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KLICK: Sichtweise bei Rheuma ändern, Lebensqualität zurückgewinnen

Finde deinen Weg zu eigenverantwortlichem Umgang mit Rheuma und deiner persönlichen Bewältigungsstrategie.

von Daniela Kunz (Autor:in)
230 Seiten

Zusammenfassung

„Ich möchte Mut machen, motivieren und neue Impulse setzen, meinen Lesern Wege aufzeigen, das Ohnmachtsgefühl gegenüber einer unheilbaren Krankheit wie Rheuma abzuschütteln.“ Das gelingt! Daniela J. Kunz gibt ihr umfassendes Wissen um Ernährung, Bewegung und das richtige Mindset bei Rheuma verständlich und auf unterhaltsame Weise weiter, spricht offen über persönliche Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit und gibt praktische Tipps und Übungen an die Hand. KLICK holt den Leser dort ab, wo er gerade steht und vermittelt dank einer authentischen Autorin das Gefühl, eine neue Freundin gefunden zu haben, die statt maßregelnd erhobenem Zeigefinger die Hand reicht - um gemeinsam Lebensqualität zurückzugewinnen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



PROLOG

Mit Anfang 20 konnte ich eines Morgens einfach nicht mehr aufstehen. Meine Gelenke waren wie versteift, meine Hände angeschwollen und jede Berührung war mehr als schmerzhaft. Am Abend vorher war davon noch nichts zu sehen gewesen. Auch in meiner Familie hatte niemand etwas mit Rheuma am Hut. Als die Diagnose endlich feststand, war sie aber letztendlich kein Schock für mich. Ehrlich gesagt war ich einfach nur froh darüber, überhaupt eine Antwort zu bekommen. Zwei Ärzte (auf deren Termine ich jeweils fast 9 Monate warten musste) hatten mich bereits mit Schulterzucken und teilnahmslosem Blick einfach wieder nach Hause geschickt. Unter anderem, weil mein Blut keine Rheumafaktoren aufwies. „Ach – Sie sind noch so jung!“ Ja, das war ich. Und umso schlimmer empfand ich den Umstand, dass meine Schmerzen nicht ernst genommen wurden. Ich erfuhr, dass es auch so etwas wie „seronegative Polyarthritis“ gibt. Also eine rheumatische Erkrankung, die man nicht im Blut nachweisen kann. Aber selbst eine Ausschlussdiagnose erschien mir besser, als keine Diagnose. Ab jetzt würde alles besser. Davon war ich überzeugt!

Mein Einstiegsmedikament war MTX. Und ich habe es so gehasst! Ich fragte den Arzt, ob es keine Alternative gäbe. Er verneinte. Das Ganze hatte so etwas von einer Friss-oder-Stirb-Manier (auch wenn die Formulierung an dieser Stelle gegebenenfalls etwas ungünstig gewählt ist…). Rückblickend muss ich sagen, dass man mich einfach nicht abgeholt, mir meine Angst nicht genommen und mich eigentlich… ja, doch: Allein gelassen hat. Ich war verunsichert – sollte ich mir wirklich ein Medikament spritzen, dessen Wirkstoffe auch in der Krebstherapie Einsatz finden? Sollte ich wirklich all die Nebenwirkungen in Kauf nehmen? Die Auswirkungen auf eine womögliche Schwangerschaft in der Zukunft akzeptieren? Aber der „Gott in Weiß“ hatte gesprochen und ich war müde. Ich hatte keine Lust mehr, von einer Warteschleife in die nächste zu rutschen, monatelang auf einen Termin zu warten – um dann in zwei Minuten abgefrühstückt zu werden. Ich wollte handeln. Und ich wollte, dass es mir besser geht. Eigentlich war ich an einem Punkt, an dem mir egal war, was ich tun muss. Hauptsache ich konnte etwas tun. Also stimmte ich der MTX Therapie zu.

Die Spritzen an sich vertrug ich relativ gut. Ich spritzte mich ein Mal in der Woche kurz vor dem Schlafen gehen. So – das hatte ich gelesen – verschläft man quasi die Nebenwirkungen. Ich hatte allerdings meine Psyche unterschätzt. So sehr ich auch darauf gewartet hatte, endlich etwas gegen diese schlimmen Schmerzen unternehmen zu können, so sehr fühlte sich der Weg, den man mir zeigte, falsch an. Ich konnte mich nicht auf das Medikament einlassen und alles in mir sträubte sich gegen dieses (in meinen Augen) „gelbe Gift“.

Bereits nach ein paar Wochen entwickelte ich eine tiefe Abneigung gegen den gelben Farbton der Spritzenflüssigkeit. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn sich durch den bloßen Anblick einer Farbe der Magen umdreht. Ganz ehrlich – das ist schon ein wenig beängstigend! Durch diese grundlegende Aversion gab ich dem Medikament keine Chance. Ich lehnte eine weitere Behandlung mit MTX ab. Und weil es mir unangenehm war, das zuzugeben, setzte ich die Medikation auf eigene Faust und ohne weitere Rücksprache ab. Nicht der cleverste Schachzug – aber ich vertraute meinem Arzt nicht genug, um meine Situation anzusprechen. Es war mir auch irgendwie peinlich. Und unangenehm. Und ich wollte mich keinen Diskussionen aussetzen. Weder mit einem Arzt, noch der Familie. Also behielt ich mein Vorgehen für mich.

Meine Schmerzen wurden in der Folge immer schlimmer. An manchen Tagen konnte ich mich kaum noch bewegen. Also pumpte ich mich mit Schmerzmitteln voll. Zwei Ibus mit Kaffee und Cortison waren mein Frühstück. Spätestens am Mittag gab es die zweite Ladung Ibuprofen, wollte ich abends ausgehen, ging das niemals ohne eine dritte. Meine Hände verformten sich. Meine Ellenbogen versteiften nach und nach. An manchen Tagen konnte ich fast nicht stehen – geschweige denn gehen – weil die Entzündungen und Schwellungen in Knien und Fußgelenken so massiv waren, dass jede Belastung (und Entlastung) wahnsinnig schmerzte.

Kurz gesagt: Ich ließ mich so richtig hängen. Nicht nach außen – da war ich immer die Starke, die ihr Rheuma stoisch erträgt und weglächelt. Trotzdem immer weiter macht. Aber eigentlich hatte ich mich der Situation ergeben. Ein für mich vollkommen untypisches Verhalten: Ich suhlte mich innerlich in Selbstmitleid. Redete mir ein, dass mir nichts anderes übrig bliebe, als die Schmerzen zu akzeptieren. Ich beschritt den Weg des geringsten Widerstands und fühlte mich eigentlich ganz wohl dabei. Weil ich mir einredete, dass ich ja eh nichts ändern könnte. Dabei wusste ich sehr wohl, dass von Nichts nun mal auch Nichts kommt. Nichts kommen kann.

Es ist nur so: Eine rheumatische Erkrankung kostet so unglaublich viel Kraft! Dinge, die dir immer leicht gefallen sind, erscheinen plötzlich unmöglich! Sei es, den verdammten Deckel der Tupper®-Dose aus der hintersten Ecke im unteren Küchenschrank zu kramen oder Geldstücke aufzuheben, die aus dem Geldbeutel gefallen sind. Eine Flasche Wasser wird aufgrund fehlender Griffkraft zum unüberwindbaren Hindernis und eine Dose Ravioli mit Dosenöffnergriff bleibt für alle Zeiten ungeöffnet. All diese kleinen Dinge sind Energiefresser und du befindest dich, ohne dass du es kommen siehst, in einer Spirale, die sich immer schneller dreht. Allerdings nicht zu deinem Vergnügen. Und (Achtung Spoiler) auch nicht unbedingt aufwärts.

Es scheint mir rückblickend wie der erste, verzweifelte Versuch, der Krankheit die Macht über mich zu nehmen. Ich dachte, wenn ich dem Schmerz einfach keine Beachtung schenke, ihn ausblende, dann kann ich weiter machen wie bisher. Ich wollte nicht akzeptieren, dass mich äußere Einflüsse einschränken oder mir von ihnen vordiktieren lassen, wie ich mein Leben zu leben habe. Was ich kann – oder was eben nicht.

Der Grundgedanke ist richtig – nur die Ausführung war falsch: Ignoranz ist nicht lösungsorientiert. Im Gegenteil! Ignoranz wird schon im Duden als tadelnswerte Unwissenheit oder Kenntnislosigkeit in Bezug auf etwas definiert. Man kann Ignoranz also mit Ahnungslosigkeit und Unkenntnis gleichsetzen… Und das ist nun mal nicht unbedingt das beste Rüstzeug, wenn du mich fragst. Im Gegenteil. Diese Erkenntnis traf mich. Hart und vor allem schmerzhaft:

Du erinnerst dich, dass ich mich noch immer im Stadium der Verleugnung befand. In diesem realitätsfernen Zustand des Nichtwissens und Nichtwahrhabenwollens, in dem ich naturgemäß meine Grenzen körperlicher Belastung regelmäßig übertrat und mich dann wunderte, dass es mir immer schlechter ging. Ich redete mir ein, keine Kraft zu haben, um mich ehrlich und aufrichtig meiner Situation zu stellen und ignorierte (mal wieder dieses tolle Wort) sehr gekonnt die Tatsache, dass eben dieses Augenverschließen mindestens genauso viel Kraft kostet. Kurz gesagt: Die Folgen dieses – und ich muss es tatsächlich so sagen – dummen Verhaltens waren nicht abzuwenden…

An einem dieser Tage, an dem ich schon 120% meiner Energie verpulvert hatte, kam ich auf die grandiose Idee, noch ein großes, schwedisches Möbelhaus zu besuchen. Als ich nach Hause kam, regnete es und ich wollte meine neu erworbenen Schätze nicht auf den nassen Asphalt stellen. Also balancierte ich die viel zu schweren Teile auf meinem linken Unterarm, während ich mich nach oben streckte, um mit der anderen Hand den Kofferraumdeckel zu schließen. Lass dir gesagt sein: Keine gute Idee. Bei dieser Aktion klemmte ich mir den Nerv am Rippenbogen ein. Wenn du nicht weißt, wie sich das anfühlt: Schrecklich! Jeder Atemzug sticht, man wird kurzatmig und kann sich kaum bewegen, weil jede Anstrengung (und sei sie nur intramuskulär) richtig, richtig weh tut. Man verfällt automatisch in eine Art Schonhaltung und versucht, sich möglichst ruhig zu verhalten. Ich hatte mir diesen Nerv nicht zum ersten Mal eingeklemmt und dachte, Herr der Lage zu sein. Ich verbrachte die Nacht relativ wach und relativ unbequem und versuchte, mich am nächsten Morgen mit Hilfe einer Schmerztablette in die Gänge zu bekommen. Ich kam in die Gänge – allerdings in Richtung Badezimmer, weil mir die Tablette auf den nüchternen Magen schlug. Beim Übergeben verkrampfte ich Dank des nach wie vor eingeklemmten Nervs komplett und renkte mir den einen oder anderen Brustwirbel aus. Das Ergebnis: Ich war komplett bewegungsunfähig.

Diese eine unbedachte Handlung, dieser Moment, in dem ich entschied, nicht zwei Mal zu gehen, sondern alles auf einmal tragen zu wollen, löste einen regelrechten Rattenschwanz aus und führte zu verklebten Faszien, verzogenen Rippen, einem Lungenvolumen von unter 40%, einer Zwerchfellzerrung, versteifter Nackenmuskulatur und und und... Im Ergebnis konnte ich fast zwei Jahre (!!) nicht mehr liegen und verbrachte meine Nächte sitzend im Bett oder auf der Couch. Alternativ auch auf allen vieren, den Kopf auf einem Sessel abgelegt oder stehend unter fast kochend heißem Wasser in der Dusche. Ich residierte Stunden bei Lungenfachärzten, Kardiologen, Physiotherapeuten und zahlte Unsummen für osteopathische Behandlungen, Akupunktur, das Tapen von Rücken und Nacken. Nichts half. Mein gesamter Bewegungsapparat war lahmgelegt. Die rheumatische Erkrankung hatte ihre Chance ergriffen und offiziell das Ruder übernommen. Die Entzündungen fanden im empfindlichen Gewebe rund um meine Wirbelgelenke einen reichhaltigen Nährboden, während die resultierende Fehlhaltung und Fehlatmung ihr übriges taten.

An diesem Punkt musste ich mir eingestehen, dass ich Hilfe brauchte. Dass ich aus dieser Nummer offensichtlich nicht allein herauskam und dass ich, je mehr ich strampelte und je mehr ich versuchte, mich zu befreien, nur noch tiefer rutschte. Es fühlte sich an wie Treibsand. Also beugte ich mich dem gutgemeinten Druck meiner Familie und dem Rat meiner Ärzte und beantragte eine Reha. Diese wurde sofort bewilligt und bereits ein paar Wochen später saß ich im Zug zur „Anstalt“.

Ich muss zugeben, dass diese vier Wochen der Rehabilitation einen Wendepunkt für mich darstellen. Zum ersten Mal seit… ich wollte jetzt fast sagen „seit Menschengedenken“ aber das ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Sagen wir also einfach: Zum ersten Mal (!) war ich gezwungen, mich nur auf mich selbst zu konzentrieren. Keine Nebenkriegsschauplätze. Keine Freunde, die mir ihr Leid klagten und deren Last ich nur allzu gerne mittrug, um darunter meine eigene zu verbergen. Keine 60 Stunden Woche im Geschäft, bei der ich bis zum späten Abend Energie, Zeit und Herzblut investierte –ohne jemals die Achtung entgegengebracht zu bekommen, die ich eigentlich verdiente. Zumindest nicht von den Menschen, deren Meinung im Geschäftsumfeld etwas zählt. Kein Grund, meine Gefühlswelt zu verbergen, um für Mann und Familie keine Last zu sein. Plötzlich gab es da nur noch mich.

Mit einem Schlag wurde mir bewusst, wie symbolhaft dieser schicksalhafte Einkauf vor zwei Jahren gewesen war. Nicht nur bei Einkäufen hatte ich den Anspruch, alles tragen zu müssen. Ich war so darauf versteift gewesen, die Kontrolle zu bewahren, Stärke auszustrahlen, alles zu geben, dass ich die Kontrolle über meinen Körper vollkommen verloren hatte.

