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Knallharter Vampir gebraucht

von Charlie Richards (Autor:in)
140 Seiten
Reihe: Die Wölfe von Stone Ridge, Band 35

Zusammenfassung

Aus dem Käfig: Etwas hinter sich zu lassen kann schmerzhaft sein, besonders wenn es das ist, was man braucht, aber nicht will. Der Vampir Nikolai Kuznetsov genießt sein Leben mit Bluttrinken und Folter. Das Erste muss er tun, um weiterzuleben, und das Zweite tut er, um seine Familie zu schützen. Außerdem hat er dadurch die Möglichkeit, mit seinen Messern zu spielen. Er liebt seine Klingen und schwingt sie mit eleganter Präzision. Auf das Drängen seiner Brüder hin besucht Nikolai einen Pokerabend … nur um etwas zu tun, das sie als normal erachten. Das Letzte, was Nikolai erwartet, ist, dass er sich vom Blut eines sanften, etwas zurückgezogenen Wolfswandlers gelockt fühlt. Nur geht Parker Jones weg, ohne das geringste Anzeichen dafür zu zeigen, dass er die gleiche Anziehungskraft verspürt … natürlich abgesehen von seinem erregten Geruch. Nikolai stellt Nachforschungen über Parker an und versucht herauszufinden, warum der Wandler die Anziehungskraft zwischen ihnen ignoriert. Er entdeckt, dass der Wolfswandler immer noch um seinen längst verstorbenen menschlichen Liebhaber trauert. Zärtlichkeit und Verständnis liegen nicht in Nikolais Natur. Kann Nikolai einen anderen Weg finden, um sich mit seinem Geliebten zu verbinden? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Um die gesamte Handlung sowie die Geschichte aller Figuren zu erfahren, empfiehlt es sich, alle Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen. Länge: rund 34.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

„Ich fordere dich zu einem Wettbewerb im Messerwerfen heraus.“

Nikolai Kuznetsov hob neugierig – und einigermaßen amüsiert – eine Augenbraue, als er seine Aufmerksamkeit auf den Menschen richtete. Jared Templeton war etwa fünfzehn Zentimeter kleiner als Nikolai mit seinen eins neunzig, und sein Körperbau war der eines schlanken Läufers. Dennoch weckte die Art, wie die Lippen des Menschen in einem selbstsicheren Grinsen verzogen waren und wie seine braunen Augen blitzen, Nikolais Interesse.

„Wettbewerb im Messerwerfen?“, wiederholte Nikolai langsam. Englisch war nicht seine Muttersprache, nicht einmal seine erste Fremdsprache. „Du meinst, du willst unsere Fähigkeiten im Messerwerfen vergleichen?“

Jareds Grinsen wurde breiter. „Ja. Ich habe gehört, dass du Messer magst“, sagte der Mensch auf Russisch und machte es Nikolai leicht, ihn zu verstehen. „Ich glaube, ich kann dich schlagen.“

Als Vampir hatte Nikolai gesteigerte Kraft, Reflexe und Schnelligkeit. Die Vorstellung, ein Mensch könne besser Messer werfen als er, war für ihn beinahe lächerlich. Trotzdem konnte er einer Herausforderung nicht widerstehen.

„Ich akzeptiere“, antwortete Nikolai und drückte sich von der Wand weg, an die er sich gelehnt hatte. Er spielte selbst kein Poker, fand es aber interessant, die Mimik der Männer zu beobachten. Messerwerfen würde jedoch weitaus mehr Spaß machen. „Ich würde vorschlagen, nach draußen auf die Veranda zu gehen.“

Jared nickte und folgte ihm.

Nikolai ging voran durch den Raum und nickte dabei seinem älteren Bruder Borscht zu, der mit ein paar anderen Männern – und ihrer Schwester Natalia – an einem der Pokertische saß. Der größere, ältere Vampir war der Anführer ihres kleinen Zirkels und derjenige, der ihn überredet hatte, die von ihm veranstaltete Pokerparty zu besuchen.

Die Gerüche, die den Raum durchdrangen, ließen Nikolais Nase praktisch zucken. Es gab eine Reihe von Wandlern verschiedener Typen sowie Menschen. Obwohl er sie alle von den Bildern her kannte, die er sich angeschaut hatte, war er den meisten von ihnen nicht offiziell vorgestellt worden.

Als Nikolai an einem mit fünf Männern besetzten Tisch vorbeikam, füllte ein berauschender Moschusduft seine Nase. Er hielt inne und betrachtete die Männer, während er überlegte, wer sie waren. Er erkannte die Wolfswandler Leopold Caldwell, Parker Jones und Carson Angeni – Jareds Gefährte – sowie den Katzenwandler Dillan Shoreman und seinen menschlichen Gefährten Derek Sommers.

Nikolai wusste, dass Leopold und Parker Singles waren, und nahm sich vor, beide später anzusprechen.

Als er die Schiebetür erreichte, verdrängte Nikolai den angenehmen Geruch und öffnete sie. Er ging voraus auf die Veranda und atmete tief ein, um seine Lungen von den unzähligen Gerüchen zu befreien. Noch nie hatte er den Aufenthaltsraum so voll gesehen.

Nikolai hätte auch nie erwartet, dass sein Zirkel Wandler verschiedenster Arten in seinem Territorium begrüßen würde – das sich jetzt in den Vereinigten Staaten befand –, weil Borscht seinen Geliebten in einem kleinen ägyptischen Flughund-Wandler namens Sekani gefunden hatte.

Trotzdem, Nikolai würde seinen Bruder immer unterstützen, und das nicht nur, weil der Mann der Meister seines Zirkels war. Er respektierte den riesigen Vampir, der immer für ihre Sicherheit gesorgt und dabei jede Menge Gelegenheit geboten hatte, gut genährt zu bleiben.

Borscht hatte auch nie irgendeine von Nikolais Eigenarten verurteilt … wie seine Liebe zu Messern.

Nikolai erreichte den Rand der Veranda und deutete auf einen fünfzig Schritte entfernten Baum. „Ist diese Entfernung akzeptabel?“

Jared folgte Nikolai und nickte. „Der Fleck in der Rinde ist das Ziel?“

Nikolai nickte auch. „Genau. Der oberste.“

„Sieht gut aus“, bestätigte Jared. Seine haselnussbraunen Augen funkelten, als er ein Messer aus einer Scheide unter seiner Jacke zog. Er betastete die Klinge, vielleicht um die Schärfe zu prüfen. „Soll ich anfangen?“

Nikolai hob die Hand und bedeutete Jared zu werfen. Er trat ein paar Schritte von dem Menschen zurück und beobachtete ihn. Der Mensch hob sofort seinen Arm und ließ mit einer leichten Bewegung seines Handgelenks das Messer durch die Luft fliegen.

