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Verlockung für den Vollstrecker

von Charlie Richards (Autor:in)
129 Seiten

Zusammenfassung

Jared Templeton kehrt nur aus einem einzigen Grund nach Colin City zurück: die Hochzeit seiner Schwester. Danach will er zurück nach Massachusetts und dort in friedlicher Einsamkeit sein Leben als Auftragskiller fortsetzen. Er rechnet nicht damit, der Beerdigung für einen verstorbenen Mentor beizuwohnen, seinen Wandlerfreunden bei der Rettung eines blinden Mannes zu helfen, oder herauszufinden, dass ein Wandler sein Gefährte ist – ein männlicher Wandler. Er hat sich noch nie zuvor zu einem Mann hingezogen gefühlt, aber jetzt kann er nicht leugnen, dass er auf diesen scharf ist. Und er hat absolut keine Ahnung, was er deswegen unternehmen soll, oder wie der Wolfswandler in sein Leben passen soll, falls er seinem Verlangen nachgibt. Carson Angeni ist der Vollstrecker des Stone Ridge Wolfsrudels. Er befolgt die Befehle seines Alphas und gehorcht ohne Widerspruch, selbst wenn es bedeutet, dass er jemandem das Leben nehmen muss, um für die Sicherheit des Rudels zu sorgen. Als er es mit einem Gefährten zu tun bekommt, der für Geld tötet, ohne Reue oder Gewissen, stellt er die Entscheidung des Schicksals infrage. Wie kann er einen Mann als Gefährten akzeptieren, dem es anscheinend Spaß macht, alle um ihn herum aufzustacheln, ganz davon abgesehen, dass Jared praktisch am anderen Ende des Landes lebt? Doch als er den Mann kennenlernt, stellt Carson fest, dass Jared mehr ist als sein forsches Benehmen vermuten lässt. Es gibt definitiv eine Verbindung zwischen ihnen und beiden fällt es schwer, sie zu verleugnen, doch Carson kommt mit Jareds Arbeit als Auftragskiller nicht zurecht. Und als Carson herausfindet, dass Jared von Anfang an wusste, dass sie Gefährten sind, werden die Spannungen zwischen ihnen noch stärker. Kann Carson lernen, seinem Gefährten zu vertrauen, während er Jared zu überzeugen versucht, seinen Job und sein ganzes bisheriges Leben aufzugeben, um zu ihm nach Stone Ridge zu ziehen? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Um die gesamte Handlung sowie die Geschichte aller Figuren zu erfahren, empfiehlt es sich, alle Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen. Länge: rund 32.200 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Jared betrachtete das Zuhause seiner Kindheit. Zehn Jahre Abwesenheit waren eine lange Zeit, auch wenn er wusste, dass es so am besten war. Er wollte nicht, dass sein Leben als Auftragskiller seine Eltern oder Schwestern berührte. Doch als seine Mutter ihm erzählt hatte, dass seine ältere Schwester heiraten würde, war ihm keine andere Wahl geblieben, als die Reise nach Colin City anzutreten. Jared holte tief Luft und stieg aus seinem gemieteten Porsche, bereit, sein vorgetäuschtes Leben anzutreten.

Er hatte kaum die Veranda erreicht, als die Haustür aufschwang und Patricia mit in die Hüften gestemmten Händen heraustrat. „Du nimmst mich auf absolut jeden Fall mit auf eine Spritztour in dem Ding!“

Er grinste seine Schwester an und sagte: „Ach ja? Wer sagt das?“

Er war bereit, als sie kreischte, von der Veranda stürmte und sich in seine Arme warf. Er wirbelte sie in der Luft herum und lachte dabei die ganze Zeit. Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, bevor sie sich zurücklehnte und ihn angrinste. „Willkommen zurück in Colin City. Es hat sich nicht sehr verändert, nicht wahr?“

„Nein, das hat es wirklich nicht“, antwortete er und stellte sie wieder auf die Füße. „Wo sind Mom und Dad?“, fragte er, den Blick auf die offene Tür gerichtet.

Patricia wurde sofort ernst, was in Jareds Kopf die Alarmglocken schrillen ließ. Seine Schwester war nur selten ernst, was bedeutete, dass es sich um etwas Wichtiges handelte. „Mr. Giovanni wurde getötet. Sie dachten, du würdest erst morgen ankommen, also sind sie bei der Beerdigung.“

Jared runzelte die Stirn. „Was ist passiert?“, fragte er, während er sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen machte, um seine Tasche zu holen. Er dachte bereits darüber nach, welches dunkle Hemd zu der schwarzen Jeans, die er trug, passte. Er war froh, dass er noch nicht im Hotel eingecheckt hatte und seine Kleidung noch bei sich führte.

Sie schnitt eine Grimasse. „Das ist wirklich ziemlich seltsam. Es heißt, dass er joggen war und von einem Auto angefahren wurde. Fahrerflucht. Die Polizei hat aber niemanden festgenommen.“

„Nun, wenn es Fahrerflucht war, wissen sie nicht, wer es war“, erklärte Jared, ließ seine Tasche auf dem Tisch im Esszimmer fallen und zog einen schwarzen Pullover heraus. Er zog das hellblaue Hemd, das er trug, über den Kopf und tauschte es schnell gegen den Pullover. Als er Patricias Blick bemerkte, hob er eine Augenbraue. „Was ist?“

„Warum ziehst du dich um?“, fragte sie.

„Ich kenne Mr. Giovanni von früher. Ich werde ihm meinen Respekt zollen“, erklärte er, dann nahm er seinen Autoschlüssel wieder in die Hand und schaute seine Schwester an. „Wo findet die Beerdigung statt?“

Seufzend sagte sie: „Gib mir einen Moment, dann komme ich mit.“

Fünf Minuten später saß Jared wieder im Auto und fuhr in Richtung Colin City Memorial.

Patricia wandte sich ihm zu. „Ich habe ihn als Kind nur ein paar Mal gesehen. Warum hast du so viel Zeit mit ihm verbracht?“

„Er hat Computerkurse für Fortgeschrittene gegeben, als ich an der High School war. Er ist derjenige, der mir geholfen hat, das Stipendium für Technik zu bekommen.“ Er verzog das Gesicht, wohl wissend, dass der Mann nicht gutheißen würde, was Jared schließlich mit seinen Fähigkeiten anstellte, aber er konnte dem Verstorbenen dennoch seinen Respekt zeigen. „Ich hatte noch einige Jahre lang Kontakt mit ihm.“

„Er war das also, hm?“

Nickend verfiel Jared in Schweigen und dachte darüber nach, wie sein Leben sich verändert hatte, nachdem er aufs College gegangen war. Während seinem zweiten Jahr dort hatte er einer Frau das Leben gerettet, wobei er ihrem Angreifer das Leben genommen hatte. Wegen seiner Tat in Panik und aus Angst, dass er deswegen verurteilt werden würde, hatte er die Leiche versteckt und es stattdessen aussehen gelassen, als wäre der Mann freiwillig weggegangen. Das war der erste von vielen Todesfällen gewesen, mit denen er seine Hände beschmutzt hatte, aber die Bezahlung war gut und ihm machte die Arbeit als Auftragskiller nicht wirklich etwas aus. Er wusste nicht, was das über ihn aussagte, aber so war es nun einmal.

