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Der Mensch an seiner Seite

von Charlie Richards (Autor:in)
126 Seiten

Zusammenfassung

Der Kryptozoologe Drake Whitton arbeitet als Professor für Genetik am Colin City College und versucht dabei, das Label „exzentrisch“ vor seinem Namen loszuwerden, das ihm seine Kollegen als Antwort auf seine Forschungsarbeit über die Existenz des Chupacabra verpasst haben. Er glaubte schon, die perfekte Gelegenheit gefunden zu haben, als er von einer privaten Firma beauftragt wurde, eine neue DNA-Sequenz zu untersuchen und zu analysieren. Schnell fand er heraus, dass die fragliche DNA sowohl menschliche Merkmale enthält, als auch die von Reptilien. Dann gerät seine Planung jedoch gründlich durcheinander, als sein Wagen von einem Detective auf der Flucht gekapert wird, Leute bei ihm einbrechen, die für die Firma arbeiten, die ihn beauftragt hat, und er von dem Arzt verführt wird, der sich um den kapernden Detective kümmern soll. Doktor Ailean Carmichael hätte nie damit gerechnet, einen Gefährten zu finden, vor allem keinen menschlichen, aber er ist bereit, sich zu nehmen, was das Schicksal ihm bietet. Schließlich sind nicht alle Menschen wie seine verstorbenen Pflegeeltern, nicht wahr? Und ein verwaister, ausgestoßener schwarzer Jaguar, der im Territorium eines Wolfswandler-Rudels lebt, kann ohnehin nicht wählerisch sein. Er findet, dass den naiven Professor zu verführen für beide Seiten ein Vergnügen wäre, bis ihm klar wird, dass er seinen kleinen Gefährten vor den Leuten beschützen muss, die darauf aus sind, an Wandlern Experimente durchzuführen und sie auszulöschen. Doch dann findet Ailean heraus, dass Drake ausgerechnet für die Wissenschaftler arbeitet, die ihn und seine Freunde zerstören wollen. Wird er sich die Zeit nehmen, sich Drakes Erklärung anzuhören? Oder wird er zu dem Schluss kommen, dass die Menschen wirklich alle gleich sind? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Um die gesamte Handlung sowie die Geschichte aller Figuren zu erfahren, empfiehlt es sich, alle Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen. Länge: rund 31.600 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Drake Whitton marschierte aus dem Gebäude und unterdrückte dabei den Drang, loszurennen. Mann, diese Kerle sind vielleicht gruselig. Wenn er die Finanzspritze nicht so dringend nötig hätte, wäre seine Antwort schon nach dem ersten Treffen ein lautes Nein gewesen. Doch es war schwierig, jemanden zu finden, der die Arbeit eines Kryptozoologen förderte, besonders wenn der auch noch für exzentrisch gehalten wurde.

Vielleicht sollte er es sein lassen. Schließlich musste er keine Forschungsarbeit betreiben, um zu überleben. Letztes Jahr hatte er auf sein Lehramtsstudium zurückgegriffen, nachdem die Kritiker seine Arbeit über die Existenz des Chupacabra in der Luft zerrissen hatten. Er hätte es besser wissen müssen, als etwas so Kontroverses zu veröffentlichen.

Drake rieb sich mit einer Hand über das schmale Gesicht und bemerkte, dass er abgenommen hatte, seit er das Fördergeld der Crystal Lake Corporation angenommen hatte. Deren Planung Resultate betreffend war ziemlich knapp, und Drake fiel es oft schwer, genügend Zeit zum Essen zu finden, sofern er überhaupt daran dachte. Und nachts ausreichend schlafen? Das konnte er glatt vergessen. Er konnte von Glück reden, wenn er vier Stunden Schlaf bekam.

Seufzend hob er seinen Schlüsselbund mit der Fernbedienung und drückte auf eine Taste. Die Lichter an seinem Ford Focus blinkten auf und er hörte ein gedämpftes Klicken, das ihm verriet, dass er gerade versuchte, das bereits offene Auto aufzuschließen. Seltsam. Er war sicher, dass er es abgeschlossen hatte.

Drake schaute sich misstrauisch um, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen. Sein Auto war das einzige auf dem Parkplatz. Indem er die Schultern rollte, versuchte er, die Anspannung in ihnen zu lösen. Erneut ließ er seinen Blick über die Umgebung schweifen, als er ins Auto stieg. Nachdem er den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hatte, legte Drake den Sicherheitsgurt an und startete den Motor. Er legte den Rückwärtsgang ein und schaute in den Rückspiegel, um nach Fahrzeugen Ausschau zu halten, die, wie er wusste, nicht da waren.

Seine Augen weiteten sich, als er in den Lauf einer Pistole schaute.

„Losfahren“, sagte der Mann, der auf dem winzigen Rücksitz lag.

Drakes Mund klappte auf und das Atmen fiel ihm schwer.

„Fahren Sie einfach und Ihnen wird nichts geschehen“, erweiterte der bewaffnete Mann seinen Befehl.

Mit hastigem Nicken verließ er die Parklücke. „W-wo soll ich Sie hinfahren, Sir?“, gelang es Drake nach mehreren Augenblicken angespannter Stille hervorzubringen. Ja, sein quietschender Ton klang total unmännlich, aber er war schließlich College-Professor und Wissenschaftler, kein mutiger Haudegen.

„Grady“, schnaufte der bewaffnete Passagier.

Da bemerkte Drake den metallischen Geruch von Blut, der das kleine Auto erfüllte. Ein weiterer Blick in den Rückspiegel zeigte ihm die blauen Flecken auf dem Gesicht des Mannes und dunkles, getrocknetes Blut auf seinen Armen. Seine Augen wurden noch größer. Was war mit diesem Mann geschehen? „Ist Ihr Name Grady?“

Für einen Moment starrte der Mann ihn einfach an und Drake war besorgt, dass er ihn verärgert haben könnte.

Dann schüttelte der Mann langsam den Kopf und sagte: „Ich muss zu Detective Grady Stryker.“ Die Worte des Mannes waren langsam und bedächtig, als würde jedes einzelne ihn Mühe kosten.

„Detective Grady Stryker?“

Bei dem trägen Nicken des Mannes konnte Drake sich ein Grinsen und ein nervöses Lachen nicht verbeißen. Das ist seltsam. Warum will ein Kidnapper denn zu einem Cop gebracht werden? Hoffentlich war dieser Grady-Typ kein gekaufter Bulle.

