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Die Rolle der Frau während der Kreuzzüge

von M. R. Maponos (Autor:in)
10 Seiten

Zusammenfassung

Zwischen den Jahren 1096 und 1291 zogen immer wieder Könige, Adlige, Ritter und einfache Leute in kriegerischer Absicht in den Osten.

Unter dem Symbol des Kreuzes eroberten diese Heere nicht nur die Heilige Stadt Jerusalem, sondern nach und nach einen großen Teil des Nahen Ostens.

Ganze Familien mit Kindern und Greisen folgten diesen "Pilgern".
Eine spezielle Gruppe dieser Mitreisenden soll Gegenstand dieser kurzen Abhandlung sein: Die Frauen.

Dieser Exkurs beleuchtet die Rolle der Frau auf den Kreuzzügen unter dem Aspekt der Kampfteilnahme und gibt den aktuellen Forschungsstand wieder.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Zwischen den Jahren 1096 und 1291 zogen immer wieder Könige, Adlige, Ritter und einfache Leute in kriegerischer Absicht in den Osten. Unter dem Symbol des Kreuzes eroberten diese Heere nicht nur die Heilige Stadt Jerusalem, sondern nach und nach einen großen Teil des Nahen Ostens, um ihn dann in blutigen Schlachten wieder an die muslimische Welt zu verlieren.

Viele dieser „Pilger“ planten von vorne herein, nicht wieder nach Europa zurückzukehren, sondern sich in den neugegründeten Kreuzfahrerstaaten niederzulassen. Aus diesem Grund waren es nicht nur bewaffnete Männer, die Richtung Okzident zogen, sondern ganze Familien mit Kindern und Greisen, aber auch männliche Nichtkombattanten, die in der Ferne ihr Glück suchen wollten. Eine spezielle Gruppe dieser Mitreisenden soll Gegenstand dieser Arbeit sein: Die Frauen.

Im Folgenden soll die Rolle der Frauen auf den Kreuzzügen beleuchtet werden, ganz besonders unter dem Aspekt der Kampfteilnahme. Dazu wird zunächst anhand der ermittelten Sekundärliteratur der Forschungsstand zu dieser Fragestellung aufgearbeitet, bevor mit Hilfe der Quellen eine Schlussfolgerung gezogen werden kann. Als Ausgangspunkt für die Ermittlung von Sekundärliteratur und Quellen dienten die Monographie von Sabine Geldsetzer aus dem Jahr 2003 und der Sammelband von Susan B. Edgington und Sarah Lambert aus dem Jahr 2002.

Der Forschungsstand

Das älteste verwendete Werk stammt von Walter Porges, der den Frauen in seinem Aufsatz aber nur einen kurzen Abschnitt widmet. Er bestätigt zwar, dass die weiblichen Kreuzzugsteilnehmer weit davon entfernt waren, hilflos zu sein, und sich (womöglich) auch aktiv und passiv am Kampf beteiligten, gleichzeitig greift Porges aber das Problem der Moral auf, welche durch die Anwesenheit der Frauen im Kreuzzugslager und

–heer zu sinken drohte.1 Die Problematik der Glaubwürdigkeit der Quellen wird von ihm im Bezug auf die Kampfesteilnahme von Frauen allerdings wortlos übergangen.

Mit dem Problem der Ehefrauen der Kreuzfahrer beschäftigt sich James A. Brundage. Er bezeichnet die Position eben jener Ehefrauen als eine Art kanonisches Dilemma, denn es war kirchenrechtlich fraglich, wie Ehegelöbnis und Kreuzfahrergelöbnis zueinander standen.2 Mit der Proklamation des 1. Kreuzzuges sah sich Papst Urban II. mit diesem Problem konfrontiert und es wurde überlegt, eine Kreuznahme des Mannes nur mit Zustimmung der Ehefrau zuzulassen. Unter Papt Innozenz III. aber änderte sich dieses: „In order to further interests of papal policy in the Holy Land, he decreed that husbands, even without their wives’ consent, might make and fulfil crusade vows (...)“3. Ebenso wurde es aber den Ehefrauen gestattet, ebenfalls das Kreuz zu nehmen und ihre Ehemänner zu begleiten, auch wenn Innozenz III. eine Erfüllung des Schwurs mit Geld bevorzugte. Hier zeigt sich also, dass eine aktive Rolle der Frau in den Kreuzzügen immer weniger gewünscht war, ja sogar deren generelle Teilnahme nicht gern gesehen wurde.