Die scharfe Waffe bohrte sich mit einem leisen Geräusch in das Holz des Baumstamms. „Nicht schlecht“, kommentierte Nikolai als er sah, wo die Klinge etwa zwei Zentimeter unter der Stelle in den Baumstamm gedrungen war. Er wusste, dass er es besser machen konnte, und zog sein eigenes Messer aus einer Scheide an seiner Hüfte.

Nikolai zielte schnell und sorgfältig und ließ sein Messer fliegen. So wie er es erwartet hatte, traf er sein Ziel und die Spitze seines Messers bohrte sich in den Fleck. Erfreut verzog er die Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln und schaute zu dem Menschen.

„Ich war verdammt nah dran“, sagte Jared. Er legte seine Hand auf das Geländer, sprang darüber und landete leichtfüßig auf der anderen Seite. „Ich habe gehört, dass du sehr gut bist. Ich bin froh, dass das so ist.“

Seine Neugierde wurde durch den Kommentar geweckt, und Nikolai folgte Jared über das Geländer. Er hielt sich neben dem kleineren Mann, als sie gingen, um ihre Messer einzusammeln. „Ach ja?“ Er warf einen Blick auf den Menschen. „Warum?“

Jared erreichte den Baum und zog sein Messer heraus. Er drehte sich zu Nikolai um, während er seine Klinge überprüfte. „Nun“, begann er und inspizierte weiterhin sorgfältig die Waffe. „Dich herauszufordern war eine Ausrede, um mit dir alleine zu sein“, enthüllte er. Er begegnete Nikolais Blick und grinste, als dieser die Augen verengte.

Nikolai hatte plötzlich das Gefühl, der Mensch würde ihn einschätzen. Er spürte, wie die Haare in seinem Nacken zu Berge standen. Während er mit der flachen Klinge gegen die Knöchel seiner anderen Hand klopfte, stellte er fest, dass er das Gefühl nicht besonders mochte.

„Warum?“, knurrte Nikolai erneut und kniff die Augen zusammen. „Was ist es, was du wirklich willst?“

„Deine Hilfe“, sagte Jared und schob sein Messer zurück in die versteckte Scheide unter seiner Jacke. „Ich habe entdeckt, in welcher Anlage Doktor Eland LeReux tatsächlich arbeitet, und ich möchte ihn ausschalten.“ Sein Lächeln schien kalt und gruselig, als er zu Nikolai aufschaute.

Nikolai gefiel es irgendwie. Der Ausdruck sprach von einem Verständnis für die Art und Weise, wie die Welt manchmal funktionierte. Sie war ein kalter, grausamer Ort und guten Leuten passierten schlechte Dinge. Nikolai erkannte, dass Jared, wie er selbst, kein Problem damit hatte, gewisse Dinge zu tun, damit dieses Unrecht nicht denen widerfuhr, die ihm wichtig waren.

„Und dafür brauchst du meine Hilfe?“, fragte Nikolai und legte die Klinge an die Innenseite seines Handgelenks, damit er die Arme vor der Brust verschränken konnte. „Meine Nachforschungen über dich haben ergeben, dass du ziemlich eigenständig bist.“

Nikolai hatte sich mit Vadim zusammengetan, um so viel wie möglich über den Ort zu erfahren, an den Borscht ihren Zirkel umsiedelte. Sein massiger Bruder mochte wie der Schläger der Gruppe aussehen, aber tatsächlich war er ihr Technik-Guru. Er zog es auch vor, nicht in Auseinandersetzungen zu geraten.

Ein großer Vampir mit weichem Herzen.

Obwohl Nikolai die Zurückhaltung seines Bruders gegenüber Gewalt nicht verstand, respektierte er ihn trotzdem.

Vadim hatte auch Zugang zu einem Dark Net – oder einer versteckten Internetdatenbank –, die Vampire speziell für ihre eigenen Zwecke eingerichtet hatten. Es wurde sorgfältig von Vollstreckern des Vampirrates überwacht, die sich gut mit Computern auskannten. Sie hatten sogar Vadim eingeladen, ihnen zu helfen, was er vom Anwesen ihres Zirkels aus tat.

Deshalb wusste Nikolai, dass es verdammt knifflige Sicherheitsvorkehrungen geben musste, wenn Jared um Hilfe bat.

Jared legte die Hände hinter den Rücken, drehte sich um und blickte auf die leere Veranda. „Die Wissenschaftler haben aus ihren Fehlern gelernt“, gab er widerwillig zu und zog die Brauen zusammen. „Der Zugriff auf ihre Sicherheit muss von innen erfolgen, was nicht neu ist, aber sie stecken jetzt in jeden ihrer Wachen Verfolgungschips … und sie haben aufgehört, uns anzugreifen.“ Er verzog die Lippen, als er Nikolai einen Seitenblick zuwarf. „Beides weise Entscheidungen.“

Nikolai summte. „Ich gebe zu, ich bin nicht begeistert von der Aussicht auf Angriffe in der Nähe unseres neuen Zirkelterritoriums“, sagte er dem Menschen. „Aber ohne Borschts Erlaubnis würde ich mich nicht verpflichten können.“ Er begegnete dem Blick des Menschen mit einem Grinsen. „Wenn ich jedoch verstehe, warum du Hilfe brauchst und warum du denkst, dass ich der Richtige dafür bin, kann ich ihn sicherlich davon überzeugen.“

Jared grinste breit, obwohl es seine Augen nicht zum Leuchten brachte, als ob er wirklich fröhlich wäre. „Großartig. Sollen wir das bei einem Drink besprechen?“ Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. „Während du mir einen Scotch besorgst, hole ich meinen Laptop. Wir treffen uns an einem der Tische auf der Veranda.“ Er deutete auf einen. „Dann zeige ich dir, was genau ich vorhabe.“

Nikolai nickte langsam. „Wenn Borscht nicht mitten in einem Spiel ist, bringe ich ihn mit.“

Jared nickte einmal und ging zurück zur Veranda. Nikolai folgte langsam und beobachtete, wie der Mann geschmeidig über das Geländer sprang, anstatt die Treppe zu benutzen. Kopfschüttelnd stieg er zwei Stufen auf einmal hinauf und kehrte in den Aufenthaltsraum zurück.

„Alles okay?“

Nikolai begegnete Zakhars besorgtem Blick und nickte seinem Bruder zu. „Für den Moment“, murmelte er unverbindlich. „Wo ist Borscht?“

„Noch immer an Tisch drei“, sagte Zakhar und hielt ihm einen Teller hin. „Was wollte Jared?“

Nikolai nahm den Teller aus Reflex. Er bemerkte, dass zwei Cheeseburger mit Bacon darauf lagen, dazu gab es eine große Portion französischer Zwiebeldip und ein riesiger Haufen Kartoffelchips.

