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Borschts flatternder Geliebter

von Charlie Richards (Autor:in)
135 Seiten

Zusammenfassung

Aus dem Käfig: Manchmal machen einen unerwartete Ereignisse nahezu verrückt … aber das ist nicht immer schlecht. Borscht Kuznetsov ist der Meister seines Vampir-Zirkels. Er mag es, wenn seine Spender schweigsam sind, seine Leute gehorsam und sein Leben geordnet. Als ihn ein Alarm am nördlichen Rand seines Anwesens auf Eindringlinge hinweist, führt er den Trupp an, der die Menschen von seinem Land verjagen soll. Zu seiner Überraschung entdeckt Borscht dabei einen Nilflughund. Verwirrt von seinem plötzlichen Instinkt, das kleine Wesen zu beschützen, erkennt er, dass es ein Wandler ist … der sich weigert, sich zu verwandeln. Da seine einzigen Erinnerungen aus seiner Zeit in Gefangenschaft stammen, weiß Sekani nicht viel. Er kann nicht einmal die Worte der Leute um ihn herum verstehen, nachdem er aus seinem Gefängnis entkommen ist. Trotzdem riecht einer von ihnen wirklich gut … und der Mann hat ihn vor den Jägern gerettet. Als der Mann endlich ein paar Worte in seiner Sprache sagt, erfährt Sekani, dass seine Welt so viel größer ist, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Kann Borscht mit dem Überfluss an Begeisterung seines Geliebten umgehen, besonders als er erfährt, dass Sekani Freunde hat, die gerettet werden müssen? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Um die gesamte Handlung sowie die Geschichte aller Figuren zu erfahren, empfiehlt es sich, alle Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen. Länge: rund 34.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Borscht Kuznetsov starrte sein Telefon an. Er wünschte, er könnte das Klingeln ignorieren, aber er wusste, dass das nicht ging. Außerdem wollte er sein Telefon nur durch den Raum werfen, weil er einfach nicht herausfinden konnte, wie die Formel in der Excel-Tabelle funktionierte. Es schien, als würde er seinen Bruder Vadim bitten müssen, es ihm noch einmal zu erklären.

Er hielt das Telefon ans Ohr und schnappte: „Da?

„Es tut mir leid, dich zu unterbrechen“, sagte Aleksei. Der war ein weiterer seiner Brüder und der Vollstrecker seines kleinen Zirkels.

Komischerweise fand Borscht, dass er überhaupt nicht klang, als würde es ihm leid tun.

„Wir haben Eindringlinge“, fuhr Aleksei fort. „Du musst in den Sicherheitsraum C kommen.“

Ohne sich die Mühe zu machen zu antworten, legte Borscht das Telefon wieder weg und stand auf. Er schritt schnell aus seinem Büro und einen kurzen Flur hinunter. Nach rechts, dann navigierte er durch ein paar Gänge, wobei er an den Suiten von mehreren seiner Geschwister vorbeikam, bevor an der Rückseite des Hauses angelangte, wo eine Reihe von Sicherheitsräumen eingerichtet worden waren.

Während Raum A die Sicherheitsmonitore für die Vorderseite des Hauses und das Tor enthielt, befanden sich in Raum B Sicherheitsdaten für die Kameras, die alle ihre Außengebäude überwachten. Raum C war voll von Monitoren, die die Umgebung ihres Anwesens zeigten. Da dieses am nördlichen Ende an ziemlich wildes Land grenzte, behielten sie ihre Umgebung im Auge.

Nachdem Borschts Eltern einige Jahrzehnte zuvor gestorben waren, war er von seinem Zirkel weggegangen. Seine Loyalität hatte gegenüber seinen Eltern bestanden und er konnte die Differenzen, die er mit dem Meister des Zirkels hatte, nicht länger tolerieren. Er hatte die meisten seiner Geschwister mitgenommen. Sein Zirkel bestand aus ihm, gewissermaßen dem Meister, da er der älteste war, und seinen vier Brüdern Nikolai, Aleksei, Vadim und Zakhar. Auch seine beiden Schwestern Nikita und Natalia hatten sich ihnen angeschlossen.

Seine beiden jüngsten Brüder waren zunächst in ihrem alten Zirkel geblieben, dann aber schließlich ihre eigenen Wege gegangen. Petre hatte sein Glück mit seiner besonderen Person gefunden und war zu einem Zirkel nach Frankreich gezogen. Tullion hatte kürzlich auch seine andere Hälfte gefunden und war in die Vereinigten Staaten gezogen, um bei ihm zu sein.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Zirkel aus Dutzenden von Vampiren bestanden, war ihre Gruppe von sieben Mitgliedern ungewöhnlich. Einige betrachteten sie aufgrund ihrer geringen Größe sogar als leicht angreifbar. Sie lebten seit etwas mehr als drei Jahrzehnten in Abgeschiedenheit, und fanden, dass es für sie gut funktionierte.

Die Tür zum Sicherheitsraum stand offen, als Borscht ankam. Als er eintrat, entdeckte er Aleksei in der Mitte des Raumes. Er hatte seine Arme vor der mageren Brust gekreuzt, und starrte finster auf einen Monitor, der an der rechten Wand hing.

Borscht blieb neben ihm stehen und nahm die Szene auf, auf die sich sein Bruder konzentrierte. Vier Männer in Tarnhosen und schwarzen Jacken stiegen langsam die Seite einer Schlucht hinunter. Sie trugen Gürtel mit Utensilien um ihre Taillen und Nachtsichtbrillen auf dem Kopf. Sie alle waren bewaffnet.

„Sie gehen nicht in Richtung unseres Hauses“, kommentierte Borscht leise. „Wo zum Teufel wollen sie hin?“

Anstatt Borschts Frage zu beantworten, zeigte Aleksei auf einen Mann. „Was trägt er?“

Borscht beugte sich näher an den Bildschirm, um das Gerät besser sehen zu können. „Wie ist die Sicht von Kamera acht?“, fragte er leise.

Aleksei beugte sich über den Schreibtisch und drückte ein paar Tasten. Das Bild auf dem Monitor änderte sich. Statt einer Seitenansicht blickte Borscht nun von vorne auf die Männer herab.

„Was schauen wir uns da an?“, fragte Vadim, als er den Raum betrat. „Wer sind diese Jungs?“ Bevor einer von beiden antworten konnte, zeigte Vadim auf den Mann, der gerade ein kleines elektronisches Gerät in der Hand hielt. „Was zur Hölle glaubst du, tracken die auf unserem Grundstück? Uns?“

„Ein Ortungsgerät“, murmelte Aleksei. „Natürlich.“ Er drückte noch ein paar Knöpfe und das Bild einer überwucherten Forststraße erschien, zusammen mit zwei schwarzen SUVs, die am Rand geparkt waren. „Sie kamen von dort und haben dann den hinteren Bereich des Anwesens überquert. Sie kommen offensichtlich nicht her, also was machen sie?“

„Fragen wir sie“, sagte Borscht. „Vadim, bist du bereit, hier zu bleiben und ihre Koordinaten zu übermitteln?“

Als ein mittlerer Bruder war Vadim fast so groß wie Borscht, der eins fünfundneunzig groß war. Was niemand außerhalb der Familie wusste, war, dass der große Mann ein sanfter Riese war. Auch wenn Vadim wusste, wie man kämpft, und es, wenn nötig konnte, zog er es vor, sich mit der technologischen Seite zu beschäftigen.