„Plötzlich gab es da nur mich“. Ganz ehrlich? Ich bin kein nur! Es dauerte tatsächlich ein paar Tage, bis ich den Fehler in der Formulierung bemerkte: Plötzlich gab es da mich! Unter all der Last, die ich mir selbst auferlegt hatte, um mich mit anderer Leute Problemen zu beschäftigen (was nebenbei bemerkt immer so viel leichter ist, als vor der eigenen Haustüre zu kehren), tauchte auf einmal ein kleines Stück Daniela auf. Plötzlich konnte ich mich sehen. Und ich war schockiert! Wirklich. Ich kann es nicht anders formulieren. Ich erkannte mich selbst kaum! Ich hatte jahrelang einfach nicht mehr hingesehen, nicht mehr hingehört. Ich wusste eigentlich gar nicht, wie schlecht es mir geht. Und die Erkenntnis traf mich vollkommen unvorbereitet.

Zwei Tage. Zwei Tage verkroch ich mich heulend auf meinem Zimmer und wusste gar nicht, wie mir geschah. Mit unaufhaltsamer Wucht kamen all der Frust, all die Wut und all der Schmerz über die bodenlose Ungerechtigkeit, die mir mit dieser unheilbaren Krankheit widerfahren war, an die Oberfläche. Und ich ließ es geschehen. Zum ersten Mal gestand ich mir zu, schwach sein zu dürfen. Wütend zu sein. Ich gab mich meinen Tränen hin – und nach 48 Stunden schlief ich zum ersten Mal seit zwei Jahren im Liegen. Flach. Auf dem Rücken. Acht Stunden am Stück.

Aus der Reha zurück hörte ich einige Male, ich hätte mich verändert. Aber eigentlich stimmte das nicht. Im Gegenteil: Ich war wieder ich. Und ich war bereit, mir meine Lebensqualität zurück zu erobern. Es hatte KLICK gemacht…


VOM FRIEDEN SCHLIESSEN

Wie ein weiser Chinese mir klar machte, dass man das Ergebnis nicht zu fürchten braucht, wenn man zwei Dinge kennt: Sich selbst und den Gegner

In den ersten Wochen zu Hause achtete ich sehr darauf, wie es mir ging. Was mir gut tat, was nicht und wie mein Körper reagierte. Ich bemerkte zum Beispiel, dass emotionaler Stress bei mir fast postwendend zu einer Verschlechterung meiner Krankheitsaktivität führte. Meine Gelenke waren so etwas wie ein Spiegelbild meiner Seele – um es mal pathetisch auszudrücken.

Insbesondere die anhaltend unbefriedigende, ach was sage ich… die demütigende und ungerechte Behandlung an meinem Arbeitsplatz machte mir zu schaffen. Kaum wieder zurück, überschlugen sich die Ereignisse im Büro und ich erkannte, dass ich in dieser Firma keine Zukunft hatte. Nicht, dass man mir hätte kündigen wollen. Aber ich sah für mich plötzlich keine Perspektive mehr. Und auch wenn es sich ein wenig wie aufgeben anfühlte, wusste ich, dass ich Veränderung wagen musste. Ich hatte lange genug darauf vertraut, dass sich Rahmenbedingungen oder die Ansichten der Verantwortlichen ändern. Aber dieser Fall würde nicht eintreten. Es konnte sich nur etwas ändern, wenn ich selbst dafür sorgte. Davon war ich überzeugt. Also trennte ich mich (mit einigen im Guten, mit anderen nicht unbedingt im Guten, dafür umso lieber) von meinen Kollegen und meinem alten Arbeitgeber. Es fühlte sich so befreiend an! Endlich aus dieser Stagnation auszubrechen. Eine Entscheidung zu treffen. Das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Natürlich wusste ich nicht, ob der Entschluss zu einem Wechsel richtig oder falsch war. Aber ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass es keine (wohlüberlegten) richtigen oder falschen Entscheidungen gibt. Man weiß nie, wie die Dinge sich entwickelt hätten, hätte man sich anders entschieden. Meine Mama würde jetzt sagen „Hätte, hätte, Fahrradkette.“, was nichts anderes bedeutet, als dass diese ganze Was-wäre-wenn-Diskussion absolut und grundlegend sinnlos und spekulativ ist. Ich weiß nicht, wie mein Leben mit einem anderen Weg verlaufen wäre. Niemand weiß das. Ich persönlich nehme allerdings an, dass meine ganz eigene Entwicklung niemals diesen Fahrtwind hätte aufnehmen können. Ich würde heute definitiv nicht hier sitzen und voller Inbrunst diese Zeilen der Überzeugung niedertippen – vollkommen schmerzfrei. Das zeigt mir, dass die Entscheidung für mich die Richtige war. Fast zeitgleich mit dem Entschluss, den Job zu wechseln und etwas Neues zu beginnen, normalisierte sich mein Lungenvolumen wie von Zauberhand. Ich konnte es nicht fassen. Jahrelang hatte ich all die Menschen belächelt, die mir erzählen wollten, psychischer Druck würde sich seinen Weg suchen. Schmerz den seinen immer finden, wenn man ihn nicht zulässt. Auch wenn ich es schon früher hätte erkennen müssen – diesmal war es nicht von der Hand weisen: Mit der Trennung von meinem Arbeitgeber und dem Verschwinden des damit verbundenen emotionalen und physischen Stresses, nahm ich mir selbst buchstäblich die Last von den Schultern. Meine Verspannungen lösten sich. Plötzlich machte ich in der Physiotherapie merkliche Fortschritte und auch die Rheuma-Schübe ließen immer weiter nach. Wurden seltener.

WIE MAN AUS DER GESCHICHTE LERNEN KANN

Das brachte mich zum Nachdenken. Als das Rheuma ausbrach hatte ich eine sehr schwere Zeit hinter mir. Mit Anfang 20 brachte ich nach einer komplizierten Schwangerschaft viel zu früh eine kleine Tochter zur Welt, die nach wenigen Tagen verstarb. Mit meinem Mädchen starb ein Teil von mir. Vor allem der Teil, der in der Lage war, noch irgendetwas zu fühlen. Meine Beziehung ging daran zugrunde. Ich wollte einfach nur ausbrechen, weglaufen, raus aus der Enge und Nähe, die mir eigentlich Schutz und Halt sein sollte. Ich gab alles auf, verlor einen wirklichen tollen Mann, Freunde, ein Haus, meinen Job und zog in eine Ein-Zimmer-Wohnung im Souterrain eines Mehrfamilienhauses mit sehr dubiosen Gestalten. An manchen Tagen verlangte es mir alles ab, überhaupt aufzustehen. Vielleicht kennst du dieses Gefühl der Fassungslosigkeit, dass sich die Erde scheinbar weiterdreht, obwohl deine eigene kleine Welt gerade zusammenbricht. Auch wenn mir nicht zum ersten Mal der Boden unter den Füßen weggezogen wurde – diesmal war es anders.

Rückblickend frage ich mich, wie ich es geschafft habe, „einfach“ weiter zu machen. Ich suchte mir einen neuen Job, versuchte, ein geregeltes Leben zu führen und die vorgespielte Normalität Realität werden zu lassen. Ich hatte das unfassbare Glück, in dieser Zeit mit meiner Mama und einer Handvoll echter Freunde gesegnet zu sein. Menschen, denen ich wichtig war und denen ich zeigen wollte, dass ich das schaffe. Dass ich mich nicht kleinkriegen lasse, nicht untergehe. Ich zog mit einer Freundin zusammen (Danke für diese fantastischen 7 Jahre, Foxy!) und verliebte mich in meinen heutigen Mann, der mir in all der Zeit mehr Stütze war, als ihm jemals bewusst sein wird.

An dem Tag, an dem ich mir gefühlt das erste Mal den Luxus gönnte, loszulassen und unbeschwert, regelrecht glücklich zu sein, brach das Rheuma aus. Es war, als ob mein Körper in dem Moment, als sich die Anspannung löste, komplett kollabierte. Als ob meine Trauer und mein Schmerz mich zusammengehalten hätten und, so absurd es sich auch anhören mag, mein Körper erst jetzt realisierte, wie kaputt ich eigentlich war. Den Zusammenhang erkannte ich (noch) nicht. Vollkommen überfordert von meinen ersten Rheumaschüben und geblendet von den verzweifelten Versuchen, einfach weiter zu machen wie bisher, verbrachte ich Jahre mit der quälenden Frage nach dem Warum.

WARUM ICH?

Lass mich vorgreifen: Die Frage nach dem „warum“ wird dir niemand beantworten können. Du wirst auf Hypothesen stoßen. Vermutungen, die statt einer Antwort immer weitere Fragen aufwerfen. Hypothesen schaffen Raum für Spekulationen und führen dazu, dass du dich immer weiter verstrickst. Du beschäftigst dich auf dekonstruktivste Art und Weise mit Vergangenem, mit Gewesenem, auf das du keinen Einfluss mehr nehmen kannst. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Du kannst nicht ungeschehen machen, dass du Rheuma hast – selbst, wenn du wüsstest, was dazu geführt hat. Vielleicht wärst du schlauer, aber was würde dir das bringen?

„Warum ich?“. Ich konnte einfach nicht begreifen, warum auf meinem Weg immer neue Steine lagen. Hatte ich nicht schon genug hinter mir? War es nicht irgendwann einfach mal gut? Ich war wütend. Und mit der Zeit wurde ich immer frustrierter. Statt Antworten keimten in mir immer mehr Fragen auf: Aus „Warum ich“ wurden „Warum Rheuma? Warum jetzt? Warum habe ich es immer so schwer? Warum wird es immer schlimmer statt besser? Warum bin ich so hilflos? Warum, warum, warum….“.

Es spricht ja grundsätzlich nichts dagegen, auf der Suche nach dem Warum über die existenziellen Dinge zu grübeln. Auf Spurensuche zu gehen, um vielleicht neue Wege aufzutun. Aber die Fokussierung darauf blendet dich. Hält dich davon ab, weiterzugehen. Es ist, als ob du stillstehst und zurückblickst, anstatt nach vorne zu schauen und die Sache anzugehen. Um sie zu verändern.

Die Formulierung meiner Fragen war letztendlich der Schlüssel zu einem Perspektivwechsel. Und damit zu echten Lösungen. Die Erkenntnis, dass ich nicht fragen sollte „Warum ich?“ sondern „Was kann ich tun?“, veränderte meine Sichtweise. Plötzlich war mir klar, dass ich einen anderen Weg einschlagen musste – und wunderte mich zeitgleich, wie ich das jahrelang hatte übersehen können. Immerhin lagen zwischen Ausbruch der Krankheit und diesem Klick-Moment in der Reha über zehn Jahre. Mehr als 3.500 Tage, die meine physische und psychische Belastbarkeit in einem schleichenden Prozess ans Limit getrieben und mich in eine Art Schockstarre versetzt hatten. Natürlich hatte ich auch schon das Ein oder Andere über den Umgang mit Rheuma gelesen (insbesondere, weil es in Zeiten mobiler Datenübertragung alle möglichen Menschen in deinem Umfeld gut mit dir meinen und dir Fotos von Rheuma-Tipps schicken, die sie beim Durchblättern von Magazinen entdecken. Übrigens meist, während sie selbst im Wartezimmer sitzen und auf einen Arzttermin warten). Eigentlich wusste ich schon lange, dass mein Denken und vor allem die sinnlose Suche nach der Antwort auf meine Warum-Fragen so nichts bringen – aber ich hatte es bisher nicht ändern können! Es ist ein bisschen so, wie wenn du einem Raucher sagst, dass ihm jede Zigarette gesundheitlichen Schaden zufügt. Eigentlich weiß er das! Er hört dich! Aber es kommt nicht an! Er sagt immer wieder „Ja, ich weiß – ich müsste unbedingt aufhören…“, aber er tut es nicht. Jetzt sagst du vielleicht, das Beispiel würde hinken, weil Rauchen schließlich eine Sucht ist. Aber denk mal einen Schritt weiter: Wie schwört ein Raucher dem Glimmstängel ab? Durch puren Willen. Es ist keine Zauberkraft. Keine Pille. Kein Medikament oder Wunder. Und ganz gewiss ist es nicht leicht. Es ist der Wille in seiner reinsten Form mit einem höchst individuellen Auslöser: Viele Frauen hören auf zu rauchen, sobald sie erfahren, dass sie ein Kind erwarten. Ich kenne einige Männer, die nach einer Krebsdiagnose oder einem Herzinfarkt nie wieder zur Kippe gegriffen haben. Ich selbst habe aufgehört, weil ich auf einer Hochzeit mit 80 Gästen als Fotografin die einzige Raucherin war und mich damit richtig, richtig schlecht gefühlt habe. Mein Mann, weil es nach 20 Jahren einfach der richtige Zeitpunkt für ihn war. Raucher bleiben wir beide. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass ich nicht immer gerne geraucht hätte und mir insbesondere bei einem guten Glas Wein oder nach einem guten Essen zum starken Espresso die Zigarette nicht fehlen würde. Aber ich entscheide mich jedes Mal bewusst dagegen und im Laufe der Zeit wird es tatsächlich leichter.

Auch die Frage nach dem Warum lässt sich nicht abschalten, nur weil dir jemand (in diesem Falle ich) sagt, dass du damit aufhören sollst. Es muss aus dir selbst kommen. Welcher Impuls den Stein dafür bei dir ins Rollen bringt, kann ich nicht sagen. Im Idealfall ist es dieses Buch. Ich wünsche es dir von Herzen. Vielleicht brauchst du aber auch noch ein bisschen Zeit. Du kannst ein echtes Klick nicht künstlich herbeiführen oder erzwingen („Das Rauchen aufhören ist leicht… ich habe das schon zigmal geschafft.“ – Es bringt nichts, wenn du es nicht wirklich im tiefsten Inneren spürst und die Veränderung aus dir selbst heraus willst.). Aber ich verspreche dir, dass auch dein Moment kommt. Du musst nur bereit dafür sein – und plötzlich, vielleicht von einem auf den anderen Moment, ist er da. Und verändert alles.

DER GRUND IST AKZEPTANZ

Solange du Rheuma nicht als Teil von dir akzeptierst, verschwendest du deine Energie. Und deine Zeit. Kraft, die du eigentlich dringend bräuchtest. Allerdings zielgerichtet und an anderer Stelle. Rheuma zu akzeptieren, bedeutet, die Verzweiflung und Hilflosigkeit loszulassen. Angst, Wut und all die übermächtigen negativen Gefühle hindern dich daran, echte Lösungen zu finden. Zumindest solange du ihnen die Führung überlässt. Akzeptanz gab mir die Möglichkeit, frei und offen nach vorne zu sehen. Oder eigentlich nicht nur nach vorne – sondern auch nach rechts und links, oben und unten. Ich erkannte, dass es Dinge gibt, die ich einfach nicht (mehr) ändern kann. Konnte aber gleichzeitig auf einmal auch sehen, wie viel Einfluss ich an anderer Stelle nehmen kann. Es war, als ob ich den Autopiloten ausgeschaltet und wieder selbst das Lenken übernommen hätte.