„Danke“, brummte Nikolai. Zakhar war schon immer der Versorger der Familie gewesen und verbrachte die meiste Zeit in der Küche mit Kochen. Er war auch ein verdammt guter Koch. „Der Mensch hat mir von potenziellen Problemen erzählt, das ist alles. Dinge, auf die wir achten müssen. Möglichkeiten, wie wir uns selbst helfen können.“ Er grinste breit und fügte hinzu: „Und Möglichkeiten, ein bisschen Spaß zu haben.“

Zakhar schnaubte. „Deine Vorstellung von ein bisschen Spaß haben, oder die der meisten anderen Leute?“

Nikolai lachte tief und erwiderte: „Meine.“ Er tätschelte seinem Bruder die Schulter, ignorierte die Art und Weise, wie er die Augen verdrehte, und ging in Richtung der Bar. „Ich hole mir zu diesem tollen Essen einen Drink, Zak. Danke dafür.“

„Ja, ja“, antwortete Zakhar und ging auf die Tische zu. „Ich werde Borscht wissen lassen, dass du nach ihm suchst.“

Nikolai nickte. Er wusste, dass Borscht schon eine Weile an Tisch drei saß. Sein Bruder könnte zu einer Pause bereit sein. Aufgrund der Tatsache, dass Borscht das letzte Wort bei Entscheidungen hatte, zog Nikolai es vor, ihn bei dem Treffen mit Jared dabei zu haben.

Zu versuchen, alles für seinen Bruder zu wiederholen, wäre beschissen.

Nikolai stellte seinen Teller auf die Theke, nahm einen Kartoffelchip, tauchte ihn in den cremigen Dip und steckte ihn in den Mund. Er umrundete die Bar, während er kaute, schaute auf die Flaschen in den Regalen und suchte nach Scotch.

Nikolai nahm den teuersten, den sie hatten, und stellte ein frisches Glas auf die Theke. Nachdem er die Flüssigkeit mehrere Fingerbreit hineingegossen hatte, stellte er die Flasche zurück ins Regal. Er öffnete den Minikühlschrank auf der linken Seite und nahm eine Flasche Apple Ale für sich selbst heraus.

Als Nikolai sich aufrichtete, bemerkte er, dass sowohl Leopold als auch Parker ihren Tisch verließen. Er bemerkte, dass die plaudernden Männer auf dem Weg in seine Richtung waren. Leopold sprach lebhaft, seine Hände wedelten, um seine Worte zu betonen, während Parker still blieb. Ab und zu nickte er und ließ dadurch sein zerzaustes rotes Haar in sein Gesicht fallen.

Nikolai fühlte, wie die Finger seiner freien Hand mit dem seltsamen Verlangen zuckten, das dichte Haar aus Parkers Gesicht zu streichen. Hm. Ich habe ein solches Verlangen noch nie zuvor gespürt. Er stellte sein Bier neben seinen Teller und den Scotch und wartete auf sie.

Als Parker in seine Richtung schaute, bemerkte Nikolai, wie sich die haselnussbraunen Augen des breitschultrigen Wandlers ein wenig weiteten.

Interessant.

In diesem Moment erinnerte Nikolai sich an einen der Unterschiede zwischen Vampiren und Wandlern. Ein Wandler erkannte seinen Gefährten am Geruch. Hatte Parker gerade einen Hauch von seinem Geruch aufgefangen?

Nikolai entschied, dass dies die perfekte Gelegenheit war, sich umzusehen und es herauszufinden. Er musste wissen, welcher der beiden Wandler dieses verlockende Blut hatte. Dann würde er einen Weg finden, es zu kosten.

„Was kann ich euch beiden bringen, während ich hier hinten bin?“, fragte Nikolai und zog die Aufmerksamkeit von Leopold auf sich.

Leopold hörte endlich auf zu reden und konzentrierte sich auf ihn. „Hey, danke, Mann“, antwortete er, legte seine linke Hand auf die Theke und beugte sich zu ihm. Er streckte die rechte Hand aus. „Ich bin Leopold Caldwell. Nenn mich Leo.“

Da er wusste, dass es unhöflich wäre zu sagen ich weiß, nahm Nikolai die Hand des Wandlers und drückte sie für einen Augenblick, bevor er sie losließ. „Leo“, antwortete er. „Ich bin Nikolai Kuznetsov.“ Er musste grinsen und fuhr fort: „Aber das wusstest du wahrscheinlich schon.“

Leo nickte grinsend. „Das habe ich mir gedacht.“ Er zwinkerte, als er sich vorbeugte. „Ihr Brüder habt alle eine gewisse Ähnlichkeit miteinander.“

Da Leo sich so weit zu ihm beugte, konnte Nikolai seinen moschusartigen, männlichen Geruch leicht wahrnehmen. Er witterte das Blut des Wandlers und erkannte, dass es nicht der Duft war, der zuvor seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er blickte in Richtung des anderen Wandlers und bemerkte, dass der Mann etwas Abstand von der Bar hielt.

Seltsam.

„Was kann ich euch beiden servieren?“, fragte Nikolai erneut und warf einen Blick zwischen den Männern hin und her. „Bier, Wein, Spirituosen?“ Er lächelte dünn. „Mein Bruder hat die Bar gut gefüllt.“

Leo lachte. „Welcher?“

„Ist das wichtig?“ Die Frage war aus Nikolais Mund, bevor er seine Worte zensieren konnte. „Zakhar kauft normalerweise ein.“

„Und kocht.“ Parker sprach zum ersten Mal, seine Stimme war ein sanfter Tenor. „Ausgezeichnet sogar“, fuhr er fort und machte schließlich den letzten Schritt, um an die Bar zu treten. Ein Lächeln, das fast traurig wirkte, umspielte seine Lippen. „Es ist lange her, dass ich Garnelen-Kabobs hatte, die so wunderbar gewürzt waren wie die, die Zakhar macht.“

Parkers Duft füllte Nikolais Nase. Er spürte, wie die Haare in seinem Nacken zu Berge standen, als sich sein Blut erhitzte. Sein Schwanz verdickte sich in seiner Jeans.

Dann drangen Parkers Worte zu ihm durch, sein Lob für Zakhar, und löste eine weitere Reaktion aus. Ein Schauer lief Nikolai den Rücken hinunter, als er seine Empfindungen katalogisierte. Eifersucht. Gereiztheit. Der Drang, Zakhar zu jagen und ihn dafür zu schlagen, dass er Parker mit leckerem Essen versorgte.

Scheiße.

Könnte dieser große Wandler mit der leisen Stimme tatsächlich mein Geliebter sein?

Nikolai würde zwar bereitwillig zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wie er mit anderen Leuten als seinen Familienmitgliedern umgehen sollte, aber er konnte nicht leugnen, dass er Parkers Blut wollte … und zwar unbedingt.