Er verdrängte die Gedanken. Er hatte Urlaub. Es war ein Zwangsurlaub, aber dennoch ein Urlaub.

Sie erreichten das Bestattungsinstitut und betraten das Gebäude, wo sie schnell den Ort des Geschehens fanden. Jared reihte sich in die Schlange ein und hörte zu, wie die Leute um ihn herum Geschichten über den Verstorbenen erzählten. Als er die trauernde Schwester erreichte, bekundete er sein Beileid.

„Woher kennen Sie meinen Bruder?“

Jared streckte die Hand aus und ergriff eine von ihren, um ihr Trost zu spenden. „Er war mein Lehrer in der High School“, erklärte er. „Er nahm mich unter seine Fittiche und half mir, ein Stipendium zu bekommen. Die Welt hat einen wirklich guten Mann verloren.“

„Das stimmt“, antwortete der Mann, der neben ihr stand, als es offensichtlich war, dass die Frau zu aufgewühlt war, um zu antworten. „Kyle war ein guter Mann. Wir werden ihn vermissen.“

Jared gab die Hand der Frau frei und wandte sich dem Sprecher zu. Ein großer, afroamerikanischer Mann mit rasiertem Schädel und dunkelgrauen Augen erwiderte seinen Blick und Jared hatte das merkwürdige Gefühl, abgeschätzt zu werden. Er nickte und zwang sich, weiter zu gehen. Dann näherte er sich dem Sarg.

Seine Augen wurden schmal. Er war vertraut mit tödlichen Verletzungen und den Spuren, die sie an einem Körper hinterließen. Mr. Giovannis Tod war nicht das Ergebnis von Fahrerflucht. Obwohl sie von der Anzugsjacke und der Krawatte größtenteils verborgen war, konnte Jared dennoch die dünne, verfärbte Linie um Kyles Hals erkennen, die eine ganz andere Geschichte erzählte. Jemand hatte den Mann stranguliert.

„Was zum Teufel?“, murmelte er und zwang sich, weiter zu gehen. Er betrachtete die Menge und fragte sich, ob noch jemandem diese Ungereimtheit aufgefallen war. Als er in Richtung der Bar ging, wurde sein Blick von einem Paar eisblauer Augen gefesselt, die ihn geradewegs anstarrten.

Überrascht schnappte er nach Luft, hob eine Augenbraue und reckte sein Kinn in Richtung Bar. Er musste nicht lange warten, bis der große Blonde neben ihm auftauchte. „Tanis“, knurrte der andere Mann.

„Grady.“ Jared grinste kurz, dann zwang er seine Gesichtszüge zu einem dem Anlass angemesseneren Ausdruck, während er sich an die Mission erinnerte, bei der er den Detective kennengelernt hatte. Er war mitten in einem wildfremden Land schwer erkrankt, was einigen Aufrührern ermöglicht hatte, ihn gefangen zu nehmen. Nur dem Mann neben ihm hatte er zu verdanken, dass er nicht getötet worden war. Er entdeckte seine Schwester, die auf ihn zukam, seine Eltern im Schlepptau, und wandte sich zu dem Mann, der seine Welt erschüttert hatte, indem er sich in einen Tiger verwandelt hatte. „Du solltest mich hier besser Jared nennen“, flüsterte er. „Und von wegen Fahrerflucht.“

Er entdeckte die Belustigung in Gradys Augen, bevor der Wandler sie verbergen konnte. „Jared also, und du hast recht.“

Patricia hakte sich bei Jared unter und lächelte scheu zu dem großen Detective auf. „Hallo, Detective Stryker. Mein Bruder hat doch hoffentlich keinen Ärger.“

Jared wollte die Augen verdrehen, widerstand dem Bedürfnis aber. Erstens, war dies nicht der richtige Ort um zu flirten. Zweitens, der Mann sah zwar nicht aus, als spielte er für das andere Team, aber Jared wusste, dass Grady schwul war. Seine Schwester schmiss sich an den Falschen heran.

Grady nickte respektvoll. „Natürlich nicht, Miss Templeton.“ Bevor er noch mehr sagen konnte, blieb ein etwas übergewichtiger Mann mit stahlgrauem Haar, das zu einem Zopf zusammengebunden war, der bis auf seinen Rücken reichte, neben Grady stehen und legte besitzergreifend seinen Arm um dessen Taille. Grady lächelte den Mann liebevoll an und das Gesicht des grauäugigen Fremden brachte etwas in Jareds Erinnerung zum Klicken.

Vor zwei Monaten hatte er für Grady Nachforschungen über einen gewissen Doktor Gordon Digby, einen Psychiater, angestellt. Er hatte dem befreundeten Tiger den größten Teil der gefundenen Informationen geschickt, aber ein paar Details für sich selbst behalten. So wie ein aktuelles Bild, das er entdeckt hatte, und ein paar Informationen über die Vorlieben und Abneigungen des Mannes – Wandlers. Zu dem Zeitpunkt war ihm das nicht wichtig erschienen. Jetzt wusste er, dass er sich getäuscht hatte.

Er ignorierte das überraschte Keuchen seiner Schwester und streckte die Hand aus. „Ich bin Jared Templeton. Sie müssen Doktor Gordon Digby sein. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Es ist sehr schön, Sie endlich kennenzulernen.“

Gordons Brauen schossen nach oben und er sah Grady an, bevor er Jareds Hand ergriff. „Freut mich, Jared. Ich fürchte, ich kann nicht dasselbe sagen.“

Grinsend zuckte Jared die Achseln. „Das überrascht mich nicht. Über mich gibt es nicht wirklich viel zu sagen.“

Grady schnaubte und verbarg es schnell mit einem Hüsteln.

„Ich bin anlässlich der Hochzeit meiner Schwester in der Stadt. Ich hoffe, wir können uns wiedersehen“, sagte Jared zu dem Detective und begegnete Gradys Blick für einen Moment, fragte so zugleich nach Informationen und bot seine Hilfe an.

