Lade Inhalt...

Eine Rose für Pauls Beschützer

von Charlie Richards (Autor:in)
120 Seiten
Reihe: Ein liebevolles Biss-chen, Band 2

Zusammenfassung

Nur ein kleiner Liebesbiss: Manchmal ist die beste Familie die, die man selbst wählt. Vor ein paar Monaten bekam Jaymes Martinez, der Meister des Amarillo-Zirkels, vom Schicksal das bestmögliche Weihnachtsgeschenk. Er hat seinen Geliebten in dem jungen Menschen Paul Cosborn gefunden. Leider war Paul zu dem Zeitpunkt erst siebzehn, also kehrte Jaymes nach Hause zurück und tat sein Bestes, seinen Zirkel auf die Ankunft seines Geliebten vorzubereiten. Fast zwei Monate später ist Jaymes bereit, seinen Zug zu machen. Er überredet Daystrum, ebenfalls ein Vampir, der Paul für ihn im Auge behalten hatte, ihn auf die Ranch zu bringen, um ihn zu besuchen. Nach einer erotischen Begegnung mit Paul und einem ach so befriedigenden Biss wird sein Geliebter entführt. Kann Jaymes seinen vermissten Geliebten rechtzeitig finden, damit sie beide einen romantischen Valentinstag genießen können? Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Ein liebevolles Biss-chen ist ein Spin-Off der Reihe Die Wölfe von Stone Ridge. Die Reihen können unabhängig voneinander gelesen werden, dies idealerweise entsprechend der Nummerierung der Bände innerhalb der Reihe. Aufgrund der Überschneidungen innerhalb der verschiedenen Reihen, die in der Welt von Stone Ridge angesiedelt sind, empfiehlt es sich, die Bände entsprechend ihrer Reihenfolge innerhalb der gesamten Welt zu lesen. Eine Übersicht über die empfohlene Lesereihenfolge gibt es auf der Website von Me and the Muse Publishing. Länge: rund 29.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

„Morgen hat Paul Geburtstag“, sagte Jaymes leise.

„Was wirst du ihm schenken?“

Jaymes Martinez drehte sich um und lehnte sich gegen die Anrichte. Er lächelte Gypsum Vereen, den zweiten Befehlshaber seines Zirkels, an.

Gypsum war groß – ein Meter fünfundneunzig groß – und wie eine Ziegelmauer gebaut, mit breiten Schultern und Bergen von Muskeln. Er ritt einen verdammten Friesen bei der Rancharbeit. Der gewaltige Hengst mit einem Stockmaß von über einem Meter siebzig hasste die meisten Menschen, legte aggressiv die Ohren an und versuchte, jeden zu beißen, der zu nahe an seine Koppel kam. Trotzdem brachte das riesige Pferd durch Zuchtgebühren viel Geld ein.

Sie bildeten ein beeindruckendes Paar, wenn sie Vieh trieben. Es half, dass die Kühe nichts mit dem Pferd des Vampirs zu tun haben wollten … oder mit ihm.

„Ein Pferd“, gab Jaymes zu und beantwortete schließlich die Frage seines Freundes. Er kannte Gypsum seit fast eineinhalb Jahrhunderten, und daher erwartete er den verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes, besonders als er fortfuhr: „Es ist ein zwölfjähriger schwarz-weißer Araber-Wallach. Ich bin ihn einige Male geritten, sowohl auf dem Grundstück des Besitzers als auch auf Ausritten. Er scheint ein braver Junge zu sein. Er wird heute gebracht, damit er etwas Zeit hat, sich einzuleben, bevor Paul ankommt.“

Gypsum legte den Kopf schief und starrte auf den Boden. „Ich will dich nicht in Frage stellen, Jaymes“, sagte er langsam. Seine Brauen zogen sich zusammen, als er fortfuhr: „Aber haben wir nicht genug Pferde? Ich meine, wir züchten Quarter Horses und bilden sie für die Arbeit mit dem Vieh sowie fürs Reiten aus. Warum brauchen wir einen Araber?“

Jaymes gluckste leise. „Tun wir nicht.“

Gypsum hob seinen Blick und seine leicht geweiteten Augen drückten seine Überraschung aus. „Was meinst du damit?“

Grinsend ging Jaymes zum Sofa, setzte sich in die gegenüberliegende Ecke und spiegelte die Pose seines Zweiten wider. „Wir brauchen keinen Araber. Allerdings habe ich in den letzten zwei Monaten E-Mails mit Paul ausgetauscht“, verriet er.

Das Grinsen erwidernd, warf Gypsum neckend ein: „Nur E-Mails?“

„Ja“, bestätigte Jaymes und seufzte. „Ihn zu sehen, wäre … zu schwierig.“ Er verzog das Gesicht und unterdrückte ein Schaudern, als Erregung durch ihn schoss. Jaymes spürte, wie sich sein Schwanz verdickte, also grunzte er und rutschte unruhig auf dem Sofa herum. „Eine E-Mail zu lesen ist in Ordnung“, grummelte er und starrte seinen lachenden Freund an. „Wenn ich ihn sehen würde, müsste ich am Ende gegen den Drang ankämpfen, ihn zu jagen und zu beanspruchen.“

„Wirklich?“ Gypsum richtete sich auf und runzelte die Stirn. „Er ist so stark?“ Als ungebundener Vampir verstand er offensichtlich nicht, wie intensiv das Bedürfnis war, sich mit seinem Geliebten zu verbinden.

Jaymes grunzte und nickte. „Ich habe es einmal versucht“, gab er zu. „Und ja. Der Drang ist so stark.“

„Na, fick mich.“

Jaymes schnaubte und schüttelte den Kopf. „Nein, danke, mein Freund. Ich glaube, dass würde für uns beide nicht sehr gut sein.“

Gypsum knurrte und schnaubte. „Oh, halt die Klappe.“

Jaymes grinste und schätzte die Leichtigkeit. Er ließ die respektlosen Worte seines Zweiten durchgehen. Sie waren schließlich allein und hatten jahrelang gelernt, wann es in Ordnung war, ihre Meinung zu sagen und wann sie die Zirkel-Hierarchie respektieren mussten. Jaymes schätzte die Freundschaft mit Gypsum.

