehr die Angst davor war, Genugtuung in dessen Augen zu sehen, oder gar Mitleid.

Frustriert ging Luca in sein Zimmer und ließ sich dort aufs Bett fallen. Sein Rücken schmerzte, genauso wie seine Knie.

Und immer wieder drehte sich eine Frage in seinen Gedanken.

Warum hatte Thomson, nachdem er es selbst eingefordert hatte, dass Emeral ihn doch noch bestrafen sollte, dann so plötzlich einen Rückzieher gemacht?

Er spielte mit ihm!

Oder war es etwas anderes gewesen, was ihn dazu bewogen hatte?

Aber wenn ja, was?

Kapitel 3

Zwei Tage zuvor:

Michael lief die Treppen hinunter zu dem Verhörraum.

Dort angekommen saß der Mann, den er gestern festgenommen hatte bereits an dem kleinen Tisch, welcher mitten im Raum stand. Die Arme hielt er nach hinten zwischen Lehne und seinem Rücken. Denn nach den Geschehnissen gestern hatte Michael angeordnet, diesem immer Handschellen anzulegen, und dies noch bevor man ihn aus der Zelle ließ.

Wie schon die Male zuvor rührte sich Luca Andilo nicht, als Michael sich ihm gegenüber setzte, und tat so, als wenn er die Anwesenheit des Polizisten überhaupt nicht bemerkte.

Etwas genervt von diesem Verhalten sah Michael noch einmal die Unterlagen durch, die er mitgebracht hatte. Einige Fotos von Überwachungskameras, die belegten, dass der zu Verhörende, der persönliche Leibwächter des Menschhändlers Vincent Emeral war.

Leider konnten diese Aufnahmen nicht beweisen, dass er auch derjenige war, der die Drecksarbeit für diesen erledigte. Dinge, wie einen Polizisten zu erstechen, der unbefugt dessen Gelände betreten hatte. Oder auch die armen Menschen, die diesem Bastard zum Opfer gefallen waren, gefügig zu machen.

Laut Bericht wurde davon ausgegangen, dass Vincent Emeral selbst mehr als einen Sklaven oder Sklavin bei sich im Haus hielt. Leider fehlten auch dazu die Beweise. Er musste diesen Leibwächter zum Reden bringen! Und das nicht nur, wegen seines verstorbenen Freundes!

Müde rieb Michael sich die Augen.

Inzwischen war es etwa zwei Jahre her, dass sein Kollege und Freund, Tim Benneck, von dem Festgenommenen kaltblütig ermordet worden war. Nachweisen konnten sie ihm diesen Mord jedoch nicht.

Tim war eines Nachts einfach alleine losgezogen und hatte auf eigene Faust versucht, an Emeral heran zu kommen. Überwachungskameras belegten, dass er es tatsächlich geschafft hatte, in das Anwesen des Menschenhändlers einzudringen. Danach verlor sich jede Spur.

Erst Wochen später hatten sie zumindest Teile von Tims Leiche gefunden. Ihm war sehr wahrscheinlich ein Messer in die Brust gestochen worden. So der Obduktionsbericht.

Inzwischen hatten sich auch zwei von Michaels Kollegen eingefunden und sich links und rechts neben der Tür postiert.

Bei jedem anderen Inhaftierten hätte Michael diese Maßnahme als lächerlich und übertrieben empfunden.

Nicht bei diesem!

Luca Andilo hatte in der Zeit, in der er hier in Gewahrsam war, bereits zwei Beamte angegriffen. Einem davon hatte er die Nase gebrochen.

„Also. Wo waren wir gestern stehen geblieben?“, begann Michael nach einigen Sekunden.

Sein Gegenüber antwortete nicht, sah ihn nicht einmal an. Seine dunklen Augen stierten nur eisern auf den Boden.

„Ja, genau richtig. Da waren wir stehen geblieben“, fuhr Michael sarkastisch fort.

Denn tatsächlich hatte er bis jetzt nicht mehr als zwei oder drei Sätze aus Luca Andilo heraus bekommen. Sie wussten nicht einmal, ob dies überhaupt sein richtiger Name war. Denn über den Mann gab es keine Unterlagen, keinen Ausweis, nichts!

Aufgrund der Fotos der Überwachungskameras hatte Michael ihn auf etwa dreißig Jahre geschätzt. Inzwischen hatte er diese Schätzung um mehrere Jahre nach unten korrigiert. Dabei war es mehr als ungewöhnlich, dass ein so hohes Tier im Menschenhandel wie Emeral, einen so jungen Mann, als persönlichen Leibwächter auserkor. Auch dessen Äußeres entsprach nicht wirklich der gängigen Vorstellung eines Leibwächters. Zwar war Andilo in etwa genauso groß, wie er selbst und unter seinem Shirt konnte man erahnen, wie durchtrainiert er war. Jedoch saß Michael nicht einem Typ Mann gegenüber, den man als menschlichen Schrank bezeichnen würde. Außerdem schienen auch dessen Gesichtszüge fast schon zu filigran, um in diesem Job ernst genommen zu werden.

Andererseits hatte dieser ihnen den Grund, warum er für den Menschenhändler als Nummer eins bei seinen Männern galt, inzwischen mehr als eindeutig vor Augen geführt.

Luca Andilo war schlau, hinterlistig, schnell und höchst aggressiv. Dazu kam dessen sture Loyalität seinem Chef gegenüber. Bis jetzt hatte er nicht einmal zugegeben, dessen Namen überhaupt zu kennen.

Schwer atmend blätterte Michael nochmal durch die Seiten seiner Unterlagen.

Seit dem Tod seines Freundes hatte er alles daran gesetzt, den Menschenhändler und vor allem auch dessen persönlichen Leibwächter zu fassen. Leider musste er zugeben, dass die Festnahme von Andilo mehr zufällig zustande gekommen war.

Sein Boss hatte ihm anscheinend aufgetragen einen neuen Geschäftspartner, einen Drogenboss, sicher nach Hause zu begleiten.

Dieser hatte sich jedoch in den Kopf gesetzt, in einem Stripclub eine Rast einzulegen und Michael, der selbst in seiner Freizeit ständig um das Anwesen herum streunerte, war diesem Gespann sofort gefolgt.

Natürlich hatte er es zwar in den Club, aber nicht in das Separee geschafft.

Aber dies war auch nicht nötig gewesen.

Bereits nach kurzer Zeit war lauter Krach in dem Zimmer zu hören gewesen und die Security des Clubs waren hinein gestürmt.

Andilo war dort auf seinen Schutzbefohlenen losgegangen.

Aber immerhin war es Michael gelungen, in dem Chaos, welches daraufhin ausgebrochen war, Andilo von hinten nieder zu schlagen, als dieser aus dem Club flüchten wollte, um ihn dann anschließend für verhaftet zu erklären.

„Hat Ihr Boss, Vincent Emeral Ihnen befohlen, seinen Geschäftspartner anzugreifen?“, fragte Michael nun zum gefühlt hundertsten Mal.

Wie auch die Male zuvor. Keine Reaktion.

„Na gut. Dann frage ich anders. Wollten Sie den Mann töten?“

„Wenn ich das gewollt hätte, dann wäre er jetzt tot“, entgegnete Andilo trocken und presste dann wieder seine roten Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.

„Ach, ist das so?!“, fragte Michael nur noch schwer beherrscht nach. Denn wenn dieser Andilo dann tatsächlich einmal den Mund aufmachte, kamen nur Äußerungen, die Michael schier zur Weißglut trieben.

Er nahm Tims Foto und knallte es auf den Tisch.

„Was ist mit ihm? Ist auch ER tot, weil du es wolltest. Weil du ihn kaltblütig ermordet hast?“

Wie schon die Male zuvor hob Andilo zwar nun den Kopf und fixierte das Foto des toten Polizisten mit seinen dunklen Augen, sagte jedoch kein Wort dazu.

Du Bastard! Ich weiß, dass du es warst!

Emeral hatte sich wohl nicht selbst die Hände schmutzig gemacht. Also blieb nur noch Andilo, der zu der Zeit im Haus war.