Einen Moment lang glaubte er, der große Mann würde sein Angebot nicht annehmen, aber dann legte Grady einen Arm um Gordons Schultern und grinste. „Klingt gut. Wir spielen morgen Abend Poker bei einem Kumpel zu Hause. Ich werde dir eine SMS mit der Adresse schicken, wenn du Zeit hast.“

Jared grinste schief. „Du verschickst jetzt SMS? Da brat mir doch einer ’nen Storch.“

„Jep. Ich komme voran in der Welt“, neckte Grady gutmütig.

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder“, frotzelte er und erinnerte sich daran, wie er Grady in den Arsch treten musste – bildlich gesprochen, natürlich – damit der versprach, anzurufen, falls er jemals Hilfe brauchte. Der Tiger hasste Technik. Nachdem er über Gordons Schnauben gelacht hatte, grinste Jared und sagte: „Ja. Ich werde extra früh kommen, damit ich viel Zeit habe. Du hast ja meine Nummer.“ Er zwinkerte Gordon zu. „Ich bringe das Hefeweizen mit.“

Als er sich abwandte, um seine Eltern zu begrüßen, hörte er Gordon murmeln: „Wer ist das und woher zum Teufel weiß er, welches Bier ich mag?“

Jared fühlte sich beinahe schlecht, weil er dem Tiger Ärger machte. Beinahe.

Die Arme um seine Mutter gelegt, sagte er: „Patricia sagte mir, wo ihr seid. Als ich es gehört habe, musste ich herkommen, um zu kondolieren.“

Jared glaubte zwar nicht, dass sie wirklich Poker spielen würden, besorgte aber dennoch einen Zwölferpack Bier. Der Wegbeschreibung, die Grady ihm geschickt hatte, aufmerksam folgend, lenkte er den Porsche in eine kiesbestreute Einfahrt und hielt an, als er die Schlaglöcher entdeckte. „Ach, Scheiße“, grunzte er und setzte den Wagen langsam in Bewegung, darauf bedacht, nicht aufzusetzen.

Dem Zustand der Einfahrt nach zu schließen erwartete er, dass das Gebäude eine rustikale kleine Hütte auf einer überwachsenen Lichtung war. Doch da täuschte er sich gewaltig. Das riesige Jagdhaus mit den schönen Steinverzierungen überraschte ihn. Er parkte neben einem Truck und ging auf das beeindruckende Gebäude zu.

Die Tür wurde nach wenigen Sekunden von einem kleinen blonden Mann mit lebhaften blauen Augen geöffnet. Jared hatte sich noch nie zuvor zu einem Mann hingezogen gefühlt, aber selbst er musste zugeben, dass der Kerl süß war. Er grinste und streckte eine Hand aus. „Hallo, hübscher Mann. Ich bin Jared Templeton. Grady hat mich eingeladen“, sagte er.

Der Mann ergriff seine Hand und lachte. „Ich bin Lark und lass Declan nicht hören, wie du das zu mir sagst.“

„Zu spät. Ich hab’s gehört“, knurrte eine Stimme mit irischem Akzent.

Leise lachend ließ Jared Larks Hand los und hob seine eigene beschwichtigend. „Nur keine Sorge. Ich bin nicht schwul, aber selbst ich finde deinen …“ Er zögerte, als ihm auffiel, dass der große Mann, der jetzt besitzergreifend den Arm um Larks Taille gelegt hatte, bei der Beerdigung gewesen war. Er hatte angenommen, dass es sich bei ihm um den Ehemann oder vielleicht Freund der Schwester handelte, lag aber offensichtlich falsch. Der Mann verströmte aus jeder Pore seinen Alphastatus. „Lass mich raten. Du bist ein Wandler und Lark ist dein Gefährte?“

Declans Knurren übertönte beinahe Larks überraschtes Keuchen. Plötzlich fand Jared sich gegen die Tür gedrückt wieder und der wütende zweieinhalb-Zentner-Mann hielt ihn bei der Kehle gepackt. „Woher weißt du von uns? Wer zum Teufel bist du?“

Jared grinste und dachte an die verschiedenen Kampftechniken, mit denen er den Griff des größeren Mannes lösen konnte, wobei er sich fragte, ob sie bei einem Wandler funktionieren würden. Stattdessen streckte er seine Hand aus, ohne dabei den Blickkontakt zu unterbrechen. „Ich bin Jared Templeton. Du musst Declan McIntire sein. Es ist mir ein Vergnügen, dich endlich kennenzulernen.“

„Whoa! Hey, Declan, warte!“ Grady eilte zu ihnen. „Ich wollte dir vorhin von Jared erzählen, aber bei allem, was los ist, ist mir das glatt entfallen“, stieß er eilig hervor, legte eine Hand auf Declans Schulter und die andere auf den Arm des Mannes. „Er kann uns helfen.“

Declan zog die Oberlippe zurück. „Wie kann dieser Mensch uns helfen?“

Ein empörtes Schnauben kam von Lark. „Entschuldige mal, großer Kerl. Mensch hier. Willst du heute Nacht oben schlafen?“

Langsam löste sich die Hand um Jared Hals und sank nach unten. Declan wich zurück und zog seinen Gefährten in die Arme, einen zerknirschten Ausdruck im Gesicht. „Sorry, Baby“, flüsterte er. Dann schaute er Jared noch einmal finster an, bevor er im Haus verschwand.

Grady wandte sich Jared zu und schüttelte den Kopf. „Willst du in Stücke gerissen werden?“

Jared zuckte die Achseln. „Natürlich nicht. Wie geht es Gordon? Ist er hier?“

„Ja, er ist nebenan und danke für deine Bemerkungen gestern Abend. Ich brauchte eine Stunde, um ihn davon zu überzeugen, dass ich nie was mit dir hatte“, murmelte Grady und ging voraus in ein großes Arbeitszimmer.

Jared folgte ihm lachend.

Die zwölf Leute, die in den Raum gequetscht waren, ließen das Arbeitszimmer wesentlich kleiner erscheinen, als es war. Jared kannte Gordon, Lark und Declan bereits und Grady stellte ihm die anderen vor. Travis, Rainy und Cliff MacDougal – Jared entging nicht, dass Travis und Rainy eindeutig ein Paar waren – saßen auf einem Ledersofa. Auf einem Sessel befand sich Shane Alvaro, den Declan als seinen Beta vorstellte. Todd Abernathy saß zusammengerollt auf Lyle Sullivans Schoß auf einer passenden Récamiere. Nick Greely und Carson Angeni saßen auf einem weiteren, kleineren Sofa. Die mehreren Zentimeter Abstand zwischen den beiden verrieten Jared, dass sie kein Paar waren. Plus er selbst ergab dreizehn. Jared grinste. Meine Glückszahl.