„Ich werde ein Auge auf sie haben“, bestätigte Vadim und nahm ein Headset in die Hand. „Wenn ich sehe, was sie verfolgen, werde ich euch das auch wissen lassen.“

Borscht nickte. „Gut.“

Er verließ den Raum, ging durch das Haus voran und spürte, wie Aleksei ihn begleitete. Er fand Zakhar in der Küche, wo dieser ein Sandwich aß. Nachdem Borscht ihm erklärt hatte, was los war, wischte Zakhar sich den Mund an einer Serviette ab.

„Ich bin gleich da“, versprach er.

„Ich werde die anderen zusammentrommeln“, sagte Aleksei. „Du solltest dich umziehen.“

Borscht warf einen Blick auf seine Kleidung und begriff die Andeutung seines Bruders. Er hatte in seinem Büro an der blöden Überprüfung seines Bankkontos gearbeitet. Derzeit trug er eine Jogginghose, Socken und sonst nichts.

„Wir sehen uns in fünf Minuten im Foyer“, sagte Borscht.

Aleksei salutierte zum Scherz und ging dann weg.

Borscht lief in sein Schlafzimmer und zog sich schnell schwarze Jeans und einen marinegrünen Rollkragenpullover an. Er streifte Wanderschuhe über die dicken Socken. Auf dem Weg zur Tür griff er nach seiner schwarzen Lederjacke.

Als Borscht im hinteren Foyer ankam, entdeckte er, dass die meisten seiner Geschwister schon dort warteten. Er nahm den Ohrhörer, den Nikolai ihm reichte, und steckte ihn ins Ohr. Er öffnete einen Schrank und holte ein Schulterhalfter heraus. Das streifte er über und zog dann seine Lederjacke an.

„Fertig?“, fragte Borscht und sah sich zu seinen Geschwistern um. Nachdem alle genickt hatten, traf er Nikitas Blick. „Halte die Schlüssel bereit, falls es Verletzungen gibt. Vadim wird dir den Forstweg zeigen, der dem Gebiet am nächsten liegt.“

Nikita nickte. „Lass dich einfach nicht verletzen“, ermahnte sie.

Borscht grinste und wandte sich ab. Als er nach draußen ging, holte er tief Luft und genoss die saubere Waldluft. Im nächsten Moment rannte er über das Gelände und in den Wald.

Ihr zweistöckiges Haus mit den zwölf Schlafzimmern war schon etwas älter und befand sich auf etwas mehr als zweihundert Hektar Land. Die ursprünglichen Besitzer hatten es als Jagdhaus auf dem Land genutzt. Das war vor fast zweihundert Jahren gewesen, und als sie einzogen, hatte das Gebäude größere Renovierungen benötigt.

Wenn sie in die Stadt gingen, um nach Blutspendern zu suchen, erregte die Geschichte ihres Hauses das Interesse der Touristen. Das machte es einfach, ihnen eine Besichtigung anzubieten, wobei sie manchmal auch ihre vampirischen Fähigkeit anwendeten, um sie zu zwingen. Sie bereiteten ihren Besuchern eine Nacht voller Leidenschaft und Spaß, während sie im Austausch etwas von ihrem Blut nahmen. Dann brachten sie sie in die Stadt zurück, und niemand ahnte etwas.

Mit über dreihundert Jahren wusste Borscht zu schätzen, dass er das nur ein paar Mal im Monat tun musste. Er sehnte sich nach einer beständigen Partnerschaft, aber diese besondere Person hatte er noch nicht getroffen. Manchmal, wenn er nachts allein im Bett lag, fragte er sich, warum das Schicksal seine beiden jüngsten Brüder mit ihren Geliebten beschenkt hatte, aber nicht ihn.

Borscht schob seine Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Laufen. Er wusste, dass seine Brüder und seine Schwester ihn flankierten. Hunderte Male hatten sie schon zusammengearbeitet, und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Männer Vampire oder Wandler waren, konnten sie die vier Männer leicht überwältigen.

Wonach suchen sie?

Borscht wusste, dass er keine Antworten bekommen konnte, ohne sie zu fragen. Er hob eine Hand an seinen Ohrhörer und drückte den Sendeknopf. „Wir sollten nah dran sein“, sagte er und verlangsamte seine Geschwindigkeit. „Vadim, hast du Sicht auf uns?“

Da“, antwortete Vadim sofort bejahend. „Ihr müsst etwas weiter nach Süden, und die Schlucht befindet sich innerhalb von etwa tausend Metern.“

„Wo sind sie?“, fragte Borscht, als er seinen Kurs anpasste.

„Sie sind die Westwand hinuntergeklettert und auf halber Höhe an der Ostseite“, erklärte ihnen Vadim. „Ich habe die Kameras in der Richtung geprüft, in die sie gehen. Ich kann nicht viel finden. Ein paar nachtaktive Wesen rühren sich, aber nichts Außergewöhnliches.“

„Was zum Teufel machen die da draußen?“ Alekseis Stimme knurrte in seinem Ohr.

Borscht ging langsamer und legte den Kopf schief. „Wir werden es früh genug herausfinden“, antwortete er. Als Oberhaupt des Haushalts nahm er die Sicherheit seiner Familie ernst. „Wenn sie auf euch schießen, schlagt ihr mit tödlicher Gewalt zurück“, befahl er. „Aber denkt dran, ich brauche jemanden, der noch lebt, um ihn zu befragen.“

Während er die gemurmelten Antworten seiner Geschwister hörte, ertappte sich Borscht, wie ihn ein moschusartiger Duft ablenkte. Er kam zum Stehen und stolperte dabei über eine Baumwurzel. Er fing sich gerade noch rechtzeitig, legte den Kopf zurück und atmete tief ein.

Borscht nahm den Geruch wieder wahr, diesmal schwächer. Zu seiner Überraschung spürte er, wie sich sein Blut erhitzte, als er den ungewohnten Geruch einatmete, und sein Schwanz wurde dicker. Er runzelte die Stirn, sah sich im Wald um und suchte nach der Quelle.

Borscht fand nichts und ließ die Veränderung seiner Sicht geschehen, was ihm im Grunde Nachtsicht ermöglichte. Er durchsuchte die Gegend erneut und richtete seinen Blick auch auf die Bäume. Dort entdeckte er winzige Wesen, die um die Baumwipfel huschten und an den Zweigen hingen. Eulen und Fledermäuse, entschied er.