Erst wenn du deine Situation akzeptierst, wie sie ist, kannst du das Beste aus ihr machen. Das gilt im Übrigen nicht nur in Bezug auf eine rheumatische oder generell chronische Erkrankung! Es ist nun einmal Fakt, dass die Welt nicht gerecht ist. Wir leben in der Realität und nicht in einem dieser wunderbaren Kitschromane, bei denen sich am Ende immer alles zum Guten wendet (Ich frage mich dabei dann übrigens immer, wie glücklich dieses „Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ aussieht, sobald der Alltag und die ersten Probleme an die Tür klopfen.). Das Wunderbare an dieser Erkenntnis ist aber im Umkehrschluss, dass gewisse Dinge damit nicht in unserer Macht liegen. Egal wie sehr du dich anstrengst. Egal was du auch versuchst: Manchmal ist es wie es ist. Früher warst du gesund. Heute hast du Rheuma. Komm damit klar! So hart es sich anhören mag. Aber akzeptiere die Krankheit und investiere deine freiwerdende Energie. Verwende sie nicht auf das Rheuma, sondern auf dich und dafür, Lebensqualität zurück zu gewinnen.

Ich sage nicht, dass das leicht ist. Etwas zu akzeptieren, zu erkennen, dass man die grundlegende Situation nicht ändern kann (egal wie ungerecht sie auch erscheinen mag), ist wirklich schwer und funktioniert nicht mit einem Fingerschnipp. Du musst diese Akzeptanz wollen und darauf hinarbeiten. Ich habe lange geglaubt, etwas zu akzeptieren, würde bedeuten, man gibt auf. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Du klopfst dir den erstarrten Staub von den Schultern und machst dich auf zu neuen Ufern, auf neuen Wegen – um Verantwortung für dein Leben zu übernehmen. Du kannst vielleicht nichts daran ändern, wie es ist, aber verhindern, dass es so bleibt!

Während ich daran arbeitete, mein Denkmuster zu durchbrechen, stieß ich auf ein Zitat von Sunzi, einem chinesischen Philosophen und Strategen, der vor über 2500 Jahren eine der bedeutendsten Schriften über die Kriegskunst verfasst hatte. Sinngemäß sprach er davon, dass man das Ergebnis von 100 Schlachten nicht zu fürchten brauche, wenn man sich selbst und seinen Feind kenne. Ich weiß noch genau, wie meine Gedanken sich auf einmal überschlugen und ich das Gefühl hatte, mir würden buchstäblichen die Schuppen von den Augen fallen. Ich war mir sicher, dass dieser alte Chinese mir einen Weg aufzeigte. Ich wusste viel zu wenig über Rheuma! Im Allgemeinen und in Bezug auf meine individuelle Erkrankung. Die Zeit in der Reha hatte mir gezeigt, dass ich mich selbst ziemlich lange ausgeblendet hatte. Und jetzt las ich dieses Zitat und erkannte einen Kontext für mich: Was genau machte die Krankheit eigentlich aus? Und was machte sie mit mir? Hatte ich ihr wirklich nichts entgegenzusetzen? Ich wusste es nicht und war wachgerüttelt. Bereit, meine Reise anzutreten.

Heute habe ich mit meiner rheumatoiden Arthritis, meiner Kollagenose, meiner Polyarthritis oder welche Diagnose auch immer stimmen mag, Frieden geschlossen. Ich habe die Rahmenbedingungen neu gesetzt und akzeptiere, dass das Rheuma ein Teil von mir ist, ohne mich darüber zu definieren. Ich habe gelernt, welche Umstände es ausbrechen lassen – und was ich tun muss, um das Rheuma wieder zu beruhigen. Ich akzeptiere, dass schlechte Tage dazugehören. Ich sehe die Krankheit nicht mehr als Feind. Ich will nicht für den Rest meines Lebens Schlachten austragen, im permanenten Kampf stehen. Das kostet Kraft, die ich anderweitig so viel besser einsetzen kann. Es gibt uns nur noch im Doppelpack, ob es mir gefällt oder nicht. Also habe ich gelernt, damit umzugehen und verzichte auf heroische Kriegsmetaphern. Ich sehe ein Leben mit Rheuma als Herausforderung und meistere es mal mehr und mal weniger gut. Und das ist absolut okay so. Der Weg zu diesem Punkt war allerdings ein weiter. Und um vorweg zu greifen; auch ein steiniger und manchmal sehr schmerzhafter.

Dabei ist erstaunlich, wie oft ich zu hören bekam (oder teilweise auch noch bekomme) „Ja dir fällt das ja leicht!“ oder „Du bist ja auch so stark!“. Als ob ich irgendwelche Superkräfte hätte, von denen ich nichts weiß und die es mir möglich gemacht hätten, mit einem locker flockigen Hüpfer dahin zu kommen, wo ich heute stehe. Was (hoffentlich) als Kompliment gemeint ist, hat mich schon oft vor den Kopf gestoßen. Vor jedem Erfolg steht eine Menge Arbeit. Schweiß, Tränen, Wut und Rückschläge. Und ich finde es fast schon vermessen, die Stärke, die ich vielleicht heute ausstrahle, als gottgegeben anzunehmen. Ich habe wirklich hart darauf hingearbeitet, heute das Leben führen zu können, das ich führe. Ja, mit der Zeit wird es leichter. Aber das hat etwas mit dem Trainingseffekt zu tun. Sollte ich morgen einen Marathon laufen, könnte ich das auch nicht und bräuchte nach 100 Metern ein Sauerstoffzelt. Deswegen schmälere ich aber doch nicht den Erfolg derer, die seit Monaten auf diesen Lauf hintrainieren, sich Blasen gelaufen und schmerzhaften Muskelkater in Kauf genommen haben. Vermutlich haben sie irgendwann einfach angefangen zu trainieren – das Ziel, den Marathon, immer vor Augen.

Leider kann ich dir keinen allgemeingültigen Trainingsplan an die Hand geben, der sicherstellt, dass du möglichst viel Lebensqualität trotz (bzw. mit) Rheuma in kürzester Zeit zurückgewinnst. Es gibt kein „Schmerzfrei in 4 Wochen“-Programm. Du alleine musst herausfinden, wie das Rheuma tickt. Musst verstehen lernen, was dir gut tut und was nicht. Musst lernen, wieder hinzuhören. Du musst dir Wissen aneignen, Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen. Wobei – vielleicht verwende ich hier das falsche Modalverb: Du musst gar nichts! Aber du kannst etwas tun! Sinngemäß ist es genauso wie Meister Sun gesagt hat: „Wenn du das Rheuma und dich selbst kennst, brauchst du das Leben nicht zur fürchten“.

Wie aber lernt man eine Krankheit kennen? Und wie sich selbst?


WISSEN IST MACHT

Oder besteht Macht aus Wissen?

Ich rede hier immer von Rheuma. Aber was genau ist Rheuma eigentlich? Zusammengefasst handelt es sich dabei um einen Sammelbegriff für hunderte verschiedenste Erkrankungen, die allesamt scheiße sind. Punkt. Rheumatische Erkrankungen greifen deine Gelenke an. Dein Gewebe und deine Muskulatur. Deine Organe oder Sehnen. Dein Immunsystem richtet sich quasi gegen deine eigenen Körperzellen, fährt die ganz großen Geschütze auf und raubt dir massiv Lebensqualität. Aber Rheuma verursacht nicht einfach nur Schmerzen. Es begünstigt auch Folge- oder Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Osteoporose. Menschen mit Rheumatoider Arthritis (RA) haben so das doppelt so hohe Risiko eine Herzinsuffizienz zu entwickeln wie gesunde Menschen. Noch dazu mit einer besonders hohen Sterblichkeitsrate. Genauso vielfältig wie die Ausprägungen der unterschiedlichen Rheumaarten sind auch die Symptome – und damit die Diagnosen. Meine Rheumafaktoren zum Beispiel waren noch nie auffällig. Allerdings ist mein ANA-Titer (sowas wie die Anzahl der Antikörper im Blut) jenseits von Gut und Böse und auch meine CRP- (also Entzündungs-) Werte waren immer viel zu hoch. Daher kommt die Vermutung, dass es sich um eine chronisch entzündliche, seronegative Polyarthritis handelt. Seronegativ, weil nicht im Blut nachweisbar. Es fielen bei den verschiedenen Ärzten, die mir helfen sollten, aber auch die Begriffe „undifferenzierte Kollagenose“, „Fibromyalgie“ und „Rheumatoide Arthritis“. Ihres Zeichens allesamt Überbleibsel unzähliger Untersuchungen, Blut- und Urintests. Quasi die letzte Bastion der Möglichkeiten, wenn alles andere ausgeschlossen werden konnte. Lange Zeit empfand ich das als sehr unbefriedigend. Ich war nicht in der Lage, den letzten Rest der Zweifel abzuschütteln und dachte jahrelang, dass ich ja vielleicht doch kein „echtes“ Rheuma habe. Dass vielleicht irgendetwas ganz anderes mit mir nicht stimmt. Heute habe ich erkannt, dass eine undifferenzierte Diagnose bedeutet, dass ich hunderte von Krankheiten nicht habe. Und da kann ich mich doch eigentlich recht glücklich schätzen, oder nicht? Es ist also irgendwie auch eine Sache des Standpunkts. Naja – und der medizinischen Fakten.


...IN DER THEORIE

Warum Max Müller Recht hat, wenn er sagt, dass alles Praktische auf Theorie oder Glaube begründet sein muss

Die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ klassifiziert mehrere hundert (!) verschiedene rheumatische Erkrankungen, deren Symptome sich teilweise überlappen und die eine Diagnose sowie eine entsprechende Therapie so unfassbar schwierig machen.

Jede Rheuma-Form bringt ihre eigenen Symptome, Beeinträchtigungen und Folgeerscheinungen mit sich. Während die immunbedingten Formen sich gegen körpereigene Strukturen, wie zum Beispiel die Gelenkinnenhaut oder als Kollagenose gegen die Organe richten, zählt Gicht zu den Stoffwechselstörungen mit rheumatischen Beschwerden. Die Fibromyalgie wird als Weichteilrheuma bezeichnet und ist am schwersten zu diagnostizieren.

Viele der rheumatischen Erkrankungen haben jedoch gemein, dass sie mit einer chronischen Entzündung einhergehen, die in ihrer Folge Gelenke deformiert. Durch die chronischen Entzündungen in meinen Händen beispielsweise verformten sich meine Finger. Ich habe, rechts mehr wie links, eine ausgeprägte Schwanenhalsdeformität (sogenannte Schnappfinger) an Ring- und Mittelfinger. Meine Handgelenke sind in ihrer Bewegung eingeschränkt und nicht komplett belastbar. Das heißt, ich kann mich nicht mit vollem Gewicht abstützen oder auffangen, sollte ich mal stolpern und hinfallen. Allerdings ist dieser Umstand auch eine akzeptable Begründung, warum ich (leider, leider…) nicht jeden Morgen 50 Liegestütze machen kann (*zwinker).

Ich weiß, wie beängstigend es sein kann, sich mit den potenziellen Folgen einer rheumatischen Erkrankung auseinander zu setzen. Ich selbst habe lange Zeit großzügig überhört, was mein Körper alles durchmacht und was passieren kann, wenn ich nicht gut auf ihn Acht gebe. Das Ignorieren von Rheuma ist aber nicht erfolgversprechend! Du vergeudest nur wertvolle Zeit, in der du lernen kannst, die Signale deines Körpers zu verstehen. Dabei ist die Informationsbeschaffung wirklich mühsam. Und deprimierend. Ich will dir da gar nichts vormachen. Ich hatte oft den Drang, einfach nicht weiterzulesen, weil ich mich selbst schon verkrüppelt in der Ecke sitzen oder (in besonders dramatischen Phasen der Selbstkasteiung) mit Organversagen dahinsiechen sah. Wenn du aber mitentscheiden willst, wenn du Einfluss nehmen und dich nicht fremdbestimmt fernsteuern lassen möchtest, dann kommst du nicht umhin, dir ein wenig Wissen anzueignen.

Ein Grundstock an Wissen ist elementar, um dem Rheuma die Stirn zu bieten. Damit du also mit etwas Basiswissen ausgestattet bist, möchte ich dir jetzt einen kleinen Überblick über die verschiedenen Rheuma-Arten an die Hand geben. Im Anhang findest du weiterführende Quellen für deine Recherche. Es ist dir überlassen wie tief du in das Thema einsteigst, um dir Fachwissen anzulesen. Aber: Dem eigenverantwortlichen Handeln geht nun mal die Notwendigkeit von Wissen voraus.

Wissen ist Macht. Macht entsteht aus Wissen.

Daran gibt es nichts zu rütteln!

DIE MEDIZIN UNTERSCHEIDET RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN WIE FOLGT,:

1. Autoimmunbedingte, entzündlich-rheumatische Erkrankungen

Rheumatoide Arthritis

(chronische Polyarthritis)

Spondylitis ankylosans

(Morbus Bechterew)

Psoriasis-Arthritis

Juvenile idiopathische Arthritis

Kollagenosen und Vaskulitiden

(Bindegewebserkrankungen und entzündliche

Gefäßerkrankungen)

o Lupus erythematodes

o Sklerodermie

o Sjögren-Syndrom

o Polymyositis und Dermatomyositis

o Mischkollagenose

2. Verschleißbedingte rheumatische Erkrankungen

Arthrosen

3. Stoffwechselstörungen mit rheumatischen Beschwerden

Gicht und andere Kristallablagerungskrankheiten

(metabolische Gelenkerkrankungen)

hormonelle, endokrine Gelenkerkrankungen

(wie bei Überfunktion der Nebenschilddrüsen, der Schilddrüse, bei Diabetes mellitus etc.)