Sein Blick fiel wieder auf Carson. Mit seinem langen schwarzen Haar, das klassische indigene Gesichtszüge umrahmte, einer Unregelmäßigkeit in der Nase, die verriet, dass sie mindestens einmal gebrochen worden war, dazu einem harten, gestählten Körper, bronzefarbener Haut und durchdringenden braunen Augen war der Mann wirklich hinreißend. Eine Sekunde lang starrte Jared ihn schamlos an, während Carson geradewegs zurückstarrte. Plötzlich stellte er seine vorherige Aussage, nicht schwul zu sein, infrage. Innerhalb von zehn Minuten gefiel ihm schon zum zweiten Mal ein Mann, und von dem zweiten nahm auch sein Schwanz definitiv Notiz. Hm, vielleicht bin ich ja bisexuell.

Sein Grinsen wurde noch breiter und er wandte sich Lark zu, der jetzt auf Declans Schoß saß. Er wedelte mit der Hand von einem zum anderen. „Okay, ihr habt mich überzeugt. Lark ist wirklich hübsch, aber dieser Kerl ist hinreißend. Der könnte mich glatt dazu bringen, meine Sexualität zu überdenken, denn er ist definitiv vögelnswert“, verkündete er und zwinkerte Carson lasziv zu.

Das schockierte Schweigen ignorierend, das seinem ziemlich sadistischen Sinn für Humor folgte, ließ Jared sich auf einem Stuhl nieder und richtete seine Aufmerksamkeit auf Grady. „Also, da dies offensichtlich keine Pokerpartie ist, können wir ja auch zur Sache kommen, oder?“ Sein Blick wurde raubtierhaft, als er ihn auf Grady richtete. Seine Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln und er senkte die Stimme, dann fragte er: „Wen soll ich für euch töten?“

Kapitel 2

Carson zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Er weigerte sich, auf Jareds Worte zu reagieren, es half allerdings nicht, dass allein die Erwähnung von Sex zwischen ihnen seinen Schwanz so hart machte, dass es weh tat. Zum Glück trug er eine locker sitzende Hose, sonst wäre es echt unangenehm.

In dem Moment, als der muskulöse Mensch mit den hellbraunen Haaren in den Raum getreten war und Carson seinen Geruch wahrgenommen hatte, war es ihm klargewesen. Dieser Mann war sein Gefährte. Dann hatte Jared den Mund geöffnet und Carsons Hoffnungen waren zerplatzt. Jared war nicht nur nicht schwul, oder wenigstens bi, ungeachtet seiner aufstachelnden Worte, er war auch noch ein verdammter Killer. Was zum Teufel denkt das Schicksal sich dabei?

Als Declans Vollstrecker verbrachte Carson sein Leben damit, das Gesetz der Wandler durchzusetzen. Wie kann das passieren? Was soll ich bloß machen? Er suchte schon seit beinahe siebzig Jahre nach seinem Gefährten und jetzt hatte er diesen Kerl am Hals, einen Kerl, der kein Gewissen hatte, dafür aber offenbar ein Talent dafür, andere wütend zu machen, den erbosten Worten nach zu urteilen, die sein Alpha im Flur von sich gegeben und die von allen im Raum gehört worden waren.

Es dauerte nur zwei Sekunden, bis Carson verstand, dass, wenn er diesen Mann wirklich wollte, er nicht nur gegen Jared selbst ankämpfen musste, sondern auch gegen den Beruf des Mannes. Er erhob sich langsam, während er sich fragte, ob der Mensch das wert war. Nur das Schicksal wusste es. „Vögelnswert, hm? Wie kommst du denn darauf, dass ich mich mit jemandem wie dir einlassen würde?“

Das erweckte Jareds Aufmerksamkeit. Der Mensch hob den Blick, bis er Carson in die Augen sah. Er besaß tatsächlich den Nerv zu zwinkern. „Oh, mit mir wäre es besser als mit jedem anderen, Injun.“

Dem konnte Carson definitiv nicht widersprechen. Der Mann war sein Gefährte, also wäre der Sex mit ihm natürlich besser als mit jedem anderen, aber die Bezeichnung Injun tat weh. Und man musste kein Genie sein, um zu verstehen, dass er es genau deshalb gesagt hatte. Es bestätigte nur, dass der Mensch gerne Leute reizte. Carson nahm sich einen Moment, verengte seine Augen und studierte den Menschen.

In seinem Berufsfeld war es unerlässlich, den Charakter einer Person gut einschätzen zu können. Er sah Dinge, die anderen oft entgingen, konnte für gewöhnlich innerhalb von nur fünf Minuten die Persönlichkeit von jemandem einschätzen. Diese Fähigkeit ermöglichte ihm, seinem Alpha diskret mögliche Probleme im Rudel aufzuzeigen.

Dennoch wäre Carson beinahe der misstrauische Schimmer in Jareds Augen entgangen, der ihm verriet, dass der Mann seine Bemerkung nicht so gemeint hatte. Es war die Art seines Gefährten, Leute auf Abstand zu halten. Er behielt einen neutralen Gesichtsausdruck, als ihm die Erkenntnis dämmerte. Dem Menschen lag vielleicht doch etwas an anderen. Jared konnte es nur nicht zeigen.

Carsons Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Im nächsten Moment packte er Jared an den Schultern, riss ihn auf die Füße und presste ihn mit seinem Körper gegen die Wand. „Ich bezweifle, dass du es mit mir aufnehmen könntest“, knurrte er.

Er drückte seine Lippen hart auf die seines Gefährten, wusste dabei instinktiv, dass er den Mann überrascht hatte, was nicht häufig geschah. Jared hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass er seine Sexualität vor all den Anwesenden demonstrieren würde, aber dies waren die Mitglieder seines Rudels und er wusste, dass sie hinter ihm standen, egal, was er tat.

Als Jared seine Hände auf Carsons Schultern legte, wahrscheinlich um ihn wegzuschieben, packte Carson die Handgelenke des Mannes und drückte sie an die Wand über seinem Kopf. Dann zwang er den Mund des Mannes mit Lippen und Zunge auf und versank in der warmen, feuchten Hitze. Maskuline Aromen explodierten und füllten seine Sinne, sodass Carson tief in seiner Brust knurrte, als er Jareds einzigartigen Geschmack genoss.

