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Schluss mit der Klimakrise

Problemlösung statt Katastrophenbeschwörung

von Thilo Spahl (Autor:in)
211 Seiten
Reihe: Novo, Band 131

Zusammenfassung

Die aktuelle Klimarettung präsentiert sich als Kombination aus Katastrophenbeschwörung und utopischer Hoffnung auf Erlösung durch Wind, Sonne, Elektroautos und Veggie-Burger. Wir müssen weg von solchen vollkommen realitätsfernen Inszenierungen. Und hin zu einer von ernsthaftem Wollen und Forschen getragenen Gestaltung der Welt. Unser Ziel sollte es sein, zehn Milliarden Menschen ein Leben in dem Wohlstand zu ermöglichen, wie ihn heute die westliche Mittelschicht genießt. Mit Autos, mit Flugreisen, mit Fleisch und mit Klimaanlagen. Dafür wird der globale Energieverbrauch trotz weiterer Effizienzgewinne noch deutlich steigen müssen. Die Temperatur des Planeten müssen wir im Auge behalten. Bis Ende des Jahrhunderts sollten wir zu einer aktiven Kontrolle und gezielten Beeinflussung des Klimas übergehen. Die Autoren dieses Buches zeigen, dass die Herausforderung bewältigt werden kann – und es noch lange nicht zu spät ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Thilo Spahl

Macht Euch das Klima
untertan

Der Mensch hat immer danach gestrebt, die Naturgewalten zu beherrschen. Es gibt keinen Grund, warum wir vor dem Klima kapitulieren sollten

Das NDR Elbphilharmonie Orchester teilt uns im November 2019 in einem dramatischen Video-Clip mit: „1725 komponierte Vivaldi sein Meisterwerk. Seitdem hat sich die Welt, die er darstellte, dramatisch verändert. Der Klimawandel hat getrennte Jahreszeiten fast vollständig eliminiert. Was Vivaldi als seltene Unwetter komponierte, sind heute Naturkatastrophen, die über das ganze Jahr hinweg vorkommen. Die klingenden Bäche sind aktuell mal überschwemmt, mal ausgetrocknet. Und die meisten von Vivaldis fröhlichen Vogelstimmen durch das Artensterben verstummt.“ [1] Deshalb habe man zusammen mit Wissenschaftlern und Künstlern einen „Algorithmus programmiert, der Vivaldis Vier Jahreszeiten neu arrangiert“. Uraufführung war am 16. November 2019. Die Temperatur in Hamburg lag bei 5 Grad Celsius, die Sonne ging um 16.22 Uhr unter. Die Zuschauer kamen zum Teil im Nerz, zum Teil in Bade-Shorts; niemand wusste so recht, ob es Frühling, Sommer, Herbst oder Winter war. Aber die Aufführung öffnete allen die Augen, so dass sie endlich der Klimakatastrophe gewahr werden konnten.

Was die Elbphilharmoniker können, das kann ich auch, dachte sich Svenja Schulze und ließ uns via Tagesschau vom 26. November 2019 wissen, Deutschland stecke „mitten drin in der Erderhitzung“. Liest man den an diesem Tag vorgestellten Monitoringbericht der Umweltministerin zu den Folgen des Klimawandels für Deutschland, findet man allerdings nichts wirklich Alarmierendes: Kein signifikanter Trend bei Hochwasser, keine vermehrten Dürren (die durchschnittliche jährliche Regenmenge hat sogar zugenommen), Hagel nimmt eher ab als zu, kein signifikanter Trend bei Niedrigwasser, kein Trend beim Schadholz, keine Aussage zum Einfluss des Klimawandels bei Schaderregern möglich, usw. Der größte Coup, den Schulze landen konnte: „Die Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur in Deutschland um 0,3 Grad in nur fünf Jahren ist alarmierend.“ [2] Das ist allerdings eine vollkommen sinnfreie Aussage. Denn die Veränderung der Durchschnittstemperatur über Jahrzehnte ist oft geringer als die Schwankungen innerhalb weniger Jahre. Je nachdem, von welchem Jahr bis zu welchem Jahr man misst, kann man beliebige Erwärmungen oder Abkühlungen konstatieren: Von 2013 bis 2018 ist es sogar um sage und schreibe 1,75 Grad wärmer geworden (ebenso allerdings von 1846 bis 2018), von 2007 bis 2010 ist es dafür um 2,0 Grad kälter geworden. Das heißt nicht, dass es keine Erwärmung gibt: Vergleicht man Zehn-Jahres-Durchschnittswerte, zeigt sich, dass die Temperatur in Deutschland seit den 1980er Jahren deutlich ansteigt und derzeit bei 9,7 Grad liegt, davor jedoch rund 70 Jahre ungefähr gleich blieb. Die 1910er Jahre lagen bei 8,2 Grad Celsius, die 1930er, 1950er und 1970er ebenfalls. [3]

Und dann hat Frau Schulze sich noch für einzelne Jahre mit besonders schönem Sommer jeweils Tausende von Hitzetoten ausrechnen lassen. Grund: An zehn Tagen im Jahr klettere das Thermometer mittlerweile über die 30 Grad Marke! Auch das nicht wirklich überzeugend. Ist es ein Todestrieb, der Millionen von Senioren ans Mittelmeer oder nach Florida zieht, wo die Temperatur 2019 an 71 Tagen über 33 Grad Celsius lag? [4] Oder vielmehr die begründete Hoffnung auf ein angenehmeres, längeres Leben mit weniger Krankheit? Tatsächlich sterben an sehr heißen Tagen statistisch betrachtet etwas mehr Menschen. Vorwiegend sehr alte, die dem Tod schon sehr nahe sind. Allerdings darf man nicht vergessen, dass dieselben, nun schon toten Menschen dafür kurz danach nicht mehr sterben. Sie als „zusätzliche Todesfälle“ zu bezeichnen, weil sie ein paar Tage oder Wochen früher streben, ist sehr irreführend.

Egal. Was die Schulze kann, das können wir auch, dachte sich kurz darauf eine Mehrheit von 429 Abgeordneten des Europaparlaments und rief den (symbolischen) Klimanotstand aus.

25 Jahre Klimapolitik

Vor 25 Jahren fand in Berlin die erste UN-Klimakonferenz (COP 1) statt. Vorausgegangen war im Juni 1992 der Umweltgipfel in Rio de Janeiro. Damals, 1995, war Angela Merkel Umweltministerin und Deutschland versprach, den größten Einzelbeitrag aller Länder zur Treibhausgasreduktion zu leisten. Tatsächlich sind die deutschen CO2-Emissionen seitdem um rund 15 Prozent gesunken. Allerdings erfolgte der deutlichste Rückgang in den Nachwendejahren mit der Abwicklung der DDR-Industrie. Seit 2009 verläuft die Kurve eher flach. Die USA hatten dagegen ihren Höchststand in 2007 und konnten in den folgenden zehn Jahren um 14 Prozent reduzieren. Europa erreichte schon 1989 den Höchststand und konnte bis 2017 einen Rückgang um 28,5 Prozent vermelden. Doch der Großteil der Welt hat in Sachen Wohlstand und damit auch bei der Energienutzung noch großen Nachholbedarf. Der Großteil der Menschheit kann und will sich die künstliche Verteuerung der Energieerzeugung oder die künstliche Verteuerung von Gebäuden und Geräten aller Art, um sie energieeffizienter zu machen, schlicht nicht leisten. Global gesehen steigen die Emissionen also weiter ungebremst an. Seit 1995 haben sie um 57 Prozent zugenommen. Allein China hat um 200 Prozent zugelegt und Indien um 205. [5] Dennoch emittiert ein Deutscher immer noch mehr als fünfmal so viel CO2 wie ein Inder.

Betrachtet man die globale Entwicklung, so kann man den Eindruck gewinnen, dass 25 Jahre internationale Klimaschutzpolitik tendenziell mit der Bemerkung bilanziert werden können: außer Spesen nichts gewesen. Die Zahl der Menschen, die Jahr für Jahr zu den Vertragsstaatenkonferenzen fliegen, ist von 2044 registrierten Teilnehmern im Jahr 2005 auf 26.706 im Jahr 2019 angewachsen. Der Treibhausgasausstoß ist keineswegs umgekehrt proportional dazu gesunken, sondern steigt weiter stetig an.

Die verbale Aufrüstung im letzten Jahr, in dem Greta Thunberg die Welt bereiste, einige Schüler immer wieder freitags demonstrierten, sogenannte Extinction-Rebellen gelegentlich auf Straßenkreuzungen allerlei Übungen machten und manche Medien offenbar Richtlinien erließen, wonach nicht mehr von „Klimawandel“ oder „Klimaerwärmung“ die Rede sein darf, sondern nur noch von „Klimaüberhitzung“ oder „Klimakrise“, änderte hieran nichts.

Zum Glück. Denn es gibt Wichtigeres in der Welt. Während im „Klimaschutz“ im Wesentlichen Stagnation zu beobachten war, können wir in vielen anderen Bereichen signifikanten Fortschritt verzeichnen. Die Kindersterblichkeit in Afrika ist seit 1995 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Die Lebenserwartung ist in den letzten 50 Jahren im weltweiten Durchschnitt um rund 18 Jahre gestiegen, die verfügbaren Kalorien pro Kopf haben um rund 30 Prozent zugenommen. Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, ist von 42 Prozent im Jahr 1981 auf 10 Prozent in 2015 gesunken. Usw. [6] Dieser Fortschritt kommt nicht von ungefähr. Er ist eng verbunden mit der über lange Zeit stetig verbesserten Fähigkeit der kosteneffizienten Energiebereitstellung in mittlerweile riesigen Infrastrukturen, größtenteils auf Basis fossiler Energieträger.

