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Krallen, Keilereien und ein Kürbisfeld

von Charlie Richards (Autor:in)
135 Seiten
Reihe: Die Wölfe von Stone Ridge, Band 31

Zusammenfassung

Aus dem Käfig: Ein Bär von einem Mann betritt eine Bar … und begegnet seinem schlanken, glattrasierten Gegenteil. Es könnte Liebe auf den ersten Blick sein … oder auch nicht. Hessian Roshburg, Hess für die wenigen, die er Freunde nennt, liebt Bier, Kneipenschlägereien und sich an Orte zu begeben, an denen er nicht sein sollte. Er schlendert auch gerne durch den Wald – natürlich in Kodiak-Bärenform – und kratzt sich an den Bäumen. Nachdem er seinem Freund Dillan eine gestohlene Akte übergeben hat, lässt er sich auf eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ein. Er besucht eine Schwulenbar, um ein paar Bierchen zu trinken und ein bisschen zu tanzen. Er ist überrascht, als er buchstäblich mit seinem Gefährten zusammenstößt. Der ist ausgerechnet ein geradliniger Rabenwandler namens Gilbert und hat einen Stock im Hintern. Hess kann es kaum erwarten, den Mann ein wenig aus der Fassung zu bringen. Um herauszufinden, was den anderen Wandler zum Ticken bringt, gräbt er ein wenig zu tief und deckt ein paar Geheimnisse auf, die er nicht hätte aufdecken sollen. Damit gefährdet er nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das der anderen in Gilberts Schwarm. Kann Hess seinen Fehler korrigieren, seine guten Absichten beweisen und seinen Gefährten und seine Freunde beschützen … alles zur gleichen Zeit? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Um die gesamte Handlung sowie die Geschichte aller Figuren zu erfahren, empfiehlt es sich, alle Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen. Länge: rund 33.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Hessian Hess Roshburg tappte durch den Wald. Als er einen kräftig aussehenden Baum entdeckte, drehte er ihm den Rücken zu und drückte sich dagegen. Er stieß ein leises, fröhliches Brummen aus, als er sich kräftig dagegen drückte und durch das dicke Fell auf seinem Rücken kratzte.

Nichts ist besser als eine ausgiebige Runde Rückenkratzen.

Als Kodiakbär war Hess ein Einzelgänger. Normalerweise passte ihm das sehr gut. Manchmal wünschte er sich jedoch, er hätte einen Kumpel, einen mit Krallen, der das für ihn tun könnte. Er dachte an Dillan Shoreman, in gewisser Weise sein Kumpel. Als Pumawandler hatte der Mann Krallen. Hess fragte sich, ob er damit einverstanden sein würde, ihm den Rücken zu kratzen.

Vielleicht frage ich ihn einfach mal.

Immerhin war Hess auf dem Weg zu dem Wandler. Vor ungefähr achtzig Jahren, in einem anderen Leben – zumindest nach menschlichen Maßstäben – war Hess als Hessian Barker bekannt gewesen und dem Militär beigetreten. Dort hatte er Dillan getroffen, der auch einen anderen Namen hatte – Dillan Withers.

Beide waren Wandler, normalerweise Einzelgänger, und sie hatten weniger eine Freundschaft gehabt, sondern eher eine Vereinbarung. Wenn sie Urlaub hatten, zogen sie zusammen los. Es war ein Novum für Hess gewesen, einen anderen Wandler bei Kneipenschlägereien hinter sich zu haben, und eines Nachts in Tucson, Arizona, war er ein bisschen zu wild geworden. Er war im Gefängnis gelandet, und Dillan hatte ihn rausgeholt. Danach hatten sie beide ihren Namen geändert und waren getrennte Wege gegangen, obwohl sie beide ein Auge aufeinander behalten hatten und sich von Zeit zu Zeit austauschten.

Hess entfernte sich von dem Baum und wanderte weiter. Seine großen Tatzen machten es ihm leicht, durch das steile, von Kiefern durchsetzte Gelände zu navigieren. Hin und wieder sah er den blauen Himmel über sich. Er atmete tief durch und genoss die Düfte von Kiefern, Moos und Erde.

Wunderbar. Ich kann verstehen, warum Dillan sich in dieser Gegend niedergelassen hat.

Hess wusste, dass ein weiterer Faktor, der Dillan veranlasste, sich am Rande von Stone Ridge anzusiedeln, sein menschlicher Gefährte Derek Sommers war. Derek stellte gerade die Verbindung zu seinem entfremdeten Bruder Deke wieder her. Da Deke sich mit einem örtlichen Wolfswandler verpaart hatte und Derek demzufolge mit dem Rudel verschwägert war, hatte Dillan vom Alpha die Erlaubnis erhalten, sich am Rande seines Territoriums niederzulassen.

Alpha Declan McIntire hatte in der Nachbarschaft ein ziemlich großes Rudel mit über fünfundsechzig Mitgliedern. Es gab Dutzende von verbundenen Paaren, darunter viele homosexuelle. Abgesehen von Declans Offenheit in Bezug auf die Paarungen, die seine Wölfe eingingen – verdammt, der Alpha selbst war nicht nur mit einem Mann, sondern mit einem menschlichen Mann verbunden –, galt er auch deshalb als äußerst seltsam, weil er neben Dillan auch andere Nicht-Wolfswandler in seinem Territorium duldete.

Nachdem Dillan Hess kontaktiert hatte, weil eine gewisse Akte von Dereks Vater gestohlen werden musste, hatte er ein bisschen nachgeforscht. Und das nicht nur über den Vater von Derek und Deke. Er hatte den örtlichen Alpha und seine Leute recherchiert.

Hess wanderte schließlich nicht in ein Gebiet, ohne die Gegebenheiten zu kennen.

Declans Rudel hatte mit einigem ziemlich abgefahrenen Scheiß zu tun. Der Mann hatte nicht nur zu Vampiren und Gargoyles Kontakte, sondern auch zu anderen Alphas in verschiedenen Staaten sowie zu einigen Menschen bei der CIA. Hess wusste, dass ihn einige Leute im Wandlerrat beobachteten. Mit der Schlagkraft, die der Typ hatte, brauchte es kein Genie, um herauszufinden, warum. Sie machten sich Sorgen um ihre eigene Machtposition.

Hess blieb stehen, um Kopf und Ohren an einem Baum zu scheuern, und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis Alpha Declan vom Rat zu sich bestellt wurde. Er nahm an, er sollte dem Alpha einen Tipp geben, sollte er ihm begegnen. Der Wolf würde vielleicht gar nicht auf seine Warnung hören, aber zumindest wäre sein eigenes Gewissen dann rein.