Sekunden später spürte er, wie Jareds Zunge mit seiner zu ringen begann, als der Mann um Dominanz kämpfte, obwohl er gegen die Wand gedrückt wurde. Carson musste all seine innere Stärke aufbringen, um sich nicht an seinem Gefährten zu reiben. Stattdessen hielt er seine Hüften von Jareds Körper fern und verbarg so sein offensichtliches Verlangen nach dem Menschen.

Sie schnappten nach Luft, beide außer Atem. Jared gelang es irgendwie, zuerst die Sprache wiederzufinden. „Nun, das beweist nur, dass du küssen kannst, Injun“, stichelte er. „Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Leute, die gut küssen können, im Bett grottenschlecht sind.“

Carson knurrte, da er nichts von den anderen Bettpartnern seines Gefährten hören wollte. Bevor seinem lustvernebelten Hirn ein klarer Gedanke gelang, befahl Declan: „Das reicht. Wir sind hier, um einen Plan auszuarbeiten, wie wir Dagus retten können, nicht um die Größe von Schwänzen zu vergleichen. Carson, setz dich hin!“

Carson ließ Jared los, der noch immer grinste wie ein Irrer, und ging zurück zu seinem Platz. Jared tat dasselbe und rückte dabei ganz offen eine recht stattliche Erektion zurecht. Als Carson den Blick dorthin senkte und dann wieder zu seinem Gesicht hob, zwinkerte Jared ihm wieder zu.

„Carson, erzähl uns, was du herausgefunden hast“, befahl Declan.

Carson riss den Blick von Jared los, schaute die anderen im Raum an und sah Gesichter, deren Ausdruck von neugierig bis hin zu belustigt reichte. Nachdem er sich innerlich einen Klaps versetzt hatte, um sich wieder auf den Zweck ihres Meetings zu konzentrieren, rutschte er auf seinem Sitz nach vorne und stützte die Unterarme auf die Knie. „Der Gebäudekomplex ist dreimal so groß, wie wir ursprünglich annahmen. Es gibt drei unterirdische Stockwerke zusätzlich zu denen, die man sehen kann.“

Er nahm seinen Laptop und öffnete eine Datei, während er weitersprach. „Im Erdgeschoss befinden sich Büros und Konferenzräume, nichts, was irgendwie verdächtig erscheinen sollte, falls das Unternehmen von den Behörden überprüft werden sollte.“ Er drehte den Laptop um, damit die anderen darauf blicken konnten. „In diesem Büro, das dem Leiter der Buchhaltung gehört, gibt es eine Schiebewand, die die Tür zu einem Aufzug verbirgt. Im ersten unterirdischen Stockwerk befinden sich Laboratorien. Im zweiten und dritten sind Untersuchungszimmer, Zellen und Käfige.“ Er verzog angeekelt die Lippen, als er diese Worte sagte. Sein Magen krampfte sich zusammen. „Derzeit wird Dagus in einer dieser Zellen im Ostflügel des zweiten Stockwerks festgehalten.“

„Wer ist Dagus?“, fragte Jared ruhig.

„Er ist der Bruder eines Freundes“, schnappte Carson, gereizt wegen der Unterbrechung.

Jared sprach weiter. „Und was wollt ihr mit ihm machen?“

Grady antwortete: „Wir müssen ihn retten. Dieses Gebäude gehört einem Unternehmen namens Crystal Lake Corporation. Das ist ein Forschungsunternehmen, aber eigentlich erforschen sie, wie man die DNA von Wandlern mit der von Menschen kombinieren kann. Die Wandler werden gegen ihren Willen festgehalten“, knurrte er. „Dagus ist ein Mensch, den sie entführt haben, um ihn gegen einen der ihren einzuhandeln, den wir festhalten. Wir wollen Dagus befreien, ohne Miach rauszurücken. Er ist eine zu wichtige Informationsquelle, wenn wir ihn zum Reden bringen können.“

Dabei hob Jared die Brauen, er fragte aber nur: „Gibt es ein Foto?“

„Ich werde eins für dich finden“, antwortete Grady.

Jared nickte.

Carson zog eine Braue nach oben, während er Jared beobachtete, und wartete, ob der Mann noch weitere Fragen hatte. Seine Mühe wurde mit einem schiefen Grinsen und einer Handbewegung beantwortet. Er widersetzte sich dem Verlangen, die Augen zu verdrehen, und wandte sich wieder seinem Monitor zu. „Die Sicherheitsmaßnahmen sind sehr scharf. Die Angestellten haben Zugangskarten, die beim Betreten und Verlassen des Gebäudes gescannt werden. Besucher müssen einen Termin haben. Selbst Pizzalieferungen werden überwacht“, fügte er trocken hinzu.

„Um den versteckten Fahrstuhl zu betreten, gibt es einen Fingerabdruckscanner, dazu eine Zugangskarte, und beide müssen zusammenpassen. Wir haben eine Kontaktperson drinnen, die bereit ist, uns in das Gebäude zu lassen, aber da Pascal Ignoto ein Angestellter in der Buchhaltung ist, kommt er nicht an den Fahrstuhl heran.“ Carson strich mit einer Hand durch sein langes schwarzes Haar, als die Frustration wieder stärker wurde. „Wir haben noch keinen Weg gefunden, um die Tür zu öffnen und den Fahrstuhl zu erreichen, wenn wir drinnen sind.“

Jared beugte sich vor und sein Duft wurde stärker, als er näher kam und auf den Grundriss starrte. „Was ist das?“

Carson fiel es schwer, sich auf die Worte des Mannes zu konzentrieren, ganz zu schweigen von dem Etwas, auf das sein Gefährte deutete, und er war dankbar, dass der Laptop seine zuckende Erektion verbarg. Als er auf den Bildschirm schaute, entdeckte er das Kästchen, auf das Jared zeigte, und antwortete: „Das ist ein Belüftungsschacht.“

„Wie groß ist der?“

„Äh, lass mich mal schauen“, antwortete Carson, drehte den Computer wieder zu sich und durchsuchte ein paar weitere Zeichnungen. „Einhundertzwanzig mal fünfundvierzig Zentimeter.“

„Da passe ich durch.“

Carson riss den Kopf hoch. „Was?“

Jared besaß die Frechheit, den Laptop zu nehmen und zu sich zu ziehen. „Genau hier ist er mit dem Fahrstuhlschacht verbunden. Ich kann durch das Lüftungssystem kriechen und –“

„Nein!“, unterbrach Carson schnell. „Das ist viel zu eng. Du könntest steckenbleiben.“ Auf gar keinen Fall wollte er, dass sein Gefährte versuchte, sich da hindurch zu zwängen.