Dass die Anzahl der Frauen, die mit den Kreuzfahrern in den Osten zogen, nicht gering war, zeigt Benjamin Z. Kedar in seinem Aufsatz.4 Bei seiner Auswertung der Teilnehmerliste eines Kreuzfahrerschiffes aus dem Jahr 1250 stellte er fest, dass von den 453 Passagieren fast 10% weiblich waren, wobei erstaunlich ist, dass anscheinend 22 der insgesamt 42 Frauen ohne männliche Begleiter reisten, d.h. die Reise ins Heilige Land anscheinend auf eigene Faust unternahmen.5 Greift Kedar die Tätigkeiten der Frauen auf den Kreuzzügen zwar nicht auf, so verdeutlicht er doch, dass die Präsenz einer nicht kleinen Zahl von Frauen durchaus wahrscheinlich ist, so dass auch davon ausgegangen werden muss, dass einige von ihnen – freiwillig oder nicht – in Kampfhandlungen verwickelt wurden. Wie bei Porges und Brundage beschränken sich seine Untersuchungen aber in erster Linie auf die generelle Teilnahme von Frauen auf Kreuzzüge, nicht aber mit der ihnen dabei zufallenden Rollen.

Bernhard Hamilton geht in seinem Aufsatz gar nicht auf Kampfesteilnahme von Frauen während der Kreuzzüge ein, sondern beschränkt sich auf die Rolle der Königinnen von Jerusalem6, womit er aber im Gegensatz zu den anderen oben behandelten Historikern den machtpolitischen Einsatzbereich von Frauen im Heiligen Land aufgreift. Das Bild, dass er von diesen acht Frauen zeichnet, zeigt fast ausschließlich mächtige, oft öffentlich aktive Frauen, die ihren Ehemännern in der Fähigkeit zu politischen Handlungen in nichts nachstanden. Anhand dieses Berichtes zeigt sich, dass es für Frauen der oberen Schichten im Mittelalter nicht ungewöhnlich war, das Amt eines Herrschers zu übernehmen. Morphia zum Beispiel nahm 1123/24 die Rettung ihres Ehemanns Balduin II. Graf von Edessa aus arabischer Gefangenschaft selbst in die Hand, indem sie „hired Armenians who disguised themselves as Turks and infiltrated the garrison of Kharpart where the king was held.“7 Andere wie Melisende hingegen begnügten sich nicht damit, in Vertretung zu regieren, und konnten erst gewaltsam vom rechtmäßigen Herrscher vom Thron gestoßen werden, in diesem Fall vom eigenen Sohn Balduin III. Hamilton kommt daher zu dem Schluss, dass „futher investigation would probably show that women were euqally influential at other social levels in this outwardly male-dominated feudal state.”8

Ronald C. Finucane schildert, dass es Berichte über kämpfende Frauen während der Kreuzzüge gab, ist aber der Meinung, dass die Rolle der meisten passiv war und der Griff zu den Waffen die Ausnahme bildete.9 Als Beleg für letzteres führt Finucane, im Gegensatz zu Porges nicht allein die muslimischen Quellen auf, sondern legt noch zusätzlich die Geschichte von Margaret von Beverly dar, welche nach ihrer Rückkehr aus dem Osten, wo sie aufwuchs, ihre Erlebnisse von ihrem Bruder niederschreiben ließ. Sie schildert, dass „she defended the city like a man“10, fügt aber dann hinzu, dass sich diese Tätigkeit auf “carrying water to the men on the walls”11 beschränkte, was die Theorie des Autors, dass die Kampfesteilnahme der Frauen während der Kreuzzüge eher auf materielle und emotionale Unterstützung begrenzt war, bestätigt.

Wohl als erste beschäftigt sich Megan McLaughlin einzig mit dem Aspekt der kämpfenden Frau und gibt an, dass trotz der Tatsache, dass das Kriegshandwerk bei Frauen als ein für diese unnatürliches Verhalten angesehen wurde, eine erstaunliche Anzahl weiblicher Kämpfer in den mittelalterlichen Quellen zu finden ist. Allerdings räumt sie ein, dass eine klare Trennung zwischen Führenden und Kämpfenden nicht durchzuführen ist und das es sich bei Kampfhandlungen von Frauen meist um Notsituationen handelte.12 Gleichermaßen aber „they demonstrate a degree of „military preparedness“ on the part of the female population of medieval Europe (…)”13. Bei den Adligen Frauen Südeuropas war es außerdem durchaus üblich, dass diese nicht nur ihren Ehemännern zur Seite standen, sondern sich auch selbst offensiv und defensiv am Kriegsgeschehen beteiligten. Weiter gibt sie an, dass dieses ein Phänomen vor allem des Hochmittelalters war, in welche Zeit auch die Kreuzzüge fallen. Zur Rolle von Frauen auf Kreuzzügen direkt äußert sich McLaughlin meist nur indirekt, ist aber der Meinung, dass „a number of women also fought alongside male crusaders – and sometimes in male disguise – on the battlefields of the Middle East.“14