Nach einem guten Schubbern seiner Ohren tappte Hess langsam bergab. Er wusste ungefähr, wo sich Dillans Hütte mit zwei Schlafzimmern befand. Da er einen längst überfälligen Spaziergang für seinen Bären machen wollte, hatte er beschlossen, auf einer der Waldstraßen zu parken und eine Weile herumzuwandern, bevor er das Gebäude ausfindig machte. Es würde auch Spaß machen, seinen Freund zu überraschen. Er hatte den Wandler seit etwas mehr als siebzehn Jahren nicht mehr gesehen.

Als Hess sein Tempo beschleunigte und langsam dahintrabte, stellte er fest, dass er sich darauf freute, die Raubkatze wiederzusehen.

Als ein Heulen von den Bäumen widerhallte, hielt Hess inne. Das Geräusch wurde von einem zweiten Tier beantwortet, dann von einem dritten.

Hess neigte den Kopf nach oben und prüfte den Wind. Er hatte ein verdammt gutes Riechorgan, aber er konnte dennoch keinen Geruch von ihnen wahrnehmen. Er knurrte leise vor sich hin, als ihm klar wurde, dass er derjenige war, von dem aus der Wind zu ihnen wehte, und ging wieder vorwärts.

Nun gut.

Er konnte mit ein paar Wölfen klarkommen. Er würde sie wahrscheinlich nicht einmal verletzen müssen. Bei seiner Größe – ungefähr ein Meter achtzig Schulterhöhe – würde es ein Dutzend erfordern, um ihn auch nur langsamer zu machen. Einer weniger als das, zusammen mit seiner militärischen Ausbildung, und er konnte sie sie mit wenig Mühe gegen Bäume schleudern und ausknocken.

Natürlich würde ich es vorziehen, nicht auf der Verschissen-Liste eines Alpha-Wolfs zu stehen.

Als Hess eine Bewegung links von sich bemerkte, wurde ihm klar, dass er es wahrscheinlich zuerst mit Diplomatie versuchen sollte.

Verdammt. Ein guter Kampf hätte Spaß gemacht.

Stattdessen wartete Hess und sah zu. Er konnte leicht ein halbes Dutzend hundeartige Gestalten zwischen den Bäumen entdecken. Hess hatte dank seiner Bärennatur und den Jahren als Söldner viel Geduld. Zur Hölle, er musste Geduld haben, um stundenlang in einem Fluss zu stehen und Lachse zu fangen.

Mmm, Lachs. Vielleicht ist hiernach eine Reise nach Norden angebracht. Ich muss nachsehen, ob und wo gerade Lachse wandern.

Als ein großer Wolf aus den Bäumen auftauchte, gefolgt von vier weiteren, lenkte Hess seine Aufmerksamkeit wieder dorthin, wo sie sein musste. Er ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen, als er seinen Kopf neigte und offen ihre Witterung aufnahm. Die drei größeren waren männlich, und ihre Fellfarben reichten von blond über grau bis schwarz, während der durchschnittlich große kupferfarbene Wolf weiblich war. Der letzte Wandler war ein ganzes Stück kleiner als die anderen und auch weiblich. Ein hübsches kleines dunkelblondes Tier, wahrscheinlich nicht älter als ein Welpe.

Interessant. Vielleicht eine Familiengruppe, die unterwegs ist, um zu laufen?

Einer der größeren männlichen Wölfe, ein hellbrauner mit interessanten blonden Spitzen im Fell, verwandelte sich. Einige Sekunden lang hallten die Geräusche knackender Gliedmaßen und knirschender Sehnen durch die Bäume. Schließlich hockte ein durchtrainierter, blonder Mann auf dem mit Nadeln übersäten Waldboden.

Hübsch.

Die blassblauen Augen des Mannes glitten über Hess’ gewaltige Bärengestalt, als er sprach. „Du betrittst das Territorium der Wölfe von Stone Ridge, Bär. Verwandle und erkläre dich.“

Hess folgte normalerweise nicht den Anweisungen von anderen Wandlern. Deshalb hatte er seinen Bärenclan im jungen Alter von siebenundzwanzig Jahren verlassen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits stärker als sein Alpha gewesen. So jung zu sein und den anderen Mann herauszufordern, hätte seinen Clan auseinandergerissen, und das hatte er verstanden. Niemand wollte einem Jungtier folgen, also war er weggegangen und hatte sich alleine auf den Weg in die Welt gemacht.

Trotzdem, der Wolf war bereit zu reden, anstatt einfach anzugreifen. Hess respektierte das. Er setzte sich auf seinen pelzigen Hintern und verwandelte sich, was rasch und fließend geschah.

Nachdem Hess seinen Mund geformt hatte, grollte er: „Hey, hübscher Wolf. Ich bin nur auf dem Weg zu meinem Kumpel, Dillan.“ Er grinste, als er sah, wie sich die Augen des Blonden verengten. Er zwinkerte ihm zu und sagte: „Dillan ist ein süßes Kätzchen, aber du bist hübscher.“

„Komisch“, antwortete der Blonde kalt. „Dillan hat keinen Besuch von einem Außenstehenden erwähnt.“

Hess zuckte mit den Schultern. Er legte einen muskulösen Unterarm auf sein hochgezogenes Knie und hätte sich beinahe in den wunderbar duftenden Kiefernnadeln gewälzt. „Er wusste nicht, wann ich kommen würde, also dachte ich, ich würde die Miezekatze überraschen.“ Er grinste breit. „Es macht Spaß, ihn zu überraschen.“

„Darauf würde ich wetten“, antwortete der Mann. „Komm mit uns. Wir bringen dich zu ihm und prüfen, ob er bestätigt, dass du ein … Bekannter bist.“

„Meinetwegen.“

Nachdem Hess gesehen hatte, wie sich der Blonde zu verwandeln begann, tat er dasselbe. Er war in Sekunden fertig und wartete geduldig, bis der Wolf ebenfalls fertig war. Zur gleichen Zeit entdeckte er die jüngste in der Gruppe, wie sie sich um einen der Großen herumschlich. Sie schnupperte im Wind, als wollte sie ihn besser riechen.

Amüsiert über die Neugier des Welpen senkte Hess den Kopf in ihre Richtung und schnüffelte zurück. Er hätte sich näher zu ihr gebeugt und sich von ihr beschnuppern lassen, aber der graue Wolf knurrte. Er bemerkte auch, wie die größere Wölfin nach vorne sprang und sich zwischen Hess und das Junge stellte. Sie schnappte nach ihm.