„Okay“, sagte Drake sanft. „Entspannen Sie sich. Ich werde Detective Stryker für Sie finden.“

Seine Worte schienen den Mann zu beruhigen, denn er schmiegte sich an den Sitz und stieß einen Seufzer aus. Drake kaute auf seiner Unterlippe, während er seinen ungebetenen und offenbar ernsthaft verletzten Passagier beäugte. Was zum Teufel ist mit ihm passiert? Soll ich ihn in meine Wohnung bringen? Wenn er diesen Detective finden wollte, würde er im Internet nach ihm suchen müssen und es war nicht sicher, sein Smartphone während der Fahrt zu benutzen. Hoffentlich war der Kerl nicht zu weit weg. Oder vielleicht …

„Kennen Sie die Telefonnummer von Detective Stryker?“

Er bekam keine Antwort auf seine Frage. Auf einem geraden Stück Straße schaute er wieder in den Rückspiegel und stellte fest, dass der Mann das Bewusstsein verloren hatte. Ob vor Erschöpfung oder wegen seiner Verletzungen, konnte er nicht sagen. Okay. Also in meine Wohnung.

Fünfzehn Minuten später fuhr er durch das Tor zu seinem bewachten Wohnviertel. Er parkte rasch seinen Wagen in der Garage und drückte auf die Taste, um das Garagentor zu schließen, sodass sie in dem großen Raum eingeschlossen waren. Wenn er dem Mann die Waffe abnehmen und dann online gehen könnte, wäre er vielleicht in der Lage, den Detective zu finden und ein paar Antworten zu bekommen, oder er könnte wieder aus der Garage fahren und zur nächsten Polizeistation.

Nach einem weiteren Blick in den Spiegel auf den schwer verletzten Mann öffnete Drake die Tür und schob seinen Sitz vor. Er schnappte nach Luft, als er den Fremden zum ersten Mal richtig ansehen konnte. Sein kurzes, dunkles Haar war blutverschmiert und seine dunklen, kantigen Gesichtszüge waren von Blutergüssen, Krusten und einem dichten Bart verborgen. Selbst im Schlaf hielt der Mann eine raue, graue Decke im Armeestil um seinen Körper gewickelt. Der Arm, den Drake sehen konnte und der die Waffe hielt, war blass. Abschürfungen am Handgelenk deuteten auf Fesseln hin und er entdeckte Einstichstellen. Scheiße! Ist das ein Junkie?

Da er es nicht feststellen konnte, nahm er dem völlig weggetretenen Mann vorsichtig die Waffe aus der Hand. Er wusste nichts über Waffen, also legte er sie auf den Boden und schob sie mit einem Fuß unter seinen Wagen. Dann streckte er eine Hand aus und tastete mit den Fingern am Hals des Mannes entlang. Erleichterung erfüllte ihn, als er einen Puls fand, schwach zwar, doch eindeutig vorhanden.

Drake nahm sein Smartphone heraus und begann mit der Suche. Er fand einen Detective Grady Stryker, der bei der Mordkommission in Stone Ridge arbeitete, einer Stadt, die etwas mehr als eine Autostunde von Colin City entfernt war, wo Drake lebte und arbeitete. Er markierte die Nummer und drückte die Anruftaste.

Er drückte die Daumen und betete, dass der Mann rangehen würde. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es beinahe halb elf abends war. Verlegen, weil er jemanden so spät anrufen musste, kaute Drake auf seiner Unterlippe und betrachtete die reglose Gestalt in seinem Auto.

Beim vierten Klingeln antwortete eine tiefe Stimme. „Stryker hier.“

„Detective Grady Stryker?“, fragte Drake vorsichtig.

„Hallo? Ist da jemand?“

Drake runzelte die Stirn. „Ist da Detective Grady Stryker?“, fragte er ein wenig lauter.

„Scheiße, ich kann nichts hören. Blödes Teil.“

Er hörte, wie die tiefe Stimme ins Telefon knurrte.

„Gib mal her“, sagte ein anderer Mann, dessen Stimme so leise war, dass Drake vermutete, dass er wohl neben dem Detective gestanden hatte.

„Bleiben Sie dran“, sagte der Mann, dessen Stimme jetzt viel klarer klang.

Drake verstand, dass der Fremde jetzt direkt ins Telefon sprach, zu ihm.

„Du musst aufhören, an den Knöpfen rumzuspielen, du Hengst. Du hast wieder an der Lautstärke rumgefummelt.“

Drakes Augenbrauen schossen nach oben. Hengst? Wie bitte? Sekunden später hörte er wieder die Tenorstimme.

„Sind Sie noch da?“

„Ja“, gelang es Drake hervorzubringen, obwohl er total verwirrt war.

„Gut. Einen Moment.“

„Stryker hier“, sagte die tiefe Bassstimme wieder ins Telefon, diesmal etwas gereizt.

„Sind Sie … Sind Sie Detective Grady Stryker?“, fragte Drake, plötzlich zögerlich.

Es entstand eine kurze Pause, dann: „Ja. Wer ist da?“

„Mein Name ist Professor Drake Whitton. Ich habe jemanden mitgenommen, der sagte, er würde nach Ihnen suchen.“ Während er sprach, starrte Drake den verletzten Mann an und wünschte, er würde aufwachen. Tat er aber nicht.

„Wer ist es?“

Nun, das war die Eine-Million-Dollar-Frage, nicht wahr? Wie sollte er darauf antworten? „Äh. Ich kenne seinen Namen nicht. Er ist … naja … Ich habe ihn mit dem Auto mitgenommen und er ist auf dem Rücksitz ohnmächtig geworden. Er ist verletzt. Blutergüsse im Gesicht und Blut auf den Armen.“

„Scheiße!“, fauchte der Detective. Gedämpfte Stimmen murmelten im Hintergrund, dieses Mal zu leise, als dass das Telefon sie übertragen könnte. Schließlich hörte er: „Hat er dunkle Haare und Augen? Etwa eins achtzig groß?“

„Äh …“ Drake ließ seinen Blick über den Mann gleiten. „Er hat dunkle Haare. Seine Augen habe ich nicht gesehen und er liegt, also weiß ich nicht, wie groß er ist.“ Bevor der Detective noch etwas sagen konnte, fügte Drake hinzu: „Hören Sie. Er ist ziemlich übel zugerichtet. Ich denke, ich sollte ihn in ein Krankenhaus bringen. Vielleicht können wir uns dort treffen.“

Die nächste lange Pause machte ihn noch nervöser. Was, wenn der Detective dachte, er hätte den Typen zusammengeschlagen? Natürlich würde ein einziger Blick auf ihn genügen, und der Mann wüsste, dass das absolut unmöglich war. Drake war einen Meter fünfundsiebzig groß, mit Haut in der Farbe von Milchkaffee dank seines Vaters, der halb afrikanisch-amerikanischer, halb schwedischer Abstammung war. Dazu war er dünn, nicht schlank oder feingliedrig, wie es oft schmeichelnd umschrieben wurde, wenn jemand mager war. Er musste sich anstrengen, um mehr als sechzig Kilo auf die Waage zu bringen und Frauen waren mehr daran interessiert, dass er etwas Fleisch auf die Rippen bekam, als daran, mit ihm auszugehen, was gut war, da Drake ohnehin schwul war – sehr, sehr schwul. Er konnte sich nicht vorstellen, was er überhaupt mit einer Frau anstellen sollte, falls irgendwann einmal eine Interesse an ihm bekundete.

