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HERR DER WELTEN: Die 4. Kompilation

„Diese Kompilation enthält die Romane 31 bis 40 der laufenden Serie!“

von Wilfried A. Hary (Hrsg.) (Autor:in)
387 Seiten

Zusammenfassung

HERR DER WELTEN: Die 4. Kompilation Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Diese Kompilation enthält die Romane 31 bis 40 der laufenden Serie!“ Irgendwann im Übermorgen: John Willard, auf einer unmenschlichen Erde aufgewachsen, auf der nur noch das Recht des Stärkeren gilt, wird vom Sternenvogt, dem HERRN DER WELTEN, auserkoren, als eine Art Stuntman für ihn tätig zu werden, wenn es gilt, die erzwungene universale Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber John Willard muß auch erfahren, daß den Sternenvogt ein Geheimnis umgibt, das viel weiter reicht, als er zu Beginn auch nur ahnen kann. Und das Schicksal des Universums hängt von ihm ab... Die in dieser Kompilation enthaltenen Romane (in Klammern: Ersterscheinungsmonat): 31 »Die Reise zum Atom« Wilfried Hary (7/02) 32 »Das Ende der Hoffnung« Wilfried Hary (8/02) 33 »Der Kristallwald« Wilfried Hary (9/02) 34 »Das Schiff der Händler« Wilfried Hary (10/02) 35 »Die Rebellen von SOGNIR« Wilfried Hary (12/02) 36 »Wahrscheinlichkeiten« Wilfried Hary (2/03) 37 »Finale auf der DAMON« Wilfried Hary (4/03) 38 »Das grausame Universum« Erno Fischer (6/03) 39 »Sterbende Welten« Erno Fischer (8/03) 40 »Die Rache der Carmas« Erno Fischer (10/03) Alle Titelbilder der Originalhefte: Gerhard Börnsen

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Titel

HERR DER WELTEN: Die 4. Kompilation

Irgendwann im Übermorgen: John Willard, auf einer unmenschlichen Erde aufgewachsen, auf der nur noch das Recht des Stärkeren gilt, wird vom Sternenvogt, dem HERRN DER WELTEN, auserkoren, als eine Art Stuntman für ihn tätig zu werden, wenn es gilt, die erzwungene universale Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber John Willard muß auch erfahren, daß den Sternenvogt ein Geheimnis umgibt, das viel weiter reicht, als er zu Beginn auch nur ahnen kann. Und das Schicksal des Universums hängt von ihm ab...

Die in dieser Kompilation enthaltenen Romane (in Klammern: Ersterscheinungsmonat):

31 »Die Reise zum Atom« Wilfried Hary (7/02)

32 »Das Ende der Hoffnung« Wilfried Hary (8/02)

33 »Der Kristallwald« Wilfried Hary (9/02)

34 »Das Schiff der Händler« Wilfried Hary (10/02)

35 »Die Rebellen von SOGNIR« Wilfried Hary (12/02)

36 »Wahrscheinlichkeiten« Wilfried Hary (2/03)

37 »Finale auf der DAMON« Wilfried Hary (4/03)

38 »Das grausame Universum« Erno Fischer (6/03)

39 »Sterbende Welten« Erno Fischer (8/03)

40 »Die Rache der Carmas« Erno Fischer (10/03)

Impressum

Copyright © neu 2019 by

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Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

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HERR DER WELTEN ist die Schwesterserie von

STAR GATE – das Original und GAARSON-GATE

Alle Titelbilder der Originalhefte: Gerhard Börnsen

HERR DER WELTEN 031

Die Reise zum Atom

Wilfried A. Hary: „Spencer im Nirgendwo - auf einem Schiff der Widersprüche!“

John Willard, der Diener des Sternenvogts, des Herrn der Welten, erfährt, daß der Sternenvogt einst ein... Mensch gewesen ist mit Namen Professor Richard Spencer. Und der Sternenvogt läßt ihn virtuell Zeuge davon werden, was damals mit ihm geschah: Im Rahmen verrückter Experimente verschlug es ihn in eine andere - eine offensichtlich jenseitige! - Welt. Er nennt sie Mikro - und er ist hier nicht allein. Das monströse Wesen Meta bringt ihn zu einem seltsamen Objekt, das einem gestrandeten Segelschiff ähnelt.

Im Innern findet Spencer zu seiner Überraschung ein Raumschiff. In der Zentrale kommt es zu einer eigenartigen Begegnung: Es wird ihm eröffnet, das Schiff sei auf dem Weg zum Imperium der Sydter - Aggressoren, die die Menschheit bedrohen. Das Schiff habe die Möglichkeit, das Imperium der Sydter wenn nötig zu vernichten...

1

»Ganz allein?« Spencer konnte es nicht glauben. »Wann sind denn die Sydter überhaupt gekommen? Ich habe von diesen Vorgängen noch nichts gehört.« Er zermarterte sich die ganze Zeit schon den Kopf darüber. Zwar hatte er völlig zurückgezogen nur für seine Experimente gelebt, die ihn am Ende hierher verschlagen hatten, aber eine Invasion aus dem Weltraum wäre ihm kaum entgangen. Dessen war er sich sicher. Und dann dachte er an die Zeitverschiebung. Immer, wenn er sich auf Mikro befunden hatte, waren enorme Zeitverschiebungen eingetreten: Stunden hier waren im Normaluniversum nur Sekunden. Doch auch das reichte ihm bei weitem nicht als Erklärung.

Er lauschte darauf, was der Alte noch zu erklären hatte: »Alles war sehr schnell gegangen. Nach dem ersten Angriff der Sydter, der furchtbare Wochen in Anspruch genommen hatte, konnten wir den Gegner vorläufig ins All zurückschlagen. Und jetzt dieser Flug, der entweder Sühne oder Versöhnung bedeutet.«

Der Alte verschwand erneut.

Die Schaltwand setzte sich scheinbar in Bewegung. In Wirklichkeit war es wohl die Liege, die zu rollen begann. Spencer spürte die Bewegung überhaupt nicht. Er richtete sich auf, um besser sehen zu können. Automatisch paßte sich die Liege an. Sie stützte seinen Rücken. Spencer saß bequem.

Die ganze Angelegenheit faszinierte ihn außerordentlich. Irgendwie würde schon noch alles seine Erklärung finden. An den komplizierten Instrumenten saßen Männer und Frauen. Alle trugen den üblichen Bordanzug. Auf die Oberfläche eines riesigen Schirmes, der sich im Hauptteil der Zentrale befand, wurde das Bild einer Planetenkugel projiziert. Es war so plastisch, als würde man durch ein großes Fenster direkt hinaussehen.

»Die Welt der Sydter«, erläuterte der Alte. »So nahe sind wir natürlich nicht wirklich. Wie du weißt, verfügen wir über ausgezeichnete Ortungsgeräte.«

»Noch ein Lichtjahr!« rief die Blondine vor dem Schirm.

Spencer sah zum Podest hinüber. Auf einem Spezialsessel, über allem thronend, saß der Kommandant.

»Ortung?« fragte er konzentriert.

»Bis jetzt noch keine«, antwortete ein breitschultriger Hüne mit einer gelangweilt wirkenden Stimme.

Spencer fragte sich, was wohl die Aufgabe dieses Mannes war. Schon glitt seine Spezialliege näher. Deutlich sah er, wie der Mann an einer großen Anzahl von Hebeln und Knöpfen manipulierte. Über Oszilloscheiben huschten Blips hin und her und auf und ab. Ein wirklich beeindruckendes Schauspiel. Der Mann beobachtete alles und schien sich bestens zurechtzufinden.

»Da!« rief er auf einmal erregt. Eine Lampe glühte grellrot auf.

»Gehirn!« schnappte der Kommandant.

»Ja«, flüsterte eine Stimme nahe Spencers Ohr, »das ist wirklich der Führer des Raumschiffs. Er spricht zum Bordcomputer.«

»Soll - ich - Bild - projizieren?« erkundigte sich eine monotone, metallisch klingende Stimme, die aus irgendeinem unsichtbar angebrachten Lautsprecher kam.

»Nebenschirm!« befahl der Kommandant knapp.

Mehrere Schirme flammten gleichzeitig auf.

Während sie zumeist Ausschnitte des sternenübersäten Alls zeigten, war auf einem ein Spindelraumer zu erkennen. Er war gespickt mit Waffentürmen und wirkte sehr kriegerisch.

»Die verdammten Sydter!« schimpfte die Frau an den Schirmen.

»Ich verbiete solche Redensarten!« fauchte der Kommandant sofort. »Wir haben zunächst einen friedlichen Auftrag. Nur wenn wir nicht mehr anders...«

»Sie schießen!« Der Mann an den Ortungsinstrumenten hatte es ausgerufen.

Aus einem der Waffentürme löste sich tatsächlich ein Ding, das einem Wassertropfen nachempfunden schien. Es veränderte ständig seine Farbe, rollte näher und begann sich schließlich zu verwandeln. Sehr schnell ähnelte es einer schillernden Seifenblase. Doch das Aussehen suggerierte falsche Harmlosigkeit. Das zeigten allein schon die erschrockenen Gesichter der Besatzungsmitglieder. Das Ding raste genau auf das Erdenschiff zu.

»Annähernd Lichtgeschwindigkeit!« erläuterte der Ortungsoffizier prompt.

»Es ist da!«

Alle hielten sich fest. Eine gewaltige Erschütterung durchlief das Schiff. Auch Spencer wurde in seinem bequemen Sitzplatz durchgeschüttelt. Beinahe hätte er den Halt verloren.

»Gottlob«, keuchte der Kommandant, »unsere Pnnifragtolschirme halten!«

»Meine Zuversicht schwindet und macht blankem Pessimismus Platz!« schnarrte der Ortungsoffizier. »Diese Waffe haben sie uns noch nicht vorgeführt. Haben wir die verdammten Sydter unterschätzt? Haben sie uns technisch schon überholt, während wir noch an diesem Schiff bastelten?«

Der Kommandant hatte diesmal nichts gegen die ketzerischen Reden einzuwenden.

Ein zweiter Tropfen löste sich und wurde beim Annähern zu jener schillernden Blase. Gleichzeitig materialisierten mindestens hundert weitere Spindelraumschiffe.

»Sie haben es nicht anders gewollt!« rief der Kommandant patriotisch. »Männer und Frauen, wir können nicht mehr anders, als uns unserer Haut zu wehren!«

»Hurra!« rief die Besatzung euphorisch.

»An die Kanonen!« befahl der Kommandant mit donnernder Stimme. »Wir erwidern das Feuer.«

Die »Seifenblase« erreichte ihr Ziel nicht mehr. Ein Energiestrahl ließ sie vorher auseinanderplatzen. Eine Sonne entstand, die rasch expandierte und dabei wieder an Leuchtkraft verlor, bis es sie nicht mehr gab. Der zweite Energiestrahl traf den feindlichen Spindelraumer und ließ ihn detonieren.

»Großartig!« rief der Mann an den Schirmen begeistert. Spencer entdeckte ihn erst jetzt. »Ich weiß zwar nicht, wie diese Sydter aussehen, aber jetzt möchte ich ihre Gesichter sehen - falls sie welche haben.«

»Feuer einstellen!« befahl der Kommandant, da sich die anderen Spindelschiffe abwartend verhielten.

»Ein Spruch kommt herein!« meldete die Funkerin. Gleichzeitig erschien auf einem der Nebenschirme eine Spinne. - Eine Spinne in Uniform?

»Also doch kein Gesicht«, sagte der Mann an den Bildgeräten enttäuscht.

Spencer schüttelte verzweifelt den Kopf. Er ertrug es nicht mehr, sondern sprang von der zum Sessel geformten Liege. »Was soll dieses alberne Spiel?«

Das Ganze war zwar perfekt in Kulisse gesetzt, aber doch nicht mehr als ein billiger Science-Fiction-Film - zumindest was den Inhalt betraf. Auch die Inszenierung bediente sich der üblichen Klischees.

Kaum hatte er seinem Unmut Luft gemacht, als die Umgebung des Raumschiffs verschwand. Spencer stand allein in dem kahlen Raum mit der Liege. »Eine Unterhaltungsillusion«, murmelte er vor sich hin, grenzenlos enttäuscht. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Und ich Dummkopf habe damit meine kostbare Zeit vergeudet!«

Eines blieb davon hängen, nämlich der Begriff Forschungsschiff! Zunächst hatte er in dieser Richtung Antwort erhalten, aber dann war doch noch alles anders geworden. Auf welchem Schiff befand er sich wirklich? Wohin waren sie »unterwegs«?

Spencer schritt entschlossen zur Tür. Nein, hier konnte er wirklich keines der Geheimnisse enträtseln, auf die er getroffen war.

»Als wenn Mikro nicht allein schon Geheimnis genug wäre!« murmelte er ärgerlich.

Er trat in den kurzen Gang hinaus und steuerte auf die Transportröhre zu.

2

Er hatte sich das Stockwerk genau gemerkt, in dem vor seinem Erlebnis in der angeblichen Zentrale das Pärchen ausgestiegen war. Genau diese Etage war sein Ziel. Während er die wirbelnden Zahlen beobachtete, wuchs die Spannung in ihm. Er hatte das Gefühl, als käme er jetzt der Lösung mindestens einen Schritt näher. Der Lift stoppte. Die Tür öffnete sich. Dieses Stockwerk war völlig anders als das soeben verlassene. Es herrschte hektische Betriebsamkeit. Es gab zwar ebenfalls nur drei Haupträume wie auf der Sieben, aber die Zugänge zu diesen Räumen waren ständig geöffnet. Menschen eilten hin und her.

Ein paar winkten ihm ärgerlich zu. Sie wollten den Lift benutzen, und Spencers Zögern kostete sie unnötig Zeit. Richard Spencer stieg aus und überließ ihnen die Kabine, die sich prompt vergrößerte.

Sonst achtete niemand auf den Eindringling.

Die Wände des Ganges waren übersät mit Meßanzeigen, Hebeln, Knöpfen und Schaltern. Wie in einer Kommandozentrale. Spencer wich einem Mann aus, dem er im Weg stand, doch der Uniformierte ignorierte ihn völlig. Er war in Aufzeichnungen vertieft, die er in beiden Händen hielt.

Der Professor wandte sich der offenen Tür am Kopfende des Gangstücks zu. Er schätzte die Entfernung. Ja, hier war doch alles größer als unten. Bis zu dieser Tür waren es mindestens fünf Meter. Hinter der Öffnung war nur wallender Nebel zu sehen. Ein milchiger Schein drang auf den Gang hinaus. Spencers Neugierde war geweckt.

»Noch fünf Minuten bis zur ersten Phase!« sagte eine gleichmütige Stimme über einen Lautsprecher. Keines der Besatzungsmitglieder reagierte allerdings darauf.

Was für eine Phase? fragte sich Spencer.

Eine ungeheuerliche Idee kam ihm, basierend auf seiner eigenen Theorie, Mikro betreffend.

Ja, das wäre eine Erklärung: Man konnte von der Erde, also vom Normaluniversum aus, ein Tor nach Mikro öffnen. Wollte man jedoch den Verkleinerungsprozeß so steuern, daß man bis zu einem Atom fliegen konnte, mußte man von Mikro aus praktisch neu starten. Es war Spencers propagierter Umweg über diese Fremddimension, der er ja deshalb auch die Bezeichnung Mikro gegeben hatte. Ja, man brauchte überhaupt kein neues Labor aufzubauen, wenn man das Tor durchschritten hatte, sondern mußte das entsprechende Labor einfach mitbringen!

Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Beispielsweise mittels eines Raumschiffs!

Alles sprach dafür, daß er sich ausgerechnet auf einem solchen Raumschiff befand. Die näheren Umstände waren zwar noch ungeklärt, aber sie interessierten Spencer überhaupt nicht mehr. Sein Atem ging keuchend. Er tastete nach einem Halt. Hatte er doch geglaubt, seine Erkenntnisse wären einzig! Und jetzt mußte er feststellen, daß diese hier alles in den Schatten stellten. Die Fremden führten etwas durch, wovon er nur träumen konnte.

Aber wann führten sie es durch? Zur selben Zeit, in der auch Spencer seine Erkenntnisse gewonnen hatte?

Natürlich! Sonst hätte er nicht hierhergeraten können!

Er, Richard Spencer, durfte mit dabei sein. Er wurde von der Besatzung akzeptiert, als würde er dazugehören. Das war ein Phänomen, das ebenfalls der Aufklärung bedurfte, aber nicht jetzt.

Der helle Wahnwitz, wenn sich ein einzelner solchen Forschungen widmet, dachte Spencer zerknirscht. Kein Wunder, daß die hier weiter sind. Schließlich handelt es sich um mindestens hundert - oder sogar tausend? - Spezialisten! Sie müssen das Projekt geheim geplant und durchgeführt haben, und ich als schrulliger und einsamer Gelehrter hatte nicht die geringste Chance, mitzumachen. Vielleicht habe ich die Initiatoren damals sogar angeregt, eine solche Forschungsarbeit überhaupt in Angriff zu nehmen? Und dann war ich quasi in der Versenkung verschwunden. - Kein Wunder, daß die Öffentlichkeit niemals etwas von dem Projekt erfahren hat, denn Forschung und Wissenschaft stagnieren seit langer Zeit - zumindest nach außenhin. Deshalb erscheint mir alles so fremdartig.

Es gibt in meiner bekannten Welt nichts Vergleichbares.

Spencer ging weiter. Er hatte Mühe dabei und taumelte leicht.

»Noch viereinhalb Minuten bis zur ersten Phase«, wurde über Lautsprecher gemeldet.

Erst eine halbe Minute war vergangen? Professor Richard Spencer schaute durch die Türöffnung direkt in die Nebel. Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Es war das Gefühl panischer Angst. Er wollte nicht weitergehen, unter keinen Umständen, doch es trieb ihn vorwärts, durch die Öffnung in das absolute Nichts!

3

Grauenhafte Leere. Die Kälte des Nirgendwo streifte seinen Körper. Da, in der Ferne blinkten Lichter, rasten heran und wurden kurzfristig zu diffusen Schemen, die mit unglaublicher Geschwindigkeit vorüberhuschten. Und dann eine Landschaft direkt unter Spencer. Als wäre er aus dem Schiff gefallen und würde genau darauf zu rasen. Eine Landschaft? Es waren keine Einzelheiten zu erkennen. Spencer fiel nicht mehr weiter, sondern schwebte frei.

»Noch vier Minuten bis zur ersten Phase«, ertönte es leidenschaftslos.

Im nächsten Moment wurde die Umgebung schärfer. Die Erkenntnis gewann an Bedeutung, daß er wieder einmal einer Illusion zum Opfer gefallen war. Doch diese Illusion diente diesmal keineswegs nur der Unterhaltung während des Fluges.

Stirnrunzelnd blickte Spencer zur Seite. Fand er überhaupt den Gang wieder? Unmittelbar neben ihm befand sich noch jemand: Ein Mann. Genau wie Spencer schwebte er scheinbar über dieser Alptraumlandschaft, die selbst für die Verhältnisse auf Mikro fremdartig erschien. Das Licht reichte aus, so daß er sich einige Notizen machen konnte. Er tat dies mit einem sonderbar geformten Stift.

Da begann Spencer zu begreifen: Keiner der Besatzung machte sich Aufzeichnungen oder studierte solche. Was sie in den Händen hielten, waren Direktverbindungen mit dem Bordcomputer - natürlich drahtlos. Sie gaben Werte durch, ließen ihn rechnen.

Ein perfektes Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik, bei dem der Mensch ständig eigene Gedanken beisteuern konnte, ohne an einen Ort gebunden zu sein. Die Gesamtheit der Impulse wurde schließlich vom Bordgehirn koordiniert. Jedes Besatzungsmitglied war ein Experte, genau spezialisiert auf eine bestimmte Aufgabe. Daß alles so reibungslos funktionieren konnte, war nur auf diese besondere Methode zurückzuführen.

Der Mann drehte sich plötzlich um und schritt davon. Spencer wußte jetzt, wo er die Tür finden konnte - und da erkannte er auch das leuchtende Viereck, dem er bisher keine Bedeutung beigemessen hatte. Das war der Hinweis! Es war gar nicht so schwer, den Raum wieder zu verlassen.

Das Schweigen der Besatzungsmitglieder begann ihm auf die Nerven zu gehen. Gern hätte er jemanden gefragt, aber das wagte er unter solchen Umständen nicht. Jeder hatte zu tun.

»Noch drei Minuten bis zur ersten Phase!« Die Lautsprecherstimme klang jetzt nicht mehr so gleichmütig.

Ein leuchtendes Kreuz entstand, mit geöffnetem Schnittpunkt. »Wie ein Fadenkreuz!« entfuhr es Spencer unwillkürlich. Auch diese laute Äußerung machte niemanden auf ihn aufmerksam. Alle waren sehr konzentriert. Spencer erkannte auch Frauen, doch sie waren etwas in der Minderzahl.

Noch einmal die Visiereinrichtung. Sollte das heißen, daß diese Landschaft das Ziel des Schiffs war? Die Oberfläche eines Planeten...?

»Noch zwei Minuten bis zur ersten Phase!«

Erregung schwang in der Stimme mit. Stirnrunzelnd blickte Spencer nach unten. Er war ein Vollblutwissenschaftler. Plötzlich wußte er, was er dort sah. Nein, das war keineswegs die Oberfläche eines fremden Planeten, sondern nichts anderes als die Oberfläche eines Eisenmoleküls!

»Das Ziel ist anvisiert. Vorbereitungen zum Ende bringen! Eine Minute und vierzig Sekunden bis zur ersten Phase.«

Eisenmolekül? Spencers Gedanken wirbelten im Kreis. Er wußte jetzt definitiv, daß man hier im Begriff war, ein Experiment durchzuführen, das haargenau seiner eigenen Arbeit ähnelte, obwohl er längst noch nicht soweit gewesen war. Um auf einem Eisenmolekül landen zu können, hätte er den Umweg über Mikro machen müssen, aber ausgerechnet in der Dimension Mikro war er hängengeblieben.

Bisher hatte es so ausgesehen, als wäre dies für immer geschehen. Und jetzt? Änderte seine Anwesenheit auf dem Schiff nicht alles schlagartig?

Er dachte jetzt nicht mehr nur an Mikro, sondern auch an Meta. Dieses unbegreifliche Wesen mit den zwölf Ringaugen wartete noch immer auf ihn. Und er machte die phantastischste Reise mit, die es seit Menschengedenken jemals gegeben hatte!

Und was dann?

Er taumelte zum Ausgang und trat auf den Gang hinaus. Ihr Hauptaugenmerk richteten jetzt die Besatzungsmitglieder auf den Projektionsraum, den Spencer soeben verlassen hatte. Kein Mensch kam auf den Gedanken, sich etwa anzuschnallen. Offenbar war das nicht notwendig.

Spencer überquerte den Gang. Er hatte den zweiten Raum zum Ziel. Die Technik, die ihn hier empfing, wirkte irgendwie unheimlich in ihrer absoluten Perfektion. Eine Gruppe von zwölf Menschen steckte in Behältern, die Herz-Lungen-Maschinen nicht unähnlich sahen. Nur die Köpfe schauten heraus, mit einer Batterie von Kontakten bedeckt.

Wozu diente das?

Richard Spencer, der nicht nur ein genialer Physiker, sondern darüber hinaus auch ein genialer Techniker war, mußte angesichts dieser Technik passen. Nicht deshalb, weil sie sein Begriffsvermögen überschritt, sondern weil man sich Methoden bediente, die er nicht kannte.

Er war der einzige in diesem Raum, abgesehen von den zwölf Männern und Frauen in den Behältern.

»Eine Minute und zehn Sekunden!«

Jetzt war Spencer klar, wer diese Werte durchgab: Einer in den Behältern! Seine Lippen hatten sich bewegt. Ein versteckt angebrachtes Mikrophon nahm die Worte auf und ließ sie im ganzen Schiff ertönen.

»Achtung, bei zwanzig Sekunden bis zur ersten Phase schalte ich um auf Computer-Countdown. Jetzt noch eine volle Minute. Koordination mit Gehirn einwandfrei. Keine Bedenken gehen ein. Pannen treten bisher nicht auf. Das Steuerungskollektiv in den Tanks veranlaßt das Anlaufen der Energieerzeugung. Speicher eins bis zwanzig bereit zur Abgabe bei plus minus Null. Dauer: eine Nanosekunde.«

Überrascht dachte Spencer: Steuerungskollektiv? Das war die Lösung. Die zwölf Menschen wurden im Moment künstlich am Leben erhalten, während ihre gesamte Geisteskraft zu einem Kollektiv zusammengeschaltet war. So befanden sie sich in unmittelbarer gedankenlicher Verbindung mit den technischen Einrichtungen und mit dem Bordcomputer! Phantastisch, aber nicht einmalig. Spencer konnte sich deutlich erinnern, daß die technischen Möglichkeiten seit langem bestanden, nur hatte man seit Jahren nichts mehr darüber gehört.

Er verließ den Steuerungsraum.

»Noch dreißig Sekunden. Achtung, bald beginnt der Computer-Countdown, wie versprochen.«

Die dritte Räumlichkeit in dieser Ebene barg für Spencer eine schlimme Überraschung. Er hatte nur wenig Zeit, den Anblick zu verarbeiten, denn der Computer-Countdown begann - und jene Phase eins würde in Sekunden beginnen. Er aber hätte mindestens eine Minute gebraucht, um zu verhindern, daß er den Verstand verlor: Es handelte sich nämlich um einen zweiten Projektionsraum, der nicht das Ziel der Reise, sondern die momentane Umgebung zeigte.