Unrealistische Ziele

Barack Obama glaubte offenbar sehr an sich selbst und damit auch daran, dass es wohl nicht so schwer sein kann, die Welt zu retten, als er über den Tag seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat sagte: „This was the moment when the rise of the oceans began to slow and our planet began to heal.“ [7]

Auch Richard David Precht stellt sich die Sache recht einfach vor. Wir müssten jetzt „bestimmte Verbote machen“, meint der deutsche Fernsehphilosoph. Denn: „Wessen Leben wird tatsächlich unglücklicher, wenn er kein nicht-recyclefähiges Plastik [8] mehr hat? Wer wird denn wirklich unglücklicher, wenn es weniger Billigkreuzfahrten gibt?“ [9] Mit solchen Maßnahmen, glaubt er, unter dem magischen 1,5-Grad-Ziel bleiben zu können, das neuerdings die Grenze zwischen Rettung und Untergang markiert. Offensichtlich hat er keine Vorstellung, was Dekarbonisierung wirklich erfordern und bedeuten würde. Nur ein Beispiel: Würde man den globalen Flugverkehr komplett einstellen, immerhin 45 Millionen Flüge mit 4,5 Milliarden Fluggästen pro Jahr, ergäbe sich dadurch bis zum Jahr 2100 ein um 0,054 Grad geringerer Temperaturanstieg. [10]

Die Idee, mit genug gutem Willen, ein paar Verboten und einer CO2-Steuer könne man in kurzer Zeit die globale Energie-, Industrie- und Mobilitätsinfrastruktur umbauen, ist irreal. Wir erleben im Moment einen skurrilen Überbietungswettbewerb bei sogenannten „Klimazielen“: CO2-Neutralität bis 2050 (IPCC- „Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung“), bis 2030 (Campact [11]), bis 2025 (Extinction Rebellion [12])! Wer bietet mehr?

Der Umweltwissenschaftler Roger Pielke Jr. hat sich die Mühe gemacht, auszurechnen, was das konkret bedeuten würde. [13] Die Ausgangslage: Im Jahr 2018 verbrauchte die Welt 11.743 Megatonnen Öleinheiten (Mtoe) in Form von Kohle, Erdgas und Erdöl. Die Verbrennung dieser fossilen Brennstoffe führte zu 33,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxidemissionen. Bis zum Jahr 2050 bleiben rund 11.000 Tage. Um bis 2050 weltweit Netto-Null-Kohlendioxid-Emissionen zu erreichen, sei es daher erforderlich, in den nächsten 30 Jahren täglich Erzeugungskapazitäten für gut 1 Mtoe kohlenstofffreien Energieverbrauch aufzubauen. Wenn wir einen moderaten Zuwachs von 1,25 Prozent jährlich für die Armen der Welt erlauben, kommen wir auf 1,6 Mtoe pro Tag.

Laut Pielke entspricht eine Megatonne Erdöleinheiten dem Output des Kernkraftwerks Turkey Points in Florida. Es folgt daraus, dass wir die nächsten 30 Jahre rund zehn Kernkraftwerke dieser Größe (1 GW) pro Woche bauen müssten. (Oder 10.000 Windräder der 2,5-MW-Klasse. Oder 1,3 Milliarden Quadratmeter Solarmodule [14]). Woche für Woche. Gleichzeitig müssten wir noch die gesamte globale Infrastruktur, die auf Verbrennung beruht, ersetzen: Heizungen, Autos, Flugzeuge, Industrieanlagen. Befinden wir uns nach 30 Jahren Klimapolitik denn auf gutem Wege dorthin? Dazu nur eine Zahl: 2018 ist der globale Verbrauch an fossiler Energie um 280 Mtoe gestiegen. Nicht gesunken.

Unablässig wird durch Meldungen über immer neue Rekorde bei Solar- und Windenergie die Machbarkeit einer Umstellung auf Erneuerbare beschworen. So zeigt zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung in einer Grafik, Finnland gewinne bereits 78,4 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen. [15] Schaut man genauer hin, wundert man sich. Wind- und Sonnenenergie, um die es in dem Artikel geht, kommen in Finnland zusammen gerade einmal auf 3,5 Prozent. Die großen Brocken machen mit 25,1 Prozent die Wasserkraft aus, die generell nicht mehr viel Steigerungspotenzial aufweist, sowie mit 16,2 Prozent die Biomasse, die weit davon entfernt ist, klimaneutral zu sein, und wegen ihres Flächenverbrauchs eher ab- als zunehmen sollte. Schließlich wurden offenbar noch 33,7 Prozent Kernenergie mitgezählt. So schafft man es, ein Land, das mehr Elektrizität aus der Verbrennung von Torf als durch Windräder und Solarzellen gewinnt, als leuchtendes Beispiel für den Siegeszug der Erneuerbaren zu präsentieren. Auch in Hinblick auf das „Musterland“ Deutschland muss man immer wieder darauf hinweisen, dass Wind und Sonne derzeit am Primärenergieverbrauch noch immer nur einen Anteil von weniger als fünf Prozent (Wind: 3,0, Solar 1,5) haben. [16] Und in China, das auch immer wieder als Vorbild herhalten muss, steigt seit 2017 der Anteil des Kohlestroms wieder an, während 2019 der Zubau von Solaranlagen im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Prozent eingebrochen ist. Wind und Sonne machen weniger als acht Prozent der Elektrizitätsversorgung und damit etwa zwei Prozent der gesamten Energieversorgung aus. [17]

In Deutschland stehen inzwischen rund 30.000 Windräder, nicht wenige davon schon an Standorten, die aufgrund geringer Windgeschwindigkeiten als weniger geeignet gelten, und an solchen, die eigentlichen zu schade dafür sind, beispielsweise Wälder. Sie erfreuen sich insgesamt nur ausgesprochen geringer Beliebtheit. Die Vorstellung, über Wald und Wiesen verstreut, rund eine Million aufzustellen, ist nachgerade absurd. Und würde den gewünschten Ertrag auch gar nicht bringen, da sich die Windräder dann gegenseitig ausbremsen würden. [18]

Katastrophale Folgen des
Klimawandels?

Wir hören heute viel davon, wie der Klimawandel weltweit bereits allerlei negative Auswirkungen zeitige. Stürme, Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen usw., zusammengefasst als wetterbedingte Katastrophen. Dass wir so viel davon hören, hat viele Gründe. Es liegt aber nicht daran, dass ihr Ausmaß signifikant zu- und ihre Beherrschbarkeit signifikant abgenommen hätten. Wir müssen hier unterscheiden zwischen Gefahren für Leib und Leben und Gefahren für Hab und Gut. Für die ersten sind Todesfälle ein einfaches Maß, für die zweiten sind es Kosten als Anteil des BIP.

In den letzten 30 Jahren, in denen die Temperaturen deutlich stiegen, sind die globalen Kosten durch Naturkatastrophen von etwas über 0,3 Prozent des BIP auf rund 0,25 Prozent gesunken. Betrachtet man nur die wetterbedingten Katastrophen, lässt also Vulkanausbrüche und Erdbeben weg, so ist der Rückgang noch deutlicher: von etwa 0,28 auf 0,2 Prozent. [19] Bei den Todesfällen beträgt der Rückgang in den letzten 100 Jahren mehr als 90 Prozent. Heute sind nur noch 0,1 Prozent der Todesfälle weltweit Naturkatastrophen zuzurechnen. Hierzu zählen Dürre, Überschwemmungen, extremes Wetter, extreme Temperaturen, Erdrutsche, Trockenmassebewegungen, Waldbrände, vulkanische Aktivitäten und Erdbeben. Der größte Teil geht auf das Konto von Erdbeben in armen Ländern. Im Jahr 2018 starben weltweit 4321 Menschen durch Erdbeben, 2869 durch Flutkatastrophen, 1666 durch Extremwetter, 878 durch Vulkanausbrüche, 536 durch Extremtemperaturen, 275 durch Erdrutsche, 247 durch Waldbrände, 17 durch Trockenmassebewegungen und Null durch Dürre. Das sind insgesamt 10.809 Tote, davon etwa die Hälfte wetterbedingt. [20] An Durchfall sterben jährlich fast 300-mal so viele Menschen. Und 3500-mal so viele an Herz-Kreislauferkrankungen. Rund 300.000 Menschen ertrinken, aber keiner davon wegen eines um 20 Zentimeter gestiegenen Meeresspiegels. Was also Leib und Leben anbetrifft, ist das Klima unser geringstes Problem. Natürlich kommt immer mal wieder jemand in einem Sturm ums Leben. Aber im Vergleich zu fast allen anderen Todesursachen ist die Gesamtzahl vernachlässigbar. Wir sterben zu fast 100 Prozent an anderen Ursachen. [21]

Wer ein rechter „Klimaretter“ sein will, dem sind solche Zahlen egal. Einer der prominentesten Vertreter der „Scientists for Future“, der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen, sagte unter tosendem Beifall auf einer Demo in Dortmund: „Die Klimakrise ist die größte Gesundheitskrise der Menschheit, und meine Generation hat echt verkackt.“ [22] Gerade beim Thema Gesundheit ist den Alarmisten wirklich nichts zu peinlich. Von Fußpilz bis Heuschnupfen werden Katastrophen heraufbeschworen. Gleichzeitig wird die Bekämpfung realer globaler Probleme wie Tuberkulose oder Durchfallerkrankungen durch die geforderte Konzentration aller Kräfte (und Mittel) auf die CO2-Reduktion effektiv behindert.