Jareds Augen wurden schmal. „Ich denke nicht, dass das deine Entscheidung ist, Carson.“ Er lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück und betrachtete die Gruppe. „Der einzige andere Mann in diesem Raum, der möglicherweise hindurch passen könnte, ist Lark, und ich habe das merkwürdige Gefühl, dass Declan seinen Gefährten nicht einmal in die Nähe von diesem Ort lassen würde.“

„Da hast du vollkommen recht“, knurrte der große Alpha.

Grinsend sagte Jared: „Ihr hattet keinen Weg in den Fahrstuhl und ich habe euch gerade einen geboten. Tatsächlich verfüge ich über die Computerkenntnisse, um das verdammte Ding umzuprogrammieren, damit wir es benutzen können, ohne jemandem die Augen rauszuschneiden. Es gibt keinen Grund, mich abzulehnen. Außerdem hab ich schon in was Engerem gesteckt“, bemerkte er bissig.

Carson musste gegen seine erste Reaktion ankämpfen, zu verkünden, dass dieser Mann sein Gefährte war und er nicht wollte, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Stattdessen drehte er den Kopf und sah Declan an. „Dann haben wir also einen Weg in den Fahrstuhl“, sagte er, konnte aber die Anspannung in seinem Kiefer nicht verbergen und er wusste, dass Declan es bemerkte. Er würde später einige Dinge erklären müssen.

Sie planten, am übernächsten Tag die Einrichtung zu betreten, wohl wissend, dass sie ein wenig Zeit brauchen würden, um noch ein Treffen mit ihrer Kontaktperson zu ermöglichen. So sehr Declans Entscheidung, die auf Gradys Vorschlag beruhte, Jared allein zu dem Treffen zu schicken, ihm auch missfiel, musste Carson zugeben, dass Jared am wenigsten Verdacht erregen würde, da die Leute aus der Gegend ihn nicht kannten, er sich aber mit geheimen Operationen auskannte. Man würde sein Gesicht nicht erkennen.

Nachdem sie alle ihre Informationen an Jareds sichere E-Mail-Adresse geschickt hatten, damit er sie sich am nächsten Tag anschauen konnte, wollte Carson aus der Haut fahren. Er konnte den Mann nicht berühren, da er sich nicht sicher war, ob er überhaupt versuchen sollte, sich mit ihm einzulassen. Andererseits, ungeachtet des Kusses, war er nicht einmal sicher, ob Jared seine Avancen annehmen würde. Es gab eine Menge Hürden, und er brauchte Zeit zum Nachdenken. Und um das zu tun, brauchte er Abstand von dem Mann. Er packte seinen Laptop ein und ließ Jared, der sich mit Lyle, Grady und Gordon unterhielt, zurück. Bevor er jedoch verschwinden konnte, holte sein Alpha ihn ein.

„Komm mit“, befahl Declan und ging voraus in das leere Wohnzimmer. Carson schluckte schwer, während er zusah, wie sein Alpha hin und her ging. Nach einem Moment wandte Declan sich ihm zu und sagte: „Du hast ja eine ganz schöne Show hingelegt, bevor das Meeting begann. Ich habe noch nie gesehen, dass du so auf jemanden losgegangen bist. Möchtest du mir das erklären?“

Carson räusperte sich und strich mit einer Hand durch sein langes Haar, bevor er gestand: „Er ist mein Gefährte. Es fiel mir etwas schwer, mich zu … konzentrieren.“ Er hasste es, das zugeben zu müssen.

Bei diesen Worten hob Declan die Brauen. „Und dennoch wolltest du gerade gehen, ohne mit ihm zu reden. Ich weiß, dass er über Wandler und Gefährten Bescheid weiß, also woran liegt es dann?“

„Daran, dass ich noch nicht entschieden habe, ob ich mich an ihn ranmachen werde“, antwortete Carson aufrichtig. „Ich brauche Zeit zum Nachdenken.“

„Nicht entschieden?“ Declans aufgebrachter Blick überraschte Carson. „Warum hast du dich denn noch nicht entschieden?“

„Er ist ein bezahlter Killer. Und hetero“, erklärte er.

Declan verschränkte die Arm vor seiner breiten Brust und starrte ihn für einige lange Sekunden an. Carson zwang sich, dem wissenden Blick seines Alphas ruhig zu begegnen. „Er schien mir nicht sonderlich hetero zu sein, als ihr beiden da in meinem Arbeitszimmer rumgeknutscht habt.“

Carson konnte nichts gegen die Röte, die seinen Hals hinaufkroch, tun. „Das hätte nicht passieren dürfen.“ Die leisen Worte stachen in sein Herz, doch so war es, und unter dem aufmerksamen Blick seines Alphas sprach er weiter. „Ich bin nicht sicher, ob ich versuchen will, einen Mann zu meinem Gefährten zu machen, der nach eigener Aussage hetero ist. Außerdem“, fügte er hinzu, „könnte ich einem Mann wie ihm vertrauen, dass er wegen mir die Finger von Frauen lässt?“, fragte er und rieb mit einer Hand über sein Gesicht. „Ich meine, er ist ein Auftragskiller. Sein Leben ist verborgen, voller Lügen und Tod. Ich bin dein Vollstrecker. Ich kann nicht –“

„Du hast selbst schon tödliche Schläge ausgeteilt, Carson“, unterbrach Declan sanft. „Und da es oft auf mein Geheiß hin geschah, wo liegt der Unterschied?“ Bevor Carson antworten konnte, hob Declan seine Hand. „Ich verstehe die Sache mit den Lügen und das Problem, ob er Frauen aufgeben würde. Er ist ein Mensch und die verspüren nicht immer die gleiche Bindung wie wir.“ Er legte Carson eine große Hand auf die Schulter und drückte sie sanft. „Du musst sehr viel nachdenken, mein Freund. Dich auf deinen Gefährten einzulassen, könnte dich verändern. Nimm dir einen Tag Zeit. Entscheide, ob es die Sache wert ist.“ Er lächelte. „Egal, wie du dich entscheidest, du hast meine Unterstützung.“

Carson nickte, erleichtert, dass sein Alpha verstand. Er zog die Tür auf und trat hinaus in die kühle Nachtluft.

„Bedenke nur Folgendes“, sagte Declan, woraufhin Carson sich umdrehte und ihn ansah. Der große Mann schaute ihn eindringlich an, bevor er flüsterte: „Du bekommst nur den einen.“

Carson sah zu, wie sein Alpha im Haus verschwand, und fühlte sich verwirrter denn je zuvor.