Was wird nötig sein, um es zu bekommen?

Kapitel 2

Parker Jones wollte sich umdrehen und gehen … aber er konnte es nicht. Nicht ohne auf sich aufmerksam zu machen und jeden Wolfswandler vor Ort dazu zu veranlassen, ihm Fragen zu stellen. Stattdessen betete er, dass die Vielzahl der Düfte – von Vampiren über Wandler bis hin zu Menschen – seinen unerwartet erregten Zustand verbergen würde.

Als der große, massige Vampir vorhin an dem Pokertisch vorbeigegangen war, wo Parker saß, und er den Duft des Mannes wahrgenommen hatte, hätte er fast stöhnt. Der Duft des Vampirs war berauschend – ein wenig bitter mit einem darunter liegenden Hauch von männlichem Moschus. Er war innerhalb von Sekunden steinhart geworden.

Parker hatte gespürt, wie der Blick des Mannes über den Tisch wanderte und sich auf seine Karten konzentriert, ohne sie wirklich zu sehen. Seine Gedanken rasten. Er wollte die Zeichen nicht akzeptieren.

Ich will meinen Gefährten jetzt nicht finden.

Als der Vampir weitergegangen war, verspürte Parker eine merkwürdige Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Letzteres ignorierte er völlig. Stattdessen hatte er sein Bestes getan, um es aus seinen Gedanken zu verbannen.

Vielleicht hat der Vampir mich nicht gerochen.

Parker wusste nicht, wann der Vampir von seinem Treffen mit Jared Templeton auf der Veranda zurückgekehrt war. Hätte er es gewusst, wäre er nicht mit Leos Vorschlag einverstanden gewesen, sich die Beine zu vertreten und noch einen Drink zu holen. Er hätte sich entschuldigt und wäre gegangen.

Zu spät erkannte Parker, dass der Vampir zurückgekehrt war und sich bereits an der Bar befand. Zu sehen, wie Leo den Mann berührte und lachte, die Interaktion mit ihm, ließ einen Samen der Eifersucht in seinem Inneren keimen. Dem folgten sofort Schuldgefühle.

Parker wusste, dass er nicht einfach weggehen konnte und tat daher, was er immer tat. Er verbarg, was er wirklich fühlte und tat, als wäre alles in Ordnung. Nach dem letzten Schritt in Richtung der Bar ließ er sich auf das Gespräch ein und lobte Zakhars Kochkünste.

Vielleicht, wenn ich mich auf einen anderen Bruder konzentriere …

Nikolai Kuznetsov streckte ihm die Hand entgegen. „Wenn ich mich richtig an die Gesichter erinnere, bist du Parker Jones. Da?“

Parker konnte nicht behaupten, dass er überrascht war, dass Nikolai wusste, wer er war. Immerhin war der Mann der Zweite des kleinen Vampir-Zirkels. Das bedeutete, er war nicht nur der zweitälteste Bruder, sondern auch der zweite in der Befehlskette des Zirkels. Zu seinen Aufgaben gehört es, jeden zu kennen, der in ihr Territorium kam.

Aus Instinkt griff Parker nach Nikolais Hand und sagte: „Ja, ich bin Parker Jones.“ Er spürte sofort ein leichtes Kribbeln auf seiner Handfläche.

Als Parker seine Hand wegziehen wollte, verstärkte Nikolai seinen Griff und weigerte sich, ihn loszulassen. Seine hellbraunen Augen verengten sich, als er seinen Blick über Parkers Gesicht schweifen ließ. Mit seinem Daumen rieb er sanft die Innenseite von Parkers Handgelenk.

„Es ist sehr schön, dich kennenzulernen, Parker“, sagte Nikolai mit tiefer Stimme und einem leichten russischen Akzent, der ihn exotisch klingen ließ. „Ich habe gleich ein Treffen mit Jared, aber wenn ich mit ihm fertig bin, möchte ich mich mit dir zusammensetzen. Wir müssen etwas besprechen.“ Seine hellen Augen verdunkelten sich ein wenig, zeigten einen Hauch von Rot. „Etwas Persönliches, von dem ich weiß, dass wir es beide mögen würden.“

Parkers Mund klappte auf und sein Blut erhitzte sich in seinen Adern. Sein Schwanz zuckte hinter seinem Reißverschluss. Er wusste genau, was Nikolai vorschlug. Während sein Körper schrie, dass er ganz dafür war, weigerte sich sein Verstand dagegen.

Das Bild seines verstorbenen Mannes Donnie schoss ihm durch den Kopf.

„Verdammt, Parker“, neckte Leo und stieß mit der Hüfte gegen seine. „Sehr direkt, nicht wahr?“

Parker klappte den Mund zu, als er zu seinem Freund sah. Leos Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen und seine haselnussbraunen Augen funkelten. Der Gesichtsausdruck des anderen Wandler sagte deutlich mach schon. Parkers Wolf knurrte eifrig in seinem Hinterkopf und drängte ihn, dasselbe zu tun.

Parker ignorierte sie beide und konzentrierte sich wieder auf Nikolai. Er sah, wie sich der Vampir für einen Moment auf seinen Hals konzentrierte, dann sah er ihm wieder in die Augen. Erwartung zeigte sich in seinem lustvollen Blick.

Schließlich gelang es Parker, seine Hand aus Nikolais Griff zu befreien. „Ähm, ich fühle mich geschmeichelt, Nikolai“, murmelte er. „Aber ich kann dein Angebot nicht annehmen. Und ich brauche kein Getränk“, fügte er hinzu und beantwortete die frühere Frage des Mannes. „Ich wollte gerade gehen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. „Ich habe heute Abend genug Geld verloren.“

Nikolai hob das Kinn. Seine Nasenflügel flatterten. Er legte die Hand auf die Theke und nickte langsam. „Ich verstehe“, grollte er. „Es tut mir wirklich leid, das zu hören, Parker.“ Sein Lächeln wurde räuberisch, als er seinen Blick kühn über seinen Oberkörper wandern ließ. „Dann werde ich mir Gedanken darüber machen, wie ich deine Meinung ändern kann.“

Bevor Parker sich eine Antwort überlegen konnte, wandte Nikolai seine Aufmerksamkeit auf Leo. „Kann ich dir einen Drink machen, bevor ich gehe, Leo?“

„Äh, ein Bud Light wäre toll“, antwortete Leo. Sein Ton war verwirrt und besorgt. Als Nikolai ihm das Getränk reichte, dankte er ihm.

Nikolai nickte und zog dann seine Brieftasche aus der Gesäßtasche. Er zog eine Karte heraus und hielt sie Parker hin. „Nimm das“, befahl Nikolai fest, seine hellbraunen Augen glitzerten. „Und solltest du deine Meinung ändern, bevor wir uns wiedersehen, ruf mich an.“

Parker reagierte auf den Befehl des Alpha-Mannes und nahm die Karte entgegen. Er warf einen Blick darauf und sah den Namen und die Nummer des Mannes, aber sonst nichts. Ein Anflug von Eifersucht durchfuhr ihn, als er sich fragte, wie viele dieser Karten Nikolai zur Hand hatte.