Als Antwort richtete sich Hess auf, während er immer noch in den Kiefernadeln saß. Er lachte schnaufend über die Possen der Wölfe. Er stellte sich vor, wie er auf die Beine kam und nur zum Spaß in ihre Mitte sprang. Würden sie sich zerstreuen? Oder waren sie koordiniert genug, um anzugreifen?

Götter, das würde Spaß machen.

Anstatt irgendetwas davon zu tun, stand Hess auf und schlenderte in die ungefähre Richtung, in der Dillan lebte. Er ignorierte die angespannten Bewegungen seiner neuen Wegbegleiter, ihre gesenkten Ruten und angelegten Ohren. Er konnte nichts dagegen tun, wie angespannt die Welpen waren, und es war ihm auch wirklich egal.

Der Wolf, der sich verwandelt hatte, übernahm die Führung. Hess folgte ihm ohne Frage. Der schwarze Wolf flankierte seine linke Seite und der hellere Graue seine rechte. Das brünette Weibchen hielt das Junge auf gutem Abstand zu ihm.

Übervorsichtiges Weibsbild.

Wenn er einen von ihnen hätte verletzen wollen, hätte er das schon vor langer Zeit tun können. Er hätte alle fünf ihrer kleinen Hündchengestalten tot am Berghang zurücklassen können.

Gut, dass er nicht so ein Kodiakbär war.

Hess roch Dillan einige Minuten, bevor sich die kleine Lichtung öffnete und die Hütte in Sicht kam. Wenn er in Bärenform hätte lächeln können, hätte er es getan. Die kleine Holzkonstruktion schrie geradezu nach zurückgezogen lebendem Katzenwandler.

Als er erfahren hatte, dass Dillan vor Jahren einen jungen Menschen bei sich aufgenommen hatte, war er schockiert gewesen.

Das Heulen des Blonden verursachte eine Bewegung hinter den Fenstern. Die hintere Glasschiebetür öffnete sich und enthüllte eine bekannte Gestalt in Jogginghose. Dillan Shoreman trat auf die hintere Veranda, gefolgt von einem breitschultrigen Mann, den Hess sofort als Gefährten seines alten Armeekumpels erkannte. Er musste zugeben, dass die Bilder, die er von Derek gesehen hatte, dem Mann nicht gerecht wurden.

Dillan ist ein Glückspilz.

„Hess!“, rief Dillan. „Bist du das?“ Sein Grinsen erhellte sein schlankes Gesicht, als er einen Arm um seinen Geliebten schlang und ihn an seine Seite zog. „Verdammt, Mann. Ich wusste nicht, dass du schon in der Gegend bist. Warum hast du nicht angerufen?“ Dann zog er die Brauen hoch, als er die Wölfe registrierte. „Warum bist du auf einen Lauf mit Wölfen unterwegs?“

Hess verwandelte sich von einem Schritt zum nächsten, erhob sich auf die Füße und schritt weiter auf Dillan zu. Grinsend warf er einen Blick auf die Wölfe, die sich um ihn herum verwandelten, und konzentrierte sich dann wieder auf Dillan. „Ich habe mich mit der Gegend vertraut gemacht“, stellte er fest und ging über die Lichtung. Hess nahm die drei Stufen auf die Veranda mit einem Schritt. „Verdammt, man sehe sich dieses Grinsen an, Kitty“, neckte er ihn und klopfte leicht – für seine Verhältnisse – auf die Schulter des Wandlers. „Verdammt noch mal, verpaart zu sein steht dir gut.“

Dillan schwankte immer noch ein wenig auf den Füßen und lachte. „Was eine herzliche Begrüßung“, neckte er. „Das habe ich gar nicht erwartet.“

Hess zuckte mit den breiten Schultern und wandte sich an den Menschen, den Dillan weiterhin festhielt. Er streckte die Hand aus. „Hessian Roshburg. Nenn mich Hess“, befahl er. „Du musst Derek Sommers sein.“ Er wackelte mit den Brauen. „Du bist viel heißer als auf den Fotos, hübscher Junge. Bist du sicher, dass du nicht mal einen wilden Ritt unternehmen willst?“

„Äh …“, murmelte Derek und zog die Brauen zusammen, als er nach seiner Hand griff.

Als Hess Dillan tief knurren hörte, lachte er und drückte Dereks Hand leicht, bevor er sie losließ. Er konzentrierte sich wieder auf Dillan. „Hast du Kaffee, Dil?“

„Natürlich“, antwortete Dillan fast steif.

Hess wusste einfach, dass, wenn Dillan in Katzenform gewesen wäre, sein Nackenfell gesträubt wäre und sein Schwanz hin und her peitschen würde. Götter, er hatte vergessen, wie viel Spaß es machte, das Kätzchen aufzustacheln. Vielleicht sollte er eine Weile bleiben.

„Ich werde ihm welchen besorgen“, verkündete Derek. „Trinkst du ihn schwarz?“

„Eigentlich mit drei Stück Zucker“, gab Hess zu. „Es sei denn, es gibt Tee und Honig?“

Dereks Brauen schossen hoch. „Ähm, ich bin mir nicht sicher. Ich werde nachsehen.“ Er hatte sich bereits aus Dillans Umarmung zurückgezogen und war auf die noch offene Glasschiebetür zugegangen. Er hatte angehalten und über die Schulter zu Hess geschaut, seine Hand am Türgriff. „Vielleicht auch eine Sporthose“, murmelte er, „weil ich glaube, dass dir keine unserer Jogginghosen passt.“

Hess spürte, wie das grollende Lachen aus ihm heraussprudelte. Menschen. So verdammt lustig mit ihrer Neurose über Nacktheit. Er winkte Dillans Gefährten weg und starrte auf die fünf Wandler, die direkt neben der Veranda standen. Ja, dieser kleine Welpe war noch im Teenageralter. Es würde Spaß machen, mit ihr zu spielen. In ihren blauen Augen schimmerte eine furchtlose Neugier, die sich auf ein bisschen Spaß beim Herumtollen als Bär und Welpe übertragen würde. Er würde wetten, dass sie sogar mutig genug wäre, an seinen pelzigen Ohren zu ziehen. Zur Hölle, er hatte seit Jahrzehnten nicht mehr mit Jungen herumgetollt.

Als er sich umsah, bemerkte Hess ein paar Liegestühle neben – oh, ein Whirlpool! Hmm, er fragte sich, ob er sich an diesen Genüssen beteiligen könnte. Er ging zu der nächsten Liege und ließ sich darauf nieder, um ihre Stärke zu testen.

Es war eine gängige Praxis. Er wusste, dass er ein großer Kerl war und im Laufe der Jahrhunderte hatte er eine ganze Reihe von Stühlen – und anderen Dingen – kaputtgemacht. Als Hess feststellte, dass der Liegestuhl stabil genug war, stieß er einen tiefen Seufzer aus und streckte sich darauf aus.