„Er war mein Freund“, fuhr Michael auf und ließ dabei auch weiterhin die siezende Anrede weg. Es gab Menschen, die hatten keinen Respekt verdient! „Er war ein guter Mensch! Und du hast ihn einfach kaltblütig erstochen!“

Als er natürlich wieder keine Antwort, geschweige denn ein Geständnis bekam, stand Michael auf, ließ sich neben dem Inhaftierten in die Hocke sinken und betrachtete dessen, fast schon blasses Gesicht.

Wie immer war es unbewegt.

Weder bei der Festnahme, noch in den zwei Verhören gestern, hatte er auch nur die kleinste Gefühlsregung aus diesem Mann hervorlocken können. Und er hatte so einiges versucht.

Immer mehr hatte er das Gefühl, früher oder später würde er dem Gefangenen einfach die Antworten, die er hören wollte, aus dem Leib prügeln. Aber das durfte nicht passieren!

Also schlug er lieber mit voller Wucht auf den Tisch und stand auf.

„Weißt du, was du für mich bist?“

Einige Sekunden später beantwortete Michael seine Frage selbst.

„Auch wenn du dich noch so stark gibst und meinst, dich hier gegen alles und jeden auflehnen zu müssen. Für mich bist du der letzte Dreck! Nur ein jämmerlicher Feigling!

Und ich sage dir auch warum!

Wie tief muss man sinken, um für einen Menschenhändler wie Emeral zu arbeiten und für ihn die Drecksarbeit zu erledigen, hä?

Du machst seine Sklaven, Menschen die er einfach wie ein Stück Vieh bei sich hält, gefügig, ja?

Du bist der letzte Dreck und das weißt du auch! Jemand, der sich an denjenigen vergreift, die sich nicht wehren können!“

Bei diesen Worten betrachtete Michael sein Gegenüber ganz genau.

Hatte er etwa einen wunden Punkt getroffen?

Tatsächlich öffnete Andilo den Mund.

Würde er jetzt endlich reden?

Würde er vielleicht sogar aus Trotz oder Wut heraus, den Fehler machen, doch noch wertvolle Informationen preis zu geben?

Nein!

Der Gefangene hatte nur den Mund geöffnet, um ihm eine Ladung Rotz ins Gesicht zu spucken.

Wütend ballte Michael die Fäuste, zwang sich dann aber zur Ruhe.

Er hatte sich nicht getäuscht! Etwas von dem, was er gerade gesagt hatte, hatte sein Ziel getroffen.

Nun musste er nur noch herausfinden, was genau.

Da er sich sicher war, dass sein Gegenüber so etwas wie Mitgefühl fremd war, versuchte er, ihn erneut an seiner Ehre zu packen.

Mit einer verachtenden Handbewegung wischte Michael die Spucke aus seinem Gesicht.

„Du weißt, dass ich recht habe! Wie erklärst du eigentlich deiner Familie, wie du zu deinem Geld kommst? Denkst du, deine Mutter wäre stolz auf dich, wenn sie wüsste, dass du junge Mädchen für deinen Chef quälst? Oder würde sie sich wohl eher im Grabe umdrehen, falls sie so viel Glück hatte, von uns zu scheiden, um nicht mehr miterleben zu müssen, was aus ihrem Sohn…“

Weiter kam Michael nicht.

Ohne das geringste Anzeichen in dessen Gesicht oder Körperhaltung, sprang sein Gegenüber auf, packte ihn und warf ihn zu Boden.

Noch bevor Michael sich fragen konnte, warum zum Teufel Andilo keine Handschellen mehr trug, war dieser bereits über ihm und hieb ihm mit der Faust ins Gesicht.

Natürlich waren Michaels Kollegen sofort zur Stelle und zerrten den aufgebrachten Gefangenen von ihm herunter.

Doch selbst als die Wachen es mit einiger Mühe geschafft hatten, Andilo wieder Handschellen anzulegen, ließen sie nicht von ihm ab.

Brutal drückten sie den Gefangenen gegen die Wand und einer von ihnen zog bereits seinen Schlagstock aus dem Gürtel.

So schnell er konnte, rappelte sich Michael auf.

Und ja, verdammt, auch er hatte Lust darauf zu sehen, wie dieser Bastard zumindest mal eine Abreibung bekam.

Dennoch schrie er seine Kollegen an, sofort aufzuhören.

„Stecken Sie sofort das Ding weg!“, brüllte Michael zornig weiter, bevor der Wachmann dazu kam, zuzuschlagen. Immerhin tat dieser, was er sagte und schob den Schlagstock wieder in die Halterung seines Gürtels, auch wenn ihm mehr als anzusehen war, wie wenig ihm diese Entscheidung gefiel.

Und natürlich verstand auch Michael die Frustration der Männer. Luca Andilo raubte nicht nur ihnen den letzten Nerv.

Dennoch durfte er dies nicht zulassen. Und das aus mehreren Gründen. Erstens, weil sie verdammt nochmal die Guten waren und sie sich nicht mit diesen Verbrechern auf eine Stufe stellen durften. Und auch, weil er das sichere Gefühl hatte, gerade in Andilos Fall würde Gewalt nichts bringen.

„Bringt ihn raus! Zurück in die Zelle mit ihm! Und niemand schlägt ihn, verstanden?“, befahl Michael im harschen Ton, um seine Entscheidung zu untermauern, und fasste sich an die schmerzende Wange, während Andilo sich nochmals kurz zu ihm umdrehte, bevor er aus dem Raum geführt wurde.

Und wieder einmal wurde Michael nicht schlau aus seinem Gefangenen. Denn natürlich hatte er erwartet, dieser würde ihm nochmals aggressive oder gar verhöhnende Worte entgegen zischen, bevor er abgeführt wurde. Doch er hatte nicht einmal den Mund geöffnet, sondern ihn nur mit einer Mischung aus Verwirrtheit oder gar Unglauben angesehen. Zumindest soweit Michael dies beurteilen konnte, denn immer noch war dieser Leibwächter für ihn wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Frustrierte sah Michael sich nochmals um, während er seine Unterlagen wieder zusammen sammelte.

Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, einer der Wachen wäre nachlässig gewesen und hätte die Handschellen nicht weit genug zugezogen. Aber als er zu der Stelle sah, an der Andilo noch vor wenigen Minuten gefesselt gesessen hatte, lagen die Handschellen nun GEÖFFNET dort am Boden!

Wie zum Geier hat er das gemacht?

Er war doch durchsucht worden?

Michael schritt aus dem Raum und beauftragte die Wachen Andilo heute Duschen zu lassen. Dabei sollten sie ihn nochmals gründlich durchsuchen, ihm seine Klamotten wegnehmen und diese durch irgendeine Häftlingskluft ersetzen.

So etwas DURFTE nicht noch einmal geschehen!

Zwei Stunden später saß Michael in seinem Büro und sah bereits wieder zornig auf die Uhr.

Längst hätte einer der Wachmänner zu ihm kommen und ihm Bericht darüber erstatten sollen, was sie gefunden hatten.

Gerade als er schnaubend aufstehen und sich auf den Weg zu den Zellen machen wollte, klopfte es an seiner Tür.

Nach Aufforderung trat der Wachmann ein, den er mit der Durchsuchung beauftragt hatte.

Michael musste nicht nachfragen, wie es gelaufen war.

Ein Hämatom, welches inzwischen auch Michaels Wange färbte, zierte nun auch ein Auge des Wachmannes.

„Was ist nun wieder passiert?“, fragte Michael angefressen.

„Was passiert ist?“, keifte sein Gegenüber sofort los. „Der Typ ist wahnsinnig! Das ist passiert!“

Erzähl mir etwas, was ich noch nicht weiß!

„Erst hat er sich geweigert, sich auszuziehen. Als wir das dann mit Nachdruck gefordert haben und ihn durchsuchen wollten, ist er komplett ausgerastet!“, berichtete der Mann weiter, kam näher und knallte Michael ein kleines Drahtstück auf den Schreibtisch.

„Das haben wir gefunden, bevor es eskaliert ist. Er sitzt jetzt wieder in der Zelle. Keine Ahnung, ob er noch mehr hat. Aber entweder gehen wir das nächste Mal gesammelt da rein und zeigen diesem Bastard, wo es lang geht oder Sie suchen sich einen anderen Idioten!“

Mit diesen Worten drehte der Wachmann sich um und wollte gerade das Büro verlassen, als er sich doch nochmal umdrehte, als hätte er vergessen, noch etwas Wichtiges zu erwähnen.

