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Vertrauen in den Verräter

von Charlie Richards (Autor:in)
135 Seiten
Reihe: Paranormal verliebt, Band 14

Zusammenfassung

In der paranormalen Welt: Die Lüge des einen ist die Wahrheit des anderen. Walter fragt sich, ob er einen Fehler gemacht hat. Im einen Moment hilft er noch seinem Chef dabei, gestohlene Tiere zurückzubekommen. Im nächsten merkt er, dass die Dinge nicht so sind, wie sie zu sein scheinen. Eine in Sekundenbruchteilen getroffene Entscheidung verändert sein Leben vollständig, und er wird von einer Kugel erwischt, die für jemand anderen – oder eher etwas anderes – bestimmt war. Wach und klar nach Monaten im Koma entdeckt Walter die wahre Tiefe des Verrats, den sein Chef begangen hat. Jetzt weiß er, dass Mythen und Legenden real sind, und sein Chef hatte sogar einige dieser Kreaturen gefangen gehalten. Die Tiere waren nicht gestohlen worden, sie waren tatsächlich befreit worden … von Gargoyles! Ein solches Wesen, ein schwarzflügeliger, goldener Gargoyle namens Treatise, setzt sein Blut in Brand, wie es noch niemand zuvor getan hat. Nur ist Walter ein Verräter. Kann ihm überhaupt irgendjemand vertrauen, selbst der Gargoyle, der ihn als seinen Gefährten beanspruchen will? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Paranormal verliebt ist ein Spin-Off der Reihe Die Wölfe von Stone Ridge. Die Reihen können unabhängig voneinander gelesen werden, dies idealerweise entsprechend der Nummerierung der Bände innerhalb der Reihe. Aufgrund der Überschneidungen innerhalb der verschiedenen Reihen, die in der Welt von Stone Ridge angesiedelt sind, empfiehlt es sich, die Bände entsprechend ihrer Reihenfolge innerhalb der gesamten Welt zu lesen. Eine Übersicht über die empfohlene Lesereihenfolge gibt es auf der Website von Me and the Muse Publishing. Länge: rund 33.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Schmerzen.

Dahintreiben auf einem Fluss voller Schmerzen.

Weggerissen.

Walter hatte das Gefühl, von einem übervollen Bach mitgerissen zu werden. Sein Verstand schien keinen klaren Gedanken finden zu können. Bilder blitzten auf, Erinnerungen, zu schnell, und er konnte keine von ihnen zu fassen bekommen.

Also ließ er sich treiben.

Plötzlich glaubte Walter etwas zu hören. Ein Geräusch, das eine Stimme sein könnte, die über das Rauschen des Wassers hinweghallte. Er versuchte sich zu konzentrieren.

„Wie … fühlst …“ Es gab eine Pause, dann erreichten ihn weitere Geräusche. „Brust … gut … Kopf …“

Walter wollte antworten. Er wollte unbedingt antworten. Er kämpfte darum, seinen Mund in Gang zu bringen und rief: „Warte! Warte, bitte.“

Er erhielt keine Antwort, vielleicht war das also alles nur in seinem Kopf.

„Wie fühlst du dich heute, Kumpel?“

Walter hörte die Stimme klar und deutlich. Als er versuchte, seine Augenlider zu öffnen, fühlte er sich klarer als seit … er wusste nicht, wie lange. Leider konnte er es einfach nicht schaffen. Seine Lider schienen festzukleben.

„Ich weiß, ich weiß. Es läuft halt so, richtig?“, fuhr dieselbe Stimme fort und erwartete offensichtlich keine Antwort.

Doch Walter wollte antworten.

„Ich weiß, diese Kopfverletzung hat eine Narbe hinterlassen, aber das ist kein Grund, sich vor der Welt zu verstecken“, plauderte der Mann mit der sanften Stimme weiter. „Es ist wirklich nicht so schlimm, und wenn du dein Haar auf die richtige Weise stylst, bin ich sicher, dass es dicht genug ist, um sie zu bedecken.“

Verletzung? Narbe?

Plötzlich machten einige der halb geformten Bilder Sinn. Sie waren nicht verzerrt. Sie erschienen mit kristallklarer Deutlichkeit. Er hatte sie gesehen. Kreaturen mit Flügeln und Krallen, die reden und argumentieren, koordinieren und kämpfen konnten.

Walter hatte Buds Geistergeschichten nie geglaubt. Während er bei der Kuriositätenshow seines Chefs patrouillierte, hatte er alle möglichen Geschichten von den anderen Sicherheitsleuten mitbekommen. Bis er sich mit Bud auf den Weg gemacht hatte, um gestohlenes Eigentum zurückzuholen, hatte er ihnen nicht geglaubt.

In dem Moment, als Walter die Kreaturen gesehen hatte, war ihm das ganze Ausmaß der Lügen klar geworden. Er war bei Bud geblieben, um sicherzustellen, dass die Tiere gut versorgt waren. Auch wenn er gelegentlich seine eigenen Mittel hatte einsetzen müssen, um zu gewährleisten, dass sie genug Nahrung bekamen – fast –, hatten sie immer medizinische Versorgung bekommen.

Jetzt machte die medizinische Versorgung Sinn. Einige der Tiere waren keine Tiere. Sie waren etwas anderes.

Dabei hatte sich etwas in Walter aufgelehnt. Vielleicht war es seine indigene Erziehung, die Geschichten, die er als Junge gehört hatte, oder einfach menschliche Intuition. Er hatte gewusst, dass er auf der falschen Seite des Kampfes war.

Ich wurde angeschossen. Bud hat auf mich geschossen.

Zwar war Walter zwischen Bud und die Kreatur getreten, aber hätte sein Chef die Waffe nicht senken sollen? Er erinnerte sich an Buds wilde, verrückt aussehende Augen. Walter konnte sich nicht erinnern, gefallen zu sein, aber er erinnerte sich an den Himmel … blau wie ein Rotkehlchenei, das von gelegentlichen Wattewolken unterbrochen wurde. Ein Schauer hatte seinen Körper durchlaufen. Unmittelbar bevor seine Sicht verschwamm, hatte Walter ein gehörntes, fleckig-braunes Gesicht über sich gesehen.

Walter war gerade noch genug bei Verstand gewesen, um zu glauben, dass die grünen Augen des Biests Besorgnis zeigten … dann war da nichts mehr.

„Bist du sicher, dass du heute nicht für mich aufwachen willst, Hübscher?“, stieß die männliche Stimme leise hervor, als kühle Fingerspitzen über Walters Stirn glitten. „Du weißt, ich werde dich jeden Tag nerven, bis du aufwachst.“

Walter erkannte, dass er auf einem weichen Bett lag und nicht in einem Fluss dahintrieb. Das musste von irgendwelchen Medikamenten kommen, die sie ihm gegeben haben. Er musste ihnen sagen, dass sie mit der Scheiße aufhören sollten.