Jaymes fuhr mit seiner Geschichte fort und erklärte: „Wie auch immer, als ich unsere Zuchtprogramme erklärte, fragte Paul, ob wir Araber hätten.“

Jaymes lächelte und dachte an die extrem lange E-Mail von Paul. Er hatte endlos darüber geredet, dass er schwarz-weiße Pferde schon immer geliebt hatte. Dass er Araber so majestätisch fand mit ihren feinen Köpfen, den Ohren, die sich zueinander bogen, ihren langen schlanken Beinen und dem hochgereckten Schweif. Paul hatte irgendwann enthüllt, dass er davon träumte, eines Tages ein solches Pferd zu besitzen.

Jaymes hatte anderthalb Monate gebraucht, um einen schwarz-weißen Araber-Wallach zu finden, der die richtige Ausbildung hatte, um ihm seinen Geliebten anzuvertrauen. Er hatte immer noch vor, in den nächsten Tagen einige Stunden zu investieren, sobald das Tier hier war, um es an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Jaymes wusste, dass Paul das Geschenk lieben würde, aber er wollte auch die Sicherheit seines Geliebten gewährleisten.

„Wow, Jaymes“, kommentierte Gypsum. „Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal diese Seite von dir gesehen habe.“

Jaymes betrachtete den großen Blonden, der ihm gegenüber auf der Couch saß. Er schnaubte und schüttelte den Kopf über das breite, schmalzige Grinsen seines Freundes. Nachdem er einen Eiswürfel aus seinem Getränk gefischt hatte, warf er ihn nach dem anderen Vampir.

Gypsum wollte das Geschoss auffangen, es traf aber stattdessen seine Fingerspitzen. Der kleine Würfel prallte von seinen Fingern ab und flog durch die Luft. Als er auf dem Holzboden landete, rutschte er unter Jaymes’ Schreibtisch.

Jaymes grinste und winkte. „Holst du ihn?“

„Warum?“, grummelte Gypsum. „Du hast ihn geworfen.“

„Das habe ich“, antwortete Jaymes. „Und du hast es verdient.“ Er bemerkte, dass Gypsum den Schreibtisch säuerlich ansah und lachte. „Lass es. Ich werde es später aufwischen.“

„Wann kommt Paul?“, fragte Gypsum und wechselte unverhohlen das Thema. „Hast du schon ein festes Datum?“

Jaymes nickte. „Freitag.“

„Wirst du noch vier Tage überleben?“

„Ha, ha“, murmelte Jaymes. „Ich habe fast zwei Monate überlebt. Weitere vier Tage werden mich nicht töten.“

Gypsum nickte langsam. „Wie ist es so, aus einem Glas zu trinken?“

„Es ist beschissen“, antwortete Jaymes und verzog das Gesicht. „Es ist wie … metallbelastetes Brunnenwasser zu trinken. Schwer, und ein bitterer Geschmack“, grummelte er.

„Warum nimmst du es nicht einfach von einem Spender?“

Jaymes schaute auf den deutlich verwirrten Gesichtsausdruck von Gypsum. Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Wenn du deine besondere Person findest und sie nicht sofort für dich beanspruchen kannst, wirst du es verstehen“, sagte er. „Wenn man diesen besonderen Jemand erst einmal getroffen hat, fühlt es sich an, als würde man ihn betrügen, wenn man direkt von einem anderen Blut nimmt.“

Langsam nickte Gypsum. „Okay.“

Jaymes schnaubte und wusste, dass sein Freund es nicht verstand. Bevor er einen Weg finden konnte, es weiter zu erklären, obwohl er nicht sicher war, ob es etwas war, das er überhaupt angemessen beschreiben konnte, klopfte jemand an die Tür.

Gypsum stand auf und ging die ungefähr ein Dutzend Schritte zur Tür. Nachdem er den Kopf gesenkt und geschnüffelt hatte, streckte er die Hand aus und öffnete die Tür. Er trat zurück und enthüllte Madilyn Dozers, die Ärztin seines Zirkels.

Ohne sich zu erheben lächelte Jaymes die knapp über eins siebzig große, sehnige Frau an und winkte sie herein.

Madilyn lächelte und ging mit einem Tablett in den Raum und auf ihn zu. Die Vampirin stellte das Tablett auf den Couchtisch und setzte sich einen Fuß entfernt in den großen Sessel. Sie beugte sich vor, während sie ihren Blick über seine Gestalt schweifen ließ.

„Wie geht es dir?“, fragte sie.

Jaymes holte tief Luft und schätzte langsam seinen Körper ein. Er wusste, dass er langsamer geworden war. Er machte sich nicht die Mühe, in Richtung Gypsum zu schauen. Sein Zweiter wusste es auch, ebenso wie seine Vollstrecker Rhyme, Clarice und Murdock.

Falls nötig könnte Jaymes Wochen überstehen, ohne sich zu nähren. Leider war das nur der Fall, wenn er bei diesen seltenen Gelegenheiten Blut von guter Qualität direkt von der Quelle bekam. Das hatte er in den letzten Monaten nicht gekonnt.

Stattdessen hatte Jaymes ein Treffen seines inneren Kreises einberufen und seine Zirkel-Ärztin mit einbezogen. Er hatte erklärt, dass er seinen Geliebten gefunden hatte, und nachdem er einige Glückwünsche von denen erhalten hatte, die nicht mit ihm nach Albuquerque gegangen waren, hatte er ihnen von Paul erzählt.