Von hier aus gesehen wirkte das Raumschiff wie aus durchsichtigem Glas. Spencer schaute durch die Wandungen nach draußen: Es stand inmitten einer gigantischen Halle. Glitzernde Roboter huschten hin und her. Männer und Frauen mit Zellstoffmasken vor den Gesichtern und in sterile Kittel gekleidet. Hektik wie in einem Ameisenstaat. Nicht mehr lange, denn sie verließen beinahe fluchtartig die Szene. Bald lag die Halle verlassen da.

Das Ungeheuerliche für Spencer war, daß sie sich auf der Erde befanden! Ja, diese Halle gehörte zu einem irdischen Forschungszentrum! Richard Spencer war nicht mehr auf Mikro, sondern längst zurückgekehrt. Und er hatte es nicht einmal bemerkt!

4

Das Dach der Halle war kuppelförmig und transparent. Die Sonne stand hoch im Zenit. Vögel kreisten über der Kuppel, erkennbar als flatternde Schemen.

Und da war es ohne Wichtigkeit für Spencer, wie er hierhergekommen war und was mit ihm hier geschah. Selbst die technische Ausstattung der aufwendigen Montagehalle interessierte ihn nicht mehr. Er trank das Licht der Sonne, unter der er geboren worden war. Kein Heimweh beseelte ihn, und doch erfreute er sich an der Tatsache, noch einmal die Erde zu besuchen. Vor der großen Reise! Denn es war klar, daß die Reise noch nicht begonnen hatte, sondern erst bevorstand. Und Richard Spencer würde mit von der Partie sein - schon von Anfang an. Für dieses Glück war er dankbar - und auch für den Abschied von seiner Heimat, der bei seiner Flucht nach Mikro aus zeitlichen Gründen nicht hatte erfolgen können und den er jetzt nachholte.

Die Stimme des Computers löste das Chaos von Gefühlen in Spencer auf und rückte alles wieder ins rechte Lot. Spencer lauschte lächelnd: »Elf!«

Ein Beben durchlief den Leib des Schiffes.

»Zehn!«

Alle kauerten am Boden. Er war der einzige, der noch stand. - Kommt davon, wenn man träumt, dachte er.

»Neun!«

Spencer hockte sich ebenfalls hin. Sofort spürte er die Kraft eines Fesselfeldes.

»Acht!«

Eine weitere Erschütterung.

»Sieben!«

Richard Spencer blickte durch die Tür in den zweiten Projektionsraum. Dabei machte er die Erfahrung, daß er die künstliche Vision mit seinen Gedanken leicht beeinflussen konnte. Das hieß, er konnte sie mit seinem Willen zurückdrängen. Die Wände um ihn herum gewannen an Stabilität.

»Sechs!«

Noch immer war die Oberfläche des Eisenmoleküls im Fadenkreuz. Faszinierend. Doch das Bild blieb nicht ruhig. Es begann zu zittern. Ringsum entstanden Lichtkaskaden, die aus dem Nichts brachen und wieder ins Nichts zurückkehrten. Spencer schloß geblendet die Augen.

»Fünf!«

Alles lief wie im Zeitlupentempo ab. Aus der Schaltwand im Gang kräuselte Qualm.

Es roch nach verbrannten Kabeln und Ozon. Eine meterlange Stichflamme, die einen der Männer erfaßte, der direkt vor der Schaltwand hockte und an seiner Kommunikationsplatte hantierte. Der Unglückliche sprang auf. Als lebende Fackel rannte er in Richtung Transportkabine.

Spencer war starr vor Entsetzen.

Aus der Decke löste sich ein automatischer Löschstrahl, vom Bordgehirn gesteuert. Innerhalb von Sekundenbruchteilen war das Feuer gelöscht und dem Mann damit das Leben gerettet!

»Vier!«

Der dritte Stoß. Der Energiehaushalt des Schiffes wurde gestört. Nur so war zu erklären, daß einzelne Besatzungsmitglieder - unter anderem auch Spencer - den Halt verloren und über den Boden schlitterten. Spencer landete im Steuerraum. Beinahe hätte er sich unterwegs am Türrahmen den Schädel eingerannt.

Einer im Kollektiv bäumte sich auf. Er warf den Kopf hin und her, und Schaum trat auf seine Lippen. Es knisterte und knatterte plötzlich in dem Kasten, in dem er steckte. Ein furchtbarer Schrei. Eine Reihe von Kontrollämpchen fiel aus. Ein letztes Aufbäumen.

Spencer wandte sich würgend ab. Seine Hände glitten haltsuchend über den Boden, der langsam zur Seite hin abkippte. Der Computer korrigierte mittels der Schwerkraftanlage. Auch das geschah nicht in der exakten Weise, wie es zu erwarten gewesen wäre, denn Männer und Frauen purzelten schreiend übereinander.

Diesmal landete Spencer im Gang.

»Drei!«

Es war unglaublich, wieviel innerhalb dieser Sekunden geschah. Alles entwickelte sich völlig anders als erwartet. Diese Wahnsinnigen, dachte Spencer verzweifelt. Was haben die sich überhaupt gedacht? Wie kann man ein solches Experiment ohne ausreichende Vorexperimente starten?

Ja, es sah so aus, als hätten sich die Verantwortlichen verkalkuliert und wären ein Risiko eingegangen, das jetzt die Besatzung tragen mußte.

Spencer sah die Halle, in der man das Raumschiff gebaut hatte. Roboter wieselten umher, bewaffnet mit Handlasern, Schweißgeräten und Diagnoseinstrumenten.

»Zwei!«

Die Katastrophe blieb nicht allein auf das Schiff beschränkt, sondern griff auch auf die Halle über. Ein Riß zeigte sich im Hallenboden.

Professor Richard Spencer wurde klar, worauf der Fehler zurückzuführen war. Doch er konnte nichts dagegen tun, denn der Countdown lief weiter.

Aus dem Lautsprecher drang eine überschnappende Stimme: »Die Speicher drehen durch!«

Welche Speicher?

Der Computer zählte monoton: »Eins!«

»Ausfall des Regelsystems!«

Spencer erinnerte sich an das, was er bereits gehört hatte. Wurde denn die Energie, mit der die Speicher geladen waren, auf einmal freigegeben, und führte das zu der Schrumpfung? Welcher Art war diese Energie, die man verwendete, um das Raum-Zeit-Kontinuum derart zu verzerren?

Es konnte sich nur um die Energie von Mikro handeln. Eine Weisheit, die für Spencer schon seit Jahrzehnten nichts Neues war. Genau in diese Richtung hatte seine Forschung gezielt. Und genau das war der Fehler der Verantwortlichen hier in diesem Forschungszentrum: Sie machten den zweiten Schritt vor dem ersten. Anstatt sich zunächst um Mikro zu kümmern und die entsprechenden Gesetzesmäßigkeiten zu erforschen, bedienten sie sich seiner Energien. Spencer wußte aus eigener Erfahrung, daß die veränderten Gesetzesmäßigkeiten zu einer Katastrophe führen mußten, wenn man ihrer nicht Rechnung trug. Hier hatte er den zusätzlichen Beweis!

Und jetzt brach endgültig die Hölle los. Die Energie der bewußten Speicher wurde schlagartig frei: Energie von Mikro, wie Spencer kombinierte. Auf einen Schlag und innerhalb einer winzigen Nanosekunde. Und nicht in der erforderlichen Weise gesteuert, da die Reglersysteme ausgefallen waren.

Grelles Rot brach in die Montagehalle, vernichtete die Roboter, die wie Funken zerstoben, und fetzte das Kuppeldach ins Freie. Das registrierte Richard Spencer noch, bevor das Rot auch über das Schiff stürzte und es wie eine Gigantenfaust packte.

Spencer bekam keine Luft mehr.

Er rang nach Atem.

Die Decke raste auf ihn zu, drehte sich aber kurz vor dem Aufprall blitzschnell weg und wich dem Inferno aus Kreischen, Prasseln, Donnern und Bersten.

Dann waren da nur noch Dunkelheit und Vergessen.

5

Finsternis und Schmerzfreiheit. Friedlichkeit. - Grelle Helligkeit, die alles vertrieb und das Unangenehme weckte. Und den Schmerz! Aufstöhnend rollte sich Spencer herum. Er wollte sich wehren und wedelte mit den Armen. Doch das vergrößerte seinen Schmerz nur.

Der Boden erbebte. Spencers Fingernägel kratzten über den stahlharten Belag und stießen schließlich gegen etwas Weiches. Mühsam öffnete er die Augen. Er erwartete Blut und Entsetzen zu sehen und blickte verständnislos auf eine wunderschöne Frau mit dichtem, schulterlangem blonden Haar. Er haßte hellblonde Haare und fand sie dennoch schön. Aber nur in diesem Augenblick. Sie erschienen ihm wie von einem Engel. Doch der Engel war ohne Bewußtsein. Oder gar tot? Das Gesicht war leicht verzerrt und die Körperhaltung seltsam verkrümmt.

Ächzend richtete sich Spencer auf. Er betrachtete die Frau und vergaß darüber völlig, was geschehen war. Ja, er vergaß sogar, sich darüber zu wundern, daß er das Chaos überlebt hatte. Ernsthafte Verletzungen hatte er sich offensichtlich nicht zugezogen. Auch das mutete ihn wie ein Wunder an. Es wurde ihm jetzt bewußt.

Und die Frau schlug die Augen auf! Sie runzelte verständnislos die Stirn. Dann ruckte ihr Kopf herum, und sie begegnete Spencers Blick. Sekundenlang schauten sie sich schweigend an. Dann richtete sich die Frau auf und sah sich um.

Spencer schaffte es endlich, sich von ihrem Anblick loszureißen und sich ebenfalls seiner Umgebung zu widmen. Der Projektionsraum zeigte ihm, was sich außerhalb abspielte. Anscheinend war der Energiehaushalt des Schiffes wieder einigermaßen stabilisiert. Streifen fluoreszierenden Lichtes zogen auf allen Seiten vorbei. Dunkle Schatten rasten aus der dahinterliegenden Finsternis, näherten sich dem Schiff in bedrohlicher Art und drehten wieder ab.

Nur noch kleinere Erschütterungen drangen durch. Der Computer verstand es jetzt, sie mit seinem Schwerkraftfeld zu kompensieren. Außerdem funktionierten auch die Fesselfelder wieder.

Es gab zwar Anzeichen von Zerstörung, doch hielten sie sich in Grenzen. Beinahe gewann Spencer den Eindruck, als hätte er mehr erleiden müssen als die anderen Besatzungsmitglieder. Da sah er den Toten, nur drei Schritte von ihm entfernt. Und er sah die Verletzten, die stöhnend auf dem Boden lagen. Die wenigen, deren Fesselfelder stabil geblieben waren, hatten das Schiff anscheinend wieder im Griff.

Spencer wandte sich dem ersten Projektionsraum mit der Zielangabe zu. Schon setzte er sich in Bewegung, da erinnerte er sich an die Blondine. Eine Wissenschaftlerin? Anders konnte es nicht sein. Sie war nicht mehr da. Wo befand sie sich? Wieso war sie ihm nicht schon früher aufgefallen?

Die Antwort schlummerte in ihm und wurde sofort frei: Weil ihn Frauen seit vielen Jahren nicht mehr interessierten. Er war Wissenschaftler gewesen und hatte dem normalen Leben entsagt, um sich nur noch seinen Forschungen zu widmen. Er schluckte schwer, weil ihm nach all den Jahren bewußt wurde, daß er damit wohl einen Fehler begangen hatte. Verwirrt ging er weiter. Was für seltsame Gedanken? Was für ein unverständliches Gefühl in seiner Brust?

Die Zielvisierung war noch konstant, obwohl sich die Landschaft des Eisenmoleküls verändert hatte. Der Anflug, wenn man es überhaupt so nennen durfte, war nicht sauber. Doch Computer und Steuereinheit bemühten sich nach Kräften.

Während Richard Spencer stiller Beobachter spielte, bemühte sich die Besatzung um das Schiff und um die verletzten Gefährten. Gern hätte er geholfen, aber wie? Er war ein Fremder, der die Funktionsweise der Borddisziplin noch nicht begriffen hatte. Deshalb mußte er sich aus allem heraushalten.

Eine neue Erschütterung zeigte ihre Auswirkungen. Die Zielprojektion veränderte sich. Störungen traten auf. Wände, die man nur erahnen konnte, huschten vorüber. Ein ungeheurer Sog hatte das Schiff erfaßt und zog es immer tiefer in die Welt der Moleküle hinein. Das Schiff würde keineswegs wie vorgesehen auf dem Eisenmolekül landen!

»Wir müssen die rasende Fahrt stoppen, sonst werden wir in den obersten Schichten des Moleküls verbrennen!« kreischte ein Mann neben Spencer. Er war außer sich und gestikulierte wild mit den Armen.

Der einzige, der die Nerven verlor. Ein anderer trat hinzu und versetzte ihm zwei kräftige Ohrfeigen. Eine sehr primitive Methode, etwas gegen die Nervenkrise eines Gefährten zu unternehmen, und doch nicht ohne positive Wirkung. Während sich der Schläger abwandte, kam der Geschlagene wieder zu sich.

»Achtung!« plärrte es aus den Lautsprechern, »Gegenregelung ist gleich Gegenschub. Reglersysteme konstant.«

Ein wichtiger Fortschritt! dachte Spencer nicht ohne Zynismus. Jeder suchte sich einen Platz und ließ sich von einem Fesselfeld »einfangen«. Keine Sekunde zu früh. Auf einen Countdown hatte man diesmal verzichtet. Es galt, schnell und präzise zu handeln. Ein gewaltiger Ruck. Riesenfäuste schienen das Raumschiff zu schütteln. Ein Funkenregen entstand rings um Spencer. Einen Augenblick lang fürchtete er, Opfer der Funken zu werden. Doch es war nur eine Projektion von draußen. Die Schiffswände hielten.

Die Glut verstärkte sich und bearbeitete das Schiff. Eine Höllenfahrt mitten in den materialisierenden Wahnsinn. Würden sie es überhaupt schaffen? Würden sie in den obersten Schichten des Moleküls verglühen, wie es der Mann prophezeit hatte?

Plötzlich war es vorbei. Schwärze und Stille. Als hätte jemand ein Samttuch über das Schiff geworfen. Aber dieses Tuch zeigte Löcher. Und Feuer brannte diese Löcher größer. Es irrlichterte auf der anderen Seite. Ein glosendes, strahlendes Universum entstand. Die Kontraste waren so hart, daß es in den Augen schmerzte. Das Schiff war zur Ruhe gekommen. Es lag auf einer hellspiegelnden Fläche aus unbekanntem Material. Wenn man genauer hinsah, erkannte man die komplizierte Kristallstruktur.

»Die atomare Struktur eines Eisenmoleküls, das niemals völlig rein ist. Fremdatome haben sich mit Eisenatomen verbunden«, murmelte jemand ehrfürchtig. Eine weibliche Stimme.

Spencer wandte ruckartig den Kopf. Mitten in dem strahlenden Glanz schwebte eine Göttin mit goldenem Haar. Ein Anblick wie aus einem kitschigen Märchen, aber auch ein Anblick, der Spencer tief in der Seele traf.

Seine Göttin!

Seine?

Gedankenverloren nickte sie. »Dabei ist dies hier nur ein Ausschnitt des Moleküls, was schon die Ebenheit der Oberfläche beweist. Wir haben diese Ebene durchpflügt und drangen tiefer, doch wir wurden wieder nach oben getrieben wie ein auf dem Wasser tanzender Stein. Die Verkleinerung erfolgte stärker als beabsichtigt. So wie wir hat kaum eines Menschen Auge je ein Eisenmolekül gesehen. Höchstens mit einem Spezialmikroskop, aber nicht in dieser Deutlichkeit.«

Spencer wollte etwas sagen, um auf sich aufmerksam zu machen, doch seine Stimme versagte. Und da wandte sie sich ihm zu. Es wurde deutlich, daß sie nicht etwa Selbstgespräche führte, sondern daß die Worte an seine Adresse gerichtet waren.

Und sie schien seine stumme Frage zu verstehen, denn sie antwortete darauf: »Wir wußten, daß es schwer werden würde, denn natürlich sind alle Eventualitäten mit ins Kalkül gezogen worden. Es ist darüber hinaus nicht etwa die erste Verkleinerung. Nur mußten alle Vorabuntersuchungen zwangsläufig unter anderen Aspekten erfolgen. Das heißt, sie wurden im kleineren Maßstab durchgeführt. Es ist durchaus nicht dasselbe, ob eine Verkleinerung eines Datensammlers oder die eines ganzen Raumschiffs mitsamt Besatzung erfolgt. So gesehen, ist unser Versuch eine Art Generalprobe. Wir haben uns geirrt, sonst hätte es keine Katastrophe gegeben. Dabei gibt es nur einen positiven Aspekt: Wir leben und können uns sogar Gedanken darüber machen.« Sie lächelte.

Und wie du lebst! dachte Richard Spencer und wünschte sich nichts sehnlicher, als daß sie weiterreden und niemals wieder aufhören möge, um nicht der Notwendigkeit unterliegen zu müssen, seine Seite zu verlassen! Ein überaus dummer Wunsch, von dem die Frau nichts ahnte. Deshalb stand sie auf und wandte ihm den Rücken zu.

Das Licht funktionierte einwandfrei. Alles funktionierte wieder an Bord. Spencer blickte seiner Göttin nach und war unfähig, zu denken. Bis sie seinen Blicken entschwand.

»Sie ist attraktiv, wenngleich überhaupt nicht mein Typ. Der Traum jedes Mannes, aber nicht mein Traum. Klug und selbstbewußt ist sie, ohne überdreht zu erscheinen, sondern weiblich warm und von gesteuerter Leidenschaft. Sie weiß, was sie will und hat die Dinge und das Leben im Griff. Und mich auch!«

Mit wenigen Worten hatte Spencer alles umschrieben - wie gewohnt mit wissenschaftlicher Logik. Selbst in dieser Situation war er dazu in der Lage. Obwohl es ihm nichts nutzte, denn die Katastrophe hatte für ihn längst ihren Lauf genommen. Eine Katastrophe besonderer Art, für die sich Spencer vehement scheute, ein so abgegriffenes Wort wie Liebe zu benutzen. Nicht nur, weil es ihm zu unwissenschaftlich war...

6

Professor Richard Spencer verließ den Projektionsraum und wagte es endlich, den Steuerraum zu betreten. Gerade wurde der Tote aus der technischen Umklammerung des kalt und unschön wirkenden, jetzt wie ein Sarg erscheinenden Kastens geborgen. Es geschah wortlos. Die Gesichter der Beteiligten wirkten wie versteinert. Sie ließen nicht erkennen, was sie über den Tod eines der Ihrigen empfanden.

Spencer fühlte sich im überdeutlichen Maße deplaciert und wandte sich wieder ab. Mitglieder der Besatzung nahmen die Verkleidung der Schaltwand ab und begannen mit der Reparatur. Doch das Schiff blieb nicht völlig ohne Überwachung. Noch immer beschäftigten sich viele mit Auswertungen, die vorangegangenen Ereignisse betreffend. Gern hätte Spencer einen der Männer angehalten, um sich berichten zu lassen, doch das wagte er nicht. Seine »Göttin« sah er auch nicht mehr. Hatte sie diese Ebene verlassen?

Kurzentschlossen betrat er die Transportkabine und wählte die Ebene sieben. Da meldete sich eine Lautsprecherstimme: »Achtung, Durchsage an alle Ebenen: Die Strahlung, mit der wir konfrontiert werden, ist unbekannten Ursprungs. Wir können sie nicht abschirmen. Beobachtet euch selber. Bei den geringsten Anzeichen einer psychischen Veränderung müßt ihr unverzüglich mit der Steuerzentrale Kontakt aufnehmen oder mit dem Bordgehirn. Ab sofort bekommt der Alarmzustand den Sonderstatus.

Nicht nur von außerhalb droht unserem Schiff Gefahr!«

Spencer runzelte die Stirn. Was war denn jetzt wieder los? Welcher Strahleneinfall? Nun, er hatte es nicht mitbekommen können. Wahrscheinlich war die Nachricht längst über die Kommunikationstafeln verbreitet worden. Die Durchsage war eine zusätzliche Absicherung, damit auch wirklich jeder davon erfuhr.

Die Kabine stoppte und öffnete sich. Der Gang war leer. Spencer zögerte. Dann wählte er willkürlich eine andere Ebene: Einhundertsiebenundvierzig.

Die Ebenen ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Spätestens als Richard Spencer wieder die Kabine verließ, wurde ihm das klar. Nur die Türsymbole waren anders. Außerdem gab es hier noch eine weitere Tür. Das ließ den Schluß zu, daß die Räumlichkeiten verkleinert waren.

Mit den Symbolen wußte er nichts anzufangen. Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Dann öffnete er eine der Türen, um seine Neugierde zu befriedigen. Dem Schiff drohte Gefahr. Er konnte nichts dagegen tun. Im Gegenteil, er mußte sich zurückhalten. Zumindest in der Zentrale. Aber vielleicht traf er hier jemanden, der ihm Rede und Antwort stehen konnte?

Stirnrunzelnd blickte er in den vor ihm liegenden Raum. Eine Wohnkabine? Es gab nur einen Tisch und ein bequemes Polster. Der Hintergrund wurde von einer Wüstenlandschaft beherrscht. Sie wirkte so plastisch und lebensecht, als würde sie nur eine Glasscheibe von der Kabine trennen.

Spencer wollte sich wieder zurückziehen, weil er nicht gern den Schnüffler in fremden Kabinen spielen wollte. In diesem Augenblick bekam er von hinten einen kräftigen Stoß, der ihn nach vorn, quer durch die Kabine, taumeln ließ. Er traf gegen das Bild und wirbelte herum.

Ein kräftiger Mann drang wortlos auf ihn ein. Richard Spencer sah die Faust des anderen auf sich zurasen. Er drehte den Kopf zur Seite und wurde von dem mörderisch ausgeführten Schlag nur knapp gestreift. Die Faust traf die stahlharte Wand, doch der Kräftige zuckte mit keiner Wimper.

Dann trat Spencer seinerseits in Aktion. Er fühlte sich noch immer als Gast auf diesem Schiff und hatte mit seiner Neugierde vielleicht sogar ein Tabu verletzt, doch das war nicht Grund genug, sich zusammenschlagen zu lassen, wie er fand.

Spencer wehrte sich seiner Haut, indem er das Knie hochriß und beide Handkanten am Hals des Gegners landete.

Der Erfolg war nicht wie erwartet. Das beste Selbstverteidigungstraining nutzt nichts, wenn der Gegner unempfindlich ist gegen Schmerz und ansonsten aus Holz zu bestehen schien.

Doch in diesem Augenblick bekam er unerwartet Hilfe von anderer Seite. Der Angreifer wurde zurückgerissen und von drei Männern festgehalten. Sie wirkten sehr aufgeregt und bändigten den sich heftig Sträubenden mit aller Gewalt.

Spencers Atem ging keuchend. Zwar war ihm durch den Angriff nicht wirklich was passiert, doch ging ihm die Angelegenheit gewaltig an die Nerven. »Was - was hat das zu bedeuten?« fragte er verwirrt. Als er näher treten wollte, nahmen die drei ihm gegenüber eine drohende Haltung ein. Der Angreifer schaute mit blutunterlaufenen Augen um sich. Schaum trat auf seine Lippen. »Ich - ich wollte das doch nicht«, beteuerte Spencer. »Ich habe die Tür geöffnet und habe...«

Einer deutete mit dem Kinn auf ihn. »Kennt ihn jemand?«

Die anderen schüttelten die Köpfe. »Nie gesehen«, murmelten sie.

Der Sprecher wandte sich an Spencer. »Was suchen Sie hier?«

»Ich - ich bin zufällig in dieser Ebene.« Spencer brach wieder ab. Wie sollte er eine solche Frage glaubwürdig beantworten?

»Warum schnüffeln Sie hier herum? Gehören Sie überhaupt zur Besatzung?«

Spencer wurde es abwechselnd heiß und kalt. Jetzt ist es heraus! hämmerten seine Gedanken. Jetzt bin ich als fremder Eindringling erkannt. Logisch, daß ich nicht zur Besatzung gehöre. Ich schnüffle tatsächlich. Man wird in mir eine Art Spion sehen. Schließlich handelt es sich um ein strenggeheimes Projekt. Niemand wird mir einen guten Leumund ausstellen können. Ich besitze nicht einmal Papiere, mit denen ich meine Identität bezeugen könnte.

Gedanken, die blitzschnell seinen Kopf durcheilten, jedoch keine gültige Lösung des Problems brachten, das er im Grunde genommen die ganze Zeit schon vor sich her schob. Auf der anderen Seite: Möglicherweise würde er jetzt endlich erfahren können, was überhaupt mit ihm passiert war?

»Vielleicht ist er der Mörder?« vermutete einer.

Der Sprecher der drei schüttelte den Kopf. »Nein, er wirkt nicht wie einer der Durchgedrehten.«

»Und woher willst du das wissen? Wir haben noch nicht einmal eine Ahnung, wo wir überhaupt gelandet sind. Es ist jedenfalls nicht das Eisenmolekül, das vorgesehen war. Vielleicht eines, das zu einem Reparaturroboter gehört? Denkt an die Katastrophe, die wir in der Montagehalle erlebt haben. Und wenn jetzt der Roboter detoniert? Ist euch klar, daß wir dann alle verloren sind? Wir sind winzig und nicht einmal mehr mit einem normalen Elektronenmikroskop sichtbar. Phantastisch aber wahr.«

Spencer hörte interessiert zu. Für einen Augenblick vergaß er seine persönlichen Probleme.