„Borscht?“ Natalia legte eine Hand auf seinen Oberarm und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. „Was stimmt nicht?“

Borscht konzentrierte sich auf seine Schwester. „Nichts“, antwortete er. „Ich habe nur gerade etwas … Unbekanntes gerochen.“

„Nun, wir können zurückkommen und es überprüfen, wenn wir müssen“, antwortete Natalia. „Die anderen sind schon weiter gegangen.“

Borscht sah sich um und bemerkte, dass seine Brüder nicht mehr in Sichtweite waren. Ihm wurde klar, dass er viel länger nach der Quelle des Geruchs gesucht hatte, als er gedacht hatte. „Scheiße“, grummelte er. „Ich weiß nicht, was das war.“

Borscht eilte weiter in die Richtung, die seine Brüder genommen hatten, und lauschte aufmerksam. Er hörte die Menschen, bevor er sie sah … oder seine Brüder. Das überraschte ihn jedoch nicht wirklich.

Borscht schaute über den Rand der Schlucht und entdeckte zwei Männer, die nebeneinander standen. Einer hielt das kleine Ortungsgerät in der Hand, das einem Fischsuchgerät sehr ähnlich sah. Er zeigte auf den Bildschirm und dann auf eine Stelle rechts von Borscht.

Der zweite Mann nickte und rief den beiden Männern, die sie flankierten, leise zu: „Wir sind nah dran. Sobald wir oben sind, schwärmt ihr auf dreißig Meter aus, und haltet die Augen offen für jede Bewegung in den Bäumen.“ Seine Stimme bekam einen harten Ton, als er fortfuhr: „Falls es fliegt, wenn ihr es trefft, müsst ihr versuchen, es zu fangen. Wir müssen dieses Ding, wenn möglich, unbeschadet abliefern.“

„Was?“ Natalia sah sich im dunklen Wald um. „Sind sie auf der Jagd nach einem Tier?“

Borscht zuckte die Achseln und murmelte: „Es gibt hier draußen nichts Gefährlicheres als uns.“

Er bemerkte Aleksei, der sich an den Mann auf der linken Seite heranschlich und Nikolai, der sich dem Mann auf der rechten Seite näherte. Irgendwie war Zakhar bereits auf einen Baum geklettert und saß sieben Meter über den Männern mit dem Tracker.

Borscht hob die Hand zu dem Gerät in seinem Ohr und flüsterte: „Alle bereit in zehn … neun … acht …“

Borscht verstummte und ließ alle den Countdown in ihren Köpfen beenden. Er ließ seine Nägel zu sieben Zentimeter langen Krallen wachsen und spannte seine Hände voller Erwartung. Auf eins stürzte er sich auf den Mann, der den Tracker hielt, da sie sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Meter von der Spitze des Hügels entfernt befanden. Er riss den Menschen leicht zu Boden.

Da sie sich auf einem Hügel befanden, rollte Borscht zweimal herum, bevor er zum Stehen kam. Der Mensch stieß einen gequälten Schrei neben ihm aus. Borscht sprang auf und sah sich um, aber er starrte in die Mündung eines Revolvers.

Borscht sah, wie die Hand des Mannes zitterte, wie sein Geruch nach Angst und Schmerz stank, und wusste, dass er nur ein paar Sekunden Zeit hatte. Er sprang geradewegs nach oben, katapultierte sich höher, als es ein Mensch jemals schaffen könnte, packte einen Ast über sich und schwang daran. Er hörte das Geräusch der Waffe und spürte die verdrängte Luft zu seiner Rechten, als die Kugel an seiner Schulter vorbeizischte. Borscht landete auf dem Boden hinter dem Menschen, schlang einen Arm um dessen Oberkörper und packte mit der anderen seinen Hals.

„Halt still“, befahl Borscht grob.

Der Mann hob die Hände und ließ die Waffe fallen. „Bitte, verletze mich nicht“, flehte er in schlecht akzentuiertem Russisch.

Borscht runzelte die Stirn. Er drückte seine messerscharfen Krallen in den Hals des Mannes, als er den Hügel hinaufblickte. Es dauerte nur einen Moment, bis ihm klar wurde, dass die anderen drei Männer ebenfalls überwältigt waren. Der Geruch von Blut hing schwer in der Luft und sagte Borscht, dass mindestens einer der Menschen wahrscheinlich tot war.

„Du bist auf meinem Land“, sagte Borscht und sprach langsam. Er hatte keine Ahnung, was die Muttersprache des Menschen war, aber Russisch war es nicht. „Was tut ihr hier?“

Der Mensch leckte sich die Lippen. Sein Blick schweifte umher und er nahm offensichtlich die Tatsache wahr, dass alle seine Kameraden ausgeschaltet waren. Er schluckte schwer und sein Adamsapfel wippte, bevor er antwortete.

„Ich suche nach einem Flughund.“

Borscht konnte die Wahrheit in dieser Aussage wittern. „Warum?“, fragte er.

„Tollwütig“, antwortete der Mann. „Krank. Gefährlich. Muss ihn zurück ins Labor bringen.“

Borscht kniff die Augen zusammen und schnupperte diskret, stellte leicht fest, dass der Mann log. Aus irgendeinem Grund schoss ein fast übermächtiger Drang durch ihn, dem Mann den unehrlichen Hals umzudrehen. Er schaffte es kaum, ihn zu kontrollieren.

Glücklicherweise erschien Zakhar neben ihm. „Zwei sind tot. Einer ist bewusstlos.“ Er sah den Mann an, den Borscht festhielt. „Wird dieser auch bald tot sein?“

Stattdessen beugte sich Borscht vor und knurrte: „Du lügst, Eindringling. Ich werde herausfinden, warum.“ Er lockerte seinen Griff und nickte Zakhar zu. „Nimm ihn. Ich werde nach dem Ortungsgerät suchen. Sie sind hinter einem Flughund her. Ich will ihn finden.“

Kapitel 2

Sekani schaute durch die Blätter zu den Fremden. Sie rochen merkwürdig. Nun, die meisten von ihnen jedenfalls. Einer von ihnen roch wirklich gut. Er hatte sich dabei ertappt, wie er näher heranflatterte, bevor er überhaupt wusste, was er tat.

Er hatte angehalten, als er die Jäger hörte.

Zu seiner Überraschung hatte Sekani beobachtet, wie die Fremden die vier Männer, die ihn jagten, leicht entwaffneten und ausschalteten. Mindestens einer von ihnen war tot. Sekani roch den Gestank des Todes, der jetzt die Gegend durchzog.

Sekani war sich nicht sicher, was er tun sollte. Seine Instinkte waren widersprüchlich. Obwohl er sich dem größten Fremden nähern wollte – sein Geruch war seltsamerweise verlockend –, hielt er das nicht für weise.