Er versuchte seinen Mund zu öffnen, aber er schaffte es einfach nicht. Frustration erfüllte ihn, er ballte seine Hand zu einer Faust und bewegte seinen Arm, wollte liebend gerne mit der Faust auf die Decke schlagen, die auf ihm lag. Er glaubte nicht, dass es ihm gelungen war, aber …

„Hey, Kumpel“, beruhigte der Mann ihn. „Hast du gerade deine Hand bewegt?“ Der Fremde – vielleicht ein Krankenpfleger – schob seine Finger in Walters. „Kannst du meine Hand drücken? Nur ein wenig. Lass mich wissen, dass du mich hörst.“

Walter konzentrierte sich auf das Gefühl der schwieligen Finger, die sich in seine geschoben hatten. Er versuchte zu gehorchen und seine Hand zu bewegen. Zwar fühlte er überhaupt keine Bewegung, aber er musste es geschafft haben.

„Ha, du bist wach“, rief der Mann aufgeregt. „Kannst du deine Augen für mich öffnen?“ Seine andere Hand ruhte auf Walters Kopf und fuhr mit den Fingern über seine Stirn. „Komm schon. Vielleicht nur ein Flattern. Ich weiß, dass es schwer ist. Du liegst schon seit Monaten hier, also wollen deine Muskeln wahrscheinlich nicht mitmachen“, erklärte er leise. „Aber ich weiß, dass du es schaffen wirst.“

Walter holte langsam und tief Luft und konzentrierte sich auf seine Augen. Noch einmal versuchte er sie zu öffnen. Dieses Mal spürte er tatsächlich, wie sich seine Lider bewegten.

„So ist es gut“, lobte der Fremde. „Lass mich deine hübschen braunen Augen sehen. Ich wette, bei deinem Teint sind sie umwerfend.“

Vielleicht waren es die andauernden Komplimente, denn Walter hatte sicher noch nie gehört, wie ein anderer Mann ihn als gutaussehend bezeichnete oder ihm ein Kompliment über seine Augen machte. Dieses Mal öffnete er erfolgreich seine Augenlider. Er schaffte es sogar ein paar Mal zu blinzeln und klare Sicht zu bekommen.

„Hey, da bist du ja.“

Walter sah zu einem lächelnden, dunkelblonden Mann auf. Sein Haar war zu einer Art stacheligem Styling gegelt. Die warmen braunen Augen des Mannes funkelten vor Freude, als er auf ihn herabblickte, und seine vollen Lippen waren zu einem breiten Lächeln verzogen.

Walter konzentrierte sich auf das ovale Gesicht des Mannes und zog die Brauen zusammen. Trug der Krankenpfleger Lipgloss? Er blickte wieder in das Gesicht des Mannes und dann auf seinen Oberkörper.

Ja, definitiv ein Mann.

Außerhalb eines Schwulenclubs hatte Walter noch nie einen geschminkten Mann gesehen. Unbehagen erfüllte ihn. Wo zum Teufel war er?

Walter hatte angenommen, er sei in einem Krankenhaus, als er die früheren Worte des Mannes hörte. Als er sich jetzt umsah, wusste er, dass er das nicht war. Er lag auf einem großen Bett in einem noch größeren Schlafzimmer. Die Möbel waren aus schwerem Holz mit dunklen Metallakzenten. Die Decke, die über ihm lag, war blassgrün mit schwarzen Linien, die Bäume sein könnten.

„W-wo …“ Walters trockene Kehle hinderte ihn daran, weitere Worte herauszubekommen.

Der Fremde musste seine Verwirrung erkannt haben. „Entspann dich einfach, Mann“, ermutigte er. „Im Moment musst du nur wissen, dass du in Sicherheit bist. Mein Name ist Pfleger Leroy Wilde.“ Offensichtlich musste Walter einen Ausdruck des Unglaubens gezeigt haben, denn der schlanke Mann grinste. „Ich weiß. Es sieht nicht aus wie ein Krankenhaus, stimmt’s?“ Er zwinkerte. „Viel hübscher, nicht wahr?“

Während Leroy sprach, drehte er sich um und griff nach einem Krug, der auf einer Kommode in der Nähe stand. Er nahm auch einen Plastikbecher und gab Flüssigkeit hinein. Er drehte sich zurück, schob die Hand unter Walters Kopf und hielt ihm den Becher an die Lippen.

„Trink etwas Wasser“, drängte Leroy. „Wir werden versuchen, deine trockene Kehle zu befeuchten. Nur ein Schluck.“

Walter schluckte die kleine Flüssigkeit, die Leroy in seinen Mund tropfen ließ. Er seufzte und versuchte, seinen Kopf selbst weiter zu heben, weil er mehr wollte. Leroy packte seinen Nacken fester und half ihm, als er etwas mehr in seinen Mund goss.

Leroy nahm die Tasse weg und beschwichtigte: „Ich kann dir nicht zu viel geben. Ich möchte nicht, dass dein leerer Magen rebelliert.“ Er stellte den Becher beiseite und zog sein Handy heraus. „Kannst du mir deinen Namen sagen?“

Während er sich fragte, ob es klug war, dem Mann Informationen zu geben, stellte er fest, dass er keine große Wahl hatte. „W-Walter“, flüsterte er heiser. „Walter Duhubite-Bungu.“

Leroy lachte. „Ich werde nicht einmal versuchen, das zu wiederholen. Es klingt aber hübsch“, sagte er anerkennend. „Matthew dachte, du wärst vielleicht Walter, aber ich wollte keine Vermutungen anstellen.“

„Es ist Schoschonisch“, flüsterte Walter. „Bedeutet schwarzes Pferd.“ Er seufzte und ließ seine Augen wieder zufallen. „Keine Medikamente mehr. Ich habe keine Schmerzen. Bin nur müde.“

„Nun, du solltest dich jetzt besser ausruhen, Walter“, sagte Leroy. Seine Stimme klang bereits, als käme sie aus der Ferne. „Ich werde den Doc wissen lassen, dass du wach bist.“

Walter könnte es sich nur einbilden, aber er glaubte, dass Leroy murmelte: „Dann wird es alle möglichen Fragen und Erklärungen geben.“ Er hatte nicht die Energie, die möglichen Worte zu verstehen, als ihn der Schlaf überwältigte.

Zumindest war es diesmal nicht das leere Nichts, das durch den reißenden Fluss aus Medikamenten verursacht wurde.