„Sind Sie in der Nähe von Colin City oder Sugar Creek?“ Die tiefe Stimme unterbrach seine Gedanken.

„Ja. Colin City.“

„Bringen Sie ihn ins Colin City Hospital. Wissen Sie, wo das ist?“

„Ja.“

„Fragen Sie nach Doktor Carmichael. Ich werde ihn anrufen, und ihm Bescheid sagen, dass Sie kommen. Können Sie das machen?“

„Ja.“ Ups, jetzt klinge ich wie eine kaputte Schallplatte, ich sollte wohl besser etwas anderes sagen. „Ich bin nicht weit davon entfernt. Ich werde Ihren Freund in etwa zehn Minuten dort haben.“

„Gut. Wir treffen uns dort, Professor.“

Nachdem er den Kopf in seine Wohnung gesteckt und seinem Bruder zugerufen hatte, dass er gleich wieder los musste, stieg Drake wieder in sein Auto und ließ den Motor an. Er drückte den Knopf für das Garagentor, dann fuhr er hinaus und zurück auf die Straße. Nachdem er das Tor verschlossen hatte, schaute er in den Rückspiegel, mehr um sich zu vergewissern, dass der Mann noch immer bewusstlos war, als sonst etwas.

* * * *

Doktor Ailean Carmichael gab ein tiefes Knurren von sich, als er den Telefonhörer auflegte. Irgendein idiotischer Mensch brachte einen verletzten Mann her, möglicherweise Detective Sullivan. Der Raubkatzenwandler nahm an, dass er dem guten Samariter wahrscheinlich dankbar sein sollte, da sie den vermissten Mann bereits seit zwei Wochen suchten, aber das machte seine Aufgabe wesentlich schwerer. All seine Zimmer waren belegt, was bedeutete, dass er einen Patienten an Doktor Lansey übergeben musste, der deswegen einen Aufstand proben und alle möglichen Erklärungen verlangen würde. Was für ein Arsch.

Er marschierte zum Empfangstresen der Notaufnahme und lächelte Bernice an. „Ich muss eines meiner Zimmer freimachen. Können Sie Mr. Sanders aus Zimmer Drei in eines von Doktor Lanseys Zimmern verlegen, bitte?“

Die Frau verzog das Gesicht, nickte aber. „Ja, Doktor.“ Während sie weitertippte, schaute sie zu ihm auf. „Sie wissen, dass er davon nicht begeistert sein wird.“

„Ich weiß, Bernice.“ Er tippte angespannt mit seinem Clipboard auf die Theke. „Wenn er Ihnen Ärger macht, sagen Sie ihm, dass ich den Auftrag dazu gegeben habe.“

„Sie werden ihn wahrscheinlich in genau … sechs Minuten sehen“, sagte sie, nachdem sie auf die Uhr geschaut hatte.

Ailean nickte, wohl wissend, dass sie wahrscheinlich recht hatte.

Wenige Momente später, als er gerade aus einem der Patientenzimmer kam, fand er den böse dreinschauenden Doktor Lansey vor. Er schaute auf die Uhr und hob eine Augenbraue. Verdammt. Sechs Minuten. Hat Bernice übersinnliche Fähigkeiten? Wahrscheinlich war es eher die Tatsache, dass die Frau schon seit zwei Jahrzehnten im Krankenhaus arbeitete.

„Warum haben Sie mir einen Ihrer Patienten übergeben? Denken Sie, ich hätte selbst nicht genug?“, fauchte der andere Arzt wütend.

Doktor Lansey gab eine ziemlich überzeugende Katze ab, fand Ailean, als er den Mann anstarrte. „Ich bekam einen Anruf von Detective Stryker, der mich darüber informiert hat, dass ein verletzter Mann auf dem Weg hierher ist. Er hat mich gebeten, mich um ihn zu kümmern“, sagte er und überkreuzte die Arme über seinem weißen Kittel.

„Und Sie hätten mir nicht einfach den neuen Patienten übergeben können?“, stichelte Doktor Lansey.

„Nein“, antwortete Ailean einfach. Er würde sich dem Menschen gegenüber nicht erklären.

„Warum nicht?“

„Doktor Carmichael, bitte melden Sie sich am Empfang der Notaufnahme“, ertönte Bernices Stimme über den Lautsprecher.

Ailean machte auf dem Absatz kehrt und ging den Flur hinunter, wobei er den verärgerten Mann einfach stehen ließ. Als er sich dem Empfangsbereich näherte, stieg ihm ein süßer, würziger Duft in die Nase, der seinen Schwanz neugierig zucken ließ. Was zum Teufel? Während er versuchte, die plötzlich aufwallende Lust zu ignorieren, durchquerte Ailean den Raum und betrachtete die Anwesenden.

Ein halbes Dutzend Patienten saß auf Stühlen. Ein Pfleger, der einen weiteren Patienten durch die Tür hinter ihm in ein Zimmer führte, ging an ihm vorbei. Bernice saß an ihrem Schreibtisch und tippte Daten in ihren Computer ein. Und ein niedlicher Kerl stand nervös vor dem Empfangstresen, wo er seine langen, schlanken Finger unruhig bewegte.

Er konnte nicht umhin, den Menschen eingehend zu betrachten, als er auf ihn zuging. Milchkaffeefarbene Haut und kurze, dunkelbraune Haare zeugten von einer gemischtrassigen Abstammung. Der Fremde war etwa eins fünfundsiebzig groß und hatte einen schlanken Körper, tatsächlich etwas zu schlank. Der arme Kerl sah aus, als würde ihn eine steife Brise umpusten. Ein seltsames Verlangen, den Mann in den Armen zu halten und die Sorgen zu vertreiben, die ihm so offensichtlich zu schaffen machten, erfüllte Ailean.