»Das steht im Moment nicht zur Debatte!«

»Und ob! Was hat der Mann uns getan? Wir haben doch lediglich gesehen, daß er angegriffen wurde, nicht wahr? Das Schiff ist bald wieder voll einsatzfähig, doch was nutzt es? Unbekannte Kraftfelder hüllen es ein und bombardieren uns mit gefährlichen Strahlen, die unsere Psyche zu verändern beginnen.«

Spencer verstand endlich die ungewohnte Aggressivität. Ja, und deshalb nahm die Besatzung auf einmal Notiz von ihm. Vorher war er einfach nicht wichtig genug erschienen.

Der mehr für Mäßigung war, fuhr fort: »Selbst wenn er der Mörder von Ebene sieben ist, kann er jetzt wieder ganz normal sein.«

Damit waren sie wieder beim Thema. Doch die kurze Unterhaltung hatte sie unaufmerksam gemacht. Der mit den blutunterlaufenen Augen riß sich im entscheidenden Augenblick los. Plötzlich hatte er ein Messer in der Hand, mit dem er blitzschnell zustieß.

Spencer reagierte im Bruchteil einer Sekunde. Das Messer verfehlte sein Ziel.

»Auf ihn!« schrien die drei Männer und versuchten wieder, den Wahnsinnigen zu bändigen.

Spencer durfte keine Zurückhaltung mehr üben. Es ging jetzt um sein nacktes Leben. Deshalb half er den dreien, ihren Gefährten zu Boden zu werfen und ihm das Messer abzunehmen.

»Schnell, wir müssen ihn fesseln!«

Spencer blickte sich verständnislos um. Wo sollte er denn hier so etwas wie einen Strick herbekommen?

Einer zog seine Bordjacke aus. Ein muskulöser Oberkörper kam darunter zum Vorschein. Der Mann wirkte wie ein Modellathlet. Während alle anderen den Tobenden festhielten, fesselte der Muskulöse ihn mit seiner Jacke. Er tat das so geschickt, daß sich der Tobende kaum noch rühren konnte.

Da ertönte zum ersten Mal dieser durchdringende Schrei! Er kam aus der Lautsprecheranlage und ging ihnen durch Mark und Bein. Der Schrei einer Frau, die das Grauen erlebte.

Die drei Männer hielten ein.

»Mein Gott, die Zentrale!« murmelte einer.

»Paal, wir müssen hin!« sagten sie zu dem Muskulösen.

Paal? Ein ungewöhnlicher Name, den sich Spencer leicht merken konnte.

Zum zweiten Mal der wahnsinnige Schrei.

»Kommt!« kommandierte Paal. Auf Spencer achteten sie gar nicht mehr. Er folgte automatisch.

Kaum waren sie auf dem Gang, als sich die Transportröhre öffnete. Eine Frau taumelte heraus. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, und die Augen glühten wie Kohlestücke. Sie rannte auf Paal zu und warf sich an seine Brust. Haltlos schluchzte sie. Es dauerte Sekunden, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte.

Waren die Schreie von ihr gekommen?

Da hörten sie es ein drittes und letztes Mal aus der Lautsprecheranlage. Diesmal endete der Schrei mit einem Röcheln.

Paal strich der Frau beruhigend über das Haar.

»Ich - ich komme gerade aus der Zentrale«, berichtete sie stammelnd. »Diese Strahlenfelder wirken auf die Menschen unterschiedlich. Ein paar fielen plötzlich wie die Tiere über die anderen her. Ich konnte mich gerade noch in Sicherheit bringen. Selbst das Kollektiv im Steuerraum, das inzwischen ja wieder vollzählig ist, spielt verrückt.«

Spencer hörte es nur mit halbem Ohr. Er dachte: Meine Göttin! Ist sie auch davon betroffen?

7

»Das Kollektiv?« echote Paal bestürzt. »Aber die sind direkt mit dem Computer in Kontakt. Kein Wunder, daß wir das Energiefeld nicht neutralisieren können. Ein Teufelskreis ist entstanden, den wir durchbrechen müssen, solange noch Zeit dazu ist.« Er winkte den anderen zu und lief voraus zur Transportröhre.

Alle bekamen Platz darin - einschließlich Spencer, der nicht mehr von Paals Seite wich.

Bei der Ebene zweihundertvierunddreißig angelangt, warteten sie ungeduldig auf das Öffnen der Tür. Nichts dergleichen geschah. Die Automatik funktionierte nicht. Wenn sie das Ohr gegen die Wand drückten, hörten sie entfernten Kampflärm.

Längst hatte sich Spencer eine Theorie zurechtgelegt. Er machte die Energien von Mikro verantwortlich. Niemand kannte sich besser mit ihnen aus als er. Schließlich lebte er in einer Art Symbiose mit ihnen, nachdem sie ihn zu einem Angepaßten gemacht hatten.

Zwangsläufig wirkten diese Energien und die dabei frei werdenden Strahlen auf die Menschen unterschiedlich. Sehr bedenklich waren dabei die Vorfälle in der Zentrale. Von den Durchdrehenden völlig überrumpelt, mußten die Normalgebliebenen unterliegen.

Und was jetzt?

»Verdammt, warum geht sie nicht auf?« brüllte einer.

»Sicherheitsschaltung, Sydan!« belehrte ihn Paal.

Jetzt kannte Spencer schon den zweiten Namen. Er blieb stumm und scheinbar unbeteiligt im Hintergrund und hielt sich aus allem heraus. Die kurze Auseinandersetzung, die hinter ihm lag, hatte ihm genügt. Er wollte das Schicksal nicht unnötig herausfordern.

Sie wußten alle, was mit Sicherheitsschaltung gemeint war, außer Spencer. Und dann bildete sich die Öffnung doch. Ein Mann und eine Frau drängten sich zu ihnen herein. Die Frau blutete aus einer Kopfwunde und wurde von ihrem Begleiter gestützt.

»Nur weg von hier!« rief der Mann panikerfüllt.

»Das geht nicht!« fuhr Paal ihn an. »Merkt ihr denn nicht, daß wir das Kollektiv vom Computer trennen müssen? Es ist unsere einzige Chance, wenn wir das alles überleben wollen.

Die Sicherheitsschaltung ist in dieser besonderen Situation völlig ungeeignet. Ganz im Gegenteil: Sie wirkt sich nachteilig aus. Die Arbeit des Computers wird prioritätenmäßig unter die Hauptsteuerung des Kollektivs gestellt. Deshalb kommt der Computer auch nicht gegen das Strahlungsfeld an. Weil ihn das Kollektiv daran hindert!«

Die beiden blickten ihn entgeistert an. Als Paal mit Spencer, Sydan und dem dritten, der mitgekommen war, die Transportröhre verließ, blieb das verstörte und verängstigte Pärchen zurück.

Spencer registrierte, daß es von außen eine Art Handsteuerung zum Öffnen der Transportröhre gab. Deren hatten sich die beiden bedient. Es nutzte ihnen nichts, denn die Kabine blieb, wo sie war.

Mutig stürzten sich Spencer und die drei in das Tohuwabohu. Vor Spencer tauchte ein verzerrtes Gesicht auf. Schaum tropfte von den Lippen. Geistesgegenwärtig stieß Spencer den Unglücklichen zur Seite, ehe es für ihn gefährlich wurde.

Wie durch ein Wunder verschont, erreichten sie die häßlichen Kästen im Steuerraum. Sofort machte sich Paal daran, einen zu öffnen. Wenn man damit umzugehen wußte, war es eine Sache von wenigen Handgriffen. Die Frau, die darinsteckte, war blau angelaufen. Sie war tot.

Spencer betrachtete den nackten Körper, der mit Riemen festgebunden war. Ein Wust von Leitungen hüllte die Tote ein. Zu- und Abgangsleitungen. Kabel und biegsame Röhrchen für die Körperflüssigkeiten. Spencer spürte einen Kloß im Hals und wandte sich ab, um sich nicht übergeben zu müssen. Er fand diese Methode der Raumschiffssteuerung zwar großartig und unübertroffen in der Leistung, aber unmenschlich in der Durchführung. Er hätte so etwas niemals mit sich machen lassen.

Niemals?

Und was hatte er getan, um auf Mikro zu landen und dort sogar zu bestehen? War das nicht ungleich schlimmer? War er nicht auch ein Wissenschaftler, dem die Ergebnisse seiner Arbeit wichtiger waren als alle Menschlichkeit?

Es war gewiß nicht der rechte Zeitpunkt, aber Spencer schämte sich in diesem Moment.

Ich habe mich geändert, dachte er, aber es erschien ihm wie eine banale Ausrede. Aber wenn ich mich nicht geändert hätte, wäre es mir unmöglich, solche Gedanken zu hegen!

Er wandte den Blick und beobachtete Paal und die anderen bei der Arbeit. Wie dem auch sei, diese Menschen taten es freiwillig. Falls sie jemandem schadeten, dann lediglich sich selbst und keinem anderen. Das ganze Experiment, die ganze Reise war der reine Wahnsinn. Und ich habe mein Leben lang für Derartiges gearbeitet! Ich war genauso vernarrt gewesen wie diese da. Warum hat dem niemand Einhalt geboten?

Er wußte die Antwort, ohne darüber nachdenken zu müssen. Seit die Wissenschaftler die Welt regierten, hatten sie einen völlig anderen Stellenwert bekommen. Wissenschaft bedeutete nicht mehr Forschung und Fortschritt in Richtung einer besseren Zukunft - noch nicht einmal nominell. Wissenschaft war nur noch Erhaltung, Hütung überlieferter Erkenntnisse im erlauchten Kreis, ohne den Zugang für »Normalmenschen«.

Und wenn es dann wirklich einmal zu einer Forschungsarbeit kam, mußten die Beteiligten wahnsinnig sein und bereit zur totalen Selbstaufgabe, sonst durften sie nicht einmal anfangen, an Forschung zu denken. Es gab keine Kontrolle mehr durch die Vernunft, sondern nur noch ein vorgeschriebenes Verhaltensschema und als Ausgleich dazu den revolutionären Wahnsinn.

Das hier kommt dabei heraus!

Spencer erkannte, daß die Hälfte im Steuerungskollektiv umgekommen war. Doch Paal und seine beiden Helfer hatten es geschafft, die Verbindung zum Computer zu kappen.

Tatsächlich: Der Kampf hörte auf! Die von den Strahlenfeldern so negativ Betroffenen kippten einfach um. Sie mußten allesamt in medizinische Behandlung, bevor ihnen als Folge des Kräfteabbaus der Tod drohte.

8

Es gab keine Pause für die Besatzung. Nachdem der Computer die Gefahr gebannt hatte, kümmerte man sich um die Gefährten. Spencer betrat den Projektionsraum und ließ das Bild des Eisenmoleküls auf sich einwirken. Es war einfach phantastisch.

Seine Bedenken von vorhin waren fast vergessen. Dafür gab es allerdings einen einleuchtenden Grund: Er war mitten drin und konnte es nicht mehr rückgängig machen. Außerdem wollte er nicht daran denken, daß die gesamte Reise von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Alle Zeichen wiesen darauf hin.

Als er den Projektionsraum verließ, lief ihm jemand über den Weg: Paal! Spencer hielt ihn auf. Der Mann blinzelte verwirrt, als hätte er Spencer niemals zuvor gesehen. »Gratulation! Sie haben sehr umsichtig gehandelt. Man könnte es fast als genial bezeichnen. Wieso sind nicht andere schon vorher darauf gekommen?«

Paal lächelte. »Sollten Sie vergessen haben, wer ich bin?« Spencer verstand kein Wort. Er blickte nur ratlos. Paal lachte: »Ich bin schließlich der Sicherheitsexperte des Schiffes. Meine Leute und ich waren die einzigen, die überhaupt in der Lage waren, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Außerdem sind wir als Kämpfer ausgebildet, um notfalls auch mit Körpereinsatz oder Waffengewalt die Sicherheit für Schiff und Besatzung zu garantieren. Vergessen Sie nicht, wir sind Menschen! Wir werden in die Geschichte der Völker des Universums als intelligente, ehrgeizige und in ihrem grenzenlosen Wahnsinn äußerst gemeingefährliche und bösartige Rasse eingehen.« Sein lachendes Gesicht nahm diesen Worten die Schärfe.

Noch ein Mann trat hinzu. »Im Notfall«, führte Paal weiter aus, »stehe ich sogar über dem Kommandanten Kasor, dem technischen Leiter der Expedition. Er ist so etwas wie ein Kapitän auf unserem Schiff.«

Kasor lachte ebenfalls. Spencer sah die beiden an, die sich so benahmen, als hätten sie einen harmlosen Besucher an Bord, über dessen dumme Fragen sie sich amüsierten. Es lag ihm auf der Zunge, die beiden zu fragen, wie er eigentlich hierher geraten war, doch er wollte sich nicht über Gebühr lächerlich machen.

Das Bild des gestrandeten Segelschiffs schwamm längst wie im Nebel, ungreifbar, fern, unwirklich und - unwahr? Ja, Spencer begann daran zu zweifeln, daß er alles erlebt hatte, wie es in seinem Gedächtnis verankert war. Er neigte zu der Annahme, sich als echtes Besatzungsmitglied zu fühlen. Das dem Wahnsinn anheimgefallen war und sich Dinge einbildete, die es überhaupt nicht gab?

Es war ein besonderer psychischer Zustand, den man vielleicht als beginnende Schizophrenie umschreiben könnte. Das war Spencer durchaus bewußt, obwohl er von Psychologie eher wenig verstand. Aber wie sollte er sich dagegen wehren? Genügte es tatsächlich, wenn er die Vergangenheit einfach verdrängte und sich in seinen Gedanken nur noch der Gegenwart und der Zukunft widmete? In diesem Fall würde er niemals Fragen stellen und auch niemals die Wahrheit erfahren.

Die Ruhe, die dieser Kasor ausstrahlte, begann endlich auf Spencer überzuspringen, nachdem er an diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt war.

Kasor reichte ihm die Rechte. »Ja, ich habe gehört, daß Sie Paal so kräftig unterstützt haben. Äh, ich möchte Ihnen danken, und halten Sie es nicht für ungewöhnlich, wenn der Kommandant einem seiner Leute kräftig die Hand schüttelt. Hm, ich habe leider Ihren Namen vergessen, Offizier...?«

Er nannte ihn Offizier? Spencer mußte sich beherrschen, um nicht nach irgendwelchen Rangabzeichen Ausschau zu halten. Gewiß, die Bordmontur mutete an wie eine Uniform, aber Spencer hatte bis jetzt nicht ein einziges Mal an so etwas wie Rangabzeichen gedacht. Für ihn war Militär ohnedies etwas, mit dem er wenig anzufangen wußte. Er war Wissenschaftler und hatte sich mit solchen Dingen niemals befaßt.

»Spencer!« beantwortete er endlich die Frage des Kommandanten.

Der machte ein überraschtes Gesicht. Und dann schlug seine Stimmung um. Er wirkte leicht zugeknöpft, als er sagte: »Nein, ich möchte nicht Ihren bürgerlichen Namen erfahren, sondern den Tarnnamen für diese Expedition!«

Damit hatte Spencer die Erklärung, wieso die Leute hier Paal, Sydan, Kasor und so ähnlich hießen. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Warum sollte Spencer nicht als Tarnname benutzt werden können?«

Kasor holte tief Luft. »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Spencer. Die Nerven, wissen Sie. Man sieht es mir zwar nicht an, aber solche Vorgänge gehen auch an mir nicht spurlos vorüber. Wer weiß schon, wie es in meinem Innern aussieht?«

Spencer kam zu einem Schluß, der sehr einleuchtend erschien:

Man akzeptierte ihn nur, weil man überhaupt nicht auf die Idee kam, daß ein Unbeteiligter Zutritt zum Schiff hätte bekommen können. Da er wegen seiner Unbedarftheit auffiel, stufte man ihn jetzt als eine Art »politischen Beobachter« ein. Es konnte nicht schaden, wenn man sich gut mit ihm stellte.

Kasor räusperte sich. »Äh, Spencer, der Computer hat inzwischen übrigens bestätigt, daß alle Regelsysteme wieder normal funktionieren. Wir können sagen, daß wir das Schiff wieder im Griff haben. Zur Zeit wird das Steuerungskollektiv wieder vervollständigt.«

Paal trat an ihre Seite. Spencer hatte gar nicht bemerkt, daß sich der Sicherheitsverantwortliche zurückgezogen hatte. »Der Computer!« sagte er bedeutungsschwer.

Kasor verlor seine Höflichkeit und hantierte an seiner Kommunikationstafel herum. »Strahlungsfeld kam nicht von außerhalb«, murmelte er vor sich hin. In Gedanken? Oder wollte er Spencer Mitteilung machen? »Das Schiff ruht auf dem Eisenmolekül. Die Regelsysteme für die Energiespeicher erwiesen sich als zu schwach. Die Energie in den Speichern machte sich gewissermaßen selbständig. Das führte zu Nebeneffekten während des Verkleinerungsprozesses.«

Spencer empfand diese Formulierung als stark verniedlichend. Immerhin hatte es einige Tote und Verletzte gegeben.

»Die Erinnerungselemente weisen kein Programm auf, mit dem das Phänomen Strahlungsfeld erklärt werden könnte. Energiespeicher sind wieder voll aktiviert. Sie absorbierten die Strahlung nach kurzzeitiger Mehrabgabe. Nachhaltige Beeinträchtigung der Besatzung kann nicht festgestellt werden. Die negativ Betroffenen sind sowieso in medizinischer Behandlung. Allerdings ist eine Langzeitwirkung und ein späterer Ausbruch bei den Besatzungsmitgliedern, die sich während der Bestrahlungsphase vernünftig verhalten haben, nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen.« Kasor sah auf und fixierte Spencer.

Gerade dachte Professor Richard Spencer: Die Speicher scheinen Energie von Mikro anzuzapfen und zu konzentrieren. Wie ist das möglich? Ich würde sie nur zu gern einmal sehen. Auf jeden Fall ist meine Theorie bestätigt: Mikro hat die ganzen Wahnsinnseffekte verursacht. Dabei tun die so, als wüßten sie von Mikro überhaupt nichts!

Obwohl sie die Energien aus dieser Dimension benutzen.

In Wirklichkeit findet nämlich überhaupt kein Verkleinerungsprozeß im Sinne des Wortes statt. Das Schiff fliegt lediglich auf dem Umweg über Mikro in einen anderen Raum. Eine unzulängliche Erklärung, zugegeben, aber sie ist einleuchtend in ihrer Abstraktheit. Weil man einen solchen Vorgang niemals anders begreiflich machen kann als mit abstrakten Begriffen.

Mit anderen Worten: Die Realität besteht aus einer Schichtung unterschiedlicher Räume. Bislang richtete der Mensch seinen Blick zu den Sternen und schuf Gedankengebäude wie dritte Dimension »Raum«, vierte Dimension »Zeit« und fünfte Dimension »Unendlichkeit«. Aber es gibt die »Unterdimensionen«! Es gibt die Dimension des Menschen, die Dimension der Kleinstlebewesen, der Moleküle, der Atome... Zwischen allen gibt es Mikro, wie der Leim zwischen aufeinandergehefteten Scheiben. Wer von einer Scheibe zur anderen kommen will, muß einfach die Zwischenräume berühren. Aber diese sind unsichtbar und unbegreiflich wie das ganze System. Zumal man mittels technischer Hilfsmittel durchaus von einer Ebene in die andere zumindest optisch dringen kann. Nur eine Dimension bleibt einem verwehrt: die der Atome! Das eigentliche Mikrouniversum ist als wahrscheinlich unterste Dimension die eigentliche Basis des gesamten Systems - dessen oberste Basis wiederum das Makrouniversum der Sonnen, Milchstraßen und Sternenballungen ist.

Ungezählte Dimensionen also - weil nur der sie zählen kann, der sie nacheinander besucht. Mikro liegt zwischen allen. Wer Mikro kennt und beherrscht, dem stehen die Wege offen - in jede Richtung. Vielleicht sogar in der Zeit?

Spencer hatte am eigenen Leibe erfahren, wie groß die Zeitverschiebungen zwischen Mikro und dem »Normaluniversum« sein konnten. Er lächelte beim Begriff »Normaluniversum«, denn alle diese Universen waren normal!

Und Spencer lächelte über noch etwas: Der Mensch, der glaubte, mit seinen Elektronenmikroskopen wirklich die Welt des Kleinen ergründen zu können, vergaß dabei, daß er eine ihm im Grunde genommen völlig fremde Welt lediglich nach seinen optischen Gewohnheiten interpretierte!

9

Spencer war so in seine Gedanken vertieft, daß er gar nicht mehr mitbekommen hatte, was Kasor noch zu ihm gesagt hatte. Und jetzt hatte sich ein kurzer Dialog zwischen Paal und dem Kommandanten entwickelt.

»...um die Speicher kümmern«, sagte Kasor gerade. »Du mußt auf deine Freischicht leider verzichten und die Techniker unterstützen.«

Paal nickte nur.

Kasor strich sich mit der Fingerkuppe über einen Nasenflügel. Er dachte nach. »Gut, ich werde mitkommen. Im Moment brauchen die mich hier nicht. Sobald das Steuerungskollektiv steht, muß ich mit Ergebnissen aufwarten. Das ist wichtiger.«

Spencer begriff nur, daß dieses Steuerungskollektiv anscheinend alle Macht besaß, falls es funktionierte.

Die beiden, Kasor und Paal, schritten zur Transportröhre. Spencer schloß sich an, als hätte er dafür eine Einladung bekommen. Vielleicht war dem auch so und er hatte es nur nicht mitbekommen, weil seine Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren?

Noch einmal dachte er kurz an seine spezielle Theorie. Albert Einstein hatte es zu Beginn mit seiner Relativitätstheorie schwer gehabt, aber Richard Spencer würde man für einen gefährlichen Irren halten und umbringen. Zumindest hatten die Menschen bei seinen ersten Ansätzen versucht, ihn gesellschaftlich zu ermorden. Das andere wäre mit Sicherheit gefolgt, hätte er sich nicht völlig in sein »Schneckenhaus« zurückgezogen.

Als sie die Transportkabine betraten, die anscheinend wieder einwandfrei funktionierte, fragte Spencer: »Wie viele dieser Röhren gibt es eigentlich?«

»Zehn!« antwortete Kasor bereitwillig.

Spencer schwindelte es unwillkürlich. Er beobachtete, wie sich die Tür schloß. Ja, um alles in der Welt, wo waren denn die Zugänge zu den anderen neun Kabinen?

Er versuchte, das Rätsel anders zu lösen: »Sind die Ebenen denn nicht übereinander angeordnet?«

Es war gewiß eine ungeheuerliche Frage. Paal musterte Spencer voller Mißtrauen. Kasor schluckte dreimal, ehe er zu einer Antwort ansetzte. »Es - es gibt eigentlich keine richtigen Stockwerke, Spencer. Das Schiff ist gewissermaßen wabenförmig gebaut. Jede große Wabe ist eine Einheit - zum Wohnen, zur Erholung, zum allgemeinen Treffen und so fort. Zwischen den großen Waben gibt es Hohlräume, die von den Transportröhren und den Versorgungseinheiten in Anspruch genommen werden. Ähnlich wie bei Rohrpost werden die Transportkabinen dirigiert. Magnetfelder sorgen für berührungsloses Gleiten. Sie erzeugen innerhalb der Kabinen auch ein eigenes Schwerefeld, das völlig unabhängig gegenüber äußeren Einflüssen ist. Es gibt insgesamt zehn Hauptsysteme und für jedes Hauptsystem je eine Kabine. So ist es also möglich, daß ein reibungsloser Transport stattfindet. Die Kabinen stoßen nicht gegeneinander, weil sie sich ausweichen können. Das Ganze wird vom Bordgehirn hundertprozentig gesteuert.«

»Und wieso können sie sich vergrößern und verkleinern?«

»Nur eine Frage des Materials«, erläuterte Kasor, der Kommandant, geduldig. »Das gesamte Schiff besteht aus dem Metall Kalgan - nach dem Decknamen des Mannes, der diesen Stoff zusammen mit seinem großen Team entwickelte. Das Material ist von unglaublicher Widerstandsfähigkeit, läßt sich dabei jedoch mittels gesteuerter Felder einer besonderen Energieart beliebig verändern. Der Rahmen, in dem dies geschieht, ist relativ weit gespannt.«

Energie von Mikro! hätte Spencer gern ausgerufen. Ihr verdammten Narren, ihr spielt mit Dingen, die das Universum aus den Angeln heben können. Das ist nicht nur Frevel oder bodenloser Leichtsinn, sondern purer Selbstmord! Vielleicht habe ich in meinem Forschungsehrgeiz auch manchen Fehler begangen, aber ich bin niemals so weit gegangen. Und ihr habt nicht einmal die geringste Ahnung davon, mit welcher Energie ihr überhaupt manipuliert. Bis euch die Erde oder sogar die ganze Galaxis um die Ohren fliegt!

Er behielt dies alles für sich, denn diese Erkenntnis diente niemandem mehr. Es war alles bereits geschehen. Sie waren auf die betreffende Energie angewiesen, um überhaupt zu überleben.

Der Hebel mußte später angesetzt werden. Es durften solche Experimente niemals wieder durchgeführt werden, ehe man die Dinge nicht wirklich beherrschen konnte.

Die Transportröhre öffnete sich. Sie waren am Ziel.

Diese Wabe hier fällt aus dem Rahmen, dachte Spencer sofort. Sie befanden sich in Ebene eins, dem Teil, in dem die Regelsysteme für Antrieb und Energieerzeugung untergebracht waren. Voll gespannter Erwartung blickte Spencer sich um. Was er zunächst sah, war eher enttäuschend: Kahle Wände und ein breiter Durchgang! Leises Summen drang an sein Ohr.