„Ach ja. Und nochmal etwas, was Ihnen nicht gefallen wird.“

Michael horchte auf.

„Vor etwa einer Stunde sind Beamte gekommen. Hochrangige Beamte. Sie haben Andilo aus der Zelle geholt und vernehmen ihn.“

„Was?!“, keuchte Michael ungehalten.

Sein Gegenüber zuckte jedoch nur ungerührt mit den Schultern.

„Ich war ja im Krankenzimmer, sonst hätte ich Ihnen früher Bescheid gesagt.“

Sofort sprang Michael auf, schob seinen Kollegen unsanft zur Seite und hastete zu den Verhörräumen.

Tatsächlich standen vier Männer in zivil gekleidet in dem kleinen Zimmer.

Michael räusperte sich lautstark.

„Guten Morgen“, begann er in unfreundlichem Ton. „Darf ich fragen, was sie hier tun?!“

Die drei stehenden Männer rührten sich nicht einmal wirklich. Nur der eine blonde, etwas ältere Mann, der auf seinem Stuhl saß, drehte sich um und sah ihn an.

Und damit drehte er dem Gefangenen den Rücken zu. Etwas sehr Dummes, zumindest wenn man wusste, wie schnell dieser Andilo sein konnte.

Irgendwie hoffte Micheal, Andilo würde jeden Moment aufspringen und auch auf sein jetziges Gegenüber losgehen. Doch dieser schien gerade in seiner lethargischen Phase zu sein und sah nur zu Boden.

„Thomson, nehme ich an?“, fragte der ältere Mann nun.

„Officer Thomson“, korrigierte Michael sofort.

„Wie auch immer“, entgegnete sein Gegenüber unbeeindruckt. „Ich bin Commissioner Mayer. Und sie müssen nicht erst nachsehen. Das sind mehr als nur ein paar Ränge über Ihnen.“

Alles klar! Commissioner Arschloch!

„Sie kommen gerade zur richtigen Zeit. Herr Andilo hat gerade ein umfassendes Geständnis abgelegt.“

„Er hat was?!“

„Er hat alles zugegeben und unterschrieben. Auch den Mord an Tim Benneck, was Sie hauptsächlich interessieren dürfte. Allerdings sind diese Geständnisse erst gültig, nachdem auch ich sie unterschrieben und als gültig erklärt habe. Dies werde ich jedoch erst tun, wenn der Deal gelaufen ist.“

„Der Deal?“, hakte Michael ungläubig nach.

„Ja, wir schicken ihn zurück zu Emeral.“

„Was?!“

Michael war nun nicht mehr zornig, er war außer sich vor Wut.

„Sie lassen ihn laufen? Was ist mit dem Geständnis?“

„Nein, wir lassen ihn nicht wirklich laufen“, entgegnete Mayer jedoch ruhig. „Aber wie Sie vielleicht auch wissen, brauchen wir mehr Informationen über Emeral. Deswegen hat Andilo sich bereit erklärt, sich verwanzen zu lassen und zu seinem Boss zurückzugehen.“

Ja klar! Verarsch mich halt!

„Das glaube ich Ihnen nicht. Ich habe alles versucht, um ihn zum Reden zu bringen! Von so etwas ganz zu schweigen!“

„Dann hatten sie wahrscheinlich die falschen Argumente“, gab Mayer zu bedenken.

„Sieht so aus“, gab Michael patzig zurück. „Was haben Sie ihm angeboten?“

„Das tut nichts zur Sache“, war die frustrierende Antwort.

„Das tut sehr wohl etwas zur Sache! Er hat Menschen getötet! Kaltblütig! Sie können jemanden wie ihn nicht wirklich…“

„Er ist nur das ausführende Werkzeug“, gab Mayer abermals ruhig zurück, was Michael nur noch zorniger machte.

„Ja genau“, fuhr er auf. „Er hat den Abzug gedrückt. Oder in Tims Fall die Klinge geführt! Er ist ein Mörder! Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen Deal zu verhindern!“

„Das wäre überaus schade. Vor allem, da wir hofften, sie würden Andilo begleiten und überwachen“, entgegnete Mayer gespielt betroffen.

„Hä?“

„Nun ja. Sie dürfen annehmen, dass auch wir diesem Herrn hier ebenfalls nicht weiter trauen, als wir spucken können. Und zu ihrer Information, ich habe bisher bei jedem Kirschkernweitspucken verloren.“

Unweigerlich musste Michael etwas grinsen, was ihn sofort ärgerte, dennoch hörte weiter zu.

„Missverstehen Sie mich nicht, Thomson…“

Officer Tho….ach Scheiß drauf!

„Wir wissen ihre Bemühungen und ihren Eifer zu schätzen. Sie haben ihn schließlich überwältigen und festnehmen können. Deswegen haben wir darauf gehofft, sie auch zur Überwachung von Andilo einsetzen zu können.“

„Ah ja“, antwortete Michael, verblüfft, überrascht und komplett überfahren. „Und wie darf ich mir das vorstellen? Sitze ich in einem Transporter, vor Kameras und Lautsprechern und höre mit vierundzwanzig Stunden am Tag an, was die Herren so sagen…

…oder werde ich die Ehre haben, mich dort als Sklave vorstellen zu dürfen?!“, fügte er nach einer kurzen Pause sarkastisch hinzu.

Seinem Grinsen nach zu urteilen, fand Mayer diese Vorstellung sogar ziemlich amüsant.

Michael nicht!

Dennoch überließ er Mayer das Wort, um sich zu erklären.

„Ach so. Sie haben diese Information ja sehr wahrscheinlich noch gar nicht erhalten. Wir haben Kontow gefasst“, entgegnete Mayer, anstelle einer wirklichen Antwort.

„Sie haben Kontow gefasst?“

„Ja, Kontow! Sie wissen noch? Der Drogenboss, den unser Herr Andilo hier zusammen geschlagen hat. Vor zwei Tagen?“

„Verdammt nochmal, ich weiß, wer Kontow ist! Warum hat mir niemand Bescheid gesagt?“

„Nun, ich fürchte, dafür fehlen Ihnen ein paar Streifen am Ärmel“, entgegnete Mayer ernst. „Auf jeden Fall befindet er sich jetzt im Bezirkskrankenhaus und somit in unserem Gewahrsam. Seine Nase ist gebrochen und zwei seiner Rippen. Außerdem würde er so ziemlich alles tun, um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Also, aus der sprichwörtlichen Schlinge natürlich. Die vom Krankenhaus trägt er.“

Sehr witzig!

Michael traute seinen Ohren nicht. Mit diesen Informationen hätte er Andilo auch zu einem Geständnis gebracht! Auch wenn er nicht wusste, wie.

„Aber lassen Sie uns zum Punkt kommen. Ich werde Ihnen erklären, warum ich überhaupt noch mit Ihnen rede.“

Am liebsten wäre Michael sofort wieder aufgefahren. Aber die Neugier und der unbedingte Wille, weiter an Andilo dran zu bleiben, ließen ihn seine zornigen Worte hinunter schlucken.

Und Mayer erklärte ihm tatsächlich, was sie vorhatten.

Durch den festgenommenen Drogenboss Kontow, ergab sich nun für sie die einmalige Gelegenheit, jemanden bei Emeral einzuschleusen. Und natürlich gab es gut ausgebildete Männer für solch eine Mission, die allesamt besser dafür geeignet waren, als er, wie Mayer ihm unverblümt mitteilte. Allerdings gab es da ein Problem. Keiner der besser geeigneten Beamten sah dem Neffen des Drogendealers ähnlich genug, um sich für diesen auszugeben. Doch genau diesen und niemand anderen würde Kontow schicken, um seine Geschäfte weiter zu führen und um den Leibwächter zurückzubringen.

Michael hingegen wies mit seinen hellbraunen Haaren und den grünen Augen mehr als nur eine kleine Ähnlichkeit mit dessen Neffen auf. Und auch wenn Michael diese Tatsache mehr als nur missfiel, einem hoch Kriminellen so sehr zu ähneln, gab es ihm auch eine unwiederbringliche Chance.