Der Trick der Katastrophisten besteht darin, einfach für alle möglichen Todesursachen das Klima verantwortlich zu machen. Im zweiten „Climate Vulnerability Monitor“ lesen wir: „Die Fortsetzung der heutigen Muster des kohlenstoffintensiven Energieverbrauchs wird zusammen mit dem Klimawandel bis 2030 auf sechs Millionen Todesfälle pro Jahr geschätzt, von denen fast 700.000 auf den Klimawandel zurückzuführen wären. Dies bedeutet, dass eine kombinierte Klima-Kohlenstoff-Krise bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts schätzungsweise 100 Millionen Menschenleben fordern wird.“ [23] Wie kommt man auf solche Zahlen? Man behauptet einfach, dass irgendwie wegen des Klimas jährlich 150.000 mehr Menschen an Durchfall, 35.000 an Wärme oder Kälte, 380.000 an Hunger, 20.000 an Malaria und anderen von Mücken übertragenen Krankheiten, 40.000 an Hirnhautentzündung, 7.000 an Naturkatastrophen, 2.100.000 an Luftverschmutzung, 3.100.000 an Luftverschmutzung in Innenräumen, 80.000 an Arbeitsplatzbelastungen und 45.000 an Hautkrebs sterben. Macht zusammen 5.957.000 „Klima- und Kohlenstofftote“.

Besonders absurd ist die Zurechnung der 3.100.000 vorzeitigen Todesfälle durch Innenraumluftverschmutzung. Diese Belastung vor allem durch Feuerstellen in armen Ländern entsteht nicht, weil es zu viele (Kohle)-Kraftwerke gäbe, die Strom für Elektroherde liefern könnten, sondern weil es zu wenig davon gibt. Und dies inzwischen auch deshalb, weil westliche Länder mit Verweis auf den Klimawandel den Bau nicht mehr unterstützen, sondern auf teurere Energiebereitstellungsmethoden bestehen. Auch alle anderen genannten Todesursachen sind im Wesentlichen durch Armut bedingt und nicht durch das Klima. Wenn man also eine solche Rechnung aufmachen möchte, dann sollte man sich fragen, ob wir es eher mit Klimatoten oder mit Klimaschutztoten zu tun haben.

Kipppunkt-Wissenschaft

Wenn wir zugestehen, dass sie heute noch nicht da ist, müssen wir dann nicht dennoch fürchten, dass die Katastrophe über uns hereinbricht, wenn wir in 10 oder 20 oder 40 Jahren die berüchtigte 1,5-Grad-Grenze oder etwas später die berüchtigte 2-Grad-Grenze reißen? Eher nicht. Der Katastrophismus beruht vollständig auf der Idee der Kipppunkte. Demnach sollen wir uns durch die praktisch nicht erkennbaren Schrecken von 150 Jahren Klimaerwärmung nicht täuschen lassen. Irgendwann kämen wir an eine Klippe und würden dann in den Abgrund der Überhitzungskatastrophe stürzen. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf, der wohl prominenteste deutsche Warner, nennt als Paradebeispiel für solche Kipppunkte die Instabilität des unter dem Meeresspiegel aufliegenden Eisschilds der Westantarktis. Ziehe das Eis sich zu weit hinter einen unterseeischen Bergkamm zurück, gebe es kein Halten mehr: Weil das Land nach hinten abfällt, fließe das Eis umso schneller ab, je weiter es schrumpfe. Dann drohe ein Anstieg des Meeresspiegels um drei Meter. „Bewahrheitet sich die Prognose“, schreibt Rahmstorf im Spiegel [24], „wären wir allein durch diesen Effekt zu einem globalen Meeresspiegelanstieg von drei Metern verdammt, der sich unaufhaltsam vollziehen würde, selbst wenn wir die weitere globale Erwärmung stoppten.“

Das sind fürwahr beunruhigende Aussichten. Allerdings fügt Rahmstorf korrekterweise hinzu: „Immerhin geschähe er in Superzeitlupe und würde sich wohl über ein- oder zweitausend Jahre erstrecken.“ Diverse andere Kipppunkte werden uns an anderer Stelle in Aussicht gestellt und durch das Zusammenwirken der ganzen Entwicklungen könne es dann richtig ungemütlich werden: „Einige frühe Ergebnisse der neuesten Klimamodelle – die für den sechsten Bewertungsbericht des IPCC im Jahr 2021 erstellt wurden – deuten auf eine wesentlich höhere Klimasensitivität hin (definiert als die Temperaturreaktion auf die Verdoppelung des atmosphärischen CO2) als in früheren Modellen. Es liegen noch viel mehr Ergebnisse vor, und es sind weitere Untersuchungen erforderlich, aber für uns deuten diese vorläufigen Ergebnisse darauf hin, dass ein globaler Kipppunkt möglich ist“, schreiben Rahmstorf und Kollegen. [25] Daher hätten wir es mit einem Klimanotfall (Climate Emergency) zu tun, für den sie sich sogar eine Formel ausgedacht hat: E = R × U = p × D × τ / T [26].

Doch die Kipppunkt-Katastrophentheorie, auf der der gesamte derzeitige Alarmismus aufbaut, ist alles andere als ein wissenschaftlicher Konsens. Richard Betts, Leiter der Klimafolgenforschung am britischen Met Office Hadley Centre, bezeichnet es als „extrem unwahrscheinlich“, dass es bei zwei Grad Erwärmung zu einem Kippen kommen könnte, und erinnert ebenfalls daran, dass, selbst wenn es so wäre, die drastische Veränderung Jahrhunderte oder Jahrtausende brauchen würde. [27] Eine ganz neue Studie, die 2019 in Nature veröffentlicht wurde, sieht keine Plausibilität für die Hypothese der Eiskliffinstabilität (marine ice-cliff instability – MICI) und geht von einem Meeresspiegelanstieg von maximal 45 Zentimetern im Jahr 2100 aus. [28] Andere Forscher sprechen in einem Beitrag in Nature Climate Change in Bezug auf die 2030-Deadline, auf der die Rhetorik des Klimanotstands aufbaut, von „politischem Missbrauch von Wissenschaft“: „Obwohl die Rhetorik von Wissenschaftlern meist als irreführende Interpretation der IPCC-Ergebnisse angesehen wird, haben der IPCC und die meisten Klimawissenschaftler bisher geschwiegen und scheinen sie damit implizit zu unterstützen. Da jedoch der SR15-Bericht des IPCC dazu beigetragen hat, die Voraussetzung für diese Rhetorik zu schaffen, sollte der IPCC als institutionelle Autorität für die Klimawissenschaften die Verantwortung dafür übernehmen und sich aktiver in die politischen Gespräche einbringen“, fordern sie. [29]

Vor dem Hintergrund dieser Kritik ist es schon bezeichnend, wenn Rahmstorf und Kollegen in ihrem aktuellen Katastrophenwarnbeitrag schreiben: „Unserer Meinung nach trägt die Berücksichtigung von Kipppunkten dazu bei, zu definieren, dass wir uns in einer Klimakrise befinden, und stärkt den diesjährigen Chor der Forderungen nach dringenden Klimaschutzmaßnahmen – von Schülern über Wissenschaftler bis hin zu Städten und Ländern.“ [30] Ist es die Aufgabe von Wissenschaftlern, den Chor von Laiendarstellern zu stärken? Ein Selbstverständnis, das problematisch genug wäre, wenn Rahmstorf nur Spiegel-Kolumnist wäre, das aber am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung offenbar gang und gäbe ist.

Rahmstorfs oben zitierter Artikel im Spiegel trägt den schönen Titel „Klimakrise. Die Menschheit verliert die Kontrolle über den Zustand der Erde.“ Das ist sicher keine wahre Aussage. Sehr viel plausibler wäre, zumal mit Blick auf den Zeitraum der nächsten Jahrtausende: „Die Menschheit GEWINNT die Kontrolle über den Zustand der Erde.“ Das ist kein leicht zu erreichendes, aber zweifellos ein überaus erstrebenswertes Ziel. Zum Glück fangen wie nicht bei null an. Ein Blick in unser Nachbarland lehrt uns, dass man mit einem steigenden Meeresspiegel relativ unkompliziert zurechtkommen kann. Ganze 26 Prozent der Niederlande liegen schon heute unter dem Meeresspiegel. Und zwar nicht nur ein paar Zentimeter, sondern bis zu sieben Meter. Offenbar haben die Niederländer die Sache ganz gut im Griff. Das Meer ist nach wie vor eine Bedrohung. Bei der großen Flut von 1953 kamen fast 2000 Menschen ums Leben. Aber wenn die Bedrohung durch den Anstieg der Pegel um knapp 20 Zentimeter in den letzten 100 Jahren zugenommen hat, so haben doch die Fortschritte beim Deichbau diesen Risikozuwachs mehr als wettgemacht. Wir können daher zuversichtlich sein, dass die Holländer angesichts eines weiteren Anstiegs des Meeresspiegels um derzeit durchschnittlich 3,3 Zentimeter pro Jahrzehnt auch in Zukunft nicht kapitulieren und ihr Land dem Meer überlassen werden.

Ähnlich verhält es sich an anderen Orten der Welt, etwa dem Mekong-Delta in Vietnam. Hier ist das Hauptproblem nicht der steigende Meeresspiegel, sondern das sich absenkende Land. Mit jährlich 2 bis 4 Zentimetern sinkt es 6 bis 12-mal schneller, als der Meeresspiegel steigt. Sich an diese Veränderung, die nichts mit dem Klimawandel zu tun hat, anzupassen, ist eine große Herausforderung. Eine wichtige Maßnahme des Küstenschutzes ist hier z.B. das Anpflanzen von Mangrovenwäldern. [31] Außerdem stellen sich die Menschen um. Wo Salzwasser vordringt, werden inzwischen im großen Stil Aquakulturen betrieben und statt Reis eben Fische und Garnelen geerntet.