Er folgte Kasor und Paal. »Hier sind mehrere Waben zu einer Großeinheit verschmolzen!« sagte letzterer.

»Ist die Ebene eins wirklich ganz unten?«

Kasor versicherte ihm: »Genauso wie die Zentrale mit dem Steuerungskollektiv der Nabel des Schiffes ist!«

Sie blieben mitten in dem Durchgang stehen. Spencer ließ pfeifend die Luft aus seinen Lungen entweichen. Egal, was er jetzt noch zu sehen erwartet hatte - die Wirklichkeit war anders, ungleich phantastischer. Was war das für eine Wahnsinnstechnik, die in solch perfektem Maße aufgezogen worden war und doch auf so wackligen Füßen stand, weil man die verwendeten Energien völlig falsch begriff?

10

Spencer benötigte Sekunden, um zu seiner klaren Überlegung wieder zurückzufinden.

Kasor neben ihm deutete mit ausgestrecktem Arm zu Boden. Das Material wirkte wie Milchglas. Darunter hingen genau zwanzig Behälter. Sie waren allesamt fünfeckig und auch in einem Fünfeck angeordnet.

Spencer wippte auf dem Fuß. Das Material war weich und nachgiebig. Er bückte sich und betastete es mit der Hand. Prompt spürte er eine Art elektrischen Schlag.

Kasor beobachtete den Professor lächelnd.

Solange er nichts über die vernichtenden Gedanken Richard Spencers wußte, verlor er sein Lächeln nicht. Wenn Spencer auch nur ein Sterbenswörtchen von dem gesagt hätte, was er über die Mikroenergie wußte, hätte er in ein Wespennest gestochen.

»Es ist reine Energie, gebändigt und überwacht von den Regelsystemen. Daran sehen Sie, wie wichtig deren Funktion ist. Das Energiefeld schirmt die Speicher ab.«

Spencer betrachtete die zwanzig eigenartigen Behältnisse zu seinen Füßen. Ihre wahre Größe konnte man nicht abschätzen. Manchmal verschwammen ihre Konturen.

»Die Behältnisse scheinen sich gar nicht im Diesseits zu befinden«, sagte er vorsichtig.

Kasor zog seine linke Augenbraue hoch: Sichtbares Zeichen seines Erstaunens. »Sie haben schnell begriffen, Spencer. In der Tat sind die Speicher von nicht abzuschätzender Ausdehnung, doch sie befinden sich in einer eigenen Sphäre, geschaffen durch die Kraft, die sie bindet. Das Energiefeld, das hier den Boden bildet, stellt gleichzeitig ein Tor zu den Speichern dar. Hier hatte auch das unglückselige Strahlenfeld seinen Ursprung. Wir bedienen uns einer Technik, die eigens zum Bewältigen der phantastischen Energien entwickelt wurde. Sie ist absolut neu.«

Und völlig unerprobt, wie mir scheint! fügte Spencer in Gedanken hinzu. Am liebsten hätte er die Flucht ergriffen. Das war mehr als nur ein schwelendes Pulverfaß zu seinen Füßen. Dagegen war selbst eine Atombombe ein harmloser Knallfrosch. Eine Gänsehaut nach der anderen lief über seinen Rücken.

Und Kasor sprach weiter in seiner Unbekümmertheit, die Spencer mehr und mehr an einen kleinen Jungen erinnerte, der dem Onkel sein Kriegsspielzeug vorführte - mit glänzenden Augen, versteht sich.

Kasor schloß: »Im Moment droht keine Gefahr mehr von den Speichern.«

Spencer betrachtete die Wände, um sich abzulenken und nicht durchzudrehen. Hier aus sahen die Wände anders aus als sonstwo im Schiff. Sie schienen keine feste Form zu haben. Purpurn flimmerte es darüber. Farb- und Lichtkaskaden blitzten kreuz und quer. Wenn man genauer hinblickte, erkannte man das Schema: Ein feines Spinnennetz mit Knoten unterschiedlicher Größe an den Schnittstellen befand sich eingebettet in die unbekannte Substanz. Fast erinnerte es an die Verknüpfung von Neuronen innerhalb eines menschlichen Gehirns.

Spencer schauderte es.

Befanden sie sich denn im Innern des vielzitierten Bordcomputers? Wurde auch er von den Energien von Mikro bestimmt?

Kasor schien seine Gedanken erraten zu haben: »Uns umgeben Elemente des großen Gehirns. Das Raumschiff gleicht einem lebendigen Wesen. Nur die Außenwandungen sind festgelegt und unveränderbar. Das trifft nicht auf das Innere zu. Das gesamte Schiff läßt sich formen wie ein Muskel - eben bis zu einem gewissen Grad. Der Computer ist das Gehirn dieses künstlichen Wesens. Er gehorcht den Wünschen von uns, die wir wie Parasiten die Ebenen beherrschen.«

Parasiten! Spencer hätte es am liebsten hinausgebrüllt.

Paal war zur Wand getreten und berührte einen der Knoten. Gleißende Blitze zuckten nach allen Richtungen. Ein grelles Muster entstand, nahm Einfluß auf die sich scheinbar sinnlos hin und her bewegenden Farbenspiele, die regelrecht angesaugt wurden.

An verschiedenen Stellen wiederholte Paal die Prozedur. Mit dem Ergebnis schien er zufrieden zu sein. »Ich glaube, daß die Regelsysteme der zweiten Phase standhalten«, gab er seine Meinung kund. »Das Gehirn hat sie entsprechend verstärkt.«

Kasor wiegte bedenklich den Kopf. »Hoffen wir das Beste.«

Spencer konnte sich dem nur anschließen. »Und wenn wir die Reise abbrechen, um zurückzukehren?« schlug er zaghaft vor.

Dieser Gedanke schien so unmöglich zu sein, daß Kasor überhaupt nicht darauf einging.

Paal beendete seine Tätigkeit und kam herüber.

Die Energiespeicher wirkten auf Spencer wie glühende Augen, die jede seiner Bewegungen belauerten, als er gemeinsam mit Paal und Kasor zum Hintergrund der Halle ging. Dort gab es eine Tür, und die war ihr Ziel.

Er hätte den beiden eine Menge erzählen können, was die Energien von Mikro betraf, doch das hätte nichts genutzt. Es hätte die beiden lediglich entmutigt. Oder sie hätten ihn sofort eingesperrt. Es war das einzige Motiv, warum Spencer den Mund hielt.

11

Es war der Technikerraum. Die Beklemmung wich ein wenig, als sich hinter Spencer die Tür geschlossen hatte. In dem Raum waren etwa dreißig Menschen beschäftigt. Niemand sah auf. Jeder besaß eine der Kommunikationstafeln. Die Wände glitzerten metallisch. Eine Unzahl von Bildschirmen war in sie eingelassen. Sie zeigten zuckende Blips und grelle Farbenmuster. Geräuschkulisse bildete ein Zischen, Rauschen, Brodeln und Stöhnen. Es war ganz und gar nicht dazu geeignet, in Spencer Wohlbefinden zu erzeugen, aber immer noch besser als der Speicherraum.

»Ebene zwei«, sagte Kasor. »Es sind die einzigen Ebenen, die eine direkte Verbindung haben. Das hier ist der eigentliche technische Überwachungsraum. Von hier wird das Steuerungskollektiv unterstützt. Auch sind die Techniker in der Lage, die Vorgänge während der Steuerung zu beobachten. Obwohl sie nur mit Einwilligung oder nach Forderung des Kollektivs eingreifen können. Dafür sorgt auch die Sicherheitsschaltung. Wenn sie inkraft tritt, können die Techniker nicht in den Steuerraum hinauf. Aber das haben Sie ja selbst erlebt...«

Spencer dachte: Und ob! Und dann schritt Kasor mit ihm zur Transportröhre. Gottlob! Ich hätte es nicht mehr länger hier ausgehalten, mein Freund und Kommandant. - Spencers Gedanken waren inzwischen voller Bitterkeit.

Unterwegs zur Steuerebene rief sich Spencer noch einmal sein Erlebnis an Deck des bizarren Seglers ins Gedächtnis. Es fiel ihm unendlich schwer. Als er gar darüber nachdenken wollte, ging es diesmal überhaupt nicht mehr.

Zurück blieb die Angst.

12

Er verharrte in Ehrfurcht und genoß den Anblick, während im Steuerraum die zweite Phase eingeleitet wurde. Spencer befand sich im Projektionsraum mit der Zielangabe.

Das Atommodell besaß eine theoretische Grundlage. Die Vorstellungen der Atomphysiker stützten sich auf die Ergebnisse von Experimenten. Spencer hingegen erblickte die Wirklichkeit, und die übertraf - wie so oft - die Phantasie der Menschen. Die Welt, die er im Projektionsraum erlebte, war lichtlos und doch konnte er sehen.

Er hatte sich - wie alles an Bord des Schiffes - der Ausgangsdimension in der unteren Molekularebene angepaßt, so daß er selber zu derem Bestandteil geworden war. Wahrscheinlich war Spencer der einzige, der das begriff. Es war eine fremde Dimension, untergeordnet dem, was der Mensch als Wirklichkeit und »Diesseits« empfand. Es war nicht der hochgezüchteten Technik des Projektorraums zu verdanken, daß er diese phantastischen, großartigen Bilder in sich aufnehmen konnte. Wahrscheinlich wäre er auch mit unbewaffneten Augen fähig gewesen, diese Ebene zu erfassen. Obwohl das projizierte Eisenatom im Grunde genommen noch zur nächsten Stufe gehörte, die sie »durchfliegen« mußten.

Zunächst erschien es wie eine Anhäufung glitzernder Teilchen, bis es das ganze Gesichtsfeld ausfüllte. Die Elektronen blieben gewissermaßen unsichtbar. Sie bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit um den Kern und bildeten praktisch nur huschende Schatten. Ihre Gesamtmasse machte nur einen kleinen Teil des Ganzen aus. Herrlich in Form und Ausdehnung präsentierte sich der Atomkern. Die modernen Graphiken erschienen wie schlecht gelungene Karikaturen, wenn man es einmal mit eigenen Sinnen wahrnehmen konnte. Protonen und Neutronen bildeten eine Zusammenballung von Materie, die auf den ersten Blick an zusammenklebende Wassertropfen erinnerte. Sie waren von verschiedener Konsistenz und dadurch unterscheidbar. Während die Neutronen in der Farbe zu rauchigem Grau tendierten, wirkten die Protonen wie Diamanten, in denen feurige Glut nistete.

Über die Lautsprecheranlage kam ein Kommando. Spencer war unfähig, die Worte in sich aufzunehmen. So hielt ihn der unbeschreibliche Anblick in seinem Bann. Die Projektion flimmerte kurz. Nebel traten auf. Der Bordcomputer nahm eine Trickschaltung vor, um auch die Elektronen sichtbar zu machen.

Spencer riß erstaunt die Augen auf. Er war Atomphysiker und hatte hier eine einmalige Gelegenheit. Es erfüllte sich ein Lebenstraum für ihn. Ja, um das zu erleben, hatte er ein Leben lang gekämpft. Da waren sie - die Elektronen!

Er hätte es niemals für möglich gehalten. Die kleinen Teilchen waren keineswegs feste Körper, sondern bildeten Kugelhaufen, deren Dichte nach außenhin abnahm.

In unterschiedlicher Entfernung vom Zentrum rasten sie auf einer genau vorgeschriebenen Kreisbahn, um mittels Fliehkraft die zerrenden elektrischen Kräfte, die auf sie einwirkten, zu kompensieren. Kein Elektron würde ein anderes berühren. Sie hatten gleiche Ladung und stießen sich gegenseitig ab.

Spencer widmete sich erneut dem Atomkern. Auch die Protonen und Neutronen waren von anderer Konsistenz als angenommen. Flüssig erschienen sie, ausgestattet mit einer Art dünner Membran, die sie zusammenhielt. Eine unglaubliche Tatsache. Unwillkürlich fragte sich Spencer, was bei einer Atomspaltung wirklich geschah.

»Fertigmachen!« befahl die Lautsprecherstimme.

Damit fand Spencer in die Wirklichkeit zurück. Das berühmte Fadenkreuz entstand. Richard Spencer wurde bewußt, daß sie sich erst in der zweiten Phase in diese Dimension der Atome begeben mußten. Was er hier sah, war nur das projizierte Ziel. Eine Computerinterpretation! dachte er bestürzt. Vielleicht empfinde ich es nachher wieder anders? Es war nicht auszuschließen!

Professor Richard Spencer verließ den Raum und begab sich nach nebenan. In dieser Projektion erkannte er den alten Platz des Schiffes auf dem Eisenmolekül wieder.

Der Countdown begann. Spencer hörte gar nicht hin. Er beobachtete seine Umgebung. Da war »seine Göttin«. Ja, sie war wieder da, doch achtete sie überhaupt nicht auf ihn. Sie war beschäftigt.

Spencer spürte die pochende Angst in seiner Brust. Es war schon zuviel passiert. Es gab keine Garantien. Ganz im Gegenteil. Er knetete die Hände und versuchte zu hoffen, doch sein Pessimismus wuchs nur noch. Um ihn herum herrschte rege Aktivität. Jeder war auf seinem Posten. Offenbar verschwendete die Besatzung keinen Gedanken mehr an einen möglichen Zwischenfall. Sie waren voller Optimismus oder hatten einfach keine Zeit mehr, nachzudenken. Spencer war weniger glücklich dran. Er fieberte der zweiten Phase entgegen. Vorher geschah nichts.

»Start!« sagte der Bordcomputer.

Jemand schien Blut über das Raumschiff zu gießen. Aus dem Nichts kam rote Glut und hüllte das Raumfahrzeug ein. Der grelle Anblick schmerzte höllisch in den Augen. Ein Rucken ging durch das Raumschiff.

Automatisch hatten sich alle auf den Boden gekauert und sich den Fesselfeldern anvertraut. Das rote Glühen wurde durchscheinend, bis es nicht mehr war als nur ein dünner Film, der kaum die Sicht behinderte. Doch ein Teil der Energie durchdrang die Zellen des Schiffes, kroch aus den Wänden wie Rauch und erfaßte die Körper der Menschen, Unbehagen erzeugend.

Spencer rang nach Atem. Mit krampfhaft offengehaltenen Augen beobachtete er. Bis jetzt war es nicht schlimm. Die weite Fläche des Moleküls schob sich auf einmal von ihnen weg - gleichmäßig in alle Richtungen. Ein irres Kreischen klang auf und marterte die Ohren der Menschen. Die Wände ringsum verbogen sich. Spencer spürte eine Kraft, die ihn wie eine Riesenfaust packte und zusammenquetschte, bis ihm die Luft ausging.

Fassungslos starrte er auf seine Hände. Sie wurden deutlich dünner, zogen sich in die Länge und verzerrten sich. Sein gesamter Körper nahm groteske Formen an. Es schmerzte nicht. Ein Gefühl, das man nicht beschreiben konnte.

Apathie nahm von ihm Besitz. Ihm war alles egal. Er schaute wie unbeteiligt auf die anderen. Es gab ständige Veränderungen wie in beweglichen Zerrspiegeln.

Die Oberfläche des Moleküls schob sich weiter von ihnen weg, nach allen Richtungen. Dabei wurde sie zunehmend poröser.

Spencer hatte keine Ahnung, wieso die Oberfläche des Moleküls vorher relativ glatt und eben erschienen war. Er hätte darüber nachdenken müssen, doch das ging nicht mehr. Jedenfalls wurde die wahre Struktur des Moleküls sichtbar. Es war eine Anhäufung von Atomen. Die Bindungskräfte waren sehr stark und verursachten ein Gitternetz von Teilchen mit sehr geringen Amplituden.

Professor Richard Spencer wußte von Haus aus, daß die kristalline Struktur verändert werden konnte, indem man einem Molekül Energie zuführte. Die Amplituden würden sich erhöhen, den festen Zusammenhalt stören, der jedoch nicht ganz zusammenbrechen konnte. Das Eisen würde sodann flüssig werden, also den nächsthöheren Aggregatzustand annehmen. Erhitzte man es noch mehr, zerbrach das kristalline Gitternetz. Der Stoff wirkte gasförmig. Die Amplituden, umschrieben als Eigenbewegung, wurden völlig frei. Nichts band sie mehr.

Es passierte sogar ständig, daß einzelne Atome gegeneinanderstießen. Daß dabei keine Katastrophe geschah, verdankte man der besonderen Struktur des Atoms. Spencer hatte es mit eigenen Augen gesehen: Der Atomkern war weich. Stießen zwei Atome zusammen, wichen sich die Elektronen aus, und die »weichen« Atomkerne schluckten die kinetische Energie. Sie prallten voneinander ab!

Das alles ging ihm durch den Kopf. Damit wurde ihm bewußt, daß er wieder denken konnte. Es fiel ihm schwer, aber wenn er einmal ein genaues Ziel vor Augen hatte, gelang es ihm.

Das Gitternetz der Atome wurde immer gröber und verlor an Überschaubarkeit. Das Schiff konzentrierte sich auf ein einzelnes Atom, das im nächsten Augenblick losgelöst von allen anderen erschien. Es gab kein Gitternetz mehr.

Ein hohes Vibrieren erfüllte die Zelle. Die direkte Umgebung innerhalb des Schiffes wirkte wieder halbwegs normal. Die anderen Atome befanden sich in weiter Entfernung. Ja, die Abstände zwischen den Atomen muteten in dieser Dimension an wie die Abstände zwischen Sternen im Makrouniversum.

»Achtung!« sagte eine verzerrte Lautsprecherstimme, »Komplikationen! Wir rasen direkt in das Atom hinein. Kollision mit einem Elektron ist nicht auszuschließen. Der Computer versucht mit Unterstützung des Steuerungskollektivs ein negatives Feld aufzubauen, um das zu verhindern. Aber dabei werden die Anziehungskräfte des Kerns noch stärker wirksam.«

Die Stimme verstummte und hinterließ in Spencer ein flaues Gefühl.

Er schluckte schwer. Die Stimme sei verflucht! dachte er verzweifelt. Alles erschien so normal und ungefährlich. Und jetzt das. Verdammt, macht sich denn niemand darüber Gedanken, was das bedeutet? Es ist mehr als ein Himmelfahrtskommando: Es ist die Reise mitten in die Hölle!

Doch dann dachte er an das Negativfeld, mit dem man die herrschenden Kräfte abwehren konnte.

War es denn möglich, anschließend ein Positivfeld aufzubauen, um vom Kern abgestoßen zu werden? Was geschah, wenn das nicht gelang?

Es hatte keinen Zweck, sich verrückt zu machen. Spencer mußte sich bemühen, seinen klaren Sachverstand zu bewahren.

Ich muß mich in den Zustand versetzen, in dem jeder Wissenschaftler ist, wenn es um neue Erkenntnisse geht, die er nicht scheuen darf! hämmerte er sich ein. In einem solchen Zustand werde ich alles analysieren, falls mir die Zeit dazu bleibt. Zur Analyse wird sogar der eigene Tod gehören. Obwohl es mir nichts mehr nutzen wird!

Er konzentrierte sich. Öffnete sich die Membran eines Protons oder Neutrons, um sie zu verschlingen? Wie sah es überhaupt im Innern aus? Man konnte nicht durch die Membran hindurchsehen. Seine Handflächen waren schweißnaß. Er ballte die Hände zu Fäusten. Auf dem Weg zum Atom - auf dem Weg in den Tod?

13

Der Atomkern raste näher. Die Elektronen bildeten huschende Schatten. Und dann kreuzte das Schiff die Bahn eines Elektrons. Ein gewaltiger Ruck war die Folge. Die Neutralisatoren mußten einfach versagen. Sie ließen sehr viel kinetische Energie durch. Aber die Fesselfelder hielten.

Spencer hatte es geschafft: Er war nur noch der kühl und sachlich denkende Wissenschaftler. Er ließ seinen Blick keinen Sekundenbruchteil von den Dingen, die ringsum geschahen.

Der Atomkern kippte scheinbar nach rechts weg. In Wirklichkeit wurde das Schiff abgelenkt. Es drehte sich, zum Spielball unglaublicher Kräfte geworden. Etwas prasselte gegen die Wandungen und ließ sie wie eine gigantische Glocke schwingen. Spencer hatte den Eindruck, sein Schädel würde mitschwingen und im nächsten Augenblick zerplatzen. Dann war das Negativfeld endlich stabil genug, so daß sie vom Elektron abgestoßen wurden. Der Kern raste wieder näher, wuchs heran wie ein Gebirge und füllte rasch das gesamte Gesichtsfeld aus.

Es hatte sich gezeigt, daß es viel zu lange dauerte, um ein brauchbares Magnetfeld zu errichten. Bei der Kollision mit dem Elektron war es beinahe zu spät gewesen. Und jetzt sollte der Computer es rechtzeitig schaffen, das Feld umzupolen? Spencer zweifelte nicht zu Unrecht! Der Vergleich mit einer Riesensonne drängte sich ihm auf, als er den Atomkern betrachtete. War er so heiß wie die Sonne als Mittelpunkt eines festen Systems?

Der Computer machte eine Durchsage: »Unbekannte Strahlung! Wirkung auf organisches Leben ebenfalls unbekannt. Sie konnte nur zum Teil neutralisiert werden.«

»Mal wieder!« knurrte Spencer respektlos. Er schwitzte und rang nach Atem. War das denn eine Folge des Strahlenschauers?

»Ursprung der unbekannten Strahlung ist das Elektron, dessen Bahn wir kreuzten. Analyse ergab elektrische Aktivitäten. Wirkung auf organisches Leben: Störung des Nervensystems. Keine Dauerwirkung zu erwarten - nach vorläufiger Analyse.«

Na, schnell ist das Bordgehirn ja, das muß man ihm lassen! dachte Spencer. Das Zittern ließ nach. Das Bild des Atomkerns schwankte hin und her. Das Raumschiff veranstaltete eine Art Spießrutenlauf durch die Bahnen der Elektronen. Doch es wurde nicht mehr kritisch. Das negative Feld schützte sie. Sie wurden von den Elektronen abgelenkt. Nur die Anziehungskräfte des Atomkerns schienen sich zu vervielfachen. Sie rissen das Schiff mit ungeheurer Macht an sich. Die Neutronen leuchteten aus dieser Perspektive purpurn. Eine Sinnestäuschung, wie Spencer wußte, denn wo es kein Licht gab, konnte man auch keine Farben wahrnehmen.

Der deutsche Physiker Heisenberg hatte behauptet, es gäbe kein gültiges Atommodell. Das Atom wäre wahrlich unvorstellbar und könnte daher in seiner Struktur nur mathematisch erklärbar sein. Daran mußte Spencer denken. Es hatte sich seit dieser Behauptung von Heisenberg nichts geändert. Es wurde ihm mal wieder klar, daß die Bilder, die er sah, zwangsläufig das wahre Wesen des Atoms verschleiern mußten. Wie seine Wahrnehmung von Mikro. Interpretierte Wirklichkeit und nicht die Wirklichkeit schlechthin. Es fehlten die richtig funktionierenden Sinnesorgane. So verarbeitete das Gehirn die Wahrnehmungen als Vergleichsmodell mit all seinen durch die Vereinfachung entstehenden Unzulänglichkeiten. Obwohl dieses Schiff die Wahrnehmungsorgane der Menschen mittels Computer ergänzte. Und obwohl dieser Computer mit Energie von Mikro arbeitete!

Aber nur deshalb kommt diese Projektion überhaupt zustande! Spencer war überzeugt davon: Jeder normale Computer hätte total versagen müssen.

Die Projektion zeigte ihnen genau das, was sie auch mit eigenen Augen gesehen hätten, falls sie sich außerhalb der Schiffshülle befunden hätten.

Eine menschliche Stimme aus den Lautsprechern: »Wir müssen jetzt das magnetische Feld umpolen. Die Bahnen der Elektronen liegen bald hinter uns. Entfernung zum Atomkern - relativ gesehen in Bezug zur bekannten Ausdehnung unseres Schiffes - zehn Millionen Kilometer. Durchmesser des Atomkerns im gleichen Maßstab: eine Million Kilometer. Der verhältnismäßige Abstand erinnert an ein Sonnensystem im bekannten Makrokosmos und ist größer als durch entsprechende Experimente nachgewiesen. Ein Phänomen, das nur damit erklärt werden kann, daß wir um den Atomkern ein spezifisches Feld von fünf Millionen Kilometern Stärke haben. Es ist noch nicht erkennbar, ob es sich dabei tatsächlich nur um ein energetisches Feld oder gar um eine Art Materie handelt. Trifft letzteres zu, taucht die Frage auf, wie man diese Materie umschreiben könnte. Besteht sie aus Teilen der Protonen oder der Neutronen? In diesem Zusammenhang muß noch einmal betont werden, daß wir das Innere eines Atoms nur bedingt mit einem Sonnensystem vergleichen können. In der Tat sehen wir uns mit der unglaublichen Tatsache konfrontiert, daß Protonen und Neutronen zwar miteinander verbunden sind, jedoch nicht verschmelzen, obwohl uns längst bekannt ist, daß man beides teilen kann.«

Der Vortrag artete in Fachsimpelei aus. Spencer hörte nicht mehr hin. Er knirschte mit den Zähnen. Der Sprecher wirkte ruhig und gelassen. Er analysierte, wie es einem Wissenschaftler gebührte. »Bald werden wir mehr wissen«, murmelte Richard Spencer. »Der Kern hat also eine Art Atmosphäre - wie auch immer. Es bleibt nur die Hoffnung, daß wir mit unseren Erkenntnissen später noch etwas anfangen können.«

14

Das Schiff war ein Winzling im Vergleich zu dem Atomkern, ja, noch weniger als ein Winzling. Nicht größer als ein Floh gegenüber der Erde. Und die Menschen, die darin saßen, merkten bald, woraus die Kernatmosphäre bestand: weder aus Materie noch aus Energie!