Er runzelte die Stirn über den lächerlichen Gedanken, ging weiter und blieb neben dem Tresen stehen. Der kleine Mensch schaute zu ihm auf und seine dunkelbraunen Augen weiteten sich, als er seinen Blick über Aileans Körper wandern ließ. Ailean grinste, den Blick weiterhin auf den Menschen gerichtet, als er sagte: „Sie haben mich gerufen, Bernice?“

„Ja, Doktor“, antwortete sie und schaute von einem Mann zum anderen. „Der Herr sagt, Detective Stryker hätte ihn zu Ihnen geschickt.“

„Danke, Bernice“, sagte Ailean. „Hier entlang.“ Er legte eine Hand auf die Schulter des Mannes und Lust schoss durch seinen Körper, ließ seinen Penis anschwellen und in seiner Hose zucken. Gefährte! Ailean riss die Hand zurück, als hätte er sie sich verbrannt und schnappte nach Luft. Nein. Das kann nicht sein! Mein Gefährte kann kein Mensch sein! Doch der verführerische Geruch, der ihn umgab, als der Mann ihm zu einer ruhigen Ecke des Empfangsbereiches folgte, log nicht. Scheiße!

Gereizt schnappte er: „Wo ist Lyle?“

Die Augenbrauen des Mannes schossen nach oben. „Lyle? Oh, mein Mitfahrer!“ Er schlang die Arme um die Mitte und senkte den Blick zu Boden. „Er ist in meinem Auto. Ich konnte ihn nicht rauskriegen. Er ist zu groß.“

Und jetzt fühlte er sich schlecht, weil er den Menschen angeknurrt hatte, und Ailean wollte die Arme um ihn legen und ihn trösten. Mit einem frustrierten Schnaufen sagte er: „Lassen Sie mich eine Bahre besorgen, dann können Sie vorausgehen.“

Der Mann nickte schnell, sah ihn aber noch immer nicht an. Ailean schob eine Hand durch sein dichtes schwarzes Haar und ging nach hinten um zu holen, was er brauchte. Einen Moment später war er zurück. Der Mann schaute kurz auf, bevor er den Blick wieder abwendete. Mist! Ailean wollte nicht, dass der Mann Angst vor ihm hatte. Wie sollte er ihn sonst verführen? Selbst wenn es ein Mensch war, bekam ein Wandler nur einen Gefährten.

Dann kam ihm ein anderer Gedanke. Was, wenn der Mensch nicht schwul war? Das rückte die ganze Situation in ein völlig anderes Licht. Er würde es herausfinden müssen. Aber zuerst … „Wo ist Ihr Auto?“

„Hier entlang“, war die leise, gehauchte Antwort, die Aileans Eier zum Prickeln brachte.

Er schluckte seine Lust hinunter, froh darüber, dass sein Kittel bis zur Mitte seiner Oberschenkel reichte und somit seine Erektion verbarg, und folgte dem Mann durch die Tür. Der schaute ihn über die Schulter an. „Brauchen Sie keinen Pfleger, der Ihnen hilft oder sowas?“

„Nö“, antwortete Ailean. Seine Gestaltwandlerkraft wäre mehr als ausreichend, um Detective Sullivan, oder wer auch immer es war, aus dem Auto zu bekommen. Zumindest dachte er das, bis er das kleine, dreitürige Auto sah, dessen Lichter als Antwort auf die Fernbedienung seines Gefährten blinkten. Er würde möglicherweise die Hilfe des kleinen Menschen brauchen, nur weil das Fahrzeug so eng war. Er öffnete eine Autotür und konnte den Detective gut sehen. „Scheiße, Lyle. Was haben die mit dir gemacht?“, knurrte er.

Blut bedeckte Arme, Gesicht und Hals des Menschen und Ailean wusste, dass einige der Verfärbungen Blutergüsse waren. Er zuckte innerlich zusammen bei dem Gedanken an das, was er unter der Decke vorfinden würde. Er drehte sich zu dem guten Samariter und winkte ihn zu sich. „Okay. Sie müssen die Bahre ruhig halten, während ich ihn herausziehe und darauflege.“

Der Mann nickte und legte seine langen Finger um die Metallgriffe der Bahre. Eine Sekunde lang starrte Ailean diese Finger an und fragte sich, wie sie sich wohl auf seinem Schwanz anfühlen würden. Scheiße! Nachdem er sich in Gedanken geohrfeigt hatte, drehte er sich wieder zu Lyle. Der Mann brauchte Hilfe und Ailean stand rum und sabberte wegen seinem Gefährten, der nicht einmal aussah, als würde er Aileans Verlangen erwidern.

Mit zusammengebissenen Zähnen stellte Ailean einen Fuß in das Auto und manövrierte seinen großen Körper auf den Rücksitz des kleinen Wagens. Er schob die Arme unter Lyle und hob ihn vorsichtig hoch. Lyle stöhnte und seine Lider flatterten. Die Finger seiner rechten Hand schienen sich in der Luft zu verkrampfen, dann riss der Detective die Augen auf. Er begann sich zu wehren.

„Ganz ruhig, Lyle“, sagte Ailean zu dem zappelnden Mann. „Ich bin es, Doctor Carmichael. Ailean Carmichael. Alles wird gut.“ Verdammt, er hoffte, dass das keine Lüge war.

Schließlich beruhigte Lyle sich. Die geweiteten Augen auf ihn gerichtet, flüsterte er: „Ailean?“

„Ja. Ich werde dich zusammenflicken, Detective“, schnurrte er beruhigend. Manchmal war es gut, eine Katze zu sein. Aus irgendeinem Grund beruhigte sein Schnurren selbst den aufgeregtesten Menschen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der kleine Mann zitterte und diskret sein Gemächt zurechtrückte. Ailean verbarg ein Grinsen, zufrieden, dass der Mann ihm gegenüber nicht völlig immun war.

„Grady?“, flüsterte Lyle.

„Er ist unterwegs. Entspann dich. Ich bringe dich ins Krankenhaus, damit wir uns um dich kümmern können.“

„Nein. Kein Krankenhaus“, murmelte Lyle und begann wieder zu zappeln.