Weltweit leben schon heute rund 110 Millionen Menschen unterhalb des Meeresspiegels – aber eben nicht im Wasser. In 2050 werden es aktuellen Voraussagen zur Folge 40 Millionen mehr sein. Doch auch sie werden größtenteils gut damit zurechtkommen, da sie wohlhabender sein werden und über mehr Möglichkeiten verfügen werden, sich das Wasser vom Leibe zu halten. [32] Im Zweifelsfall werden Menschen im Lauf von Jahrzehnten allmählich wegziehen. Dann kann man sie „Klimaflüchtlinge“ nennen, wenn man keine Scheu vor irreführenden Bezeichnungen hat.

Warm und kalt

Auch beim Thema Hitze sind keineswegs alle Klimaforscher mit der Katastrophenrhetorik glücklich. Hans von Storch, der selbst an den Berichten des Weltklimarates IPCC mitgeschrieben hat, beschreibt die Folgen der Erderwärmung relativ nüchtern: „Durch die Klimaerwärmung könnte es theoretisch in den ohnehin heißen Tropen so heiß werden, dass man dort ohne technische Hilfen wie Klimaanlagen nicht mehr gut leben kann. Aber in allen anderen Regionen, etwa bei uns, kann davon keine Rede sein. In Phoenix/Arizona leben übrigens Millionen Menschen. Das war früher unmöglich, heute gibt es Klimaanlagen.“ [33] Und auch mit Trockenheit kann man umgehen, wie ein Blick nach Arizona zeigt. Die Kleinstadt Yuma in diesem US-Bundesstaat an der mexikanischen Grenze ist mit etwa 340 Sonnentagen (93,09 Prozent) pro Jahr der Ort mit den durchschnittlich meisten Sonnenstunden weltweit. Die Temperatur beträgt im Jahresdurchschnitt 23,4 Grad Celsius, im Sommer übersteigt sie regelmäßig die 40-Grad-Marke. Es fallen nur 81 Millimeter Niederschlag im Jahr. Dennoch floriert in der Region um Yuma, zwischen den Flüssen Gila und Colorado, die Landwirtschaft: Fast 90 Prozent des in den USA angebauten Blattgemüses wird hier produziert. [34]

Und vergessen wir nicht, dass nach wie vor für uns Menschen Kälte ein deutlich größeres Problem darstellt als Hitze. Eine Auswertung des Einflusses der Temperatur auf die Sterblichkeit hat ergeben, dass weltweit betrachtet 7,71 Prozent der Mortalität ungünstiger Temperatur zuzuschreiben ist, davon 7,29 Prozent der Kälte und 0,42 Prozent der Hitze. Menschen sterben also 17-mal häufiger wegen zu niedriger Temperatur als wegen zu hoher. [35]

Worauf die Warner ebenfalls selten hinweisen: Die Erde wird immer grüner. Das zeigen Auswertungen von Satellitendaten. Demnach hat auf 25 bis 50 Prozent der Landfläche die Vegetation in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen, nur auf vier Prozent hat sie abgenommen. Da CO2 für Pflanzen Nahrung ist, trägt zu 70 Prozent die erhöhte CO2-Konzentration zur globalen Ergrünung bei, zu rund acht Prozent die Erwärmung. [36] Noch deutlicher als in der Natur zeigt sich der Trend auf Agrarflächen. In weniger entwickelten Regionen (Asien, Südamerika und Afrika) sind die Hauptgründe für die vermehrte Vegetation in der Landwirtschaft die Ausdehnung der Anbauflächen und die Reform der Anbausysteme, die die Vegetationsperiode verlängert. In den entwickelten Regionen (Nordamerika, Australien und Europa) ist der Hauptgrund die Intensivierung der Landwirtschaft (Grüne Revolution). [37] Interessanterweise hat der Pflanzenanbau selbst wiederum Auswirkungen auf das Klima. Im US-amerikanischen „Corn Belt“, den riesigen Maisanbauflächen, sind durch die intensive Landwirtschaft die Sommertemperaturen um ein Grad gesunken und die Niederschläge haben um 35 Prozent zugenommen. [38]

Angesichts der Entwicklungen bei der Vegetation sind Behauptungen, der Klimawandel würde die Ernährungssicherheit beeinträchtigen, wenig plausibel, zumal es bei landwirtschaftlichen Erträgen noch sehr viel Luft nach oben gibt. In großen Teilen der Welt werden heute nur 10 oder 20 Prozent der Erträge erreicht, die unter den jeweiligen Bedingungen mit den Methoden der modernen Landwirtschaft möglich wären.

Was tun, wenn es
wärmer wird?

Eine junge Frau namens Marlene Weiß schreibt in einem Newsletter der Süddeutschen Zeitung namens „SZ Klimafreitag“: „Ich bin Redakteurin im Wissenschaftsressort, wo ich unter anderem über Klima schreibe. Da liest man naturgemäß viele Studien. Zur Zeit muss ich dabei oft daran denken, was Greta Thunberg – die an diesem Freitag in Berlin mitdemonstriert hat – vor einem halben Jahr so eindrucksvoll in Davos gesagt hat: ‚I want you to panic‘ (das wird ja schon herumzitiert wie ein Bibelspruch, würden die Greta-Feinde jetzt genervt sagen, aber wo sie recht hat, hat sie recht, oder?).“

Panik ist bekanntlich das Gegenteil von überlegtem Handeln. Wie ist es so weit gekommen, dass ein Mädchen, das das Gegenteil von überlegtem Handeln fordert, von Wissenschaftsredakteuren – und nicht nur von ihnen – als Prophetin verehrt wird? Wie ist es so weit gekommen, dass man, wenn man diese Frage stellt, als genervter „Greta-Feind“ kategorisiert wird? Worin unterscheidet sich ein „Greta-Feind“ von einem „Klimaleugner“? Warum denken Menschen überhaupt in solchen Kategorien?

Lassen wir diese Fragen und den Panik-Hype des Jahres 2019 beiseite und widmen wir uns der Frage nach dem Handeln. Amerikanische Forscher haben das Szenario eines Atomkriegs zwischen Indien und Pakistan im Jahr 2025 untersucht. [39] Sie beschreiben die Konsequenzen als globale Eiszeit: Die nuklearen Explosionen und die ausgelösten Brände würden enorme Mengen Rauch freisetzen. Dieser gelangt dem Szenario zufolge bis in die Stratosphäre und verringert die Sonneneinstrahlung. Die Folge: Die Temperaturen auf der Erde sänken um 3 bis 5,5 Grad Celsius. Damit wäre in etwa das Niveau der letzten großen Eiszeit vor 21.000 Jahren erreicht. Mit anderen Worten: Man kann den Planeten kühlen. Auch bei großen Vulkanausbrüchen (Krakatau 1883, Tambora 1915, Mount Pinatubo 1991) konnten wir den kühlenden Effekt, wenn auch weniger drastisch, schon gut beobachten.

Wir Menschen beeinflussen das Klima. Im Moment vor allem unbeabsichtigt durch die Emission von Treibhausgasen. Im schlechtesten Fall durch verheerende Kriege (die eine echte globale Katastrophe wären und deren Verhinderung uns vielleicht mehr beschäftigen sollte). In Zukunft aber hoffentlich eher geplant, kontrolliert und zielgerichtet. Wir kennen Mechanismen, wie wir mit technischen Mitteln die globalen Temperaturen beeinflussen können. Und wenn die Temperaturen in den nächsten Jahrhunderten schneller oder weiter steigen, als uns lieb ist, dann sollten wir dies auch tun.

Parallel dazu müssen wir uns mittelfristig auf das postfossile Zeitalter vorbereiten. Irgendwann wird es kommen. Entweder, weil wir aus Gründen der Klimakontrolle auf die Nutzung von Kohle, Gas und Erdöl verzichten, oder weil wir bessere, effizientere Alternativen haben und aus Kostengründen auf fossile Energien verzichten. Unbegrenzte Mengen Energie bei minimalem Landschaftsverbrauch und niedrigen Kosten kann mittel- und langfristig ohne jeden Zweifel die Kernenergie liefern. Weltweit wird daher an neuen Reaktorkonzepten gearbeitet. Vielleicht überwindet ja auch Deutschland irgendwann die lähmende Tabuisierung dieser Option. Immerhin durfte Rainer Klute vom Verein Nuklearia kürzlich in einem Gastbeitrag in Die Zeit für ein Revival der Kernenergie plädieren. Er formulierte ein verlockendes und vollkommen realistisches Angebot: „Allein aus den gebrauchten Brennelementen in den verschiedenen Zwischenlagern könnte Deutschland 250 Jahre lang komplett mit Strom versorgt werden. Die Reaktoren der sogenannten Generation IV würden damit nicht nur die Endlagerfrage lösen, sie würden auch die Menge des nutzbaren Urans um das 50- bis 80-Fache strecken, sodass es für Zehntausende Jahre Stromerzeugung reichen würde – und das alles klimafreundlich und emissionsfrei.“ [40]

Allerdings ist die ideologische und ökonomische Lobby für Wind und Sonne hierzulande so stark, dass wir uns ziemlich sicher sein können, dass Deutschland bei der nuklearen Revolution als murrender Nachzügler ganz, ganz hinten mit dabei sein wird. Denn Erneuerbare, deren Förderung inzwischen ein vernünftiges Maß überschritten hat, dienen nicht zuletzt dazu, die Kernenergie und damit die Lösung des Klimaproblems zu verhindern.