Scheiße! Darüber sollte ich mir keine Gedanken machen.

Bevor Parkers Gehirn alles verarbeiten konnte, was sich in ihm regte, fühlte er eine warme, schwielige Hand auf seinem Oberarm. Er drehte den Kopf und entdeckte, dass Nikolai direkt neben ihm stand. Irgendwie hatte der Vampir die Bar umrundet und war neben ihn getreten, ohne dass Parker es bemerkt hatte.

Nikolais Griff war leicht, aber fest auf seinem Arm. Mit der anderen Hand umfasste er Parkers Kinn. Er beugte sich vor und brachte seinen Mund neben Parkers Ohr.

„Irgendwann wirst du es dir anders überlegen, Parker Jones“, flüsterte Nikolai leise. „Ich freue mich auf diesen Moment.“

Als Nikolai aufgehört hatte zu sprechen, leckte er über Parkers Hals nach unten und ließ darauf ein Kratzen seiner Reißzähne zurück nach oben folgen. Nikolai erreichte wieder sein Ohr und saugte an dem Ohrläppchen.

Parker zitterte im Griff des größeren Mannes. Seine Augenlider sanken auf Halbmast, während ein Kribbeln seinen Hals hinunter tanzte. An seinen Oberarmen brach Gänsehaut aus.

Plötzlich fiel es Parker schwer zu atmen. Er keuchte leise. Auch wenn er das lustvolle Wimmern zurückhielt, tropfte sein Schwanz in seiner Jeans, und seine Eier zogen sich zusammen.

Nikolai ließ sein Ohr los und kratzte dabei mit einem Fangzahn darüber. „Das ist so ein hübscher Laut“, murmelte er. „Ich freue mich darauf, mehr davon zu hören.“

Parker fand es schwer zu denken, da sein Körper vor Verlangen beinahe vibrierte. Der Mund des Vampirs auf ihm verursachte einen Aufruhr von Empfindungen, die durch ihn rasten. Seine Brustwarzen waren hart, und seine Brust hob sich bei jedem Atemzug schwer. Er konnte sich so leicht vorstellen, wie angenehm es wäre, sich von diesem Mann hinreißen zu lassen.

Parker liebte jede Sekunde … und hasste es.

Er drückte gegen Nikolais Brust – er war sich nicht einmal sicher, wann er seine Hände dort hingelegt hatte – und zwang den Vampir einen Schritt zurück. Nikolais Augen leuchteten rot, als er auf ihn herabblickte. Tiefe Linien der Lust verzogen seine schmalen Lippen zu einem raubtierhaften Lächeln. Seine Erregung tränkte die Luft zwischen ihnen, und Parker wusste, wenn er nach unten sah, würde er ihre Erektionen deutlich unter dem Stoff abgezeichnet erkennen können.

„I-ich habe n-nein gesagt“, stotterte Parker. Seine Stimme klang angespannt, sogar in seinen eigenen Ohren. „Nein.“ Beim zweiten Mal war es nicht fester, aber er brachte das Wort zumindest klar heraus.

Nikolai ließ ihn sofort los.

Parker hasste es, wie sehr er die Berührung des Vampirs vermisste.

„Das hast du“, antwortete Nikolai rau. Er blinzelte ein, zwei Mal, dann war das Rot verschwunden. Seine Gesichtszüge glätteten sich, sein Lächeln wurde leer. „Ich werde dich wiedersehen, Parker.“

Nikolais Worte klangen wie ein Versprechen. Dann drehte er sich um und nahm seinen Teller mit Essen mit einer Hand und die Getränke mit der anderen. Nikolai nickte Leo zu und ging auf die Tür zu, die zur Veranda führte.

Parker wandte sich von Nikolais Gestalt ab und legte beide Handflächen auf die Theke. Er senkte den Kopf und konzentrierte sich nur darauf, seinen rasenden Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es dauerte länger, als ihm lieb war.

Als ein kaltes Glas gegen seine Finger stieß, hob Parker den Kopf. Er sah das Glas voller klarer Flüssigkeit sah, nahm es und trank es aus. Er hätte beinahe gewürgt, als ihm klar wurde, dass es kein Wasser war, sondern Wodka.

Parker schluckte, während er Leo über die Bar hinweg anstarrte. Sein Freund beobachtete ihn mit einem besorgten Gesichtsausdruck, hielt dabei sein eigenes Bier zwischen den Handflächen.

Parker schnappte nach genug Luft, um etwas zu sagen, und stieß hervor: „Hättest mich warnen können.“

„Warum?“, antwortete Leo sanft. „Damit du ablehnst? Mir sagst, dass du nach Hause gehst? In ein leeres Haus, das du praktisch in einen Schrein für deinen verstorbenen Ehemann verwandelt hast?“

Ein leises Knurren kam aus Parkers Kehle. Er starrte den Mann an, mit dem er seit einhundert siebenundzwanzig Jahren befreundet war. „Halt den Mund, Leo“, knurrte er. „Bevor ich dir helfe, ihn zu schließen.“

Leo seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du Donnie geliebt hast, Parker“, flüsterte er. „Aber du würdigst sein Andenken nicht, indem du dich verschließt. Was ist aus deinem Versprechen an ihn geworden? Du hast versprochen, bereit zu sein, mit deinem Leben weiterzumachen und ein gewisses Maß an Glück zu finden.“

„Und das werde ich“, schnappte Parker. Er hasste es, an das Versprechen erinnert zu werden, zu dem sein Mensch ihn gezwungen hatte. Es abzulehnen war nicht in Frage gekommen. Er hätte alles getan oder gesagt, um seinem Geliebten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, bevor der Krebs ihn überwältigt hatte. Leider hatte Leo das Gespräch mitgehört. „Wenn ich verdammt nochmal bereit dazu bin.“

Parker war weniger als zwei Jahrhunderte alt. Er hatte noch viel Zeit, um sich wieder unter die Leute zu mischen. Seinen Gefährten zu treffen, änderte nichts daran. Er brauchte nur mehr Zeit.

Leo runzelte die Stirn und betrachtete ihn. „Hast du überhaupt mal Sex gehabt, seit Donnie gestorben ist?“, fragte er unverblümt. „Ich wette, das hast du nicht.“ Er deutete in die Richtung, in die Nikolai gegangen war. „Was zum Teufel wäre so falsch daran, Nikolais Angebot anzunehmen? Der Biss eines Vampirs ist verdammt angenehm.“

„Woher zum Teufel weißt du das?“, fragte Parker, bevor er seine Zunge kontrollieren konnte.