Während sein Rücken wegen der unbequemen Haltung zu stechen begann, packte Ailean den Mann fester und schnurrte wieder. „Ruhig. Das wird ein inoffizieller Besuch. Niemand weiß, dass du hier bist, außer mir, Grady, Gordon und dem Mann, der dich gefunden hat. Alles wird gut.“

Lyle öffnete wieder den Mund, wahrscheinlich um zu protestieren, aber die Worte erstarrten in seiner Kehle, als er wieder das Bewusstsein verlor. Das war definitiv ein Segen, für sie beide. Ailean bewegte sich wieder und zog Lyle so sanft wie möglich aus dem Auto. Sein Gefährte war sofort mit der Bahre da. „Halt sie ruhig, kleiner Gefährte“, instruierte er, als er Lyle ablegte. Der Mann nickte gedankenverloren und hielt die Bahre fest. Ailean gurtete Lyle rasch fest, damit er auf dem Weg nicht herunterfiel.

Nach einigen Metern in Richtung Tür verharrte Ailean, als er bemerkte, dass sein Gefährte ihnen nicht folgte. Er drehte sich um und sah, wie der Mann wieder nervös seine Finger rieb, während er sein Auto anstarrte. Der kleine Kerl sah aus, als wollte er wegrennen, aber das kam nicht infrage.

Ailean ging zu ihm und legte einen Arm um die Taille des schreckhaften Menschen. „Komm mit, kleiner Gefährte“, schnurrte er. Der Mann lehnte sich gegen ihn und passte perfekt gegen Aileans größeren Körper. Bei der Berührung schoss Hitze durch seine Adern.

„Vielleicht sollte ich einfach gehen“, sagte der Mann leise.

Während er mit einer Hand die Bahre schob, hielt er mit der anderen seinen Gefährten fest. „Ich fürchte nicht. Detective Stryker wird mit dir reden müssen“, sagte er. Als der Mann sich versteifte, drückte Ailean ihn kurz. „Keine Sorge. Alles wird gut.“

Kapitel 2

Drake erwartete, dass der Arzt ihn loslassen würde, sobald sie wieder im Krankenhaus waren, doch zu seiner Überraschung – und Freude – tat er das nicht. Er hatte den Arm um Drakes Schultern gelegt, während er Bernice zunickte und rief: „Ich komme nachher mit den Infos zu diesem hier.“

Die Frau hob offensichtlich neugierig eine Augenbraue, winkte aber zur Bestätigung mit der Hand und tippte weiter auf ihrer Tastatur. Doktor Carmichael schob die Bahre in einen großen Raum. „Setz dich, kleiner Gefährte“, sagte er. „Grady wohnt in Stone Ridge, aber ich bin sicher, er wird sich beeilen.“

Drake nickte und beobachtete den größeren Mann mehrere Minuten lang, während Fragen in seinem Kopf herumschwirrten, wie zum Beispiel wo er da hineingeraten war, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass das hier die normale Vorgehensweise war. Der Mann, Lyle, wie der Arzt ihn genannt hatte, war nicht einmal eingecheckt worden, und der Doktor rief keine Schwestern oder sonst jemanden zur Hilfe. Stattdessen schloss er die Tür und begann, den Mann zu reinigen und selbst einen Tropf anzuhängen. War das normal?

„Sie haben ihn Lyle genannt. Kennen Sie ihn?“ Er nahm an, dass dies eine sichere Frage war.

Doktor Carmichael schaute ihn an, bevor er sich wieder an die Arbeit machte. „Ja. Wir sind uns ein paar Mal begegnet.“

„Wer ist er?“

Dieses Mal blieben die honigbraunen Augen des Arztes etwas länger auf ihn gerichtet. Er schien Drake einzuschätzen, der unter dem aufmerksamen Blick errötete. Seine Haut kribbelte noch immer an den Stellen, wo er an die Seite des Mannes gedrückt gewesen war. Er wollte auf seinem Stuhl herumrutschen und eine Position finden, die für seinen Schwanz bequemer wäre, da der bei der Berührung steif geworden war. Drake konnte sich nicht erinnern, wann ihn zum letzten Mal jemand so schnell so sehr erregt hatte. Aber er wusste, dass es unangemessen wäre und seine sexuelle Orientierung verraten würde, und er wollte den netten Arzt nicht beleidigen.

„Sein Name ist Detective Lyle Sullivan.“

Nun, eines wusste er über Doktor Carmichael, der Mann rückte nicht gerne mit Informationen heraus. „Was ist mit ihm passiert?“

„Er ist vor zwei Wochen verschwunden. So wie es aussieht, hat ihn jemand gefangen gehalten und gefoltert“, war die direkte Antwort.

Drake schnappte nach Luft und seine Augen wurden groß. „Das ist schrecklich“, flüsterte er.

Doktor Carmichael hob den Kopf und nickte. „Ja, kleiner Gefährte, das ist es.“

Drake runzelte die Stirn und fragte sich, warum der Mann ihn dauernd so nannte. Er hatte die Bezeichnung jetzt schon mehrmals benutzt und Drake wusste nicht, was es bedeuten sollte. Ihm war klar, dass er klein war, aber sie waren keine Freunde, auch wenn er das gerne ändern würde. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass der Arzt mit jemandem wie ihm befreundet sein wollte, einem exzentrischen, armen, dürren Professor.

Bevor er nachfragen konnte, ertönte ein leises Klopfen an der Tür. Doktor Carmichael hielt inne und holte tief Luft, bevor er sagte: „Komm rein, Grady.“

Komisch. Woher wusste der das?

Ein großer, muskelbepackter Mann betrat den Raum, gefolgt von einem etwas untersetzten Mann mit langem, stahlgrauem Haar. Der größere Mann runzelte die Stirn und murmelte einen Fluch.

Der Doktor grinste schief. „Ja. Das habe ich auch gesagt, als ich ihn gesehen habe.“

Drake beobachtete, wie der kleinere Mann eine Hand auf die Schulter des Blonden legte und flüsterte: „Ruhig, Grady.“

Zu Drakes Überraschung ergriff Grady, der Detective, die Hand des anderen Mannes und hielt sie fest. Na sowas. Sind sie ein Paar? Unmöglich. Der Detective verströmte Testosteron! Oder vielleicht miteinander verwandt? Falls ja, konnte Drake keine Familienähnlichkeit entdecken.

„Wird er durchkommen?“, fragte der Detective.

Doktor Carmichael verzog das Gesicht. „Ich bin noch nicht sicher. Er scheint stabil zu sein, aber ich muss noch einige Tests durchführen. Nach Anzeichen für innere Blutungen suchen, Gehirnerschütterung, gebrochene Knochen, Bluttests, all solche Dinge. Ihr seid wirklich schnell hergekommen, also hatte ich noch keine Zeit dazu.“

Grady drehte sich zu Drake, der beinahe zusammenzuckte. Der berechnende Blick des Mannes gab ihm das Gefühl, ein Beutetier in der Gegenwart eines hungrigen Löwen zu sein.