Jaymes hatte erklärt, dass er Paul, da er minderjährig und verwaist war, in der Obhut eines … na ja, genau genommen nicht wirklich eines Erziehungsberechtigten, zurückgelassen hatte. Als Paul sich bei seiner Adoptivfamilie outete, reagierten der Vater, Jackson, und Caleb, sein leiblicher Sohn, nicht gut darauf. Caleb – ein, wie Jaymes herausgefunden hatte, verzogener Junge von fünfzehn Jahren, der schon mit viel Scheiße davongekommen war, weil sein Vater ein angesehener Anwalt war – hatte behauptet, Paul hätte Sachen mit ihm gemacht.

Jaymes war dankbar, dass Paul die Angelegenheit nicht allein hatte durchstehen müssen. Der junge Mensch war zu seinem großen Bruder Korbin gegangen – Paul war der kleine Bruder des Programms. Korbin hatte seinen neu entdeckten Geliebten, den Vampir Daystrum, benachrichtigt, und zusammen waren sie da gewesen, um ihm zu helfen.

Jetzt lebte Paul mit Korbin und Brock zusammen in einem großen Farmhaus, das sie mieteten. Täglich besuchte Daystrum sie und wartete höchstwahrscheinlich auf den Tag, an dem er Korbin überzeugen konnte, bei ihm auf seinem eigenen Vampiranwesen einzuziehen. Nach dem, was Jaymes gehört hatte, war Korbin nicht wohl dabei gewesen, Paul in einer für den Menschen so heiklen Zeit in eine neue Umgebung zu bringen.

Jaymes musste sich eingestehen, dass ihm die Vorstellung, dass Paul im Farmhaus blieb, besser gefiel, als dass er mit einem Haufen fremder Vampire zusammenlebte. Allein der Gedanke, dass ein anderer Vampir seine Zähne in seinen Geliebten versenkte, ließ ihn rot sehen. Indem Jaymes Paul auf die Ranch holte, konnte er hoffentlich sowohl seine eigenen Probleme als auch die von Daystrum lösen.

Daystrum gab Jaymes gelegentliche Updates und Paul erzählte ihm noch mehr in seinen E-Mails. Jaymes hatte fast das Gefühl, den Mann zu kennen.

Jaymes wusste, dass er immer noch ein Problem hatte: Paul wusste nichts von der Existenz der Vampire. Er hoffte aber, dass der Mensch ohne allzu große Panik damit fertig werden würde.

Jaymes würde alles in seiner Macht Stehende tun, um die Angst seines Geliebten zu lindern. Dazu gehörte auch, Daystrum – den Zweiten eines fremden Zirkels – und dessen Geliebten Korbin mit einzuladen, für einige Wochen bei seinen Leuten zu bleiben. Paul dachte, er würde nur Urlaub machen. Tatsächlich hatte der junge Mann sogar einen Job in einem Lebensmittelgeschäft in Aussicht, wenn er nach Hause zurückkehrte. Jaymes hatte aber die Absicht, Paul davon zu überzeugen, dass diese Ranch sein neues Zuhause sein würde.

„Sir?“, sagte Madilyn sanft.

Als Jaymes bemerkte, dass er in seinen Gedanken versunken war, konzentrierte er sich auf ihre Zirkel-Ärztin. Madilyn beobachtete ihn erwartungsvoll. Jaymes nahm an, dass ihre klugen blauen Augen nichts übersahen. Es war einer der Gründe, warum er sie für eine so hervorragende Ärztin hielt.

„Ich bin ein bisschen müde, aber mir geht es gut“, versicherte Jaymes. Er warf einen Blick auf das Tablett auf dem Couchtisch. „Vor allem, wenn du ein Glas Blut für mich hast.“

Madilyn seufzte. Sie beugte sich vor, zog den Deckel weg und enthüllte einen Krug mit Warmhaltefunktion und einen Becher. „Bedien dich“, sagte sie und deutete auf das Angebotene. „Du bist gerade einen Moment weggetreten, also habe ich mich gefragt, ob es etwas gibt, worüber du vielleicht reden musst. Fühlst du irgendwelche Krämpfe? Schmerzen an der Schädelbasis? Stiche in deinem Rücken, wo deine Nieren sind?“ Sie runzelte die Stirn. „Zur Hölle, trockener Mund?“

Jaymes lachte, als er nach dem Becher und der Karaffe griff und die dicke Flüssigkeit einschenkte. Er wusste, dass Madilyn eine synthetische Version seines Speichels hinzugefügt hatte, mit dem der Körper eines Vampirs begann, das Blut zu zersetzen, wenn es aus einem Körper austrat. Das machte es leichter, das Blut zu trinken, da es so nicht die Kehle beschichtete und nach dem ersten Schluck einen Würgereiz auslöste.

Jaymes hob den Becher und prostete Madilyn zu, bevor er ihn an die Lippen führte. Er nahm einen großen Schluck und hielt dabei eine Grimasse zurück. Jaymes ignorierte den bitteren Geschmack und zwang sich, den Becher zu leeren. Er streckte die Hand aus und schenkte sich eine zweite Portion ein.

Dieser schmerzhafte Prozess war eine zweiwöchentliche Erfahrung geworden. Madilyn brachte ihm einen Krug Blut, und Jaymes kippte es hinunter. Er hatte darum gebeten, nicht zu erfahren, woher es kam, nur, dass es nicht von jemandem in seinem Zirkel stammte. Er vermutete eine örtliche Blutbank als Quelle.

Jaymes nippte an seinem zweiten Becher und lehnte sich auf seinem Platz zurück. Er sah Gypsum an, der ihn mit einer Mischung aus Sympathie und Ekel betrachtete. Bei dem Glück, das sein Freund üblicherweise hatte, würde ihm seine besondere Person ebenfalls das Leben schwer machen.