Einer der Jäger war noch wach. Was, wenn er dem großen Mann von ihm erzählte? Was, wenn der große Mann dem Jäger helfen würde?

Während Sekani zusah, knurrte der große Mann den Jäger an, den er entwaffnet hatte. Er schob ihn zu dem anderen Mann, der schnell die Arme des Jägers hinter seinem Rücken festhielt und seine Handgelenke mit etwas zusammenband. Der große Mann stieg mit gesenktem Kopf den Hügel hinauf und schien nach etwas Ausschau zu halten.

Sekanis Herz setzte in seinem Brustkorb einen Schlag aus, als er sah, wie der große Mann das quadratische Gerät aufhob, das der Jäger in den Händen gehalten hatte. Er drehte sich um und sah sich im Wald um, versuchte zu entscheiden, in welche Richtung er fliegen sollte. Als er den großen Mann etwas in einer Sprache bellen hörte, die er nicht erkannte, hielt er inne und hörte zu.

Sekani erkannte die Worte nicht und konnte nicht sagen, warum er innehielt. Zu hören, wie der Mann redete, stellte komische Dinge mit ihm an. Es ließ ihn auf eine Weise kribbeln, die er noch nie erlebt hatte.

Anstatt wegzufliegen, wie er es sicherlich sollte, kroch Sekani an dem Ast entlang. Er rutschte näher an den großen Mann heran, breitete seine Flügel aus und huschte noch näher, in einen anderen Baum. Irgendetwas an dem Geruch des Mannes roch einfach … richtig. Er mochte es sehr.

Sekani sah zu, wie der große Mann seine Hand an sein Ohr hob und dann wieder auf diese lustige Weise sprach. Er klopfte auf das Gerät, berührte dann wieder sein Ohr und sprach. Nach einer Sekunde blickte er sich in der Gegend um.

Zu Sekanis Überraschung flatterten die Nasenlöcher des großen Mannes und er schnupperte in der Luft. Dann legte der Mann den Kopf zurück und schaute in die Bäume. Sekani konnte nicht aufhören, ihn anzustarren, selbst in seiner Flughundform. Die Augen des Mannes schienen im Mondlicht rot zu leuchten.

Sekani hatte so etwas noch nie gesehen.

Der Mann warf das Gerät zu Boden und legte den Kopf schief. Er kniff die rot aussehenden Augen zusammen. Als ein anderer Mann etwas in dieser seltsamen Sprache sagte, winkte der Mann ihm mit der Hand zu. Er konzentrierte sich auf den Baum, in dem Sekani sich versteckte, und sagte etwas in dieser lustigen Sprache.

Es klang trotz all der harten Konsonanten lockend und nett.

Sekani kroch näher.

Der Blick des Mannes schien ihn festzuhalten. Der Schein seiner roten Augen verschwand, als er sich auf Sekani konzentrierte, und er lächelte. Er streckte die Hand aus und hielt die Handfläche nach oben. Wieder redete er leise in dieser Sprache, die Sekani nicht verstand, die er aber mit Sicherheit gern von diesem Mann hörte, und sah zu, wie der Fremde ein wenig mit den Fingern wackelte, um ihn einzuladen, sich zu nähern.

Sekani hatte noch nie über seine Instinkte nachgedacht – schließlich konnte er sich nicht an eine Zeit erinnern, in der er nicht in einem Käfig gelebt hatte –, aber alles in seinem winzigen Flughundkörper drängte ihn, zu dem Mann zu gehen.

Genau das tat Sekani, er breitete seine Flügel aus und flatterte zu dem Mann. Er landete auf seinem Oberarm und packte den glatten schwarzen Stoff fest mit seinen winzigen Krallen. Er erstarrte, als er den überraschten Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes sah.

Verdammt. Was habe ich gerade gemacht?

Dann wurden die bärtigen Gesichtszüge des Mannes weich, und er lächelte wieder. Er hob langsam seine Hand und berührte sanft Sekanis Wolle. Wieder murmelte er einige unbekannte Worte.

Sekani tschilpte leise und sagte dem Mann, dass er ihn nicht verstand.

Der Fremde lachte nur leise und streichelte seinen Flügel. Die Finger glitten ganz sanft über Sekanis empfindlichen Körper. Die leichte Berührung des Mannes stand im Widerspruch zu seiner gewaltigen Größe.

Als sich ein anderer Mann näherte und in dieser rauen Sprache etwas zu dem Objekt von Sekanis Verliebtheit sagte, spannte Sekani sich an. Er flatterte um den Hals des Mannes, benutzte die Jacke des Fremden, um sich abzustützen, und schmiegte sich dicht an seinen Hals.

Der Mann knurrte den anderen an, der die Brauen offensichtlich überrascht hochzog. Dann begann sein neuer Freund Befehle zu bellen und deutete auf die Jäger, die sie ausgeschaltet hatten. Schließlich hob er die Hand und umfasste sanft Sekanis Körper. Anstatt ihn wegzuziehen, ermutigte er ihn, über seine Schulter, seine Brust hinab und unter seinen Mantel zu klettern.

Nach ein paar weiteren zärtlichen Worten fing der Mann an zu rennen.

Sekani klammerte sich an den Mann. Er konnte sich nicht erinnern, jemals jemanden gesehen zu haben, der sich so schnell bewegte! Die Bäume rasten mit schockierender Geschwindigkeit an ihm vorbei … fast so, als ob sie auf dem Boden fliegen würden.

Nach einer Weile, Sekani wusste nicht, wie lange es dauerte, fühlte er den Mann langsamer werden. Er schaute durch die Öffnung des Mantels und spannte sich an. Sie standen an der Tür eines Gebäudes. Das Gebäude selbst schien nicht so zu sein wie die, in denen man ihn gefangen gehalten hatte, aber dennoch entschlüpfte ihm vor Angst ein besorgter kleiner Laut.

Der Mann beruhigte ihn sanft. Er schob die linke Hand in seine Jacke und streichelte Sekani, während er mit seiner rechten eine Tür aufschloss und aufstieß. Seine Chance zu fliehen war dahin, als der Mann, der ihn hielt, den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss.

Eine Frau erschien und sprach schnell. Der andere Mann antwortete schroff und ging an ihr vorbei. Er ging durch den Raum, stieg eine Treppe hinauf und betrat einen weiteren Raum.

Schließlich griff der Mann in die Jacke und umfasste erneut Sekanis Körper.

Sekani quietschte, als er aus seinem Unterschlupf gezogen wurde.

* * * *

Borscht zog das winzige Fledertier so sanft wie möglich unter seiner Jacke hervor. Er konnte nicht glauben, was er vermutete. Dieser winzige Flughundwandler könnte sehr gut sein Geliebter sein.