Nett.

Schließlich wandte sich Hess dem blonden Wolfswandler zu. Er grinste breit. „Nun, ich glaube, ich habe bewiesen, dass ich ein Kumpel von Dillan bin.“ Er wandte seine Aufmerksamkeit seinem Freund zu, der sich auf den Stuhl neben ihm fallen ließ. „Ich habe übrigens deine Akte“, sagte Hess zu ihm. „Sie ist in meinem Wagen.

„Danke, dass du das getan hast“, erwiderte Dillan mit ernstem Gesichtsausdruck.

„Nicht nötig“, sagte Hess. „Es hat sehr viel Spaß gemacht, in den Tresor dieses Arschlochs einzubrechen.“ Er hielt seine Faust hoch, damit Dillan mit seiner dagegen stoßen konnte, was das Kätzchen auch tat. Er grinste. „Jetzt sind wir quitt. Gibt es gute Bars in dieser Stadt? Ich könnte ein bisschen Spaß vertragen.“

Kapitel 2

„Tanzen! Tanzen! Wir gehen in einen Club und tanzen!“

Gilbert bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu bewahren, als er seinen Freund im Wohnzimmer herumtanzen sah. Hector, ein Eulenwandler, war an den besten Tagen hyperaktiv. Wenn dann noch etwas Aufregendes geschah, gab es für den kleinen Kerl kein Halten mehr.

Gilbert gab es auf, seine Belustigung zu verbergen und lachte. Hector war wirklich zu lustig. „Das ist richtig, Hector“, bestätigte er. „Aber in einem Club zu tanzen erfordert Kleidung.“ Er zeigte auf die Weichteile seines Kumpels, die hüpften, als der nackte Hector weiter herumtanzte. „Ich weiß, dass Ash Kleidung auf dein Bett gelegt hat. Zieh sie an.“

Für einen Moment hörte Hector auf zu hüpfen. Er rümpfte die kleine Nase und streckte die Zunge heraus. Nachdem der kleine Eulenwandler sein ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht hatte, wie einige andere seines Schwarms, lag ihm nichts an Kleidung. Glücklicherweise gelang es Gilbert und Ashton – Ash für seine Freunde – mit vereinten Kräften, die anderen Wandler bekleidet zu halten, zumindest in der Öffentlichkeit. Jeder, der unangekündigt bei dem großen Farmhaus vorbeikam, würde verdammt viel zu sehen bekommen.

Sechs von ihnen lebten dort, und sie gehörten alle einer Art von Flugtier an. Gilbert war ein Rabenwandler, während Ashton ein amerikanischer Turmfalke war, ein kleiner Falke, den manche auch Buntfalke nannten. Die beiden hatten Erfahrung in der Außenwelt, da sie nicht in Gefangenschaft geboren wurden. Gilbert hatte über drei Jahrzehnte lang frei gelebt, bevor er von den Wissenschaftlern eingefangen wurde, die sie festgehalten hatten. Ashton hatte noch nicht verraten, wie alt er war, aber mit seinem Wissen über die Welt und seinem beständigen, geduldigen Auftreten vermutete Gilbert, dass er um einiges älter war als die anderen.

Nach Gilberts bestem Wissen waren Thad, Cho, Prescott und Hector in Gefangenschaft geboren worden. Entweder das oder sie waren alle sehr jung gefangen genommen worden. Keiner von ihnen erinnerte sich an eine Zeit vor den Käfigen, wie sie es ausdrückten. Sie liefen auch lieber nackt im Haus herum und zogen sich nur dann an, wenn sie Gesellschaft erwarteten oder ausgehen wollten.

Gilbert sah zu, wie Hector aus dem Raum hüpfte, vermutlich auf der Suche nach seiner Kleidung, und beschloss, nach den anderen zu sehen. Er wusste, dass es nicht schwierig sein würde, Prescott dazu zu bringen, Kleidung anzulegen. Der Brauentenwandler hatte kurz nachdem er seine Freiheit erlangt hatte, Sex für sich entdeckt. Er liebte es auszugehen und so viele Leute zu ficken, wie sein Schwanz verkraftete – Männer oder Frauen, die sinnliche Kreatur schien es nicht zu interessieren.

Cho hingegen würde genauso gerne zu Hause bleiben. Der Perlhuhnwandler konnte sich tagelang mit seinem Computer verkriechen und im Cyber-Space verschwinden. Die Geschwindigkeit, mit der der kleine Mann Computerkenntnisse erlernte, war verrückt, aber nützlich. Dennoch weigerte sich die Gruppe, den zurückgezogenen Perlhuhnwandler zu lange allein zu lassen. Zum Glück schien Ash immer in der Lage zu sein, Cho zum Einverständnis zu bewegen.

Gilbert blieb an Chos offener Tür stehen und entdeckte ihn wie erwartet zusammengerollt in einem großen Sessel mit seinem Laptop auf den gekreuzten Beinen. Zum Glück trug er bereits weite Cargo-Shorts sowie ein Oberteil aus blauem Mesh. Gilbert fragte sich, wer das Shirt für ihn ausgesucht hatte.

„Wir gehen in zehn Minuten, Cho“, sagte Gilbert zu ihm.

Cho sah kurz zu ihm auf und nickte. Dann konzentrierte er sich wieder auf das, was auf seinem Bildschirm zu sehen war.

Gut genug.

Gilbert hörte Ashtons melodische, beruhigende Stimme und ging ins Nebenzimmer. „Komm schon, Thad“, ermutigte Ash. „Du bleibst nicht alleine hier.“

Hm, das war nicht, was Gilbert für ein Problem gehalten hätte. Auch wenn Thaddäus überfürsorglich und streitlustig sein konnte, verhielt er sich so, weil er den Rest von ihnen beschützen wollte. Gilbert glaubte, der Wandler, ein Wilder Truthahn würde tanzen gehen wollen, wenn auch nur, um seinen Schwarm – wie er sie nannte – zu beschützen.