„Ich weiß, das ist unorthodox“, stellte Jaymes schließlich fest. „Allerdings musste ich Paul die Chance geben, erst einmal volljährig zu werden.“

Gypsum lachte. „Erinnerst du dich an vor ein paar hundert Jahren? Du hättest dich auf einen Siebzehnjährigen gestürzt und nicht weiter darüber nachgedacht.“

Jaymes verdrehte die Augen und nickte. „Die Dinge ändern sich, mein Freund.“

„Und nicht immer zum Besten“, sagte Gypsum mit finsterem Blick. „Es wird immer schwieriger, Identitäten neu zu erstellen. Cassium braucht übrigens eine neue.“

Jaymes nickte und dachte an den dreihundertsiebenundachtzig Jahre alten Vampir. Der Mann war seit siebenundzwanzig Jahren Teil ihres Zirkels, arbeitete mit ihren Pferden und hütete ihr Vieh. Jaymes erinnerte sich an eine Notiz, dass Cassium ihn in den nächsten Tagen sprechen musste.

„Einige Leute haben kommentiert, dass er anscheinend keinen Tag gealtert ist“, erinnerte sich Jaymes. „Er muss ein paar Jahre weg.“ Er konzentrierte sich auf Gypsum. „Würde er einen Zirkel-Wechsel vorziehen oder lieber mehrere Jahre in einer der Hütten leben und im Hochland arbeiten?“

Gypsum zuckte die Achseln. „Ich bin mir nicht sicher. Ich kann mich nicht erinnern, dass er Familie oder sonst etwas erwähnt hat.“ Er kratzte sich müßig am Kinn. „Er kam als pensionierter Vollstrecker zu uns und suchte nach einer Veränderung, erinnerst du dich?“

„Das tue ich“, bestätigte Jaymes. Er war ein wenig abgelenkt, nicht vergesslich. „Vereinbare ein Treffen mit ihm morgen Nachmittag.“ Er seufzte und runzelte die Stirn, als er an seinem warmen Blut nippte. „Seit wir diese verdammte Website eingerichtet haben, müssen wir unser Leben öfter wechseln als zuvor.“

Gypsum schnaubte, stützte die Ellbogen auf die Knie und grinste. „Das musst du grade sagen … Mister Jaymes Martinez der Dritte.“

Jaymes grunzte. „Allerdings. Die Welt verändert sich.“ Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Das macht es sicherlich viel schwieriger, sich zu verstecken. Ich kann verstehen, warum sich die Wandler mitten im Nirgendwo niederlassen.“

„Und sie führen keine hochrangigen Geschäfte“, erinnerte ihn Gypsum. Dann fuhr er fort: „Wir haben eine Ranch und ein Ferienresort. Wir müssen eine eigene Website haben, oder wir können keins der beiden Unternehmen führen.“

„Ich weiß“, antwortete Jaymes. „Ich nehme die Versorgung aller in meinem Zirkel ernst, Gypsum.“ Er runzelte die Stirn. „Du weißt das.“

Gypsum richtete sich auf seinem Sitz auf und senkte den Kopf. „Es tut mir leid, Jaymes“, brummte er. „Du weißt, dass ich das nicht in Frage stelle.“

Jaymes holte langsam Luft. Er spürte, wie das Blut seinen Magen füllte und seinen Hunger linderte. Gleichzeitig verflüchtigte sich sein Zorn so schnell, wie er gekommen war.

Jaymes rieb sich die Stirn und seufzte leise. Er nickte. „Du hast recht. Ich bin anscheinend mehr davon betroffen als ich dachte. Mein Hunger macht mich empfindlich.“ Er lächelte seinen alten Freund an und hielt seinen Becher hoch. „Lass mich austrinken und gib mir ein paar Augenblicke.“

Gypsum kniff die Augen zusammen und nickte einmal. „Sicher, Meister.“ Er erhob sich und bedeutete Madilyn mit einem gekrümmten Finger, dasselbe zu tun.

Madilyn erkannte Gypsums Geste als Zeichen, dass sie gehen sollte, und stand schnell auf. „Wenn du irgendwelche Veränderungen spüren solltest, lass es mich bitte wissen“, forderte sie ihn mit einem fast unhörbaren Seufzer auf. Sie ließ den Krug stehen, nahm das Tablett und ging aus dem Raum.

„Ich werde Cassium und Mathe suchen“, sagte Gypsum und bezog sich auf einen Vampir, der als Vorarbeiter auftrat. „Ich werde sie beide bitten, sich morgen Nachmittag mit uns zu treffen. Wir können Cassiums Zeitplan überprüfen und sehen, wie schnell wir ihn von seinen Pflichten freistellen können.“ Er hob seine Arme über den Kopf und streckte seinen Rücken. „Cassium kann uns wissen lassen, was er tun will, für ein paar Jahre weggehen, oder Rinder im Norden betreuen.“

„Hört sich gut an.“ Jaymes leerte seinen Becher wieder und goss dann den Rest des Blutes in seinen Becher, füllte ihn zu drei Viertel. „Dann reden wir später weiter.“

Gypsum grinste ihn breit an. „Ich bin sicher, du hast noch etwas Zeit, bevor Pauls Pferd ankommt.“ Er zwinkerte. „Mach ein Nickerchen. Nachdem du dich ausgeruht hast, wirst du dich besser fühlen.

Jaymes kniff die Augen zusammen und knurrte leise. „Raus hier“, knurrte er.

Gypsum verbeugte sich lachend und ging dann.

Als sein Freund die Bürotür schloss, unterdrückte Jaymes ein Gähnen. Verdammt, aber das klang tatsächlich nach einer guten Idee. Jaymes schüttelte den Kopf und kehrte zu seinem Schreibtisch und an die Ranch-Buchführung zurück.

Kapitel 2

„Bist du bereit zum Aufbruch?“, fragte Korbin und steckte den Kopf durch den Rahmen der offenen Schlafzimmertür.

Paul Cosborn nickte. Aufregung und Nervosität wirbelten in seinem Bauch herum, sodass es sich anfühlte, als würden dort Schmetterlinge herumfliegen. Er hatte sich noch nie so aufgeregt dabei gefühlt, eine andere Person zu sehen.