Eine Substanz, bei deren Analyse sogar der Computer streikte - streiken mußte. Er war mit Informationen aus einer anderen Dimension programmiert und hatte ohnedies bereits Unmögliches vollbracht.

Spencer dachte: Der Kosmos besteht im Grunde genommen aus den Substanzen, die uns hier begegnen; und woraus bestehen die Substanzen! Der reinste Irrsinn!

Doch gemeinsam mit den hochgradigen Wissenschaftlern an Bord und dem Steuerungskollektiv gelang ein Vergleich. Sie bezeichneten den Mantel - wie es Spencer schon in Gedanken vorweggenommen hatte - als die Atmosphäre des Atomkerns. Für das Schiff blieb sie ungefährlich. Eine physikalische Unmöglichkeit, die den Vergleich dennoch erleichterte.

»Letzte Analyse«, sagte die Lautsprecherstimme des Bordgehirns abschließend. »Es besteht nicht aus einzelnen Teilchen, sondern ist ein Ganzes, elektrisch völlig neutral, wenngleich von anderer Beschaffenheit als ein Neutron. Paradox die Tatsache, daß die Substanz nicht unteilbar ist, obwohl sie aus einem Ganzen besteht. Dies trifft ebenfalls auf die Neutronen und Protonen zu. Noch einmal: Die Grundsubstanz des Universums ist nicht zusammengesetzt aus Teilchen, sondern ist selber Teilchen - von unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Charakter. Bei der scheinbaren Teilung entsteht lediglich ein neuer Charakter!«

Spencer verstand es, weil er ein geschulter und im Grunde genommen genialer Wissenschaftler war. Er machte sich auch weiter keine Gedanken mehr darum, denn alle Erklärungen täuschten über eines nicht hinweg: Noch war die Umpolung auf Positiv nicht durchgeführt. Die rasende Fahrt in die Hölle wurde durch nichts gebremst, sondern noch immer beschleunigt.

»Jetzt!« brüllte eine Männerstimme. Es war einer aus dem Steuerungskollektiv. Dieses eine Wort bedeutete nichts anderes, als daß jetzt das Positivfeld stand.

Viel zu spät! Zwar wurde die Verzögerung schlagartig bemerkbar, ohne daß Andruckkräfte durchkamen, da durch das Feld jeder Bestandteil des Schiffes in gleicher Weise abgestoßen wurde, doch die Kollision war nicht zu vermeiden. Das Schiff hinterließ in der fünf Millionen Kilometer durchmessenden Kernatmosphäre eine blasige Spur. Die Umgebung präsentierte sich momentan als grau in grau. Die Protonen erinnerten wieder an funkelnde Riesendiamanten.

Ein Anblick, der niemand erfreuen konnte.

Sie rasten auf ein Proton zu und wurden von diesem dank des Positivfeldes so abgelenkt, daß sie unweigerlich auf ein Neutron treffen mußten. Denn das Neutron kümmerte sich naturgemäß überhaupt nicht um das Positivfeld. Ein Umstand, den Spencer bislang nicht bedacht hatte. Gerade hatte er unsinnigerweise darüber nachgedacht, ob sein Körper noch immer aus Molekülen und Atomen bestand, nachdem sie sich dermaßen dieser Dimension angepaßt hatten, daß ein direkter Besuch glückte. Es gab keine Antwort auf eine Frage, die man nur experimentell hätte verfolgen können. Dafür allerdings fehlte ihnen allen die Zeit.

Seine Hände krallten sich ineinander. War die Neutronenmembran weich und elastisch? Oder hart wie Granit?

Sekunden später wußten sie es!

15

Es war Spencer nicht möglich, danach wiederzugeben, was er wirklich im entscheidenden Moment empfand, hoffte oder dachte. Jedenfalls spielte es sich total anders ab als erwartet. Es gab keinerlei Berührung, jedenfalls zumindest keine spürbare! Plötzlich entstand eine Reaktion zwischen den Atomen, aus denen sich das Schiff und seine Besatzung zusammensetzte, und der unwirklichen Umgebung. Spencers Frage wurde auf drastische Weise beantwortet. Die Anpassung an die Atomdimension war nicht vollständig. Das hatte Folgen. Es spielte sich in einem nicht meßbaren Zeitraum ab. Waren es Jahre oder Nanosekunden? Alles an Bord war in gleicher Weise betroffen.

Das Schiff wirkte zunächst durchsichtig. Mittels Manipulation mit Mikroweltenergie hatte sich das Schiff quasi angepaßt, doch die Gegenkraft wurde stärker. Prompt brach das magnetische Feld zusammen, weil alles versagen mußte.

Spencer glaubte, die Atome, aus denen er sich zusammensetzte, würden explodieren. Und das geschah faktisch auch! Sie konnten überhaupt nicht mit dem Neutron da draußen zusammenprallen, weil sich dieses Neutron in das Schiff hineinbohren wollte. Es »pumpte« das Schiff dabei auf die passende Größe auf.

Pumpen?

Ein gewagter Begriff für einen unfaßbaren Vorgang!

Das Schiff wuchs über die Größe des Atomkerns hinaus und ließ ihn teilweise in sein Inneres. Die Zeit veränderte sich. Spencer sah die Bahn eines Elektrons. Diesmal brauchte er nicht die Projektion des Computers, um zu sehen, was da draußen geschah, sondern er erblickte es mit eigenen Augen. Oder entstand dieses irrsinnige Bild in seinem Innern?

Der Zusammenstoß war unvermeidbar, da sie sich inmitten der Rückphase befanden. Das Elektron war ein grauer Haufen körniger Substanz. Jedes Korn war an das andere gefesselt. Die Dichte nahm nach außen hin ab.

Wie bei einem Sternennebel, drängte sich Spencer der Vergleich auf. Diesen Gedanken hatte er schon einmal gehegt, als er das Atom zum ersten Mal in der Zielprojektion gesehen hatte. Es schwebte langsam auf sie zu. Nun hatte es die relative Größe eines Ozeanriesen, schrumpfte jedoch rasch.

Spencer erahnte instinktiv die Gefahr. Das Elektron durchschlug das Schiff. Da dieses hin und her geschleudert wurde, blieb die genaue Bahn unberechenbar. Und es gab noch mehr Elektronen, deren Weg sie kreuzen mußten, weil bald das gesamte Atom in das Innere des Schiffes gelangt war.

Um Spencer entstanden wilde Schreie. Einer wurde von einem Elektron getroffen. Die feinen Körner prasselten auf ihn nieder. Er krümmte sich unter wahnsinnigen Schmerzen. Zu diesem Zeitpunkt war das Elektron in Relation zum Schiff etwa pferdekopfgroß. Doch da die Phase andauerte, schrumpfte es noch während der Berührung und im Körper des Mannes zu einem Gebilde, das ihm nichts mehr anhaben konnte. Der Schmerz verschwand. Was zurückblieb, war der Eindruck von Wahnsinn. Und dann beschleunigte sich die Vergrößerung des Schiffes noch mehr.

Wie lange das Ganze gedauert hatte, war nicht nur nicht meßbar, sondern auch für die Betroffenen unmöglich, zu schätzen. Und schon dehnte sich unter ihnen wieder die atomare Kristallstruktur des Eisenmoleküls aus.

Jetzt, da sie wußten, daß es eigentlich gar kein Gitternetz gab, wurde ihnen klar, daß es in Wirklichkeit ein kreuz und quer verlaufendes Muster war, bestehend aus einem Raster winziger Punkte, als die die Atome erschienen. Die Verbindungslinien waren als feste Verbindungen interpretierte elektrisch aktive Kraftfelder.

Deshalb sah es diesmal anders aus als vorher, denn das Gehirn mußte aufgrund definitiver Erkenntnisse eine neue Interpretation liefern. Als hätte sich das Eisenmolekül inzwischen verwandelt!

Und noch immer kamen sie nicht zur Ruhe. Das Bild des Eisenmoleküls war nämlich keineswegs eine Projektion des Bordcomputers, weil der Bordcomputer nach wie vor inaktiviert blieb. Sie blickten durch die transparenten Wände hindurch.

Das Schiff hielt sich nicht lange auf dem Eisenmolekül. Es versuchte, sich zu stabilisieren, und wurde von dieser Dimension nicht angenommen. Sie bekamen die Quittung für ihren unzureichend vorbereiteten Besuch im Innern eines Atoms. Die Energien von Mikro konnten nicht gesteuert werden, solange sämtliche Technik versagte. Deshalb saugte sie Mikro an. Das geschah auf grausame Weise. Das diffuse Rot von Mikro nahm sie auf. Das Schiff raste auf die Oberfläche dieser Dimension zu, die nur Spencer kannte. Die Geschwindigkeit war viel zu hoch. Irgendwo würden sie aufprallen. Selbst wenn sie das Glück besaßen und vom Wasser eines Meeres aufgefangen wurden, mußte die Katastrophe perfekt sein. Es war schwer vorstellbar, daß diesen Absturz irgend jemand überlebte...

Spencer dachte es. Ihn schwindelte. Mehr unterbewußt nahm er wahr, daß er zu Boden stürzte. Er konnte es nicht verhindern. Schwarze Nebel griffen nach seinem Bewußtsein, hüllten es ein und rissen es weg. Sie trugen es davon in fremde Räume, in denen es keine Absturzgefahr mehr gab...

16

Professor Richard Spencer erwachte haargenau dort, wo er hingefallen und das Bewußtsein verloren hatte. Er begriff es nicht, obwohl die Erkenntnis tief in seinem Bewußtsein verwurzelt war. Mühsam stemmte er sich hoch. Sein Blick klebte an den morschen Decksplanken des bizarren Seglers regelrecht fest.

Sein Denken wurde von einem fremden Etwas überschwemmt. »Die Wahrheit!« sagte das fremde Etwas. »Die Wahrheit über das Schicksal des Raumschiffs, das es gewagt hat, ein Atom zu besuchen. Es mußte scheitern. Die Besatzung kam größtenteils zu Tode.«

»Und meine Göttin?« schrie Spencer, als sein Begreifen ebenfalls erwachte.

»Ich sehe in deinem Denken Sorge um sie. Warum willst du nicht wahrhaben, daß es die Geschichte der Vergangenheit ist?«

»Wieviel Zeit ist seitdem vergangen?«

»Ich bin der Bordcomputer des Schiffes, das die Reise unternahm. Ich ernähre mich von der Energie dieser Welt. Auch du bist angepaßt - wie ich. Denn ich konnte es schaffen, weil ich von jeher zu einem Teil bereits Bestandteil war. So wie du. Weißt du das nicht? Mikro hat in dir die Sehnsucht und den Forscherdrang geweckt. Du bist nicht allein in dieser Art. Die Wissenschaftler meines Schiffes wurden ebenfalls davon erfaßt.«

»Sie sind tot? Warum? Haben sie nicht das Wrack ihres Schiffes als Segler verkleidet, um von dem Platz wegzukommen, an dem sie gestrandet sind?«

Der Computer gab zwar Antwort, doch Spencer nahm sie nicht mehr auf. Er war aus dem vom Computer erzeugten Traum erwacht, und das war nicht zufällig geschehen. Er hörte über sich heftigen Flügelschlag und sah empor: Meta! Das Wesen aus der unbeschreiblichen Welt von Mikro wirkte aufgeregt. Es flatterte über Spencer hinweg.

Sofort sprang der Professor auf die Beine. Er erkannte zweierlei auf einen Blick: Die Riesenlibelle, die ihn angegriffen hatte, lag zerschmettert auf den Planken. Zweifelsohne war sie dem Greiftentakel Metas zum Opfer gefallen. Und Meta setzte zur Landung an.

HERR DER WELTEN 032

Das Ende der Hoffnung

Wilfried A. Hary: „Das Abenteuer geht weiter - auf dem Schiff ohne Wiederkehr!“

John Willard, der Diener des Sternenvogts, des Herrn der Welten, erfährt, daß der Sternenvogt einst ein... Mensch gewesen ist mit Namen Professor Richard Spencer. Und der Sternenvogt läßt ihn virtuell Zeuge davon werden, was damals mit ihm geschah. Im Rahmen verrückter Experimente verschlug es ihn in eine andere - eine offensichtlich jenseitige! - Welt. Er nennt sie Mikro - und er ist hier nicht allein. Das bizarre Wesen Meta bringt ihn zu einer Art Segelschiff, das sich als Tarnung für ein Raumschiff entpuppt.

Spencer dringt in das Schiff ein und wird Zeuge beim besonderen Auftrag des Forschungsraumers: Die Reise zum Atom! Doch diese Reise endet in einer Katastrophe - und Spencer muß feststellen, daß dies alles nur eine Illusion war: Der noch intakte Bordcomputer hatte ihn virtuell an den längst vergangenen Geschehnissen teilhaben lassen.

Die Illusion wird unterbrochen, weil das Schiff angegriffen wird...

*

Der Bordcomputer hatte Spencers Gedanken beherrscht und ihn die Geschichte erleben lassen, als wäre er dabei Gast an Bord des Schiffes gewesen.

»Hatten die vor meiner Flucht von der Erde nach Mikro deshalb so großes Interesse an meinen Forschungsergebnissen, weil sie sich Sorgen um das verschwundene Raumschiff machten?« fragte er laut. Ein faszinierender Gedanke, der ihn sofort in seinen Bann schlug.

Der Bordcomputer redete mit seinen telepathieähnlichen Energien noch immer auf ihn ein, doch Spencer, der jetzt die Umstände erkannt hatte, konnte sich dagegen wehren. Kurz »hörte« er hin. Der Computer wollte ihn wieder in die Geschichte einwickeln, wollte ihm den Rest erzählen, doch Meta hatte etwas dagegen. Das seltsame Wesen stoppte direkt an der Seite des Schiffes.

Spencer trat an die Reling. Was war denn los mit seinem Freund?

Meta ließ ihm keine Zeit für weitere Überlegungen. Sein Greifarm schnellte empor und packte Spencer unsanft. Schreiend ruderte der Professor mit Armen und Beinen. Es nutzte ihm nichts. Er landete auf dem Rücken von Meta. Und dann begann das Flugwesen auch schon mit seinem rasenden Startlauf. Bedauernd blickte Spencer zurück auf das Segelschiff. Ja, er hätte gern den Rest der phantastischen Reise, einschließlich Absturz, miterlebt, aber er wußte auch so schon das Ende: Die Überlebenden hatten das Segelschiff gebastelt und waren selber nicht mehr am Leben. Vielleicht war der Bordcomputer nicht einmal unschuldig daran? Er hatte auch Spencer völlig in seinen Bann gezogen. Vielleicht - als seine Anpassung endlich perfekt war - hatte er es mit den Überlebenden nicht anders gemacht? Es mußte in seiner Struktur begründet liegen. Der Computer war es gewohnt, mit dem Steuerungskollektiv zusammenzuarbeiten. Nur konnte er solche Verbindungen nunmehr auch ohne technische Hilfsmittel durchführen. Dabei kamen die Betroffenen zwar nicht direkt zu Tode, aber sie waren jeglicher Gefahr ausgeliefert. Wie Spencer vordem. Und der Computer hatte überhaupt keinen Sinn für Gefahr! Er hätte Spencer auch weiterhin in seinem Bann gelassen, wenn Meta nicht eingegriffen hätte.

Meta hat eingegriffen! Die Erkenntnis überkam ihn so plötzlich, daß Spencer beinahe losgelassen hätte. Er wäre unweigerlich abgestürzt, denn soeben erhob sich Meta mit seiner Last in den blutroten Himmel.

Meta war beim ersten Mal nur deshalb nicht unmittelbar auf der Insel gelandet, weil es sich vor den Energien des Computers gefürchtet hatte.

Meta mußte auch gewußt haben, daß Spencer nicht direkt gefährdet war. Oder war es gewillt gewesen, Spencer der eigenen Neugierde zu opfern?

Diese Frage mußte der Professor verneinen. Auf jeden Fall hatte Meta irgendwie den Computer analysiert, während dieser mit Spencer beschäftigt gewesen war. Dies hatte das Flugtier nur vermocht, weil es selber im Hintergrund und außerhalb des direkten Einflußbereichs geblieben war.

Mithin war Meta im gewissen Sinne PSI-begabt!

Spencers Atem ging schwer.

»Das ist ja ein Ding!« keuchte er.

»Möglicherweise brauchen sich unsere verschiedenartigen Denkweisen nur anzupassen, und dann könnten wir uns gedankenlich verständigen? Außerordentlich phantastische Aussichten. Und warum warst du so bemüht gewesen, mich von dem Schiff wegzubringen? Der Computer konnte mir doch nicht gefährlich werden. Das zeigte allein die Tatsache, daß du die Verbindung zwischen ihm und mir mit Leichtigkeit kappen konntest.«

Meta ging auf große Höhe und flog eine Schleife. Spencer blickte hinab und - erstarrte! Da sah er den Grund für Metas Flucht: Kleine Boote, in großer Zahl. Darin bewegten sich Wesen. Sie ruderten!

Einzelheiten waren nicht erkennbar. So konnte Spencer nicht genau sehen, wie diese Wesen aussahen. Doch sie waren intelligent! Warum sonst schossen sie mit Pfeil und Bogen nach ihm und Meta? Gottlob waren sie hoch genug und konnten nicht getroffen werden.

Näher und näher kamen die Boote dem Segler. Anscheinend meinten diese Wesen, einen besonderen Fund gemacht zu haben. Meta hatte Spencer mal wieder das Leben gerettet. Gegen eine solche Übermacht wären sie nicht angekommen. Und Meta schien vor diesen Wesen großen Respekt zu haben, denn es drehte ab und flog mit Spencer davon - in Richtung des unendlich erscheinenden Meeres.

»Schade«, murmelte Spencer. »Warum müssen diese Wesen den Menschen so ähnlich sein? Ich muß sie meiden - genauso wie Meta. Sonst hätte ich gleich auf der Erde bleiben können.« Er schüttelte sich. »Mein Quasierlebnis mit der Expedition zum Atom war für mich der beste Beweis, daß ich richtig beraten war, die Erde für immer zu verlassen!«

Sie wurden zu einem winzigen Punkt über dem unendlichen Meer, dessen Rot mit dem ständig leuchtenden Rot des alptraumhaft erscheinenden Himmels am Horizont verschmelzen wollte. Für Spencer allerdings war Mikro keineswegs alptraumhaft. Er hatte einen wertvollen Freund, und dieser Freund hieß Meta. Gemeinsam flogen sie der Zukunft entgegen, die Spencer wesentlich besser erschien als seine gesamte Vergangenheit.

*

Das scheinbar allgegenwärtige Rot verschmolz zu einer trüben Wahrnehmung und erzeugte in Richard Spencer das Gefühl von Desorientierung und Angst. Er klammerte sich an den provisorischen Zügeln fest, mit denen er Meta führte. Meta war ein Geschöpf der Dimension Mikro, in die Richard Spencer im Rahmen seiner privaten Experimente gestoßen war, und das Flugwesen entließ ihn nicht mehr. Doch er wollte es gar nicht anders. Wenigstens bisher nicht. Verzweifelt blickte er sich jetzt um. Meta hatte sich mit ihm in die Lüfte erhoben und war über das endlos erscheinende Meer geflogen. Diese rote Endlosigkeit hatte sich mit dem Rot des Himmels verbündet und »schrie« ihn an. Meta schlug gleichmäßig mit den Flügeln. »Nein!« Richard Spencer schrie zurück, um damit die Spannung loszuwerden. »Nein!« Der Schrei verlor sich im roten Nichts.

Und Meta schlug mit den Flügeln. Meta war etwa pferdegroß, hatte ein gefährlich aussehendes Maul mit messerscharfen Knochenreihen, zwölf Augen, zu einem Ring gefügt, und einen Greiftentakel zwischen den Flügeln, der ungeheuer beweglich und nicht minder kräftig war.

Meta war zu Spencers Freund avanciert, doch jetzt hatte Richard Spencer Angst vor dem monströsen Geschöpf.

»Meta, kehre um!«

Das ist der Wahnsinn! dachte er. Das Rot ist nicht nur um uns herum. Es hat Einlaß gefunden in mein Gehirn, schwappt über meine Gedanken, um sie zu ersticken, rinnt durch meine Adern, um das Blut zu ersetzen, durchdringt meine Zellen, um mich zu einem Stück von diesem verdammten Rot zu machen.

»Meta!«

Auch dieser Schrei verwehte ungehört. Täuschte er sich, oder beschleunigte sich der Flügelschlag des Mikro-Geschöpfes sogar noch?

Dann würden sie noch schneller in dieses wahnsinnige Rot hineinstürzen.

*

Professor Richard Spencer hatte sich damals von der wissenschaftlichen Welt total zurückgezogen, nachdem er verlacht und verspottet worden war.

Spencer hatte ein theoretisches Denkmodell aufgestellt, nach dem es möglich sein müßte, auf dem Umweg über eine fremde Dimension das Mikrouniversum der Atome aufzusuchen und damit die Atomforschung zum absoluten Gipfelpunkt zu treiben.

Damals war es nicht viel mehr als eine fixe Idee gewesen, der erst Jahrzehnte später die Praxis folgte: Richard Spencers private Forschungen, in die er sein gesamtes Vermögen und seine gesamte Schaffenskraft steckte, trugen Früchte. Er fand nicht nur einen Zugang zu jener fremden Dimension, sondern begab sich selbst hinüber.

Zeit, wieder an die Öffentlichkeit zu treten. Richard Spencer tat es. Doch die Reaktionen waren anders als erwartet. Sein Projekt sollte friedlichen Zwecken dienen. Sofort witterten machthungrige Gesellschaftsgruppierungen eine Chance und bedrängten ihn. Da Spencer sich weigerte, sein Geheimnis preiszugeben, steigerte man den Druck und verursachte damit das Chaos: Spencer, inzwischen weitgehend an die Dimension Mikro angepaßt, wurde aus dem Normaluniversum verbannt, als sein Labor in die Luft ging.

Die Anpassung war inzwischen fortgeschritten. Hier war alles anders als auf der Erde. Spencer brachte das Kunststück fertig, ein Vorstellungsmodell zu schaffen, über das er gewisse Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge auf Mikro zu begreifen vermochte. Er hatte sich Mikro erobert, wie ein Baby die unbekannte Welt begreifen lernt. Dabei nahm er sein irdisches »Begriffsmodell« zu Hilfe und setzte bekannte Begriffe für Dinge ein, in denen er Ähnlichkeiten zu erkennen glaubte. So gab es für ihn auch auf Mikro Luft, Wind, Himmel, Erde... Und doch war dieses Begriffsmodell noch sehr unvollständig. Begegneten ihm Dinge, die er sich noch nicht erarbeitet hatte, blieben sie für ihn weitgehend unsichtbar. Ohne Meta, dieses Wesen, das hier geboren war, wäre er längst des Todes gewesen.

Und was hatte Meta jetzt mit ihm vor?

Das unbegreifliche Wesen hatte Spencer ein bizarres Wrack gezeigt, einen großen Segler, in dessen Wandungen ein havariertes Raumschiff steckte. Spencer hatte die Insel betreten, an deren Ufer der Segler gestrandet war. An Bord war er in einen seltsamen Traum versunken, den er nicht von der Wirklichkeit hatte unterscheiden können:

Spencer machte die Irrfahrt des Raumschiffs mit; er besuchte gemeinsam mit der Besatzung ein Atom!

Damit ging sein eigener Lebenstraum in Erfüllung.

Bis er erwachte und zu der Erkenntnis gelangte, daß er das Opfer des gestörten Bordcomputers geworden war.

Er hatte gemeinsam mit Meta fliehen müssen, da Fremde mit ihren Booten aufgetaucht waren. Aus der Höhe hatte Spencer keine Einzelheiten ausmachen können. Die Fremden erschienen ihm primitiv, aber menschenähnlich. Sie schossen mit Pfeil und Bogen auf die Fliehenden. Ein Grund mehr für Meta, Kurs auf das rote Meer zu nehmen.

Spencer barg sein Gesicht in den Händen.

Die Rätsel des Schiffes waren weitgehend ungelöst geblieben, doch sie interessierten ihn nun nicht mehr. Er wollte nur diesem schrecklichen Rot entrinnen.

So dachte er nicht einmal mehr daran, die Zügel festzuhalten, sondern ließ sich haltlos nach vorn kippen und kam auf Metas lederähnlichem Rücken zu liegen.

Endlich schien das monströse Geschöpf zu reagieren. Spencer hatte noch nie erlebt, daß es einen Laut ausgestoßen hatte. Das geschah auch jetzt nicht.

Meta hörte auf, mit den Flügeln zu schlagen, und schwebte dahin.

Am Kopf vorbei züngelte der Greiftentakel und tastete nach Spencer.

Der Mann zuckte konvulsivisch und brabbelte sinnloses Zeug. Ja, das Rot hatte gesiegt. Richard Spencer war ihm nicht gewachsen. Sein Verstand flüchtete in geistige Umnachtung.

Damit war das geschehen, was eigentlich die ganze Zeit über hatte auf sich warten lassen.

Der Tentakel wand sich um Spencer und hielt ihn fest, sonst wäre er unweigerlich vom Rücken Metas gerutscht und in die bodenlose rote Tiefe gefallen.

Es war Meta nicht egal, was mit Spencer geschah.

Dieses Wesen vergaß die außergewöhnliche Freundschaft zwischen ihnen nicht!