Als Parker Leos Grinsen sah, fühlte er sich plötzlich unwohl. Er sprach mit seinem Freund normalerweise nicht über Sex. Hauptsächlich, weil er nicht die Art von Vortrag hören wollte, den er gerade gehalten bekam.

„Ich genieße gelegentliche Treffen mit einer gewissen Vampirin im Haus“, erklärte Leo. „Sie ist unglaublich biegsam, es ist völlig unverbindlich, und ihr Biss ist verdammt fantastisch.“ Leise lachend fügte er hinzu: „Da du offensichtlich die Möglichkeit hast, es selbst zu erleben, empfehle ich dir wärmstens, es auszuprobieren.“

Parker spürte, wie sein Gesicht heiß wurde, als er von Leos Aktivitäten hörte. Obwohl sein Freund es wunderbar klingen ließ und es das für ihn vielleicht auch war, wusste er, dass dies nicht das war, wozu er mit Nikolai gezwungen sein würde. Der große Vampir war sein Gefährte. Das Schicksal zwang sie dazu, zusammen zu sein. Daran war nichts Unverbindliches.

Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung.

„Ich muss gehen“, flüsterte Parker und Hitze stieg ihm ins Gesicht. Er wollte das nicht mehr mit Leo besprechen. Obwohl der Mann sich geirrt hatte, dass er seit Donnies Tod keinen Sex mehr gehabt hatte, würde er ihn nicht korrigieren. Er teilte diese Seite mit niemandem außer – „Ich, ähm, ich habe morgen Nachmittag eine freiwillige Schicht im Feuerwehrhaus“, erklärte Parker, der das Gespräch beenden wollte. „Ich will nicht zu verkatert sein, um dort anzutreten.“

Leo seufzte. „Okay.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust, während er mit dem Kinn in Richtung des Glases Wodka deutete, das Parker gerade ausgetrunken hatte. „Bist du fit genug, um zu fahren?“

Schnaubend nickte Parker. Er fühlte sich endlich mehr wie er selbst. „Ja, Mann“, antwortete er. „Abgesehen von dem Wodka, mit dem du mich überrascht hast, habe ich beim Pokerspielen nur zwei Bier getrunken.“ Er zwang sich zu einem Lächeln, als er sich über die Theke beugte, damit er Leo auf die Schulter klopfen konnte. „Man muss unseren Wandler-Stoffwechsel einfach lieben.“

Meistens jedenfalls.

Leo nickte zurück und ging um die Bar herum. „Fahr vorsichtig, Mann, und denk über das nach, was ich gesagt habe“, ermutigte er.

„Das werde ich“, antwortete Parker pflichtbewusst. „Und hör auf, dir Sorgen um mich und mein Sexualleben zu machen.“ Er runzelte die Stirn. „Das ist gruselig.“

Leo schnaubte. „Ja, richtig.“ Er lächelte Parker schief an. „Wenn ich dich nicht von Zeit zu Zeit aus dem Haus zerren würde, wer würde es dann tun?“

Parker verdrehte die Augen. „Ich gehe viel raus.“

„Freiwilligenarbeit im Feuerwehrhaus zählt nicht“, konterte Leo und ging mit ihm zur Flurtür. „Das ist Arbeit.“

„Bullshit“, witzelte Parker gleich zurück. „Es zählt wohl.“

Leo schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er tätschelte ihm die Schulter und blieb an der Tür stehen. „Am Samstagabend wird bei Michel gegrillt. Ich schleppe dich hin. Wir werden Laufen gehen.“

Parker hätte sich fast geweigert. Aber ich habe meinen Wolf schon lange nicht mehr rausgelassen. Er nickte. „Okay“, räumte er ein. „Ich könnte einen guten Lauf vertragen.“

Außerdem wusste Parker, dass jegliches Treffen bei Michel im kleinen Rahmen sein würde. Der alternde Wolfswandler versteckte sich derzeit mit seinem jungen Gefährten im Wald, weil er seine Identität neu erfinden musste. Michel veranstaltete einige Zusammenkünfte mit seinem kleinen Freundeskreis, um seinen Wolf bei Laune zu halten und mit dem Rudel in Kontakt zu bleiben.

Parker wusste, dass Leo gerade erst angefangen hatte, mit der Gruppe abzuhängen. Das lag daran, dass der Gefährte von Leos Bruder – Luther war sein Bruder und Deke sein Gefährte – von Michel und seinen Freunden vor einem Ex-Freund gerettet worden war, der ihn misshandelt hatte. Jetzt hingen alle drei, sowie Luthers Tochter Stephani mit ihnen rum.

Vielleicht war es das, was Parker brauchte. Mit Wandlern rumhängen zu können, die Donnie nicht kannten und ihn nicht behandelten, als bestünde er aus Glas.

Nikolai hat mich sicher nicht so behandelt.

Parker verdrängte den Gedanken und ging den Flur entlang zum Ausgang des Vampir-Anwesens. Er rief Leo über die Schulter zu, ihm die Abfahrtszeit zu schreiben, und eilte dann aus dem Haus. Er blieb auf der Vordertreppe stehen und atmete die kühle, frische Abendluft ein.

Parker wusste, dass er mit seinem Leben weitermachen musste. Im Kopf verstand er das. Als er in den Jeep stieg, den er mit Donnie geteilt hatte, sich auf dem bequemen Sitz niederließ und in Richtung des Hauses fuhr, das er mit dem Menschen geteilt hatte, schmerzte sein Herz ein wenig in seiner Brust.

Ich weiß nur nicht wie.

Kapitel 3

„Was hast du gerade gesagt?“

Nikolai hob eine Braue, als er Zakhar in die Augen blickte. Der Mund seines Bruders stand offen und drückte seine Überraschung aus. Als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, bemerkte er ähnliche verdutzte Reaktionen auf den Gesichtern seiner anderen Geschwister.

Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Messer, mit dem er einen Splitter aus seinem Finger gepult hatte, und kommentierte milde: „Warum genau ist es eine so schockierende Nachricht, dass ich meinen Geliebten gefunden haben könnte?“

Nachdem sich Nikolai am Abend zuvor mit Jared zusammengesetzt hatte, hatte er vorgehabt, Borscht beiseite zu nehmen und ihm von dem Anliegen des Menschen zu erzählen. Leider hatte bei seiner Rückkehr zur Pokerparty nicht nur Parker seine Ankündigung wahrgemacht, dass er gehen würde, sondern Borscht hatte sich ebenfalls zurückgezogen. Vadim hatte Nikolai erzählt, dass ihr älterer Bruder von Sekani abgelenkt worden war und mit seinem Geliebten gegangen war.

Also musste Nikolai bis zum nächsten Morgen warten, um alles zu berichten.