Natürlich war Paul auch noch nie so heftig in jemanden verknallt gewesen. Jaymes Martinez. Meine Güte, wenn er nur an seinen Namen dachte, wurde sein Körper vor Erregung heiß. Auch wenn er gerade erst achtzehn geworden war, wollte das dennoch was heißen. Derzeit machte ihn praktisch alles an, aber an Jaymes zu denken war anders. Es fühlte sich fast wie ein … Bedürfnis an.

Er war nicht so dumm, sich vorzumachen, dass er bei dem großen Bären von einem Mann eine Chance hatte. Verdammt, Jaymes war wahrscheinlich nicht schwul und betrachtete ihn wohl wie einen Sohn. Das hinderte ihn nicht daran, sich nach dem sexy älteren Mann zu sehnen.

Paul entdeckte, dass er auch eine ziemlich lebhafte Fantasie hatte. Er hatte Jaymes nur zweimal getroffen, aber er konnte sich an jede Nuance der Gesichtszüge des sexy Bären erinnern, von seinen tiefbraunen Augen und seinem dunklen Bart bis zu seinem breitschultrigen Körper. Paul hatte Stunden damit verbracht, sich die dicken Muskeln vorzustellen, die unter seiner Kleidung versteckt waren, und wie es sich anfühlen würde, von ihm berührt zu werden.

Obwohl Paul Caleb, seinem Pflegebruder, niemals vergeben würde, dass er behauptet hatte, Paul habe ihn missbraucht, war er dankbar, dass es Jaymes in sein Leben geführt hatte. Mit Jaymes’ anwaltlichem Beistand und dem technischen Genie Garner, den Korbins Lover eingeschaltet hatte, war Calebs Glaubwürdigkeit ausreichend angefochten worden, dass niemand ihm mehr glaubte … oder seinem Pflegevater Jackson. Paul hatte sogar gehört, dass Jackson jetzt bei seiner Arbeit überprüft wurde, weil er Geld eingesetzt hatte, damit Caleb nicht wegen Diebstahls, Fahren eines entwendeten Fahrzeugs und der Zerstörung von öffentlichem Eigentum angeklagt wurde.

„Paul?“

Paul riss den Kopf hoch, als er sich nicht auf seinen Koffer konzentrierte. Als er Korbins amüsierten Ausdruck wahrnahm, verzog er das Gesicht. „Ja, ich bin bereit.“

Korbin grinste. „Gut. Ich habe schon deine neuen Stiefel in den Truck gepackt. Schnapp dir deine Tasche, und lass uns aufbrechen. Es sind etwas mehr als vier Stunden, und ich möchte vor dem Abendessen dort sein.“

Paul nickte, hob seinen Koffer – meine Güte, wie können Klamotten für zehn Tage so schwer sein – und humpelte zur Tür.

Korbin lachte und zeigte auf sein Gepäck. „Das Ding hat Räder, weißt du.“

„Oh“, murmelte Paul, als er den Koffer abstellte und herausfand, wie er den Griff verlängern konnte, um ihn zu rollen. „Richtig.“ Er spürte, wie sein Gesicht heiß wurde, als ihn Verlegenheit durchfuhr.

Korbin trat einen Schritt zurück in den Flur, und Paul folgte ihm. Korbin legte eine Hand auf seine Schulter und hielt ihn auf.

„Hey, es wird alles gut laufen“, beruhigte Korbin ihn. „Dies ist ein Urlaub. Es wird Spaß machen.“

Paul biss sich auf die Lippe und nickte. Korbin war der einzige, der von Pauls epischer Schwärmerei wusste. Es war ein wenig schwierig gewesen, das zu verstecken, als er sein E-Mail-Programm auf dem Laptop offengelassen hatte und Korbin darüber gestolpert war. Er und Jaymes hatten Dutzende von E-Mail-Unterhaltungen geführt und Paul hatte über so ziemlich alles mit dem Mann geredet.

Jetzt, als er zurückblickte, war es Paul peinlich, wie er dem praktisch Fremden sein Herz ausgeschüttet hatte. Irgendwie fühlte es sich einfacher an, seine Gefühle durch Schreiben mitzuteilen. Er hätte nie den Mut gehabt, Jaymes auch nur die Hälfte seiner Träume zu verraten, wenn sie einander von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hätten.

„Versprichst du, mich davon abzuhalten, etwas Dummes zu tun?“, murmelte Paul. Wie mich auf den viel älteren Mann zu stürzen.

Korbin lächelte mitfühlend. „Ich glaube nicht, dass es viel gibt, was du tun könntest, um dich in Verlegenheit zu bringen, aber sicher. Wenn ich ein bevorstehendes Problem sehe, werde ich eingreifen.“

„Danke.“ Paul wandte sich Richtung Treppe, und Korbin ließ seine Schulter los. „Dann legen wir mal los. Ich habe vor, unterwegs das Mitarbeiterhandbuch für meinen neuen Job zu lesen. Juhu“, beendete er sarkastisch.

Paul hasste es wirklich zu lesen. Da dies jedoch sein erster Job war, wollte er es nicht vermasseln. Auch wenn es nur ein Job war, bei dem er Regale in einem Lebensmittelgeschäft auffüllen sollte, war es immerhin etwas. Er musste irgendwo anfangen, besonders wenn er Geld verdienen wollte, um aufs College zu gehen.

Paul verdrängte diese Gedanken und zerrte seinen Koffer aus der Tür. Unterwegs griff er nach seiner Jacke und zog sie ungeschickt an. Als Paul hörte, wie Korbin hinter ihm herging, eilte er die Treppe zu dem schwarzen Pick-up mit großer Fahrerkabine hinunter.