Meta blieb das einzige, was ein Mensch in dieser Umgebung hätte wahrnehmen können. Das Wesen fand sich im roten Universum zurecht. Mit leichten Schlägen der Flügelspitzen korrigierte es den Schwebeflug.

Und dann faltete es blitzschnell die Flügel zusammen, verwandelte sie in Gehwerkzeuge und begann wie rasend zu rennen.

Für Spencer war es nach wie vor ein Rätsel, ob Meta zusätzlich auch noch Beine besaß oder nicht. Jetzt hätte er es sehen können - hätte er sich nicht auf Metas Rücken befunden, gefangen vom Wahnsinn seiner Umgebung.

Die umfunktionierten Flügel hämmerten über einen harten Untergrund und bremsten die rasende Fahrt. Meta landete wie ein lebendiges Flugzeug. Zwar wurde Spencer dabei unaufhörlich hin und her geschüttelt, doch der Tentakel hielt ihn eisern fest. Es konnte ihm nichts passieren.

Plötzlich wandelte sich das Rot in ein schmutziges Braun.

Die Farbe änderte sich weiter. Meta stoppte. Gleichzeitig verstummte Spencer. Tiefe, regelmäßige Atemzüge bewiesen, daß er schlief. War es ein Schlaf der Genesung? Falls er erwachte und den Wahnsinn überwunden hatte, würde er sich dennoch nicht zurechtfinden, denn für diese Umgebung, die nur aus wandernden Farbklecksen zu bestehen schien, gab es kein vergleichendes Denkmodell. Jedenfalls NOCH nicht!

*

Professor Richard Spencer schlug die Augen auf und starrte auf die Lederhaut von Meta. Er versuchte zu begreifen, was ihm widerfahren war.

Das verdammte Rot!

Unwillkürlich wandte er den Blick. Wandernde Farbkleckse. Anscheinend gab es keinen festen Untergrund. Aber worauf stand Meta sonst?

Langsam richtete Spencer sich auf. Er runzelte die Stirn. Die Gedanken an das, was geschehen war, verdrängte er. Sie waren zu unangenehm. Er wollte wissen, wo Meta ihn hingebracht hatte. Waren sie seinetwegen gelandet?

Spencer beugte sich zur Seite, um am Körper seines eigenartigen und äußerst phantastisch anmutenden Flugtiers hinabzusehen.

Beim Gedanken an ein Tier verzog er das Gesicht. Nein, es hatte sich hinlänglich bewiesen, daß Meta intelligent war, allerdings auf eine unbegreifliche Art und Weise. Meta war weder Tier noch Mensch. Was aber war das Wesen sonst?

Auch diese Gedanken verdrängte Spencer, um sie sich für später aufzuheben.

Konzentriert ließ er seinen Blick hinuntergleiten, über die lederartige Haut von Meta, die gefalteten Flügel bis zum Boden.

Ja, da war ein Boden. Das war logisch. Dazu brauchte er kein neues Denkmodell. Meta hatte einen festen Untergrund unter dem Körper.

Spencer runzelte abermals die Stirn. Wenn er seinen Blick auf diesen Boden richtete, schwindelte ihn. Er hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. So mußte sich ein Schwimmer fühlen, der inmitten eines bodenlosen Ozeans trieb.

Meta hatte sich niedergekauert, doch da war nichts!

Vergeblich bemühte Spencer sich, einen Boden zu erkennen, nach der Methode, die ihm schon einmal geholfen hatte, Mikro mit seinem Verstand zu erobern.

Es funktionierte diesmal nicht.

Was war geschehen?

Mikro, diese fremde Dimension, war für einen Menschen unbegreiflich. Spencers Spezialbegabung, seine völlig außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit, die einherging mit der Fähigkeit zum grundlegenden Umdenken, hatte ihn befähigt, sein »Inneres Modell« zu schaffen und sich damit Mikro einigermaßen begreiflich zu machen. Für ihn hatte es bisher auch in dieser Dimension oben und unten, rechts und links, die fundamentalen Begriffe des Raumes, gegeben. Für ihn war bisher Mikro als ein Universum erschienen, in dem die Zeit ebenfalls eine Rolle spielte. Zeit gab es überall, wo Bewegung herrschte, denn Zeit war Bewegung, also Veränderung schlechthin.

Und jetzt stimmte das alles nicht mehr? War er in einen Teil von Mikro mit anderer Gesetzmäßigkeit gelangt?

Spencer fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und schloß die Augen, um seine Gedanken zu sammeln.

Das allgegenwärtige Rot war gewichen und peinigte ihn nicht mehr. Das war auch die einzige Verbesserung.

Noch einmal richtete er seinen Blick auf die Farbenspiele und versuchte, darin eine Gesetzmäßigkeit zu entdecken.

Es mußte eine geben, denn das Prinzip der Wechselwirkungen galt gewiß in jedem Universum, egal wie diese Wechselwirkungen - sprich: Naturgesetze! - auch aussahen.

Doch sein Verstand war nicht in der Lage, zu begreifen, und seine Sinne blieben unfähig, aufzunehmen.

Das einzig Gegenständliche war der Körper von Meta.

Spencer ließ seine Finger über die Lederhaut gleiten und genoß förmlich diesen Anker inmitten eines Meeres aus chaotischen Eindrücken.

Gewiß gab es nicht einmal diese Farben. Sie waren lediglich seine Reaktion auf die Umgebung: Projektionen des unzureichenden Verstandes.

Es war der Zeitpunkt, an dem er zum ersten Mal entdeckte, daß sein Freund Meta nicht atmete!

Und was tat er, Richard Spencer?

Einen erschrockenen Augenblick lang lauschte er in sich hinein. Bis er die Angst endlich wieder überwand und seine Lunge tief mit Luft füllte.

Wenigstens das funktionierte in der gewohnten Weise!

Mit neuem Mut blickte Spencer sich um.

Immer wieder betrachtete er Meta und versuchte, von dieser Insel des Verständnisses aus, Mikro erneut zu erobern.

Seine Verwirrung wurde nur noch größer. Am Ende - er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war - barg er erschöpft das Gesicht in den Händen und wünschte sich zum ersten Mal, niemals Mikro betreten zu haben.

Und dann begann das regungslose Wesen Meta sich endlich zu bewegen. Der Tentakel tauchte kurz auf, griff nach dem primitiven Zügel und reichte ihn Richard Spencer.

Spencer erschrak zutiefst über diese ihm fast menschlich erscheinende Geste.

»Verdammt«, murmelte er vor sich hin, »ich weiß, daß du intelligent bist, Meta. Das hast du mir bewiesen. Du gehst sogar auf meine gefühlsmäßige Verfassung ein. Und jetzt das! Du jagst mir Komplexe ein. Während ich völlig unfähig bin, mich zurechtzufinden, geschweige denn deine Gedankengänge zu begreifen, beginnst du längst, dich mir anzupassen. Reichst mir die Zügel. Das setzt doch voraus, daß du diese Geste kennst!«

Er lauschte seinen eigenen Worten nach und erschrak abermals.

Meta kannte diese menschliche Geste?

Wieso und woher?

Von ihm?

Er hatte schon einmal den Verdacht gehegt, Meta müßte PSI-begabt sein - oder zumindest Fähigkeiten besitzen, die dem entsprachen. Und jetzt...

Richard Spencer gab es auf. Er hatte während seines Aufenthalts auf Mikro eine Menge gelernt, aber mit jeder Erkenntnis, die er gewann, wurde der Berg von Rätseln nur noch höher. Er spürte eine tiefe Ohnmacht, die von großer Mutlosigkeit begleitet wurde.

Was hatte sein Leben auf Mikro für einen Sinn?

»Aber genausogut könnte ich nach dem Sinn des Lebens schlechthin fragen!« murmelte er vor sich hin.

Es gab ihm seinen Mut nicht zurück, sondern half ihm nur über eine momentane gefühlsmäßige Talsohle hinweg, denn Spencer spürte in sich schon so etwas wie Todessehnsucht. Er fühlte sich von allem abgenabelt, was ihm vertraut war, ja was im je vertraut sein konnte!

Professor Richard Spencer hatte einen genialen Verstand, sonst hätte er es niemals geschafft, Mikro auch nur einen Besuch abzustatten, doch dieses sein Genie reichte offensichtlich nicht aus, um aus diesem Besuch einen praktischen Nutzen zu ziehen und sei es auch nur den Nutzen gestillter Neugierde.

Richard Spencer konnte sich in den nächsten Sekunden nicht einmal mit diesem Aspekt beschäftigen, denn Meta begann zu starten.

Die galoppierenden Gehwerkzeuge des Flugwesens verursachten keinerlei Geräusch.

Kein Wunder, durchzuckte es Spencer, wenn es keine Materie gibt, über die Meta sich bewegt!

Er begann, das Paradoxon zu akzeptieren. Etwas anderes blieb ihm ohnedies nicht. Meta startete. Und das allein war wichtig. Und Spencer mußte sich krampfhaft festhalten, um nicht den Halt zu verlieren und abzustürzen.

Er lachte heiser: Abstürzen wohin? Er knirschte mit den Zähnen: Wäre doch interessant, es herauszufinden!

Schon wieder diese fatale Todessehnsucht als Folge seiner Hoffnungslosigkeit. Er bekämpfte sie mühsam und wußte dabei, daß ihm das auf die Dauer nicht mehr gelingen konnte.

Sein Verstand hatte die ganze Sinnlosigkeit all seiner Bemühungen erkannt. Das Gefühl mußte nur noch nachziehen. Dann rettete ihn nichts mehr.

Er duckte sich auf den Rücken von Meta.

»Mein Freund, der du das einzig Reale in dieser Welt zu sein scheinst: Wohin soll die Reise gehen? Was bringt es uns eigentlich? Ist es nicht egal, von welchem Chaos wir umgeben sind? Es ist alles gleich.«

Professor Spencer weinte. Das wurde ihm erst bewußt, als er den salzigen Geschmack seiner eigenen Tränen auf den Lippen spürte.

Flüssigkeit war wertvoll. Diese Erfahrung hatte er bisher machen können. Doch Richard Spencer weinte weiter, während Meta mit peitschenden Flügeln einem unbekannten Ziel entgegenflog. Das Wesen schien es plötzlich eilig zu haben.

Ein paar Tränen fielen auf die rauhe Lederhaut und erzeugten dort feuchte Stellen.

Spencer fiel vornüber. Seine Schultern zuckten, und dann mischte sich in das Weinen sein heiseres Brüllen.

Er war mit den Nerven völlig am Ende.

Meta schien es zu wissen, denn der Flügelschlag des Wesens wurde noch kräftiger. Außerdem tastete sein Tentakel nach oben, um Spencer aufzufangen, falls er wirklich den Halt verlor.

Der rasende und zerrende Flugwind spielte mit Spencers Haaren.

Das war eine Wahrnehmung, die Professor Richard Spencer schlagartig vom »heulenden Elend« befreite und ihn aufmerken ließ.

Er hob den Kopf und hielt sein tränennasses Gesicht in den kühlen Wind.

Und dann jubelte er wie ein Irrer: »Hurra!« Er schrie es in diesen köstlichen Wind, der so greifbar und vertraut war wie alles, was er auf der Erde zurückgelassen hatte.

Wind bedeutete Atmosphäre und die Ablösung des unverständlichen Chaos.

Spencer griff in die Zügel und sah sich um.

Tatsächlich, das ihn umgebende Rot wirkte nicht mehr feindlich, sondern eher vertraut. Sein Blick ging über die endlos erscheinende Oberfläche des Meeres. Diese Flüssigkeit war gewiß kein Wasser, aber das kümmerte Spencer keineswegs.

Und dann erblickte er die Seenplatte mit all ihren Inseln.

Aus dieser Richtung war er gemeinsam mit Meta gekommen. Er erkannte die Inseln wieder.

Vor allem eine der Inseln zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sein Herz vergaß sekundenlang zu schlagen: Da war der bizarre Segler! Meta hielt genau darauf zu.

Das seltsame Wesen brachte ihn zurück.

Aber mußten sie sich nicht vor den aggressiven Wilden hüten?

Spencer beugte sich vor. Der See, an dessen Ufer der Segler gestrandet war, lag still und verlassen unter ihm. Desgleichen die beiden roten Wasserarme, die den See mit dem großen Meer verbanden. Von den Wilden fehlte jede Spur. Waren sie wieder geflohen? Und wohin?

Meta drehte eine Ehrenrunde. Spencers Glück war unbeschreiblich. Noch vor Minuten war er völlig am Ende gewesen, und jetzt hätte er tanzen mögen. Es war wie eine Wiedergeburt.

Meta schwebte über den stillen See und setzte auf der Nachbarinsel zum Landen an.

Dort waren sie auch beim ersten Mal gelandet. Damals schon hatte Spencer sich gewundert, warum Meta nicht direkt auf der Insel niedergegangen war, an deren Ufer sich der Segler befand, denn Meta wollte offensichtlich, daß Spencer sich mit dem Segler näher beschäftigte.

Später, nach seinem Erlebnis mit dem verrückten Bordcomputer, der ihn in das Traumerlebnis eingespannt hatte, war seine Vermutung dahingehend gegangen, daß Meta diesen Computer meiden wollte. Das war bislang unbestätigt, doch das Verhalten Metas schien dieser Vermutung recht zu geben.

Das rasende Stakkato der zusammengefalteten Flügel kam endlich zum Stillstand. Spencer sah sich mißtrauisch um.

Tatsächlich, von den Wilden fehlte jede Spur.

War Meta mit ihm nur davongeflogen, um erst einmal abzuwarten und später zurückzukehren, wenn alles wieder in Ordnung war?

Spencers Blick blieb am Segler hängen. Er traute dem Frieden ganz und gar nicht.

Sein letzter Eindruck war gewesen, daß die Wilden begonnen hatten, Teile des Seglers zu demontieren. Wahrscheinlich hatten sie das Material anderweitig verwenden wollen. Jetzt wirkte das Schiff unbeschädigt - abgesehen von den Spuren, die die Zeit hinterlassen hatte.

Wie war das möglich?

Die ganze Sache gefiel Spencer ganz und gar nicht. Auch Meta verhielt sich seiner Meinung nach anders als sonst. Grund genug, die Euphorie von vorhin zu vergessen und wieder zu kühler Überlegung zurückzufinden.

Meta war mit ihm in dieses Chaos geflohen, um die Zeit zu überbrücken? War das der einzige Grund?

Fragen, die Spencers Unbehagen wachsen ließen. Er witterte förmlich ein neues Geheimnis, dem es auf den Grund zu gehen galt.

Meta verfolgte mit seinem Vorgehen eine bestimmte Absicht. Das war für Spencer klarer denn je. Es war ihm nur nicht möglich, diese Absicht zu erraten. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als Meta nach wie vor zu vertrauen.

Spencer sprang vom Rücken des Wesens und betrachtete den Augenring.

»Es wäre notwendig, daß wir uns verständigen könnten, aber dafür sind wir wahrscheinlich zu verschieden.«

Auch der Augenring schien Spencer aufmerksam zu beobachten. Oder bildete Spencer sich das nur ein?

Er deutete mit dem ausgestreckten Arm zum Segler hinüber. »Soll ich dein Verhalten so verstehen, daß ich mich wieder mit dem da drüben beschäftigen muß? Und warum? Zugegeben, ich hätte gern gewußt, was nach dem Besuch in der Welt der Atome mit dem Raumer geschah, aber was hast DU eigentlich davon?«

Spencer stemmte die Arme in die Seite.

Als die Wilden sich dem Segler genähert hatten, war er völlig hilflos gewesen. Die Traumvisionen des Bordcomputers hatten ihn auf den Decksplanken gefesselt, und er war sich dessen nicht einmal bewußt gewesen, solange sein Geist ganz in der vergangenen Zeit geweilt hatte.

Meta hatte ihn im letzten Augenblick, ehe es wirklich gefährlich werden konnte, gerettet.

Würde das Wesen auch jetzt als Retter in letzter Sekunde auftreten?

»Du hast mich hergebracht, und das muß ich wohl als eine Entscheidung werten, mein Freund«, murmelte Spencer im Selbstgespräch.

Er machte auf dem Absatz kehrt und blickte wieder hinüber.

»Es ist eine besondere Art Herausforderung. Du verfolgst Absichten. Das ist mir klar. Doch ich komme nur hinter das Geheimnis, wenn ich den Aufforderungen folge und alles im gewünschten Maße tue. Oder bleibt mir eine Wahl? Ich kann nur hoffen, Meta, daß du es gut mit mir meinst und nicht nur einfach mit mir ein böses Spiel treibst, bis du meiner überdrüssig bist und mich meinem Schicksal überläßt.«

Spencer setzte sich in Bewegung, ohne Meta noch eines Blickes zu würdigen.

»Nein, das wäre als Erklärung zu billig. Ich denke an das Chaos, mit dem du mich konfrontiert hast. Das paßte in dein Konzept, nicht wahr? Herrgott, warum bist du auch nur so fremdartig, daß ich als Mensch es so schwer habe, dich zu verstehen?«

Er ging am Ufer entlang auf den kleinen Pflanzenhain zu. Ja, es war wie beim ersten Mal, bevor er dem Segler seinen Besuch abgestattet hatte. Und doch war etwas anders, nämlich Spencers bohrende Frage, welchen Zweck alles hatte!

Dennoch kam keine Angst in ihm auf. Irgendwie vertraute er Meta trotz allem.

Oder spürte er nur deshalb keine Furcht mehr, weil ihm die Zukunft gleichgültig war? Schließlich hatte er längst nicht mehr die Macht, über sein Leben und das, was er tat, zu bestimmen!

Professor Richard Spencer schritt schneller aus.

»Also gut, bringen wir es hinter uns!«

Die riesigen Blätter der skurrilen Pflanzen hingen bis zum Boden. Es waren die einzigen Pflanzen auf dieser kahlen Insel, und sie schienen still auf den Mann zu warten.

Spencers letzte Bedenken schwanden, als er an die Frau dachte, die er in seiner Traumvision kennengelernt hatte. Er hatte nie ihren Namen erfahren, und doch hatte Richard Spencer, der Mann, der jahrzehntelang völlig zurückgezogen gelebt hatte und ohne die medizinischen Wunder seiner Zeit längst ein uralter Mann gewesen wäre, später die Feststellung machen müssen, daß er sich zum ersten Mal in seinem langen Leben verliebt hatte.

Zugegeben, diese Frau hatte sich lediglich als Illusion herausgestellt, aber jagten nicht die meisten Menschen Illusionen nach und taten alles, sie einzuholen, obwohl sie es niemals schafften - außer in ihrer eigenen Phantasie?

Spencers Mund war trocken, und er leckte sich die spröden Lippen.

Er durfte nicht mehr an diese Frau denken, denn das vernebelte seinen Verstand und brachte sein Blut in Wallung.

Er blieb stehen und sah sich nach dem Rinnsal um, aus dem er schon bei seinem ersten Besuch getrunken hatte.

Es sah aus wie Wasser und ergoß sich nicht weit von Spencer entfernt in die rote Brühe des Sees.

Prüfend steckte er seinen Zeigefinger hinein und leckte anschließend daran. Sonst war er nie so vorsichtig gewesen, wenn Meta ihn zu einer Quelle geführt hatte, aber das irgendwie grausig wirkende Rot des Sees machte ihn mißtrauisch.

Es schmeckte noch immer wie Wasser.

»Mit einem Schuß Schnaps«, fügte er belustigt hinzu. »Aber auch beim ersten Mal bin ich nicht davon betrunken geworden.«

Oder wirkte sich das Zeug anders aus?

Ein schlimmer Gedanke. Jetzt blickte er sich doch nach Meta um.

Ohne sich zu rühren, verharrte das Wesen an seinem Platz.

Ein Blick zum Segler.

Spencer unterdrückte seine neuerlichen Bedenken und beugte sich hinab, um in tiefen Zügen von der Flüssigkeit zu trinken, bis sein brennender Durst gestillt war.

Dann ging er weiter auf den Pflanzenhain zu.

*

Die Pflanzen standen völlig ruhig da. Bäume, die keine waren.

Und die Blätter waren auch keine Blätter, sondern stabile, schalenförmige und sich wie Horn anfühlende Rinnen.

Professor Richard Spencer wußte, was zu tun war. Er ergriff eine der Rinnen und zog daran.

Das Ding war unglaublich leicht. Sofort begann sich die ganze Baumgruppe zu bewegen. Der Beweis, daß es sich in Wahrheit um ein einziges Lebewesen handelte, dessen Blätter dem Schutz dienten. Schutz gegen wen oder gegen was? Spencer knirschte mit den Zähnen. Er mußte sich überwinden, als hätte er Angst, dem Wesen weh zu tun.

Ein kräftiger Ruck genügte. Das Hornblatt, das die Form einer Rinne hatte, riß ab. Das Wesen zuckte wild. Die restlichen Blätter schoben sich ineinander und füllten rasch die entstandene Lücke aus. In dieser Lücke sah Spencer kurz das weitverzweigte Adernetz, in dem anscheinend eine farbige Flüssigkeit pulsierte. Ehe er sich näher damit beschäftigen konnte, war nichts mehr zu sehen. Sein Blick heftete sich auf den rosa Stumpf. Aus den grünen Adern daran quoll ein dicker Tropfen - wie Blut aus einer Wunde. Doch der Tropfen formte sich sofort zu einer neuen Rinne in Miniaturausgabe, um danach zu erstarren. Später würde er immer größer werden und damit ein neues Schutzblatt bilden.

Kopfschüttelnd wandte Spencer sich ab. Seltsame Natur, dachte er flüchtig und beschäftigte sich dann mit einem anderen Problem: Er mußte mit diesem großen Blatt über den Flußarm. Beim ersten Mal hatte ihn eine Strömung getragen. Nachteil des Ganzen war die Tatsache, daß er nur in einer Richtung diesen Weg beschreiten konnte. Es gab kein Zurück, da die Strömung nur in die eine Richtung verlief.

Er trug das federleichte Boot zum Ufer und setzte es auf die rote Oberfläche. Wenn er die Flüssigkeit betrachtete, schauderte ihn. Sie erinnerte ihn an frisches Blut. »Wenigstens stinkt sie nicht«, murmelte er im Selbstgespräch und begann vorsichtig, in das Boot zu klettern. Das Zeug reagierte nicht wie Wasser, sondern wie dickflüssiger Brei. »Wie habe ich annehmen können, daß diesmal etwas anders sein könnte als beim ersten Mal? Scheint so, als hätten diese Wilden auch hier keine Spuren hinterlassen. Besaßen sie nicht primitiv geformte Paddel, mit denen sie die Boote bewegten?« Spencer hatte die Fremden nur aus der Luft gesehen und hätte sie nicht einmal zu beschreiben vermocht. Nur ihre Vorgehensweise hatte ihn an menschliche Verhaltensweisen erinnert. Was waren das eigentlich für Boote gewesen? Erbeutete Blätter wie die winzige, wackelige Nußschale, der Spencer sich anvertraut hatte?

Schon trieb er auf das gegenüberliegende Ufer zu. Jetzt kam der gefährlichste Part des Unternehmens. Spencer wollte keine Bekanntschaft mit dem roten Brei machen. Das Boot stieß auf Grund und kenterte beinahe. Im letzten Moment sprang Spencer an Land. Kaum war das Boot entlastet, kam es wieder nach oben und wurde am Ufer entlang abgetrieben.

Spencer angelte mit der Hand nach dem Bootsrand. Beinahe hätte er es nicht mehr erwischt. Aber dann zog er das Boot aus dem roten Brei und legte es unweit vom Ufer ab. Zwar hatte er keine Ahnung, ob er es jemals wieder brauchen konnte, aber es war eine Vorsichtsmaßnahme.

Ein Blick zu Meta hinüber. Das monströse Geschöpf von Mikro hatte sich noch immer nicht gerührt. Der Augenring glitzerte. »Ja, Meta, du bist seltsam geworden, irgendwie zurückhaltender.« Er zuckte die Achseln. »Ich kann es mir nicht erklären, aber vielleicht weiß ich bald mehr? Hast du mich hierhergebracht, damit ich Erkenntnisse erlange, die uns beiden dienen?« Ein faszinierender Gedanke. Beim ersten Mal hatte er angenommen, daß Meta möglicherweise nur neugierig war und ihn vorschickte, weil das Wesen selber zu unbeholfen war, das Schiff zu erkunden. Nach der Begegnung mit dem Computer war er von dieser Theorie schnell wieder abgekommen. »Lassen wir uns überraschen!« sagte Spencer und lief am Ufer entlang in Richtung See.

Er war weit abgetrieben worden. Von der Mündung des Flußarms aus konnte er das Segelschiff bereits sehen. Ein eigenartiges Gefühl bemächtigte sich seiner. Keine Furcht vor dem Unbekannten, sondern etwas anderes: Er dachte an die Frau in der Traumvision! Auf einmal trat alles andere in den Hintergrund. Er freute sich auf ein Wiedersehen, auf ein Gespräch, vielleicht auch auf mehr. Spencer steigerte sich in Euphorie und begann zu laufen, als könnte er es gar nicht mehr erwarten. Metas stummer Blick aus zwölf Augen folgte ihm. Es kümmerte ihn nicht. Auch Meta hatte für ihn an Bedeutung verloren. Es mußte alles kommen, wie es kam. Davon war er überzeugt. Und warum sollte er nicht das Beste daraus machen? Zu verlieren hatte er nichts, nur zu gewinnen: die Illusion des Glücks.

Schwer atmend erreichte er das Segelschiff. Es herrschte absolute Windstille, und Spencer hörte nur seinen eigenen Atem, als er dastand und seinen Blick zur Reling hob. Hier sah er die ersten Spuren, die die Wilden hinterlassen hatten. Vielerorts waren große Stücke des Materials abgerissen worden, das an borkige Rinde erinnerte. Es gab dennoch genügend Vorsprünge zum Festhalten und zum Hinaufklettern.