„Ich gehe nicht tanzen“, schnappte Thad. „Warum zum Teufel sollte ich überhaupt zu irgendwelchem verdammten Lärm rumhüpfen und rumzappeln wollen? Ich bleibe einfach hier und behalte Cho im Auge.“

„Du musst nicht tanzen, weißt du“, sagte Gilbert und blieb in der Tür stehen. „Und Cho ist überraschenderweise schon angezogen, um mit uns auszugehen.“

Thads Kopf wirbelte herum und er runzelte die Stirn. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er stemmte sie in seine mit einer Jogginghose bedeckten Hüften, als er seine dichten, dunklen Brauen runzelte. „Ach ja? Ist er das?“

Gilbert nickte. Er wusste nicht, was das Problem seines Freundes war, aber er wusste, wie er es aus ihm herauskriegen konnte. „Ich bin auch kein großer Tänzer“, gab er zu. „Komm mit und setz dich zu mir an den Tisch. Wir werden ein paar Bier trinken und die schöne Aussicht genießen.“

„Gut“, schnappte Thad. Er drehte sich zu Ashton um und griff nach der Jeans, die der größere, schlankere Mann ihm hinhielt. Während er mit der anderen Hand seine Jogginghose runterschob, grummelte er: „Wie zum Teufel hast du Cho dazu gebracht, zuzustimmen?“

Ashton zuckte die Achseln und wandte sich dem Schrank zu. „Ich habe ihn mit dem Versprechen gelockt, ihm dieses neue Computerprogramm zu kaufen, das er haben will.“

Gilbert hob ebenfalls die Brauen und lachte. „Guter Plan.“

Er grinste Ash an und drehte sich gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Prescott sein Schlafzimmer verließ. Er holte überrascht Luft und spürte, wie sein Schwanz sich auch gegen seinen Willen regte. Sein Freund trug eine enganliegende Lederhose, ein durchsichtiges dunkelblaues Hemd mit kurzen Ärmeln und Biker-Stiefel.

Er hatte keine Ahnung, wo Prescott sie gefunden hatte, aber sein Freund sah … umwerfend aus. Sogar die Art und Weise, wie er sein hellbraunes Haar aus dem Gesicht gekämmt hatte und der Eyeliner, den er um seine blauen Augen trug, sah großartig an ihm aus.

Make-up an einem Mann.

Bevor Gilbert eingefangen worden war, hätte er nie auch nur darüber nachgedacht. Dann hatten sie Lark Trystan getroffen. Der Mensch war der Arzt des Rudels und der Gefährte des Alpha-Wolfs, der es anführte. Lark trug auch ganz offen Make-up und hatte allen, die es ebenfalls tun wollten, fröhlich beigebracht, sich zu schminken.

Prescott war einer von ihnen. Hector mochte es auch, aber er hatte weder die Geduld noch die ruhige Hand, um es selbst aufzutragen. Überraschenderweise half Cho ihm, sich zurecht zu machen, wenn sie ausgingen.

Gilbert wandte sich von Prescott und seinem provokanten Anblick ab und ging den Flur entlang. Er schaute im Vorbeigehen in Chos Zimmer und bemerkte, dass Hector jetzt auf dem Stuhl saß. Cho kniete sich vor ihn und trug Eyeliner bei dem eindeutig zappeligen – den Fingern, die auf seinen Knien zuckten, nach zu urteilen – Eulenwandler auf.

Gilbert ging um die Ecke und die Treppe hinauf. Er begab sich in sein eigenes Zimmer und holte die Stiefel mit den niedrigen Absätzen, die er bevorzugte, heraus. Das tiefe Braun passte sowohl zu seinen Augen als auch zu seinem Gürtel und sah mit seiner figurbetonten schwarzen Jeans großartig aus. Die glänzenden silbernen Akzente an den Stiefeln betonten die funkelnden Streifen in seinem schwarzen, Button-down Club-Hemd.

Gilbert schaute in den Spiegel und rieb sich mit den Händen über die Brust. Er strich sein Hemd über seinen Oberkörper und bewunderte die Passform. Während er in Gefangenschaft war, hatte er viel Muskelmasse verloren, aber seitdem hatte er ein wenig zugelegt. Er wusste, dass er noch mehr Arbeit an seinem Körper vor sich hatte, aber er fand, dass er verdammt gut aussah, dafür, dass er siebenundzwanzig Jahre in einem Käfig festgehalten wurde.

Gilbert wandte sich vom Spiegel ab, nahm seine Brieftasche und steckte sie in seine Gesäßtasche. Er ging die Treppe wieder hinunter. Als er sah, dass sich bereits alle im Wohnzimmer versammelt hatten, lächelte er seinen Freunden zu.

„Sind wir bereit, den Club zu rocken?“, fragte Prescott und wackelte mit den Brauen.

„Mm-hmm“, antwortete Hector sofort und hüpfte auf seinen Zehen. „Lasst uns tanzen gehen.“

Cho lachte und schlang seinen Arm um den kleineren Mann. Seine dunklen, mandelförmigen, schokoladenfarbenen Augen zeigten einen Ausdruck liebevoller Zuneigung, als er Hector zur Tür hinausführte.

Ash wirbelte den Schlüsselring um seinen Finger, als er eine Hand auf Thads Schulter legte, der immer noch die Stirn runzelte. „Komm schon“, drängte er. „Wir alle könnten ein bisschen soziale Interaktion gebrauchen.“

Thad verzog die Lippen. „Soziale Interaktion“, grummelte er, als er sich von Ash auf die Veranda manövrieren ließ. „Du meinst mit Menschen?“

„Nicht alle Menschen sind böse“, betonte Ash. „Du weißt das. Es gibt viele, die geholfen haben, uns zu befreien, erinnerst du dich?“

„Ja“, knurrte Thad zurück. „Aber sie sind alle mit Wandlern oder Vampiren verbunden. Jetzt willst du tanzen gehen mit einem Haufen, der uns nicht kennt? Was ist, wenn sie es herausfinden? Glaubst du, sie würden nicht versuchen, uns umzubringen?“

„Nun, sie werden es nicht herausfinden“, antwortete Ash, sein Ton plötzlich hart. „Richtig?“ Er blieb vor dem SUV stehen und blickte sich mit seinen haselnussbraunen Augen in der Gruppe um. „Keiner von euch wird irgendetwas tun, um die Menschen auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass ihr Wandler seid. Richtig?

Gilbert spürte den plötzlichen Drang, seinen Kopf zu senken. Auch wenn Ash ein kleiner Raubvogel war, konnte er dennoch kämpferisch und aggressiv sein. Sogar Thads dominanter Truthahn verneigte sich vor dem kleineren Vogel, der in Ash lebte.

Alle antworteten mit unterschiedlichen Reaktionen, die alle dasselbe bedeuteten … ja. Hector hörte sogar auf zu zappeln und antwortete. Sie waren bereit zu gehen, und niemand würde etwas tun, um unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Nach ein paar Sekunden, in denen er alle durchdringend anstarrte, nickte Ash. „Steigt ein, allesamt“, befahl er mit deutlich lockererem Ton. „Es ist Zeit, ein bisschen Spaß zu haben.“

Als Ash ihr Fahrzeug auf den überfüllten Parkplatz lenkte, ließ Gilbert seinen Blick über das Gebäude schweifen. Es sah nicht nach viel aus. Es war ein großes, quadratisches Bauwerk, und Gilbert war unwohl bei dem Gedanken, dass es den Lagerhäusern ähnelte, zwischen denen sie transportiert worden waren.