„Walter? Walter Blackhorse?“

Die tiefe Stimme, die die amerikanische Version seines Namens rief, drang durch seine Träume. Nur allzu gerne bereit, der Erinnerung an Buds wahnsinnige Augen und die leere Trostlosigkeit der Tiere in der Show zu entkommen, konzentrierte er sich darauf, aufzuwachen. Zu seiner Erleichterung fiel es ihm diesmal leicht, die Augen zu öffnen.

Walter ließ den Blick durch den Raum schweifen und fand eine Reihe von Personen darin. Er sah, wie Leroy neben der Kommode stand und ein Tablett arrangierte. Darauf stand eine dampfende Schüssel sowie eine Tasse. Diese dampfte auch ein wenig.

Es waren jedoch die großen Formen im Schatten, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Walter starrte die Silhouetten an. Die breiten Schultern und die massig aussehenden Körper erinnerten ihn an die Kreaturen aus dem Kampf.

Plötzlich schien die Antwort auf Walters erste Frage etwa zehnmal wichtiger zu sein. „W-wo bin ich?“

Eine der dunklen Formen stieß sich von der Wand ab, an der sie gelehnt hatte. Sie löste sich aus den Schatten, enthüllte etwas Nicht-Menschliches und ging langsam über den Boden. Muskeln spannten sich unter der gesprenkelten, dunkelblauen, ledrigen Haut. Lange, glatte, schwarze Haare flossen über den seltsam aussehenden schwarzen Umhang, den das Wesen trug.

„Du bist bei mir zu Hause, Walter“, stellte die Kreatur fest und überwand den Abstand zwischen ihnen. „Du hast eine Kugel für mich abgefangen. Ich weiß nicht, ob die zweite auch für mich bestimmt war oder ob Bud nur wild rumgeballert hat, aber sie hat deinen Schädel gestreift.“ Er lächelte grimmig, und während seine Lippen geschlossen blieben, konnte man seine Eckzähne immer noch hervorlugen sehen. „Ich danke dir. Und ich bin froh, dass es dich nicht dein Leben gekostet hat.“

Die … Kreatur ließ sich auf einem Stuhl neben dem Bett nieder, den Walter nicht einmal bemerkt hatte. In diesem Moment entdeckte Walter den Schwanz, der um das linke Bein des Mannes geschlungen war. Und es war definitiv ein Mann, angesichts dessen, wie die Kreatur ihren Lendenschurz ausfüllte.

„Träume ich?“, fragte Walter leise und Erstaunen erfüllte ihn. „Bin ich immer noch in der Zwischenwelt … dem Ort zwischen den Lebenden und den Toten? Ich kenne keine Geschichten, die erklären würden, was ihr seid.“

Auch wenn sein Volk uralte Geschichten kannte von Männern, die ihre Geister mit Bestien teilten, fiel ihm keine einzige ein, die diese … Dinge erklären würde.

„Es sei denn, ihr seid Dämonen?“, flüsterte Walter.

„Ich und meine Leute sind Gargoyles“, sagte die Kreatur. „Ich bin Anführer Maelgwn.“

Maelgwn verschränkte die Arme vor der Brust, als er sich bequemer auf seinem Stuhl niederließ. Er hob seinen linken Knöchel zu seinem rechten Knie … doch er hatte keine Zehen, er hatte Krallen. Seine –

„Du warst über drei Monate lang im Koma, Walter“, fuhr Maelgwn fort und lenkte Walters Blick vom Fuß des Mannes weg. „Wir haben nicht gehört, dass jemand nach dir sucht. Hast du Angehörige, die wir benachrichtigen sollen?“

Verwirrt und mehr als ein bisschen desorientiert sah sich Walter wieder im Raum um. Er sah die Gestalt eines anderen … Gargoyles …, der sich an den Rahmen der Tür lehnte, die aus dem Schlafzimmer führte. Am Fußende des Bettes saß ein zweiter Mann auf einem Stuhl. Beide Bereiche des Schlafzimmers waren zu dunkel, als dass er irgendwelche eindeutigen Merkmale hätte erkennen können, da das einzige Licht im Raum von einer Lampe auf dem Nachttisch zu seiner Linken kam.

„Wer, äh, nein, ich …“ Walter wusste nicht, was er sagen sollte, als Unsicherheit einsetzte.

„Okay, meine Herren“, unterbrach Leroy und kam näher. „Walter ist gerade erst aufgewacht, und auch wenn ich weiß, dass ihr Informationen von ihm benötigt …“ Er blieb nahe des Stuhls in der Nähe von Maelgwn stehen und machte scheuchende Bewegungen in Richtung der anderen Gestalten hinter dem großen Mann. „Er braucht Ruhe.“ Er konzentrierte sich auf Maelgwn. „Wenn es dir recht ist, würde ich es vorziehen, wenn du zurückkommst, wenn Perseus hier ist. Bitte?“

Maelgwn nickte langsam, indem er das Kinn neigte. „Natürlich, Pfleger Leroy. Ich wollte deinen Patienten nicht aufregen.“ Er stand auf und fügte hinzu: „So, wie er diese Kugel für mich abfing, dachte ich, er wüsste mehr über uns.“

Leroy lächelte und seine braunen Augen funkelten. „Nun, ihm wurde in den Kopf geschossen“, erinnerte er mit neckendem Ton.

„Stimmt“, antwortete Maelgwn trocken.

Maelgwn ging auf die Tür zu, durch die die anderen Männer bereits verschwunden waren. Zu seinem Entsetzen stellte Walter fest, dass sie gar keine Mäntel trugen. Als er den Rücken der Wesen sah, erkannte er, dass es sich tatsächlich um Flügel handelte.

Maelgwn blieb an der Tür stehen und wandte sich wieder Walter zu. „Ich muss wissen, ob jemand nach dir sucht. Hast du eine Familie, Walter?“, fragte er. „Jemanden, den ich benachrichtigen sollte? Es ist Monate her, aber besser spät als nie.“

„Ja“, flüsterte Walter. „Meine Schwester. Ilial.“ Obwohl sie sich nicht gut verstanden, was ihren egoistischen Verhaltensweisen und seinen Geheimnissen zu tun hatte, könnte sie nach ihm suchen … irgendwann. „Aber sie lebt in Cheyenne, Wyoming.“ Nun, zuletzt hatte er gehört, dass sie dort war.

„Wir werden nach ihrem Aufenthaltsort suchen“, versprach Maelgwn. „Wenn sie dich sucht, werden wir sie wissen lassen, dass du in einem privaten Krankenhaus bist.“

Mit diesen letzten Worten wirbelte die große Kreatur herum und verließ den Raum.