Kapitel 3

Jared stand im Schatten des dunklen Flurs und beobachtete, wie Declan Carson zur Tür begleitete. Ihr Murmeln, nachdem sie hinausgetreten waren, machte es ihm unmöglich, zu verstehen, was noch gesagt wurde. Wahrscheinlich hätte er ihrer Unterhaltung nicht lauschen sollen, aber er hatte einfach nicht anders gekonnt. Die Gewohnheit war zu tief verwurzelt, als dass er damit aufhören könnte, wenn er keinen Auftrag hatte. Er grinste. Nun, genau genommen habe ich jetzt einen Auftrag. Soviel zum Thema Urlaub.

Das Grinsen verschwand sofort wieder, als er an die Unterhaltung der zwei Männer dachte. Carson denkt also, dass ich sein Gefährte bin. Das machte die Sache ziemlich interessant, nicht wahr? Er machte dem Mann keinen Vorwurf, dass er sich nicht auf ihn gestürzt hatte und versucht, ihn zu beanspruchen. Jared wusste nicht einmal selbst, wie er darauf reagiert hätte. Er konnte zugeben, dass der Kuss heiß gewesen war, aber er war noch nie zuvor an einem Mann interessiert gewesen. Was hatte Carson an sich, das ihn anzog? Hm. Vielleicht das Gefährtenband?

„Hey, was machst du?“

Gradys Stimme veranlasste ihn, herumzuwirbeln. Er hatte den Mann nicht einmal kommen gehört, was Jared verriet, wie abgelenkt er war. Jared starrte seinen Freund an, suchte nach einer Antwort. Ist Grady mein Freund? Vielleicht. „Ich glaube, wir müssen reden“, sagte er schließlich. „Gibt es in der Nähe eine Kneipe? Ich würde dich und Gordon gerne zu einem Bier einladen.“

Dabei hob Grady die Brauen. „Gern. Die liegt allerdings nicht wirklich auf deinem Weg. Die nächste Kneipe ist in Stone Ridge, das ist fünfzehn Minuten in die andere Richtung.“

„Kein Problem“, sagte Jared achselzuckend. „Ich bin eine Nachteule, also macht mir eine längere Fahrt im Dunkeln nichts aus.“

„Wenn niemand auf dich wartet, kannst du in unserem Gästezimmer übernachten“, bot Grady an und ging voraus, zurück zu Gordon.

„Vielleicht“, antwortete Jared, nicht bereit, sich auf etwas einzulassen. Er wusste nicht, ob er in Gradys Haus schlafen könnte. Obwohl er dem Tiger vertraute, fühlte er sich mit dem Gefährten des Mannes nicht so wohl.

Er beobachtete, wie Grady Gordon mit einem innigen Kuss begrüßte und ertappte sich bei der Überlegung, wie es wohl wäre, in einer festen Beziehung zu sein. Seine Arbeit hatte so etwas nie ermöglicht. Er vermutete, dass dies bedeutete, dass Carsons Sorge berechtigt war. Warum zum Teufel stört mich das so?

Als sie nach draußen gingen, stieß Gordon einen langen, leisen Pfiff aus. „Wow. Schicke Karre!“

Jared grinste. „Ja. Was soll ich sagen? Ich bin ein Snob, was Autos angeht. Ich suche mir immer etwas Besonderes aus, wenn ich nicht zu Hause bin.“

„Wo ist denn dein Zuhause, Jared?“, fragte der große Mann.

„Boston“, antwortete er. „Ich ging dort aufs College und es gefiel mir so gut, dass ich ein Haus etwas weiter nördlich gekauft habe.“

„Fahr mir einfach nach“, sagte Grady und Jared hob die Hand zur Bestätigung.

Zu seiner Überraschung erreichten sie die Stadt nicht. Grady lenkte seinen Truck in die Einfahrt eines kleinen Hauses und stellte den Motor ab. Jared stieg aus und betrachtete das zweistöckige, dunkel gestrichene Gebäude, während er sich fragte, was der Mann im Schilde führte. Er gehorchte misstrauisch, als Grady ihm bedeutete, zu ihm auf die Veranda zu kommen.

Grady musste seine Anspannung bemerkt haben – verdammter Cop-Instinkt –, denn er grinste und lehnte sich an das Geländer. „Entschuldige die Planänderung“, sagte er, als Jared nahe genug herankam und seine Stimme in der sanften Abendbrise hören konnte. „Mir ist eingefallen, dass einer der Gründe, aus denen wir dich einsetzen, der ist, dass dein Gesicht nicht bekannt ist. Ich wollte nicht, dass dich jemand mit mir zusammen in einer Kneipe sieht und es vielleicht weitererzählen könnte.“

Jared nickte. „Macht Sinn“, sagte er, die Logik hinter Gradys Erklärung verstehend. Dann trat er auf die Veranda und folgte dem Tigerwandler hinein, während er neckte: „Allerdings entgeht dir dann die Einladung zu einem Bier.“

Der andere Mann lachte und führte ihn weiter in das kleine Haus. „Das können wir ein anderes Mal nachholen.“

Sie gingen durch einen kleinen Eingangsbereich ins Wohnzimmer. Jared schaute sich um, betrachtete einen großen Flachbildschirmfernseher und zwei Zweisitzer-Sofas. An den Fernseher angeschlossen war ein beeindruckendes Soundsystem. Er ging hinüber und betrachtete es sich genau, bevor er sich umdrehte und Grady angrinste. „Nett. Du magst Spielzeug, nicht wahr?“

Grady lachte. „Das ist nicht meins. Gehört alles Gordon.“

Gordon betrat grinsend das Zimmer. „Ich kann meine Soaps nicht ohne Surround-Sound gucken“, erklärte er und reichte jedem ein Bud Light.

Einen Augenblick lang starrte Jared Gordon an, bevor er lachte. „Du hättest mich fast drangekriegt, Gordon. Der war gut.“ Er nahm einen Schluck von seinem Bier und setzte sich auf eines der Sofas.

Gordon und Grady lachten mit ihm und setzen sich auf die andere kleine Couch. „Eigentlich ist es für Football-Spiele“, gestand Gordon. „Ich bin ein Hardcore-Dolphins-Fan.“

„Für einen Fan bist du aber ziemlich weit entfernt, nicht wahr?“, neckte Jared.