Gilbert entdeckte mehrere Männer und sogar eine Frau, die miteinander redeten, und entspannte sich. Er kannte nicht alle, aber immerhin einige. Die meisten von ihnen waren auch Wandler.

Gilbert deutete auf einige Leute und sagte: „Da drüben. Das ist Jared, der Gefährte des Wolfsvollstreckers Carson, und sind das dort nicht Teague und sein Bruder Cecil?“

Ash nickte und parkte ein paar Plätze von der wartenden Gruppe entfernt. „Ja“, stimmte er zu. „Kennst du die anderen Jungs und die Frau?“

„Ich kenne sie nicht“, unterbrach ihn Thad und verzog missbilligend die Lippen. „Aber das ist doch Lyle, oder?“ Er reckte sein Kinn in die andere Richtung.

Gilbert folgte seinem Blick, als er aus dem Auto stieg. Er nickte abwesend und beobachtete, wie sich der schlaksige Mann mit den mittelbraunen Haaren einem anderen Mann näherte.

„Oh, er ist derjenige, der komisch riecht“, stellte Hector fest, als er an Ort und Stelle hüpfte.

„Es ist nicht nett, das zu sagen“, schimpfte Cho leise. „Er hat geholfen, uns zu retten.“

Hector runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. „Ich weiß, dass er das getan hat.“ Er sah sich zu den anderen um und zuckte die Achseln. „Ich meine nur, sein Waran riecht nicht … richtig.“

Offensichtlich war Lyle nahe genug, um es zu hören, denn er gluckste leise und sagte: „Das liegt daran, dass sie an mir, genau wie an euch, experimentiert haben.“ Bevor sich jemand entschuldigen konnte, nickte Lyle dem schlanken Mann mit den kastanienbraunen Haaren zu, um dessen Taille er seinen Arm gelegt hatte. „Das ist mein Gefährte, Todd Abernathy. Seid ihr bereit zu tanzen?“

„Scheiße, ja!“, sagte Hector jubelnd. „Lasst uns den Boogie machen!“

Lyle lachte, grinste und winkte zu den anderen, die in der Nähe warteten. „Ihr erinnert euch wahrscheinlich an Jared und die Rochette-Brüder, Teague und Cecil.“ Nachdem Ash und Gilbert genickt hatten – ihre Schwarmkameraden waren zu sehr damit beschäftigt, die andere Gruppe anzusehen – fuhr Lyle fort: „Cliff und Rainy MacDougal und ihre Gefährten Lisa und Travis. Es sind schon ein paar andere drinnen. Wenn wir ihnen begegnen, werde ich euch auf sie hinweisen.“

„Ich weiß das zu schätzen“, antwortete Ash. „Ich möchte, dass meine Freunde in Sicherheit sind.“

Lyle nickte. Grinsend schaute er zwischen ihnen hin und her, zeigte dann auf Ash. „Defacto alpha.“ Als nächstes zeigte er auf Gilbert, dann auf Thad. „Beta, Vollstrecker.“

Gilbert und Ash tauschten einen Blick aus. Sie hatten bisher nicht wirklich darüber nachgedacht, aber es schien zu passen. Gilbert zuckte die Achseln und konzentrierte sich wieder auf Lyle.

„Dicht genug dran, nehme ich an“, gab er zu.

Todd schnaubte und schlug Lyle gegen den Bauch. „Hör auf, so neugierig zu sein, Detective“, sagte er, sein Tonfall offensichtlich neckend. „Geh voran in den Club. Ich will tanzen.“

Lyle knurrte leise, schlang seinen Arm um Todds Taille und wickelte ihn ein. Er drückte einen schnellen Kuss auf seine Lippen und sagte dann: „Dein Wunsch ist mein Befehl, Engel.“ Er behielt seinen Arm um Todds Taille und winkte mit seiner anderen Hand. „Wir gehen rein!“

Endlich erreichten sie die anderen, es wurden Begrüßungen ausgetauscht und die Leute, auf die Lyle zuvor hingewiesen hatte, wurden vorgestellt. Gilbert erkannte sofort, wer mit wem zusammen war, und alle waren freundlich und einladend.

In den Club zu gelangen war ganz einfach. Anscheinend kannte Lyle den Türsteher. Ein gewaltiger Afroamerikaner namens Rocky, der aussah, als würde er all seine freien Stunden mit Bodybuilding verbringen. Hector hüpfte sofort auf den Typen zu, der fast zwei Meter groß sein musste. Er schmiegte sich an die Seite des Türstehers und rieb mit den Händen über dessen T-Shirt-bekleideten Oberkörper.

„Oh, du hast so viele Muskeln“, schnurrte Hector. „Machst du bei diesen Bodybuilder-Wettbewerben mit? Cho hat mir Videos davon gezeigt“, fuhr er fröhlich fort. „Ich wette, du würdest umwerfend aussehen, wenn du eingeölt auf der Bühne posierst und dabei ein knappes Höschen trägst.“

Die Lippen des großen Mannes verzogen sich zu einem breiten Lächeln und zeigten ebenmäßige weiße Zähne. „Oh, danke, Süßer“, antwortete Rocky. „Ich nehme tatsächlich an Bodybuilder-Wettbewerben teil.“ Er legte seine riesigen Hände auf Hectors Hüften und löste den kleinen Kerl von seinem Körper. „Jetzt geh mit deinen Freunden rein.“

Hector schmollte nur für einen Moment, bevor sein Gesichtsausdruck wieder zu einem Lächeln wurde. „Wirst du mit mir tanzen kommen?“, fragte er, selbst als ein deutlich nervöser Cho ihn aus dem Griff des riesigen Mannes zog.

„Tut mir leid, kleiner Mann“, antwortete Rocky. „Sobald ich hier Feierabend habe, muss ich nach Hause zu meinem Baby. Vielleicht ein anderes Mal.“

„Komm schon, Hector“, drängte Prescott und ergriff den anderen Arm des kleinen Wandlers. Er zwinkerte Rocky zu und konzentrierte sich dann auf Hector. „Lass uns auf die Tanzfläche gehen. Okay?“

Ein Ausdruck der Enttäuschung huschte über Hectors Gesicht, doch dann klärte es sich. Er nickte. Nach einem weiteren Blick auf Rocky – mit einem Ausdruck, den man nur als sehnsuchtsvoll bezeichnen konnte – ließ Hector sich von seinen Freunden wegführen.