Neben einer künstlichen Verringerung der Sonneneinstrahlung, dem Solar Radiation Management (SRM) nach Vorbild der Vulkane, haben wir auch die Möglichkeit, auf verschiedene Art und Weise klimawirksame Gase aus der Atmosphäre zu entfernen oder fernzuhalten. Das wird derzeit unter dem Stichwort „negative Emissionen“ diskutiert. Wir können aus CO2 Chemikalien oder Treibstoffe herstellen. Wir können es zur Ölförderung in den Untergrund pressen. Wir können es bei der Betonherstellung verwenden. Wir können es aus Kraftwerksabgasen abscheiden und unterirdisch lagern (Carbon Capture and Storage – CCS). Wir können es durch Bäume aus der Luft holen und das Holz anschließend verbauen oder verbrennen (und das dabei wieder entstehende CO2 unterirdisch lagern (Bio Energy + CCS = BECCS)) oder Biokohle daraus herstellen und dies zur Bodenverbesserung einsetzen. Wir könnten Pflanzen so verändern, dass sie große Mengen Kohlenstoff in ihren Wurzeln speichern. [41] Wir können Gestein zermahlen, das dann durch den Prozess der chemischen Verwitterung (enhanced weathering) CO2 aufnimmt. [42] Besonders geeignet wäre das Silikatgestein Olivin. Das „Project Vesta“ [43] verfolgt das Ziel, es in großen Mengen an Stränden auszubringen, wo die Bedingungen für die Verwitterung besonders gut wären.

Wir können durch Eisendüngung des Ozeans mit geringem Aufwand sehr große Mengen von CO2 in Phytoplankton binden und an den Meeresgrund befördern. Wir können auch mit Maschinen CO2 aus der Luft entfernen (Direct Air Capture) und endlagern (DACCS). In welchem Maße diese einzelnen Methoden in Zukunft zum Einsatz kommen, hängt von vielerlei Faktoren ab, insbesondere von der Praktikabilität, den Umweltauswirkungen und den Kosten. [44]

Die Aufforstung hat ihre Grenzen. Während ein Wald heranwächst, was bekanntlich Jahrzehnte dauert, entzieht er der Atmosphäre CO2. Wenn er aber „fertig“ ist, wird seine CO2-Bilanz ausgeglichen. Er setzt genauso viel CO2 frei, wie er aufnimmt. Es sei denn, man entnimmt ihm Holz und sorgt dafür, dass dieses sich nicht zersetzt. Zum Beispiel, indem man aus Holz Häuser baut. BECCS ist vergleichsweise teuer und braucht viel Land. Entsprechend ist auch der Transportaufwand hoch. DAC ist ebenfalls sehr aufwändig. Das Problem ist, dass die Maschinen viel Energie brauchen und diese Energie auch wieder CO2-frei erzeugt werden müsste. Entsprechend wären (bei Ablehnung der Kernenergie) sehr große Flächen mit Solarpanelen erforderlich.

Das Abscheiden von CO2 aus Kraftwerksabgasen ist technisch möglich, aber noch immer recht teuer. Ein komplett veränderter Verbrennungsprozess könnte das ändern. Der sogenannte Allam Cycle erlaubt die emissionsfreie Verbrennung fossiler Brennstoffe. CO2 entsteht dabei als reines Beiprodukt, das als Rohstoff weiterverwendet oder dauerhaft unterirdisch gelagert werden kann. Die Technologie wird derzeit in einer Demonstrationsanlage in Texas erprobt. Die USA fördern Innovationen zur Gewinnung, Nutzung und Lagerung von CO2 (CCS bzw. CCU) seit Anfang 2018 durch substanzielle Steuergutschriften von 35 Dollar pro Tonne CO2, die zur kommerziellen Nutzung weiterverarbeitet wird, und 50 Dollar für die unterirdische Speicherung. [45] Die Aktivitäten sind dort entsprechend umfangreicher und weiter als in Europa.

Das künstliche Anregen der derzeit relativ geringen biologischen Produktivität der Ozeane könnte eine sehr effektive und effiziente Methode sein. Der Ozeanograph John Martin hat das Potenzial schon 1988 pointiert benannt, als er sagte: „Gebt mir einen halben Tanker voll Eisen, und ich werde euch eine Eiszeit geben.“ [46] Eine Steigerung der Produktivität des Phytoplanktons um ein Prozent könnte zu einer erhöhten CO2-Aufnahme führen, die der von rund zwei Milliarden ausgewachsenen Bäumen entspricht. [47] Die Düngung geschieht auch auf natürliche Weise, wenn Staub vom Land in den Ozean gelangt, insbesondere aus Wüsten wie der Sahara und aus Patagonien, [48] oder wenn Wale ins Wasser koten. (Eine Greenpeace-kompatible Variante des Climate Engineering wäre demnach der Versuch, ein schnelles Wachstum der Walpopulationen zu fördern, zumal Wale selbst, wenn sie sterben, mit sich rund 33 Tonnen CO2 in der Tiefsee beerdigen.) [49]

Bei der direkten Beeinflussung des Klimas, unabhängig vom CO2 in der Atmosphäre, geht es vor allem darum, die Energiemenge der Sonne, die die Erdoberfläche erreicht, zu vermindern oder die Menge, die wieder ins All zurück reflektiert wird, zu vergrößern. Zu den diskutierten Ansätzen zählt das Aufhellen von Wolken über dem Meer (marine cloud brightening, MCB) durch das Einbringen von Salzkristallen (hiermit könnte auch lokale Kühlung, etwa von Korallenriffen, erfolgen und man könnte Hurricanes abschwächen [50]) und insbesondere das Ausbringen von Aerosolen nach dem Vorbild der Vulkanausbrüche beim sogenannten Solar Radiation Management (SRM). Dafür geeignete Flugzeuge zu bauen, ist technologisch keine große Herausforderung und dürfte auch nicht besonders teuer werden.

Forscher kamen in ihrer Kalkulation eines 15-Jahresprogramms, mit jährlich steigenden Ausbringmengen und dem Ziel einer Senkung der globalen Temperatur um 0,3 Kelvin auf jährliche Kosten von 2,25 Milliarden Dollar. Das ist weniger als wir allein in Deutschland jeden Monat für die Subventionierung von Ökostrom ausgeben. Dutzende von Ländern verfügen sowohl über das nötige Geld als auch über die notwendigen technischen Möglichkeiten. [51] Ob es je gemacht wird, wird sich zeigen. SRM ist gewissermaßen der Joker, der erst zum Einsatz kommen müsste, wenn eine akute Erwärmung vorübergehend gemildert werden soll, bis die mittelfristige Reduzierung der Treibhausgase ausreichend Wirkung zeigt.

Und dann gibt es ja noch Flugscham, SUV-Verachtung etc. Aber was soll man dazu schon sagen? Veränderungen des Lebensstils des (relativ kleinen) wohlhabenden Teils der Menschheit sind im Vergleich zu den genannten technischen Maßnahmen vollkommen irrelevant. Allein die Tatsache, dass die Grünen-Wähler nach 25 Jahren Kampf für mehr Klimaschutz als reisefreudige [52] Besserverdiener noch immer einen weit überdurchschnittlichen CO2-Fußabdruck haben dürften, sollte genügen, den gesamten Komplex „Lebensstiländerung“ aus der Debatte zu nehmen. Das Ausmaß der Scheinheiligkeit westlicher Besserverdiener hat groteske Ausmaße angenommen.

Die Kehrseite des
Klimaschutzaktivismus

Sind „Klimaschützer“ die besseren Menschen? Wir müssen es bezweifeln. Neben Naivität und Konformismus findet man auch viel Selbstgefälligkeit und mitunter eine neokoloniale Weltsicht. Die Katastrophenerzählung ist die perfekte Ideologie für die Reichen und Mächtigen. Sie können es nicht ertragen, dass Hinz und Kunz in den Urlaub fliegt oder auf Kreuzfahrt geht. Sie halten nichts von Billigfleisch. Sie haben keine Lust, im Stau zu stehen, weil sich zu viele Leute ein Auto leisten können. Sie sind überzeugt, es gebe zu viele Menschen auf der Welt, vor allem in armen Ländern. Aber sie warnen natürlich lieber vor „Klimaflüchtlingen“ (die es nicht gibt) als vor Armutsflüchtlingen. Sie erzählen, die Armen hätten am meisten zu leiden unter dem Klimawandel. Und sie glauben das auch, weil sie der Überzeugung sind, dass die Armen in 50 oder 100 Jahren immer noch genauso arm sein werden wie heute und nicht wie wir ein von allen Unbilden des Wetters geschütztes Leben führen können. Und sie sind deshalb davon überzeugt, weil sie sich nichts Schlimmeres vorstellen können, als dass all die Chinesen und Afrikaner unser Wohlstandsniveau erreichten. Weil dadurch doch ganz bestimmt der Planet ruiniert würde.