„Sind Sie Professor Drake Whitton?“

Drake nickte.

Grady schaute wieder zu dem Doktor. „Denkst du, du kannst deine Tests durchführen, während ich mich mit dem Professor unterhalte, Ailean?“

Der Doktor, Ailean, nickte. Was für ein ausgefallener Name. Drake wollte gerade fragen, woher er stammte, als der Mann sprach.

„Sicher.“ Ailean richtete seinen Blick auf ihn und vertrieb damit die Kälte, die Gradys Blick hinterlassen hatte. „Du hast vor Grady nichts zu befürchten, kleiner Gefährte. Er muss dir nur ein paar Fragen stellen.“

Woher wusste Ailean, dass er nervös geworden war? Drake schaute nach unten und realisierte, dass seine unruhigen Finger ihn wohl verraten hatten. Er riss den Kopf wieder nach oben. „Warum nennen Sie mich dauernd kleiner Gefährte?“

Ailean ging von dem Krankenbett weg und kam zu ihm, wobei sein Körper sich mit sinnlicher Eleganz bewegte. „Ich kannte deinen Namen nicht“, sagte er, als er vor Drake stehen blieb. „Wäre es dir lieber, wenn ich dich mein Hübscher nennen würde? Oder vielleicht Zuckerschnecke?“

Okay, der Doktor spielte also für seine Mannschaft, aber warum sollte er an Drake interessiert sein? Schließlich war er nicht im geringsten attraktiv.

Während er versuchte, seine seltsamen Reaktionen auf den Mann unter Kontrolle zu behalten, runzelte er die Stirn. „Mein Name ist Drake.“

Ailean legte einen Finger unter Drakes Kinn, um seinen Kopf anzuheben. „Mir gefällt kleiner Gefährte trotzdem besser, Drake. Gehe nirgendwohin, bis ich zurück bin. Ich möchte dich nach deiner Telefonnummer fragen.“

Dann, zu seiner totalen Verblüffung, strich Ailean seine Lippen in einer zarten, sehr sinnlichen Berührung über Drakes. Bevor er überhaupt richtig bemerkte, dass es geschah, war es auch schon vorbei. Sein erster echter Kuss und er war zu verdutzt, um ihn zu erwidern. Aber Ailean schien das nichts auszumachen. Er richtete sich auf und drehte sich zu dem äußerst erstaunt aussehenden Grady. „Ich bin gleich zurück.“

„Kleiner Gefährte, hm?“, murmelte Grady, dem Besorgnis ins Gesicht geschrieben stand.

Der Doktor hob eine Augenbraue, als wolle er den größeren Mann herausfordern, ihm zu widersprechen. „Ja.“

Ein stummer Austausch schien zwischen den beiden stattzufinden, aber bevor Drake auch nur erraten konnte, was los war, schob Ailean Lyle aus dem Zimmer und verschwand. Das Klicken der Tür, als sie ins Schloss fiel, klang so Unheil verkündend in Drakes Ohren, dass er sich versteifte.

Grady ließ sich auf dem harten Plastikstuhl neben ihm nieder und seufzte. „Entspannen Sie sich“, sagte er. „Ich habe nur ein paar Fragen.“

Drake nickte und fühlte sich plötzlich ruhiger. Es war, als wäre jegliche Aggression aus dem Mann gewichen und hätte einen völlig erschöpften Freund zurückgelassen. „Ich werde so gut helfen, wie ich kann“, versicherte Drake. Er wollte wirklich helfen. Niemand hatte es verdient, so zusammengeschlagen zu werden.

„Wo haben Sie Lyle gefunden?“, fragte Grady.

„Vor dem Fitzgerald-Gebäude Ecke Dritte und Neunte. Ich kam gerade von einem Meeting mit einem Auftraggeber, der Crystal Lake Corporation, und als ich in mein Auto stieg, lag er auf dem Rücksitz“, berichtete er.

„Auf dem Rücksitz? Er war schon im Auto?“

Der Ton des Mannes ließ erkennen, dass er Drake nicht glaubte, und Drake runzelte die Stirn. „Ja.“ Er erhob sich, da er vor Aufregung kaum stillhalten konnte. „Ich dachte, ich hätte das Auto abgeschlossen, aber als ich den Knopf zum Öffnen drückte, machte es dieses klickende Geräusch, so als wäre es bereits offen. Ich sah mich um, konnte aber niemanden sehen, also stieg ich ins Auto.“ Drake verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte den Detective an. „Als ich in den Rückspiegel schaute, war er da, und …“ Er kaute auf seiner Unterlippe, plötzlich verunsichert. Er wusste, dass Ailean ihm nicht wehtun würde, auch wenn er nicht wusste, woher er das wusste, aber er war sich sicher. Allerdings war er sich nicht ganz so sicher, was diese beiden betraf, und der Doktor war weg.

„Und was?“, fragte Grady sanft.

Wohl wissend, dass er die Information nicht zurückhalten konnte, erklärte er: „Und er hatte eine Waffe auf mich gerichtet.“

Grady nickte langsam und sein Kehlkopf hüpfte, als er schwer schluckte. „Hat er etwas zu ihnen gesagt?“

Drake nickte. „Ja. Er sagte mir, ich solle fahren, dann würde mir nichts geschehen.“

„Und?“

Er schnaubte. „Was meinen Sie mit ‚und‘? Ich bin gefahren!“, rief er. Müdigkeit, Stress und Hunger ließen bei ihm die Sicherungen durchbrennen und er wollte, dass Ailean zurückkehrte. Etwas an dem Mann war beruhigend und es gefiel ihm zu wissen, dass der Arzt ihn mochte.

„Bitte beruhigen Sie sich, Professor“, sagte der Mann in der Ecke schließlich. „Uns ist bewusst, dass es eine sehr nervenaufreibende Situation ist, wenn einem jemand eine Waffe vor das Gesicht hält und einen mitsamt Auto entführt. Nicht die Kontrolle zu haben ist niemals leicht. Bitte, Lyle ist ein guter Mann und hätte das unter normalen Umständen niemals getan. Er hätte niemals einen Fremden mit seinen Problemen behelligt, wenn es nicht absolut notwendig gewesen wäre.“

Drake nickte langsam, während er über die Worte des anderen Mannes nachdachte. Sie klangen aufrichtig. „Wer sind Sie? Sind Sie auch ein Detective?“

Der Mann lächelte und seine schwarzen Augen bestätigten die Wärme in seinem Gesicht. „Tut mir leid. Ich bin Doktor Gordon Digby. Ich bin Gradys Partner.“

Partner? „Ich dachte, Doktor Carmichael hätte gesagt, Lyle wäre Gradys Partner?“

Gordon lachte leise und tauschte ein Lächeln mit Grady. „Nicht diese Art von Partner, Drake.“

„Oh.“ Nun, das beantwortete diese Frage. Die beiden großen Männer waren wirklich schwul. Dass sie ihre Beziehung so offen bestätigten, erstaunte und verwirrte ihn. Er versteckte seine Sexualität zwar nicht, nicht wirklich, aber es fragte ihn auch eigentlich niemand danach, und das war ihm nur recht. Er war nicht sicher, ob er andernfalls seine Stelle als Lehrkraft behalten würde.