Hämochromatose (Eisenstoffwechselstörung)

4. Rheumatische Erkrankungen der Weichteile

Fibromyalgie

(chronische Schmerzerkrankung des Gelenk- und Bewegungsapparates)

Sehnenansatzreizungen

(wie z.B. beim Tennisellbogen)

Karpaltunnelsyndrom

Schleimbeutelentzündungen

5. Chronische Knochenerkrankungen

Osteoporose

Osteomalazie


AUTOIMMUNBEDINGTE, ENTZÜNDLICH RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN

Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung und trifft Frauen häufiger als Männer. Bei RA spielt das Immunsystem eine große Rolle - und verrückt. Es erkennt körpereigene Strukturen nicht mehr als solche und greift sie an. Dabei haben es ihr insbesondere die Gelenke angetan: Die Gelenkinnenhaut wird attackiert und schwillt an. Es kommt zu Ergüssen und Entzündungen. In der Folge werden Knorpel, ggf. Knochen, Schleimbeutel, Sehnen und Co. geschädigt und verlieren ihre Funktion ganz oder teilweise. Die entzündeten Gelenke sind oft heiß und geschwollen. Insbesondere die „Morgensteifigkeit“ in den Händen ist ein Indiz für das Vorliegen von Rheumatoider Arthritis. „Morgensteifigkeit“ beschreibt den Umstand, dass vor allem deine Fingergelenke am Morgen, kurz nach dem Aufwachen, steif sind und sich die Beweglichkeit erst nach einer gewissen Zeit wieder einstellt. Die Rheumatoide Arthritis ist aber ein Nimmersatt. Sie begnügt sich nicht mit deinen Gelenken, sondern kann auch auf Muskeln, Gefäße und Organe übergehen.

Morbus Bechterew ist eine weitere Form von entzündlichem Rheuma. Sie fokussiert sich auf Schädel, Wirbelsäule und Brustkorb. Tritt insbesondere in dem Bereich der Wirbelsäule auf, der ins Becken übergeht. In der Folge können die entstehenden Entzündungen das Knochengewebe zerstören und es kommt zu Verknöcherungen. Morbus Bechterew tritt in Schüben auf, die die Schmerzen wie in Wellen aufflammen und abflachen lassen. Im Langzeittrend schreitet die Krankheit aber immer weiter voran, sodass sich die Wirbelsäule verformt und immer steifer wird. Daraufhin verändert sich deine Körperhaltung und damit deine Bewegungen. Die Entzündungen können auch auf auch andere Gelenke und Organe übergehen.

Auch die Kollagenosen werden von Störungen deines Immunsystems ausgelöst. Allerdings haben sich diese auf Bindegewebe, Blutgefäße und innere Organe spezialisiert. Insbesondere Nieren, Augen, Herz, Lunge, Verdauungs- und Nervensystem sowie die Haut sind beliebt beim vollkommen außer Kontrolle geratenen Immunsystem. Man unterscheidet die Kollagenosen wie folgt:

Lupus erythematodes

Gelenke (vor allem in Fingern, Händen und Knien) schmerzen und sind geschwollen, heiß und steif. Gegebenenfalls sind auch Muskeln und Sehnen betroffen. Vor allem im Gesicht (Wangen und Nasenrücken) treten starke Rötungen auf. Dazu kommen gegebenenfalls schuppige Hautauschläge am Körper. Du bist müde und abgeschlagen und fühlst dich krank. Außerdem gehören Haarausfall, Sonnenempfindlichkeit und Lymphknotenschwellungen zu den häufigsten Symptomen. Im Verlauf kann unbehandelter und aktiver Lupus Entzündungen an deinen Organen mit ziemlich weitreichenden Folgen hervorrufen.

Sklerodermie

Die systemische Sklerose verursacht eine Verhärtung der Haut. Insbesondere das Gesicht wirkt wie eine Maske. Mimik und Sprechen werden stark beeinträchtigt. Auch bei Sklerodermie sind Gelenkschmerzen und Entzündungen dein Begleiter. Zusätzlich kann es zur Beteiligung von Organen oder Veränderungen am Verdauungsapparat kommen.

Sjögren Syndrom

Neben den bei Rheuma allgegenwärtigen Gelenkschmerzen und Schwellungen betrifft das Sjögren-Syndrom insbesondere Speichel- und Tränendrüsen. Durch eine chronische Entzündung werden weniger Speichel- und Tränenflüssigkeit produziert, was zu Augentrockenheit, vermehrten Bindehautentzündungen, Mundtrockenheit und Schluckstörungen führt.

Polymyositis und Dermatomyositis

Bei der Polymyositis ist die Skelettmuskulatur entzündet, bei der Dermatomyositis zusätzlich die Haut. Deine Muskeln in Beinen und Armen werden immer schwächer und du hast oft so etwas wie einen leichten Muskelkater, während unser aller Freund, der Gelenkschmerz, insbesondere in den Fingern auftritt. Manchmal sind aber auch einzelne Organe beteiligt.

Mischkollagenose

In seltenen Fällen überlappen sich die Symptome von Kollagenosen und werden dann als Mischkollagenose diagnostiziert.

Bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) oder juvenilen chronischen Arthritis (JCA) handelt es sich um eine eigenständige Bezeichnung für rheumatische Erkrankungen, die vor dem 16. Lebensjahr entstehen.

VERSCHLEISSBEDINGTE RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN

Je älter wir werden, umso mehr nutzen sich unsere Gelenke ab. Wenn es zu Schäden der Knorpel kommt, spricht man von Arthrosen. In der Folge verursacht der Verschleiß Schmerzen bei Bewegung und Belastung. Am häufigsten sind Knie, Schulter, Sprunggelenke, Finger- und Zehengelenke betroffen. Du bist in deiner Beweglichkeit durch Schwellungen und Dauerschmerz stark eingeschränkt. Dabei ist Bewegung sehr wichtig: Durch ausreichende Bewegung kannst du nämlich selbst Einfluss auf die Krankheitsaktivität nehmen. Bei anhaltender Schonhaltung können sich die Gelenke dauerhaft verändern, was dazu führt, dass die Schmerzen im Krankheitsverlauf auch im Ruhezustand auftreten. Zusätzlich kann sich der Belastungsschmerz auch auf Sehnen ausbreiten. Durch Veränderungen der Gelenkstruktur können Gelenke instabil werden, Gelenkergüsse auslösen und die Gelenkhaut reizen – was wiederum zu Entzündungen führen kann.

STOFFWECHSELSTÖRUNGEN MIT RHEUMATISCHEN BESCHWERDEN

Gicht zählt zu den metabolischen Gelenk
erkrankungen. Dabei lagern sich Kristalle aus der Harnsäure im Gelenk ab, führen dort zu Entzündungen, Schwellungen und eingeschränkter Beweglichkeit. In der Folge kann es zu Verformungen und Gelenkschäden kommen. Die Kristalle aus einem erhöhten Harnsäurespiegel können sich aber auch in Gewebe und inneren Organen ablagern, im Verlauf so zum Beispiel zu Knötchen unter der Haut oder zu Nierenproblemen führen. Die Symptome von Gicht treten zu Beginn der Erkrankung schub- oder anfallsartig auf und verschlimmern sich erst ohne Behandlung von erhöhtem Harnsäurespiegel über wiederkehrende Gichtanfälle bis hin zu einer chronischen Erkrankung. Wird die Gicht chronisch, treten die Symptome auch zwischen den Schüben auf.

Bei den hormonellen, endokrinen Gelenkerkrankungen ist der Stoffwechsel von hormonbildenden Organen gestört. Die Drüsen arbeiten auf Hochtouren und es kommt zu einer Überfunktion. In deren Folge werden Hormone im Körper abgelagert, da es schlicht keine Verwendung für sie gibt. Das führt zu unterschiedlichsten Folgeerkrankungen, wie zum Beispiel zu verminderter Knochendichte, Knochenschwund und Nierensteinen (Überfunktion der Nebenschilddrüsen). Die Ablagerung der zu viel produzierten Stoffe kann zu Schmerzen und Entzündungen führen, die rheuma-ähnliche Beschwerden, insbesondere in betroffenen Gelenken, hervorrufen können.

Auch die Hämochromatose, eine seltene Störung im Eisenstoffwechsel, kann zu rheumatischen Beschwerden führen. Dein Körper ist bei der Hämochromatose ziemlich scharf auf Eisen und lagert es wie verrückt überall da ab, wo er Platz findet: Leber, Herz oder Gelenke sind beliebte Lagerflächen. Durch die Einlagerung kann es bei den betroffenen Organen zu massiven Schädigungen kommen, während die Gelenke mit entzündlichen Schwellungen und Schmerzen sowie in der Folge mit eingeschränkter Beweglichkeit reagieren.

RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN DER WEICHTEILE

Bei Fibromyalgie leidest du in erster Linie an Muskel- und Faserschmerzen und Missempfindungen. Gleichzeitig können bei diesem Schmerzsyndrom auch Erschöpfung und Schlaf- oder Magen-Darm-Probleme auftreten. Teilweise sind Gelenke oder Muskeln geschwollen. Während sich die Schmerzintensität im Tagesverlauf ändern kann und sich vor allem von Patient zu Patient sehr unterscheidet, sind sogenannte Tender-Points ein typisches Bild bei Fibromyalgie. Bei Tender-Points handelt es sich um 18 Druckpunkte, auf die du bei diesem Schmerzsyndrom besonders empfindlich reagierst und die dabei unterstützen, Fibromyalgie als solche zu diagnostizieren. Begleitet wird diese Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis darüber hinaus oft vom sogenannten Restless-Leg-Syndrom oder einer Reizüberempfindlichkeit, beispielsweise gegenüber Gerüchen. Auch Schleimbeutelentzündungen, Sehnenscheidenentzündungen Sehnenansatzreizungen und das Karpaltunnelsyndrom zählen zu den Erkrankungen mit rheumatischen Beschwerden.

CHRONISCHE KNOCHENERKRANKUNGEN

Bei Osteoporose verringert sich die Knochenmasse. Darum wird sie oft auch als Knochenschwund bezeichnet. Durch die veränderte Gewebsstruktur verliert das Skelett an Substanz, Stabilität und Elastizität. Das bedeutet, die Knochen brechen leichter. Auch die Wirbel werden instabiler und können sich verändern, was ggf. zu starken Einschränkungen bei der Beweglichkeit führen kann. Da auch der Auf- und Abbau der Knochen, wie alle Stoffwechselvorgänge in deinem Körper, ein hochkomplexer Prozess ist, kann eine kleine Hormonstörung bereits große Auswirkungen auf die Knochendichte haben. Daher sind in erster Linie Frauen nach der Menopause stark von Osteoporose betroffen. Allerdings können neben verschiedenen hormonellen Störungen auch die Einnahme von Medikamenten, Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt oder ein schlechter Lebenswandel Ursache oder Antrieb der Krankheit sein. Insbesondere Rheumapatienten haben ein erhöhtes Risiko, zusätzlich an Knochenschwund zu erkranken. Studien legen nahe, dass der Grund dabei unter anderem an sogenannten CCP-Antikörpern liegt, die die Bildung von knochenfressenden Zellen anregen und so den Knochen noch stärker schädigen.


...UND IN DER PRAXIS

Wissen allein reicht nicht. Und Wollen auch nicht. Anwenden und Tun sind die Game Changer

Wenn nun also schon dem geschulten Mediziner eine differenzierte Diagnose schwerfällt, obwohl er sich seit Jahren oder Jahrzehnten mit dem rheumatischen Formenkreis beschäftigt, wie sollst nun also du die Krankheit kennen lernen? Oder vielleicht auch: Warum? Nun, nicht nur eine rheumatische Erkrankung ist einzigartig. Auch du bist es. In Kombination ergeben sich unzählige Varianten, Modifikationen und Variablen hinsichtlich der richtigen Therapie oder dem Krankheitsverlauf. Dein Arzt kann zwar im Idealfall die Krankheit beim Namen nennen – damit aber eigentlich nur eine Aussage über die Charakteristik treffen.

Rheuma ist eine Wundertüte! So richtig weiß niemand, was du bekommst. Der Krankheitsverlauf ist von Patient zu Patient unterschiedlich und wird von unzähligen Faktoren beeinflusst. Wenn du deinem Arzt also helfen und die Krankheit verstehen lernen willst, musst du deinen Körper kennen lernen und genau zuhören.

DAS SCHMERZTAGEBUCH

Ich empfehle dir im ersten Schritt, ein Schmerztagebuch zu führen. Wie der Name vermuten lässt, kannst du darin jeden Tag notieren, wie stark deine Schmerzen sind und auch, wo du Schmerzen hast. Sind mehrere Gelenke betroffen oder nur vereinzelte? Waren die Schmerzen im Tagesverlauf gleichbleibend oder haben sie sich verändert? Wie hast du dich allgemein gefühlt? Ich empfehle dir darüber hinaus, noch weitere Informationen aufzuschreiben: Welche Medikamente hast du genommen? Wie war deine Stimmung? Hattest du Stress? Hast du viel geschlafen? Hast du dich viel bewegt? Ist etwas Besonderes passiert? Was hast du gegessen? Und hast du ausreichend getrunken? Vielleicht erscheint dir das jetzt noch sehr zusammenhanglos – aber vielleicht kannst du für dich ein Muster erkennen. Einen Trend. Vielleicht gibt es Zusammenhänge, die sich erst zeigen, wenn du nach ein paar Wochen noch einmal nachliest. Deinem Arzt wird deine persönliche Analyse in jedem Fall helfen, sich einen besseren Überblick über deinen Krankheitsverlauf zu verschaffen.

DER ARZTTERMIN

Die klassische Behandlung von Rheuma umfasst in erster Linie eine Medikation mit Cortison, Antirheumatika, Analgetika und Basismedikamenten wie Immunsuppressiva oder Biologicals. Die medikamentöse Therapie gilt bei Rheuma eigentlich als die einzige, wirklich wirksame Therapie und eine Basismedikation als unumgänglich. Das möchte ich an dieser Stelle auch so stehen lassen und gar nicht untergraben. Ich muss allerdings sagen, dass sich der Weg mit NSAR, Kortikoiden, MTX, Sulfasalazin, DMARD, TNF-alpha-Blockern und Co. für mich nicht richtig anfühlte (zumal meine Entzündungen, Schwellungen und Schmerzen trotz Medikation nicht zurückgingen und die Gelenkzerstörung immer weiter fortschritt). Ich möchte dir aber ganz klar zu verstehen geben, dass mein Weg ohne Basismedikation nicht der Richtige für jeden ist! Ich habe das unsagbare Glück, durch meine Ernährung, mein Mindset und eine achtsame Lebensweise derart positiven Einfluss auf meine Erkrankung nehmen zu können, dass ich vorerst auf Medikamente verzichte. Das heißt aber nicht, dass ich nicht regelmäßig bei meiner Rheumatologin sitze, meine Blutwerte kontrolliere und insbesondere meinen Entzündungswert sehr genau beobachte! Ich bin sehr konsequent. Ich habe erkannt, was mir guttut und weiche davon nicht ab, solange ich dafür im Umkehrschluss keine Tabletten nehmen muss. Ich hoffe, dass dieser Zustand sehr lange anhält – auch wenn es dafür keine Garantie gibt. Rheuma ist und bleibt nun mal unheilbar… Ich habe diese Entscheidung für mich getroffen und bin mir durchaus bewusst, welche vermeintlichen Risiken der vorsätzliche Verzicht auf medikamentöse Behandlung mit sich bringt. Mir ist klar, dass ich vielleicht irgendwann nicht mehr umhinkomme. Ich nehme dieses Risiko aber bewusst in Kauf und glaube fest daran, dass jeder Tag, jeder Monat und jedes Jahr ohne Chemie meinem Körper guttut – so lange das Rheuma nicht aktiv ist und sich ruhig verhält.