Borscht hatte ihre Familie nach dem Mittagessen versammelt. Nikolai hatte allen von Jareds Wunsch erzählt, nicht nur das Hauptquartier von LeReux lahmzulegen, sondern auch gleichzeitig einen gewissen General Jackson Parker von einer Militärbasis zu entführen, die sie finanzierte. Offensichtlich hielt es Jared für am zweckmäßigsten und sichersten, die Wachen des Generals mit Messern auszuschalten. Er behauptete, er würde es selbst tun, aber seine Fähigkeiten waren erforderlich, um die Sicherheitssysteme der Forschungsanlage auszuschalten.

Sie hatten über den Sinn einer Beteiligung an diesem Kampf diskutiert, aber Nikolai war des Geredes überdrüssig geworden, also war er damit herausgeplatzt, dass er glaubte, seinen Geliebten gefunden zu haben.

Damit war das Gespräch verdammt schnell ruhiger geworden.

„Äh, ich denke, es ist die Vorstellung, dass du versuchst, einen Menschen zu umwerben, die wir alle, äh …“ Zakhar sah sich um und tauschte Blicke mit Nikolais Geschwistern aus, die nickten. „Wo hast du sie überhaupt getroffen, äh, oder ihn?“, korrigierte er sich schnell und warf einen Blick auf ihren Bruder Aleksei und dessen menschlichen Geliebten Remy.

„Ich habe Parker Jones gestern Abend hier getroffen“, sagte Nikolai zu seiner Familie. „Er ist ein Wolfswandler.“

Nachdem er den Splitter aus seinem Finger herausbekommen hatte, lehnte Nikolai sich nach links, so dass er sein Messer in die Scheide an seinem rechten Oberschenkel schieben konnte. Während er sich wieder in eine bequeme Position bewegte, dachte er darüber nach, dass er sich den Splitter am Abend zuvor bei dem Sprung über das Geländer eingefangen haben musste. Er nahm sich vor, das Geländer zu überprüfen … um zu sehen, wo es möglicherweise abgeschliffen werden musste, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden.

„Du hast ihn gestern Abend getroffen?“, grollte Vadim und fuhr sich mit einer Hand durch sein schulterlanges, dunkelbraunes Haar. Seine tiefgrünen Augen verengten sich besorgt. „Was? Versteckt er sich in deinem Zimmer oder so?“

Nyet“, verneinte Nikolai. „Er … kämpft dagegen an. Ich konnte seine Erregung riechen, fühlte, wie sein Körper vor Verlangen vibrierte, aber … etwas hält ihn zurück.“

Nikolai ging seine Interaktion mit Parker schnell in Gedanken durch. Sicherlich hätten Sex und Blut leicht für sie zu regeln sein sollen. Was könnte also das Problem des Wandlers sein?

„Ein Wandler kämpft dagegen an, dich als seinen Gefährten zu nehmen“, murmelte Zakhar, seine Lippen zu einem schiefen Lächeln verzogen. „Was für eine Überraschung.“

Nikolai knurrte tief in seiner Kehle und zog erneut seine Klinge. Mit einer raschen Bewegung aus dem Handgelenk ließ er die Waffe auf seinen Bruder zuschießen. Die Klinge landete in der Armlehne des Stuhls, Zentimeter von der Stelle entfernt, an der Zakhars Hand ruhte.

Als Nikolai Zakhars geweitete, hellgraue Augen sah, verzog er die Lippen. „Ich finde deinen Kommentar nicht witzig.“, knurrte er leise und funkelte seinen Bruder an. „Ich weiß, ich bin kein besonders guter Fang, aber ich bin kein Arschloch. Ich werde dafür sorgen, dass Parker gut aufgehoben ist.“

Borscht seufzte leise und fuhr sich mit der Hand über den Kiefer. „Ich bin sicher, das hat Zakhar nicht gemeint“, vermutet er. „Versuche bitte, unseren Bruder in deiner sexuellen Frustration nicht zu durchlöchern.“

„Ich bin nicht sexuell frustriert … noch nicht“, behauptete Nikolai. Er schnaubte. „Außerdem war das nur ein Warnschuss.“ Er lächelte Zakhar kalt an. „Und ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass aus dir die Eifersucht sprichst. Parker ist ein verdammt ansehnliches Wolfswandler-Exemplar.“

„Wie auch immer“, unterbrach Borscht ihn. „Ich gehe davon aus, dass du uns das erzählt hast, weil du in irgendeiner Weise Hilfe benötigst.“ Er legte den Kopf schief und fuhr fort: „Was brauchst du?“

„Die Erlaubnis, Alpha Declan McIntire zu kontaktieren“, erklärte Nikolai. „Ich werde meine Annahme erläutern und um Zugang zu seinem Territorium fragen, sowie Informationen darüber, mit wem ich sprechen sollte, der die größte Hilfe wäre, um mehr über Parker zu erfahren.“ Nikolai grinste breit, zufrieden mit seinem Plan, „Wissen ist Macht. Ich muss mehr über den Wandler wissen, damit ich entscheiden kann, wie ich meine Fähigkeiten am besten einsetzen kann, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.“

Borscht nickte sofort. „Du weißt, ich würde niemals etwas tun, um dich von deinem Geliebten fernzuhalten, Nikolai“, sagte er. „Meine einzige Mahnung lautet, mit Folgendem im Sinn vorzugehen: Parker Jones ist ein Mann. Er hat Gedanken und Gefühle. Er ist kein Ziel, das erreicht werden muss.“ Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen, als er erinnerte: „Es könnte einen Grund geben, warum er gestern Abend nicht auf deine Avancen eingegangen ist. Du musst diese Gründe berücksichtigen, wenn du ihm nachstellst.“

Nikolai gefiel es weder besonders, was Borscht sagte, noch was er andeutete. Trotzdem wusste er, dass es wahr war. Er konnte ein wenig … zu zielstrebig werden, wenn er etwas anstrebte, von dem er dachte, dass er es brauchte. Normalerweise war dies, weil Nikolai die Sicherheit seiner Familie im Sinn hatte. Jetzt musste er daran denken, dass Parkers Sicherheit … und sein Glück … ebenfalls an erster Stelle standen.

„Das werde ich mir merken“, schwor Nikolai. „Ich bin schließlich ein Vampir“, betonte er. „Ich will nur das Beste für meinen Geliebten.“

„Dann hast du schon entschieden, dass er zu dir gehört?“

Seinen Fokus auf Vadim richtend, nickte Nikolai einmal. „Ich habe sein Blut nicht geschmeckt, aber der Schweiß an seinem Hals und Ohr war Bestätigung genug.“

In Wahrheit hätte Nikolai fast die Kontrolle verloren und seine Reißzähne in der pochenden Ader des Wandlers versenkt. Bei dem Geruch von Parkers Erregung und dem berauschenden Sirenenruf seines Blutes hätte Nikolai sich fast nicht zurückhalten können, als Parker nein sagte. Deshalb hatte er den Mann so schnell stehen gelassen … bevor er sich seinem Verlangen hingegeben und etwas getan hätte, das er bereuen würde.