Kontow, der Drogenboss, würde bei Emeral anrufen und ihm erzählen, was sein Leibwächter getan hatte. Um seinen guten Willen zu signalisieren, würde sein „Neffe“ Luca Andilo zu ihm zurückbringen, in dem Wissen, Emeral würde diesem eine gerechte Bestrafung zukommen lassen. Wie auch immer diese aussehen würde.

So würde Michael als dessen Neffe nicht nur an wichtige Insider-Informationen kommen. Andilo hatte sich zudem bereit erklärt, bei wichtigen Treffen oder Situationen, eine Wanze und außerdem sogenannte Hightech-Kontaktlinsen zu tragen, welche Mayer dann sogar live Bilder übertragen würde, also alles, was der Leibwächter sah.

Was Andilo für diesen Deal als Gegenleistung bekam, wusste Michael immer noch nicht.

Aber für seine Mitarbeit wurden Michael die kompletten Geständnisse, inklusive des Mordes an seinem Freund Tim versprochen, mit denen er Andilo endlich für den Rest seines Lebens hinter Gitter bringen würde. Der Menschenhändler und der Ruhm für dessen Festnahme, würde natürlich an Mayer und seine Leute gehen. Aber dies war Michael mehr als nur egal. Er wollte den Mörder seines Freundes!

Noch bevor Mayer zu Ende gesprochen hatte, hatte Michael seine Entscheidung gefällt.

Auch wenn es mehr als gefährlich war und selbst, wenn er mit dem Tod rechnen musste, wenn er aufflog, er musste bei dieser Mission einfach dabei sein!

„Damit habe ich gerechnet“, erklärte Mayer trocken zu Michaels Entscheidung. „Dann lassen Sie uns gleich anfangen, die wichtigsten Dinge zu besprechen. In fünf Stunden beginnt Ihr Einsatz.“

„In fünf Stunden?“, hakte Michael ungläubig nach.

Das war verdammt wenig Zeit, um sich vorzubereiten!

Aber Mayer hatte recht. Seit über zwei Jahren verfolgte Michael nun schon den Menschenhändler, wusste jede noch so kleinste Information über diesen. Auch deswegen hatte er diese Chance bekommen!

„Okay“, nickte er deshalb den Worten des Commissioners zu. „Was muss ich noch wissen?“

„Ich habe Ihnen eine Liste über die Namen und Familiengegebenheiten der Kontows erstellt. Diese müssen Sie in- und auswendig lernen. Außerdem gibt es noch die eine oder andere Frage zu klären.“

Mayer sah bei diesen Worten auf ein Blatt Papier, auf welchem er sich diese anscheinend bereits im Voraus notiert hatte.

„Ah ja, fangen wir damit an“, erklärte er, als er die richtige Frage gefunden hatte.

„Wie ist Ihre Gesinnung?“

„Meine was?“

„Ich meine damit, sind Sie heterosexuell, homosexuell oder bi?“

„Was tut das denn bitte zur Sache?“, wollte Michael wissen, obwohl ihm die Antwort natürlich schon im Voraus klar war. Schließlich ging es hier um Menschenhandel, hauptsächlich für sexuelle Zwecke. Dennoch hatte er sich hier etwas mehr Diskretion erhofft. Immerhin waren sie nicht alleine hier und am meisten störte ihn die Anwesenheit des Leibwächters, der zwar stumm, mit versteinerter Miene auf seinem Stuhl saß und dennoch nicht vor Michael verbergen konnte, dass er dem Gespräch mit großem Interesse verfolgte, wie seine Augen verrieten.

„Nun, ich dachte zwar nicht, dass ich Sie darüber erst aufklären muss, aber es werden dort Situationen auf Sie zukommen, in denen dies eine wichtige Rolle spielt. Ich kann Ihnen jedoch eine Liste über die genauen Sachverhalte dieses Falles zusammen tragen lassen, allerdings…“

„Das müssen Sie nicht“, fiel Michael verärgert ins Wort. „Ich kenne die Sachverhalte! Und ich stehe auf Männer, okay?“

Über Mayers Lippen zog sich ein Schmunzeln.

„Das ist ja interessant. Sieht man Ihnen gar nicht an.“

„Oh, Entschuldigung“, giftete Michael ungehalten zurück. „Habe ich heute Morgen doch glatt vergessen, mich in Glitter zu baden und meinen Regenbogen mitzunehmen. Damit auch jeder sofort Bescheid weiß!“

„Sie gefallen mir Thomson“, erwiderte Mayer, der sich durch Michaels Worte nicht im Geringsten angegriffen, sondern mehr erheitert zu fühlen schien. „Sie haben Biss. Den werden Sie in den nächsten Tagen auch brauchen. Dennoch empfehle ich Ihnen, Ihre Vorlieben, vor Ort erst einmal zurückzuhalten. Gibt es sonst noch etwas, was wir von Ihnen wissen müssten? Ich meine, ein leichter Hang zum Sadismus und Sie sind sozusagen perfekt für diese Mission.“

„Damit muss ich leider passen!“, knurrte Michael dunkel.

Mayer nickte nur wortlos und schrieb irgendetwas auf seinen dämlichen Zettel, während Michael bemerkte, wie Andilo ihn nun mit zur Seite geneigtem Kopf musterte.

„Muss der da dabei sein?“, fragte Michael unwirsch.

Mayer sah fragend auf und erkannte Michaels Deuten auf Andilo.

„Müssen nicht. Aber sehen Sie es als Vorteil. Je mehr auch er über sie weiß, desto besser kann er helfend eingreifen, falls es brenzlig werden sollte.“

„Ja, genau“, erwiderte Michael unter einem harten, unechten Lachen. „Was er mit Sicherheit tun wird!“

„Das wird er“, erklärte Mayer trocken und mit einem warnenden Blick zum Leibwächter. „Er wird während der Mission alles in seiner Macht stehende tun, um Sie zu unterstützen. Außerdem untersteht er Ihren Befehlen, die er befolgen wird! Ansonsten kann er sich seinen Deal sonst wohin schmieren!“

Dies waren zumindest einmal Sätze, die sich für Michael wie Balsam für die Seele anhörte.

„Aber dennoch können wir alles Weitere in Ihrem Büro besprechen, Thomson. Wir müssen Herrn Andilo sowieso noch etwas … herrichten.“

Was soll denn das jetzt bitte bedeuten?

Anscheinend war Mayer sein mehr als fragender Blick nicht entgangen, denn er erklärte sich ohne weiteres nachfragen.

„Bei aller Liebe zu seinem Geschäftspartner, wird weder Herr Kontow Senior, noch Sie, also sein Neffe, darauf verzichten ihrem Ärger etwas Luft zu machen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Natürlich verstand Michael. Dennoch war die Vorstellung, Mayers Leute würden Andilo noch einmal verprügeln, bevor sie ihn zu seinem Chef zurückschickten, etwas irreal.

„Sie meinen, Sie schminken ihm ein hübsches, blaues Veilchen, oder?“

Wieder schien Michaels Frage alle Anwesenden zu amüsieren. Zumindest alle, bis auf einen, der immer noch auf seinem Stuhl saß und anscheinend die Zähne so fest zusammen biss, dass seine Wangenknochen hervortraten.

„Das meinte ich nicht“, erwiderte Mayer währenddessen, deutete dabei aber nicht auf den Gefangenen, sondern auf Michael. „Im Gegensatz zu Ihnen, der sein blaues Auge in den nächsten Tagen überschminken wird, bekommt er ein echtes. Es wäre mehr als ein Fauxpas, wenn unser kleiner Schwindel deswegen auffliegen würde.“

Es dauerte ein kleines Weilchen, bis Michael diese Worte tatsächlich begriff. Dieser miese Bastard, der auf ihn und inzwischen auch auf alle Wachen hier losgegangen war, würde jetzt doch noch seine Abreibung bekommen und dies sogar noch hoch offiziell! Für einen guten Zweck, sozusagen.

„Also ich denke, ein paar Minuten werde ich es hier schon noch aushalten, wenn ich denn dabei zusehen könnte?“, fragte Michael, während er Andilo mit einem schadenfrohen Lächeln bedachte.

„Nein!“, kam im düsteren Tonfall und wie aus der Pistole geschossen zur Antwort.

Jedoch natürlich nicht von Mayer, sondern von dem Leibwächter.