Mit dem gleichen Zeitraum wie schon Brundage beschäftigt sich auch James M. Powell, der sich der Rolle der Frauen während des 5. Kreuzzuges widmet. Seine Darstellung beschränkt sich allerdings auf die Erlebnisse des Bischofs von Acre, Jaques de Vitry, im Jahr 1216 in Genua.15 Dieser wollte den 1213 von Papst Innozenz III. ausgerufenen Kreuzzug predigen, doch die meisten der Männer hatten die Stadt für einen Angriff verlassen. Da der Papst „instructed crusade preachers to administer the vow to all, regardless of suitability“16, nutzte Jaques de Vitry diese Situation und predigte zu den Frauen, wo er auf Begeisterung stieß. Powell merkt an, dass die Frauen von Genua als Gruppe mit wirtschaftlichem Einfluss und viel Geld, aber körperlicher Unfähigkeit zum Kampf, die ideale Zielgruppe waren, da in erster Linie „Sponsoren“ für den Kreuzzug gegen Damiette gesucht wurden. Nach der Rückkehr der Männer predigte der Bischof auch zu ihnen, welches auf gleiche Resonanz wie bei den Frauen stieß. Ob deren Kreuznahme allerdings die der Männer beeinflusste, hält der Autor für fraglich. Zur Rolle der Frauen weist Powell darauf hin, dass „we have to reconsider the idea that women were necessarily ,unsuitable crusaders’.“17 Seiner Meinung griffen die Frauen des 5. Kreuzzuges durchaus in das Geschehen ein, indem sie die kämpfenden Truppen versorgten, flüchtige Gegner töteten und die Organisation Damiettes nach der Eroberung übernahmen. Bei der Aufgabenverteilung sieht Powell keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, sondern ist gegenteilig der Meinung, dass einige Aufgabe nur den Frauen zugeteilt wurden.18

Als Kritikerin von McLaughlin äußert sich Helen Nicholson, die der Meinung ist, dass deren Hauptquelle – „Die Geschichte der Dänen“ von Saxo Grammaticus – ein stark romantisierender Bericht ist, der erst acht Jahre nach den geschilderten Ereignissen verfasst wurde.19 Doch auch sie selbst schließt eine aktive Kampfesteilnahme von Frauen nicht aus, denn „as women in Europe did sometimes fight, especially in urgent situations, and given that the crusade itself was the most urgent situation in all Christendom, it is likely that some women did fight.“ 20 Den Quellenbeweisen aber steht sie kritisch gegenüber, da diese ausschließlich aus muslimischer Feder stammen, so dass sie selbst nur mit Sicherheit sagen kann, das Frauen die Kreuzfahrer begleiteten, nicht aber, welche Rolle ihnen wirklich zukam. Dieses führt Nicholson vor allem darauf zurück, dass in der heutigen Zeit nur die von Männern verfassten historischen Schriften und Gesetze überliefert sind, es aber keinesfalls klar ist, ob das daraus entstehende Bild auch tatsächlich der Realität entsprach. 21

Wie McLaughlin zeigt sich James M. Blythe, der sich in seiner Untersuchung zu Frauen und Militär zwar nicht auf die Kreuzzüge beschränkt, diese aber aufgreift, erstaunt über die Menge der kämpfenden Frauen im Mittelalter. Er ist der Meinung, dass „many women accompanied armies, often as feudal lords, but it is sometimes difficult to tell whether they actually fought“22.Die Frage, ob es für Frauen überhaupt möglich war das Kreuz zu nehmen, was als Voraussetzung für die gewollte Kampfesteilnahme gelten kann, bejaht er zumindest für den ersten Kreuzzug, fügt aber direkt hinzu, dass dabei der Griff zur Waffe zunächst nicht eingeschlossen war. Auf den Aspekt der anscheinend doch möglichen aktiven Kampfesteilnahme während der Kreuzzüge geht Blythe aber nur kurz ein, indem er angibt, dass es einige Berichte über eben diesen Tatbestand gibt, ohne allerdings zu erwähnen, dass diese ausschließlich von muslimischer Seite stammen.23

Keren Caspi-Reisfeld weist in ihren Ausführungen explizit auf die unsichere Quellenlage hin und hält die Annahme von Helen Nicholson, dass die Muslime die Rolle der kämpfenden Frauen auf Seiten der Kreuzfahrer zu deren Diffamierung übertrieben24, für durchaus möglich.25 Dennoch teilt sie die allgemeine Auffassung, dass Kreuzfahrerinnen eine mehr oder minder aktive Rolle im Kampfgeschehen spielten. Im Gegensatz zu anderen differenziert Caspi-Reisfeld den Einsatzbereich für ein aktives Eingreifen: Ihrer Meinung nach war weibliche Beteiligung an Belagerungen und Invasionen von Städten nicht unüblich, während „the more aggressive invasions and attacks(,) were less accessible to women.“26