Bitte verstehe mein Vorgehen nicht als Aufforderung, deine Medikation abzusetzen! Es soll in diesem Buch nicht darum gehen, die Pharmaindustrie schlecht zu reden oder die Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie in Frage zu stellen. Ich möchte dir einfach zeigen, welche Macht deine Lebensweise hat und welchen Einfluss du nehmen kannst. Egal, ob du Medikamente nimmst – oder nicht.

Grundsätzlich finde ich aber, dass man ruhig kritisch hinterfragen darf – oder vielleicht sogar sollte. Gerade dann, wenn es um die medikamentöse Behandlung einer Krankheit wie Rheuma geht. Es geht um deinen Körper. Um deine Gesundheit. Und auch um deine Nebenwirkungen. Du selbst musst eventuelle Langzeitschäden einer Medikation mit potenziellen Langzeitschäden einer unbehandelten rheumatischen Erkrankung abwägen. Du darfst verunsichert sein. Und ein wenig Angst ist auch normal. Nicht nur vor der Zukunft mit Rheuma, sondern auch vor eventuellen Folgen der Behandlung. Für deinen Arzt bist du, so traurig es ist, oft einer von vielen. Während die Diagnose Rheuma für dich ein einschneidendes Erlebnis darstellt und unendlich viele Fragen und Unsicherheiten aufwirft, ist es für deinen Arzt Tagesgeschäft. Man bekommt oft das Gefühl vermittelt, eine Nummer und kein Mensch zu sein. Und so selbstsicher ich vielleicht auch wirke, im Behandlungsraum wurde ich oft ganz kleinlaut. Heute habe ich das Glück, eine tolle Ärztin gefunden zu haben, die sich wirklich Mühe und mir damit das Gefühl gibt, mich und meine Ängste ernst zu nehmen. Vor allem nimmt sie sich Zeit. Als Kassenpatient bei Spezialisten keine alltägliche Behandlung.

Das war aber nicht immer so. Mir hat es daher sehr geholfen, gut vorbereitet zu Arztterminen zu gehen. Damit meine ich ein paar kleine Kniffe, mit denen du die kurze Zeit, die dein Arzt für dich da sein kann, optimal nutzt:

Wer schreibt der bleibt!

Ein ziemlich ausgelutschtes Sprichwort, ich weiß. Aber es steckt so viel Wahrheit darin! Wie oft habe ich vor meinem Arzt gesessen, freundlich gelächelt und nur die Hälfte von dem verstanden, was mir gerade erklärt wurde. Angefangen bei Fachbegriffen bis hin zu beiläufig erwähnten Informationen oder Empfehlungen. Wie oft konnte ich zu Hause nur die Hälfte von dem wiedergeben, was bei dem Arzttermin besprochen wurde. Weil ich zu aufgeregt war. Und zu ängstlich, um nachzuhaken, wenn ich etwas nicht verstand.

Mir hat es sehr geholfen, ein kleines Notizheft und einen Stift mitzunehmen. Darin habe ich einfach mitgeschrieben, was der Arzt erzählte. Wie sich nachher herausstellte, oft in Lautschrift, die so überhaupt nichts mit der tatsächlichen Schreibweise zu tun hatte. Aber ich konnte Begriffe wie „Fosfolitsyndrom“ (=Anti-Phospholid-Syndrom) oder „Nicht-Stereo-folistika“ (=Nicht-steroidale Antiphlogistika) zu Hause in aller Ruhe recherchieren – und verstehen. Selbst bei meiner aktuellen Ärztin habe ich mein Büchlein immer dabei. Für den Fall der Fälle.

Fragen kostet nichts!

Das gleiche Büchlein kommt auch bei der Vorbereitung auf meinen Termin zum Einsatz. Warum? Hier ein kleines, alltägliches Beispiel:

Mann: „Denk daran, die Ärztin nach xy zu fragen!“

Ich: „ Ja klar – weiß ich doch!“

Arzttermin

Mann: „Und, was hat die Ärztin zu xy gesagt?“

Ich „Verdammt – hab ich vergessen zu fragen!“

Ein halbes Jahr später, beim nächsten Termin, hat dann aller Wahrscheinlichkeit nach jeder von uns beiden die Frage komplett vergessen…

Das Aufschreiben von Fragen für das Arztgespräch hat gleich mehrere Vorteile. Für mich am wichtigsten ist die Sicherheit. Die Sicherheit, keine Fragen zu vergessen. Die Sicherheit, mich an etwas festhalten zu können. Und die Sicherheit, dass ich mir auch die Antworten gleich aufschreiben kann, ohne Angst haben zu müssen, in der Aufregung etwas zu vergessen. Außerdem sammelst du alle Informationen aus den Arztterminen an einer Stelle. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht – aber lose Blattsammlungen sind mein Untergang. Niemals, und damit meine ich wirklich niemals, würde ich vom Arzttermin nach Hause kommen und ein Blatt mit den Fragen und Antworten fein säuberlich in einen eigens dafür vorgesehenen Ordner abheften. Vermutlich würde das Blatt in meiner viel zu großen Handtasche vor sich hinvegetieren, bis es bis zur Unkenntlichkeit zerknittert als verblichenes Knäuel im Papiermüll landet. Ein kleines Büchlein hat den Vorteil, dass es auch harte Zeiten in der Handtasche ohne größere Verluste übersteht und obendrein zu Hause sehr viel schneller wieder auffindbar ist (sollte man sich nicht mehr unbedingt so ganz genau erinnern, wo man es das letzte Mal gesehen hat. Ich habe gehört, es soll ja Menschen geben, die permanent auf der Suche nach ihren Brillen, Schlüsseln und Dokumenten sind…*hüstel).

Ehrlich währt am Längsten!

Sprich bei deinem Arzt alles an. Sei offen und verschweige nichts. Mach nicht den gleichen Fehler wie ich und setze heimlich deine Medikamente ab, weil du Angst vor der Reaktion hast. Jetzt mal ehrlich: Was soll denn passieren?

Das Verhältnis zwischen dir und deinem Arzt sollte von Vertrauen geprägt sein. Das bedeutet nicht nur, dass du deinem Arzt vertrauen musst, dass er die bestmögliche Therapie für dich findet, sondern dass dein Arzt auch dir vertrauen muss. Darauf, dass du ihm alle Informationen gibst, die er braucht, um eben diese Therapie zu finden. Wenn du zum Beispiel jeden Tag 5 mg Cortison nehmen sollst, deine Dosis aber eigenständig auf 10 mg erhöhst, weil du es sonst nicht aushältst, deinem Arzt aber nichts davon erzählst – wem bringt das was? Dein Arzt geht davon aus, dass die von ihm verordnete Therapie anschlägt und wird den gleichen Stiefel weiter fahren. Dir geht es aber eigentlich gar nicht besser – im Gegenteil!

Dein Arzt ist auf die Informationen angewiesen, die du ihm gibst. Wenn er dich fragt, wie stark deine Schmerzen auf einer Skala von 1-10 sind und sie liegen gefühlt bei 11 – dann sag das auch genauso! Scham oder… nennen wir es falsche Bescheidenheit sind hier vollkommen fehl am Platz! Sei realistisch, untertreibe aber übertreibe nicht. Füge nichts hinzu – aber lasse auch nichts weg.

Teile deinem Arzt deine Sorgen mit. Nimm ihn mit ins Boot und sieh ihn als Partner, als Weggefährten oder Wegbereiter. Nimm seine Hilfe an – aber behalte deine eigene Meinung, deinen eigenen Standpunkt und diskutiere eventuell auch unterschiedliche Ansichten aus. Ein guter Arzt wird dich niemals zu etwas zwingen, sondern dich mit seiner Erfahrung überzeugen. Und wenn er deine Zweifel nicht ausräumen kann, findet ihr gemeinsam bestimmt einen anderen Ansatz.


KENNE DICH SELBST

Benutze deinen Scharfsinn nicht nur, um äussere Umstände zu verstehen. Schaue auch auf dich

Dem Thema Rheuma kann man sich also ziemlich klassisch nähern. Es gibt zahllose Quellen, die dich mit Informationen füttern. Das Internet lädt zum Recherchieren ein, dein Arzt steht Rede und Antwort. Du kannst deine Krankheitsaktivität beobachten, notieren und auswerten und so nach und nach immer mehr über die Krankheit erfahren.

Wie aber lernt man sich selbst kennen? Es gibt keinen Wikipedia-Eintrag über meine Gefühlswelt. Keine wissenschaftliche Veröffentlichung zu meinem Charakter, meinem Lebensweg und meiner Fähigkeit, mit Krisenzeiten und Konfliktsituationen umzugehen. Ich kann in keiner Datenbank der Welt nachlesen, wie hoch mein Resilienz-Score ist, ob meine innere Haltung eine ideale Bewältigungsstrategie gewährleistet oder wie ich mit Stress umgehe.

Der einfachste Weg ist, Fragen, die man eigentlich anderen stellen würde, selbst zu beantworten. Eine Art Small Talk mit dem eigenen Ich zu beginnen. So hat es zumindest mir geholfen, überhaupt mal in mich hineinzuhorchen und mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich schrieb mir Fragen zu meinem Innersten auf und beantwortete sie mir selbst. Das klingt seltsam, aber lass dir gesagt sein, dass sich die meisten Menschen wirklich schwer damit tun, die richtigen Antworten zu finden. Wobei – die richtigen Antworten gibt es bei dieser Sache ja nicht. Sagen wir lieber, ehrliche Antworten zu finden. Ich habe nämlich erkannt, dass sich kaum jemand wirklich die Zeit nimmt, sich selbst wahrzunehmen. Umso schwerer fallen dann offene, vielleicht auch kritische, aber dafür offenbarende Antworten auf Fragen nach dem eigenen Ich. Dem Inneren. Nach dem, was dich eigentlich ausmacht. Genau hinzusehen kann unbequem sein. Aber auch positiv und überraschend.

Und warum ist das so wichtig? Lass es mich so ausdrücken: Genauso wie jeder von uns verschiedene Talente hat, hat auch jeder von uns andere Stärken und Schwächen. Was bringen dir aber deine Fähigkeiten, dein Können und dein Wille, wenn du dein Potenzial nicht anwenden kannst? Eigentlich möchte ich sogar noch ein Stück weiter gehen und sagen, dass es fast schon etwas mit der eigenen Wertschätzung zu tun hat. Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis sind in meinen Augen das Fundament für einen respektvollen Umgang mit sich selbst.

Glaube mir: Gerade in Bezug auf eine chronische Erkrankung, die mit Schmerzen und Sorgen einhergeht, ist es umso wichtiger, die eigene Mitte zu finden. Bei sich zu sein. Und vor allem: Wieder in die eigene Mitte zurück zu finden, wenn es dich aus der Bahn wirft. Ohne den Blick auf dich, ohne zu wissen, wer du bist und was dir guttut, kannst du nur nach dem Gießkannenprinzip arbeiten. Das heißt, du verpulverst mehr oder weniger ergebnislos Energie und Zeit, da du eigentlich überhaupt nicht weißt, ob dein Verhalten, dein Vorhaben oder deine Reaktion irgendetwas bringen. Du lässt dich als einer von vielen berieseln, machst das, was alle tun, ohne zu wissen, ob nicht etwas ganz anderes für dich der individuell bessere Weg wäre. Ob nicht eher eine gezielte Handlung hier oder eine bewusste Veränderung dort den eigentlichen Mehrwert für dich bringen würden. Daraus resultiert irgendwann eine regelrechte Resignation und dieses „Ach – das bringt ja eh alles nichts“ – Denken. Natürlich bringt es nichts! Weil du mit ein paar Glückstreffern aus willkürlichem Verhalten heraus auch niemals echte Fortschritte machen kannst. Und eigentlich noch viel schwerwiegender: Du lernst auch nicht dazu. Kannst deine Erfahrungen nicht in künftigen Situationen anwenden, weil du den Zusammenhang nicht erkennst. Weil du dich selbst nicht kennst.

Ich lade dich also ein, dir Zeit zu nehmen und die folgenden Fragen für dich zu beantworten. Sei ehrlich und aufrichtig zu dir selbst und höre genau in dich hinein. Schreib deine Antworten ruhig auf. Ich finde, dadurch fühlt es irgendwie echter an. Realer.

Ich kenne dich nicht – aber kennst du dich?


...IM AUSSEN


WAS SIND MEINE STÄRKEN?

Wirklich starke Menschen sind sich ihrer Stärke bewusst

Eine der gefürchtetsten Bewerbungsfragen. Es gibt die klassischen Antworten wie „Ich bin flexibel, belastbar und teamfähig“. Nur bei den wenigsten trifft das zu. Eine solche Frage nach den eigenen Stärken ehrlich zu beantworten, fällt, glaube ich, deswegen so schwer, weil man unvermittelt immer glaubt, anzugeben. Sich selbst hervorzutun. Gleichzeitig fühlen sich Stärken oft gar nicht wie solche an, weil man sie für selbstverständlich hält. Schließlich ist man ja nichts Besonderes. Es liegt aber ein kleiner, feiner Unterschied zwischen arrogantem Fishing-for-Compliments und selbstbewusstem Auftreten. Zwischen Überheblichkeit und einem positiven Selbstwertgefühl. Selbstgefälligkeit und ehrlicher Selbstachtung. Seine eigenen Stärken zu kennen ist elementar. Sie zeigen dir, welche Situationen du nicht zu fürchten brauchst. Weil du ihnen gewachsen bist.