„Okay“, murmelte Leroy, kehrte zur Kommode zurück und griff nach dem jetzt nicht mehr so stark dampfenden Tablett. „Du wirst diese Brühe und etwas Tee trinken, dann schläfst du noch mehr.“ Er platzierte das Tablett auf dem Bett neben seinem Bein. „Komm schon“, drängte er, tauchte den Löffel in die Flüssigkeit und führte ihn zu Walters Lippen. „Aufmachen.“

Walter musste zugeben, dass Leroy ein verdammt guter Krankenpfleger war. Er mochte ein kleiner Mann sein, aber er wusste, wie er seinen Job zu machen hatte und genau das erreichen konnte, was er wollte. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte Walter die Hühnerbrühe und den Tee getrunken, und seine Augenlider waren zu schwer, um sie offen zu halten.

Kapitel 2

Treatise blieb an der Tür des Speisesaals stehen. Er bemerkte die verschiedenen Gargoylegruppen, deren Köpfe zusammensteckten, und das Brummen von Gesprächen erfüllte den Raum. Er fragte sich, was los war.

Treatise ging auf die Wand zu, die an die Küche grenzte, und fing gelegentlich einen Teil der Unterhaltung auf. Daraus setzte er die aufregenden Neuigkeiten zusammen. Offensichtlich war ein Mensch aus dem Koma aufgewacht.

Treatise durchforstete sein Gedächtnis nach einem verletzten Menschen, der sich in ihrer Obhut befand, ihm fiel aber nur einer ein. Während er sechs Stücke Brot auf seinen Teller legte, dann drei davon auf einer Seite mit Mayonnaise bestrich und eine dünne Schicht Ranchdressing auf die anderen gab, dachte er an den Menschen, der nur als derjenige bekannt war, der eine Kugel für ihren Anführer abgefangen hatte. Er häufte Speck, Salat und Tomaten auf das mit Mayo bestrichene Brot, legte dann die anderen Scheiben darauf und setzte seine Sandwiches zusammen. Er nahm sich mehrere Beilagen – grüner Bohnenauflauf, eine Handvoll Chips mit Cheddargeschmack, dazu Kartoffelpüree und braune Soße – und schob den Ärger beiseite, den er immer empfand, wenn er an diesen Kampf dachte.

Treatise war im Tagschlaf gewesen, sein Körper eine Steinstatue, als er nach Art eines Gargoyles schlief. Er hatte noch nie zuvor ein Problem damit gehabt, aber da ihre Feinde menschlich waren, bedeutete dies, dass er viele Stunden des Tages verwundbar war. Auch wenn er seinen Schwarm-Brüdern vertraute, würde Treatise es vorziehen, draußen zu sein und zu kämpfen.

Trotzdem wusste er, dass das unmöglich war, bis er seinen Gefährten gefunden hatte. Mit vierhundertzweiundfünfzig Jahren wollte er seine andere Hälfte auch unbedingt finden. Er war schon lange Zeit allein oder hatte sich mit One-Night-Stands abgegeben. Zuzusehen, wie andere Mitglieder seines Schwarms ihre besondere Person fanden, hatte einen dumpfen Schmerz in ihm ausgelöst.

Er würde nie zugeben, auf die anderen Gargoyle eifersüchtig zu sein, aber es gab Zeiten, in denen er verdammt nahe dran war.

Treatise stellte seinen Teller auf einen Tisch, an dem Sumak zusammen mit anderen saß, und ließ sich auf einen Platz fallen. Er wusste, dass der kleine lila Gargoyle in der Küche arbeitete. Aus irgendeinem Grund schien er immer den besten Klatsch zu kennen.

Sumak würde wissen, was los war.

„Ich scheine heute Abend im Rückstand zu sein, Sumak“, stellte Treatise fest und lenkte die Aufmerksamkeit des jüngeren Gargoyles auf sich. Er zwinkerte dem flirtwilligen Mann zu und fragte dann: „Bringst du mich auf den neuesten Stand, Süßer?“

Er und Sumak hatten ein paar Mal rumgemacht. Sie waren keine Gefährten, aber sie hatten beide gewisse Bedürfnisse. Sumak war ein fantastischer Bottom – laut, enthusiastisch und, das Beste von allem, biegsam.

Sumak strahlte Treatise an und war offensichtlich erfreut, gefragt zu werden. „Der Mensch, der für Maelgwn einen Schuss in die Brust abbekommen hat, ist endlich aufgewacht“, sagte er aufgeregt. „Ich habe von Roland gehört, dass Tobias nicht glaubte, dass er durchkommen würde. Ich meine, Menschen sind so zerbrechlich“, fuhr er fort und fuchtelte zur Betonung mit seiner mit schwarzen Krallen besetzten Hand. „Die Kugel hat ihm nicht nur mehrere Rippen gebrochen und seine Lunge durchbohrt, wodurch sie kollabiert ist. Eine zweite Kugel hat auch noch seine Kopfhaut gestreift. Der Arme.“

„Ich hatte gehört, dass er deswegen im Koma liegt“, stellte Treatise langsam fest. Er war in keiner Weise Teil des inneren Kreises oder diesem auch nur nahe, aber er machte seine Arbeit als Tracker ziemlich gut. Er hörte viele Geschichten, die die Runde machten. Dazu gehörte die Tatsache, dass eine Gruppe von Menschen, die sich Ritter nannten, sie jagten. „Wird er uns Informationen über die Jäger geben?“

Sumak schüttelte den Kopf. „Ich habe gehört, dass Maelgwns Bauchgefühl nach Walter nichts über sie weiß.“ Er zuckte die Achseln, als er ein Wurststückchen mit seiner Gabel aufspießte. „Entweder das oder er hat halluziniert oder stand unter Schock, aber er hatte keine Schmerzmittel mehr bekommen, also ist das schwer zu sagen.“

„Glauben sie das wirklich?“ Treatise konnte sich das nicht vorstellen. „Da er diesen Schuss für Maelgwn abgefangen hat, dachten wir, er würde die Seiten wechseln“, sinnierte er leise und rieb sich nachdenklich den Kiefer. „Wir haben so lange darauf gewartet, dass er aufwacht, in der Hoffnung, dass er uns etwas erzählen kann …“

Tobias ließ sich auf dem Stuhl neben ihm nieder. Dem großen, grünen stellvertretenden Anführer folgte sein Gefährte, der Luchswandler Roland. Ein grimmiges Lächeln verzog seine Lippen, als er seinen Blick über die Personen am Tisch schweifen ließ.

Als Tobias’ Blick auf ihm landete, fühlte Treatise ein nagendes Unbehagen in seinem Inneren. Er legte die Gabel ab und konzentrierte sich auf den Gargoyle. Da Maelgwn besessen davon war, für seinen schwangeren Gefährten Bobby zu sorgen, hatte Tobias einige der täglichen Aufgaben des Anführers übernommen. Eine dieser Aufgaben bestand darin, den Gargoyles in ihrem Schwarm Jobs zuzuteilen.