Borscht hielt das kleine Wesen in den Händen und ließ sich auf das Bett im Gästezimmer sinken, in das er den Wandler gebracht hatte. Er konnte die Angst des kleinen Tieres spüren, aber er wusste nicht, wie er sie lindern sollte. Borscht war sich nicht einmal sicher, wie viel der Flughundwandler verstand.

Borscht hatte die letzten Jahrzehnte auf dem Land gelebt und erkannte diese Flughundart nicht. Er glaubte jedenfalls nicht, dass er eine Krankheit hatte. Er wirkte und roch gesund.

„Ruhig, Kleiner“, murmelte Borscht, als er den kleinen Flughund auf seinem Schoß hielt. „Du kannst dich hier in Sicherheit verwandeln. Niemand wird dir hier etwas antun“, versprach er.

Auch wenn sich der Flughund beruhigte, verwandelte er sich nicht. Stattdessen sah das Tier sich mit seinen tiefgrünen, geweiteten Augen im Raum um. Es bewegte seine Flügel ein, zwei Mal, verließ aber Borschts Schoß nicht.

„Ich musste es sehen, um es zu glauben“, stellte Vadim fest und machte auf sich aufmerksam, als er in der Tür stand. Seine Arme waren gespreizt und er stützte sich gegen beide Seiten des Türrahmens, als er Borscht breit angrinste. „Nikita hat gesagt, du hast eine Fledermaus mit nach Hause gebracht, aber zu sehen, wie du sie hältst?“ Er lachte. „Was ist da draußen passiert? Hast du einen Schlag auf den Kopf bekommen, als ich nicht hingeschaut habe?“

Borscht starrte seinen Bruder warnend an, als er spürte, wie sich die kleine Kreatur anspannte und näher an seine Beine drängte. „Mach dir keine Sorgen, Kleiner“, grollte er. „Dieser Esel wird dir nicht weh tun.“

Er sah, wie Vadims Augen sich weiteten, bevor er seinen Blick von seinem Bruder abwandte und sich wieder auf den Flughund konzentrierte. Er dachte, das kleine Wesen würde vielleicht noch ein bisschen mehr Ermutigung brauchen, schließlich war es gejagt worden, und jetzt befand es sich an einem fremden Ort. Also fügte er hinzu: „Das ist mein Bruder, Vadim. Die anderen, die hier leben, sind meine Geschwister. Ich bin der Zirkelmeister, Borscht Kuznetsov. Du stehst jetzt so lange unter meinem Schutz, wie du ihn brauchst“, versprach er.

Als Borscht sprach, erkannte er, dass es verdammt schnell kompliziert werden könnte, wenn sich dieses kleine Wesen als sein Geliebter entpuppte. Wenn Menschen hinter ihm her waren, könnte er mehr als nur die Hilfe seiner Familie brauchen, um ihn zu beschützen. Er war sich auch nicht sicher, ob er ihre Unterstützung bekommen würde. Jedenfalls nicht von allen.

Borscht erinnerte sich an Alekseis Reaktion, als ihr jüngster Bruder Tullion enthüllte, dass er einen männlichen Geliebten hatte. Aleksei hatte sich als bigottes Arschloch entpuppt. Vadim war überrascht gewesen, aber er schien es akzeptiert zu haben. Zakhar hatte Tullions Einzigen, Toby, wohlwollend in ihrer Familie willkommen geheißen. Die anderen hatten ihre Meinung für sich behalten.

„Bist du sicher, dass er ein Wandler ist?“, fragte Vadim und schritt langsam näher. „Hätte er sich nicht inzwischen verwandelt, wenn er es wäre?“ Dann grinste er. „Und woher weißt du überhaupt, dass das da ein Er ist?“

Borscht blickte seinen Bruder finster an und strich mit den Fingerspitzen über die Wirbelsäule des Flughundes. Er erkannte am Geruch des Wandlers, dass die kleine Kreatur seine Berührung entspannend fand. Der moschusartige Duft von Wohlgefallen kitzelte seine Sinne. Dass der Wandler seine Berührung so sehr genoss, war ein starkes Zeichen dafür, dass seine Vermutung richtig war.

„Sein Geruch hat eine moschusartige Note, die eindeutig männlich ist“, sagte Borscht zu Vadim. „Und kannst du dir vorstellen, dass irgendein Fledertier, das kein Wandler ist, zu mir kommt?“, fragte er trocken.

Vadim nickte langsam und runzelte die Stirn. „Nun, er scheint dich zu mögen“, überlegte er. Er legte den Kopf schief und sagte: „Ich frage mich, wo er herkommt. Er sieht nicht wie die Fledermäuse aus, die wir hier haben.“

„Ich habe das Gleiche gedacht“, gab Borscht zu. Er konzentrierte sich auf das Wesen, das sich auf seinem Schoß zusammengerollt hatte. Als er den Ausdruck bemerkte, der von Zufriedenheit sprach, dachte er, dass der Wandler, wenn er eine Katze gewesen wäre, geschnurrt hätte. „Ich weiß es nicht. Der Jäger sagte, er ist ein Flughund. Ich glaube, ich rufe Tullion an. Er lebt jetzt mit Wandlern zusammen.“ Er konzentrierte sich auf Vadim und beobachtete seinen Gesichtsausdruck genau. „Ich wette, sie können uns einen Hinweis geben, warum er sich nicht verwandelt.“

Vadim nickte einmal. „Ich hätte nie gedacht, dass wir mal Hilfe von Wandlern brauchen würden“, grummelte der große Vampir.

„Die Zeiten ändern sich, Bruder“, warnte Borscht.

Da“, antwortete Vadim schroff. „Das heißt aber noch nicht, dass ich mich damit wohl fühle.“

Borscht nickte. „Ich muss mit Tullion sprechen“, sagte er und starrte den Flughund an. Obwohl er es nicht mochte, den Wandler allein zu lassen, wollte er ihn nicht im selben Raum wie den menschlichen Jäger haben. „Und ich muss mit den anderen reden.“ Er ließ den kleinen Wandler von seinem Schoß auf die Matratze sinken.

Der Flughund tschilpte, und eine Reihe von hohen Quietschlauten, Zwitschern und Grunzen entkam ihm, als er auf Borscht zukroch. Er hielt inne, als Borscht aufstand und eine Hand hob.

„Dort entlang ist ein Bad“, sagte Borscht und trat mehrere Schritte zurück, so dass er die Hand ausstrecken und die Tür zum angrenzenden Badezimmer weiter öffnen konnte, ohne sich von dem Flughund abzuwenden. „Entspann dich einfach hier. Ich werde gleich etwas zu essen raufbringen“, fügte er hinzu und versuchte sich zu erinnern, was sie an möglicher Nahrung für das kleine Tier im Haus hatten. Ihm wurde klar, dass er Zakhar fragen musste, der sich um den Großteil des Lebensmitteleinkaufs und des Kochens kümmerte.