Sollte ich dir drei meiner Stärken nennen, wären das folgende:

Ich kann mich gut ausdrücken. Meine Kommunikation ist klar und deutlich und ich bin in der Lage, mich differenziert zu erklären. Verbale Konfliktsituationen scheue ich nicht, da ich argumentativ meist recht gut aufgestellt bin.

Ich trage gerne Verantwortung. Ich treffe klare Entscheidungen und behalte den Überblick. Ich kann komplexe Situationen strukturieren und schnell auf Unvorhergesehenes reagieren.

Ich bin Autodidakt und in der Lage, Neues eigenständig zuerarbeiten. Ich interessiere mich auch für vieles und lerne gern. Ich informiere mich gerne selbst und vertraue selten auf Hörensagen oder das, was mir andere Leute erzählen.

Im Umgang mit der Erkrankung hat mir mein persönliches Stärkenprofil dahingehend geholfen, dass ich klare Fragen stellen und mich im Nachgang über die Antworten informieren konnte. Ich habe gelernt, mich nicht abspeisen zu lassen, sondern mir einen Wissensgrundstock aufgebaut, der es mir erlaubte, genauer nachzufragen. Der mich, ich will jetzt nicht sagen auf Augenhöhe mit meiner Ärztin gebracht hat, aber der mich doch Einfluss in die Behandlung der Krankheit hat nehmen lassen. Weil ich die Verantwortung eingefordert habe.

Was sind deine Stärken?


WAS ICH IN MEINEM LEBEN GERNE UNGESCHEHEN MACHEN WURDE

Oder: Wer wären wir ohne unsere Erfahrungen

Ich bin mir fast sicher, dass du beim Lesen dieser Frage sofort an eine bestimmte Situation oder eine Erfahrung denken musstest, die du gerne vermieden hättest. Ich glaube kaum, dass es jemanden gibt, der nicht unmittelbar an einen konkreten Punkt auf der eigenen Zeitachse zurückreisen und dem nicht unvermittelt etwas Bestimmtes in den Sinn kommen würde. Aber ich bitte dich, kurz darüber nachzudenken. Würdest du es wirklich ungeschehen machen? Angefangen bei der kleinen Lüge, die sich im Nachhinein zum ganz großen Drama entwickelt hat: Hättest du den Wert des Menschen, den du verletzt hast oder die Beziehung, die daran zugrunde ging, anders zu schätzen gewusst? Bis zum großen Schicksalsschlag, der dir den Boden unter den Füßen weggerissen und dich gezwungen hat, mit Schmerz und Trauer umzugehen – um stärker und gefestigter daraus hervor zu gehen.

Ich weiß, wovon ich rede. Das Leben hat mir viele sehr schmerzhafte Lektionen erteilt. Aber ich hatte immer die Wahl: aufgeben – oder kämpfen. Du ahnst es vielleicht, aber ich bin eher so der Kämpfertyp. Meine Oma hat mal zu mir gesagt: „Glaub mir, Julchen. Der liebe Gott gibt dir nur das, was du auch tragen kannst.“ Und egal, ob ich nun Kirchensteuer zahle oder nicht – dieser Satz hat mich immer über Wasser gehalten und mich durch einige harte Zeiten getragen.

Ich wäre nicht der Mensch, nicht der Charakter, der ich heute bin, hätte ich einen anderen Weg eingeschlagen, oder würde ich irgendetwas in meinem Leben ungeschehen machen. Das heißt nicht, dass ich auf alles stolz bin, was ich gesagt, getan oder gedacht habe. Aber ungeschehen und damit ohne Konsequenzen, wüsste ich es vermutlich nicht besser und würde es genauso wieder tun. Und all die Schicksalsschläge? Jede Erfahrung auf deinem Lebensweg zwingt dich zur Weiterentwicklung deiner Persönlichkeit. Lässt dich wachsen – manchmal über dich selbst hinaus.

Auch wenn es wehgetan hat, mich noch immer traurig macht und ich mir nicht selten einen anderen Ausgang gewünscht hätte – am Ende hat mich mein Leben geformt, mich und meine Wert- und Moralvorstellungen geprägt und zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und den, ich finde das darf man auch mal sagen, finde ich eigentlich ganz gut.

Was würdest du in deinem Leben gerne ungeschehen machen?


WAS ERWARTE ICH VOM LEBEN?

Zwischen zu viel versprechen und zu wenig erwarten existiert das Land der echten Träume

Wenn du das erste Mal darüber nachdenken solltest, was du vom Leben erwartest, fällt dir vielleicht spontan gar nicht so viel ein. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass wir in unserem Alltag derart eingespannt sind, oft nur noch funktionieren und unser Ding abspulen, dass wir eigentlich gar nichts erwarten. Oder zumindest glauben wir das. Wir sind so damit beschäftigt, die Erwartungen anderer zu erfüllen, dass wir uns selbst gar nicht richtig wahrnehmen. Hör noch einmal genau in dich hinein: Rumpelt da nicht doch etwas in der hintersten Kiste? Da! Ganz oben im Regal, in der letzten Ecke. Da, wo du die Träume versteckst, die du nicht zu träumen wagst. Neben den Hoffnungen und Wünschen, die du verstauben lässt? Trau dich, mach die Kiste auf! Was erwartest du vom Leben? Und wenn du gerade dabei bist: Was erwartest du eigentlich von dir?

Wenn ich ganz ehrlich sein soll, war mein erster Impuls auf diese Frage ein müdes Lächeln mit der Antwort: „Ich warte auf die nächste Katastrophe.“ Tatsächlich war es in der Vergangenheit oft so, dass ein Fiasko nach dem anderen über mich kam. Und wie der letzte Ausbruch des Supervulkans im Yellowstone Nationalpark, der in den USA schon längst überfällig ist, warte auch ich schon viel zu lange auf den nächsten Supergau. So lange, dass ich mir fast zugestehe, meine Kiste mit all den Scherben, den Zukunfts- und Verlustängsten auf die Seite zu schieben, um einen Blick auf die ganz tief vergrabene, noch heile Kiste zu werfen. Die eine, mit meinen Erwartungen. Sie ist ziemlich leicht. Ich erwarte nicht viel. Ich erwarte Chancen und Möglichkeiten. Ich erwarte, dass mich mein Leben überrascht und sich immer wieder neue Wege auftun. Gleichzeitig erwarte ich aber von mir selbst ziemlich viel!

Ich erwarte, dass ich meinen Idealen immer treu bleibe. Dass ich die Perspektiven, die mein Leben mir bietet, erkenne und vor allen Dingen nutze. Dass ich keine Angst habe, neue Wege zu gehen und dass ich mein Leben so gestalte, wie es sich für mich richtig anfühlt. Dass ich mein Leben liebe und genieße, egal, was es für mich bereithält. Und vor allem egal, was andere von mir erwarten.

Was erwartest du vom Leben?


WER ODER WAS HAT BEI MIR DIE HöCHSTE PRIOrität?

Unsere Handlungen könnten da Aufschluss geben

Wenn du zehn Leute nach ihren Prioritäten fragst, würdest du vermutlich zehn verschiedene Antworten bekommen. Fast nichts ist so individuell, wie die Prioritäten, die du in deinem Leben setzt. Gerade die aktuellen Prioritäten verändern sich mit jedem Tag und können morgen schon ganz andere sein als heute. Bedingt durch die Lebensphase, in der du dich befindest, das Problem, das gestern noch nicht da war oder den Haken, den du heute Morgen an eine Sache gemacht hast. Neben der Dringlichkeit spielen aber auch deine ganz persönlichen Wünsche und Visionen, deine Gefühle, Träume und auch deine Motivation eine Rolle. Das heißt, nur wenn du dich selbst wirklich kennst, wenn du dir deiner sicher bist und weißt, was dich ausmacht, kannst du deine Präferenzen für diesen Moment und die langfristigen Prioritäten auch klar formulieren. Weil du deine Ziele kennst und weißt, wofür dein Herz schlägt.

Wenn du Prioritäten setzen kannst, weißt du, was du willst und was dir wichtig ist. Und zwar sowohl jetzt im Moment als auch auf lange Sicht. Weil du deine Optionen kennst, Verantwortung übernimmst und eine Entscheidung triffst. Dadurch legst du den Fokus auf dich selbst, auf deine Wünsche und lässt nicht zu, dass dein Umfeld dich fremdbestimmt. Generell habe ich festgestellt, dass Prioritäten etwas fast schon Intimes haben. Die Art und Weise, wie du deine Prioritäten setzt, nach welchen Maßstäben du sie festlegst und auch mit welchem Nachdruck du daran festhältst, spiegeln deine innersten Wertvorstellungen wieder – vielleicht ohne, dass es dir selbst bewusst ist.

Ich selbst hatte eigentlich nie Probleme damit, meine Prioritäten ganz klar zu formulieren und dafür einzustehen. Ich weiß sehr genau, wer ich bin und was mir wichtig ist. Ich glaube, ich bin recht gefestigt und selbstreflektiert, was die Sache mit den Prioritäten in Kombination mit einer gewissen Entschlussfreudigkeit natürlich wesentlich vereinfacht. Ich bin kein wankelmütiger Typ. Umso schwerer fällt es mir daher oft, anderen Leuten dabei zuzusehen, wenn sie wie ein Fähnchen im Wind vollkommen prinzipienlos umherirren und eigentlich gar nicht so genau wissen, was ihnen wirklich wichtig ist und wofür es sich in ihren Augen zu kämpfen lohnt. Diese heute-so-morgen-so-Mentalität ist einfach nicht meins. Wenn etwas bei mir Priorität hat, dann gibt es daran nur selten etwas zu rütteln. Sowohl bei den großen Dingen wie dem Stellenwert von Familie, Freunden oder meiner Gesundheit, als auch bei den vermeintlich kleinen Stellschrauben wie meiner wöchentlichen Yogastunde, die ich nur im äußersten Notfall ausfallen lasse. Weil sie mir guttut. Weil sie mich erdet. Und weil ich ganz bei mir sein kann.

Im Moment genießt auch dieses Buch bei mir eine sehr hohe Priorität. Es ist mir wichtig, dir möglichst viel mitzugeben. Ich möchte neue Impulse bei dir setzen und dir einen echten Mehrwert bieten. Dafür stelle ich aktuell ziemlich viel hinten an. Ich werde dafür belächelt und nur wenige glauben daran, dass ich dieses Projekt wirklich beende – geschweige denn, dass es ein Erfolg wird. Aber ich kann dir gar nicht sagen, wie egal mir das ist. Ich möchte helfen, inspirieren, Mut machen – und wenn mir das nur bei ein paar wenigen gelingt, ist das Erfolg genug für mich. Irgendwie hat sich das Projekt zu einer richtigen Herzensangelegenheit entwickelt.

Wer oder was hat bei dir höchste Priorität?


WOBEI KANN ICH KRAFT TANKEN?

Tatsächlich kann die Seele deinem Körper unglaublich viel Kraft geben

Es gibt eine Menge Ratgeber, die dich darüber informieren, wie du den Energie-Booster zündest und deine Reserven auffüllst. Es mangelt nicht an Tipps für Entspannungsübungen oder Ideen zum Krafttanken. In meinen Augen steht dir ein wahrer Fundus an Inspiration zur Verfügung, der dich wie eine Art Wünschelrute leiten und dir dabei helfen kann, deine ganz persönliche Kraftquelle aufzuspüren. Allerdings: Eine Wünschelrute ist und bleibt in den Händen der meisten Menschen einfach nur ein Stock mit zwei Enden. Du musst dich öffnen und hinhören, was du brauchst. Niemand anders kann dir nämlich sagen, ob nun Yoga dein Ding ist. Ob ein gutes Buch, ein bestimmter Song, ein Spaziergang oder ein Power-Lauf deine Reserven auffüllen. Ob ein heißes Bad, ein Abend mit deinen Liebsten oder eine Meditation dein Weg sind. Wichtig ist, dass du es herausfindest. Dass du erkennst, was dir guttut und es auch anwendest, wenn es dir schlecht geht. Am besten, bevor der Akku komplett leer ist.

Das ist im Übrigen eine meiner großen Baustellen: Ich habe sehr lange gebraucht, meine eigenen Grenzen zu erkennen – und zu akzeptieren. Heute weiß ich, auf welche Signale ich achten muss. Und noch wichtiger: Ich weiß, was ich tun muss, um gar nicht erst vollkommen entkräftet zusammenzubrechen. Dabei kommt es immer darauf an, was mir gerade guttut. Aber grundsätzlich hilft mir am meisten, mich auf mich selbst zu konzentrieren, mir Zeit für mich zu nehmen. Egal, ob das nun in meinen stressigen Alltag passt oder nicht. Ich bin mir (wieder) wichtig und gönne mir den Luxus, mit Leidenschaft Dingen nachzugehen, für die mein Herz brennt. So kann ich wunderbar abschalten, wenn ich mich mit Kalligrafie beschäftige oder mit Kunst. Ich kann stundenlang mit der Kamera umherstreifen und mich treiben lassen. Obwohl (oder gerade weil?) ich ein recht lauter Mensch bin, füllt auch Ruhe meine Kraftreserven wieder auf. Eine halbe Stunde mit Atemübungen, Yoga oder Meditation wirkt wahre Wunder!

Ich möchte dir an dieser Stelle noch eine wesentliche Erkenntnis mit auf den Weg geben: Probleme lösen sich leider nicht einfach in Wohlgefallen auf. Aber wenn du dir eine kleine Auszeit nimmst, durchatmest und Luft holst, verlieren sie ein wenig an Gewicht.

Jeder Mensch braucht ab und zu eine Pause. Auch (oder vielleicht gerade) Menschen wie du und ich. Du darfst dir erlauben, auch mal Schwäche zu zeigen! Lasse die Tränen zu, wenn dir einfach alles zu viel wird. Schrei die Wut heraus, wenn du sie nicht mehr zurückhalten kannst und gestehe dir zu, auch mal traurig und müde zu sein. Finde heraus, wie du am besten regenerieren kannst und dann gehst du weiter. Schritt für Schritt.

Wobei kannst du Kraft tanken?


...UND IM INNEN


MIT WELCHEN EIGENSCHAFTEN WüRDEN MICH ANDERE BESCHREIBEN?