Gordon zuckte die Achseln und seine Fröhlichkeit verschwand. „Du weißt, dass ich in Georgia gelebt habe.“

„Ah. Ja, natürlich.“ Jared nickte. Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier, bevor er den Blick seiner haselnussbraunen Augen auf den kräftigen Mann richtete. „Nichts für ungut, Gordon. Ich war einen Gefallen schuldig.“ Bevor der andere Mann nachhaken konnte, sagte er: „Also, erzählt mir von Carson. Er ist Teil von …“ Er hielt inne und grinste. „Wie nennt man jemanden, der in einem Rudel wichtig ist?“

Grady lachte in sich hinein. „Er ist der Vollstrecker des Rudels und fragst du zufällig deshalb, weil du mit ihm rumgeknutscht hast?“

Sein Gesicht sorgfältig zu einem belustigen Grinsen geformt, antwortete Jared: „Es war ein sehr schöner Kuss, aber nein. Ich interessiere mich für die Rangfolge. Wäre der Alpha nicht gewesen, bin ich ziemlich sicher, dass er meinen Vorschlag komplett abgeschmettert hätte. Warum?“

„Nun, er ist derjenige, der dafür zuständig ist, die Schwachstellen des Gebäudes zu finden, also macht es ihm natürlich zu schaffen, wenn du so einfach einen Weg hinein findest“, erklärte Grady.

Jared nickte und fragte sich, wie viel er noch herausbekommen könnte, ohne Gradys Cop-Instinkte auszulösen. Er trank noch einen Schluck Bier, schindete Zeit. „Nun, ich will sicher nicht, dass er denkt, ich wollte ihm auf die Zehen treten.“ Dann lächelte er. „Obwohl es sehr unterhaltsam war, ihn zu reizen.“

Grady verdrehte die Augen und warnte: „Hast du Todessehnsucht? Carson ist ein ernstzunehmender Feind, wenn man ihn wütend macht.“

Das war genau die Einleitung, die er brauchte. „Nun, dann sollte ich vielleicht sicherstellen, dass er weiß, dass ich keine Bedrohung darstelle. Ich will mit ihm zusammenarbeiten, um Dagus das Leben zu retten.“ Er legt den Kopf schief, belustigt von der Ironie. Er hatte einen Urlaub geplant und fand sich in einer Situation wieder, in der er jemandem das Leben rettete, anstatt es ihm zu nehmen. „Wo wohnt er? Ich werde mir morgen früh die Zeit nehmen, ihn zu besuchen, wenn ich von der Smoking-Anprobe komme.“

„Smoking-Anprobe?“

Jared grinste. „Ich bin schließlich wegen der Hochzeit meiner Schwester in die Stadt gekommen.“

Grady nickte. „Ja, natürlich.“ Er ratterte Carsons Adresse herunter, und Jared prägte sie sich ein.

Danach saßen sie da und unterhielten sich eine Stunde lang über die Probleme, die sie mit den Wissenschaftlern in der Gegend gehabt hatten. Jared war wütend darüber, wie die Wandler behandelt worden waren und musste innerlich tief durchatmen, um sich zu beruhigen.

Als ihm ein zweites Bier angeboten wurde, lehnte Jared ab und verabschiedete sich. Er fuhr die Autostunde zurück nach Colin City und lauschte dem beruhigenden Brummen des kräftigen Motors, als er die gewundenen Bergstraßen entlangflitzte. Obwohl seine Eltern ihm ein Zimmer in ihrem Haus angeboten hatten, war Jareds Entscheidung auf ein Hotel gefallen.

Im Whirlpool in seiner Suite bootete er seinen Laptop, überprüfte die Firewalls und loggte sich ein. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen als er feststellte, dass er von seinem letzten Auftraggeber tatsächlich bezahlt worden war. Es war ein einfacher Job gewesen, für den er nur sein maßgefertigtes Gewehr mit Zielfernrohr und einen Aufpasser gebraucht hatte. Er hatte Raul mit sich genommen, den einzigen Mann, dem er vertraute.

Als er an seinen langjährigen Freund dachte, ergriff er das Telefon und wählte. „Hallo, Raul“, grüßte er, nachdem der schläfrig klingende Mann sich gemeldet hatte.

„Hi, Jared“, grunzte Raul. „Was zum Teufel brauchst du denn um diese Zeit?“

„Ich will mich nur vergewissern, dass du die Dinge, die ich angefordert habe, per Kurier losgeschickt hast“, antwortete Jared, grinste und hielt das Telefon einen Moment lang von seinem Ohr weg. Selbst mit einem Abstand von zwanzig Zentimetern konnte er Rauls Wutausbruch hören, aber immerhin zerriss er ihm nicht das Trommelfell.

„Was soll die Scheiße, Mann? Natürlich hab ich’s geschickt! Warum rufst du mich deshalb um halb vier morgens an?“, fauchte Raul. Dann wurde der Mann einige Herzschläge lang merkwürdig still und Jared wusste, was seine nächste Frage sein würde. Wie vorhergesagt fragte Raul. „Ich dachte, das wäre kein Job, Jared. Was ist los?“

Jared atmete leise aus. „Ist es auch nicht. Jedenfalls kein normaler“, fügte er hinzu. „Ich helfe einem Freund.“

Raul schnaubte. „Du? Hilfst einem Freund? Ich wusste nicht einmal, dass du Freunde hast.“

Diese Bemerkung ließ Jared innehalten und einen Moment lang überlegen. Er schaute zum Fenster hinaus und dachte über die Worte des Mannes nach. Raul hatte recht. Von ihm abgesehen, hatte Jared nie behauptet, Freunde zu haben. Wobei das mit seinem Leben wohl auch nicht überraschend war, doch der Gedanke war dennoch ernüchternd. Was machte Grady anders? Machten diese Wandler ihn einfach neugierig? Oder war da noch etwas anderes? Jared hatte keine Ahnung, was ihm plötzlich viel mehr ausmachte.

Er starrte das Telefon an, als wäre es die Ursache für seine plötzliche schlechte Laune, und verzog das Gesicht. Dann hielt er es wieder an sein Ohr und antwortete: „Das geht dich nichts an, Raul. Danke, dass du die Sachen geschickt hast.“ Er drückte die Taste, um das Gespräch zu beenden, und warf das Telefon auf die Fliesen am Fuß des Whirlpools. Während er seine Schläfen mit den Fingern massierte, sank er bis zum Hals ins Wasser. Vielleicht war er zu alt für dieses Spiel. Aber was zum Teufel soll ich sonst machen?

Da er das Wasser nicht länger beruhigend fand, stand Jared auf und trocknete sich ab. Das Handtuch über die Schulter geworfen, ging er nackt auf den Balkon wo er, auf das Geländer gestützt, die kühle Nachtluft über seine Haut und Sinne streichen ließ. Er ließ sich von der Kälte umgeben, um seine Wut zu mildern. Als er sich wieder mehr wie er selbst fühlte, ging er zurück nach drinnen und kroch ins Bett, um zu schlafen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739459912
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
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Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Verlockung für den Vollstrecker