Spencer warf einen Blick über die Schulter.

Die schweigende Wand aus bizarren Pflanzen, die hundert Schritte von ihm entfernt emporragte und ein wildes Gewirr aus bunter Vielfalt bildete, wirkte irgendwie drohend. Auch das Segelschiff hatte beim ersten Mal so auf Spencer gewirkt. Diesmal war es anders. Es erschien ihm wie eine Zufluchtsstätte.

Spencer machte sich an den Aufstieg. Er war körperlich durchtrainiert, weshalb das keine große Anstrengung für ihn war. Seit die Wilden das Schiff heimgesucht hatten, war nicht mehr zu leugnen, daß es sich in Wirklichkeit um ein verkleidetes Raumschiff handelte. Die verbeulten Metallteile lugten überall hervor. Spencer interessierte es wenig. Er wußte, was es mit diesem Schiff auf sich hatte. Es war ein irdisches Raumschiff, das von einem Forschungszentrum aus auf die Reise zum Atom geschickt worden war. Spencer hatte selbst die Erfahrung machen müssen, wie leichtsinnig dieses Unternehmen durchgeführt worden war. Kein Wunder, daß es scheiterte. Der Untergang war praktisch vorprogrammiert.

Die Gründe hierfür waren in der bizarren Gesellschaftsstruktur zu finden, die zu Lebzeiten Spencers auf der Erde herrschte. Nach dem völligen Zusammenbruch in der Vergangenheit hatte man Erkenntnisse von früher ausgegraben und darauf eine neue Kultur gegründet, angeblich rein wissenschaftlich orientiert. Die Folge waren eine Überprivilegierung der Wissenschaftler und deren Zwang zur Konformität mit dem System. Wo die Wissenschaft selber das System wird und sich somit ausschließlich damit beschäftigen muß, es zu rechtfertigen und auch zu verteidigen, bleibt kein Raum mehr für Neuerungen, zumal jede Neuerung als Gefahr für das System verstanden werden muß. Wissenschaftliche Forschung war in der Phase des Aufbaus lediglich auf überlieferte Erkenntnisse beschränkt geblieben und mußte in der Gegenwart mehr oder weniger geheim durchgeführt werden, um nicht den Unmut der Herrschenden zu erregen.

Spencer hatte es am eigenen Leib erfahren können - in doppelter Hinsicht. Seine eigenen Forschungen, die er privat durchgeführt hatte, waren direkt davon betroffen gewesen. Nur die Tatsache, daß er aus einer wissenschaftlich traditionsreichen Familie mit entsprechenden Sonderprivilegien stammte, hatte ihm die Arbeit ermöglicht.

Wie das Forschungsinstitut es nun geschafft hatte, das Projekt »Reise zum Atom« durchzuführen, war ihm rätselhaft. Auf jeden Fall war das Unternehmen praktisch nur mit Provisorien ausgestattet gewesen: Man hatte mit Energien der Mikro-Dimension manipuliert, ohne ausreichend ihre Wirkungsweise und vor allem eventuelle Negativfolgen erforscht zu haben.

Mit diesem Gedanken erreichte Richard Spencer die halbzerfetzte Reling, schwang sich darüber und ging auf die Stelle zu, an der es beim ersten Mal begonnen hatte.

In diesem Augenblick gab der Bordcomputer seine Zurückhaltung auf. »Willkommen!« zuckte ein Gedanke durch Spencers Kopf. Und dann kamen die visionären Eindrücke wie ein brutaler Überfall.

Richard Spencer wollte erschrocken aufschreien, doch eine eiskalte Hand schien sich um seine Kehle zu legen und zuzudrücken.

Der Willkommensgruß war der reine Zynismus. Voller Gier entriß ihm der denkende Computer seinen Geist, um ihn in eine vergangene Zeit zu entführen.

Eine Sekunde lang hatte Spencer einen unmöglichen Gedanken. Auf einmal waren ihm die ganzen Zusammenhänge klar. Er begriff auch die Vorgehensweise von Meta. Das geschah in der unfaßbaren Übergangsphase, als Spencer sich gewaltsam von seinem Körper losgelöst fühlte und doch noch keinen Zugang in die Vision hatte. Möglicherweise nahm er in diesem Moment an den kaum zu begreifenden gedanklichen Vorgängen des Computers teil und erlangte deshalb die Erkenntnis. Es nützte ihm jedenfalls nichts, denn Richard Spencer vergaß in der nächsten Sekunde alles wieder. Ja, er vergaß sogar seine eigene Herkunft und auch sein Wissen über Mikro. Genau dort ließ ihn der Computer in das Geschehen eingreifen, wo Spencer ausgestiegen war. Die Geschichte ging weiter - auf dem schlimmen Höhepunkt, als das Schiff endgültig zum Untergang verdammt gewesen war...

*

Wilde Schreie entstanden um Spencer. Alles spielte sich in Sekunden ab, die sich scheinbar zu Ewigkeiten dehnten.

Das Kalgan-Schiff raste auf ein Proton zu, wurde von diesem dank des entsprechend gepolten Schutzschirms abgelenkt und stieß in das zunächst befindliche Neutron. War die Membran wirklich weich und elastisch? Oder hart wie Granit? Die Welt der Atome, von keinem Atommodell treffend erklärt, weil unfaßbar für einen Menschen. Und was die Menschen an Bord des Expeditionsschiffs »sahen«, gelangte nicht über die Augen zu ihrem Verstand, sondern war nichts anderes als die Interpretation des Unmöglichen, reduziert auf Empfindungen, die sie verstehen konnten. Das Neutron war unteilbar und folglich auch weder weich noch hart. Es war nichts, was man sich vorstellen konnte, und doch existierte es - wie alles, wie sämtliche Materie, wie sämtliche Energie, die wir nur in ihren Wirkungen, aber nicht in ihrem Ursprung verstehen können. Es ist, wie es ist, und jede Erklärung ist eine Reduzierung auf Verständliches, also eine totale Verzerrung der Wirklichkeit. Wie soll man einem Blinden erklären, was eine rote Farbe ist? Mit der wortreichsten Sprache der Welt kann man es nicht. Der größte Dichter vermag es nicht. Die ausgefeilteste Technik muß angesichts dessen versagen. Es sei denn, der Blinde ist mit einem Modell zufrieden, in das man die Erklärungen überträgt. Er bekommt niemals den Sinn mit, aber den übertragenen Sinn! Man kann das Rot mit einem Ton vergleichen: dunkel, unbestimmbar, drohend oder grell, gefährlich, Panik erfüllend. Grün ist ruhig, Vogelzwitschern, saubere, unbefleckte Natur, saftiges Gras, das leise quietscht, wenn man es zwischen den Fingern zerreibt...

Spencer mußte an solches denken, ausgerechnet jetzt, wo er vor Angst hätte schreien müssen, wo er wußte, daß es zu Ende ging.

Er hatte keine Ahnung, daß er dieses schon einmal erlebt hatte, denn die Erinnerung an das, was inzwischen auf Mikro geschehen war, fehlte. Es gab eine Überlappung in der Vision. Der Computer begann am Höhepunkt. Ein ungewöhnlicher Anschluß. Und er ließ Professor Richard Spencer genügend Gedankenfreiheit, um das zu verarbeiten, was er tatsächlich zu erleben glaubte. Und wie der Sehende dem Blinden die Farben der Natur deutlich zu machen versuchte, so interpretierte sein Gehirn das Geschehen um das Raumschiff für den Verstand des Menschen Richard Spencer.

Sicherlich sah das Neutron nicht wirklich so aus, wie es für ihn aussah. Es hatte gewiß auch andere Eigenschaften, als man sie von diesem nur scheinbaren Aussehen ableiten konnte. Weil es nichts Vergleichbares gab. Weil dunkles Rot eben nicht wirklich ein dumpfer Ton und helles Rot auch kein grelles Kreischen sein kann.

Und deshalb fand die befürchtete Berührung niemals statt. Sie konnte gar nicht stattfinden, denn die dem Menschen bekannten und vorstellbaren Naturgesetze hätten dank der enormen Geschwindigkeit des Schiffes das Eindringen in das unteilbare Neutron bewirken müssen. Selbst wenn das Schiff dabei zerschellt wäre. Doch das teilbare Schiff bestand ebenfalls aus Atomen, beinhaltete ungezählte Neutronen, Protonen und Elektronen, die man mittels einer fremden Dimension trickreich herübergeschmuggelt hatte. Und die Bestandteile des Schiffes reagierten mit dem Atomkern und nicht allein mit dem Neutron, mit dem es zu kollidieren drohte. Es war nur logisch, wenngleich für Spencer völlig überraschend, weil es überhaupt nicht in sein Denkschema paßte - das Denkschema, mit dem er sich die hier stattfindenden Vorgänge selbst erklärte. Sein Schema war so falsch wie alle Atommodelle, weil jeder Versuch der Interpretation dort scheitern muß, wo der Blinde eben in letzter Konsequenz niemals wirklich zum Sehenden werden kann, auch wenn man sich noch soviel Mühe gibt, ihm Sichtbares zu schildern. Und der Mensch ist nun mal ein Blinder, was Vorgänge außerhalb seines natürlichen Wahrnehmungsbereichs betrifft.

Selbst wenn er sein Gesichtsfeld mittels Elektronenmikroskop erweitert und ein schlichtes Molekül betrachtet. Damit tut er nichts anderes, als etwas normalerweise Unsichtbares auf seine Ebene zu übertragen.

Das Elektronenmikroskop dient dabei dem »blinden Menschen« wie die Stimme des Erzählers dem echten Blinden. Das Elektronenmikroskop versucht mittels seiner Technik dem Betrachter etwas klar zu machen, was er genauso wenig oder so gut begreifen kann wie der Blinde die Worte, mit der man Farben beschreibt.

So bleibt jegliche Technik nur Interpretationswerkzeug, falls sie dazu dient, die beschränkten Sinne des Menschen zu erweitern.

Und als Interpretationswerkzeug erklärt sie Dinge, die eigentlich nur vage zu erklären sind, wenn man nicht selber in der Lage ist, sie ohne Hilfsmittel zu erfassen.

Das Neutron schob sich in die Masse des Schiffes. Das wirkte auf die Besatzung, als vergrößerte sich das Schiff explosionsartig. Nichts dergleichen geschah natürlich, denn es war nur eine neue Wahrnehmung des im Grunde genommen Unfaßbaren. Es war nicht unlogisch, daß sich das gigantische Neutron in das winzige Raumschiff bohrte - höchstens für den menschlichen Verstand! Es blieb Naturgesetz, daß ein Neutron nicht geteilt werden konnte - selbst wenn Teilchenbeschleuniger anscheinend das Gegenteil bewiesen. Spencer wußte es im gleichen Augenblick, als das Neutron gegenüber der Schiffsmasse zur Bedeutungslosigkeit wurde. Er war mit seinen Gedanken so beschäftigt, daß er das weitere Geschehen nicht mehr erfassen konnte, auch nicht die Tatsache, daß Schwärme von Elektronen die Schiffshülle passierten und damit deutlich machten, daß die »Vergrößerung« noch in vollem Gange war. Er konzentrierte all seine wissenschaftlich geschulte Geisteskapazität auf sein Denkmodell, weil er sich einfach nicht eingestehen konnte, ein Blinder zu sein und es so lange zu bleiben, wie er lebte. War er denn nicht ein genialer Mensch? Ja, unterschied ein Genie sich denn so wenig vom Schwachsinnigen, daß er ebenfalls nur seine fünf Sinne benutzen konnte und damit auskommen mußte? Bestimmten die so unerträglich eingeschränkten Wahrnehmungsgaben des Menschen in solchem Maße die Verarbeitung der Wirklichkeit durch den Verstand, daß auch ein absolutes Genie gegenüber einem Wesen, das naturgemäß erweiterte Sinne besaß, völlig debil erscheinen mußte? Unerträglich, schockierend. Das mußte Spencer ablehnen. Und deshalb bemühte er sich verzweifelt um Verständnis. Als würde davon der Fortbestand der gesamten Menschheit abhängen! Tat es im gewissen Sinne auch, denn wenn Spencer jetzt nicht kämpfte, mußte er von vornherein akzeptieren, daß der Mensch nichts als ein schwachsinniger Blinder war, der mit plumpen Händen um sich schlug und sich dabei einbildete, mit diesen Händen seine Umwelt nach seinem eigenen, hochentwickelten Sinn zu formen und somit human zu gestalten.

Human!

Allein die Situation, in der Spencer sich befand, verbot ihm schallendes Gelächter. Obwohl: Damit hätte er sich Luft machen können. Stattdessen grübelte er weiter und vergaß das Chaos der Katastrophe, von Menschen letztlich hervorgerufen, die sehr deutlich bewiesen, wie fern diese Rasse der Wahrheit war und wie unbeschwert sie mit Dingen spielte, von denen sie niemals etwas verstehen würde. »Ich verstehe etwas davon!« schrie Spencer. »Ich muß etwas davon verstehen, sonst ist der Mensch nur eine böse Spielart der unbegreiflichen Natur, des unergründlichen Universums. Sonst sind wir alle nur blödsinnige Ameisen, die geschäftig herumkrabbeln, ohne zu merken, daß sie mit ihrer ach so wichtigen Arbeit absolut unbedeutend im eigentlichen Geschehen bleiben. Es sei denn, der böse Zufall läßt sie in ihrer Unbedachtheit eine endgültige Katastrophe heraufbeschwören. Sonst wird der Mensch von der Bildfläche verschwinden, als hätte es ihn niemals gegeben. Sonst braucht er überhaupt nicht zu existieren, weil er völlig sinnlos oder bestenfalls für die universelle Ordnung gefährlich ist!« Niemand hörte Spencer zu. Wieso auch? Die Besatzung bangte um ihr Leben. Das Schiff wurde durchgeschüttelt und von Titanenfäusten bearbeitet, die es langsam aber sicher in einen Schrotthaufen verwandelten. Anders konnte man die Vorgänge nicht beschreiben.

Spencer fiel auf das Gesicht und überlegte weiter. Das wollte er tun, bis sein Ende kam. Jeder Gedanke, der seine entsetzliche Erkenntnis zu bekämpfen vermochte, war für ihn von fundamentaler Bedeutung. Das Kalgan-Schiff war in ein Atom hineingeflogen und hatte dies nur auf dem Umweg über Mikro geschafft. Anfangs hatte Spencer Mikro »Faktor Nirgendwo« genannt. Das kam der Sache eigentlich näher. Denn in Wirklichkeit war das Schiff niemals in ein Atom geflogen. Es hatte nur den Schatten eines Atoms besucht, beflügelt von Energien, entliehen von Mikro. Spencer hätte jubeln und schreien mögen, doch das hätte seine Überlegungen gestört. Er hatte die verdammte Lösung gefunden, Das war genau der »Ton Rot«, der den Blinden zwar nicht sehend, aber doch begreifend machte!

Der Schatten eines Atoms! Herrgott, das erklärt das Universum! brüllten Spencers Gedanken. Das erklärt einfach ALLES! Ich weiß doch, daß Mikro nur das Reich in den Zwischenphasen ist.

Das habe ich mir so erklärt: Die Welt des Menschen, innerhalb seiner fünf Sinne, ist identisch mit der Wahrnehmungsebene. Sämtliche Ebenen darunter oder darüber sind untereinander enorm verschieden. So schließen sich der Ebene der Wahrnehmung die Ebenen der verborgenen Vorgänge an, die wir unterscheiden können in:

1. »Ebene der Mikroorganismen«, deren Zusammenleben wir ohne Hilfsmittel - sprich: Interpretationswerkzeuge zur Verständlichmachung auf der Basis des Vergleichs mit dem Wahrnehmbaren - gar nicht verfolgen können,

2. »Ebene der Moleküle« und

3. »Ebene der Atome«.

Gibt es noch eine weitere untergeordnete Ebene? Nur dann wäre das der Fall, wenn es in dieser Welt noch teilbare Partikel gäbe. Oh, ich weiß, wie konstruiert die Einteilung der Ebenen erscheint, aber ich habe mit meinen Experimenten bewiesen, daß es sie wirklich gibt: Indem ich Partikel aller Ebenen außer dem atomaren Bereich durch ein Tor nach Mikro sandte und dabei unterschiedliche Reaktionen feststellte. Es lassen sich die Ebenen abgrenzen! Ja, ich kann es beweisen! Und das beweist, daß Mikro nichts anderes als das Bindeglied aller Ebenen ist - auch der der sogenannten übergeordneten im Makrobereich. Mit anderen Worten: Die Ebenen sind die Stockwerke, und Mikro ist das Gebäude! Alle Ebenen sind nur Bestandteile von Mikro, denn Mikro ist die eigentliche Welt! Das Universum ist unendlich, wenn es unendlich viele Ebenen nach oben gibt, und das ist nur möglich, wenn die oberste Ebene gleichzeitig die unterste ist.

Und wenn ich an der Annahme festhalte, daß Neutronen unteilbar sind? Dann kann es keine Stockwerke unterhalb geben, und das Universum ist nicht unendlich.

Ich muß die Erklärung finden, sonst werde ich darüber verrückt.

Ich glaube, sie zu haben: Selbst dann, wenn das Neutron unteilbar bleibt, kann es eine Ebene darunter geben, denn das Neutron ist nur unteilbar in seiner eigenen Ebene! Schauen wir uns das Gebäude mit Namen Mikro an: Jedes Stockwerk baut auf dem anderen auf - nach oben. Das oberste Stockwerk muß folglich das Universum als Ganzes sein. Und darüber...

Das Universum ist gar kein Ganzes, sondern ebenfalls nur ein Teil!

Ich habe die Elektronen gesehen. Meinem Verstand erschienen sie wie körnige Schwärme. Natürlich sind das nicht wirklich körnige Schwärme, sondern UNIVERSEN! Unser Universum ist ein Elektron. Aber was, zum Teufel, kommt darüber? Wieder eine Molekularebene? Welche? Die Wiederholung ins Unendliche? Nein, unendlich bedeutet im Grunde genommen nur: IN SICH GESCHLOSSEN! Die Linie eines Ringes ist unendlich, die Oberfläche einer Kugel ist unendlich. Die Anzahl der Ebenen ist unendlich, weil in sich geschlossen.

Doch es gibt nur die bekannten Ebenen und keine weiteren. Mikro umschließt sie und sorgt mit seinen Gesetzen für den Mahlstrom. Die Unendlichkeit der Zeit ist die Unendlichkeit der Veränderung, denn Zeit ist nichts anderes als ständige Veränderung, Werden und Vergehen, und Werden und Vergehen bedeuten nichts anderes, als Umwandlung von einem Zustand zum anderen.

Das ist der eigentliche Schlüssel zum Verständnis des Universums. Verdammt, ich bin ein schwachsinniger Mensch und muß diese unglaublichen, phantastischen Zusammenhänge ungeheuer vereinfachen, um sie am Ende begreifen zu können. Falls man das überhaupt BEGREIFEN nennen kann!

Der Mahlstrom: Albert Einstein erklärte: E (Energie) ist gleich M (Masse) mal c (Lichtgeschwindigkeit) im Quadrat. Er setzte die Potentiale Masse, Zeit und Bewegung als gemeinsamen Faktor gleich mit dem Faktor Energie.

Energie ist der Träger des Mahlstroms! Energie entsteht durch Vorgänge im atomaren Bereich und beeinflußt die höheren Ebenen bis zur höchsten. Es gibt die Theorie, daß unser Universum endet, wenn alle Energie verbraucht ist, also wenn sämtliche Materie sich gleichmäßig im Raum verteilt und keine Reaktionen mehr stattfinden. Eine schreckliche Theorie, die haargenau dem Denkmodell des Menschen entspricht und niemals Praxis werden kann. Aber es ist Tatsache, daß Bewegung und Reaktion als fundamentale Triebfeder das Naturgesetz hat, das zum Ausgleich zwingt.

Beispiel Gewitter: Unterschiedliche elektrische Ladungen erzeugen Spannung, und Blitze bringen Ausgleich.

Beispiel Schwerkraft:

Ich öffne den Abfluß eines gefüllten Beckens und lasse das Wasser damit in das Nachbarbecken strömen. Es fließt nur so lange, bis beide Becken genau in gleicher Höhe gefüllt sind.

Das Prinzip des Ausgleichs hält das gesamte Universum in Bewegung, bis der Ausgleich perfekt ist. Kein Wunder, daß die Theorie entstehen konnte, irgendwann müßte dieser Ausgleich geschaffen und das Ende des Universums da sein. Sie basiert auf dem stärksten aller Naturgesetze. Aber sie läßt den Mahlstrom außer acht! Denn die Energie sickert aus der untersten Ebene über alle Stockwerke hinauf und verändert sie dabei. Der Mahlstrom treibt die Stockwerke zwar nicht nach oben (das heißt, sie behalten ihren Platz bei, wirken jedoch aufeinander - und immer in derselben Richtung: Ein Neutron muß unteilbar sein, weil es nur aufwärts geht in den Ebenen der Wirklichkeit) - die Energie des Mahlstroms ist nichts anderes als atomare Substanz, die auf andere Ebenen überwechselt.

Ich, Professor Richard Spencer, habe damit die wahnsinnigste Theorie seit Menschengedenken aufgestellt und merke, daß ich das Begriffsvermögen des Menschen total überfordere, wenn ich in logischer Konsequenz weiterdenke. Deshalb muß es jetzt noch abstrakter werden, in dem hilflosen Versuch, Unvorstellbares auf die triviale Ebene meines Verstandes zu zwingen: Einsteins Formel macht keinen Unterschied zwischen Materie und Energie. Für ihn war Energie nur eine bestimmte Form von Materie und kein eigenständiges Ding. Wir erkennen in unserem Wahrnehmungsbereich ihre Wirkung, weil sie übergewechselt ist! Sie unterscheidet sich innerhalb unserer Wahrnehmung nur deshalb von der bekannten Materie - als Beispiel der Unterschied zwischen Wärme und Stein, Licht und Wasser und so weiter -, weil sie anders geartet ist, und sie ist anders geartet, weil sie von einer anderen Ebene stammt. Und einmal wird die Umwandlung perfekt sein, weil es im Wahrnehmungsbereich nur noch Energie gibt. Das ist der Zeitpunkt, an dem angeblich das Ende des Universums perfekt ist. Doch es ist kein Ende, weil der Mahlstrom nur die Ebenen verändert hat. Das Universum ist ein Elektron, ein wahres Elektron, weil es die Summe aller Elektronen sein wird. Es gibt keinen Anfang und auch kein Ende, sondern nur das System Mikro, und außer dem Elektron Universum wird es Neutronen und Protonen geben.

Sie streben hinauf in die höheren Ebenen. Aus dem »Elektron Universum« wird wieder das Universum, und das Universum ist wieder ein Elektron. Immer gibt es nur diese Ebenen: Atomare Welt, molekulare Welt, mikroaktive Welt, »natürlich wahrnehmbare« Welt, Welt der Sonnensysteme, Welt der Sternenballungen, Milchstraßen, Milchstraßengruppierungen, Universum. Diese Ebenen setzen sich unendlich fort, bewegt durch den energetischen Mahlstrom, ganz folgerichtig dem gehorchend, was Einstein erkannte und berechnete, denn das Gleichheitszeichen in seiner Formel beweist nichts anderes, als daß auf beiden Seiten ein gleichwertiger Faktor steht, die absolute Abhängigkeit voneinander, weil das, was links verändert wird, automatisch und gleichzeitig auch rechts geschieht. Die kontinuierliche Veränderung. Das Klettern der Ebenen. Und deshalb kann man nicht wirklich von der Wahrnehmungsebene aus in die atomare Ebene »hinunter«, sondern man kann nur den Schatten der Atome besuchen - den Schatten, den die Ebenen in Mikro werfen. Und deshalb kann die Kollision mit einem Neutron niemals stattfinden. Und deshalb sind die Treffer, die durch die Elektronen während der rückläufigen Phase erzielt wurden und die einige Besatzungsmitgliedern das Leben kosteten, überhaupt keine Treffer, sondern nur die Fehlinterpretation der völlig überforderten Wahrnehmungssinne. Nicht meiner eigenen Wahrnehmungssinne, sondern der des Bordcomputers, der mich an der Vision teilnehmen ließ. In Wahrheit konnten die Schatten nicht töten. Die Besatzungsmitglieder starben an den Folgen unkontrolliert ablaufender energetischer Prozesse. Dadurch wurde das Schiff auch zum Wrack. Die Menschen hatten die Energie von Mikro für ihre Zwecke einspannen wollen und wurden von denselben Energien beinahe vollständig vernichtet. Es gibt keinen Vergleich zwischen den universalen Energien des Mahlstroms und den Energien von Mikro. Denn Mikro ist die eigentliche Welt. In ihr ist das Universum eingebettet, ihr gehört alle Wirklichkeit, ihr gehört das Leben, ihr gehören alle denkbaren und undenkbaren Abläufe, ihr gehören alle Phantasie, alles Dasein. Mikro ist die Summe von allem.

Ich habe nunmehr die Zusammenhänge erkannt und weiß um die Bedeutung von Mikro.