Denn: Mit deinem Charakter multiplizierst du deine Fähigkeiten

Natürlich kommt es immer darauf an, wen du fragst. Naturgemäß würden deine Eltern dich anders beschreiben als dein Lebenspartner oder deine besten Freunde. Deswegen ist die Frage ja so spannend. In jeder Konstellation erfüllt man andere Aufgaben und zeigt andere Wesenszüge. Bei deinen Eltern wirst du zum Beispiel immer Kind sein, bei deinem Partner immer Geliebte/r und bei deinen Freunden eben immer Freund.

DIE ELTERN

Die Augen deiner Eltern sind die mit dem größten Weichzeichnungseffekt. Positiv wie negativ. Ich bin kein Psychologe, aber ich glaube, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind wohl die komplexeste ist, die wir im Leben eingehen. Eltern beeinflussen dich von deinem ersten Atemzug an und prägen dich. Formen dich. Sie kennen dich, seit du deinen ersten Schrei getan hast und waren dein Leben lang dein Wegbegleiter. Sie können versuchen, deine Wesenszüge in gewisse Bahnen zu lenken, aber grundlegende Charaktereigenschaften bleiben immer bestehen. Was würden sie über dich sagen?

Meine Mutter müsste, glaube ich, ein wenig überlegen, weil sie mich (Gott sei Dank) grundsätzlich ziemlich gut findet. Es fällt mir schwer, zu beurteilen, welche Charaktereigenschaft sie als erstes nennen würde, um mich zu beschreiben. Ich glaube selbstbewusst. Sie sagt immer „Dass dir das nichts ausmacht“ oder „Ja, für dich ist das kein Problem“, wenn es darum geht, vor anderen Leuten zu sprechen oder mich zu behaupten. Das war im Übrigen schon in der Grundschule so: In meinen Zeugnissen der ersten und zweiten Klasse steht in akkurater Handschrift meiner Klassenlehrerin: „Daniela integriert sich sehr gut in die Klasse und beteiligt sich aktiv an der Klassengemeinschaft. Leider ist sie noch immer nicht in der Lage, sich an vereinbarte Gesprächsregeln zu halten.“ Ja, das fällt mir auch heute noch schwer. Während meine Eltern eher von der zurückhaltenden Sorte sind, ging es bei mir schon immer nach vorne. „Hier bin ich!“ Ich hatte noch nie Angst davor, gesehen zu werden.

DER PARTNER

Nicht weniger komplex ist die Frage, wie dein Partner dich sieht und welche deiner Eigenschaften er als allumfassendste ansehen würde. Im Idealfall befindest du dich in einer gesunden Beziehung, die von Akzeptanz, Gleichberechtigung, Vertrauen und Liebe geprägt ist. Trotzdem spielt auch die Phase, in der ihr euch befindet, eine Rolle: Seid ihr frisch verliebt und tragt diese herrlichen rosaroten Brillen, die alle Ecken und Kanten wegretuschieren? Oder seid ihr schon im Alltag angekommen, seht den anderen realistisch? Schwierig wird es, wenn ihr mit Hornbrille dasitzt, festem Dutt und verkniffenem Mund, um mit spitzem Bleistift jede vermeintliche Kante des Partners nachzuschärfen. Das würde euch den Blick auf das Wesentliche versperren.

Mein Mann und ich kennen uns mittlerweile 15 Jahre. Wir sind also weit von rosaroten Brillen entfernt. Ich weiß gar nicht, ob wir sie jemals wirklich aufhatten, weil wir lange Jahre „nur“ beste Freunde waren, bevor sich mehr entwickelte. Ich würde unsere Beziehung als sehr gefestigt beschreiben, ohne Angst, genauer hinzusehen. Ich glaube, mein Mann wäre durchaus in der Lage, meinen Charakter ehrlich und realistisch zu beschreiben. Die für ihn wesentlichste meiner Eigenschaften ist dabei, denke ich, Stärke. Keine physische Kraft (wie gesagt, scheitere ich an den meisten Einmachgläsern), sondern emotionales Rückgrat, Entschlossenheit und die Fähigkeit, auch die letzten Kraftreserven zu mobilisieren, wenn es um die Menschen geht, die ich liebe.

DIE FREUNDE

Zu den Menschen, die ich liebe, zähle ich auch meine Freunde. Und davon gibt es nicht viele. In meinen Augen verändert sich die Definition von Freundschaft, je älter man wird. Damit einhergehend reduziert sich automatisch die Anzahl derer, die man als wirklich enge oder beste Freunde bezeichnet. Leben entwickeln sich unterschiedlich. Unterschiedlich schnell, in unterschiedliche Richtungen, manchmal sogar auf unterschiedliche Kontinente. Eine emotionale Bindung wie echte Freundschaft übersteht aber auch die größte Entfernung oder die verrücktesten Biografien. Ich wünsche dir, dass du eine Handvoll Menschen in deinem Leben hast, bei denen du wirklich sein kannst, wie du bist. Und die bedingungslos hinter dir stehen – wie die Familie, die man sich ausgesucht hat. Die Frage ist also, was diesen Menschen, die dich durch deine tiefsten Täler getragen, mit dir die wildesten Partys und deine größten Erfolge gefeiert haben, einfällt, müssten sie sich auf eine deiner Eigenschaften festlegen.

Ich glaube, meine Freunde schätzen meine Loyalität und Ehrlichkeit. In jeder Gruppe gibt es ja verschiedene Rollen, die dem Einzelnen aufgrund seiner Individualität zugeteilt werden. Das geschieht vollkommen unbewusst. Meine Rolle ist definitiv, dass man mich anruft, wenn man eine ehrliche Antwort haben möchte. Ich bin kein Tröster – diese Rolle übernimmt in unserer Gruppe jemand anders. Mich ruft man in meiner Funktion als Problemlöser an, als ehrlichen Ratgeber. Und zwar egal, um welche Uhrzeit. Ich setze mich auch mitten in der Nacht zwei Stunden ins Auto, wenn man mich braucht. Ungefragt.

Frei nach Marvel würde ich sagen „When you put the batman signal up you can always trust he will come thru.1“ Da haben wir´s: Eigentlich bin ich Batman…

Mit welchen Eigenschaften würden dich andere beschreiben?


WAS SAGT MEIN INNERER KRITIKER?

Über den Unterschied zwischen kritisch und korrekt

Wie sieht es aus mit der Stimme in deinem Kopf? Diese Stimme, die dir immer wieder sagt, dass du dies nicht kannst oder jenes. Dass das jetzt wirklich blöd von dir war oder dass du es doch hättest besser wissen müssen. Ist sie laut, oder leise? Und wie gehst du damit um? In der Psychologie gibt es die Theorie, dass es sich dabei um dein inneres Kind handelt und die Art und Weise, wie du in deiner Kindheit ermahnt oder belehrt wurdest, maßgeblich an Ausmaß und Wahrnehmung deines inneren Kritikers beteiligt ist: Du wolltest nicht von deinen Eltern kritisiert werden, deswegen hast du gelernt, das selbst zu tun. Eine realistische Selbstwahrnehmung ist dabei überhaupt nicht das Problem. Erst wenn dein innerer Kritiker sich förmlich überschlägt und kein gutes Haar an dir lässt, solltest du etwas unternehmen und ihn in die Schranken weisen! Dazu gibt es verschiedene Strategien – aber im ersten Schritt solltest du erst mal genau hinhören: Was sagt dein innerer Kritiker? Und was macht das mit dir? Wie gehst du damit um?

Mein innerer Kritiker hat sich ein Beispiel an mir genommen und sich definitiv noch nie an Gesprächsregeln gehalten. Er hält quasi keine Sekunde den Mund. Selbst, wenn mir viele meiner Stärken durchaus bewusst sind, redet er mir immer wieder ein, dass ich zwar vieles recht schnell recht gut kann, aber nichts dabei ist, was ich wirklich besser kann als alle anderen. Lass dir gesagt sein, das kann zu einer echten Glaubensfrage werden!

Es nimmt dir den Wind aus den Segeln, gerade dann, wenn du richtig Fahrt aufgenommen hast und macht dich klein. Kleiner, als du eigentlich bist. Ich habe wirklich lange daran gearbeitet, diese Stimme in etwas Positives zu verwandeln. Sie als Ansporn zu benutzen und mir selbst das Gegenteil zu beweisen. Ich nutze meinen inneren Kritiker heute wie eine Art Vergrößerungsglas. Eine Lupe, die mich gewisse Eigenschaften oder Momentaufnahmen hinterfragen lässt. Denn nichts anderes ist ein Kritiker, seinem eigentlich Sinn oder seiner Bedeutung nach: jemand, der etwas prüfend beurteilt. Und wenn ich daran wachsen kann, höre ich gerne zu. Den dekonstruktiven Querulanten in mir verweise ich dagegen konsequent auf die stille Treppe in die hinterste Ecke meiner Wahrnehmung und strafe ihn mit Missachtung. Ich entscheide, was in meinem Kopf passiert!

Was sagt dein innerer Kritiker?


WAS MOTIVIERT MICH?

Warum der Dalai Lama Recht hat, wenn er sagt, dass man mit einer starken und heilsamen Motivation alles vollbringen kann

Diese Frage hat es, finde ich, richtig in sich. Du musst ganz tief in dich hinein– und vor allem zuhören. Ohne weiteres ist hier nämlich gar keine Antwort zu finden! Motiviert dich das Ziel oder der Weg? Motivieren dich die Erwartungen anderer? Was bringt dich dazu, den ersten Schritt für etwas zu tun – und tust du es für dich selbst oder für andere? Fällt es dir leichter, dich für etwas zu begeistern, wenn du eine Gegenleistung bekommst? Egal ob monetärer oder ideeller Natur? Du siehst schon, dass die Frage nach deiner Motivation wahnsinnig vielschichtig ist und von vielen Faktoren beeinflusst werden kann. Umso wichtiger ist es da doch, sich selbst zu kennen und richtig einzuschätzen. Oder nicht?

Ich persönlich habe hier eine kurze, aber ganz klare Antwort: Ich selbst bin meine beste Motivation. Ich brauche keine zweite oder dritte Person, die mich dazu bewegen muss, dies oder jenes zu tun. Ich habe erkannt, dass ich alles nur halbherzig erledige, wenn ich es nicht aus eigenem Antrieb heraus tue. Und halbe Sachen, das gebe ich zu, sind nicht der Anspruch, den ich selbst an mich habe. Ich bin der einzige Maßstab, an dem ich meine Erfolge (und Niederlagen) messe.

Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich einfach grundlegend kein Wettkampftyp bin! Ganz ehrlich? Ich mag es überhaupt nicht, mich mit anderen zu messen. Nicht aus Angst, gegen anderer Leute Leistungen abzustinken, sondern weil es für mich kein Ansporn ist, besser sein zu wollen. Mein Mann zum Beispiel wird erst richtig gut, wenn es um etwas geht. Wir können nicht einfach nur aus Spaß Billard spielen, des Billardspielens wegen. Es müssen Punkte gezählt werden und am Ende müssen ein Gewinner und ein Verlierer feststehen. Ungefähr das ist dann auch der Punkt, an dem sich der entspannte Abend dramatisch zuspitzt und nicht selten in handfesten Auseinandersetzungen endet. Denn während mein Mann, durch den Wunsch zu gewinnen angespornt, zu Höchstformen aufläuft, bin ich einfach nur genervt. Weil es nicht mehr darum geht, dass man einen schönen Abend hat, sich im Spiel steigert, sondern darum, besser zu sein als der andere.

Ich erkenne darin (für mich) einfach keinen Mehrwert. Denn selbst wenn ich bei etwas besser bin als andere, heißt das nicht, dass ich mich selbst verbessere. Wo bleibt da die Motivation? Meine eigenen Ansprüche sind das, was für mich zählt. Natürlich finde ich es toll, anderer Leute Erwartungen an mich zu erfüllen oder zu übertreffen – aber meine eigene Erwartungshaltung mir selbst gegenüber ist das, was mich wirklich motiviert.

Was motiviert dich?


WAS MAG ICH AN MIR AM MEISTEN?

Es bedarf Selbstliebe, um sich nicht selbst zu vernachlässigen

Egal, was andere über dich sagen, was findest du eigentlich selbst gut an dir? Während man mit eigenen Schwächen ziemlich großzügig umgeht, nimmt man seine positiven Eigenschaften wesentlich unbewusster wahr. Man schenkt vermeintlichen Macken oder Schwächen mehr Beachtung und hängt sie sich, in schillernden Bilderrahmen drapiert, an die Wände des eigenen Ichs. So macht man sie unbewusst zur omnipräsenten Galerie der eigenen Fehler - während die Selbstliebe oft im Schrank unter der Treppe wohnen muss. Sei Hagrid! Befreie deinen Stolz und zeige ihm den Weg zu seiner schillernden Zukunft. Auf dass er lerne, seine Kraft und seinen mächtigen Zauber zu entfalten. Es ist eine Tugend, bescheiden zu sein. Keine Frage. Aber mache dein Licht nicht kleiner, als es ist. Bringe dich zum Strahlen!

Ich mag zum Beispiel an mir selbst, dass ich mein Herz auf der Zunge trage. Natürlich stoße ich damit oft Leute vor den Kopf und ja – ich wurde dadurch auch schon oft verletzt. Aber alles andere fühlt sich nach Verstellen an. Nach Vorspielen falscher Tatsachen. Als ob ich versuchen würde, jemand anderes zu sein. So habe ich etwa ein wenig gezögert, ob ich in diesem Buch wirklich so viel von mir preisgeben soll. Mein Mann war auch erst leicht irritiert und sagte aber dann: „Wenn das für dich ok ist, warum nicht?“ Und das ist der Punkt: Es ist für mich okay! Ich möchte, dass du mich und meinen Weg kennst, dass du glauben kannst, was ich hier schreibe. Ich mag meine Authentizität und dass ich keine Angst davor habe, gesehen zu werden, wie ich bin. Ich weiß, dass das nicht viele Menschen wirklich können (oder wollen). Deswegen mag ich diese Eigenschaft gleich noch ein bisschen mehr.

Was magst du an dir am meisten?
WAS WüRDE ICH GERNE AN MIR äNDERN, UND WARUM?