Der Flughund tschilpte und kletterte auf das Bettgestell. Er sah zu Borscht und dann zum Badezimmer.

„Ich kann dich nicht verstehen, Kleiner“, murmelte Borscht und ging auf die Tür zum Flur zu. Dort hielt er inne, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und kratzte sich an der Kopfhaut. „Ich weiß nicht, ob ich die Tür offenlassen soll, damit du dich nicht gefangen fühlst, oder sie schließen, damit du dich sicherer fühlst.“

Am Ende beschloss Borscht, sie gerade so weit offen zu lassen, dass der Flughund hindurchschlüpfen konnte, wenn er es wollte. Er wollte das tun, was für den Wandler am besten war, und nahm an, dass er sich nicht gefangen fühlen wollte. Hoffentlich würde sich die kleine Kreatur wohl genug fühlen, um sich zu verwandeln, dann könnten sie kommunizieren.

„Komm schon, Vadim“, drängte Borscht. „Wir haben Dinge zu erledigen.“

„Du lässt ihn einfach da drin?“

Borscht zuckte die Achseln. „Was kann ich sonst tun? Ich brauche mehr Informationen, und ich will ihn nicht bei einem Verhör dabeihaben.“

Vadim trat neben ihn und sah sich um. „Willst du, dass ich ein Auge auf ihn halte?“

Nyet“, antwortete Borscht verneinend. „Ich möchte, dass du die Nummernschilder der SUVs überprüfst, die auf dem Forstweg geparkt sind.“ Er sah seinen Bruder an und hob eine Braue. „Kannst du ein Bild bekommen, das klar genug ist, um die Zahlen zu sehen?“

„Schon erledigt“, antwortete Vadim und grinste breit. „Sie gehören einer Sicherheitsfirma, von der ich noch nie gehört habe. Ich habe unser System so eingerichtet, dass es sich derzeit in die Datenbank hackt.“

Borscht lachte. „Kannst du das auch machen, wenn du nicht mal im Raum bist?“

Vadim grinste. „Es ist ein Programm, das ich geschrieben habe. Wenn es nicht funktioniert, werde ich das Programm neu schreiben und es erneut versuchen.“

„Ich verstehe kein Wort davon“, grummelte Borscht. „Ich werde Tullion anrufen und dann sehen, ob unsere neuen Gäste uns aufklären möchten.“

Nach etwa einer Stunde hatte Borscht weder von seinem Bruder noch von dem Menschen, der bei Bewusstsein war, viel erfahren. Tullion hatte ihm versichert, dass er sich mit Declan McIntire in Verbindung setzen würde. Declan war der Alpha-Wolf des Territoriums, in dem Tullion lebte. Sein Bruder hatte von dem Mann eine Sondergenehmigung erhalten, da er als Vampir mit einem Menschen verbunden war, der Ehrenmitglied des Wolfswandler-Rudels war. Tullion versprach, sich so bald wie möglich bei ihm zu melden.

Ihr menschlicher Gefangener hingegen wiederholte immer wieder, dass der Flughund krank und wild sei und zur Behandlung eingefangen werden müsse. Selbst nachdem Aleksei ihn ein paar Mal geschlagen und Nikolai ihm mehrere Finger gebrochen hatte, war die einzige zusätzliche Information, die der Mensch – mit einer schlecht akzentuierten, schmerzerfüllten Stimme gesprochen – ihnen gegeben hatte, dass Doktor LeReux den Transfer von einer anderen Einrichtung genehmigt hatte. Offensichtlich hatten sie an diesem Morgen einen Transfer mit mehreren Wandlern von einer anderen Einrichtung bekommen und dabei einen verloren.

„Glaubst du, du kannst ihn dazu bringen, uns zu sagen, wo diese Einrichtungen sind?“, fragte Borscht Nikolai.

Nikolais Augen verengten sich, und er stieß einen langsamen Atemzug aus. „Ich kann ihn brechen“, antwortete er kalt, und ein Grinsen umspielte seine dünnen Lippen. „Dieser Kerl ist weich. Gib mir vielleicht ein oder zwei Stunden.“

Als zweiter Sohn galt Nikolai als Stellvertreter des Zirkels. Es war jedoch bereits früh in seinem Leben festgestellt worden, dass Nikolais Auge um Auge und Erst in Stücke schneiden und später Fragen stellen-Einstellung es unmöglich machte, die Familie auf einem geraden Weg zu führen. Normalerweise war Aleksei derjenige, der nach Anweisungen gefragt wurde, wenn Borscht nicht in der Nähe war. Nikolai hatte jedoch kein Problem damit, sozusagen die … Drecksarbeit der Familie zu erledigen.

Borscht nickte ruckend. „Und der andere?“

Nikolai zuckte die Achseln und sagte: „Aleksei hat ihn ziemlich heftig auf den Kopf geschlagen. Der Mann ist immer noch ausgeknockt.“ Er grinste, und der Ausdruck auf dem Gesicht seines Bruders war etwas gruselig. „Wenn er aufwacht, unterhalte ich mich auch mit ihm.“

„Ich werde dem Flughund etwas zu essen bringen“, sagte Borscht und verstand genau, wie sein Bruder sich mit dem Gefangenen unterhalten würde. Er wusste, dass es notwendig war – und nicht nur für die Sicherheit des Flughundwandlers. Seine Familie schien in etwas Düsteres hineingestolpert zu sein. „Dann gehe ich in mein Büro, um ein paar Anrufe zu tätigen.“

Nikolai legte eine Hand auf seinen Arm und zog die volle Aufmerksamkeit von Borscht auf sich. Er hob fragend eine Braue und begegnete dem nachdenklichen Blick seines Bruders.

„Ich habe gehört, dass der Wandler sich nicht verwandelt“, kommentierte Nikolai.

Da“, bestätigte Borscht. „Ich warte auf Tullions Rückruf, um zu sehen, ob die Wandler, die wir vor ein paar Monaten trafen, diesbezüglich einen Rat haben.“

Nikolai summte. „Weißt du, der Akzent dieses Mannes ist stark. Russisch ist nicht seine Muttersprache“, sagte er und wies auf etwas hin, über das Borscht auch nachgedacht hatte. „Was ist, wenn der Wandler nur die Muttersprache dieses Mannes kennt?“

Borschts Brauen zogen sich zusammen. „Du glaubst nicht, dass er Russisch versteht?“

Nikolai zuckte die Achseln, ließ seine Schulter los und wandte sich wieder dem Verhörraum zu. „Nur so ein Gedanke.“

„Ich werde sehen, ob ich dann in einer anderen Sprache eine bessere Antwort bekomme“, sagte Borscht, und teilte seinem Bruder auf seine Weise mit, dass er den Hinweis schätzte. „Viel Glück mit diesem dummen Mann.“

Nikolais grollendes Lachen verstummte, als er die Tür hinter sich schloss.