Nicht Klimawandel, sondern „Klimaschutz“ führt schon heute zu regionalen Katastrophen. Maßnahmen zum Küstenschutz oder zur Brandprävention werden unterlassen, da man ja hinterher bequem den Klimawandel dafür verantwortlich machen kann. Ein gutes Beispiel sind die Brände, die 2019 ein großes Thema waren. Alexander Held, Forstwissenschaftler vom European Forest Institute mit Schwerpunkt Waldbrandmanagement, sieht die Ursache klar bei Defiziten im Brandmanagement. Er verweist darauf, dass es seit den 1980er Jahren deutliche Hinweise und Warnungen aus den australischen Forstbehörden gegeben hat, weil die verfügbare Vegetation als Brennmaterial für einen Waldbrand oder einen Vegetationsbrand, Ausmaße angenommen hätten, die, „wenn sie denn brennen, Klimawandel hin oder her, so viel Energie freisetzen, dass sie nicht zu bekämpfen sind. Diese Feuer“, so Held, „die wir jetzt sehen, haben vor 20 Jahren begonnen zu brennen, im übertragenen Sinne, weil man zu wenig investiert hat in die Prävention und in das Landmanagement und in die Forstwirtschaft, um die Brandlast so weit zu verringern, dass auch unter extremen Wetterbedingungen die Feuer nicht so intensiv werden können.“

Die Australier wissen genau, wie man durch kontrolliertes Abbrennen dafür sorgt, dass keine großen Feuer entstehen können, und haben das früher auch so praktiziert. Dass man es nicht mehr tut, hat offenbar vor allem (umwelt)politische Gründe. Das Gleiche gilt grundsätzlich für die Brände in Kalifornien, wo die Hollywood-Stars natürlich nur eine Ursache kennen: die Klimakatastrophe. Wer angesichts der Brände in Sibirien, Kalifornien, Brasilien oder Australien laut nach mehr Klimaschutz (durch CO2-Reduktion) ruft, ist mit schuld daran, dass wegen Missachtung der wahren Ursachen auch in Zukunft große Brandkatastrophen passieren werden. [53]

„Schon heute sind mehr als 800 Millionen Menschen unterernährt“, lesen wir in der Zeit in einem Artikel, der uns unter der Überschrift „Kinder, macht Euch auf was gefasst“ auf die vielfältigen Schrecken des Klimawandels hinweisen möchte. [54] Was soll das bedeuten? Dass die Temperatur erst um ein Grad gestiegen ist und schon hungern 800 Millionen Menschen? Tatsächlich ist die Zahl der hungernden Menschen in den letzten Jahrzehnten massiv gesunken. 1970 waren rund 35 Prozent der Menschen in Entwicklungsländern unterernährt, heute sind es noch knapp 13 Prozent. [55] Und die, die unterernährt sind, sind dies nicht wegen des Klimawandels und noch nicht einmal wegen eines Mangels an Nahrungsmitteln, sondern weil sie zu arm sind, sich diese zu kaufen. Das ist ein Missstand, den das marktschreierische Warnen vor dem Klimawandel verschleiert und letztlich befördert, weil im Namen des Klimas Wachstum in armen Ländern gebremst wird und damit Armut und Hunger erhalten werden. Über fünf Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr. Sehr wenige davon an den Folgen des Klimawandels. Aber rund 800.000 an Lungenentzündung, über 500.000 an Durchfallerkrankungen, 350.000 an Malaria. [56]

Klimawandel wird inzwischen für alle Probleme dieser Welt verantwortlich gemacht. Im Umkehrschluss wird suggeriert, alle Probleme dieser Welt könnten durch „Klimaschutz“ gelöst werden. Das ist leider überhaupt nicht der Fall. Die Konzentration auf den „Klimaschutz“ verhindert Fortschritte in vielen, sehr viel relevanteren Bereichen: Armut, Seuchen, ja sogar Überflutungen, Waldbrände usw.

Eine Frage
der Wissenschaft?

Die neue Klimabewegung frappiert mit der beständig wiederholten Aussage, dass sie selbst nichts zum Thema beizutragen habe und nur eines fordere, nämlich, der Wissenschaft zu folgen: „Unite behind the Science!“ DIE Wissenschaft produziert aber jährlich viele tausende Arbeiten zu den verschiedensten Aspekten rund ums Klima. Die IPCC-Datenbank umfasst 31 Klimamodelle mit 1184 Szenarien. [57] Wenn alles geklärt ist, wozu dann diese emsig betriebene, ständig wachsende Forschung? Von all der Forschung nehmen die Aktivisten nur einen verschwindend geringen Ausschnitt zur Kenntnis. Und was sie zur Kenntnis nehmen, stammt vorwiegend von Wissenschaftlern, die sich selbst als Aktivisten betrachten. Das Gleiche gilt für die Medien.

Einer der wenigen, der diese Zustände in der öffentlichen Meinungsbildung kritisiert, ist der Geologe Axel Bojanowski, seit Kurzem Chefredakteur von „Bild der Wissenschaft“ und „Natur“, davor lange Jahre beim Spiegel. Als im November 2019 11.000 Wissenschaftler vor einem „Klimanotstand“ warnten [58], bezeichnete er dies als „wissenschaftlichen Tiefpunkt“ und konstatierte in Hinblick auf die unkritische bis begeisterte Verbreitung der Warnung durch den Großteil der Medien: „Dass es viele Umweltwissenschaftler derzeit zu Appellen drängt, mag angesichts des Klimawandels verständlich erscheinen. Uneigennützigkeit braucht dennoch nicht unterstellt werden: Wahrnehmung ist auch in der Forschung die wichtigste Währung – und Politisierung des eigenen Wissens hilft, relevant zu werden. Diese Versuchung ist menschlich, dass ihr aber sogenannte Qualitätsmedien unkritisch nachgeben wie bei der Warnung der 11.000, spottet ihrer Kontrollfunktion.“ [59] An anderer Stelle beklagt er zu Recht: „Bei komplexen Themen (z.B. auch Naher Osten, Finanzkrise etc.) konsultieren Journalisten bewährte Experten/Quellen – in Deutschland werden zum Thema Klima meist die gleichen 4 Experten befragt, Tausende andere ignoriert – die meisten Facetten des Themas bleiben außen vor.“ [60] Und weiter: „Die überwältigende Mehrheit der Professoren, rund 96 Prozent, erhält so gut wie keine Medienaufmerksamkeit. Ihre Abwesenheit sorgt für Verzerrung, denn in die Öffentlichkeit drängen nicht unbedingt jene Gelehrten mit ausgleichendem Gemüt. Vielmehr sind es oft Forscher mit Sendungsbewusstsein oder Karriereinstinkt, die mit starken Thesen den Opportunismus der Journalisten füttern. Diese ‚Media Scientists‘, man könnte sie auch ‚Spin-Doktoren‘ nennen, sind die heimlichen Herrscher der Klimadebatte. Ihre Autorität ziehen sie aus ihrem Status als Wissenschaftler, der ihren Thesen Glaubwürdigkeit sichert. Weil auch Wissenschaftler aber weder interessenlos noch fehlerlos sind, gelangt über die Media Scientists nicht selten ein Spin in die Massenmedien, der den Stand der Wissenschaft verzerrt.“ [61]

Die Situation in den Redaktionen sehe so aus: „Journalisten geraten unter Druck – in Deutschland, der Schweiz und Österreich vor allem von einer Seite: Wer den Verdacht auslöst, Risiken des Klimawandels relativieren zu wollen, zieht Kritik auf sich; mancher findet sich gar als namentlich genannter Klimawandelskeptiker in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums wieder. Wer hingegen Unsicherheiten der Forschungsergebnisse ignoriert, hat nichts zu befürchten, Protestpost in dieser Hinsicht gilt in Redaktionen meist als reputationsfördernd. Kritische Journalisten hingegen müssen Internetpranger, Online-Petitionen für ihre Entlassung und Beschwerden bei Chefredaktionen über sich ergehen lassen. Einige haben sich deshalb vom Klimathema abgewandt, anderen wurde von Redaktionen das Vertrauen entzogen, sodass sich die Berichterstattung übers Klima zunehmend homogenisiert.“ [62]

Zur Dominanz der Media Scientists kommt hinzu, dass insbesondere jüngere Forscher sich immer weniger am Ideal der wissenschaftlichen Neutralität orientieren. In einer Umfrage wurden junge Klimawissenschaftler beziehungsweise Umweltforscher an zwei europäischen und einer chinesischen Einrichtung befragt, was sie für die Hauptaufgabe der Klimawissenschaft halten. Die Europäer sahen diese mehrheitlich in „motivating people to act on climate change“, also der Mobilisierung der Öffentlichkeit. An der chinesischen Universität wurde prioritär der Aspekt „defining the climate problems and attributing causes of climate change“ benannt. [63]

Die Klimaforscherin Judith Curry weist darauf hin, dass die Forschung von Anfang an von der Politik getrieben wurde. Sie schreibt: „Der Klimavertrag von 1992 wurde von 190 Ländern unterzeichnet, bevor das Gros der wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hindeutete, dass überhaupt ein erkennbarer menschlicher Einfluss auf das globale Klima zu beobachten war. Das Kyoto-Protokoll von 1997 wurde umgesetzt, bevor wir einigermaßen sicher sagen konnten, dass der Großteil der jüngsten Erwärmung durch den Menschen verursacht wurde. Der politische Druck auf die Wissenschaftler, Ergebnisse vorzulegen, die diese Verträge stützen, ist enorm. Das hat zu einem Bestreben geführt, einen wissenschaftlichen Konsens über die Gefahren des menschgemachten Klimawandels zu fabrizieren.“ [64]

Ein extremes Beispiel des Kampfes für Konformität bietet die hauptsächlich von Universitäten finanzierte Online-Plattform „The Conversation“, auf der Wissenschaftler in kurzen Artikeln allgemeinverständlich über ihre Forschung berichten. Am 17.09.2019 hat der Chefredakteur und Geschäftsführer der Seite mitgeteilt, dass ab sofort auch in den Kommentarspalten keine Beiträge von „Klimaleugnern“ mehr toleriert werden. Er schreibt: „Die Leugner des Klimawandels und diejenigen, die schamlos Pseudowissenschaft und Fehlinformationen verbreiten, tragen zum Fortbestehen von Ideen bei, die letztendlich den Planeten zerstören werden.“ [65] Deshalb werde man eine Null-Toleranz-Politik gegenüber „Klimaleugnern und Skeptikern“ einführen, Kommentare löschen und die Zugänge der Autoren sperren. Alle Leser werden aufgerufen, zu helfen. Wer eine Fehlinformation entdecke, solle nicht darauf antworten, sondern sie sofort melden.