„Ich ziehe dich für eine Weile vom Tracker-Dienst ab“, sagte Tobias.

Treatise nickte langsam und fragte: „Warum macht mir dein Blick Sorgen? Was soll ich tun?“

Tobias sah ihn direkt an. „Ich weiß, dass du das wahrscheinlich als Babysitter-Job ansiehst, aber das ist es nicht“, warnte er. „Während der Abendstunden musst du zur Verfügung stehen, um Walter zu begleiten, wann immer er sein Zimmer verlassen möchte.“

„Ja“, antwortete Treatise und zog das Wort in die Länge. „Das klingt tatsächlich wie ein Babysitter-Job.“ Er runzelte die Stirn. „Also, warum sagst du, dass es das nicht ist?“ Als er Tobias die Brauen heben sah, fügte Treatise eilig hinzu: „Wenn ich fragen darf.“

Roland summte, als er in ein Stück Speck biss und die Spannung brach.

Tobias hob sein Sandwich auf und antwortete: „Die Antwort ist zweifach. Erstens, du warst nicht bei dem Kampf dabei.“ Er führte das Essen zu seinen Lippen. Kurz bevor er einen Bissen nahm, fügte er hinzu: „Falls Walter sich an einen angreifenden Gargoyle erinnert, wollen wir ihm jemanden als Begleitung geben, den er nicht als aggressiv wiedererkennt.“

Während Treatise zusah, wie Tobias sein Essen kaute, dachte er darüber nach und aß sein eigenes Sandwich. Nachdem er geschluckt hatte, fragte er: „Soll ich sein Vertrauen gewinnen?“ Er verengte die Augen, als er das erfreute Grinsen des Zweiten sah. „Versuchen, ihn zum Reden zu bringen, vielleicht etwas aus seinem Unterbewusstsein herauslesen, indem ich ihn kennenlerne?“

„Richtig.“ Tobias nahm noch einen Happen zu sich.

Treatise konzentrierte sich ebenfalls auf sein Essen. Er fragte sich, was zum Teufel er zu dem Menschen sagen könnte. Trotzdem würde er tun, was ihm gesagt wurde. Er würde es versuchen.

„Und der zweite Grund?“, drängte Treatise und schob sich den letzten Bissen seines ersten Sandwichs in den Mund. Während er kaute, nahm er das zweite und starrte Tobias an.

Der Gargoyle trank einen Schluck von seinem Kaffee und antwortete dann: „Du kennst dich mit Massagen aus.“

Treatises Stirnkämme schossen hoch. Sein Essen drohte in die falsche Röhre zu rutschen. Er hustete zweimal, konnte es verhindern und schluckte dann schwer. Er trank einen Schluck Kaffee und räusperte sich dann.

„Massage?“ Treatise runzelte die Stirn, verstand immer noch nicht. „Warum ist das relevant?“

Tobias zwinkerte ihm zu und erklärte: „Walter liegt seit mehreren Monaten im Koma. Seine Muskeln sind schwach. Das wird ihm helfen, wieder zu Kräften zu kommen.“ Immer noch verwundert, saß Treatise da und starrte seinen Anführer nur an, was Tobias zum Lachen brachte. „Iss auf, Treatise“, befahl er und zeigte auf den noch gut halb vollen Teller. „Ich bringe dich gleich zu ihm. Wenn er dann irgendwann schläft, kannst du dich mit Doktor Perseus oder Schwester Leroy zusammensetzen, um Vorschläge für Reha-Maßnahmen zu erhalten.“

Nach fünfzehn Minuten schob Treatise den letzten Bissen seines letzten Sandwichs in den Mund und wischte sich die Hände an der Serviette ab. Er schluckte und nahm dann seine letzten drei Chips. „Wo ist er untergebracht?“

Zur Sicherheit des Schwarms wurden die mehreren Menschen, die sie in Gewahrsam hatten, im Westflügel festgehalten. Niemand im Schwarm außer denen, die direkt mit den Menschen zu tun hatten, wussten, welcher Raum genau es war.

Zuletzt hatte Treatise gehört, dass der Alligator-Wandler Tristan der Einzige war, der mit Bud Wallice sprach. Durch irgendeine Art von Manipulation hatte der Alligator erfahren, dass Canaan Bell, der mit Buds Frau in der Stadt aufgetaucht war, Teil der Gruppe von Jägern war. Er hatte mit seinem neuen Gefährten, Detective Collin DeSoto, zusammengearbeitet, um eine Gelegenheit zu schaffen, die beiden zu fangen.

Innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte Einan – einer der Vollstrecker ihres Schwarms – bestätigen können, dass Mrs. Wallice absolut nichts mit der Sache zu tun hatte. Der Computerguru ihres Schwarms, Raymond, hatte eine neue Identität für sie geschaffen. Sie hatten sie mit einem kleinen Heim in Hawaii versorgt, ihr nettes Sümmchen für den Ruhestand gegeben und sie in ein Flugzeug begleitet.

Canaan wurde von Vane befragt. Treatise hatte gehört, dass der Kerl mit einem Schlangenölverkäufer verglichen wurde. Er war froh, dass er diese Aufgabe nicht hatte.

Tobias schluckte sein Essen hinunter und warf dann seine Serviette auf seinen Teller. „Ich werde dich begleiten“, sagte er und stand auf. Er beugte sich vor und küsste Roland auf die Lippen. „Wirst du die Gärten erkunden, während ich weg bin?“

Roland schüttelte den Kopf. „Nein. Matthew braucht Hilfe bei der Auswahl eines Geburtstagsgeschenks für Vane.“

Tobias runzelte die Stirn und stellte die Frage, die Treatise sofort in den Sinn gekommen war. „Kennt Vane überhaupt seinen Geburtstag?“

„Nein, also wird Matthew sich ein Datum aussuchen und ihm eine Überraschungsparty bereiten“, verriet Roland. Er sah sich um und fügte hinzu: „Erzählt es niemandem.“

Treatise nickte. „Meine Lippen sind versiegelt.“

Roland schien das zu akzeptieren und kehrte zu seinem Essen zurück. Er nahm ein Stück Zimt-Toast und knabberte glücklich daran. Tobias drückte einen Kuss auf die Schläfe seines Gefährten und winkte Treatise, ihm zu folgen.

„Ich werde tun, was ich kann“, versprach Treatise.