„Ich denke, wir haben tatsächlich noch einiges zu besprechen, Herr Thomson“, beschloss jedoch auch Mayer ein paar Sekunden später, Michael als Zuschauer auszuschließen, bedachte Andilo dabei jedoch mit einem warnenden Blick.

Und auch wenn dieser sich mittlerweile wieder im Griff und seine unbewegte und gleichgültige Miene aufgesetzt hatte, so erkannte Michael doch das zornige Blitzen in dessen Augen.

Lange konnte er es allerdings nicht genießen, da Mayer bereits die Tür geöffnet hatte und ihn mit einer Geste aufforderte, mit ihm zu gehen, während zwei seiner Männer sich bereits die Ärmel hochkrempelten und auf Andilo zuliefen.

Nur aus den Augenwinkeln konnte Michael noch sehen, wie Andilo sich mit zusammen gepressten Lippen den Männern entgegenstellte, zu seiner Überraschung jedoch nicht einmal versuchte, dem ersten Schlag auszuweichen.

Kapitel 4

Nach einer unruhigen Nacht und einem nervösen Frühstück saß Michael nun mit Emeral und Andilo in dem großen, schwarzen SUV, der sie auf den Sklavenmarkt bringen sollte. Und Michael hatte nicht die geringste Ahnung, was ihn erwarten würde.

Bisher war es noch nie gelungen, Aufnahmen von solch einer Veranstaltung zu machen. Alles, was er darüber wusste, berief sich auf erzwungenen Geständnissen oder verwirrten Aussagen befreiter Sklaven, die diese Stunden ihres Lebens am liebsten vergessen würden.

Also versteckte Michael seine leicht zitternden Hände in den Jackentaschen und versuchte einen Blick auf Andilo zu erhaschen.

Dessen Miene war wie immer unbewegt und unlesbar.

Hatte er die Kontaktlinsen drin? Und das Mikrofon? Michael hatte keine Gelegenheit gefunden, ihn danach zu fragen.

Außerdem überlegte Michael, wie dieser Frankie dorthin gelangen würde, von dem Emeral doch behauptet hatte, er würde ihn heute wieder seinem Besitzer übergeben. Natürlich wäre es nicht standesgemäß, den Sklaven hier, mit ihnen mitfahren zu lassen und Michael betete inständig, dass er sich nicht im Kofferraum befand. Groß genug wäre dieses Monstrum von Auto ja.

So gut es ging, versuchte Michael diesen Gedanken zu verdrängen und sah interessiert aus den abgedunkelten Scheiben.

Erst hatte er erwartet, ihm würden vielleicht die Augen verbunden werden, damit er den Ort nicht wiederfinden würde, doch dem war nicht so geschehen. Allerdings konnte er nicht umhin zu vermuten, dass sie bereits seit einer halben Stunde, mehr oder weniger im Kreis fuhren, wenn sein Orientierungssinn ihn nicht komplett trog.

War es eine Taktik, um ihn zu verwirren? Oder wartete Emeral auf etwas?

Auf seine Auftragskiller oder Foltermeister, um ihn zu verschleppen, da seine Maskerade aufgeflogen war?

Andererseits hatten sie den Mörder ja bereits mit im Auto sitzen, dachte Michael sarkastisch in sich hinein und bemaß Andilo nochmals mit einem Seitenblick, während er weiterhin versuchte, seinen inzwischen rasenden Puls wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen und auch diese Gedanken weit von sich wegzuschieben.

Irgendwann gelangten sie zu einer großen Lagerhalle, etwa eine Stunde von der Stadt entfernt, wenn man die Umwege weg rechnete, die sie gefahren waren.

Der Fahrer hielt auf das Gebäude zu, und noch bevor sie es ganz erreicht hatten, wurde eines der großen Tore geöffnet, um sie einzulassen.

Wieder begann Michaels Herz zu rasen.

Hier sollte ein Sklavenmarkt stattfinden?

Er sah nur karge Betonmauern.

Wieder sah er zu ihrem Leibwächter. Doch selbst wenn auch dieser erstaunt oder nervös gewesen wäre, hätte er es sich wohl nicht ansehen lassen. Und auch auf eine heimliche Geste oder einen Blick von diesem, dass alles in Ordnung war, konnte Michael wohl warten, bis er schwarz würde.

Oder war Andilo deswegen nicht nervös, weil er ihn bereits an Emeral verraten hatte und wusste, was gleich geschehen würde?

Weil er ihm bald ein Messer ins Herz rammen würde, wenn sein Chef mit ihm fertig war?

Mit diesem Gedanken stieg Michael aus dem Wagen und wartete, während er sich beunruhigt umsah.

Der Raum, der eher einer großen Garage glich, war nur ein kleiner Teil des ganzen Gebäudes. Hier waren wohl früher die Lastwagen mit den Waren, die hier gelagert oder produziert worden waren, be- und entladen worden. Aber sollten sie nicht wenigstens Stimmen oder andere Geräusche hören, wenn in einem anderen Teil der Halle ein großer Sklavenmarkt stattfand?

„Ich habe mir das irgendwie anders vorgestellt“, gab er zu, als Emeral ihn mit einem fragenden Blick ansah. Vielleicht ließ sich aus dessen Antwort oder Stimmlage etwas ablesen.

„Oh, warten Sie ab“, entgegnete dieser geheimnisvoll.

In diesem Moment fuhr ein zweiter Wagen ein. Ebenfalls mit verdunkelten Scheiben.

Auf diesen hatten sie augenscheinlich gewartet, denn Emeral sah tadelnd auf seine Armbanduhr.

Ob dies nun ein gutes oder schlechtes Zeichen für ihn war, konnte Michael beim besten Willen nicht beurteilen.

Auf jeden Fall wurden beide Tore nun wieder geschlossen und Michael hatte das Gefühl, dass ihm damit auch die Luftzufuhr abgeschnitten wurde. Trotzdem zwang er sich zur Ruhe, als der Fahrer des zweiten Wagens ausstieg und die hintere Tür öffnete.

Heraus stiegen Lotta, Sunny und auch Frankie, während Michael sich selbst in Gedanken einen ängstlichen Idioten schellte.

Alles war gut!

Sie hatten auf die Sklaven gewartet, die auf einem verdammten Sklavenmarkt wohl zu erwarten waren und nicht auf seine persönlichen Mörder, die ihn qualvoll hinrichten würden.

Oder?

Dennoch etwas erleichtert wartete Michael, bis die drei an ihren Hundeleinen zu Emeral geführt worden waren.

Lotta trug heute kein Zimmermädchenkostüm. Aber Kleid würde er dieses durchsichtige Etwas auch nicht gerade nennen, welches wieder einmal viel zu kurz war und außerdem UNTER Lottas Brüsten aufhörte. Dafür trug sie Nippeklammern, die mit einer Kette verbunden waren, welche sie zwischen ihren Lippen hielt.

Den gleichen „Schmuck“ trug auch Sunny. Dazu aber immerhin ein enges, glänzendes Höschen, welches zumindest den vorderen Intimbereich abdeckte, während seine Arschbacken deutlich aus dieser Art Hotpants unten herausblitzten.

Frankie hingegen war, von dem Halsband abgesehen, völlig nackt und man konnte ihm deutlich ansehen, wie er am liebsten wenigstens seine Hände vor den Schritt gehalten hätte. Dies war jedoch durch seine, hinter dem Rücken zusammen gebundenen Arme nicht möglich.

Und auch wenn Michael dieser Anblick einen Stich versetzte, so tat es ihm dennoch gut, sie zu sehen. Es war aufbauend, Gesichter zu sehen, die in ihm keine Verachtung oder Zorn hervorriefen.

Die Fahrer zogen sich nun, ohne weitere Worte, wieder in ihre Autos zurück, während Emeral alle Verbliebenen anwies, ihm zu folgen. Dies allerdings mit einem solch teuflischen Aufblitzen in den Augen, dass es Michael sofort wieder kalt den Rücken hinunterlief.

Was würde jetzt auf sie alle zukommen?

Und dabei war ein Markt, in dem Menschen als Ware verkauft wurden, surrealer Weise noch der freundlichste Gedanke, der in Michael aufkeimte.

Zuerst passierten sie einen langen, ebenfalls kargen und nur spärlich beleuchteten Gang, bis sie eine Tür erreichten.