Borscht eilte in die Küche.

Zakhar sah von den Eiern auf, die er gerade hackte. „Hey“, grüßte er. „Läuft das Verhör gut?“

„Wir haben erfahren, dass es mehr als eine Einrichtung gibt, die Wandler gefangen hält“, sagte Borscht. Er hob einen Apfel auf und fragte sich, ob der Flughund den mögen würde. „Nikolai wird die Orte aus dem Mann herausbekommen, wenn der sie kennt.“

„Richtig. Das kann er gut“, stimmte Zakhar zu. Er zeigte auf den Kühlschrank und sagte: „Ich habe deinen neuen Freund online recherchiert. Er ist ein Nilflughund. Ich habe ein paar der Früchte aufgeschnitten, von denen die Website sagt, dass er sie gerne isst. Sie stehen in einer Schüssel im Kühlschrank.“

Borscht öffnete den Kühlschrank. Er entdeckte eine Schüssel mit aufgeschnittenen Erdbeeren, Pfirsichen und Nektarinen und zog sie heraus. Es sah köstlich aus und er konnte nicht widerstehen, sich eine Scheibe Pfirsich in den Mund zu stecken.

Vor Anerkennung summend nickte Borscht seinem Bruder zu und schluckte. „Danke“, rief er, als er die Küche verließ und nach oben ging.

Als er sah, dass die Tür immer noch leicht geöffnet war, betrat er den Raum. „Hey, Kleiner?“, rief er leise.

Als er das Bett leer sah, blickte er durch den Raum. Da er den kleinen Wandler nicht sofort entdeckte, schaute sich Borscht noch einmal um und sah diesmal auch an den Möbeln hinauf. Er legte auch den Kopf schief und atmete tief ein.

Borscht trat einen Schritt zurück und schnüffelte erneut. „Verdammt“, grummelte er. „Wohin könnte er gegangen sein?“

„Alles in Ordnung?“, fragte Natalia. Ihre Stimme kam von hinten. „Was ist los?“

„Der Flughund ist auf Wanderschaft gegangen“, verriet Borscht. „Ich muss ihn finden.“

„Er kann nicht weit gekommen sein“, überlegte seine Schwester. „Ich werde dir bei der Suche helfen.“

Kapitel 3

Sobald die Männer gegangen waren, flatterte Sekani vom Bett und krabbelte zur Tür. Er überlegte, sich in seine menschliche Form zu verwandeln, aber es dauerte so lange, bis er sich verwandelte – vom Flughund zum Mensch und wieder zurück würde er einige Minuten brauchen –, dass er befürchtete, erwischt zu werden. Wenn die netten Menschen entdeckten, dass er sich verwandelte, würden sie ihn sicherlich schlagen oder rausschmeißen oder ihn vielleicht sogar den Jägern überlassen. Er wusste, dass mindestens einer von ihnen noch am Leben gewesen war, als der gut riechende Fremde ihn zu diesem Ort getragen und ihn in dieses Zimmer gebracht hatte.

Sekani wünschte wirklich, der Mann wäre nicht gegangen. Er wäre glücklich, den Rest seines Lebens in seiner Flughundform zu verbringen, wenn er sich an die Schulter des großen Mannes kuscheln könnte. Etwas an ihm zog ihn an.

Trotzdem war der Mann gegangen.

Sekani nahm an, dass der große Mann etwas zu tun hatte, und beschloss, ein wenig herumzukriechen. Die Tür war offengelassen worden, das bedeutete also, dass er kein Gefangener war. Sekani unterdrückte ein Schaudern bei dem Gedanken. Er wollte nie wieder in einem Käfig sein.

Sekani legte den Kopf schief und betrachtete den Flur. Unter seinen Krallen und Flügeln befand sich ein üppiger Teppich, weich und dick. An den Wänden hingen hübsche Bilder, die wunderschöne Landschaften und atemberaubende Wellen zeigten. Die Jagdbilder, auf denen Pferde über Zäune sprangen und Hunde einen Fuchs jagten, ließen Sekani schaudern.

Er wusste nur zu gut, wie sich dieser Fuchs fühlte.

Sekani kroch den Flur entlang, schnüffelte an den Türen und steckte den Kopf in Zimmer, wenn sie geöffnet waren. Er folgte seiner Nase und ging dorthin, wo der Geruch des Fremden am stärksten war. Er nahm an, dass dies sein Zimmer sein musste, und das war der Ort, wo er sein wollte … um sich ihm näher zu fühlen, während er weg war.

Sekani kam zu einer geschlossenen Tür. Er schnüffelte am Boden herum und rieb sich am Teppich. Er genoss, wie intensiv der Geruch dort im Teppich war, seufzte und ließ sich für ein paar Sekunden dort nieder.

Als Sekani endlich den Flur verlassen wollte, schaute er zur Türklinke. Er wollte unbedingt in dieses Zimmer. Der gut riechende Mann musste es häufig aufsuchen, vielleicht würde er sogar bald wiederkommen.

Nach so vielen Jahren an einem sterilen, mit Bleichmitteln getränkten Ort wollte Sekani den Geruch einfach so lange genießen, wie er konnte.

Sekani grub seine Krallen in den Rahmen um die Tür. Er ließ seine winzigen Krallen in das weiche Holz sinken und kletterte auf den Griff zu. Als er dort ankam, betrachtete er das lange, gebogene schwarze Metallstück. Er sprang und landete am Ende, drückte es mit seinem geringen Gewicht nach unten.

Als Sekani zurück auf den Teppich fiel, hörte er ein Klicken. Nachdem er sich geschüttelt hatte, stellte er fest, dass die Tür nicht mehr verschlossen war. Er legte seine Schulter dagegen und grub seine Krallen in den Teppich. Er schob und zappelte und schaffte es, die Tür weit genug zu öffnen, dass er hindurchschlüpfen konnte.

Sekani schnappte nach Luft, als er entdeckte, dass die Wände links und rechts von ihm von oben bis unten mit Bücherregalen bedeckt waren. Einer der Assistenten des Wissenschaftlers hatte angefangen, ihm das Lesen beizubringen, aber das war schon Jahre her. Der Assistent hatte nicht lange dort gearbeitet. Sekani hatte Zweifel, dass er sich an viel erinnern würde, aber allein der Gedanke, sich vor dem Feuer zusammenzurollen, das die Regale auf der rechten Seite unterbrach, war fantastisch. Als er die beiden großen Sessel erblickte, die davor standen, konnte er sich vorstellen, wie sein Mensch dort mit einem Buch saß, und er würde es sich auf dem Schoß oder der Schulter seines Menschen bequem machen.

Er seufzte. Das war Wunschdenken.