„Also“, sagte Grady und erhob sich von seinem Stuhl. „Sie sagten, Lyle war in Ihrem Auto, als Sie das Fitzgerald-Gebäude verließen, und Sie fuhren los. Was sagte er noch? Wie kamen Sie darauf, mich anzurufen?“, fragte der Mann, als er eine Hand auf Drakes Schulter legte und ihn zu seinem Stuhl zurückgeleitete.

Er ging willig mit, hauptsächlich weil er wusste, dass er es mit dem großen Detective ohnehin nicht aufnehmen könnte. Die Augen geschlossen, rief er sich die Szene in Erinnerung. Durch jahrelange wissenschaftliche Forschungen hatte er seinen Verstand darauf trainiert, sich selbst an winzige Details zu erinnern. Diese Fähigkeit machte sich jetzt bezahlt.

„Okay. Lyle sagte ‚Losfahren‘. Und als ich völlig verschreckt dasaß, sagte er ‚Fahren Sie einfach und Ihnen wird nichts geschehen‘. Ich habe dann ziemlich schnell gehorcht. Nachdem ich den Parkplatz verlassen hatte, fragte ich ‚Wo soll ich Sie hinfahren, Sir?‘ Ich hielt es für eine gute Idee, zu dem Mann mit der Waffe höflich zu sein. Seine Antwort verwirrte mich. Er sagte ‚Grady‘.“

Drake öffnete die Augen. „Jetzt weiß ich, dass er damit sagen wollte, dass ich ihn zu Ihnen fahren soll, aber in dem Moment war mir das nicht klar. Also fragte ich ‚ Ist Ihr Name Grady?‘ Es dauerte einen Moment, bis er antwortete, aber schließlich sagte er ‚Ich muss zu Detective Grady Stryker.‘ Das fand ich auch seltsam. Jemand stiehlt ein Auto und will zu einem Detective gebracht werden. Dann kam mir der Gedanke, dass Sie möglicherweise ein korrupter Cop sein könnten. Das sind Sie doch nicht, oder?“ Er zögerte erwartungsvoll und betete, dass es nicht so war.

Als er realisierte, dass Drake eine Antwort erwartete, hob Grady eine Augenbraue und schüttelte den Kopf. „Nein.“

Mit erleichtertem Ausatmen nickte Drake. „Das ist gut.“ Er zögerte. Wo bin ich stehen geblieben? Ach ja. „Jedenfalls bemerkte ich die Blutergüsse und das Blut auf seinem Gesicht und den Armen und realisierte, dass ihm etwas Schlimmes zugestoßen war. Also bestätigte ich den Namen, aber als ich Lyle fragte, ob er Ihre Telefonnummer kennt, antwortete er nicht. Er hatte da bereits das Bewusstsein verloren“, erklärte er.

Er schaute zwischen Grady und Gordon hin und her und versuchte zu erkennen, ob sie ihm folgten. Wenn er einmal mit einem Vortrag angefangen hatte, folgten die Studenten ihm manchmal nicht mehr, das wusste er und nahm an, dass es hierbei genauso sein könnte. Nachdem beide Männer genickt hatten und Grady eine Handbewegung machte wie um sagen zu wollen Reden Sie weiter, tat er das. „Ich wusste nicht, wer Sie sind, Detective, also fuhr ich nach Hause und…“

„Sie haben ihn mit zu sich nach Hause genommen?“, unterbrach Grady ihn.

Drake legte den Kopf schief. „Ja. Ich habe ihn aber nicht mit ins Haus genommen. Ich habe uns nur in der Garage eingeschlossen. Ich brauchte einen sicheren Ort, an dem ich online gehen und herausfinden konnte, wer Sie sind. Von dort habe ich Sie angerufen, aus meiner Garage.“

Er beobachtete, wie Grady und Gordon erneut Blicke wechselten, die er nicht deuten konnte. Also das ist frustrierend. Was ist denn los? Er seufzte, plötzlich nicht sicher, dass er es überhaupt wissen wollte. Wenn es darum ging, dass Leute anderen Leuten weh taten, so wie Detective Sullivan, dann wollte Drake nichts damit zu tun haben. „Nachdem ich mit Ihnen telefoniert hatte, brachte ich Lyle hierher.“ Er zuckte mit den Schultern.

Grady nickte. „In Ordnung. Was ist mit der Waffe passiert? Ist die noch in Ihrem Wagen?“

„Oh, nein“, antwortete Drake und biss sich dann auf die Lippe. „Ich habe sie ihm weggenommen und unter das Auto geschubst. Danach habe ich sie nicht wieder aufgehoben, also liegt sie noch in der Garage. Wollen Sie mir nach Hause folgen, um sie abzuholen?“

Er hoffte, im Anschluss schlafen gehen zu können, doch er musste sich noch mit seinen Forschungen beschäftigen und hatte morgen früh Unterricht. Er unterdrückte ein Seufzen. Mist, er würde nicht viel Schlaf bekommen.

Der Detective lehnte sich gegen das leere Bett. „Das werde ich tun müssen, ja. Ich möchte auch, dass Sie mich zu der Stelle führen, an der Ihr Auto geparkt war, als sie Lyle begegnet sind, aber das muss bei Tageslicht sein. Haben Sie morgen Zeit?“

Während er sich die Stirn rieb, dachte Drake an all die Dinge, die er am nächsten Tag zu erledigen hatte. Langsam nickte er. „Ich habe Pause zwischen elf Uhr dreißig und eins. Das sollte genug Zeit sein, um Ihnen zu zeigen, wo es ist, und rechtzeitig zum Unterricht zurückzukehren.“

„Wird das auch genug Zeit sein, damit du etwas essen kannst?“

Drake wirbelte bei der mürrischen Stimme herum und eine Wärme, wie er sie noch nie gespürt hatte, durchflutete ihn, als er Ailean an der Tür stehen sah. Oh-oh. Er sollte den Mann nicht so schnell so sehr mögen, vor allem da er nichts über ihn wusste. Betroffen kaute er auf seiner Unterlippe.