Davor erkannte er drei Wachmänner.

Während der Boss natürlich sofort erkannt und freundlich gegrüßt wurde, kamen zwei von ihnen auf Michael zu.

„Haben Sie ein Handy oder andere elektronische Geräte dabei? Wenn ja, händigen sie diese bitte umgehend aus“, wurde er von einer der Wachen aufgefordert.

Obwohl Andilo dies gestern Abend bereits angekündigt hatte, sah Michael irritiert zu Emeral.

„Tut mir leid, mein Freund“, sagte dieser. „Aber das sind nun mal die Vorschriften, denen auch wir uns unterwerfen müssen.“

Michael nickte, legte sein Handy schweren Herzens in ein Plastikkörbchen und verabschiedete sich in Gedanken schon mal von der Hoffnung, damit vielleicht die eine oder andere Aufnahme machen zu können.

Als nächstes kam Andilo an die Reihe.

Meinte Michael es nur, oder erkannte er nun doch kleine nervöse Zuckungen in dessen Gesicht?

„Ich habe nichts dabei“, beteuerte Andilo und sah den Wachmann, der nun auf ihn zukam, schon fast drohend entgegen.

Dennoch wurde er durchsucht.

Mehr oder weniger zumindest. Denn Andilo machte keinen Hehl daraus, wie wenig Lust er dazu hatte, sich abtasten zu lassen und schlug die Arme des Wachmannes nach wenigen Sekunden ruppig von sich weg, als dieser mit seiner Durchsuchung noch nicht einmal halb fertig war.

Doch wie Michael vermutet hatte, zeigte die Anwesenheit von Vincent Emeral mehr als Eindruck und so beließ es der Wachmann dabei und stellte sich wieder zu seinen Kollegen.

Auch Michael hatte die Gelegenheit genutzt und Andilo eingehend gemustert. Aber selbst er, der wusste, wonach er suchen musste, fand nichts.

Verdammt nochmal!

Wenn Andilo nicht wenigstens die Kontaktlinsen trug, würde er seine Drohung von gestern wahr machen und ihn eigenhändig übers Knie legen!

In diesem Moment wurde ihnen jedoch bereits die Tür geöffnet, während einer der Männer noch freundlichst, einen angenehmen Aufenthalt wünschte.

Eigentlich wäre Michael diese Bemerkung bereits wieder aufgestoßen, wenn er nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen wäre, sich über die fehlende Wanze zu ärgern.

Nachdem Michael die Tür passiert hatte, blieb er verblüfft stehen.

Er hatte das Gefühl, nicht nur durch eine Tür gelaufen zu sein, sondern ein ganz anderes Gebäude betreten zu haben.

Hier drinnen erinnerte nichts mehr an eine Fabrik oder Lagerhalle. Selbst die Betonwände waren mit großen, langen Stoffbahnen bedeckt und unter seinen Füßen befand sich ein dunkelroter, flauschig aussehender Teppich.

Mit großen Augen lief Michael weiter hinter seinem Gastgeber und dessen Sklaven her, während Andilo sich natürlich wieder ganz am Ende eingereiht hatte.

Auch der Rest des Sklavenmarktes sah ganz anders aus, als Michael erwartet hatte.

Zwar waren mehrere „Verkaufsstände“ zu erkennen, diese waren jedoch eher prunkvoll gestaltet. Sklaven und Sklavinnen knieten auf Samtkissen und auch ihre Fesseln erinnerten tatsächlich mehr an Schmuck. Dünne, goldene Ketten um ihre Hälse und Handgelenke sollten wohl von dem menschenverachtenden Handel ablenken, der hier praktiziert wurde.

Und auch die Leute, die mit ihnen durch die Stände liefen, sahen eher so aus, als würden sie gerade einen gemütlichen Bummel durch die Stadt machen. Sie unterhielten sich angeregt und zeigten dabei hin und wieder auf eine der „Waren“.

Dabei hatten nur die wenigstens eigene Sklaven im Schlepptau, so wie sie. Nur vereinzelt tippelte eine junge Frau oder ein junger Mann mit Halsband und Leine seinem Herrn hinterher. Eine Herrin mit Sklaven war ihnen bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen. Wenn dann nur ein Pärchen und dann meistens mit einer weiblichen Sklavin.

Obwohl sie selbst eher im Bummelschritt liefen, schien Emeral jedoch zielorientiert in eine Richtung zu laufen. Michael spähte nach vorne, konnte dessen Ziel jedoch nicht ausmachen und sah sich weiter mit ungläubigen Blicken um.

Irgendwann blieb ihr Anführer unvermittelt stehen und Michael wäre beinahe, immer noch wie gebannt von dem was er sah und durch den abrupten Stopp, in Sunny hineingelaufen.

Als der überrumpelte Sklave und er selbst, wieder sicher standen, sah Michael auf und blickte in das Gesicht von niemand anderen als Viktor Demali. Den zweithöchsten Boss im Sklavenhandel, nach Emeral!

Erst war Michael versucht nach hinten zu sehen, ob Andilos Blick ebenfalls auf diesen gerichtet war und alles mit einfing, blieb dann aber doch steif stehen, als er bemerkte, wie Vito auf ihn zulief.

Die Schultern gestrafft ergriff Michael dessen dargereichte Hand und schüttelte sie zur Begrüßung.

„Sehr erfreut, Herr Kontow.“

„Freut mich ebenfalls, Herr … ähm?“, entgegnete Michael höflich und setzte dabei einen fragenden und unwissenden Blick auf, der seiner Meinung nach ganz gut gelungen war.

Hoffentlich sahen dies Emeral und der „unbekannte“ Mann vor ihm genauso.

„Nennen Sie mich einfach Vito“, erklärte sein Gegenüber, welches Michael auf den ersten Blick und durch das offene Lächeln, durchaus als sympathisch beschrieben hätte, wenn er es nicht besser wüsste.

„Sehr gerne“, stimmte er dem Angebot zu und sah dabei zu Frankie.

Dieser schien nicht wirklich erfreut über die Rückkehr seines Herrn. Trotzdem sank er fast augenblicklich demütig zu Boden und fing unaufgefordert damit an, dessen Schuhe zu lecken.

Oder vielleicht hatte es ja sogar den Befehl gegeben, aber Michael hatte ihn, so nervös wie er war, nicht mitbekommen. Immerhin stand er gerade den beiden mächtigsten Männern des Sklavenhandels gegenüber, die er kannte. Und vor allem, den beiden Männern, die sich laut seiner Informationen, gegenseitig bekriegten.

Doch dies hier sah eher weniger danach aus. Vito legte sogar freundschaftlich seinen Arm um Emeral. Eine Geste, bei der sich Michael bereits die Nackenhaare aufstellten, wenn er nur daran dachte.

„Lasst uns in ein Separee gehen. Dort können wir uns ungestört unterhalten“, bot Emeral an.

Vito stimmte zu und Michael lief, eher wie das vierte Rad am Wagen hinterher, obwohl er genau genommen das fünfte Anhängsel der beiden Männer war. Denn natürlich kamen auch die drei Sklaven mit, die durch ihre Leinen sowieso keine andere Wahl hatten und auch Andilo folgte dem Gespann. Jedoch in so großem Abstand zu Michael, dass nicht einmal eine flüsternde Konversation möglich war.

In einem, der gemütlich eingerichteten Zimmern, die ein Stockwerk höher lagen, nahmen alle wieder ihre gewohnten Rollen ein.

Andilo blieb, mit einer Wand im Rücken stehen, während sich die Herren, also auch Michael auf den ledernen Sesseln niederließen.

Frankie begann wieder, und diesmal war Michael sich sicher, ohne Befehl, die Schuhe seines Herrn abzulecken, während sich Lotta zu Emerals Füßen kniete. Sunny bewegte sich, auf einen Wink seines Herrn hin, zu Michael und schmiegte sich fast schon Schutz suchend an dessen Beine.

Daraufhin folgte erst einmal Smalltalk über Vitos Geschäftsreise, an der dieser wohl viel Zeit an der Sonne verbracht hatte, wie seine Gesichtsfarbe vermuten ließ. Michael nickte, bejahte und lachte an den richtigen Stellen, bis es dann endlich so weit war und das Gespräch geschäftlicher wurde.