„Bereit für etwas Rock’n’Roll?“, fragte Daystrum zur Begrüßung, als er ihn am Truck traf, und grinste. „Bist du bereit, ein paar heiße Cowboys zu treffen?“

Paul spürte, wie sich sein Gesicht etwas erhitzte, aber er nickte. Tatsächlich gab es nur einen heißen Cowboy, den er wollte. Zumindest nahm er an, dass Jaymes in Jeans, Stiefeln und Hut heiß aussah. Trotzdem wollte Paul nicht, dass Daystrum das wusste. Er vermutete zwar, dass Korbin es seinem Lover bereits gesagt hatte, aber das bedeutete nicht, dass er es an die große Glocke hängen wollte.

„Dann ab in den Sattel, Kumpel“, befahl Daystrum.

Daystrum nahm Pauls Koffer und öffnete die hintere Tür auf der Beifahrerseite.

„Moment mal“, sagte Paul. Er öffnete die äußere Reißverschlusstasche seines Koffers und zog das Handbuch für die Angestellten heraus. Nachdem er den Reißverschluss geschlossen hatte, hielt er ihn Daystrum entgegen. Er verzog das Gesicht und sagte zu dem großen Mann: „Ich habe ungefähr eine Stunde Zeit, bevor die Reisekrankheit lsogeht.“

Daystrum lächelte ihn amüsiert an. „Klingt lustig.“ Dann blickte er finster drein und zeigte mit einem Finger auf ihn. „Nicht in meinen Truck kotzen, Mann.“

Paul schnaubte. „Das werde ich nicht“, versicherte er.

Paul griff nach dem Griff in der Seitenwand und schwang sich in die Kabine. Es war gut, dass diese neueren Modelle Trittbretter und Griffe hatten, sonst könnten nur Leute, die über eins achtzig groß waren oder gut springen konnten, einsteigen. Mit einem Meter fünfundsechzig fühlte Paul sich wirklich zwergenhaft.

Paul ließ sich auf dem bequemen Rücksitz nieder, schnallte sich an und sah sich um. In der extragroßen Doppelkabine fehlte es sicherlich nicht an Platz. Wieder fühlte sich Paul klein, aber diesmal war es zu seinen Gunsten. Er konnte leicht seine Beine ausstrecken.

Daystrum öffnete die andere Seite, hob das Sitzkissen an und klappte eine Ladefläche aus Plastik heraus. Er stellte Pauls Koffer mit einem zweiten darauf, den er als Korbins erkannte, und legte dann zwei große Reisetaschen darüber.

Daystrum grinste ihn über den Turm hinweg an und fragte: „Geht es dir gut? Hast du genug Platz?“

Paul nickte. „Oh, ja. Haben wir Getränke und Snacks eingepackt?“, fragte er plötzlich. Er konnte sich nicht vorstellen, fast vier Stunden ohne etwas zu trinken oder zu essen zu überstehen.

Mist. Warum habe ich nicht vorher daran gedacht?

Zu Pauls Überraschung schüttelte Daystrum den Kopf. „Nee. Und ich hoffe, du warst schon pinkeln, denn wir machen keine Boxenstopps, bis wir dort sind.“

Mit finsterem Blick öffnete Paul den Mund, um sich zu beschweren.

Korbin kam ihm zuvor, öffnete die Tür und stieg in das Fahrzeug. „Hör auf damit, Day“, tadelte er. Korbin drehte sich um, schaute an seinem Sitz vorbei und grinste Paul an. „Hör nicht auf ihn, Paul. Wir haben Limonade und Wasser in einer Kühlbox dabei. Wir haben auch Studentenfutter, Müsliriegel und Äpfel. Möchtest du etwas?“

„Nur ein Wasser für unterwegs wäre fantastisch“, antwortete Paul. „Tut mir leid. Ich hätte vorher schon daran denken sollen.“

Daystrum schloss die Tür. Dann tauchte er einen Moment später wieder auf und stieg hinter das Lenkrad. Er drehte sich auf seinem Platz um und hielt Paul eine Flasche Wasser hin.

Paul ergriff sie.

Daystrum grinste breit und zwinkerte. „Ich wollte dich nur ein bisschen necken, Paul. Wir können so viele Zwischenstopps einlegen, wie du möchtest.“

Paul öffnete das Wasser und nahm einen schnellen Schluck. Er nickte. „Ich habe es mir gedacht.“

Auch wenn er Korbin vertraute – er kannte den Mann schon seit ein paar Jahren durch das großer Bruder, große Schwester-Programm –, war er Daystrum erst vor ein paar Monaten begegnet. Der große Mann schien sehr geradlinig zu sein, und er hatte sich große Mühe gegeben, Paul zu helfen, was er aber sicherlich nicht getan hätte, wenn er nicht mit Korbin zusammen wäre.

Trotzdem schien Daystrum ein großartiger Typ zu sein. Er war Korbin hoffnungslos ergeben und Paul wusste, dass sein Freund Daystrum genauso sehr liebte. Er wusste auch, dass er selbst der einzige Grund war, warum Korbin nicht bei seinem Geliebten lebte.

Paul hatte den Punkt Wohnung besorgen zu seiner To-Do-Liste hinzugefügt. Auf keinen Fall konnte er sich die Hälfte der Miete für das große Farmhauses leisten, in dem er derzeit bei Korbin und Brock, Korbins gutem Freund, wohnte.

Brock war ein Frauenheld und selten zu Hause, zu beschäftigt mit dem College, Marketing für ein Unternehmen, das er mit Korbin und ein paar anderen Leuten führte, und Dating. Wenn er anwesend war, war er immer freundlich und zuvorkommend zu Paul. Er erzählte einige der lustigsten Geschichten, und Paul hörte dem großen Jock gerne zu. In letzter Zeit schien Brock etwas abgelenkt zu sein, aber seine Freunde schienen sich nichts dabei zu denken.

Die Bewegung des Trucks riss Paul aus seinen Gedanken. Er schlug sein Mitarbeiterhandbuch auf und versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren.

Eineinhalb Stunden später pochte Pauls Kopf und ihm war ein wenig flau im Magen. Er klappte das Handbuch zu und war erfreut darüber, dass er es geschafft hatte, das gesamte trockene Ding zu lesen. Jetzt bezahlte er jedoch dafür.