* * * *

Ailean konnte nicht glauben, dass er das gerade gesagt hatte, aber der Professor achtete offensichtlich nicht sehr gut auf sich. Das Kauen auf der Unterlippe und die betretene Miene bestätigten es. Außerdem sah er dadurch so verflixt süß aus, dass Ailean Zahnschmerzen bekam. Und sein Schwanz schmerzte auch. Er wollte alle anderen aus dem Raum schicken und die volle Unterlippe kosten, die Drake so eifrig beknabberte.

Stattdessen schob er die Bahre ins Zimmer und bedeutete Grady, ihm dabei zu helfen, den noch immer bewusstlosen Lyle auf das Bett zu legen. Nachdem sie damit fertig waren, schob er die Bahre hinaus auf den Flur. Er schloss die Tür und durchquerte den Raum, um vor Drake zu treten.

Der Mund des schmächtigen Menschen öffnete und schloss sich wie der eines Fischs und Ailean konnte ein Grinsen nicht zurückhalten. „Also, wirst du Zeit zum Mittagessen haben, kleiner Gefährte?“

„Äh, nein“, flüsterte der Mann.

„Dann geht das nicht, richtig?“ Er streichelte mit den Fingerspitzen über Drakes Unterkiefer, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen. „Ich muss morgen erst ab drei Uhr nachmittags arbeiten. Wie wäre es, wenn ich dich mit einem Imbiss vom Campus abhole? Dann kannst du essen, während ich fahre“, bot er an.

Er fuhr fort, die zarte Haut seines kleinen Gefährten zu streicheln, begeistert davon, wie richtig es sich anfühlte, den Menschen zu berühren. Warum gibt das Schicksal mir einen Menschen? Er hatte keine guten Erfahrungen mit ihnen gemacht. Verdammt, er hoffte, dass es dieses Mal anders sein würde. Bei dem Gedanken runzelte er die Stirn. Natürlich würde es anders sein. Das ist mein Gefährte!

Drake nickte schnell. „In Ordnung. Das würde mir gefallen“, murmelte er und zog den Kopf ein.

Ailean fragte sich, ob er das aus Schüchternheit tat oder ob der Grund ein anderer war. Unerfahrenheit? Er würde abwarten und es herausfinden müssen. „Gut“, antwortete er. „Jetzt gib mir deine Telefonnummer, kleiner Gefährte“, forderte er sanft und reichte dem Mann einen Stift und sein Clipboard.

Er sah zu, wie Drake zwischen ihm und den anderen beiden Männern im Raum hin und her schaute. Aus dem Augenwinkel beobachtete Ailean, wie Gordon seinem kleinen Gefährten zuzwinkerte und ermutigend nickte. Drake lächelte zaghaft und kritzelte eine Reihe praktisch unleserlicher Ziffern auf das Blatt. Er würde sich etwas überlegen müssen, um dem Elefantenwandler zu danken. Was auch immer während seiner Abwesenheit passiert war, Drake schien Gordons Meinung zu respektieren, also schuldete Ailean dem Mann etwas.

„Und da heißt es immer, Ärzte hätten eine schlimme Schrift“, neckte er und nahm das Clipboard entgegen. Drake öffnete den Mund und begann, etwas zu stottern, aber Ailean legte den Zeigefinger auf die zarten Lippen, die er so gerne richtig kosten würde. Das zarte Küsschen vorhin war nicht annähernd genug. „Entspann dich“, sagte er sanft. „Ich mache nur Spaß. Geh mit Grady und wir sehen uns morgen.“

„Okay“, murmelte Drake, dessen Augen ein wenig geweitet waren.

Was für ein verdammt heißer Look. Ailean konnte sich nicht davon abhalten, den kleineren Mann auf die Füße zu ziehen, seinen Kiefer zu umfassen und seine Lippen zu erobern. Überraschung durchfuhr Ailean, als Drake einige Sekunden lang in seinen Armen erstarrte. Doch er berührte immer wieder geduldig die Lippen des Mannes und schon bald schmolz der in Aileans Armen dahin. Unerfahrenheit. Definitiv. Er schob die Zunge vor, zeichnete Drakes Lippen nach und kostete sie zärtlich. Als Drake nicht automatisch den Mund öffnete, biss Ailean ganz sanft in die volle Unterlippe seines Gefährten.

Mit einem scharfen Luftholen öffnete Drake ein wenig die Lippen und bot Ailean so den Zugang, den er sich wünschte. Er nutzte die Gelegenheit. Während er seine Zunge in die schmale Lücke zwischen Drakes Zähnen schob, schlang er die Arme um die schlanke Taille seines Gefährten und zog ihn an seinen Körper.

Heilige Scheiße! Aileans Schwanz war sofort steinhart und vergoss Freudentränen. Er zuckte und pulsierte am Bauch seines Gefährten. Mit leidenschaftlichem Stöhnen eroberte er Drakes Mund, erforschte Zähne, Gaumen und Zunge des Mannes. Schließlich brauchte er Luft, also ließ Ailean den Kuss widerstrebend enden.

Er atmete tief durch, blinzelte und beobachtete, wie die Wangen seines Gefährten von zarter Röte überzogen wurden. Ailean schaute aus dem Augenwinkel zu Gordon und Grady und lächelte sie leicht an, da die beiden versuchten, ihnen in dem kleinen Raum ein wenig Privatsphäre zu gewähren. Beide hatten ihnen den Rücken gekehrt.

„Hey, das ist nicht nötig“, flüsterte Ailean, um Drakes Aufmerksamkeit zu bekommen. „Wir tun nichts Falsches und wir stören meine Freunde gewiss nicht. Du solltest mal sehen, wenn die beiden in Fahrt geraten“, erzählte er mit einem Zwinkern.

Dadurch errötete Drake nur noch heftiger. Jep. Definitiv unerfahren. Daran würde er denken müssen. Noch einmal küsste er seinen Gefährten leicht, dann löste er sich von ihm. „Es ist spät, und nach dem, was du gesagt hast, musst du wohl morgen früh aufstehen. Mach dich auf den Weg und wir sehen uns dann morgen.“

„Okay“, antwortete sein Gefährte atemlos. „Ich, äh …“ Drake räusperte sich. „Wir sehen uns dann morgen.“

„Auf jeden Fall“, versprach Ailean.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739459875
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
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Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Der Mensch an seiner Seite