Tatsächlich stimmten Emeral und Vito ihre Geschäfte aufeinander ab. Und es war noch vieles mehr, was Michael in der nächsten Stunde erfuhr.

Zu viel, um sich alle Daten, Namen und Orte zu merken.

Wieder einmal sah Michael mit nachdenklichem und auch zornigem Blick zu Andilo.

Er konnte nur hoffen, dieser trug wenigstens die Kontaktlinsen. Nicht nur wegen Demali. Bis jetzt lautete die offizielle Version, dass Menschenhandel in dieser Größenordnung nicht existierte. Nach diesen Aufnahmen, wenn es denn welche geben würde, konnte dies niemand mehr behaupten!

Irgendwann beschlossen Emeral und Vito, dass es nun an der Zeit wäre, sich wieder ins Getümmel zu stürzen und auch Michael nickte zustimmend, während sein Kopf, von den ganzen neuen Informationen förmlich dröhnte und er versuchte, sich zumindest die wichtigsten Eckdaten zu behalten.

„Die befeindeten Konkurrenten mimen wir nur, um die dämlichen Bullen auf Trab zu halten“ hatte Emeral erklärt.

Ja! Ha ha! Was haben wir gelacht!

Doch alleine für diese Information hatte sich ihre Mission schon fast gelohnt.

„Lasst uns doch mal sehen, was die Pfennigfuchser so alles für Ware anbieten“, schlug Vito mit einem Augenzwinkern vor, als sie das Zimmer verließen und bog prompt in dem Gang nach links ab, anstatt nach rechts zu gehen, was sie wieder zurück in die erste Halle geführt hätte.

Was dieser damit genau meinte, sollte Michael bereits kurz darauf mit eigenen Augen zu sehen bekommen.

Denn die Halle, die sie nun betraten, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der ersten, von der er irrtümlicherweise angenommen hatte, es wäre die einzige, in der Sklaven angeboten wurden.

Im Gegenteil.

Hier, zwischen ungeschmückten Betonwänden, kauerten mehrere dutzend junge Frauen und Männer. Allesamt schienen sie verwahrlost und natürlich verängstigt. Was kein Wunder war, wenn man nackt und wie Vieh, mit den Armen nach oben an einen Holzbalken gefesselt dastand, während Kaufwillige oder solche, die vorgaben es zu sein, einen überall begrapschten.

Blanker Hass stieg in Michael auf und er musste alle Willenskraft aufbringen, um diesen nicht auf seinem Gesicht widerspiegeln zu lassen.

„Manchmal ist es wirklich eine Schande“, gab auch Emeral naserümpfend an. „Aus manchen von ihnen könnte man mit Sicherheit gute und vor allem kostbare Sklaven machen“.

Vitos Blick hingegen blieb ungerührt.

„Ja, aber willst du dich durch den ganzen Dreck hier wühlen, um ein oder zwei brauchbare Exemplare zu finden? Also ich nicht!“

Das sind Menschen, verdammt nochmal!

Ohne es zu merken, hatte Michael bei diesem Gedanken die Fäuste geballt und auch der Rest seines Körpers erschien wohl mehr als angespannt.

Zu seinem Glück war Andilo es, der seine Haltung als erster bemerkte und ihn, mit einem kaum erkennbaren Kopfschütteln, anstupste. Doch auch der Leibwächter schien bei diesem Anblick mit sich ringen zu müssen, um seine teilnahmslose Maske aufrechtzuerhalten. Was ihm tatsächlich nicht ganz gelang, stellte Michael mit einem Seitenblick fest, nachdem er sich selbst wieder besser unter Kontrolle hatte.

Wem dieser Gang durch das Elend noch mehr zusetzte, waren Lotta, Sunny und Frankie. Sunny zitterte inzwischen wie Espenlaub und die beiden anderen zuckten bei jedem, etwas lauterem Wort ängstlich zusammen.

Irgendwann hatten sie es dann endlich geschafft. Sie durchquerten die Durchgangstür und gelangten wieder in die erste Halle. Diese kam Michael, nachdem was er gesehen hatte, schon fast menschenfreundlich vor. Obwohl natürlich auch dieser Gedanke absurd war.

Doch sofort wurde er wieder auf den Boden der barbarischen Tatsachen zurückgeholt, als sein Blick auf ein kleines Podest fiel, auf dem ein Sklave gerade vorgeführt wurde.

Der junge, braunhaarige Mann stand in seltsam wirkender Haltung auf dem Podest. Erst bei näherer Betrachtung, welche Michael lieber unterlassen hätte, offenbarte sich ihm der Grund dafür. Ein langer Stecken, mit einem Dildo daran ragte zwischen dessen Beinen empor und zwang den Sklaven auf die Zehenspitzen. Dennoch blieben mindestens zwei Zentimeter des Dildos in seinem Arsch versenkt. Zudem hatte der Dildo, wenn man dieses Folterwerkzeug so nennen wollte, eine Besonderheit. Die Form entsprach weniger einem Penis, als mehr einer Pyramide. Während die Spitze des merkwürdigen Dildos, in etwa, nur einen Durchmesser von zwei bis drei Zentimeter aufwies, so schätzte er die Dicke am Schaft mindestens faustgroß. Kein Wunder, dass der Sklave nicht besonders erpicht darauf war, seinen Körper nach unten zu bewegen, um sich damit auf dieses Monsterteil aufzuspießen.

Doch dem nicht genug!

Ein dickes Gummiband war um dessen Eier gebunden. Das andere Ende des Bandes wurde gerade am Boden befestigt und damit in die Länge gezerrt. Genauso wie die Kronjuwelen des armen Showobjektes, der sofort sein Gesicht vor Schmerz verzog. Schreie waren keine zu hören. Ein Ballknebel dämpfte diese.

Nun hatte der Sklave die grausame Wahl.

Entweder er ertrug den Schmerz in seinen Eiern, oder er ging in die Knie und riss sich damit allerdings sein Arschloch auf.

Wie teuflisch und brutal musste man sein, um sich so etwas auszudenken?

Genau in dem Moment, in dem Michael dies dachte, zwang sich der Sklave, der den Schmerz an seinen Eiern wohl nicht mehr länger aushielt, in die Knie.

Ein freudiger Jubel der Zuschauenden begleitete dessen verzweifelte Aktion und übertönte die sowieso gedämpften Schreie ihres Opfers. Auf einem Bildschirm, der den Sklaven in verschiedenen Großaufnahmen zeigte, war nun dessen Loch zu sehen, wie es sich langsam aber sicher, immer weiter dehnte und den Dildo immer mehr in sich aufnahm, bis wohl auch dies zu schmerzhaft wurde und der Sklave wieder nach oben zuckte.

Enttäuschung war aus dem Publikum zu hören. Sie wollten sehen, wie sich der Sklaven selbst das Loch aufriss und der Besitzer erhob das Wort.

„Nur Geduld, meine Damen und Herren, er wird die nächsten Stunden hier stehen. Und bis es so weit ist und sich dem Showdown näher bringt, kommen Sie doch zu ihm hoch. Er freut sich sicherlich sehr über Ihre Zuwendung!“

Bevor Michael begriff, was damit gemeint sein sollte, wagten es zwei besonders eifrige Herren, auf das Podest zu steigen und begannen, auch noch am Schwanz und an den Brustwarzen des Gepeinigten herum zu tatschen und zu ziehen.

Michael erging es derweil, wie bei einem Unfall oder einem Horrorfilm. Man wollte wegsehen! Konnte aber einfach nicht!

Deshalb war er froh, als sich Emeral an seine Seite stellte, ihn ansprach und damit den Bann löste.

„Ah, ich weiß, so eine Show ist immer sehr unterhaltend mit anzusehen. Aber nun kommen wir endlich zu meiner Überraschung für Sie, Herr Kontow“, verkündete Emeral erfreut und reichte dabei die Leinen seiner Sklaven an Andilo weiter.

Auch Vito gab sich mehr oder weniger gespannt und lief mit Emeral bereits an einen der Stände, während Michael noch einige Sekunden und eigentlich länger gebraucht hätte, um sich zu erholen. Dabei kam er sich wie ein Feigling und Weichei vor. Er hatte sich diese Hölle nur kurz ansehen müssen! Wie musste es den armen Menschen gehen, die dort gefangen gehalten wurden?!