Kurz drauf warf er einen Blick auf die Bilder an den Wänden des Flurs im Westflügels und runzelte die Stirn. „Warum haben wir hier Gargoylebilder?“

Tobias lachte. „Bobby mochte die Fuchs- und Hundebilder nicht. Er dachte, sie wären für einigen der Wandler hier auf dem Anwesen nicht angebracht.“ Er grinste Treatise an, als er hinzufügte: „Maelgwn kann zu seinem Geliebten nicht nein sagen, also stimmte er zu, ihn die Bilder austauschen zu lassen. Stell dir mal seine Überraschung vor, als Bobby eine Unmenge mittelalterlicher Gargoylebilder fand und sie aufhängte.“

Treatise Mund stand offen, als er seinen Blick über einige der Bilder schweifen ließ. Eines davon war eine Burg mit Gargoylestatuen auf den Brüstungen. Ein anderes zeigte einen Gargoyle, der mit ausgebreiteten Flügeln da hockte und den Vollmond hinter sich hatte. Ein drittes zeigte … ein Cartoon-Bild. Vor diesem hielt Treatise inne und bemerkte ein Gargoyles-TV-Logo.

Kopfschüttelnd murmelte Treatise: „Sollte ich beleidigt sein?“

Tobias schnaubte belustigt. „Ignoriere es einfach. Einige dieser Bilder sind wirklich beeindruckend.“ Er zeigte auf den Gargoyle, der vor dem Mond hockte. „Ich finde, dass dieses verdammt süß ist.“

„Dem kann ich zustimmen“, kommentierte Treatise, als er wieder zu gehen begann. „Okay. Wo ist das Zimmer?“

„Wir haben ihn im zweiten Stock“, sagte Tobias. „Wir haben diese Fenster nicht vergittert, und er hat tatsächlich einen wirklich schönen Balkon, nicht dass ein Mann im Koma den gebrauchen könnte.“ Er ging eine Seitentreppe hinauf und fuhr fort: „Auf seinem Balkon gibt es aber Bewegungsmelder, falls er da raus geht, jetzt, wo er wach ist. Ich bin mir aber nicht sicher, wie lange es dauern wird, bis er genug Kraft hat, um das zu tun, da seine Muskeln aufgrund der mangelnden Bewegung verkümmert sind.“

„Also ist er im Moment ziemlich lahmgelegt?“, fragte Treatise und suchte nach Bestätigung. „Was mache ich dann eigentlich hier?“

Tobias zuckte die Achseln. „Rede zunächst einfach mit ihm“, empfahl er. „Versuche vielleicht, ihn zu überreden, sein Zimmer wenn auch nur ein paar Minuten lang zu verlassen. Wenn er unser Volk als etwas anderes sieht als die Monster, zu denen Bud uns gemacht hat, sollte es einfacher für dich sein, ihn dazu zu bringen, sich zu öffnen.“

„Na klasse“, grummelte Treatise. „Ich werde ihn fragen, ob er weiß, wie man Binokel spielt.“

Tobias blieb vor einer Tür stehen und drehte sich zu ihm um. „Du weißt, wie man Binokel spielt?“

Treatise zuckte die Achseln und sah sich unbehaglich um. „Ja“, gab er zu. „Ich habe es online gelernt, weil mir langweilig war.“

Tobias klopfte ihm grinsend auf die Schulter. „Na dann. Vielleicht mag Walter Kartenspiele.“ Er zog einen Schlüssel aus einem Beutel, der an einem Gürtel befestigt war, den er um seinen Lendenschurz trug. „Wer weiß das schon, nicht wahr?“

Während Tobias die Tür öffnete, blieb Treatise kurz stehen und folgte ihm dann. Ein Duft kitzelte seine Sinne. Er spürte ein Prickeln der Erregung in seinem Körper kribbeln, was dazu führte, dass Blut nach Süden schoss. Seine Eier rollten sogar in seinem Sack.

„Kommst du?“

„Ich könnte“, murmelte Treatise und streckte die Hand aus, um seine wachsende Erektion zurechtzurücken.

Tobias drehte sich zu ihm um, ein paar Schritte hinter der Tür. „Was hast du gesagt?“

Treatise erkannte, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, und es war wahrscheinlich Unglaube, was den stellvertretenden Anführer zu seiner Aufforderung, es zu wiederholen, veranlasste, nicht weil er die Worte tatsächlich nicht klar gehört hatte.

Eine Grimasse schneidend schlüpfte Treatise an dem Zweiten vorbei. In der Sitzecke der Suite angekommen, atmete er erneut ein und schaffte es gerade noch, sein Stöhnen zu unterdrücken. Er musste jedoch seinen Handballen gegen die Basis seiner jetzt aufgerichteten Erektion drücken.

„Wow“, murmelte Tobias. „Was zum Teufel? Was ist los mit dir?“

Treatise atmete durch den Mund, aber das half nichts. Stattdessen liefen die Düfte nur über die Hunderte von Rezeptoren auf seiner Zunge. Sein Schwanz verdickte sich schmerzhaft, zuckte und tropfte in seinem Lendenschurz.

Zischend wandte sich Treatise von dem größeren Gargoyle ab. Diesmal konnte er sein Stöhnen nicht aufhalten. Er riss die linke Schnur seines Lendenschurzes auf und befreite seinen Schwanz. Er umfasste die Basis, aber es war zu spät. Die einfache Berührung, die ihm helfen sollte, die Kontrolle wiederzuerlangen, stieß ihn über die Kante.

Treatise knirschte mit den Zähnen, beugte sich vor und stützte seine freie Hand auf den Beistelltisch. Der Orgasmus schoss durch ihn und ließ ein Prickeln von seligem Feuer durch sein Blut strömen. Er zielte mit seinem Schwanz auf den Boden und hielt sich zitternd und keuchend fest, während er die Empfindungen, die ihn völlig aus dem Nichts überwältigt hatten, auskostete.

Treatise atmete schwer und versuchte, genug Luft in seine Lunge zu bekommen. Sein Kopf drehte sich, schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Schaudernd kämpfte er darum, seinen Körper wieder in den Griff zu bekommen.

Langsam spürte Treatise, wie sein Schwanz ein wenig weicher wurde. Er öffnete die Augenlider und war sich nicht sicher, wann er sie überhaupt geschlossen hatte. Er starrte auf die Sauerei, die er angerichtet hatte, und bemerkte, dass sein Ständer nicht einmal zurück auf Halbmast war. Bei dem Geruch, der die Luft durchdrang, wusste er, dass seine Erregung nicht nachlassen würde.