Seufzend lehnte Paul seinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe. Er kniff die Augen bis auf Halbmast zusammen und konzentrierte sich darauf, langsam zu atmen. Er schaute nach draußen, beobachtete unwillkürlich die Landschaft.

Paul erkannte nichts. Da er nie weiter gekommen war als bis in ein paar der Vororte von Albuquerque, überraschte ihn das nicht. Das öde Land hatte eine herbe Schönheit an sich.

„Geht es dir gut da hinten?“, fragte Daystrum.

„Hmm?“ Paul drehte seinen Kopf gerade weit genug, um den Mann zu sehen. Das kühle Glas fühlte sich zu gut an, um seine leicht verschwitzte Stirn davon wegzunehmen.

Daystrum warf ihm einen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Du siehst ein bisschen grün um die Nase aus, Kumpel. Wie geht es deinem Magen?“

Korbin drehte sich auf seinem Platz um und blickte zu Paul nach hinten. Er verzog das Gesicht und fragte: „Hast wohl etwas zu lange gelesen, hm?“

„Ja“, gab Paul zu. „Aber ich habe es geschafft.“ Wie viel er davon behalten würde, blieb abzuwarten. „Mir ist nur ein bisschen übel“, sagte Paul. Er hatte früh gelernt, dass Daystrum irgendwie ein menschlicher Lügendetektor war. Paul konnte mit nichts davonkommen. „Ich werde schon wieder.“

„Wir erreichen gleich eine Raststätte“, bemerkte Daystrum. „Wir könnten anhalten, die Toilette benutzen und für eine Minute die Beine vertreten.“

Paul setzte an zu sagen, dass es nicht nötig war. Dann erkannte er, dass es den Rest der Fahrt viel angenehmer machen würde und nickte.

Innerhalb von zehn Minuten entdeckte Paul die Abzweigung. Er sah ein langes schmales Gebäude auftauchen. Links davon entdeckte er ein paar Picknickplätze sowie ein Schild, das nach hinten wies und auf einen haustierfreundlichen Bereich hinwies.

Sobald Daystrum das Fahrzeug angehalten und den Motor abgestellt hatte, stieß Paul die Tür auf und rutschte – buchstäblich – aus dem Fahrzeug. Seine Beine, die steifer waren als er dachte, knickten fast ein. Er packte die Tür und lehnte seinen Hintern gegen den Sitz.

Seufzend legte Paul den Kopf zurück und genoss einfach den Sonnenschein auf seinem Gesicht. Die Luft war frisch und duftete nach Zitrusfrüchten und Salbei. Er lächelte.

Sehr schön.

Paul hörte Korbin und Daystrum aus dem Fahrzeug steigen. Ihre Türen schlossen sich. Dann hörte Paul Schritte und das charakteristische Geräusch von Küssen, gefolgt von leisem Gemurmel und weiteren Küssen.

Lächelnd fragte sich Paul, ob er jemals einen Liebhaber haben würde, der ihm so ergeben war wie Daystrum Korbin.

Seine Gedanken wanderten vorhersagbar zu Jaymes Martinez. Der ältere Mann – Paul vermutete, dass er etwa vierzig bis fünfundvierzig war – schien jeden einzelnen von Pauls Knöpfen zu drücken. Er war riesig, so viel größer als Paul, etwa einen Meter zweiundneunzig groß, mit breiten Schultern und kräftigen Gliedmaßen. Auch wenn der Mann in seiner Gegenwart immer bekleidet gewesen war, zeigte seine Taille keine Anzeichen dafür, dass er an Altersschlaffheit litt, was von einem aktiven Lebensstil sprach. Paul erinnerte sich, wie Jaymes einmal die Ärmel hochgekrempelt hatte und dichtes dunkles Haar an seinen Armen sichtbar wurde.

Lecker!

Paul hatte so gern mit den Fingern über dieses Haar streichen wollen, um zu fühlen, ob es weich oder rau war, glatt oder ihn kitzelte.

„Hmm, woran auch immer du gerade denkst, es macht dich verdammt glücklich“, brummte Daystrum direkt neben ihm.

Überrascht riss Paul den Kopf nach links, während er die Augen öffnete. Für einen Moment verschwamm seine Sicht und sein Kopf drehte sich. Daystrum packte ihn am Oberarm und stützte ihn.

„Hey, ich wollte dich nicht erschrecken“, beruhigte Daystrum ihn. „Bist du okay?“

Paul nickte. „Ja, tut mir leid.“ Er verzog das Gesicht und gab dann zu: „Ich war heute zu nervös, um zu essen.“

„Gar nichts?“, fragte Daystrum mit Sorge in der Stimme. „Frühstück? Mittagessen?“

Paul schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. „Zu nervös.“

Daystrum summte. „Du freust dich wohl darauf, Jaymes zu sehen, hmm?“, fragte er leise und nickte, als ob er es verstehen würde.

Paul spürte, wie sein Gesicht aufflammte. Er biss sich auf die Lippe und schaute nach links. Schweigend beobachtete er ein kleines Mädchen, das mit einem deutschen Schäferhund im Hundebereich spielte. Ihre Eltern standen neben einem Picknicktisch in der Nähe und packten Essen aus.

„Hey“, brummte Daystrum. „Entspann dich. Ich habe nichts Böses damit gemeint.“ Er streckte die Hand aus und berührte leicht Pauls Schulter, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich es verstehe.“ Er lächelte. „Vielleicht wird es dich überraschen, auf die Ranch zu kommen.“

Pauls Brauen zogen sich zusammen. „Was meinst du?“ Er fragte sich, ob Daystrum etwas wusste, was er nicht wusste.