Nicht mehr lange! Bald werden wir diesen Menschenhändlerring zerschlagen und so viele befreien, wie wir können!

Nach diesem Schwur, den Michael sich selbst gab, setzte auch er sich in Bewegung, um Emeral und Vito einzuholen, als er aus den Augenwinkeln etwas Beunruhigendes sah und nach ein paar Metern wieder stehen blieb.

Sunny hatte sich nicht, wie erwartet, wieder etwas gefangen und zu zittern aufgehört, seitdem sie wieder in dieser Halle waren.

Im Gegenteil.

Sein Gesicht hatte inzwischen jegliche Farbe verloren, wie Michael nun sehen konnte, als Sunny die Kette aus den bebenden Lippen rutschte, die er bisher immer noch damit festgehalten hatte. Nun konnte der Sklave auf sehen und tat es auch. Allerdings so, als wüsste er überhaupt nicht mehr, wo er war.

Gerade als Michael zurücklaufen wollte, hörte er seinen falschen, aber inzwischen vertraut klingenden Namen.

„Herr Kontow! Kommen Sie zu uns oder legen Sie keinen Wert auf mein Geschenk?“

Mit einem lautlosen Fluch auf den Lippen nickte er.

„Ja, ich komme.“

Michael beeilte sich zu Emeral, der neben einer, mit einem weißen Samttuch verhüllten Person stand, schielte aber gleichzeitig auf das Geschehen schräg hinter sich.

Sunny war inzwischen in die Knie gesunken und Michael riss wütend die Augen auf, als er sah, wie Andilo sich neben ihm auf die Knie sinken ließ.

Denn der Leibwächter tat dies nicht, um ihm zu helfen!

Dieser gefühllose Bastard hielt dem armen Sklaven den Mund zu, wohl damit dieser nicht schreien konnte. Dabei bewegten sich Andilos Lippen, als er Sunny wohl auch noch drohende Worte ins Ohr flüsterte.

Dieser verfickte Dreckskerl!

„Und? Sind Sie schon gespannt?“, riss ihn Emerals Stimme aus seiner Beobachtung. Dieser hatte wohl noch gar nicht bemerkt, dass sein Sklave inzwischen zitternd am Boden kauerte, während er von Andilo noch zusätzlich malträtiert wurde.

„Ja, sehr“, gab Michael hektisch zurück. „Aber Herr Emeral, ich glaube, Sunny … ähm … Ihr Sklave hat gerade….“

„Luca hat ihn schon im Griff“, entgegnete dieser jedoch abwinkend und gab Michael, mit einem mehr als gereizten Blick zu verstehen, dass er mit seinem unkonzentrierten Verhalten gerade dabei war, sich dessen Zorn zuzuziehen.

Also blieb Michael schweren Herzens nichts anderes übrig, als sich nun auf sein Geschenk zu konzentrieren.

Entweder jetzt einem Sklaven helfen oder bald hunderten!

Doch als er sich nun vollends zu dem Mann umdrehte, der seine Überraschung sein sollte, und den Emeral mittlerweile mit harschen Bewegungen enthüllt hatte, stockte ihm der Atem und er vergaß tatsächlich das Geschehen hinter sich.

Natürlich war es ein junger Mann, der vor ihm stand und ihm nervös entgegenblickte.

Und ja, er war hübsch. Nichts anderes hatte er erwartet.

Aber … verdammt nochmal, was sollte das?!

Michael hatte erwartet, einen jungen, vielleicht blonden Mann zu sehen. Eventuell auch mit ähnlich blauen und demütigen Augen, wie Sunny sie hatte. Im Zweifelsfall sogar jemanden, der etwas mehr Muskelmasse aufwies. Da er in einem Anfall von Ehrlichkeit erklärt hatte, Emerals Sklave sei ihm etwas zu dünn.

Was jedoch gerade vor ihm stand, ließ seinen Puls sofort wieder auf einen ungesunden Wert steigen.

Vor sich sah er eine, fast exakte Kopie von Luca Andilo!

Mehr oder weniger zumindest.

Zwar hatte der junge Mann, vor ihm, genauso dunkle Augen, aber nicht annähernd Andilos flammenden Blick, wenn er einen wütend ansah. Und auch diese kleinen, versteckten, aber oft brodelnden Gesichtsregungen fehlten, die man auf Andilos Miene nur erkennen konnte, wenn man ihn längere Zeit beobachtet hatte.

Doch die reinen Äußerlichkeiten glichen fast schon beängstigend.

Schwarze Haare, dunkle Augen und einen blassen Teint. Selbst die etwas volleren Lippen, die Andilo hatte, wenn er sie nicht gerade frustriert zusammen presste, schienen wie kopiert.

Wie um alles in der Welt, kam Emeral auf die Idee, solch einen Sklaven für ihn auszusuchen?!

„Ich … ich bin sprachlos!“, gab Michael ehrlich zu.

„Ich wusste, er gefällt Ihnen“, entgegnete Emeral triumphierend.

Echt jetzt?! Kein Scheiß?!

Irgendwie hatte Michael immer noch gehofft, sein Gegenüber hätte sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt, wenn auch einen sehr schlechten!

„Sie dürfen ihn ruhig eingehender betrachten“, bot nun Vito mit vielsagendem Blick an. Auch ihm war anscheinend eine gewisse Ähnlichkeit mit einer anwesenden Person nicht entgangen.

Nun ruhten die Blicke beider seiner baldigen Geschäftspartner, derer Vertrauen er gewinnen musste, erwartungsvoll auf ihm.

Zwar hatte Michael sich in der vergangenen Nacht mehr oder weniger darauf vorbereitet „seinem“ ersten Sklaven zu begegnen.

Aber nicht auf das!

Er wollte diese eingeschüchterte Kopie nicht!

Nicht als Sklaven und er wollte ihn auch nicht anfassen!

Dennoch tat er es! Wenn auch halbherzig und mit einem gequält erfreutem Lächeln.

„Der erste Sklave ist etwas Besonderes“, erklärte Emeral in wichtigem Ton.

„Mhhm“, grummelte Michael.

„So ist es“, pflichtete der Verkäufer des Sklaven bei, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. „Ich weiß, Sie möchten ihn wahrscheinlich am liebsten sofort mitnehmen. Aber ich würde ihn gerne noch etwas … vorbereiten.“

„Kein Problem“, kam, wie aus der Pistole geschossen aus Michaels Mund, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie dieses Vorbereiten aussehen sollte. Doch, um sich darum Gedanken zu machen, hatte er im Moment keine Nerven.

„Sehr schön. Dann sind wir uns einig“, schloss Emeral das Geschäft mit einem unschuldigen Leben ab und die Andilo Kopie wurde wieder abgeführt.

Gott sei Dank!

„Das ist wirklich sehr großzügig“, sagte Michael, in hoffentlich angetanem Tonfall, um seinen Fauxpas in der Anwesenheit seines Geschenkes wieder etwas wett zu machen. „Ich bin Ihnen sehr dankbar!“

„Ich bitte Sie, Herr Kontow. Das ist nur eine Kleinigkeit“, winkte Emeral geschmeichelt ab und machte sich wieder auf den Weg zu seinen Sklaven.

Auch Michael drehte sich wieder um.

Wie ging es Sunny?!

Zu seiner Erleichterung stand dieser wieder auf seinen Beinen und sah einigermaßen gefasst aus. Was er auch daran erkennen konnte, dass er diese dämliche Kette immer noch nicht wieder im Mund trug, die seinen Kopf nach unten zwingen würde.

Diese Tatsache entging auch seinem Herrn nicht und er bedachte Sunny, wie auch Andilo, der immerhin die Aufsichtspflicht über die beiden Sklaven hatte, wenn sein Chef nicht anwesend war, mit einem erzürnten Blick.

Während Sunny sofort zusammen zuckte und wieder leicht zu zittern begann, hatte Andilo sich wohl dafür entschieden, ausnahmsweise einmal menschlich zu agieren.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752142822
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
erotik drama romance bdsm gay Romance schwul sex sm thriller gay

Autor

  • Neobe Klein (Autor:in)

Die Autorin schreibt unter einem Pseudonym und ist unter uptutheendoflife@hotmail.com zu erreichen.
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Titel: Perlmuttschwarze Herzen