„Heilige Hölle“, murmelte Treatise. „Das war … das war intensiv.“

„Willst du mir sagen, was zum Teufel gerade passiert ist, Treatise?“, knurrte Tobias. Auch wenn er in seine Blickrichtung trat, sah er ihn nicht wirklich an. Stattdessen starrte er auf das Bild an der Wand. „Wisch das besser weg, bevor es Flecken hinterlässt.“

Treatise nickte kurz. Er richtete sich auf, steckte seinen Schwanz in seinen Lendenschurz, rückte ihn zurecht und band ihn wieder fest. „Er ist mein Gefährte“, flüsterte Treatise. „Es gibt keine andere Erklärung. Hier reinzugehen …“ Endlich warf er einen Blick auf seinen Zweiten und bemerkte, dass der Gargoyle sich offensichtlich unwohl fühlte. „Walter hat den Raum seit Monaten nicht mehr verlassen. Sein Duft durchdringt die Luft. Es war wie … flüssiges Viagra. Ein Schuss, direkt in die Adern.“

Er hatte keine andere Möglichkeit, es zu erklären.

Ein Muskel spannte sich in Tobias’ Kiefer, und er nickte knapp. „Nun, nachdem du das saubergemacht hast, stelle ich dich ihm vor.“ Er warf einen kurzen Blick auf Treatise und lächelte leicht. „Zumindest wird die Massage ihm helfen, sich an deine Berührung zu gewöhnen.“

Treatise nickte und wandte sich der Küchenzeile zu, wohl wissend, dass sie mit Handtüchern gefüllt sein würde.

„Oh, und Treatise“, rief Tobias leise, so dass seine Stimme gerade Treatises empfindliche Ohren erreichte. Als er seinen Zweiten über die Schulter ansah, traf der seinen Blick und sagte: „Ich möchte nicht darüber reden. Niemals.“

Kapitel 3

Walter lauschte dem Geräusch, das ihn geweckt hatte und versuchte herauszufinden, was es war. Auch wenn sein Körper nicht immer kooperierte, war sein Verstand inzwischen klar. Als das Geräusch verstummte, bemerkte er, dass es fließendes Wasser gewesen war. Die Richtung, aus der es gekommen war, sagte ihm, dass es von der Küchenzeile gewesen sein musste, die er von dort, wo er lag, geradeso sehen konnte.

Vor einer Lichtquelle im vorderen Raum bewegte sich ein Schatten, was die Silhouette einer großen Gestalt erzeugte.

Noch ein Gargoyle?

Nachdem Walter die Suppe von Leroy zu sich genommen und eine Weile geschlafen hatte, war Doktor Perseus angekommen. Er war schockiert gewesen, als er sah, dass der Arzt auch ein Gargoyle war. Die Kreatur war blassgrün mit schwarzen Flügeln und Krallen. Der Mann hatte aber eine verdammt beruhigende Art am Krankenbett.

Walter hatte Perseus zugehört, als der erklärte, was Gargoyles waren, zusammen mit Paranormalen, einschließlich Wandlern und Vampiren. Er war sich nicht sicher, warum der Mann so offen war. Vielleicht lag es daran, dass er diese Kugel für jemanden abgefangen hatte, den sie ihren Anführer nannten.

Wie erkläre ich, dass das eine rein instinktive Reaktion war?

Walter hörte ein paar Stimmen murmeln und spitzte die Ohren. Er konnte immer noch nicht verstehen, was gesagt wurde. Sekunden später erschienen zwei Schatten, dann gingen zwei Gestalten durch die Tür.

Walter benutzte seine Hände, um sich in eine sitzende Position aufzurappeln. Seine Arme zitterten ein wenig, bevor er einige Kissen hinter seinen Rücken stopfen konnte. Das war ein Sieg, nahm er an. Schließlich hatte er am Vortag kaum Leroys Hand drücken oder seine Augen öffnen können.

Auch wenn seine Muskeln geschwächt waren, hatte er zumindest an Gewicht verloren. Er hatte monatelang versucht, seinen verdammten Rettungsring loszuwerden, aber das fettige Essen bei der Kuriositätenshow zusammen mit den langsamen Patrouillen oder dem Herumstehen, die bei seiner Arbeit erforderlich waren, machten es ihm schwer. Er vermutete, dass das alles jetzt hinter ihm lag.

„Ich erinnere mich an dich, von gestern“, sagte Walter und sah den größeren Mann an. Der gewaltige, dunkelgrüne Gargoyle hielt hinter der Türschwelle inne. „Aber ich habe deinen Namen nicht verstanden.“

Der zweite Mann ging an ihm vorbei und schritt näher. Er ging sogar an der Tür vorbei, die zum Badezimmer führte, der Tür zum vorderen Raum – anscheinend war die Suite wie ein O gestaltet – und ließ sich auf dem Stuhl neben dem Nachttisch nieder.

Aus irgendeinem Grund konnte Walter den neuen Gargoyle nicht aus den Augen lassen. Der Mann war breitschultrig und goldfarben. Sein Hautton war buchstäblich goldfarben. Walter hatte so etwas noch nie gesehen.

Er hatte sich ein paarmal in die Großstadt geschlichen, um einen Handjob mit einem anderen Mann zu haben, wenn das Bedürfnis, einen Schwanz in seinem Griff zu spüren, der nicht sein eigener war, zu groß wurde. Er war jedoch noch nie zuvor auf einen One-Night-Stand fixiert gewesen. Die schwarzen Flügel, die über seinen Schultern hingen, und die schwarzen Krallenhände, die die Armlehnen des Stuhls umfassten, betonten nur seine Gesichtszüge.

Es waren die durchdringenden smaragdfarbenen Augen des Mannes, die sich ganz auf ihn konzentrierten, was ihn wirklich anzog.

Er fand es fast beunruhigend.

„Ich bin Tobias“, sagte der erste Mann.

Walter blinzelte und bemerkte, dass er den goldenen Gargoyle anstarrte. Er riss seinen Blick von dem gutaussehenden Mann los und konzentrierte sich auf die grüne Kreatur. Heilige Scheiße, finde ich den Gargoyle wirklich gutaussehend? Er wusste, dass es so war, aber das bedeutete nicht, dass er wollte, dass der andere Mann es merkte.

„Äh, schön dich kennenzulernen?“

Tobias grinste ihn an. „Doktor Perseus hat mir erzählt, dass er dir einen groben Überblick über Gargoyles und ein paar andere Paranormale gegeben hat.“ Nachdem Walter genickt hatte, fuhr Tobias fort: „Das bedeutet, dass du wissen müsstest, dass ich, wenn ich sage, dass ich der Zweite dieses Schwarms bin, damit meine, dass ich der Stellvertreter unseres Anführers Maelgwn bin. Wenn du jemals irgendwelche Probleme haben solltest, kannst du mit ihnen gerne zu mir kommen.“

Unfähig, sich zurückzuhalten, schnaubte Walter belustigt. „Zu dir kommen?“ Er schaffte es, seine rechte Hand zu heben und für ein oder zwei Sekunden zu winken, bevor er sie wieder auf seinen Schoß legte. „Wie würde ich das schaffen?“

„Ich werde dir dabei helfen“, stellte der zweite Mann leise fest und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Mein Name ist Treatise und ich bin hier, um dir bei der Reha zu helfen. Dir helfen, die Kontrolle über deine Muskeln wiederzuerlangen. Ich habe viele Dinge im Sinn, die dir dabei helfen werden, dich zu bewegen, von Massagen bis zu Spaziergängen in der Natur.“ Sein Lächeln wirkte ermutigend. „Wir werden dich wieder auf die Beine kriegen.“

Walter spürte tatsächlich, wie sein Gesicht rot wurde. Außerdem begann sein Schwanz, sehr zu seinem Leidwesen, anzuschwellen. Noch nie hatte er das nur bei einem Lächeln erlebt.