„Danke, dass du nett zu ihm warst“, sagte Ash zu Rocky. „Er ist … überschwänglich.“

Rocky nickte fast abwesend und sah auf die Stelle, wo Hector in der Menge verschwunden war. „Nicht das erste Mal“, murmelte er, dann wandte er sich wieder der Tür und seinen Pflichten zu.

Gilbert schüttelte den Kopf und verdrängte den Wortwechsel, als er den anderen Männern in den Club folgte. Nachdem Ash gesagt hatte, dass er einen Tisch suchen würde, klopfte Gilbert Thad auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit über die laute Musik hinweg auf sich zu ziehen.

„Lass uns für alle eine Runde Getränke holen gehen“, rief Gilbert dem Truthahnwandler zu.

Thad reckte einen Daumen hoch, anstatt zu antworten. Jared tippte Gilbert auf die Schulter und winkte. Aus irgendeinem Grund wichen die Leute tatsächlich für den Menschen auseinander. Gilbert und sein Schwarmkamerad folgten ihm schnell.

In weniger als einer Minute war Gilbert an der Bar und versuchte zu entscheiden, was er für alle bestellen sollte. Als er den Mund öffnete, um nach Rat zu fruchtigen Getränken mit einem Schirmchen zu bitten – Gilbert wusste, dass sowohl Hector als auch Cho so etwas gegenüber Bier vorziehen würden –, kitzelte ein erdiger, moschusartiger Geruch seine Sinne. Gilbert wandte den Kopf und atmete tief ein, um die Quelle herauszufinden. Er konnte sich nicht vorstellen, wer ein Rasierwasser tragen würde, das nach Erde und Kiefern roch, aber er mochte es.

Zu Gilberts Schock versteifte sich sein Schwanz tatsächlich in seiner Jeans.

„Geht es dir gut, Gil?“, fragte Thad und klopfte ihm auf die Schulter. „Soll ich bestellen?“

„Ja, mir geht es gut“, antwortete Gilbert abwesend. „Nein, ich werde …“ Seine Worte verstummten in seiner Kehle, als ihm jemand in den Rücken stieß. „Hey“, bellte er und drehte sich zu dem ungeschickten Mann um. „Pass auf –“, fing er an zu knurren, klappte aber noch einmal den Mund zu, als ihm klar wurde, dass der große Mann die Quelle des verführerischen Geruchs war.

Der Mann, der sich Gilbert zuwendete und ih ein, zwei Mal eingehend musterte, war ein wahrer Bär von einem Kerl. Während Rockys Muskeln und sein Körper offensichtlich durch das Training als Bodybuilder aufgebaut worden waren, war dieser Mann von Natur aus massig. Er trug eine Lederweste ohne Hemd und zeigte eine behaarte, muskulöse Brust und Tattoos, die über seine Arme auf und ab verliefen. Auch seine kräftigen Schenkel waren mit Leder umhüllt, und seine riesigen Füße steckten in Bikerstiefeln.

„Na, na, na.“ Die tiefe, rumpelnde Stimme des Mannes lenkte Gilberts Aufmerksamkeit auf das ziegenbärtige Gesicht des Mannes. Sein zotteliges, dunkles Haar umrahmte sein breites Grinsen und funkelnde dunkle Augen. Der Fremde starrte auf ihn hinunter. „Hallo, hübsches kleines Kerlchen.“

Es traf Gilbert wie eine Tonne Ziegelsteine, was dazu führte, dass sich sein Magen und seine Leistengegend unangenehm zusammenzogen. Dieser wahrscheinlich über zwei Meter große Mann, der wie ein Mauer gebaut war und seinem Geruch nach zu urteilen ein Wandler war, war sein Gefährte!

Gilbert schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte: „Oh, verdammt nein.“

Kapitel 3

Hess grinste den kleinen Mann an. Selbst die Worte des viel kleineren Wandlers konnten seine Freude nicht trüben. Als er in die Bar ging, um sich mit Dillan, Derek und einigen der Wölfe zu treffen, war ihm noch nicht einmal der Gedanke gekommen, seinen Gefährten zu treffen.

Verdammt, dieser schlanke kleine Mann war sicherlich nicht das, was Hess normalerweise bei einem Kerl wollte. Er mochte einen Mann mit Fleisch auf den Rippen. Einen, bei dem er sich keine Sorgen machen musste, dass er ihn kaputtmachen könnte, wenn er in der Kiste etwas grober wurde.

Ich werde aber einem geschenkten Gaul sicher nicht ins Maul schauen.

Außerdem war es gar nicht mal schlecht, wenn der Gefährte auch ein Wandler war. Auch wenn Hess den unterschwelligen Geruch des Mannes nicht genau einordnen konnte, wusste er, dass sein Gefährte irgendein Vogel war. Als er die schwarzen Haare und die blasse Haut des Mannes sowie seine leicht trainierten Arme und seine magere Gestalt betrachtete, wollte er keine Vermutungen anstellen, was so etwas hätte verursachen können.

Nachdem er seine Nachforschungen über das Wandlerrudel angestellt hatte, dem das Gebiet gehörte, brauchte er das nicht einmal. Er wusste, dass einige der Wölfe im Rudel vor kurzem aus Russland zurückgekehrt waren … mit Kisten im Schlepptau. Wenn Wandler nicht daran gewöhnt waren, in menschlicher Form zu sein, wäre es nicht sehr abwegig, sie in Kisten zu transportieren.

Arme Bastarde.

Dennoch ließ der Gedanke an den schlanken, schwarzhaarigen Mann in einer solchen Situation Galle in Hess’ Kehle aufsteigen. Er kämpfte dagegen an und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. Er konzentrierte sich auf den Wandler, den er bald zu seinem Liebhaber machen wollte.

„Ich werde mich nicht über deine Worte ärgern, hübsches schlankes Kerlchen“, sagte Hess und zwinkerte. „Zum Teufel, dies ist kaum der Zeitpunkt, zu dem ich erwartet habe, meinen Gefährten zu treffen.“

Während Hess sprach, überwand er den geringen Abstand zwischen ihnen. Er schob seinen kräftigen Oberschenkel zwischen die des sexy Fremden und legte eine Hand auf die schmale Taille des Vogelwandlers. Schlank, verdammt, versuch’s mal mit knochig. Der Typ brauchte mindestens dreißig Pfund mehr Muskeln an seinem mageren Körper. Hess glaubte, seine Finger würden sich berühren, wenn er seine zweite Hand auf die andere Hüfte des Mannes legte.

Hess tat es jedoch nicht. Stattdessen legte er seine rechte Hand auf die Schulter des mageren Mannes. Seine Finger waren lang genug, um nicht nur die Nackenwirbel, sondern auch den Adamsapfel zu berühren.