Trotz aller Bekundungen, die Wissenschaft sei sich einig, und trotz aller hysterischer Abwehr jeder Kritik an den Katastrophenszenarien, können wir heute nur sagen, dass zwar hohe Einigkeit herrscht, dass wir das Klima erwärmen, dass aber keineswegs Einigkeit herrscht, wie schnell dies geschieht, wie schlimm das ist und was man am besten dagegen tun sollte. Die größten Fehlwahrnehmungen dabei, sind die Idee, wir würden bald an Klimawandel sterben („I‘m part of Extinction Rebellion because the generation before me will die of old age but my generation will die of climate change“ [66]), die Idee, man könne die Welt auf Basis von Wind- und Sonnenenergie betreiben, die Idee, Lebensstiländerungen könnten auf die Klimaentwicklung einen nichtvernachlässigbaren Einfluss haben, und der Glaube, der Mensch könnte oder sollte nicht die Fähigkeit entwickeln, das Klima gezielt zu beeinflussen.

Den Wandel gestalten

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels um einen halben Meter und der Temperatur um ein bis zwei Grad Celsius oder mehr erlebt. Statt weiter den Weltuntergang zu beschwören, der auch diesmal nicht kommen wird, sollten wir in den nächsten Jahrzehnten die notwendigen Technologien zur CO2-freien Erzeugung beliebiger Mengen von Energie, für eine hoch effiziente und anpassungsfähige Landwirtschaft und zur gezielten Beeinflussung des Klimas weiterentwickeln. Generell sollten wir die Technologien zur Naturbeherrschung so weit entwickeln, dass wir mit jeder Situation umgehen können. Es geht nicht nur um die Abwehr der Erwärmung. Es geht auch darum, größtmögliche Gestaltungsmöglichkeiten für das Klima zu entwickeln.

Die aktuellen Klimarettungsinszenierungen präsentieren sich als Kombination aus Katastrophenbeschwörung und utopischer Hoffnung auf Erlösung durch die sanften Gewalten von Wind, Sonne, Elektroautos und Veggie-Burger. Wir müssen weg von solchen Inszenierungen und dem sie begleitenden Virtue Signalling, hin zu einer von ernsthaftem Wollen und Forschen getragenen Gestaltung der Welt. Unser Ziel sollte es sein, zehn Milliarden Menschen ein Leben in dem Wohlstand zu ermöglichen, wie ihn heute die westliche Mittelschicht genießt. Dafür wird der Energieverbrauch trotz weiterer Effizienzgewinne zweifellos noch deutlich steigen müssen.

Die aktuelle Klimaschutzbewegung scheint durch zwei Gefühle charakterisiert: das durch Scheinheiligkeit erkaufte wohlige Gefühl der moralischen Überlegenheit eines Prince Harry oder Leonardo di Caprio und die ruhmvolle Verzweiflung einer Greta Thunberg. Beide Phänomene sind in vielen Schattierungen weitverbreitet, aber nicht befriedigend. Beschäftigt man sich rational mit der Herausforderung Klimawandel, kann ein drittes Gefühl die Oberhand gewinnen: Zuversicht. Der Kolumnist Harald Martenstein hat es in einfache Worte gefasst: „Wir haben es geschafft, zum Mond zu fliegen und die Pest zu besiegen, wir schaffen auch den Sieg über das Kohlendioxid, auf die gleiche Weise.“ [67]

1For Seasons, Twitter, 20.11.2019.

2Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: „Klimawandel in Deutschland: Neuer Monitoringbericht belegt weitreichende Folgen“, Pressemitteilung, 26.11.2019.

3Wikipedia: „Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland“, Aufruf 29.11.2019.

4Jess Nelson: „Weather Data Confirms Miami Fall Is a Hellacious Rerun of Summer“, Miami New Times online, 22.10.2019.

5Hannah Ritchie / Max Roser: „CO2 and Greenhouse Gas Emissions“, Our World in Data, Oktober 2018.

6Alle Zahlen von der Website Our World in Data.

7„Barack Obama’s Remarks in St. Paul“, New York Times online, 03.06.2008.

8Die Realität beim Kunststoffrecycling beschreibt Prof. Rainer Bunge, Fachstellenleiter am Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik UMTEC an der Hochschule Rapperswil: „Das Kunststoffrecycling ist weder effizient noch effektiv. Doch warum will der Konsument trotzdem Kunststoff separat sammeln? Der Konsument glaubt, und er möchte auch daran glauben, dass das Kunststoffrecycling einen wichtigen Beitrag zur Kompensation seiner Umweltauswirkungen leistet – obwohl das nicht stimmt.“ In: Stephanie Thiel et al. (Hrsg.): „Recycling und Rohstoffe“, Bd. 12, 2019, S. 245–58.

9ARD Video-Clip zit. n. mr. pip, Twitter, 30.11.2019.

10Bjørn Lomborg: „Climate change activists are focused on all the wrong solutions“, New York Post online, 21.10.2019.

11Niklas Höhne et al.: „1,5°C: Was Deutschland tun muss“, NewClimate Institute März 2019.

12Matthew Taylor: „What are Extinction Rebellion‘s key demands?“, 08.10.2019.

13Roger Pielke: „Net-Zero Carbon Dioxide Emissions By 2050 Requires A New Nuclear Power Plant Every Day“, Forbes online, 30.09.2019.

14„Watt? Das leisten Kraftwerke im Vergleich“, NDR Info online, 25.09.2018.

15Christian Endt: „Wie der Kapitalismus dem Klima helfen kann“, Süddeutsche Zeitung online, 17.10.2019.

16Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: „Energiedaten: Gesamtausgabe“, Stand: Oktober 2019, Werte für das Jahr 2018.

17Michael Standaert: „Why China’s Renewable Energy Transition Is Losing Momentum“, YaleEnvironment 360, 26.09.2019.

18Peter Adel: „Wie Deutschland seinen Wind ausbremst“, Achse des Guten, 05.12.2019.

19Roger Pielke: „Surprising Good News on the Economic Costs of Disasters“, Forbes online, 31.10.2019.

20Hannah Ritchie / Max Roser: „Natural Disasters“, Our World in Data, Stand November 2019.

21Hannah Ritchie / Max Roser: „Causes of death“, Our World in Data, Stand Dezember 2019.

22F.A.Z., 02.08.2019.

23DARA and the Climate Vulnerable Forum: „Climate Vulnerablility Monitor. A Guide to the Cold Calculus of a Hot Planet“, 2. A., 2012, S. 17.

24Stefan Rahmstorf: „Klimakrise. Die Menschheit verliert die Kontrolle über den Zustand der Erde“, Spiegel online, 31.08.2019.

25Timothy M. Lenton et al.: „Climate tipping points – too risky to bet against“ in: Nature 575, 2019, S. 592–95.

26Ebd.: „We define emergency (E) as the product of risk and urgency. Risk (R) is defined by insurers as probability (p) multiplied by damage (D). Urgency (U) is defined in emergency situations as reaction time to an alert (τ) divided by the intervention time left to avoid a bad outcome (T).“

27Richard Betts: „Hothouse Earth: here’s what the science actually does – and doesn’t – say“, The Conversation online, 09.08.2018.

28Tamsin L. Edwards et al. „Revisiting Antarctic ice loss due to marine ice-cliff instability“ in: Nature 566, 2019, S. 58–64.

29Shinichiro Asayama et al.: „Why setting a climate deadline is dangerous“ in: Nature Climate Change 9, August 2019, S. 570–74.

30Lenton et al., s. Anm. 25.

31Jessica von Blazekovic: „Dem Untergang geweiht“ in: F.A.Z., 27.11.2019.

32Bjørn Lomborg: „Humans Can Survive Underwater“, Project Syndicate online, 21.11.2019.

33Jens Meyer-Wellmann / Matthias Iken: „Greta Thunbergs Aussage ist lachhaft“, Interview mit Hans von Storch, in: Hamburger Abendblatt, 26.10.2019.

34Ashley Viens: „World Cities Ranked by Average Annual Sunshine Hours“, Visual Capitalist, 26.10.2019.

35Antonio Gasparrini et al: „Mortality risk attributable to high and low ambient temperature: a multicountry observational study“, The Lancet 386, 2015, S. 369–75.

36Zaichun Zhu et al.: „Greening of the Earth and its drivers“ in: Nature Climate Change 6, 2016, S. 791–95.

37Xueyuan Gao et al.: „Detected global agricultural greening from satellite data“ in: Agricultural and Forest Meteorology 276–77, 15.10.2019.

38Ross E. Alter et al.: „Twentieth Century Regional Climate Change during the Summer in the Central United States Attributed to Agricultural Intensification“, in: Geophysical Research Letters, Volume45, Issue3, 16.02.2018, S. 1586-1594.

39Owen B. Toon et al.: „Rapidly expanding nuclear arsenals in Pakistan and India portend regional and global catastrophe“ in: Science Advances, 02.10.2019.

40Rainer Klute: „Atomkraft, ja bitte! Wie bitte?“ in: Die Zeit, 01.10.2019.

41Joanne Chory: „How supercharged plants could slow climate change“, TED Talk, YouTube, 14.06.2019.

42R.D. Schuiling: „Olivine weathering to capture CO₂ and counter climate change“, Arctic News, 30.07.2016.

43Website https://projectvesta.org/plan.

44C. Hepburn et al.: „The technological and economic prospects for CO2 utilization and removal“ in: Nature 575, 2019, S. 87–97.

45„Studie: Wiederverwertung von CO2 hat großes Potential“ in: F.A.Z., 08.10.2019.

46John Weier: „John Martin (1935–1993)“, NASA Earth Observatory online, 10.06.2001. Siehe auch den Beitrag von Patrick Mellor in diesem Band.