Scheiße! Was zur Hölle bedeutet das?

Als Walter bemerkte, dass er die seltsamen Reaktionen seines eigenen Körpers nicht verstehen konnte, nickte er dem Gargoyle zu. „Also bist du so was wie mein Physiotherapeut?“

„Ich nehme an, das wäre richtig.“

Walter konzentrierte sich wieder auf Tobias und fragte: „Warum macht ihr das alles?“ Als er den grünen Gargoyle anstarrte, fühlte er sich ein wenig mehr, als hätte er sich unter Kontrolle, und er wollte wirklich einige Antworten bekommen. „Warum habt ihr mich nicht einfach in ein Krankenhaus gebracht?“ Eine andere Option kam ihm in den Sinn. „O-oder mich getötet?“

Der goldene Gargoyle knurrte und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. „Niemand wird dich töten“, fauchte er. Seine Krallenhände zuckten tatsächlich, als wären sie bereit, einen möglichen Angreifer in Stücke zu reißen.

Walter spürte, wie Gänsehaut auf seinen Armen ausbrach, als er so aggressiv beschützt wurde. Obwohl er nie gedacht hätte, von diesem Typ Mann angezogen zu sein, konnte er die Anziehungskraft, die dieser Gargoyle auf ihn ausübte, nicht leugnen. Er mochte die Leidenschaft.

Trotzdem hatte Walter keine Antwort erhalten. „Warum?“, hakte er nach. „Ist es, weil ich eine Kugel für Maelgwn abgefangen habe?“

„Dass du unseren Anführer gerettet hast, ist ein Teil davon“, gab Tobias schließlich zu. „Ein größerer Aspekt ist jedoch, dass du mit Bud Wallice und den Jägern zusammen warst, die unsere Leute entführt haben“, erklärte er. „Wir brauchen Informationen, und Bud redet nicht und Ryker auch nicht. Vielleicht könntest du uns etwas sagen.“

Walter spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht floss. „Also bin ich ein Gefangener. Ist es das?“ Er sah zu Treatise und bemerkte den unbehaglichen Gesichtsausdruck des Gargoyles. „Ich werde euch sagen, was ich weiß, aber es ist wirklich nicht viel.“

„Das ist gut“, antwortete Tobias und richtete sich von der Wand auf, an die er sich lehnte. „Und versuche, dich nicht als Gefangenen zu betrachten.“ Sein Mundwinkel verzog sich zu einem schiefen Lächeln. „Ich habe das Gefühl, dass du anders bist, Mensch. Du wirst verstehen, warum wir unsere Privatsphäre schätzen.“

Als Walter den kryptischen Kommentar hörte, beeilte er sich, den Gargoyle zu beschwichtigen. „Nun, natürlich“, behauptete er und rieb mit den Händen über die Decke auf seinen Schenkeln. „Ich meine, kein Volk möchte gejagt werden, nur weil es anders ist.“

Ein herzhaftes Gähnen überkam ihn, und Walter rieb sich mit der Hand übers Gesicht. „Entschuldigung“, murmelte er. „Alles, was ich seit Monaten getan habe, ist schlafen, und ich fühle mich immer noch müde.“

„Das ist keine große Überraschung“, kommentierte Treatise. „Deine Muskeln gewöhnen sich daran, wieder benutzt zu werden.“

Tobias räusperte sich und sagte dann: „Ich bin dann weg. Halte mich auf dem Laufenden, Treatise.“

„Ja, Sir“, antwortete Treatise sofort.

Walter sah zu, wie Tobias sich umdrehte und den Raum verließ. Ihm wurde klar, dass er jetzt mit Treatise allein war. Er verstand diese Anziehungskraft nicht, aber er konnte nicht leugnen, was er fühlte. Zumindest nicht sich selbst gegenüber. Er würde sich aber die größte Mühe geben, diese Informationen vor Treatise geheimzuhalten.

„Musst du vor der ersten Massage auf die Toilette?“, fragte Treatise und erhob sich von seinem Stuhl. „Sie wird helfen, deine Muskeln zu stimulieren und sie schneller wieder zum Leben zu erwecken.“

Walter konzentrierte sich auf Treatise und öffnete den Mund, um das Angebot abzulehnen. Verdammt, es fiel ihm schwer genug, in der Nähe des großen Mannes seinen Schwanz zu kontrollieren. Wenn Treatise ihn berührte, befürchtete er, dass er die Kontrolle über sich selbst verlieren würde.

Doch bevor Walter die Worte herausbekam, sah er den Gesichtsausdruck von Treatise. Erwartung, Vorfreude, Begeisterung? Sicherlich sah Walter nur, was er sehen wollte.

Trotzdem hasste Walter es, den Mann zu enttäuschen. Treatise machte nur seinen Job, nicht wahr? Ganz zu schweigen von einem weiteren Grund, seine Hilfe anzunehmen.

„Zur Toilette gehen wäre toll“, gab Walter zu. „Wenn ich diese verdammte Bettpfanne nie wieder benutzen muss, werde ich als glücklicher Mann sterben.“

Treatises Augen weiteten sich. „Verdammt. Daran hätte ich denken sollen. Hast du, äh …“ Irgendwie nahm die goldene Haut des Gargoyles eine rosa Färbung an seinem Hals an und zeigte, dass er rot wurde. Er räusperte sich und versuchte es erneut. „Hast du einen Katheter? Ich kann Cosmo rufen, um ihn zu entfernen. Er ist gerade im Dienst.“

Walter schüttelte schnell den Kopf. „Nein, nein, ist in Ordnung“, beeilte er sich zu versichern. „Doktor Perseus hat ihn rausgenommen, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Dem Schöpfer sei Dank für kleine Gefälligkeiten.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752100709
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juli)
Schlagworte
gestaltwandler romance fantasy schwul gay liebesroman gargoyle Roman Abenteuer Fantasy Romance Liebesroman Liebe

Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Vertrauen in den Verräter