Ja, definitiv zu dünn. Ich will ihm Freude machen, ihm zu essen geben, sogar für ihn sorgen.

Das Bedürfnis seines Bären, sich um seinen Gefährten zu kümmern, traf ihn wie ein doppelter Schlag in den Bauch. Unerwartet, aber es machte ihm nichts aus. Nach dem, was er unter seinen Händen fühlte, brauchte dieser Wandler jemanden, der sich um ihn kümmerte.

Er beugte seinen viel größeren Körper, damit er seinen Mund in die Nähe des Ohr seines Wandlers bringen konnte, und sagte: „Versuche dich einfach zu entspannen, mein Süßer.“ Ihm war nicht entgangen, wie sich der andere Mann in seinem Griff versteifte. „Ich mag es zwar, hart zu spielen, aber ich bin immer noch ein Wandler, und du bist mein Gefährte.“

Er wusste, dass viele Wandler im Club waren, aber es gab auch genauso viele Menschen. Da er nicht belauscht werden wollte, sprach er gerade so laut, dass seine Worte über die Musik hörbar waren.

„Ich bin Hess“, sagte er zu dem Mann, den er festhielt. „Sag mir deinen Namen und begleite mich an meinen Tisch.“ Er schob seinen Daumen unter das hübsche Hemd, das der Mann trug, was ihm erlaubte, mit dem Nagel über einen vorstehenden Hüftknochen zu kratzen. „Ich möchte dich auf meinem Schoß halten und dich berühren, während wir sprechen.“

„Ich, äh, nein“, sagte der schlanke Mann mit angespannter Stimme. „Du musst mich loslassen. Das hier kann nicht passieren.“

Als Hess spürte, wie sich die Hände des Mannes auf seiner Brust niederließen und drückten, hob er den Kopf so weit, dass er den Blick des anderen Wandlers traf. Er runzelte die Stirn, als er die gefurchten Brauen im Gesicht des Mannes sah. Seine Lippen waren zusammengekniffen, und seine dunklen Augen getrübt.

„Leugnest du, dass ich dein Gefährte bin?“, wollte Hess wissen. „Leugnest du die Anziehungskraft, die wir fühlen?“

Unabhängig von der Antwort hatte Hess nicht die Absicht, dies zuzulassen.

„Nein, ich fühle es“, antwortete der Mann leise. „Aber ich kann das jetzt noch nicht machen. Mein Schwarm braucht mich. Ich kann sie nicht einfach fallen lassen. Außerdem …“, fügte er hinzu, blickte über seinen Brust und richtete seinen Fokus dann auf Hess’ Gesicht. „Sicherlich merkst du auch, dass dies sehr unüblich ist. Ich meine, ich bin ein …“ Er lehnte sich so weit wie möglich von Hess weg. Er hob eine Hand von Hess’ Brust und deutete auf ihn, dann auf sich selbst. „Und du bist ein …“ Er schüttelte den Kopf. „Was zum Teufel hat das Schicksal sich dabei gedacht?“

„Gegensätze ziehen sich an“, bot Hess an.

Der andere Mann schnaubte. „Das ist lächerlich.“

„Hey, Gil. Bist du okay?“

Hess richtete sich auf, als ein anderer Mann seine Hand ergriff, mit der er den Kiefer seines Gefährten umfasste. Er starrte den dunkelblonden Mann wütend an und unterdrückte ein Knurren. Zumindest kannte er jetzt den Namen seines Gefährten.

„Mir geht es gut, Thad“, sagte Gil zu seinem … Freund, als er sich zur Seite bewegte. „Hess hatte es einfach schwer, Nein als Antwort zu akzeptieren.“

Hess lockerte seinen Griff und ließ Gils Hals los. Gleichzeitig drehte er diese Hand und befreite sein Handgelenk von dem anderen Mann. Thad. Ein weiterer Vogelwandler, seinem Geruch nach.

Thad hielt seine jetzt leere Hand hoch, obwohl er ihn kampflustig anstarrte. Es war eine merkwürdige Kombination aus Warnung und Beschwichtigung des Mannes. Thad war zwar kräftig gebaut, aber keine eins achtzig groß, was ihn offenbar nicht davon abhielt, Gil beschützen zu wollen.

„Bist du sein Liebhaber, oder was?“, wollte Hess wissen.

Sobald ihm die Idee gekommen war, brauchte er eine Antwort.

„Was geht dich das an?“, antwortete Thad trotzig und blähte seine Brust auf.

„Genug“, schnappte Gil und unterbrach sie. „Hast du Getränke bestellt?“

Thad machte sofort einen Rückzieher.

Interessant.

„Ja, Gil“, sagte Thad zu ihm. „Ich habe zwei Krüge Bier und vier verschiedene Sorten Drinks mit Saft ausgewählt. Ich bin sicher, die Jungs werden etwas finden, das ihnen zusagt.“ Thad warf Hess einen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf Gil. „Wir können die Krüge jetzt mitnehmen, und ein Kellner wird den Rest in einer Minute bringen.“

Gil nickte einmal. „Gut.“ Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Hess zu und hob die Hände. „Schau mal. Es tut mir leid. Ich bin nicht hier, um mich abschleppen zu lassen. Ich bin nur hier, um mit meinen Freunden abzuhängen. Ich bin wirklich geschmeichelt, aber jetzt ist keine gute Zeit.“

Hess sah geschockt zu, wie Gil sich umdrehte, sich einen Krug Bier und einen Stapel Plastikbecher schnappte und dann von ihm entfernte. Thad schnappte sich einen weiteren Krug und folgte ihm, wobei er sich eine Sekunde Zeit nahm, um Hess zu höhnisch anzusehen, als er an ihm vorbeikam.

Hess knurrte tief in seiner Kehle und folgte ihnen. Er hielt diskreten Abstand, aber mit seiner Größe war es einfach, sie im Blick zu behalten. Als er sah, dass Gil sich mit einem halben Dutzend anderer Männer niederließ, von denen er einige als Mitglieder des Stone Ridge-Wolfsrudels erkannte, drehte er sich um und ging zu seinen eigenen Freunden.

Hess legte die Knöchel seiner linken Faust auf den Tisch der Sitzecke und beugte sich dicht zu Dillan. „Ich muss gehen“, sagte er zu seinem Freund. „Ich habe da etwas, was ich tun muss.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739479491
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
gestaltwandler wandler shifter gay romance gay fantasy bärenwandler liebesroman Roman Abenteuer Fantasy Romance Liebesroman Liebe

Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Krallen, Keilereien und ein Kürbisfeld