„Nun dann“, brummte Borscht und stand auf. „Am besten rufst du Alpha Declan an, während ich Jared Templeton anrufe.“ Ein Muskel spannte sich für ein paar Sekunden in seinem Kiefer an, bevor er fortfuhr: „Anscheinend müssen wir beide wichtige Anrufe tätigen.“

Nachdem Borscht seinen Geschwistern zugenickt hatte, ging er aus dem Raum.

Nikolai fragte sich, ob Borscht zuerst zu Sekani gehen würde. All das Gerede über die Wissenschaftler musste sein Bedürfnis, seinen kleinen Nilflughund-Wandler in Sicherheit zu wissen, wecken. Zur Hölle, Nikolai hatte Parker erst am Vorabend getroffen und er verspürte den seltsamen Drang, seine Telefonnummer herauszufinden und ihn anzurufen.

Stattdessen verließ Nikolai die große Lounge und ging zu seinen Räumlichkeiten. Er hatte gerade die Treppe erreicht, als er hörte, wie Zakhar seinen Namen rief. Er hielt inne und drehte sich um, sah, wie sein Bruder auf ihn zu lief.

Zakhar hielt ihm sein Messer hin, und Nikolai nahm es entgegen. „Ich entschuldige mich“, murmelte sein Bruder und verzog das Gesicht. „Du hast recht. Ich bin ein bisschen eifersüchtig. Parker ist ein heißer Typ, süß, ruhig und leise. Und ich will ehrlich sein: Ich glaube nicht, dass er richtig für dich ist.“ Als Nikolai die Augen verengte und seinen Bruder finster ansah, hob Zakhar beschwichtigend die Hände. „Ich sage nicht, dass ich versuchen werde, deine Beziehung zu sabotieren oder irgendetwas in der Art“, fügte er hinzu und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich mache nur das, was wir mit Aleksei gemacht haben, als er anfing, Remy zu umwerben. Bring ihn nicht durcheinander. Er ist dein Geliebter. Deine Aufgabe ist es, ihn und seine Eigenarten zu akzeptieren und herauszufinden, wie du mit ihnen umzugehen hast.“

Nikolai hob eine Braue und dachte über die Worte seines Bruders nach. Er hasste es, in Frage gestellt zu werden. Trotzdem war es schön, dass jemand aus seiner Familie auf Parkers Bedürfnisse achtete. Außer ihm selbst, natürlich.

Außerdem erinnerte sich Nikolai an all die Scheiße, die sie Aleksei gesagt hatten, als ihr Bruder enthüllte, dass Remy sein Geliebter war. Wenn er darüber nachdachte, erinnerte er sich auch daran, dass sein Bruder für seine bigotten Ansichten bekannt gewesen war. Darüber hinaus war Remy ein lebhafter, selbstbewusster schwuler Mann.

Der einzige Grund, warum sie Aleksei gewarnt hatten, war, dass sie nicht wollten, dass ihr Bruder seinen Geliebten mit seinen gedankenlosen Worten vertrieb.

Nikolai erinnerte sich auch an das Angebot, Remy zu töten. Wahrscheinlich nicht sein bester Moment, aber Alekseis Interessen lagen ihm am Herzen. Wenn sein Bruder seinen Geliebten abgelehnt hätte, wäre Aleksei nur dann in der Lage gewesen zu überleben, wenn sein Geliebter es nicht getan hätte.

Glücklicherweise war es nicht nötig gewesen, dass Nikolai diesen Mord beging.

„Danke für deine Worte, Zakhar“, antwortete Nikolai leise. „Es ist … schön zu wissen, dass mein Bruder an meinen Geliebten denkt.“

„Du weißt, wir stehen hinter dir, Niko“, flüsterte Zakhar und zog die Brauen zusammen. „Ich hatte letzte Nacht die Gelegenheit, ein bisschen mit Parker zu reden. Er ist … empfindlich.“ Er räusperte sich, warf einen Blick auf den Boden und konzentrierte sich wieder auf Nikolai. „Du wirst eine sanfte Hand brauchen, Bruder. Ich dachte nur, du solltest es wissen.“

Nikolai nickte langsam. Er hatte den Teil mit ruhig und leise mitbekommen, setzte empfindlich aber mit schreckhaft … oder misstrauisch gleich. Zum Teufel, vielleicht hatte der Mann sogar von Nikolais weniger üblichen Leidenschaft für Messer und Blut gehört. Immerhin war er ein Vampir.

Zakhars Worte veranlassten ihn jedoch, sich zu fragen, ob sein erster Eindruck falsch gewesen war. Das passierte bekannterweise … hin und wieder.

„Danke, Zakhar“, sagte Nikolai. „Das werde ich mir merken.“

Zakhar nickte, drehte sich um und ging den Flur entlang.

Nikolai drehte sich um und ging die Treppe hinauf. Er betrat seine Suite und ließ sich auf einem kleinen Sofa nieder, nachdem er sein Handy vom Gürtel genommen hatte. Er starrte in den leeren Kamin, erwog, ein Feuer zu machen, und verwarf die Idee.

Er zögerte es hinaus.

Nikolai hob sein Handy hoch, entsperrte es und scrollte durch einige Optionen. Er fand seine Notizen und suchte Alpha Declans Nummer heraus. Nachdem er die Nummer gewählt hatte, führte er das Gerät an sein Ohr.

Nach drei Klingeltönen meldete sich eine tiefe Stimme mit irischem Akzent.

„Hier ist Declan McIntire. Wer ist da?“

„Sei gegrüßt, Alpha“, murmelte Nikolai. „Hier ist der Zweite Nikolai Kuznetsov.“ Es fühlte sich immer noch seltsam an, sich selbst als den Zweiten seines Zirkels zu bezeichnen. Vor dem Umzug in die Vereinigten Staaten war Aleksei der anerkannte Zweite gewesen – vor allem, weil er – abgesehen von seiner bigotten Haltung – objektiver und besonnener gewesen war. „Ich hoffe, du hast einen Moment Zeit, mit mir über Parker Jones zu sprechen.“

„Parker Jones“, sinnierte Declan langsam. „Jared hatte mir gesagt, dass er gestern Abend mit dir über unser … Problem sprechen würde. Parker ist nicht Teil davon.“

„Gut“, antwortete Nikolai sofort, fast vehement. „Ich würde ihn nirgendwo in der Nähe dieser Orte haben wollen.“

Scheiße! Wann habe ich das letzte Mal meine Gedanken so herausposaunt?

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739493176
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
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Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
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Titel: Knallharter Vampir gebraucht