47Ralph Chami et al.: „Nature’s Solution to Climate Change“ in: Finance & Development, Dezember 2019.

48Albert Gabric: „How Australia’s biggest dust storm went on to green the ocean“, The Conversation, 18.09.2015.

49Brian Wang: „Iron fertilization of the ocean is as natural as whale poop and it can save the planet“, Next Big Future, 05.01.2018.

50Stephen Salter: „Can Marine Cloud Brightening Reduce Sea-surface Temperatures to Moderate Extreme Hurricanes and Typhoons?“ in: Atmospheric Science Letters 13/4, 2012, S.231–37.

51Wake Smith / Gernot Wagner: „Stratospheric aerosol injection tactics and costs in the first 15 years of deployment“ in: Environmental Research Letters, 13/12, 23.11.2018.

52Ragnar Vogt: „Grünen-Anhänger fliegen am meisten – und haben das schlechteste Gewissen“, Tagesspiegel online, 19.07.2019.

53Weltweit haben Feuer flächenmäßig übrigens von 1998 bis 2015 um 24 Prozent abgenommen. Siehe: „Researchers Detect a Global Drop in Fires“, NASA Earth Observatory online, 30.06.2017.

54Linda Fischer / Alina Schadwinkel: „Kinder, macht euch auf was gefasst“, Zeit online, 14.11.2019.

55Max Roser / Hannah Ritchie: „Hunger and Undernourishment“, Our World in Data, November 2019.

56Bernadeta Dadonaite: „Pneumonia – no child should die from a disease we can prevent“, Our World in Data, 21.11.2019.

57AR5 Scenario Database, International Institute for Applied Systems Analysis.

58William J. Ripple et al: „World Scientists’ Warning of a Climate Emergency“, BioScience, 05.11.2019.

59Axel Bojanowski: „Problematische Warnung der 11.000“, Cicero online, 07.11.2019.

60Axel Bojanowski, Twitter, 20.11.2018.

61Axel Bojanowski: „Komplexe Wahrheiten. Die Homogenisierung der Klima-Berichterstattung ist ein Problem“, Übermedien, 20.09.2019.

62Axel Bojanowski: „Journalisten im Klimakrieg“ in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 15.11.2019.

63Hans von Storch: „Auch Religion ist Wissen“, Vortrag vor dem Deutschen Ethikrat über die Wissenschaft und ihre Rolle in der Gesellschaft, Salonkolumnisten, 01.11.2019.

64Judith Curry: „Madrid“, Website der Autorin, 02.12.2019.

65Misha Ketchell: „Climate change deniers are dangerous – they don’t deserve a place on our site“, The Conversation, 17.09.2019.

66Video-Clip, zit. n. Paul Dawson, Twitter, 17.11.2019.

67Harald Martenstein: „Ich, die Klimasau“, Der Tagesspiegel, 22.01.2019.

Ted Nordhaus

Der leere
Radikalismus der Klima-
apokalypse

CO2-Steuern, Solarenergie oder Elektroautos werden nicht zu einer umfassenden Dekarbonisierung führen. Klimawandel muss als gesellschaftliche Herausforderung, nicht als Marktversagen betrachtet werden

Was würde es bedeuten, ernsthaft mit dem Klimawandel umzugehen? „Wir müssen aufhören zu fragen, was die Erde für uns tun kann“, schloss der neu gewählte Präsident Jay Inslee in seiner Antrittsrede, „und anfangen zu überlegen, was wir für die Erde tun müssen.“ Inslee hatte seinen Wahlkampf zwei Jahre zuvor als Ein-Thema-Kandidat gestartet. Aber die Ereignisse übertrafen schnell das, was als eher extravagante Kandidatur begonnen hatte, um die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken.

Im Frühjahr 2020 brachten eine weitere Rekordflut am Mississippi, eine brutale Tornado-Saison, Dürre im Nordwesten und eine Reihe von verheerenden Gewittern im Nordosten Bundesstaaten, in denen die Vorwahlen umkämpft waren, in Inslees Lager. Als die Demokraten sich im Juli in Milwaukee zu ihrem Parteitag versammelten, vernichteten drei Wochen Hitze mit fast 40 Grad Celsius im gesamten Maisgürtel die Hälfte der Maisernte der Nation. Dann, am Labor-Day-Wochenende, machte sich ein Hurrikan der Kategorie 3 auf den Weg die Ostküste hinauf und hielt bis nach Washington, D.C. durch. Sechs Wochen später steuerte ein Hurrikan der Kategorie 4 auf New York zu und erzwang eine schnelle Evakuierung von Millionen von Menschen aus Manhattan und anderen Stadtteilen.

Inslee hatte sich vorgenommen, eine optimistische Kampagne zu führen und argumentierte, dass ein Green New Deal zur Bewältigung des Klimawandels gute Arbeitsplätze im Inland schaffen und die Vereinigten Staaten in die Lage versetzen würde, um wachsende Märkte für saubere Energien im Ausland zu konkurrieren. Aber zum Zeitpunkt seiner Wahl war die Wohlfühl-Rhetorik unnötig. Die Nation stand vor einer Krise und der designierte Präsident Inslee war die Person, die sie lösen sollte.

Als erste Amtshandlung erklärte Präsident Inslee einen nationalen Klimanotstand. Als zweites kündigte er die nationale Kohlenstoffrationierung an. Bis auf weiteres waren die Verbraucher auf eine Tankfüllung Benzin pro Monat beschränkt. Bezogen auf die Jahreszeit und das regionale Klima wurden die Lieferungen von Erdgas und Heizöl an Haushalte um bis zu 60 Prozent reduziert. Die Energieversorger wurden aufgefordert, innerhalb eines Monats Pläne zur Senkung der gesamten Stromerzeugung um 40 Prozent einzureichen und ihren bestehenden Erzeugungsmix so zu optimieren, dass sie so wenig wie möglich fossile Brennstoffe verwenden.

Die Rationierung wurde von der neuen Regierung als vorübergehende Notmaßnahme bezeichnet, bis der Präsident und der neue von den Demokraten dominierte Kongress in der Lage waren, die volle Kraft der Produktions- und Industriekapazitäten des Landes zu mobilisieren, um die Wirtschaft für eine kohlenstoffarme Zukunft umzurüsten. Inslee informierte die Kongressführer, dass er die Rationierung erst dann mildern würde, wenn der Kongress die Maßnahmen erlassen haben würde, die er in Kürze an das Repräsentantenhaus und den Senat senden würde.

Inslee lieferte dem Kongress ein umfangreiches Paket von Rechtsvorschriften zur Bewältigung der Krise. Senate Bill 1 verstaatlichte den Energiesektor und zentralisierte die meist privaten Versorgungsunternehmen des Landes unter der staatlichen Tennessee Valley Authority im Osten und der Bonneville Power Authority im Westen. Senate Bill 2 gründete die National Renewable Energy Corporation mit dem Auftrag, die heimischen Produktionskapazitäten für die Herstellung von Windturbinen und Solarmodule so umzubauen, dass bis 2030 60 Prozent der elektrischen Energie des Landes mit erneuerbarer Energie erzeugt werden können. Senate Bill 3 gründete die National Nuclear Energy Corporation, die die Kernsparten Westinghouse, General Electric, General Atomics und Bechtel zu einer einzigen öffentlichen Körperschaft mit dem Mandat zusammenführte, die bestehenden Kernreaktoren der Nation zu betreiben und 200 weitere große Leichtwasserreaktoren in einer einzigen Ausführung zu bauen, um den Rest des elektrischen Bedarfs der Nation innerhalb von zehn Jahren zu decken. Senate Bill 4 verstaatlichte die großen drei Autohersteller, zusammen mit Tesla. Der neue nationale Automobilkonzern würde nur Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge produzieren, mit dem Ziel, die gesamte Automobilproduktionskapazität innerhalb von drei Jahren auf Elektrofahrzeuge umzustellen.

Einen Monat nach seiner Amtseinführung reiste Inslee zu einem Treffen mit europäischen Verbündeten. Dort kündigte er seinen Plan an, die Nato in eine globale Organisation für den Klimaschutz und die Klimafolgenbewältigung umzuwandeln. Die Nato und ihre wohlhabenden Mitglieder würden den Aufbau einer kohlenstoffarmen Infrastruktur auf der ganzen Welt direkt finanzieren. Wie der Marshall-Plan zum Wiederaufbau Europas würde die Nato langfristige, zinsgünstige Darlehen für Entwicklungsländer bereitstellen, um saubere Energietechnologien zu kaufen und einzusetzen. Die Nato-Streitkräfte würden auch die Hilfsmaßnahmen für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen leiten und Flüchtlinge in Regionen umsiedeln, die weniger anfällig für den Klimawandel sind. „Es spielt keine Rolle, ob du schwarz, weiß oder braun, amerikanisch, indisch oder chinesisch bist“, donnerte Inslee am Ende der Nato-Treffen. „Wir sind jetzt alle Erdlinge, mit einer gemeinsamen Herausforderung und einem gemeinsamen Schicksal.“ Als Inslee an Bord der Air Force One ging, um seine indischen und chinesischen Kollegen zu treffen, war der Kampf gegen den katastrophalen Klimawandel endlich aufgenommen worden.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783944610719
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (April)
Schlagworte
Geoengineering Fridays for Future Klimawandel Erneuerbare Energien Nachhaltigkeit Fossile Energien Politik

Autor

  • Thilo Spahl (Autor:in)

Thilo Spahl ist Wissenschaftsautor und Novo-Redakteur. Einige seiner Bücher waren auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurden ins Koreanische, Spanische und Finnische übersetzt. Eins wurde als Wissenschaftsbuch des Jahres 2010 ausgezeichnet.
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Titel: Schluss mit der Klimakrise