Wenn der Mensch von Sekanis Fähigkeit erfuhr, sowohl Mensch als auch Tier zu sein, würde er bestenfalls rausgeworfen werden und im schlimmsten Fall getötet, weil er ein Monster war.

Trotzdem hinderte das Sekani nicht daran, den Raum zu durchqueren, um zu der Wand mit den Fenstern auf der anderen Seite zu gelangen. Er kletterte auf die Fensterbank und schaute zum Abendhimmel hinaus. Die Sterne zwinkerten ihm zu und er verspürte den Wunsch, das Fenster zu öffnen und zwischen ihnen zu spielen.

Stattdessen stieg Sekani wieder hinunter und stellte fest, dass der menschliche Geruch auf dem Stuhl mit den Rädern hinter dem Schreibtisch am stärksten konzentriert war. Er stieg hinein. Nachdem er sich auf dem gepolsterten Sitz herumgedreht und seine Wolle mit dem Geruch des Menschen überzogen hatte, rollte er sich zusammen.

Nach stundenlangem Herumhüpfen in einem Käfig und der gelungenen Flucht in fremde Wälder übermannte der Schlaf Sekani rasch.

Als Sekani eine tiefe Stimme hörte, die in der Nähe sprach, zuckte er zusammen. Er hob den Kopf, blinzelte schnell und sah sich um ihn. Als er den großen Mann erblickte, der auf ihn herab lächelte, kehrten die Erinnerungen rasend schnell zurück … sediert und in einen Lastwagen geladen zu werden, das Aufwachen in einem winzigen Käfig, der aus dem Regal rutschte und gegen einen anderen Käfig knallte, wobei sich die Tür öffnete. Sekani hatte seine Chance ergriffen und war geflohen, aber er fühlte sich schlecht, weil er die anderen zurückgelassen hatte.

Als der Mann noch etwas sagte, hob Sekani den Kopf und starrte zu ihm auf. Er tschilpte leise, dann rieb er seinen Kopf wieder an dem Sitz und versuchte auszudrücken, wie sehr er den Geruch des Mannes auf dem Stuhl mochte. Er rollte sich auf den Rücken und rieb sich noch mehr.

Der Mann sprach erneut, aber Sekani verstand ihn immer noch nicht. Er sah sich im Raum um und fragte sich, ob es eine andere Möglichkeit gab, mit dem Mann zu kommunizieren.

„Verstehst du mich jetzt, Kleiner?“

Sekani drehte den Kopf herum und konzentrierte sich auf den Mann. Seine Augen wurden groß, als er realisierte, dass er das verstand. Er rollte sich auf seine Krallenfüße, stützte die Daumenkrallen seiner Flügel auf die Armlehne des Stuhls und legte den Kopf schief.

Die Frau neben dem Mann sagte etwas, und der Mann warf ihr einen Blick zu. Dann konzentrierte er sich wieder auf Sekani. Er lächelte, ging um den Schreibtisch herum und hockte sich neben den Stuhl.

„Ich bin Borscht Kuznetsov“, schnurrte der große Mann. „Du bist in meinem Haus in Sicherheit, Kleiner.“ Er streckte die Hand aus und streichelte sanft Sekanis Kopf. „Wirst du dich in deine menschliche Form verwandeln, damit wir reden können?“

Sekani starrte ihn an. Er konnte nicht anders, selbst in seiner Flughundform. Dieser Mann wusste, dass er sich in einen Menschen verwandeln konnte? Instinktiv krabbelte er rückwärts. Sekani stieß gegen die andere Armlehne des Stuhls und kippte darüber. Quietschend fiel er vom Stuhl.

„Langsam, Kleiner“, sagte Borscht beruhigend und fing ihn auf. Er hielt ihn vorsichtig in den Händen, als er sich auf den Boden kniete. „Du bist in Sicherheit, kleiner Wandler. Sicher. Beruhige dich.“

Als Borscht sanft mit den Daumen über Sekanis Körper rieb, ließ sein Zittern nach. Dieser Mann wusste von seiner Fähigkeit, sich zu verwandeln? Er fand das in Ordnung? Sekani wusste nicht, warum, aber irgendwie glaubte er ihm.

Sekani machte einen Sprung des Glaubens, rollte sich von den Händen des Mannes und fiel ein paar Zentimeter auf den Teppichboden. Er lag auf dem Bauch und begann sich zu verwandeln. Sein Körper wuchs. Seine Wolle ging zurück. Seine Flügel wurden zu Armen und seine Beine streckten sich. Sein Gesicht veränderte sich und nahm eine neue Form an. Dabei knackten seine Sehnen, seine Knochen knirschten und sein Körper fühlte sich an, als würde er sich seltsam verziehen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ruhte Sekani auf Händen und Knien. Er fühlte den dicken Teppich unter seinen Handflächen und Schienbeinen. Der berauschende Geruch des Mannes war immer noch in der Nähe, wenn auch etwas abgeschwächt. Schließlich registrierte Sekani die große Hand auf seinem Rücken, die sanft auf und ab rieb.

„Na also, Kleiner“, brummte Borscht, der neben ihm kniete. „Jetzt können wir sprechen. Wir haben viel zu besprechen.“

„W-wie ist …“ Sekani hielt inne und schluckte schwer. Er drehte den Kopf und sah den großen Mann an. „Woher wusstest du das?“

Borscht lächelte ihn an. Mit seiner freien Hand strich er Sekani sanft die dicken dunklen Haarsträhnen aus den Augen. „Woher wusste ich, dass du ein Wandler bist?“

Sekani dachte einen Moment darüber nach. Ein Wandler. Okay. Dieser Begriff schien zu passen. Er nickte.

Grinsend zeigte Borscht seine ungewöhnlich spitzen Eckzähne. „Ich bin ein Vampir, Kleiner. Ich kann den Unterschied zwischen einem Menschen und einem Wandler riechen.“

„Vampir?“ Sekani wiederholte das Wort. „Ich … ich verstehe nicht“, gab er zu. „Was ist das? Ist das ein Monster wie ich?“

Borschts Brauen schossen hoch. „Monster?“ Seine Stimme senkte sich zu einem tiefen Knurren. „Wer hat dich ein Monster genannt?“

Sekani zuckte bei seinem Ton zusammen und rollte sich auf seinen Hintern. Er zog die Knie an die Brust und schlang die Arme um die Beine. Er sah Borscht durch die Wimpern an und sagte zu ihm: „Meistens die Wachen. Aber die Männer, die Tests machten, sagten nie etwas anderes.“ Er zuckte die Achseln und grub seine Zehen nervös in den Teppich. „Ich verwandle mich in ein Tier. Sie tun es nicht. Ich bin ein Monster.“

Borscht griff nach ihm und packte ihn sanft an der Schulter. Er schlang seine andere große Hand um seine Hüfte und zog ihn zu sich heran.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739473307
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
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Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Borschts flatternder Geliebter