Sabine Geldsetzer unterteilt in ihrem Werk die von den Kreuzzügen des 11., 12. und 13. Jahrhunderts betroffenen Frauen in vier Kategorien: Frauen im Umfeld der Kreuzzüge, solche mit nichtrealisierter Teilnahme, Teilnehmerinnen im engeren Sinne und Frauen ohne klare Zuordnung.27 Inwiefern die dritte, für diesen Exkurs besonders relevante Gruppe in Kampfhandlungen verwickelt war oder auch selbst die Initiative dazu ergriff, kann ihrer Meinung nach nicht genau gesagt werden, da die Quellenlage unsicher und der Realitätsgehalt dieser fragwürdig ist. Keineswegs aber wird bestritten, dass Frauen aktiv am Kampf teilnahmen, sei es direkt oder indirekt. Gemäß Geldsetzer gehen die Tendenzen dahin, dass adlige Frauen führende Rollen übernahmen, oft in Vertretung ihrer Gatten, was zur damaligen Zeit durchaus üblich war. Frauen aus den niederen Schichten kämpften wohl im Fußvolk oder unterstützen die Kämpfenden, indem sie Wasser, Nahrungsmittel und Munition herbeibrachten, den Wachdienst übernahmen, beim Einsatz von Belagerungsgerät halfen oder moralische und medizinische Hilfe boten. Das Tragen von Rüstungen war in diesem Einsatzbereich laut Geldsetzer ein Schutz und ist keineswegs ein Indiz für aktive, direkte Teilnahme am Kampfgeschehen.28 Außerdem zieht Geldsetzer die Bilanz, dass die „Lebensbedingungen und Funktionen von Frauen auf Kreuzzügen (...) nicht allein über ihr Geschlecht definiert werden können (...)“29. Es sei vielmehr die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, welche die Rolle der Frauen bestimmte.

In seiner Rezension zu dem Werk von Geldsetzer kritisiert Jonathan Riley-Smith, dass es nur wenige Beweise für direkte Kampfteilnahme gibt und bedauert außerdem, dass Geldsetzer zwei bedeutende weibliche Figuren der Pilgerbewegung des 14. Jahrhunderts nicht erwähnte – St. Bridget von Schweden und St. Katherina von Siena. Ebenso wird bemängelt, dass im dritten Kapitel, das sich mit den Gründen der Kreuzzugbeteiligung von Frauen befasst, die ideologische Motivation kaum berücksichtig wurde, was nach der Meinung von Riley-Smith nicht mehr der aktuellen Forschungsmeinung entspräche.30

Obwohl die oben aufgeführten Historiker sich über einen Zeitraum von fast 60 Jahren den Frauen auf Kreuzzügen gewidmeten haben, hat sich der Forschungsstand nur wenig verändert, der Blickwinkel sich allerdings stark verschoben. Wurde in den 50er, 60er und am Anfang der 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch vor allem die Problematik der Teilnahme von Frauen im allgemeinen behandelt, so war Hamilton einer der ersten, der Frauen im Heiligen Land unter machtpolitischen Aspekte behandelte. Obwohl schon flüchtig von Finucane angesprochen, legte aber wohl erst McLaughlin mit ihrem Aufsatz „Women Warrior“ den Grundstein für eine neue Betrachtungsweise der weiblichen Kreuzzugsteilnehmer, indem sie den Gesichtspunkt der aktiv kämpfenden Frau aufgriff und erläuterte. Dieser Ansatz wird bis in heutige Zeit weiterverfolgt und bearbeitet; angetrieben durch die Genderforschung ist die Frau im Mittelalter aber insgesamt mehr in den Mittelpunkt gerückt. Dieses zeigt sich in den neusten Werken, wie denen von Edgington/Lambert oder Geldsetzer, in denen die Rolle(n) der Frauen auf Kreuzzügen unter einem allgemeinen Licht mit einem kritischen Blick auf die Quellen erläutert werden.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752176490
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Januar)
Schlagworte
Kreuzzüge Geschichte Mittelalter Frauen Ritter Politik Kulturgeschichte

Autor

  • M. R. Maponos (Autor:in)

M.R. Maponos ist Historikerin und widmete ihre Leidenschaft der mittelalterlichen Forschung. Ein ganz besonderes Augenmerk richtet sie auf die sozio-kulturellen Randgruppen dieser Epoche und die Stellung der Frau auch außerhalb des klassischen Rollenbildes.
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Titel: Die Rolle der Frau während der Kreuzzüge