Wie man mit Schwächen stärker werden kann

Gerade die äußerlichen Eigenschaften kann jeder von uns recht schnell ändern. Zwei Stunden beim Friseur lassen aus der langen Wallemähne einen flippigen Kurzhaarschnitt werden. Eine radikale Diät lässt die Kilos (wenn auch gesundheitlich fragwürdig) dahinschmelzen und plastische Chirurgen machen so gut wie alles (Un-)Mögliche möglich. Aber was würdest du an dir verändern wollen? An dem, was dich ausmacht egal wie sehr du auch dein äußeres Erscheinungsbild veränderst. Und noch viel wichtiger ist die Frage – warum würdest du das ändern wollen. Geht es dabei um dich oder um andere? Das ist in meinen Augen ein ziemlich wesentlicher Punkt! Denn: Dein Charakter macht dich aus. Du kannst ihn formen, du kannst mit ihm arbeiten. Aber das was dich ausmacht, in deinem tiefsten Inneren, in deinem Kern, wird immer da sein! Die Frage ist also, ob du um deiner selbst willen lernen möchtest, das Beste aus dir heraus zu holen oder ob du dich für andere verändern möchtest. Ob deine Schwächen wirklich Schwächen sind oder ob du damit arbeiten und sie zu deinem Vorteil nutzen kannst.

Ich würde gerne mehr in mir ruhen. Der Jähzorn in mir ist wirklich stark und ich versuche seit Jahrzehnten, ihn zu verstehen und besser mit ihm auszukommen. Jemand, der immer in seiner Mitte und bei sich ist, kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie stark diese inneren Kräfte sind, die in bestimmten Situationen aus dir ausbrechen wollen. Und wie viel es einem (in diesem Falle mir) abverlangt, nach außen die Ruhe zu bewahren. Ruhig sitzen zu bleiben. Die Stimme zu senken. Zu atmen. Wenn ich eine solche Situation nicht verlassen kann, in der es in mir brodelt, kostet es mich wahnsinnige Kraft und solche Energie, dass mir der Schweiß nicht nur im übertragenen Sinn den Rücken herunterläuft. Ich würde allerdings nicht so weit gehen, dass ich etwas an mir ändern wollte. Der Jähzorn gehört zu mir, die Impulsivität macht mich ein Stück weit aus. Ich würde nur gerne schneller lernen, wie ich mit diesen unfassbar mächtigen Impulsen in mir umgehe und die entstehenden Kräfte in die richtigen Bahnen lenken kann. Um etwas Positives daraus zu ziehen.

Ich glaube, ich bin schon auf einem guten Weg – aber am Ziel bin ich noch lange nicht.

Was würdest du gerne an dir ändern, und warum?


FüR WELCHE WERTE STEHE ICH EIN?

Am Ende sind wir es selbst, die den Dingen ihren Wert verleihen

Mit den eigenen Werten ist es so eine Sache: Als erstes sind wir durch unsere Eltern stark in unseren Wertvorstellungen geprägt. Wir haben unser Leben lang miterlebt, welche Werte in den Augen unserer Familie wichtig und welche zu vernachlässigen sind. Dabei kann man Glück haben oder das Ganze kann auch ziemlich nach hinten losgehen. Gott sei Dank sind die persönlichen Werte nicht in Stein gemeißelt. Vielleicht hast du selbst schon gemerkt, dass sich deine Wertvorstellungen mit zunehmendem Alter geändert haben, oder dass ein neuer Lebensabschnitt Einfluss auf dein Wertesystem hat. Auch die Gesellschaft, in der du lebst, übt Einfluss auf dich aus. Also sowohl global betrachtet, abhängig von der Nation und dem, wofür sie steht, als auch im Kleinen, hinsichtlich deines Freundeskreises. Je mehr du von der Welt siehst, je mehr Erfahrungen du sammelst und je genauer du hinsiehst, umso mehr entwickelt sich dein eigenes Wertesystem. Du merkst, was an deine Seele rührt. Was macht dich aus? Für welche Werte stehst du ein?

Ich hatte das wahnsinnige Glück, in einer von Liebe und Sicherheit geprägten Familie aufzuwachsen. Obwohl sich meine Eltern trennten, als ich gerade mal sechs Jahre alt war, hatte ich immer ein stabiles und liebevolles Zuhause. Meine Mama lebte mir ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben vor und brachte mir bei, dass es an dir selbst ist, zu erreichen, wonach du strebst. Dass Fehler dazugehören und dass du daraus lernst. Geld, Macht oder Ruhm hatten dafür keinen übergeordneten Stellenwert – und das haben sie auch heute nicht für mich. Ich lernte die Bedeutung von Ordnung, Disziplin und Ehrlichkeit (wobei ich mich offensichtlich gegen das Prinzip der Ordnung entschieden habe…), von Tugenden wie Zuverlässigkeit und Gerechtigkeit, aber auch von Toleranz, Dankbarkeit und Zufriedenheit. Tatsächlich werden Zufriedenheit und Dankbarkeit in meinen Augen oft ziemlich trivialisiert. Dabei sind gerade diese beiden von so unschätzbarem Wert!

Wir sind so oft so unzufrieden mit dem, was wir haben. Mehr Geld, mehr Ansehen, mehr, mehr, mehr. Warum können wir nicht für das dankbar sein, was wir haben? Innere Zufriedenheit bringt Ruhe in dein Leben. Natürlich strebe ich auch nach mehr, arbeite daran, mich immer weiter zu entwickeln. Aber trotzdem habe ich gelernt, das zu wertschätzen, was ich bereits erreicht habe oder was das Leben mir geschenkt hat. Unabhängig davon, welche Herausforderungen es auf der anderen Seite in die Waagschale wirft oder geworfen hat.

Für welche Werte stehst du ein?


WAS MACHT MICH GLüCKLICH?

Zwischen glücklich wirken und glücklich sein liegen ganze Welten

Wie oft machen wir uns selbst (oder anderen) vor, dass wir glücklich sind. Es ist halt auch so bequem. Macht alles irgendwie so leicht. Man muss nicht genauer hinsehen, muss nichts ändern, braucht nicht weiter über etwas nachzudenken – dafür hat man ja eigentlich sowieso keine Zeit. Irgendwas ist ja immer. Vielleicht glaubst du auch, du kannst dir diesen Luxus gerade nicht gönnen. Glücklich sein. Das ist doch was für all die anderen, bei denen es immer wie am Schnürchen läuft. Lass mich dir ein Geheimnis verraten: Bei niemandem läuft es immer glatt. Du darfst glücklich sein. Aber das kannst du nur, wenn du weißt, wie.

Ich habe meine eigenen Bedürfnisse und damit auch ein Stück weit mein eigenes Glück lange Zeit hinten angestellt. Ich habe mich einfach nicht wichtig genug genommen und war irgendwie viel zu beschäftigt, um über so etwas Lapidares wie Glücklichsein nachzudenken. Die Menschen um mich herum sollten glücklich sein. Mehr brauchte ich nicht. Natürlich ist das toll gedacht – aber leider nicht zu Ende. Denn wenn du selbst nicht glücklich bist, um deiner selbst willen, losgelöst vom Glück anderer, bleibst du irgendwann auf der Strecke. Es hat nichts mit Egoismus zu tun, glücklich sein zu wollen. Sondern mit der eigenen Wertschätzung.

So macht es mich natürlich weiterhin glücklich, wenn ich anderen helfen kann. Aber ich habe auch gelernt, Nein zu sagen. Außerdem jage ich nicht mehr den großen Dingen nach. Natürlich macht ein toller Urlaub glücklich. Auch ein Haus, ein Auto, Kinder, die große Liebe… Aber ich habe erkannt, dass sich mein Glück auch aus vielen kleinen Glücksmomenten zusammensetzt. Aus den Kleinigkeiten, die jeden Tag passieren. Ich musste nur lernen, sie wahrzunehmen. Also versuche ich immer, das Schöne um mich herum zu erkennen. Ich habe mir abtrainiert, sofort das Handy aus der Tasche zu holen, wenn ich auf etwas warte. Ich nehme meine Umgebung bewusst wahr und entdecke immer etwas, über das ich mich freue. Das faszinierende Licht- und Schattenspiel, das durch das Fenster bricht. Der tolle Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee, der plötzlich vorbei weht. Oder das freundliche Lächeln, das mir begegnet, wenn sich fremde Blicke treffen. Dieses Lächeln gebe ich weiter – und du wärst überrascht, wie sehr sich die Menschen darüber freuen. Wie leicht du ein Stück von deinem eigenen Glück weitergeben kannst.

Was macht dich glücklich?


FAZIT

Wie auch immer du dazu stehst; ich bin wirklich davon überzeugt, dass man sich selbst kennen muss, um sich selbst zu helfen. Vielleicht bist du einer der bewundernswerten Menschen, der von Grund auf bei sich ist und schon immer ein sehr selbstreflektiertes Leben geführt hat. Das ist toll und beneidenswert. Vielleicht gehörst du aber auch zu denen, die verlernt haben, auf sich selbst zu achten und die erst mit den richtigen Fragen wieder einen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen bekommen, die ihre Stärken und Schwächen wieder neu kennen lernen müssen. Der Blick auf das eigene Ich ist doch elementar, um herauszufinden, wer du eigentlich bist.

Für ein selbstbestimmtes Leben mit Rheuma (und am Ende für die Lebensqualität nach der wir alle streben) ist es in meinen Augen elementar, zu wissen, wie man den eigenen Fokus setzt. Wie man das mentale Immunsystem stärkt und die eigenen Potenziale ausschöpft. Es reicht nicht, sich etwas Fachwissen über rheumatische Erkrankungen anzulesen. Wenn du das Ruder in die Hand nehmen willst, musst du breiter aufgestellt sein und dich selbst zu kennen, ist dabei der Schlüssel. Deine absolute Superpower. Du kannst deine Stärken ausbauen, an deinen Schwächen arbeiten und deine ganz eigene Bewältigungsstrategie entwickeln, um Rheuma als weniger bedrohlich zu empfinden und schneller zu regenerieren.

Es gibt unzählige weitere Fragen, die dir dabei helfen, dich selbst besser kennen zu lernen. Ich denke, an dieser Stelle hast du das Prinzip verstanden und ich freue mich, wenn du Lust hast, auch die anderen Fragen im Anhang für dich zu beantworten.

Wer weiß, vielleicht erfährst du ja etwas vollkommen Neues über dich?!


  1. Sinngemäß: „Wenn du das Batman-Signal einschaltest, kannst du dir sicher sein, dass er kommt.“


EINFLUSS NEHMEN

Halte es wie Bruce Lee und schick die Umstände in die Hölle. Erschaffe dir lieber Möglichkeiten

Ich habe sehr lange gebraucht, bis ich erkennen konnte, dass ich der Krankheit Rheuma nicht machtlos ausgeliefert bin. Die Diagnose mit all ihren angsteinflößenden Umständen hatte bei mir eine Art Ohnmachtsgefühl ausgelöst. Ich glaubte, mir bliebe nichts anderes übrig, als mich der Situation hinzugeben und dachte, es zeuge von Stärke, würde ich es einfach aushalten. Mann, Mann, Mann… was war ich ein Idiot. Ganz ehrlich? Du bist nicht machtlos. Ganz im Gegenteil! Du kannst das Rheuma nicht heilen. Ja, das ist so. Aber du kannst einen ganz wesentlichen Beitrag zu deiner Lebensqualität leisten. Du kannst aktiven Einfluss und - bis zu einem gewissen Grad - sogar die Kontrolle übernehmen. Du trägst eine ganze Reihe sehr machtvoller Instrumente in dir, die du einsetzen kannst, wenn du weißt, wie! Dabei gibt es nicht die eine Patentlösung, die universell bei dir, mir und jedem anderen Rheumakteur die gleichen positiven Effekte hervorbringt. Auch wenn das natürlich mehr als wünschenswert wäre. Aber wenn du um deine Möglichkeiten weißt, kannst du herausfinden, wie du deine Umstände tatsächlich positiv beeinflussen kannst. Und selbst wenn deine Symptome nicht komplett verschwinden sollten, ist doch jede noch so kleine Verbesserung deiner Situation ein Erfolg.

Ernährung, Mindset, Achtsamkeit, Resilienz, Bewegung…. Vielleicht bist du noch nicht überzeugt. Aber lass dir gesagt sein: Diese Instrumente nehmen anhaltenden Einfluss auf die Heilige Dreifaltigkeit „Body, Mind und Soul“, auf deine körperliche, geistige und seelische Gesundheit. Es liegt an dir, was du daraus machst. Rheuma hin oder her. Du willst etwas verändern? Dann suche deinen inneren Bruce Lee und schick die Umstände in die Hölle! Du hast nichts zu verlieren!

Jetzt stellt sich heraus, ob du eher der Flight-, Freeze- oder Fight-Typ bist.

Denn hier sind deine Möglichkeiten:


...VON AUSSEN

Oder: Welche Rolle das Aussen im Inneren spielt

Dank Ernährung und Bewegung hast du gleich zwei effektive Instrumente zur Hand, deine Erkrankung positiv zu beeinflussen und dem Rheuma aktiv zu begegnen. Mit Ernährung wirkst du nicht nur der Entstehung chronischer Krankheiten entgegen, sondern linderst auch die Symptome einer bereits bestehenden rheumatischen Erkrankung. Damit kannst du Einfluss auf Entzündungsprozesse, Schmerzen, Schwellungen und Co. nehmen. Moderate Bewegung fördert zusätzlich unter anderem deine Kraft und Ausdauer. Verschiedene Studien belegen hier, dass neben der vordergründigen Stärkung des Bewegungsapparats spürbar positive Effekte auf Schmerzen und die Funktion der Gelenke auftreten können. Teilweise sogar über die Vorteile einer Behandlung mit Immunsuppressiva hinaus! Und das bei unterschiedlichster Krankheitsaktivität und bereits vorhandener Gelenkschädigung.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783000687143
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
chronische Krankheiten Stressbewältigung Ratgeber alternative Heilmethoden Mindset Selbsthilfe Gesundheit Rheuma Lebensführung Ernährung bei Rheuma Biographie

Autor

  • Daniela Kunz (Autor:in)

Daniela J. Kunz wuchs als Kind der 80er im ländlichen Westerwaldkreis auf und lebt seit ihrem wirtschaftswissenschaftlichen Studium im romantischen Heidelberg. Durch ihre Erkrankung geprägt setzte sie sich intensiv mit dem rheumatischen Formenkreis auseinander und lebt heute weitgehend symptomfrei. Sie qualifizierte sich u.a. zur Ernährungsberaterin, um ihr Wissen um die Macht der Ernährung zu fundieren. Sich selbst als „Rheumakteur“ bezeichnend, gibt sie mit KLICK ihr Debüt als Autorin.
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Titel: KLICK: Sichtweise bei Rheuma ändern, Lebensqualität zurückgewinnen