Doch wie kann es sein, daß ich mich in diesem Bereich außerhalb der universellen Abläufe und mithin auch außerhalb des Mahlstroms Universum bewegen kann? Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung, und sie erscheint so einfach, daß sich alles in mir dagegen sträubt: Weil hier alles denkbar ist, ist auch dies denkbar und bleibt doch nur Illusion wie jedes Dasein in jedem Raum. Deshalb öffne ich die Augen und werde mir bewußt, daß ich auf den Decksplanken des Seglers stehe. Das intensive Spiel meiner Gedanken hat die Vision vom Untergang des Raumschiffs verdrängt und mich den PSI-Klauen des Bordcomputers entrissen. Ich stehe auf und blicke über die Reling in Richtung Meta. Die zwölf Augen, im Ring geordnet, erwidern meinen Blick. Ich spüre es trotz der Entfernung. Meta hat sich nicht von der Stelle bewegt. »Du hast mich in diese Situation gebracht und tatest das nicht ohne Grund!« Der Computer begehrt mit all seiner Macht auf und überschwemmt abermals meinen Verstand. Er tut das mit einer solchen Wut, daß ich in der Flut fast ertrinke. Ich ringe verzweifelt nach Atem und rudere mit den Armen. Oder ist es nur, weil das Kalgan-Schiff weit über der Oberfläche eines roten Meeres dahintrudelt und wie ein abstürzender Komet dieser Oberfläche entgegenrast?

Das Geschrei um mich herum ist unerträglich. Jeder weiß, daß wir diesen Absturz nicht überleben können. Die Reise zum Atom ist gescheitert und unser Leben nichts mehr wert. Wie sollte man den Absturz auch aufhalten können?

*

Das Rot des Meeres verschmolz mit der Röte des Himmels zu einer beunruhigend leuchtenden Fläche. Doch kein Vergleich wollte sich Spencer aufdrängen. Er erinnerte sich nicht, daß ihn dieses Rot schon einmal geschreckt hatte. Denn das war zu einer anderen Zeit und anscheinend in einem anderen Leben gewesen. Beim ersten Besuch des verkleideten Raumschiffs hatte der Computer ihm wenigstens die Erinnerung an Mikro gelassen. Diesmal ging er rigoroser vor, damit Spencer nicht wieder ausbrechen konnte. Das Schiff wurde durchgerüttelt, und die Kraftfelder funktionierten nicht mehr. Spencer hielt sich krampfhaft an einem Türrahmen fest und versuchte, sich zu orientieren.

Er stand in der Tür zum Projektionsraum. Die Projektion war erloschen. Er konnte nicht sehen, was draußen geschah. Aber soeben hatte er doch noch dieses gräßliche Rot wahrgenommen. Als wäre es direkt in seinem Kopf entstanden! Das Schiff schlingerte. Spencer verlor den Halt und flog quer über den Gang. Die Schaltwand, die sich hier befand, platzte auseinander. Ein Scherbenregen ging nieder und verfehlte Richard Spencer nur knapp. Der Professor krachte gegen die gegenüberliegende Gangwand und kam zum Stillstand. Geistesgegenwärtig hatte er die Arme hochgerissen und den Aufprall abgefangen.

Er durfte einen Blick in den Kontrollraum wagen. Die länglichen Behältnisse, die wie Särge aussahen und alles enthielten, um einen Menschen am Leben zu erhalten, dienten dem Steuerungskollektiv. Die Männer und Frauen waren durch Sonden direkt mit dem Bordgehirn verbunden und dachten quasi als das Schiff. Die perfekte Einheit von Mensch und Maschine. Doch angesichts des Chaos, das dieses Schiff heimsuchte, funktionierten die Überlebenseinheiten längst nicht mehr. Alle Mitglieder des Steuerungskollektivs waren tot!

Richard Spencer hielt erschüttert inne. In diesem Augenblick erlosch das Licht. War nun auch die Energieversorgung ausgefallen? Unwillkürlich krallten seine Hände sich um den Türrahmen, weil er einen erneuten Stoß befürchtete. Und der Stoß erfolgte tatsächlich. Das Schiff ritt anscheinend auf irgendwelchen Gasschichten und würde am Ende abstürzen.

»Wir haben nur noch eine verdammte Galgenfrist!« murmelte Spencer verbittert vor sich hin.

»Ja!« sagte eine weibliche Stimme, in dem Versuch, den kreischenden Lärm überbeanspruchten Materials zu übertönen.

»Ja, Richard!«

Seine Göttin! Spencer war überzeugt davon, daß sie es war. Er hatte sie zuerst auf diesem Schiff gesehen. Seine Göttin! Er wußte gar nicht ihren Namen. Oder hatte er ihn vergessen? Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Er versuchte, mit seinen Augen die Finsternis zu durchdringen. Finsternis? Von irgendwo sickerte es rot herein - wie zäher Sirup, der das Schiff füllen und alle Menschen ersticken wollte. Eine Gestalt wurde gespenstisch beleuchtet. Diese Gestalt befand sich direkt vor Professor Richard Spencer - am anderen Türrahmen.

»Die meisten sind tot!« sagte sie mit einem Beben in der Stimme. Als wäre dies eine Aufforderung, der das Rot gehorchte, knallte es im nächsten Moment herein und leuchtete alles aus. Das Rot kam aus dem Raum mit der Zielprojektion. Anscheinend war das Bordgehirn doch nicht ganz ausgefallen und hatte Energie erzeugt, um wenigstens die Zielprojektion zu ermöglichen.

Spencer wandte sogar den Blick von seiner »Göttin« ab. Sie flogen noch immer über dem roten Meer, waren allerdings beängstigend tief geraten. Seine Augen weiteten sich. Jeden Augenblick konnte der Aufprall erfolgen. Er wollte es verhindern, aber wie?

Unwillkürlich ging er in die Knie. Dann war es soweit. Eine Titanenfaust schien von unten gegen den Schiffskörper zu boxen. Spencer verlor abermals den Halt und krachte mit voller Wucht auf den Boden. Dabei hatte er ungeheures Glück, daß er sich nichts brach. Er lag direkt neben seiner Göttin! Das Rot flackerte, und in diesem Flackern und in dem perfekten Chaos betrachtete er ihr schönes Gesicht, das vollkommen von den wasserstoffblonden Haaren eingerahmt wurde. Er haßte blond, doch dieses Haar liebte er. Er hatte jahrzehntelang nicht nach Frauen gefragt, doch dieser Frau war er verfallen, noch ehe er sie näher kennengelernt hatte, und sie erwiderte seinen Blick, als wären sie uralte Bekannte. »Ich liebe dich!« sagte Richard Spencer und kümmerte sich nicht darum, daß sie seine Worte überhaupt nicht hören konnte. Selbst wenn er geschrien hätte, wäre eine Verständigung unmöglich gewesen. Sie flog in seine Arme, und sie umklammerten sich beide wie zwei Ertrinkende. Da wußte er, daß seine Gefühle erwidert wurden. Er schloß die Augen und hielt die Frau fest.

Der nächste Aufprall erfolgte. Das Schiff tanzte über das Meer wie ein schräg aufprallender Kieselstein. Dabei drehte es sich um sich selbst, überschlug sich und brachte alles durcheinander. Der Computer arbeitete trotzdem und schaffte es sogar, die künstliche Bordschwerkraft einigermaßen aufrechtzuerhalten.

Beim dritten Mal hatte das Schiff sich auf den Kopf gestellt. So kam der Schlag praktisch von oben, wenigstens was das individuelle Empfinden der Besatzung betraf. Da hatte nur derjenige Glück, der nicht auf irgendwelche Gegenstände traf.

Spencer und die blonde Göttin sausten zur Decke und einen Atemzug später wieder zurück zum Boden, weil die künstliche Schwerkraft wieder voll wirksam wurde. Der Computer konnte das nicht mehr in gewünschtem Maße steuern. Der Raumer flog weiter. Er würde noch mindestens zweimal auftreffen, falls kein Wunder geschah und der Computer die Triebwerke einsetzen konnte.

Spencer und seine Göttin gehörten zu den wenigen, die Glück hatten. Sie ließen sich nicht los. Und da brüllte das ganze Schiff auf wie ein verwundetes Urwelttier. Die Wände verbogen sich plötzlich, der Boden warf sich auf und machte sie zum Spielball titanenhafter Kräfte. Was war nun wieder geschehen?

Der Computer! durchzuckte es Spencer. Er muß die Energieversorgung angezapft haben, und die funktioniert mit Mikro-Energien. Es wäre nicht das erste Mal, daß sich dies als Bumerang erweist.

Schlagartig wurde alles wieder normal. Ringsum knisterte es. Die Wände sahen aus wie immer - abgesehen von den Beschädigungen, die vorher erfolgt waren. Hatten sie eine Art Dimensionsverzerrung erlebt? Spencer und seine Göttin halfen sich gegenseitig beim Aufstehen.

Vorsichtig überquerten sie den Gang und betraten den Projektionsraum. Die Projektion stand und war so perfekte Illusion, als würden sie hinaus ins Freie treten. Das Schiff hatte Schlagseite und schwamm in der elenden roten Brühe. Doch das war nicht alles, was die beiden sahen. Der kaum kontrollierte Einsatz der Energien hatte Folgen. Zugegeben, es war notwendig gewesen, sonst wären sie irgendwann zerschellt oder das Schiff wäre beim Aufprall auf dem roten Meer auseinandergebrochen. Doch hatte sich ein solches Wagnis wirklich gelohnt?

Die Projektion war dergestalt, daß die Schiffswandungen wie aus klarem Glas erschienen. Man konnte nur die zerrissenen Konturen sehen. Viel wäre nicht mehr von dem gigantischen Raumer übriggeblieben.

Und außerhalb dieser Konturen befand sich die Hölle. Sie wirkte weder auf das Schiff noch auf das rote Meer, sondern war einfach da und produzierte unaufhörlich den Wahnsinn. Es war ein irres Quirlen von Farben. Zwischendurch wurden Bilder erzeugt.

Da entstand ein sogähnliches Gebilde, das den Blick aufsaugte und ihn entführte, bis es sich zu einer anderen Welt öffnete. Richard sah schroffe Felsformationen, die langsam umstürzten. Der Boden platzte auf und sprengte halbe Berge davon. Glutige Asche flog quer durch das Bild und wischte es weg. Der Feuerball, der jetzt sichtbar wurde, schien eine Sonne zu sein. Auf ihrer Oberfläche tosten die Energien. Fetzen lösten sich aus der Sonne und wirbelten davon. Ein Planet wurde getroffen und auseinandergerissen. Jetzt fielen die Teile wieder zurück, von unvorstellbaren Kräften angezogen. Andere Planeten folgten. Sie wurden aus ihren Bahnen geworfen und rasten in die Sonne. Sie verschlang gierig, was in ihren feurigen Schlund geriet.

Und dann ließen die neuen Kräfte sie im Stich. Die Sonne expandierte langsam, dehnte sich wie ein Ballon, der aufgeblasen wird. Und dann platzte auch die Sonne, verbreitete die Scherben ihrer Existenz aus Feuer und Glut und schickte grelle Strahlenbahnen ins All.

Spencer schloß geblendet die Augen. Er hatte unbewußt den Arm um die Schultern seiner »Göttin« gelegt und spürte ihr Zittern. Da öffnete er die Augen wieder. Das Bild hatte sich gewandelt. Die chaotischen Bilder folgten rascher hintereinander, und beide begriffen, daß dies alles durch den neuerlichen Energieausbruch verursacht worden war - im Universum! Sie hatten gefrevelt! Die ganze Aktion war ein einziger Frevel. Niemals konnten sie wiedergutmachen, was sie dem Universum angetan hatten. Und das Wrack blieb eine Insel der Ruhe. Die rote Brühe bewegte sich nicht.

Da erloschen die Projektionen, das Licht und auch die künstliche Schwerkraft, als hätte der Computer endgültig genug und würde jetzt alles abschalten. Spencer und seine Göttin hatten keine Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. Sie verloren das Gleichgewicht und schlitterten quer durch den Projektionsraum. Spencer hatte das Pech, mit dem Kopf aufzuschlagen. Er verlor augenblicklich das Bewußtsein.

*

Sanftes Schaukeln weckte Professor Richard Spencer. Es war angenehm und verband sich mit dem Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

Lächelnd öffnete er die Augen. Seine »Göttin« war über ihm. Ihre Züge glätteten sich, als sie erkannte, daß es ihm relativ gut ging. Sie streichelte sein Haar.

Aber dann fand Spencer schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Sein Kopf ruckte zur Seite. Die schnelle Bewegung erzeugte einen grellen Schmerz, der sich durch seine Wirbelsäule fortpflanzte und ihn aufstöhnen ließ.

»Ruhig!« flüsterte die »Göttin«. Das Licht flackerte. Richard lag im Gang. Die Projektion war nicht wieder aufgebaut worden.

»Wie lange war ich...?«

»Höchstens zwei Minuten, Richard. Ich habe dich hergeschleppt. Der Projektionsraum ist zu groß. Jede plötzliche Bewegung des Schiffes vergrößert die Gefahren.«

»Wo sind die anderen? Ich sehe niemanden mehr.«

»Es gibt wahrscheinlich nur noch wenige. Der Computer hatte eine Einheit zur Selbstreparatur. Es ist ein denkender Computer, wie du weißt, Richard. Zwar erscheint er gestört, doch ist es ihm gelungen, seine Kapazitäten wenigstens teilweise zu bewahren. Es muß mit der Welt zusammenhängen, in der wir gelandet sind. Hier herrschen Energien, auf die er anspricht.«

»Das verstehe ich nicht.«

Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht stammen von hier überhaupt die Energien, die wir für unsere Reise mißbrauchten?«

Mißbrauchten! Also hat sie ebenfalls den Frevel erkannt. Mein Gott, wer weiß, welcher Schaden angerichtet wurde? Durch die Geschehnisse ist vielleicht sogar die Erde ausgelöscht - wie eine brennende Kerze im Wind.

Aber nein! Er verwarf den Gedanken wieder. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß die Erde daran Schaden genommen hat.

Und wieso waren die Folgen so immens?

Ein Teil dessen versuchte in sein Bewußtsein zu sickern, was er sich an Theorie über Mikro und das Universum erarbeitet hatte, doch es mißlang. Es entfiel ihm, noch ehe er danach greifen konnte. Der Gedanke blieb: Wieso waren die Folgen so immens? Und die Antwort erfolgte durch seine »Göttin«: »Der Computer muß in einer Art Verzweiflungsaktion die Speicher aktiviert haben.«

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, dachte Spencer und forschte in ihrem Gesicht. »Wie heißt du eigentlich?«

Sie lächelte verschmitzt. »Wir sind uns so vertraut - und du kennst nicht einmal meinen Namen?«

Richard Spencer erwiderte das Lächeln. »Nur so lange nicht, bis du ihn mir gesagt hast.«

»Lisa! Du kannst mich Lisa nennen.«

»Ein sehr gewöhnlicher Name für eine so ungewöhnliche Frau.«

Sie lachte hell und drückte ihm einen Kuß auf die Lippen. »Das meinst du nur so, weil du dich in mich verliebt hast.«

»Meine Göttin!«

»Nur so lange, bis du gemerkt hast, daß auch ich nur ein ganz normales Menschenwesen bin und du genug davon hast, mit meinen Launen umgehen zu müssen.«

»Das darfst du nicht sagen.«

»Und wenn doch?«

Er zog sie zu sich herab. »Dann schließe ich deinen Mund mit meinen Lippen und lasse dich nie mehr sprechen.«

Es wurde ein leidenschaftlicher Kuß daraus, bis sie sich prustend von ihm löste. »Ich muß ab und zu wenigstens mal nach Luft schnappen, sonst hast du nicht mehr viel Freude an mir, Richard.«

»Was brauchst du zu atmen, Lisa? Du hast doch mich!«

Sie lachten und alberten, während um sie herum ein Schiff im Sterben lag. Es dauerte lange, bis ihnen das bewußt wurde. Spätestens dann geschah es, als die Erkundungsgruppe aus dem Bauch des Raumers zurückkehrte. Sie kamen durch die Lifttür, doch der Lift war nicht mehr in Betrieb. Sie hatten die Tür aufgebrochen und den Weg zu Fuß zurückgelegt. Das ging, weil die Schiffseinheiten wabenförmig gruppiert waren und der Lift sich nicht nur vertikal, sondern auch horizontal bewegen konnte.

Falls er funktionierte!

Die Mienen der Männer und Frauen waren finster.

»Wie sieht es aus?« fragte Lisa bang.

Kasor zuckte die Schultern. »Nicht gut, Lisa. Wir sind wirklich nur noch wenige. Das Schiff ist auf einen winzigen Bestandteil seiner ursprünglichen Masse geschrumpft. Außerdem gibt es die Speicher nicht mehr.

Sie müssen auf einen Schlag sämtliche Energie abgegeben haben, die in ihnen schlummerte. Ich glaube, wir sind nur hier gelandet, weil es die ganze Zeit schon eine Verbindung zwischen dem Schiff und dieser unbegreiflichen Welt gab - über die genannten Speicher.«

»Aber dann dürfte es doch auch den Computer nicht mehr geben!« warf Spencer ein.

Kasor zuckte die Schultern. »Dürfte!« bestätigte er, »aber er ist nach wie vor da. Ich habe versucht, ihn zu fragen, doch er reagierte nicht, denn die Kommunikationseinheiten sind allesamt ausgefallen. Ich habe keine Ahnung, wie wir mit ihm in Verbindung treten sollen. Wenn man einfach gegen die Wände spricht, nutzt es jedenfalls nichts. Ich habe es mehrmals probiert.«

»Die ganzen Speicher sind weg?« wiederholte Lisa stirnrunzelnd. »Und woher schöpft unser Computer die Energie für das flackernde Licht? Und den Projektorraum hatte er vorhin auch in Betrieb.«

Die Sache kam ihnen reichlich mysteriös vor, doch keiner von ihnen wußte eine Erklärung.

»Wenn wenigstens einer der Projektionsräume weiter funktionieren würde«, sagte Kasor verbittert.

War es, weil der Computer diesmal auf ihn reagierte oder war es reiner Zufall? Jedenfalls funktionierte der Projektorraum plötzlich wieder!

Die anderen Türen rechts und links des Ganges waren geschlossen. Zum ersten Mal, seit Spencer sich an Bord befand. Nur die Tür zum Raum mit der Zielprojektion stand offen.

Endlich erhob Spencer sich vom Boden. Lisa wollte ihm helfen, doch er wehrte sich gegen diese Hilfe. Es ging ihm einigermaßen gut. Außerdem wollte er vor den anderen keine Schwäche eingestehen.

»Steuerungskollektiv erforderlich!« plärrte eine Lautsprecherstimme. »Steuerungskollektiv erforderlich!«

Die Stimme des Computers.

»Verdammt, das funktioniert alles nicht mehr!« brüllte Kasor erbost.

»Steuerungskollektiv erforderlich!«

Lisa und Richard Spencer betraten den Projektionsraum.

Der Anblick traf sie wie ein Hammerschlag.

Rötliches Leuchten herrschte draußen vor. Es war anders als noch vor wenigen Minuten.

War ich doch länger ohne Bewußtsein gewesen, und wollte Lisa mich nur beruhigen?

Das Schiff befand sich jedenfalls nicht auf der Oberfläche des roten Meeres. Sie waren einem Trugbild zum Opfer gefallen. Das Wrack hatte sich lediglich in einer energetisch neutralen Zone befunden und keineswegs die Landung geschafft.

Der Computer war an den Katastrophen unschuldig. Es mußte mit der teilweise erfolgten Zerstörung des Schiffes zusammenhängen. Genau zu diesem Zeitpunkt war offenbar der Teil mit den Speichern auseinandergerissen.

Rötliche Nebelschleier rissen auf. Das Schiff versuchte offenbar verzweifelt, an Höhe zu gewinnen, doch es reichte nicht mehr.

Der Computer steuerte das fliegende Schiff, aber wie, wenn es keinerlei Triebwerke mehr gab?

Aus dem Gang plärrte es: »Steuerungskollektiv dringend erforderlich. Antrieb ausgefallen. Ich versuche es mit Energieprojektion.«

»Wo hast du denn die verdammte Energie überhaupt her?« fragte Kasor unbeherrscht.

Ungerührt fuhr der Computer fort: »Steuerungskollektiv erforderlich, da keine Meßergebnisse. Sämtliche Sensoren ausgefallen.«

Kasor versuchte mehrmals, die Aufmerksamkeit des Computers auf sich zu lenken, was ihm nicht gelingen wollte.

Eine Wüstenlandschaft raste unter ihnen vorbei. In Wahrheit schlingerte das Schiff wie verrückt. Daß nur ein sanftes Schaukeln durchkam, verdankten sie den wieder funktionstüchtigen Schwerkraftneutralisatoren.

»Der Computer ist verwandter mit dieser Welt als wir!« murmelte Spencer vor sich hin. Lisa sah ihn ungläubig an, während Kasor hereinrief: »Was faselst du da?«

»Er ist verwandt mit Mikro, weil er schon immer ein Teil von dieser Welt war. Alles ist ein Teil von Mikro, jedes Ding im Universum. Die zusätzliche Verwandtschaft des Computers resultiert allein daraus, daß er von den Energien dieser Dimension genährt wurde und noch immer aus ihnen schöpft.

Er ist jetzt ein Geist, der in den Wandungen des Kalgan-Raumers haust, denn auch Kalgan ist ein Material, das durch Energien von Mikro entstanden ist. Beide sind zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen. Mikro ist alles. Mikro ist die Summe von allem. Mikro ist die eigentliche Welt, und Mikro bedeutet die unendliche Vielfalt und jede nur denkbare und undenkbare Erscheinungsform. Mikro ist unbegrenzt und kennt keine Schranken. Mikro...«

Spencer wußte später nicht mehr, wie ihm geschah. Jedenfalls verlor er wieder das Bewußtsein.

Das war er wieder gewesen - der Versuch seiner Erinnerung, sich seinem Ich zu offenbaren.

Doch der Computer, der ihm diese Traumvision suggerierte, verhinderte es mit brutaler Gewalt und löschte vorübergehend sein Denken, um wieder Herr über seinen Verstand zu werden...

*

»Steuerungskollektiv erforderlich!« Die ständige Wiederholung zerrte an den Nerven.

Spencer öffnete die Augen.

Lisa! Sie betrachtete ihn besorgt: »Anscheinend hat es dich doch schlimmer erwischt, als du selber zugeben willst, Richard.«

»Was ist denn los?«

»Du bist auf einmal umgekippt. Ich konnte dich nicht mehr rechtzeitig halten.«

Es hatte sich nichts verändert. Noch immer das sanfte Schaukeln, als würde das Schiff von sanften Wellen getragen werden.

»Ohne Steuerungskollektiv erfolgt die Bruchlandung in zwanzig Sekunden«, erklärte der Computer mit unbeteiligter Stimme. »Minus neunzehn Sekunden... achtzehn... siebzehn...«

»Sei still!« brüllte Kasor und fuchtelte mit den Fäusten herum. »Sonst schlage ich den verdammten Lautsprecher in Stücke.«

Die Drohung nutzte, denn der Computer verstummte.

Und dann: »Leben an Bord! Steuerungskollektiv nicht vorhanden. Ich registriere Besatzung.«

»Wird auch langsam Zeit!« schimpfte Kasor unbeeindruckt.

»Dringende Bitte an Rest von Besatzung: Niederducken, denn ich kann die Andruckkräfte nicht absorbieren.«

Sie gehorchten dem Rat des Computers.

Die Projektion blieb bestehen und war so perfekt, als würden sie ohne Schiff durch die Lüfte fliegen.

Die Wüste war verschwunden und machte einem violetten Dschungel Platz. Jedenfalls nahm Spencer an, daß es sich um eine Art Dschungel handelte.

Ein Sumpfgebiet breitete sich aus. Die Farben stimmten nicht, und auch die Formen waren total verdreht und verschoben, und doch hatten sie es geschafft, die Eindrücke zu verarbeiten. Wie war das möglich?

Wahnwitz, gerade in einer solchen Situation über diese Frage nachzudenken! fand Spencer.

Die kleinen Tümpel erweiterten sich mehr und mehr zu einem wahren See. Irgendwie kam Spencer das Ganze bekannt und vertraut vor, doch sein Erinnerungsvermögen funktionierte nicht.

Eine regelrechte Seenplatte und jenseits ein rotes Meer. Ja, waren sie denn im Kreis geflogen? Oder hatten sie die aufgenommenen Eindrücke nur falsch verarbeitet?

Da unten war eine Insel. Knapp davor würden sie aufschlagen.

Der Flug war rasend schnell. Spencer war in diesem Augenblick davon überzeugt, daß vom Schiff nicht mehr viel übrigbleiben würde - und von ihnen allen ebenfalls nicht.

Dabei würde auch der Computer »sterben«!

Kurz vor dem unvermeidlichen Aufprall erloschen Projektion und Licht. Aus dem Lautsprecher im Gang drang ein schreckliches Stöhnen, wie von einem Menschen in höchster Not.

Schlagartig hörte das Schiff auf zu schaukeln.

Gar nichts geschah. Alles war ruhig. Der erwartete Aufprall fand nicht statt!

Wie war dieses Phänomen zu erklären?

»He, Bordgehirn!« rief Kasor. Er konnte es nicht lassen. Spencer hatte ihn anders in Erinnerung. Kasor war stets beherrscht und überlegen erschienen. Zur Zeit ließ er seinem Temperament freien Lauf.

Alles blieb totenstill. Nichts rührte sich. Der Computer meldete sich nicht mehr.

Lange blieb dieser Zustand nicht bestehen. Ein kurzer Ruck ging durch die schwerbeschädigte Schiffszelle.

Abermals trat Stille ein.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752143966
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
fantastisch SF Herr der Welten Fantastik Phantastik SciFi Science Fiction Roman Abenteuer Fantasy

Autor

  • Wilfried A. Hary (Hrsg.) (Autor:in)

Nähere Angaben zum Herausgeber und Autor siehe WIKIPEDIA unter Wilfried A. Hary
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Titel: HERR DER WELTEN: Die 4. Kompilation