Daystrum gluckste und zog sich zurück. „Ich meine, auf der Ranch wird es jede Menge nette Anblicke geben. Vielleicht kannst du ein bisschen Spaß haben, der dich überraschen wird.“

„Ähm“, murmelte Paul. „Redest du über Sex? Vielleicht verliere ich meine Jungfräulichkeit?“

Daystrum verdrehte die Augen und lachte. „Ja. Genau das passiert im Urlaub, oder?“ Er grinste. „Spaß und wilder Sex.“ Er zwinkerte ihm zu und schlug ihm dann auf die Schulter. „Geh pinkeln. Ich werde etwas zu essen aus der Kühlbox holen, während du dir die Beine vertrittst.“

Paul nickte, ging vom Truck weg und auf das Gebäude zu. Während er wegging, war er sich sicher, dass er Daystrum murmeln hörte: „Pass nur auf, dass Jaymes derjenige ist, an den du sie verlierst, sonst werde ich nicht der einzige Tote sein.“

Mit gerunzelter Stirn hielt Paul inne und warf einen Blick zurück zu Daystrum. Der Mann schien aber nur etwas vor sich hin zu summen, während er auf die Ladefläche des Trucks kletterte und anfing, in der Kühlbox zu kramen. Paul schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging zur Toilette.

Paul schaute aus dem Fenster und versuchte, nicht mit offenem Mund zu starren, als er die Aussicht betrachtete. Er war beeindruckt gewesen, als der rote Sand der Wüste Wiesen, Gestrüpp und Eichen gewichen war. Die Zäune schienen nicht zu enden.

Schließlich hatte Daystrum erklärt, dass sie weiter nach Norden kamen und Amarillo umgehen würden, was ihre Fahrzeit um gute zwanzig Minuten verkürzte. Als sie durch einen dieser hohen, quadratischen Holzbögen aus dicken Stämmen fuhren, spürte Paul, wie Aufregung durch seine Adern strömte. Rolling Meadows Ranch & Resort war in die Stämme geschnitzt.

Jetzt rollte der Truck langsam eine lange Auffahrt hinunter. Auf jeder Seite befanden sich Zäune und Kühe, die auf den Weiden grasten. Als sie näherkamen, sah Paul Scheunen und Koppeln. Fohlen tummelten sich neben ihren grasenden Müttern.

Paul entdeckte Cowboys, die sich mit einer Reihe von Familien unterhielten. In der Nähe einer Scheune mit mehreren Reihen von Anbindepflöcken standen drei Cowboys bei einer Familie und zeigten, wie man die Pferde putzt und sattelt. Ein paar weitere Cowboys standen auf einem großen Platz und brachten einer Gruppe das Reiten bei.

Er konnte leicht den Unterschied zwischen den Lernenden und den Lehrenden erkennen. Nicht nur ihr Körperbau verriet sie –die Cowboys schien allesamt durchtrainiert und fit zu sein und sich in der Hitze wohlzufühlen – sondern auch ihre Kleidung.

Paul richtete seinen Blick auf die Männer und musste zugeben, dass sie ein gewisses Selbstvertrauen ausstrahlten, das definitiv Anklang fand. Er fühlte sich nur einfach von keinem von ihnen angezogen.

Dann beugte sich Paul vor und starrte aus der Windschutzscheibe. Er entdeckte das Ranchhaus, und sein Atem stockte ihm in der Kehle. Nicht, weil das große Gebäude wie etwas aus einem alten Western aussah – nur neu –, sondern weil sich ein großer Cowboy gegen das Geländer der Veranda lehnte und ihr Näherkommen zu beobachten schien.

Pauls Blick klebte auf Jaymes. In helle, figurbetonte Jeans und ein grün-rotes Karohemd gekleidet, trug er braune Stiefel und einen braunen Stetson, der den größten Teil seines Gesichts in Schatten hüllte.

Mit klopfendem Herzen spürte Paul, wie sich Blut in seiner Leiste sammelte. Sein Schwanz verdickte sich zu voller Erregung. Er biss auf die Innenseite seines Mundes, nutzte den Schmerz, um seinen geilen Schwanz unter Kontrolle zu bekommen. Paul war verzweifelt bemüht, sich nicht zu blamieren.

Kapitel 3

Jaymes beobachtete, wie der schwarze Pick-up langsam den breiten Kiesweg auf ihn zurollte. Nervosität durchfuhr ihn, weil er wusste, wer in dem Fahrzeug saß. Als er Daystrum eine SMS geschickt hatte, um ihre voraussichtliche Ankunftszeit zu erfahren, wurde ihm klar, dass Korbin derjenige war, der geantwortet hatte.

Der Mensch benutzte immer mehr Abkürzungen als der Vampir, der normalerweise die Wörter ausschrieb.

„Wenn du dich nicht beruhigst“, murmelte Gypsum leise, „riskierst du, dass du in der Sekunde, in der er aus dem Truck steigt, losstürmst.“

Jaymes sah für ein paar Sekunden zu seinem Freund, betrachtete dessen ruhige, entspannte Haltung. Er schnaubte, konzentrierte sich wieder auf den Truck und sah zu, wie der nach links abbog. Die Verwirrung seines Freundes war natürlich.

„Wenn du an meiner Stelle wärst, bin ich sicher, dass du genauso aufgeregt sein würdest.“ Er schob seine Hände in die Taschen, zog sie dann wieder heraus. Schließlich wollte er nicht auf seinen halbharten Ständer aufmerksam machen. „Ich werde mich nicht auf ihn stürzen.“

Gypsum summte nur, seine Belustigung war offensichtlich.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739479026
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
vampir schwul gay romance gay fantasy gay liebesroman Roman Abenteuer Fantasy Romance Liebesroman Liebe

Autor

  • Charlie Richards (Autor:in)

Charlie begann im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben von Fantasy-Geschichten und als sie mit neunzehn ihren ersten erotischen Liebesroman in die Finger bekam, erkannte sie ihre wahre Berufung. Jetzt konzentriert sie sich auf das Schreiben von homoerotischen Romanen, zumeist aus der Kategorie Paranormal, mit Helden jeglicher Art.
Zurück

Titel: Eine Rose für Pauls Beschützer